Römische Brunnen in Lahr - Fundgruben für die Botanik

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Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1994 Konrad Theiss Verlag

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Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1994

Konrad Theiss Verlag

möchte ich Frau Gabriele Süsskind für die re­daktionelle Betreuung, die sie in bewährter Weise übernommen hat, sowie dem Konrad Theiss Verlag für die Herausgabe des Bandes.

Stuttgart , im Mai 1995 Jörg Biel

Karte der Städte und Gemeinden, aus denen in diesem Band berichtet wird.

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Inhalt

Vorwort 5

Das Archäologische Landesmuseum Ba­den-Württemberg (D. Planck, J. Heilig-mann) 17

Die Ausgrabung 1994 im Hohle Fels Schelklingen, Alb-Donau-Kreis (J. Hahn) 24

Eine neuentdeckte mittelpaläolithische Freilandstation in Bad Säckingen, Kreis Waidshut (R. Jagher, Chr. Maise) 27

Eine weitere frühmesolithische Feuer­stelle in Rottenburg-Siebenlinden 3, Kreis Tübingen (C.-J. Kind) 30

Neue Baubefunde in der ältestbandkera­mischen Siedlung von Rottenburg a. N., Kreis Tübingen (H. Reim) 34

Ein bandkeramisches Dorf mit Dorfgra­ben und Friedhof bei Vaihingen a. d. Enz, Kreis Ludwigsburg (R. Krause) 37

Botanische Untersuchungen in der line­arbandkeramischen Siedlung von Vaihin­gen-Ensingen, Kreis Ludwigsburg (M. Rösch) 43

Weiß bemalte Wandelemente der Älte­ren Pfyner Kultur aus Sipplingen, Boden-seekreis (M. Kinsky, M. Kolb) 49

Taucharchäologische Untersuchungen in der Bodmaner Bucht, Gde. Bodman­Ludwigshafen, Kreis Konstanz (J. Könin-ger, H. Schlichtherle, C.-D. Schmid) 54

Eine Mineralbodensiedlung der Mittel­bronzezeit in Bodman, Gde. Bodman­Ludwigshafen, Kreis Konstanz (H. Schlichthede) 61

Mittelbronzezeitliche und frühmittelal­terliche Siedlungsbefunde aus Mühlhau­sen-Ehingen, Kreis Konstanz (J. Aufder-mauer, B. Dieckmann) 65

Eine mittel- bis spätbronzezeitliche Befe­stigung in Pfaffenhofen, Landkreis Heil-bronn (G. Gassmann) 69

Taucharchäologische Untersuchungen am Nordstrand der Insel Mainau, Kreis Konstanz (J. Köninger, H. Schlichtherle) 73

Eine Bohlenkonstruktion im westlichen Federseemoor: Teil einer Straßenverbin­dung zur'Insel »Buchau«? (Stadt Buchau, Kreis Biberach) (A. Billamboz, H. Schlichtherle, U. Maier) 76

Eine neue hallstattzeitliche Talsiedlung in Riegel, Kreis Emmendingen (Chr. Maise) 80

Neue Ausgrabungen in der keltischen Nekropole im »Lindele« in Rottenburg a. N., Kreis Tübingen (H. Reim) 83

Ein »aufschlußreicher« Kompromiß: Die Ausgrabung einer Teilfläche der vorge­schichtlichen Höhensiedlung »Stöcken­burg«, Stadt Vellberg, Kreis Schwäbisch Hall (I. Stork, G. Balle) 87

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Das Grab einer »besonderen« Frau der Frühlatenezeit von Gündlingen, Stadt Breisach, Kreis Breisgau-Hochschwarz-wald (R. Dehn) 92

Neue Untersuchungen am keltischen Siedlungsplatz »Ohrenberg<< bei Kirch­heim-Benzenzimmern, Ostalbkreis (P. Menzel, S. Bauer) 94

Archäologische Untersuchungen im Op­pidum Heidengraben, Gde. Grabenstet­ten, Kreis Reutlingen (M. K. H. Eggert, Th. Knopf. W. Löhlein, J. Petrasch) 96

Untersuchungen im Umkreis der Vier­eckschanze »Klinge<< bei Riedlingen, Kreis Biberach (F. Klein) 102

Keltische Viereckschanze und neuzeit­licher Schützengraben (?) in Ladenburg, Rhein-Neckar-Kreis (J. Welp, C. S. Som-mer) 105

Vorflavische und andere wichtige Be­funde zur Topographie der römischen Siedlung von Riegel a. K., Kreis Emmen-dingen (Chr. Dreier) 107

Frührömische Militärfunde sowie ein möglicher spätantiker Münzschatz aus Waldmössingen, Stadt Schramberg, Kreis Rottweil (A. Schaub) 114

Zum Abschluß der Ausgrabungen auf dem Rettig in Baden-Baden (P. Knier-riem, E. Löhnig, E. Schallmayer) 117

Die Ausgrabung Baden-Baden, Römer­platz 4 - Erste Einblicke in die Struktur des Weihebezirks von Aquae? (P. Knier-riem, E. Schallmayer) 124

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Ausgrabungen im römischen und mittel­alterlichen Ladenburg, Rhein-Neckar-Kreis (C. S. Sommer) 129

Ausgrabungen im Ostteil des römischen Sumelocenna, Rottenburg a. N., Kreis Tübingen (H. Reim) 134

Ausgrabungen im römischen und mittel­alterlichen Rottweil1994 (C. S. Sommer) 139

Ausgrabungen im Randbereich des römi­schen Vicus bei Burladingen, Zollernalb-kreis (H. Reim) 141

Neue Ausgrabungen in der römischen Siedlung bei Murr, Kreis Ludwigsburg (1. Stork) 146

Ein römischer Tiefbrunnen im Südvicus von Heidelberg (R. Ludwig) 149

Römische Brunnen in Lahr- Fundgruben für die Botanik (M. Rösch) 151

I

Straßenstation Sontheim/Brenz-» Brai­ke<<, Kreis Heidenheim (H. U. Nuber, G. Seitz) 156

Grabungsende in der Villa urbana von Heitersheim, Kreis Breisgau-Hoch­schwarzwald (H. Allewelt, K. Kortüm, H. U. Nuber) 164

Die römische Villa rustica in Oberndorf­Bochingen, Kreis Rottweil (C. S. Som-mer) 168

Ausgrabung im römischen Gutshof »Zwiere<<, Achstetten, Kreis Biberach (F. Klein) 173

Der römische Gutshof in Überauchen, Gde. Brigachtal, Schwarzwald-Baar-Kreis (J. Klug-Treppe) 176

Ausgrabungen im Tempelbezirk der Gutsanlage von Hechingen-Stein, Zol-lernalbkreis (S. Schmidt-Lawrenz) 182

Ein bemerkenswerter römischer Bronze­fund sowie frühalamannische Siedlungs­zeugnisse aus einer Villa rustica bei Wurmlingen, Kreis Tutdingen (M. Reu­ter)

Ein neuer Bestattungsplatz römischer

186

Zeit in Weil, Kreis Lörrach (G. Fingerlin) 189

Geoelektrische Prospektion im römi­schen Gutshof >>Burg« bei Altenburg, Stadt Reutlingen (J. Wilhelm, E. Appel, F. Klein) 192

Römischer Speicher in Bad Rappenau (E. Herberg) 196

Sondierungsgrabungen im Bereich der völkerwanderungszeitlichen Höhensied­lung auf dem Geißkopf, Gde. Berghaup­ten, Ortenaukreis (H. Steuer, M. Hoe-per) 200

Kreisgräben im nördlichen Oberrheintal (R.-H. Behrends) 206

Untersuchungen im alamannischen Grä­berfeld von Munderkingen, Alb-Donau-Kreis (J. Bofinger, J . Hald) 209

Lauchheim, Ostalbkreis, 1994 - frühe Phasen des großen Gräberfelds der Me-rowingerzeit (I. Stork) 212

Untersuchung von Resten der Goldfäden eines Brokatgewebes aus Lauchheim, Gräberfeld >> Wasserfurche«, Grab 795 (Ch. J. Raub, H. Weiss) 217

Ausgrabungen im alamannischen Grä­berfeld im >>Paradiesle« in Kirchheim un-ter Teck, Kreis Esslingen (R. Laskowski) 220

Tauberbischofsheim >> Milchzentrale«: Neue Ausgrabungen an einem vor- und frühgeschichtlichen Siedlungsplatz, Main-Tauber-Kreis (R. Krause)

. Merowingerzeitliche Funde aus Graben-

223

stetten, Kreis Reuttingen (Th. Knopf) 226

Zwei kostbare Gürtelschnallen aus mero­wingerzeitlichen Gräbern in Hüfingen, Schwarzwald-Baar-Kreis. Zur Wiederge­winnung einer Goldschmiedearbeit des frühen Mittelalters (G. Fingerlin) 229

Ausgrabungen im fränkischen Friedhof und der frühmittelalterlichen Siedlung in Kirchheim a. N. (1. Stork) 232

Ein kleiner spätfränkischer Bestattungs­platz im Jagsttal bei Ailringen, Gde. Mul-fingen, Hohenlohekreis (R. Krause) 236

Bauarchäologische Untersuchungen an der Krypta des Fridolinmünsters zu Bad Säekingen (F. Broscheit, M. Untermann) 237

Bauarchäologische Beobachtungen im Schloß Aulendorf im Kreis Ravensburg (E. Schmidt) 241

Archäologische Notdokumentation im Bereich der Burg Horrenberg, Gde. Diel­heim, Rhein-Neckar-Kreis (L. Hilde­brandt, Chr. Prohaska-Gross, U. Gross) 245

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Ein älterer Graben im Bereich der Burg von Großsachsenheim, Stadt Sachsen­heim, Kreis Ludwigsburg (M. Weihs, V. Gross) 249

Reste des ehemaligen Burgstalls von Schwaikheim (S. Amold) 253

Entdeckung der mittelalterlichen Schwabsburg durch 3D-Geoelektrik und Geomagnetik in Rainau-Schwabsberg, Ostalbkreis (H. von der Osten) 256

Beobachtungen an der Ruine Rüden­berg, Waldachtal-Cresbach, Kreis Freu-denstadt (D. Lutz) 259

Archäologische Beobachtungen zum Waldsteger Schlößchen in Bühl-Neusatz, Kreis Rastatt (D. Lutz) 262

Beobachtungen in der Ruine Hohenba-den, Stadt Baden-Baden (D. Lutz) 266

Baubegleitende Beobachtungen an der Ruine Schauenburg, Gde. Dossenheim, Rhein-Neckar-Kreis (D. Lutz) 269

Archäologische Untersuchungen auf dem Ankerschulplatz in Rottenburg, Kreis Tübingen (E. Schmidt) 273

Konstruktionshölzer des frühen Mittelal­ters aus Winterbach, Rems-Murr-Kreis (H. Schäfer) 278

Mittelalterliche Funde bei der Ortskern­sanierung m Leimen, Rhein-Neckar-Kreis (L. Hildebrandt, U. Gross) 280

Beobachtungen zur Besiedlung von Vb­stadt, Gde. Ubstadt-Weiher, Landkreis Karlsruhe (D. Lutz) 282

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Fortsetzung der Grabungen in der Wü­stung Vöhingen bei Schwieberdingen, Kreis Ludwigsburg (S. Amold) 285

Befunde einer vorstädtischen Siedlung an der Steinach in Nürtingen (S. Amold) 288

Spätmittelalterliche Gefäßfunde aus dem Fuchslabyrinth in Schrozberg-Schmalfel-den, Kreis Schwäbisch Hall (U. Gross) 289

Zu den mittelalterlichen Vorstädten in Esslingen (H. Schäfer) 291

Esslingen als Zentrum spätgotischer Ka-chelproduktion (H. Romanitz) 295

Archäologische Untersuchungen in der Hauptstraße 23 in Geislingen an der Steige, Kreis Göppingen (W. Lang) 299

Stadtarchäologie in Konstanz (M. Dumit-rache) 303

Archäologisclie Beobachtungen in der Bachgasse in Tübingen (E. Schmidt) 312

Archäologische Beobachtungen im Quartier Marktstraße/Poststraße in Göp-pingen (L. Galioto, M. Weihs) 316

Ulm: Historische Latrine gibt glänzende Fundstücke frei (A. Bräuning) 318

Ein spätmittelalterliches Gebäude in Schwäbisch Hall (M. Weihs, Ch. Prohas-ka-Gross, U. Gross) 319

Zum Fortgang der botanischen Untersu­chungen in Schwäbisch Hall (M. Rösch, E. Fischer) 323

Schiffswracks im Bodensee (M. Mainber-ger, A. Müller, H. Schlichtherle) 325

Ein hochmittelalterlicher Verhüttungs­platz bei Grafenberg, Kreis Reuttingen (M. Kempa) 330

Siedlungsarchäologische Untersuchun­gen im Bergbaurevier Sulzburg, Kreis Breisgau-Rohschwarzwald (C. Pause, S. Spiong) 334

Die Holzkohle der montanarchäologi­schen Grabungen im Revier Sulzburg, Kreis Breisgau-Hochschwarzwald (Th. Ludemann) 341

Spätmittelalterliche Glasproduktion: Ofentechnologie und Herstellungspro­zesse in der Hütte im Schönbuch bei Be­benhausen, Kreis Tübingen (B. Scholk-mann) 349

Untersuchungen zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Eisenindustrie im Andelsbachtal, Stadt Laufenburg, Kreis Waidshut (St. Fassbinder, Chr. Maise) 356

Probebohrungen im Burggraben von Schloß Weikersheim, Main-Tauber­Kreis (S. v. Osten, D. Siebers, J. Weyer) 359

Fundmünzen aus Württemberg 361

Ortsregister 365

Verzeichnis der Autoren

Heike Allewelt M. A ., Abt. für Provinzialrö­mische Archäologie der Universität Freiburg

Prof. Dr. Erwin Appel, Institut für Geologie und Paläontologie, Abt. Geophysik, der Uni­versität Tübingen

Dr. Susanne Arnold, Landesdenkmalamt Ba­den-Württemberg, Abt. Archäologische Denkmalpflege, Stuttgart

Dr. Jörg Aufdermauer, Kreisarchäologe, Sin­gen

Gereon Balle M. A ., Abt. für Provinzialrömi­sche Archäologie der Universität Freiburg

Sylvia Bauer, Institut für Ur- und Frühge­schichte Tübingen

Dr. Rolf-Heiner Behrends, Landesdenkmal­amt Baden-Württemberg, Abt. Archäologi­sche Denkmalpflege, Außenstelle Karlsruhe

Dr. Jörg Biel, Landesdenkmalamt Baden­Württemberg, Abt. Archäologische Denk­malpflege, Stuttgart

Dr. Andre Billamboz, Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Abt. Archäologische Denkmalpflege, Arbeitsstelle Gaienhofen­Hemmenhofen

Jörg Bofinger M. A., Institut für Ur- und Früh­geschichte der Universität Tübingen

Dr. Andrea Bräuning, Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Abt. Archäologische Denkmalpflege, Stuttgart

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verwendet worden war. Andererseits ist der Anteil von Fehlbränden so gering, daß es sich sicherlich nicht um den kompletten Töpferei­ausschuß mehrerer mißlungener Ofenbeschik­kungen handeln kann. So bleibt die Möglich­keit, daß es sich um den Lagerbestand aus ei­ner oder sogar mehreren der umliegenden Töpfereien handelte, der aus unbekannten Gründen nicht verhandelt wurde. Sehr wahr­scheinlich gelangte er schon zerscherbt in den aufgelassenen Brunnen, eine Brandkatastro­phe schließt der archäologische Befund aus. Das Keramikspektrum ist in Form und Zeit­stellung ausgesprochen homogen und datiert in die zweite Hälfte 2./erste Hälfte 3. Jh.; Funde, die nicht aus der Töpfereiproduktion stammen, damit einen eigentlichen Siedlungs­niederschlag darstellen, sind selten. Dazu zählt die wenige Sigillata (darunter ein Stück des Comitialis IV), Reste einer genagelten Schuhsohle sowie eine Bronzepinzette und eine intakte Spiralfibel mit oberer Sehne (sog. Dolchfibel) aus domitianischer Zeit. Die drei Metallfunde lagen weit unter der massiven Ke­ramikverfüllung, kurz über der hölzernen Ver­schalung und gehören in die Benutzungszeit des Brunnens.

In unmittelbarer Nähe des Fundorts, ebenfalls östlich der römischen Straße, die den Südvicus durchschneidet, wurden bereits 1877 zwei und 1965 drei weitere Töpferöfen ausgegraben. Ein Zusammenhang zwischen den Öfen und dem Brunnen, der sicherlich eine größere Anzahl von Gewerbebetrieben zu versorgen hatte, liegt auf der Hand. Vergleiche des For­menspektrums aus Brunnen und Öfen werden die Beziehungen beweisen müssen. Mit dem Neufund gelang es erstmals, einen Tiefbrunnen im römischen Beideiberg bis auf die Sohle zu untersuchen, als Glücksfall darf weiterhin die außergewöhnliche Verfüllung angesehen werden. Deren Aufarbeitung läßt neue Aspekte zur Handelsgeschichte im U n­teren Neckarland und zu Produktionspro­gramm, Organisation und Struktur der Töpfe­reien in Beideiberg an der Wende vom 2. zum 3. Jh. erwarten. Renate Ludwig

Literaturhinweis B. Heukemes, Römische Keramik aus Heidelberg. Mat. z. röm.-germ. Keramik 8 (1964) bes. Beilage 1 mit den Öfen III und IV.

Römische Brunnen in Lahr - Fundgruben für die Botanik

Seit 1991 gräbt das Landesdenkmalamt, Au­ßenstelle Freiburg, im römischen Vicus von Lahr-Dinglingen im Ortenaukreis. Dort wur­den mehrere Brunnen entdeckt, von denen bislang drei ausgegraben wurden. Systema­tisch ausgegrabene römische Brunnen lagen bislang in Südbaden nicht vor. Aufgrund der Erfahrungen in anderen Landesteilen war nicht nur in den Brunnen, sondern auch in an-

deren eingetieften und mit Erdmaterial gefüll­ten Befunden mit Pflanzenresten in größeren Mengen zu rechnen. Daher wurden von Be­ginn an systematisch und in großem Umfang Bodenproben für botanische Untersuchungen entnommen. Die Untersuchung dieses Mate­rials im Labor für Archäobotanik des LDA ist noch im Gang. Derzeit liegen vorläufige Er­gebnisse von 98 Bodenproben der Kampagnen

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1991 bis 1993 vor. Hier sollen nun die Brunnen 1 und 2 bzw. ihr pflanzlicher Inhalt kurz vor­gestellt werden, ergänzt um einige Anmerkun­gen zu den sonstigen Befunden. Die Aussagen zu den Brunnen beruhen auf der Untersuchung von 27 (Brunnen 1) bzw. 32 (Brunnen 2) Proben mit einem Gesamtvolu­men von 29 bzw. 12 Litern. Daraus wurden 7506 bzw. 1469 Pflanzenreste isoliert und 303 unterschiedlichen Arten oder Artengruppen zugeordnet. Die Konzentration der überwie­gend feucht erhaltenen Pflanzenreste beträgt also 257 bzw. 125 Pflanzenreste pro Liter. Überwiegend handelt es sich in beiden Brun­nen um Wildpflanzen. Kulturpflanzen haben lediglich 6% Anteil. Die größte Gruppe davon sind die Getreide (Abb. 97), insbesondere im Brunnen 2. Namentlich im Brunnen 1 treten Gemüse-/Gewürzpflanzen, Obst und Ölpflan­zen in stärkerem Maß auf. Das Getreide liegt im Brunnen 1 hauptsächlich in Form von Druschresten vor, im Brunnen 2 dagegen in Form von Körnern. Auch in der artmäßigen Zusammensetzung der Getreidekörner unter­scheiden sich die beiden Brunnen (Abb. 98):

100

80

~ c

.91 60 .r:

~ ~

40

20

Brumen l Brunnen2

Zahl de! klll~te: Bnl"lnen 1: 266. Blumen 2: 59

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Im ersten sind Gerste und Dinkel annähernd gleich häufig, wogegen im zweiten Dinkel klar dominiert. In geringen Mengen wurden in bei­den Brunnen Rispenhirse, Hafer, Nacktwei­zen, Emmer und Roggen gefunden. Damit liegt in den Brunnen trotz geringer Stückzahl nahezu das vollständige römerzeitliche Getrei­deinventar vor. In den übrigen Befunden, die teilweise beträchtliche Mengen verkohlten Getreides lieferten, kam lediglich noch ein nichtgesicherter Fund der Kolbenhirse hinzu. Andererseits verfestigte sich auch in Lahr die überragende Rolle des Dinkels als des wichtig­sten römischen Getreides. Die Vermutung, die Römer hätten in der klimatisch begünstig­ten Rheinebene, anders als in den übrigen Tei­len der Provinzen Obergermanien und Rätien, bevorzugt Nacktweizen angebaut, läßt sich nicht bestätigen. Einige weitere Kulturpflanzen sollen ebenfalls erwähnt werden: In größerer Menge wurden Früchte der Sellerie gefunden, seltener solche der Runkelrübe (Beta vulgaris) und des Schild­ampfers (Rumex scutatus). Alle drei sind aus anderen Brunnen als ins römische Gartenbeet

.Getreide

~Oipflanzen

D HOlsenfrüchte

l GemOse GewOrze

[]]]Obst

Abb. 97 Lahr-Ding­lingen, "»Schillinger«. Brunnen 1 und 2. Kulturpflanzen.

Abb. 98 Lahr-Ding­lingen, »Schillinger«. Brunnen 1 und 2. Getreidekörner.

Zahl der Getreldek~ner: llnrtwn 1: 47 .llnrtwn 2: 53

gehörende Pflanzen bekannt , anders als eine weitere Art, die erstmals in Baden-Württem­berg als archäologischer Fund erlaßt wurde. Es handelt sich um ein Kürbisgewächs tropi­scher Herkunft, seit alters her in vielen Sorten vornehmlich unter wärmerem Klima kulti­viert. Von daher wußte man bislang nicht, wie ernst man seine Erwähnung im berühmten >>Hortulus« des Walafried Strabo, dem der Klostergarten der Insel Reichenau im 9. Jahr­hundert zugrundelag, nehmen sollte. Die Rede ist vom Flaschenkürbis (Lagenaria sice­raria), dessen Fleisch zwar genießbar ist, des­sen Hauptverwendung jedoch in der Herstel­lung leichter und stabiler Gefäße aus der ver­holzten Fruchtwand bestanden haben dürfte (Abb. 99). Eine solche Flasche wurde bereits einmal in frühmittelalterlichem Kontext in den Niederlanden gefunden. In Lahr war es keine Flasche, sondern die Kürbiskerne, die norma­lerweise beim Aushöhlen entfernt und wegge-

Abb. 99 Lahr-Dinglingen, »Schillinger«. Brunnen 1. Flaschenkürbis ( Lagenaria siceraria). Same.

.Dinkel

llllliiiD Mehrzellige Gerste

Rispenhirse

[SS} Hafer

D Nacktweizen

0Emmer

Rest: Roggen

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worfen werden. Daraus kann man schließen, daß in Lahr im 2. Jahrhundert n. Chr. Fla­schenkürbisse ausgehöhlt wurden. Offen bleibt nur die Frage, ob diese Kürbisse aus Ita­lien eingeführt wurden oder in Lahr gewach­sen waren. Nach Literaturangaben reifen die Flaschenkürbisse unter hiesigem Klima nicht so vollständig aus, daß ihre Fruchtwand genü­gend hart wird, um für Gefäße zu taugen. In diesem Sommer konnten wir im rekonstruier­ten Hortulus auf der Reicherrau einen voll aus­gereiften Flaschenkürbis ernten und unserer Vergleichssammlung einverleiben. Hätte man die Lahrer Kürbisse importiert, so wären sie si­cherlich schon am Wuchsort ausgehöhlt wor­den, um keinen unnötigen Ballast über die Al­pen zu schleppen, zumal die Gefahr bestanden hätte, daß sie während des Transports zu fau­len begonnen hätten. Dann hätte man in Lahr jedoch keine Kürbiskerne gefunden. Es spricht also alles dafür, daß in römischen Gär­ten in Lahr Flaschenkürbisse gewachsen sind. Neben diesem außergewöhnlichen Fund mu­ten Fruchtsteine des Pfirsichs und Samen der Schwarzen Maulbeere fast schon alltäglich an , obgleich beide Pflanzen durchaus nicht zum Standardinventar jedes römischen Brunnens gehören. Den Gewürzpflanzen anzuschließen ist der Hopfen, wobei von wildem Vorkom­men in Auenwäldern und deren Verlichtungen auszugehen, aber eine Nutzung angesichts elf gefundener Nüßchen in sechs Proben durchaus in Erwägung zu ziehen ist. Archäologische Nachweise dieser bevorzugt als Bierwürze ge­nutzten Pflanze konzentrieren sich auf mittel­alterliche Fundplätze. Römische Funde lagen bislang nur in Ladenburg und Murrhardt vor. Verläßt man die Kultur- und Nutzpflanzen und wendet sich den Wildpflanzen zu, die ja die Masse des botanischen Fundguts darstellen, so ergibt eine Gliederung in ökologische Grup­pen wiederum klare Unterschiede zwischen den beiden Brunnen: Im ersten überwiegen

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Ackerunkräuter gemeinsam mit Tritt- und Pionierpflanzen, im zweiten dagegen Pflanzen von Ruderalfluren (Abb. 100). Auch die wei­tere ökologisch-vegetationskundliehe Bewer­tung der Wildpflanzenfunde bringt deutliche Unterschiede, zwischen beiden Brunnen zu­tage, deren Ursache zusammengefaßt fol­gende ist: Beide Brunnen wurden, wie üblich, nach Ende ihrer regulären Funktion sekundär als Entsorgungseinrichtungen verwendet, und zwar nicht für Fäkalien, sondern für Grün­abfälle aus Gartenbau/Landwirtschaft/Land­schaftspflege, wie es in vielen Fällen beobach­tet wurde, wenngleich, wie auch hier, mit einer gewissen Beimengung von Abfällen anderer Herkunft. Die Masse des Materials aus Brun­nen 1 stammte offenbar von Brachäckern, noch nicht lange zugewachsenen Hofplätzen oder ähnlichen Stellen, wogegen beim zweiten Brunnen überwiegend die hochwüchsige, kräf­tige und gut entwickelte Pflanzendecke einer seit längerem nicht mehr betretenen und völlig zugewachsenen Ruderalfläche eingetragen worden ist. In dieser Masse unterschiedlicher Wildpflanzen finden sich einige Arten, die bis­lang im Land nicht oder selten gefunden wur­den. Dazu gehört aus der Gruppe der Acker­unkräuter das Französische Leimkraut (Silene gallica), ein heute im Land vom Aussterben bedrohtes Nelkengewächs mediterraner Her­kunft. Der Lahrer Fund ist der erste römerzeit­liche. Darüber hinaus liegen nur von zwei spät­bronzezeitlichen Fundplätzen am Bodensee Nachweise vor. Auch für die Spatzenzunge (Thymelaea passerina), eine ebenfalls im Land sehr seltene und gefährdete, wärmeliebende Art der Kalkäcker, gelang hier der erste rö­merzeitliche Nachweis. Die übrigen neun Funde im Land stammen aus mittelalterlichem Kontext. Überhaupt keinen archäologischen Nachweis gab es bislang vom Blauen Gauch­heil (Anagallis foemina), einem wärmelieben­den Schlüsselblumengewächs und Unkraut des

Brunnen 1 Brumen2

Zahl der\Nidpftanzervestv: 8rumen 1: 72«1, Blumen 2: 1410

Wintergetreides auf Kalkäckern. Diese Art ist heute ebenfalls selten und gefährdet, Vom Portulak (Portulacca oleracea) lagen bislang nur zwei mittelalterliche Fundmeldungen (Esslingen, Denkendoder Pfleghof und Kon­stanz) vor. Das nicht seltene Auftreten in Lahr läßt möglicherweise an eine Nutzung als Ge­müse-/Salatpflanze denken, die, wie schon am wissenschaftlichen Artnamen zu erkennen, durchaus gebräuchlich ist. Die frostempfind­liche Art gedeiht auf lockeren, meist sandigen, nährstoffreichen Böden in Gärten, Pflasterfu­gen, Weinbergen und ist im Land auf die kli­matisch begünstigten Weinbaugebiete am Oberrhein, Main, Neckar und Bodensee be­schränkt, Auf Sandböden weisen auch die Zarte Miere (Minuartia hybrida) und die Ki­cherwicke (Vicia /athyroides) hin. Beide wur­den bislang je einmal gefunden, die Zarte Miere in Hochdorf (Schussenrieder Kultur) und die Kicherwicke in Heilbronn-Neckargar­tach (Urnenfelderkultur). Wiederum handelt es sich um wärmeliebende, westmediterrane

bzw. submediterran, subatlantische Arten, die hierzulande sehr selten sind. Gegenwärtig ganz auf das Oberrheingebiet beschränkt ist die Hunds-Braunwurz (Scrophularia canina) , eine submediterrane Art lückiger Pionierrasen auf warmen, trockenen Kiesböden, von der bislang ein römischer Nachweis aus Pforzheim vorlag. Einen völlig anderen Standorttyp ver­tritt die letzte erwähnte Pflanze, der Rote Fin­gerhut (Digitalis purpurea). Diese bekannte Gift- und Arzneipflanze kommt in Schlagflu­ren der Bergwälder auf kalkarmen Böden, im Land vornehmlich im Schwarzwald, vor. Ar­chäologische Nachweise lagen bislang keine vor, was u. a. damit zusammenhängen dürfte, daß sich archäologische Ausgrabungen auf dicht und alt besiedelten Tieflagen mit frucht­baren Böden und günstigem Klima konzen­trieren, wo der Fingerhut fehlt. Er dürfte dem­nach nicht in der unmittelbaren Umgebung von Lahr in der Rheinebene gewachsen sein. Die Funde sind vielmehr ein deutlicher Hin­weis auf eine Begehung und wohl auch Nut-

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zung der benachbarten Hochlagen des Schwarzwaldes bereits in römischer Zeit.

Manfred Rösch

Literaturhinweise G. Fingerlin, Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 1991, 151 ff. - Ders., Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 1992, 154 ff. -Ders., Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 1993, 172 ff.- M. Rösch/S. Jacomet/S. Karg, The history of cereals in the region of the former Duchy of Swabia (Herzog­tum Schwaben) from the Roman to the Post-medie­val period: results of archaeobotanical research, Ve­getation History and Archaeobotany 1 (1992), 193 ff.- L. Kooistra!W. A. M. Hessing, Ein frühmittel-

alterlicher Brunnen mit einer exotischen Frucht aus Houten, Ber. Rijksdienst Oudheidkundig Bode­monderz 38 (1988), 207 ff. -H.-P. Stika, Beiträge zu Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt in den rö­mischen Provinzen Obergermanien und Rätien, Diss. Univ. Innsbruck 1993.- E. Fischer, Botani­sche Untersuchungen hochmittelalterlicher Pflan­zenreste aus der Ausgrabung auf dem Gelände des Denkendorier Pfleghofs, Esslingen, Unveröff. Di­plomarbeit Univ. Freiburg 1993.-0. Sebald/S. Sey­bold/G. Philippi (Hrsg.), Die Farn- und Blüten­pflanzen Baden-Württembergs, Bd. 1-4, Stuttgart 1990 und 1992.- E. Oberdorfer, Pflanzensoziologi­sche Exkursionsflora, 6. Aufl., Stuttgart 1990.- H. Haeupler/P. Schönfelder, Atlas der Farn- und Blü­tenpflanzen der Bundesrepublik Deutschland, Stutt­gart 1989.

Straßenstation Sontheim/Brenz-»Braike«, Kreis Heidenheim

Die von Ende Juni bis Anfang November 1994 dauernde Grabungskampagne in Sontheim/ Brenz->>Braike« stand unter der Vorgabe, die seit 1982laufenden wissenschaftlichen Feldar­beiten abzuschließen. Es galt, flächenmäßig noch recht umfangreiche Areale aufzudecken, um die römische Siedlungsstelle samt ihren beiden zugehörigen Bestattungsplätzen im Hinblick auf eine endgültige Gesamtbeurtei­lung vollständig zu erfassen. Das gesteckte Ziel wurde erreicht, und der unermüdliche Einsatz aller Beteiligten darüber hinaus be­lohnt, als auch im 12. Grabungsjahr noch be­merkenswerte Einzelergebnisse hinzugewon­nen werden konnten. Zentrale Wasserbevorratung (Geb. Wund X): Das Hauptaugenmerk der Untersuchungen war auf den noch unerforschten Innenbereich der Anlage gerichtet (Abb. 101), genauerauf das Arealzwischen Halle F3, GebäudeS, Spei­cherbauRund der bereits erfaßten Westecke (AA 1990, 158). Erdverfärbungen bezeugten den ehemaligen Verlauf der ältesten Zaun-

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gräbchensysteme, die an vermuteter Stelle ih­ren Abschluß bildeten. -Ebenso trat auch die Westecke des jüngeren, massiven Holzzauns zutage, weshalb der Flächeninhalt des um­grenzten Areals der ausschließlich in Holzbau­weise errichteten Station sich nun mit exakt 3,12 ha festlegen läßt.- Eine von Nordosten in die Anlage geführte, ursprünglich holzver­schalte Wasserleitung versorgte das Anwesen während der Holzbauperioden mit Frischwas­ser. Spätestens bei Errichtung der steinernen Umfassungsmauer wurde diese unterbrochen und durch eine andersartige technische Ein­richtung ersetzt. Westlich des zeitweilig als Bad genutzten Ge­bäudes S (Abb. 101) fand sich in etwa 30 m Entfernung ein langrechteckiges Bauwerk (W). Es erstreckte sich im Innern der Anlage

Abb. 101 Sontheim/Brenz. Grundrißplan I> aller Steinbauten in der Siedlung. Gräberfeld I und I/, Straßennetz, Stand 1994.