Prognosekulturen an Finanzmärkten (with Karl-Heinz Thielmann)

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Inhalt Das Erdächtnis Zur kulturellen Logik der Zukunft Andreas Hartmann, Oliwia Murawska | 7 Prognosekulturen an Finanzmärkten Ekaterina Svetlova, Karl-Heinz Thielmann | 17 Zukunft »chinesischer Prägung«? Zukunftskonzepte in der Volksrepublik China seit 1949 Nicola Spakowski | 39 On the Confrontation between Perennial Models in 19 th Century Halmahera (Indonesia) Jos D.M. Platenkamp | 73 Modelle der Bezugnahme auf Zukünftiges Bernd Mahr | 111 Future of the Past History of Architectural Paradigms, Pragmatic Concerns, Social Innovations and Envisioning Narratives Slobodan Dan Paich | 179

Transcript of Prognosekulturen an Finanzmärkten (with Karl-Heinz Thielmann)

Inhalt

Das Erdächtnis

Zur kulturellen Logik der Zukunft

Andreas Hartmann, Oliwia Murawska | 7

Prognosekulturen an Finanzmärkten

Ekaterina Svetlova, Karl-Heinz Thielmann | 17

Zukunft »chinesischer Prägung«?

Zukunftskonzepte in der Volksrepublik China seit 1949

Nicola Spakowski | 39

On the Confrontation between Perennial Models

in 19th Century Halmahera (Indonesia)

Jos D.M. Platenkamp | 73

Modelle der Bezugnahme auf Zukünftiges

Bernd Mahr | 111

Future of the Past

History of Architectural Paradigms, Pragmatic Concerns,

Social Innovations and Envisioning Narratives

Slobodan Dan Paich | 179

Zukunftswissen im mittelalterlichen Lateineuropa

Determinanten sozialen und politischen Handels,

wenn die Zeit gemessen ist

Felicitas Schmieder | 197

Translation, the Introduction of Western

Time Consciousness into the Chinese Language,

and Chinese Modernity

Sinkwan Cheng | 217

Autorinnen und Autoren | 233

Prognosekulturen an Finanzmärkten

EKATERINA SVETLOVA, KARL-HEINZ THIELMANN

WAS IST PARADOXAL AN DEN

WIRTSCHAFTSPROGNOSEN?

Es ist ein alljährliches Ritual. Zum Jahresende können wir in den Zei-

tungen die Prognosen der Anlagestrategen von Banken und Invest-

mentfirmen lesen. Sie teilen uns mit, wie sich ihrer Ansicht nach die

Zinsen sowie die Kurse von Aktien, Währungen und Rohstoffen ent-

wickeln werden. Manchmal können wir auch noch ihre missglückten

Vorhersagen vom Vorjahr begutachten, meist mit einem hämischen

Kommentar versehen, dass sie ja wohl dieses Mal wieder völlig schief

gelegen haben. In der Tat zeigt die Vergangenheit, dass es praktisch

nie gelingt, die Entwicklungen an den Kapitalmärkten richtig vorher-

zusagen.

Die Unfähigkeit der Ökonomen und Finanzmarktexperten, genaue

Vorhersagen zu liefern, haben auch die wissenschaftlichen Untersu-

chungen bestätigt.1 Nassim Taleb fand diesen Umstand einfach »skan-

1 Vgl. Betz, Gregor: Prediction or Prophecy? The Boundaries of Economic

Foreknowledge and Their Socio-Political Consequences, Wiesbaden 2006;

Montier, James: Behavioural Investing. A Practitioners Guide to Applying

Behavioural Finance, Chichester 2007; Spiwoks, Markus/Bedke, Nils/Hein,

18 | SVETLOVA/THIELMANN

dalös«2: Er nannte die Prognostiker auf den Märkten »leere Anzüge«3,

weil sie Vorhersagen machen, immer falsch liegen, aber nie zugeben,

dass sie einfach nicht imstande sind zu prognostizieren. Sie müssten

sich nach einem anderen Job umschauen, so Taleb.4

Die Gründe, warum Wirtschaftsprognostiker sich nach einem ande-

ren Job umschauen sollten, wurden in der Literatur ausführlich disku-

tiert. 5 Ökonomische Ereignisse sind einmalig, sie wiederholen sich

nicht, insbesondere weil sie sozialer Natur sind. Soziale Ereignisse wie

Revolutionen oder technologische Innovationen können nicht vorher-

gesagt werden, weil sie komplex und nicht linear sind; kollektive

menschliche Handlungen haben oft unvorhersehbare Konsequenzen,6

unter anderem weil sie oft die Umstände verändern, unter denen ge-

handelt wird; das gilt für alle strategischen Situationen wie Schach

aber auch für die Finanzmärkte.7 Taleb fasste es so zusammen:

»Prediction requires knowing about technologies that will be discovered in the

future. But that very knowledge would almost automatically allow us to start

developing those technologies right away. Ergo, we do not know what we will

Oliver: »Topically Orientated Trend Adjustment and Autocorrelation of the

Residuals – An Empirical Investigation of the Forecasting Behavior of

Bond Market Analysts in Germany«, in: Journal of Money, Investment and

Banking 14 (2010), S. 16-35.

2 Taleb, Nassim Nicholas: The Black Swan. The Impact of the Highly Im-

probable. New York 2007, S. 137.

3 Ebd., S. 145.

4 Vgl. ebd., S. 163.

5 Für einen Überblick vgl. Betz (wie Anm. 1).

6 Vgl. Popper, Karl Raimund: The Poverty of Historicism, London 2002.

7 Vgl. Shackle, George L.S.: Expectations in Economics, Cambridge 1949

sowie Shackle, George L.S.: Uncertainty in Economics and Other Reflec-

tions, Cambridge 1955.

PROGNOSEKULTUREN AN FINANZMÄRKTEN | 19

know.« Das heißt, »[…] to understand the future to the point of being able to

predict it, you need to incorporate elements from this future itself.«8

Da die Elemente der Zukunft, die für eine erfolgreiche Vorhersage

notwendig sind, nicht bekannt sind, sind die Prognosen sehr schwierig.

Genau dies wissen auch die Prognostiker; trotzdem geben sie jedes

Jahr erneut Prognosen ab.

Die Analyse der abgegebenen Prognosen deckt gewisse auf den

ersten Blick unverständliche Gemeinsamkeiten auf, die in diesem Arti-

kel untersucht werden. Paradox erscheint zum Beispiel, dass immer

wieder sehr genaue kurzfristige zeitpunktbezogene Prognosen gemacht

werden, die die Form einer Zahl (manchmal bis zur zweiten Nach-

kommastelle) annehmen, und das, obwohl Prognosen unmöglich sind.

Warum denn sich auf eine Zahl festlegen? Weiterhin ist auffallend,

dass Prognostiker in dem Finanzmarkt viel öfter auf die Ereignisse set-

zen, die – statistisch gesehen – eher unwahrscheinlich sind, und hiermit

die Erfolgsquote ihrer Prognosen mindern. Darüber hinaus fällt eine re-

lativ starke Gleichförmigkeit der Prognosen auf: Die meisten Analys-

ten sind ›vorsichtige Optimisten‹, die einen moderaten Anstieg der

Kurse erwarten; einige wenige sind ›mahnende Warner‹, die den Welt-

untergang vorhersagen. Wir illustrieren im Folgenden diese Paradoxien

am Beispiel der jährlichen Performance des deutschen Aktienindex

DAX seit 1990.

Von André Kostolany stammt ein schönes Bild, in dem er Wirt-

schaft und Börse mit einem Spaziergänger vergleicht, der mit seinem

Hund einen Weg entlang geht.9 Wie der Spaziergänger vorankommt,

ist schon nicht ganz einfach vorherzusagen. Es gibt zwar Faktoren, die

man kennt und deshalb gut einschätzen kann, so z.B. sein Alter und die

Beschaffenheit des Schuhwerks, ob er trainiert oder unsportlich und ob

er motiviert oder lustlos ist. Viel schwieriger ist es, die Beschaffenheit

des Weges einzuschätzen, der noch vor ihm liegt. Ist der Weg gerade

8 Taleb (wie Anm. 2), S. 172.

9 Vgl. Kostolany, André: Das ist die Börse, Stuttgart 1962.

20 | SVETLOVA/THIELMANN

und flach oder gibt es Hindernisse, die man überwinden bzw. umgehen

muss? Allerdings kann man davon ausgehen, dass der Spaziergänger

zumindest die eingeschlagene Richtung weiter verfolgt.

Wie der Hund vorankommt, ist praktisch unmöglich vorherzusa-

gen. Mal läuft er voraus, mal bleibt er lange zurück. Mal verschwindet

er im Gebüsch, mal geht er eng bei seinem Herrchen. Vielleicht lässt er

sich auch von einem anderen Hund ablenken. Bleibt er beharrlich zu-

rück, zwingt er gelegentlich den Spaziergänger sogar zu einem kurzen

Halt.

Der Mann ist ein Bild für die Gesamtwirtschaft, der Hund für die

Börse. Der Spaziergänger folgt einem relativ stabilen Ablauf, hat aber

mit Unterbrechungen zu kämpfen. Dies ist schon schwer vorherzusa-

gen, wie die vielen ungenauen Konjunkturprognosen jedes Jahr bele-

gen. Mit einer Prognose für den Jahresendstand eines Aktienindex

müssen die Anlagestrategen aber den Weg des Hundes vorhersagen,

der völlig erratisch umherläuft. Dies ist kurzfristig praktisch unmög-

lich; eine Prognosezahl bis zur zweiten Nachkommastelle wird wegen

der hohen unvorhersehbaren Schwankungen fast immer von dem reali-

sierten Wert abweichen.

Wenn man genauer die Wertentwicklung des DAX in den vergan-

genen 22 Jahren betrachtet (Tab. 1), so stellt man fest, dass es sieben

Verlustjahre (ca. 1/3 aller Jahre) und 15 Gewinnjahre (ca. 2/3) gab. Die

nominale Rendite lag im arithmetischen Mittel bei 11,3% p.a. Im geo-

metrischen Mittel, welches die langfristige Zuwachsrate besser be-

schreibt, lag sie bei 8% p.a. Bereinigt um die Inflationsentwicklung

ergibt dies im geometrischen Mittel eine reale Wertsteigerung von ca.

6% jährlich.

Diese Durchschnittsrendite entspricht auch in etwa dem unteren

Ende der realen jährlichen Durchschnittsrenditen zwischen 4,9% und

9,5% für deutsche Aktien, die von Forschern der London Business

PROGNOSEKULTUREN AN FINANZMÄRKTEN | 21

School in »The Millenium Book«10 für die 20-jährigen Zeiträume zwi-

schen 1950 und 2000 (mit einer Ausnahme) ermittelt worden sind.

Tabelle 1: Jährliche DAX-Renditen von 1991-2012

(eigene Darstellung)

nominal

Inflations-

rate

real

1991 12,9% 2,6% 10,3%

1992 -2,1% 5,0% -7,1%

1993 46,7% 4,4% 42,3%

1994 -7,1% 2,8% -9,9%

1995 7,0% 1,8% 5,2%

1996 28,2% 1,4% 26,8%

1997 46,2% 1,9% 44,3%

1998 18,4% 1,0% 17,4%

1999 39,1% 0,6% 38,5%

2000 -7,5% 1,4% -8,9%

2001 -19,8% 1,9% -21,7%

2002 -43,9% 1,5% -45,4%

2003 37,1% 1,0% 36,1%

2004 7,3% 1,7% 5,6%

2005 27,1% 1,5% 25,6%

2006 22,0% 1,6% 20,4%

2007 22,3% 2,3% 20,0%

2008 -40,4% 2,6% -43,0%

2009 23,8% 0,4% 23,4%

2010 16,1% 1,1% 15,0%

2011 -14,7% 2,3% -17,0%

2012 29,1% 2,0% 27,1%

ø 11,3% 2,0% 9,3%

10 Vgl. Dimson, Elroy/Marsh, Paul/Staunton, Mike: The Millenium Book.

A Century of Investment Returns, London 2000.

22 | SVETLOVA/THIELMANN

Diese Zahl – real 6% – dürfte somit auch ein realistischer Schätzwert

für die durchschnittliche jährliche Wertentwicklung deutscher Aktien

in Friedenszeiten sein.

Abbildung 1: Jährliche DAX-Renditen von 1991-2012: Abweichungen

vom Mittelwert (eigene Darstellung)

Insofern sollte man – oberflächlich betrachtet – meinen, dass eine mo-

derate Prognose einer Renditesteigerung von ungefähr 3 bis 10% jähr-

lich für den Aktienmarkt gar nicht so falsch sein kann. Allerdings ist

bemerkenswert, wie stark die realisierten Indexwerte für die einzelnen

Jahre von den Durchschnittswerten abweichen.

Lediglich in zwei Jahren (1995 und 2004) lag die tatsächliche Ren-

dite innerhalb dieser Zone von 3 bis 10% (Abb. 1). In nur vier Jahren

war die Rendite weniger als 5% von der Durchschnittsrendite entfernt.

Hingegen gab es acht Jahre, in denen die Wertentwicklung mehr als

20% vom Durchschnittswert abwich. Aufgrund dieser starken

Schwankungen ist es also relativ unwahrscheinlich, dass ein Durch-

schnittsergebnis bei einer Renditeprognose herauskommt. Es ist sogar

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

negativeAbweichung mehr

als -30%

negativeAbweichung

zwischen -30%und -10%

Abweichung max.10%

positiveAbweichung

zwischen 10%und 30%

positiveAbweichung mehr

als 30%

Anzahl Jahre

PROGNOSEKULTUREN AN FINANZMÄRKTEN | 23

wahrscheinlicher, dass es zu einer deutlichen Abweichung von dem

Durchschnittsergebnis kommt.

Weiterhin fällt auf, dass es genauso viele Jahre mit Rendite-

schwankungen über 40% (sog. fat tails) gab wie Jahre, in denen halb-

wegs durchschnittliche Renditen erwirtschaftet wurden. Die Durch-

schnittsrendite kam also genau so häufig vor wie ein extremer Aus-

schlag.

Die negativen Jahre hatten einen Kursverlust von durchschnittlich

19,4%. Nur ein Verlustjahr (2001) kommt in die Nähe dieses Durch-

schnittswertes. In fast einem Drittel der Verlustjahre waren die Einbu-

ßen über 40%. In schlechten Jahren gab es also mehr fat tails als

Durchschnittsergebnisse.

In Jahren mit Kursgewinnen betrug die Durchschnittsrendite 25,6%

p.a. Immerhin lagen sechs von 14 Gewinnjahren in der Nähe dieses

Durchschnittswertes, vier allerdings auch mehr als 10% darüber. In

zehn der betrachteten 22 Jahre hat der DAX ein Anlageergebnis von

mehr als 20% erwirtschaftet. Für einen Analysten, der am Jahresanfang

einen Wertgewinn von 20% und mehr für den Aktienmarkt schätzt, ist

also die Wahrscheinlichkeit richtig zu liegen ca. vierfach so groß wie

für einen Strategen, der eine Performance von 3 bis 10% schätzt.

Schaut man sich allerdings die Prognosen der Börsenexperten ge-

nauer an, so stellt man eine erstaunliche Tatsache fest: In jedem Jahr

sagt die überwiegende Anzahl der Spezialisten für ihren Aktienmarkt

eine Kurssteigerung von ca. 3 bis 10% vorher. So finden sich für das

Jahr 2013 die meisten Prognosen laut einer »Handelsblatt«-Umfrage in

einem Bereich von 7.800 bis 8.400.11 Für den DAX zum Jahresende

2013 liegt die durchschnittliche Schätzung bei 8.029, also einem Plus

von ca. 5,5%. Zwar gibt es für dieses Ergebnis immer die unterschied-

lichsten Argumente, es kommen aber paradoxerweise immer solche

ähnlich moderaten Vorhersagen heraus. Nur gelegentlich wagt sich

einmal ein Pessimist mit einer negativen Prognose heraus, wie in

11 Vgl. Kokologianis, Georgios/Landgraf, Robert/Sommer, Ulf: »Dax-Rally

geht weiter«, in: Handelsblatt vom 02.01.2013, S. 4-5.

24 | SVETLOVA/THIELMANN

diesem Jahr die Saxo-Bank mit der Prognose für den DAX von

5.000.12 Vorhersagen, dass der Aktienmarkt 20% oder noch mehr zule-

gen könnte, werden nur von Außenseitern geäußert und sind wieder

sehr selten.

Das sind alles interessante, wenn nicht in der Tat paradoxale Pat-

terns, denen wir in diesem Artikel auf den Grund gehen wollen. Trotz

der fundamentalen Einsicht, dass Prognosen, insbesondere kurzfristige,

so gut wie unmöglich sind, wird oft sehr präzise vorhergesagt: Es

reicht, wie erwähnt, ein kurzer Blick in die Zeitungen am Jahresende.

Warum finden wir nach wie vor Prognosen, die eine genaue Zahl dar-

stellen, obwohl klar ist, dass diese Zahl sich so gut wie nie realisiert?

Weiterhin sind die Wirtschaftsvorhersagen auffallend gleichförmig,

orientieren sich an den historischen Durchschnitten, obwohl die Statis-

tik zeigt, dass diese Prognosen – im Vergleich zu ›Ausreißern‹ – eine

sehr niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit haben. Warum werden also

Prognosen mit einer hohen Erfolgswahrscheinlichkeit so stark vermie-

den? Warum sind sie in ihrer Masse so auffallend ähnlich?

Diesen Phänomenen gehen wir auf den Grund, indem wir den Be-

griff von ›Prognosekulturen‹ einführen und behaupten, dass diese Kul-

turen die Form und Genauigkeit der Vorhersagen in den Finanzmärk-

ten stark beeinflussen (Abschnitt 2). Wir unterscheiden zwischen

›Show-Kultur‹ und ›Ergebnis-Kultur‹. Die öffentlichen Prognosen

werden meistens im Rahmen der ›Show-Prognosekultur‹ gemacht.

Diese Prognosen werden dem Publikum (auf der »Vorderbühne« im

Sinne von Goffman)13 präsentiert und wesentlich von den Erwartungen

des Publikums mitbestimmt. Wir zeigen, wie diese Erwartungen die

12 Vgl. Deutsche Wirtschafts Nachrichten: »Saxo Bank: ›Welt-Finanzsystem

befindet sich bereits im Zustand wie zu Kriegszeiten‹« vom 28.12.2012.

URL: http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2012/12/28/saxo-bank-welt

-finanzsystem-befindet-sich-bereits-im-zustand-wie-zu-kriegszeiten vom 19.

11.2014.

13 Vgl. Goffman, Erving: The presentation of self in everyday life, Garden

City 1959.

PROGNOSEKULTUREN AN FINANZMÄRKTEN | 25

Zahlenform und die Gleichförmigkeit von Prognosen bedingen (Ab-

schnitt 3). In einer ›Ergebnis-Kultur‹, wo Vorhersagen ›hinter der

Bühne‹ formiert und in der Regel nicht kommuniziert werden, sondern

eher der internen Entscheidungsfindung dienen, nehmen Prognosen die

Form eines Trends, einer Abschätzung der Marktdynamik an und blei-

ben oft unpräzise (Abschnitt 4). Um diese zwei Prognosearten – eine

genaue Prognose als Zahl und eine ungenaue als Trendaussage – von-

einander abzugrenzen, schlagen wir eine begriffliche Unterscheidung

zwischen Prognose und Vorhersage vor.

PROGNOSEKULTUREN

In unserem Ansatz folgen wir der Tradition des sich gerade etablieren-

den Zweigs der Wirtschaftssoziologie, nämlich den Social Studies of

Finance, und behaupten, dass die genaue Beobachtung der ›Praktiken

der Prognoseproduktion und –kommunikation‹, der Prognosekulturen

(forecasting cultures), einen Aufschluss darüber geben kann, warum

und wie in den Finanzmärkten vorhergesagt wird. Genauso wie heutzu-

tage von den Wissenskulturen (epistemic cultures) als Praktiken der

Wissensherstellung und des Wissensgebrauchs gesprochen wird,14 so

ist es wichtig zu fragen, wie Prognosen – in den konkreten Marktsitua-

tionen von konkreten Wirtschaftsakteuren – gemacht, kommuniziert

und wahrgenommen werden. Was bedeuten Prognosen für die Akteu-

re? Warum ignorieren sie so oft die Unmöglichkeit der Vorhersagen?

Ist das ein Teil der Prognosekultur? Was sind weitere Elemente dieser

Kultur?

Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, wurde eine empirische

Untersuchung durchgeführt. Die Datenbasis bilden 28 problemorien-

tierte Interviews mit einer Gruppe professioneller Anleger an den Fi-

nanzmärkten, vorwiegend Portfoliomanagern, die in Investmenthäu-

14 Vgl. Knorr-Cetina, Karin: Wissenskulturen. Ein Vergleich naturwissen-

schaftlicher Wissensformen, Frankfurt a.M. 2002.

26 | SVETLOVA/THIELMANN

sern in Frankfurt am Main und in Zürich tätig sind. Portfoliomanager

beschäftigen sich mit der langfristigen Anlage von Kundengeldern in

Wertpapieren, um für ein bestimmtes Investmentprofil maximale Ren-

dite zu erwirtschaften. Das Geld wird in Form von Investmentfonds

(auch Portfolios genannt) angelegt, die sich nach der Art der Wertpa-

piere (Aktien, Anleihen etc.) unterscheiden. In den Interviews wurden

die Portfoliomanager der Aktienfonds verschiedener Ausrichtungen

(europäische Aktien, Small/Mid Caps, Emerging Markets) sowie ein

Portfoliomanager für den Rentenmarkt befragt.

Ergänzend liegen der Untersuchung die Daten zugrunde, die wäh-

rend einer teilnehmenden Beobachtung in der Asset-Management-

Abteilung einer Schweizer Privatbank gesammelt wurden. Das sind vor

allem Aufzeichnungen und Transkriptionen interner Sitzungen wie

zum Beispiel morning meetings und Anlageausschusssitzungen sowie

die Diskussionen mit externen Experten. Schriftliches Material – inter-

ne und externe Analysen, Mitteilungen, Newsletters – wurde während

des Aufenthalts ebenso gesammelt und später ausgewertet. Die Aus-

wertung der Interviews, der Feldnotizen, der Beobachtungsprotokolle

und der Dokumente erfolgte nach den Prinzipien der Grounded Theory.15

Die empirische Analyse erlaubte, die Praktiken der Vorhersagen

detailliert zu beobachten und den Begriff der Prognosekulturen zu ver-

dichten. Die Prognosekulturen sind so organisiert, dass sie ihren Teil-

nehmern erlauben, sinnvoll über die Zukunft zu sprechen und von die-

sen Diskursen zu profitieren. Die Prognostiker wie auch die Rezipien-

ten der Prognosen benutzen eine bestimmte Rhetorik und zeigen Ver-

haltensmuster, die die Form und die Reichweite der Prognosen im We-

sentlichen erklären.

Wir haben herausgefunden, dass sich Prognosekulturen – je nach-

dem, wie die Vorhersagen produziert und präsentiert werden – unter-

scheiden. Es gibt Kulturen, in denen Vorhersagen ausschließlich zum

15 Vgl. Corbin, Juliet M./Strauss, Anselm L.: Basics of qualitative research:

techniques and procedures for developing grounded theory, 3. Aufl., Los

Angeles 2008.

PROGNOSEKULTUREN AN FINANZMÄRKTEN | 27

Zwecke der Präsentation gemacht werden, d.h. für eine Audienz, die

diese Prognosen für die eigenen Entscheidungen benutzt (zum Beispiel

liefern Volkswirte und Wertpapieranalysten den Portfoliomanagern

Prognosen, die sie dann zurate ziehen, um zu entscheiden, in welche

Wertpapiere sie das Geld investieren). Wir nennen diese Art der Prog-

noseproduktion ›Show-Prognosekulturen‹. Und es gibt Kulturen, wo

Vorhersagen sozusagen für den eigenen Gebrauch, als Basis für die ei-

genen Handlungen produziert werden (zum Beispiel bilden die Portfo-

liomanager eigene Prognosen, die sie nicht kommunizieren müssen,

sondern direkt in die Entscheidungen umwandeln). Das sind die

›Ergebnis-Kulturen‹. Wir werden zeigen, dass die Form der Prognosen

– eine zeitbezogene Punktprognose oder eine ›ungenaue‹ Trendprog-

nose – von der Art der Prognosekultur abhängt, in der sie produziert

werden.

Um diese Unterscheidung der Prognosekulturen theoretisch zu ver-

ankern, schlagen wir vor, auf die Theatermetapher von Goffman zu-

rückzugreifen.16 Einige Autoren haben bereits Prognosen in den Märk-

ten aus dieser interaktionistischen Perspektive betrachtet.17 Sie haben

sich vorwiegend auf die Bedeutung von Status für die Analysten und

die Wege der Statusproduktion in dem Präsentationsmodus (auf der

Vorderbühne) konzentriert. Wir möchten diese Perspektive erweitern,

indem wir erstens die interaktiven Elemente, insbesondere sozial be-

stimmte Situationsregeln des Prognoseprozesses, empirisch unter-

suchen und uns zweitens auch dem Verlauf der Vorhersagenerstellung

16 Vgl. Goffman (wie Anm. 13).

17 Vgl. Giorgi, Simona/Weber, Klaus: »Marks of distinction: Presentation

style as a source of status among security analysts«, Working paper, Co-

lumbia Business School 2007. URL: http://www4.gsb.columbia.edu/null/

download?&exclusive=filemgr.download&file_id=7231 vom 19.11.2014

sowie Reichmann, Werner: »›Epistemic Participation‹ – Economic fore-

casts and the new relationship between scientific subjects and objects«,

Paper im Rahmen des 105th Annual Meeting der American Sociological

Association, Atlanta (USA), 14.-17.08.2010.

28 | SVETLOVA/THIELMANN

auf der »Hinterbühne« widmen, was in der Literatur bis jetzt noch

nicht explizit gemacht wurde. Auf diesem Wege versuchen wir, die in

der Einleitung angesprochenen Prognoseparadoxien zu erklären.

PROGNOSTISCHE SHOW-KULTUREN ODER PROGNOSEN AUF DER VORDERBÜHNE

Viele Prognostiker präsentieren ihre Vorhersagen dem Publikum auf

der Vorderbühne (in der Presse, in TV-Sendungen, auf Roadshows

etc.). Die Absicht auf der Vorderbühne ist, einen Eindruck (impression)

zu machen und so das Publikum zu überzeugen, die präsentierten An-

sichten zu teilen. Die Analysten wollen einen Einfluss ausüben, und

die Stärke dieses Einflusses hängt von dem Status der Analysten ab.18

Giorgi und Weber demonstrieren überzeugend, dass eine wichtige

Quelle des Status der Präsentationsstil ist; sie zeigen, wie die Audienz

– je nachdem wie präsentiert wird – über die Relevanz der Prognosen

und die Bedeutung der Darsteller urteilt; für die Analysten ist deswe-

gen der Präsentationsstil das Instrument, die Beurteilung des Publi-

kums zu beeinflussen.19 Insbesondere zeigen Giorgi und Weber, dass

sich der Status des Prognostikers vergrößert, je mehr sich der Präsenta-

tionsstil eines Analysten den Erwartungen der Kapitalanleger (oder

allgemein: des Publikums) anpasst. Deswegen bemühen sich die Vor-

hersager im Rahmen dieser ›Show-Prognosekultur‹, den Stil und die

Form ihrer Prognoseleistung so zu regulieren, dass sie das »Ein-

drucksmanagement«20 auf der Vorderbühne erfolgreich bewältigen.

Die Erwartungen des Publikums bedingen aber nicht nur, wie die

Vorhersagen präsentiert, sondern auch wie sie produziert werden. Die

18 Vgl. Aspers, Patrik/Beckert, Jens: »Value in Markets«, in: Jens Beckert/

Patrik Aspers (Hg.), The Worth of Goods. Valuation and Pricing in the

Economy, New York 2011, S. 3-40, hier S. 20.

19 Vgl. Giorgi/Weber (wie Anm. 17), S. 2.

20 Goffman (wie Anm. 13).

PROGNOSEKULTUREN AN FINANZMÄRKTEN | 29

inszenierte Anhänglichkeit an Publikumserwartungen auf der Vorder-

bühne bestimmt sowohl die Form als auch die Qualität der Vorhersa-

gen. Das Publikum erwartet nämlich, dass eine genaue numerische

Vorhersage geliefert wird. Hierzu eine charakteristische Aussage eines

Finanzmarktprognostikers (Abteilung Tactical Asset Allocation, Zü-

rich) in Bezug auf die Renditevorhersage: »Was man von mir erwartet,

ist ein Punkt-Forecast, es ist ein Point Estimator, und zwar ein Vektor

zu einem Zeitpunkt in einer bestimmten Höhe, über den ich eine Aus-

sage treffen soll.«

Die Phrase »Was man von mir erwartet« bezieht sich auf die Audi-

enz, der die Vorhersage präsentiert wird; der Prognostiker ist sich also

der Erwartung der Audienz, eine präzise numerische Vorhersage zu

bekommen, voll bewusst und orientiert sich danach. Diese Erwartung

ist mit dem implizierten kulturellen Glauben an die wissenschaftliche,

ernste und zuverlässige Natur von Zahlen verbunden.21 Das ist auch ein

Ausdruck des modernen Wunsches nach klarem Wissen in dem Wirt-

schaftsfeld.22 Man glaubt, dass Zahlen Verwirrungen und Zweideutig-

keiten ausschließen.

Um die Erwartungen des Publikums zu erfüllen, bemühen sich die

Wirtschaftsanalysten, ihre Vorhersagen starr, formell, zahlenorientiert

und künstlich genau erscheinen zu lassen. Weil es auf der Vorderbühne

Konvention ist, eine wissenschaftlich gerechtfertigte und eindeutige

Definition der Situation zu präsentieren, werden Unklarheiten und

Unwissenheit heruntergespielt und größtenteils ausgeschlossen. In den

Meetings zwischen Portfoliomanagern (Audienz) und den Wertpapier-

analysten (Darsteller der Prognosen) wurde zum Beispiel oft beobach-

tet, dass, sobald die Analysten anfingen, die sich widersprechenden

Argumente darzustellen und hiermit unpräzise zu werden, die Portfolio-

21 Vgl. Porter, Theodore M.: Trust in numbers. The pursuit of objectivity in

science and public life, Princeton 1995.

22 Vgl. Zaloom, Catlin: »How to read the future: The yield curve, affect, and

financial prediction«, in: Public Culture 21, 2 (2009), S. 245-268, hier S.

245.

30 | SVETLOVA/THIELMANN

manager oft die Diskussion mit der Frage beendeten: »So, what is your

target price?«

Das Publikum erwartet eine in Zahlen ausgedrückte Vorhersage;

zum Beispiel »am Ende des Jahres wird die Inflationsrate 4% sein«

oder »der Zielkurs für eine Aktie ist 101 $ in einem Jahr«. Solche

numerischen Behauptungen werden gewöhnlich, wie schon erwähnt,

durch die Spezifizierung eines Zeitraumes begleitet (d.h. wann das

vorhergesagte Ereignis eintreffen soll).

Verbunden mit diesem Wunsch nach der Präzision ist der Wunsch

nach der Präsentation von nur einem möglichen Szenario. Zum Bei-

spiel, wie unsere empirische Forschung in der schweizerischen Bank

demonstriert, wird die Diskussion von mehreren wirtschaftlichen Sze-

narien in den Strategiemeetings von Bankvolkswirten größtenteils ge-

mieden: Die alternativen Szenarien werden zwar erwähnt (zum Bei-

spiel waren das Anfang 2008 ›keine‹, ›moderate‹ oder ›starke‹ Rezes-

sion für die USA), allerdings wird nur ein Szenario detailliert darge-

stellt und besprochen (nämlich die »moderate« Rezession). Die Argu-

mente werden an das präsentierte Szenario ›angepasst‹. In diesem

Sinne sind die Produktion von numerischen Vorhersagen, die genaue

Angabe des Zeitpunktes des Eintretens und die Konzentration auf nur

ein Szenario Elemente der ›Show-Prognosekultur‹.

Weiterhin scheinen die Erwartungen des Publikums sogar die

Bandbreite der Prognosen mitzubestimmen, indem die ›Zuschauer‹

Analysten in bestimmten ›Rollen‹ akzeptieren und belohnen, in den

anderen aber ablehnen. So bevorzugt das Publikum anscheinend die

vorsichtig erscheinenden Anlageexperten. Die moderat positiven Vor-

hersagen von 3 bis 10% sind mit der Rolle eines ›vorsichtigen Optimis-

ten‹ vereinbar, die bei dem Publikum sehr populär ist. Dabei finden

sich Analysten auf einer ›sicheren‹ Seite, was ihr Wohlbefinden und

ihre Karriere betrifft. Sie minimieren im Fall der moderaten Prognosen

ihre kognitiven Dissonanzen (zum Beispiel vermeiden sie die perma-

nente Angst, sich zu irren, die mit einer radikalen, öffentlich kommu-

nizierten Prognose meist verbunden ist). Die Analysten orientieren sich

in ihrem Verhalten an der berühmten Weisheit John Maynard Keynes’:

PROGNOSEKULTUREN AN FINANZMÄRKTEN | 31

»[I]t is better for reputation to fail conventionally than to succeed

unconventionally.«23 Wenn Analysten von vornherein wissen, dass ihre

Prognose nur falsch sein kann und sie sie trotzdem kommunizieren

müssen, ist es völlig rational, sich dem Konsensus anzunähern, da dann

alle gleichmäßig falsch sind und man nicht Gefahr läuft, sich durch ei-

ne besonders falsche Vorhersage stark zu blamieren.

Gleichzeitig wagen sich einige Analysten in die Rolle des ›mah-

nenden Warners‹. Es gelingt einigen von ihnen – allerdings nur, wenn

ihre düstere Vorhersage sich einmal bewahrheitet hat – einen hohen

Status im Markt zu erlangen. Einige Strategen werden inzwischen so

stark auf die Rolle des ›mahnenden Warners‹ festgeschrieben, dass sie

in der Öffentlichkeit unter Spitznamen wie ›Dr. Doom‹ Nouriel Roubini

wahrgenommen – und geachtet – werden.

Wie man auf dem Ruf eines Crash-Propheten ein ganzes Berufsle-

ben aufbauen kann, zeigt das Beispiel von Elaine Garzarelli, die 1987

als einzige Anlagestrategin den Oktobercrash vorhersagte. Sie war

zwar mit ihren Prognosen insgesamt wenig erfolgreich und leistete sich

in den Jahren nach 1987 einige spektakuläre Fehleinschätzungen (z.B.

2003, als sie auf dem Tiefpunkt des Marktes weitere schlechte Zeiten

vorhersagte).24 Ein auf der Basis ihrer Prognosen aufgebauter Invest-

mentfonds zeigte nur eine sehr mäßige Performance und wurde nach

einigen Jahren wieder eingestellt.25 Dennoch wurde sie aber in der

Folge ihres Prognoseerfolges 1987 in Leserumfragen elf Jahre lang als

23 Keynes, John Maynard: »The General Theory of Employment, Interest and

Money«, in: John Maynard Keynes, Collected Writings of John Maynard

Keynes, Bd. 7, London 1973 [1936], hier S. 158.

24 Vgl. Business Week Online: »Elaine Garzarelli: It’s All in the Timing«

vom 24.03.2003. URL: http://www.businessweek.com/bw50/content/mar

2003/a3826051.htm vom 19.11.2014.

25 Vgl. Norris, Floyd: »Garzarelli Is Ousted by Lehman«, in: The New York

Times vom 27.10.1994. URL: http://www.nytimes.com/1994/10/27/business/

garzarelli-is-ousted-by-lehman.html?scp=1&sq=Elaine%20Garzarelli&st=

cse vom 19.11.2014.

32 | SVETLOVA/THIELMANN

Top-Quantanalystin vom »Institutional Investor« geführt26 und gehörte

lange zu den bestbezahlten Strategen an der Wall Street.

Die Prognostiker, die betont negative Vorhersagen machen, setzen

auf den erhöhten Aufmerksamkeitswert von Verlustprognosen. Verlus-

te werden von Anlegern viel stärker wahrgenommen als gleich hohe

Gewinne. Dieses aus den Behavioral Economics bekannte Phänomen

führt zur sogenannten Verlustaversion.27 Anleger haben Angst, Verlus-

te zu machen, und wenn sie welche machen, fürchten sie, sich diese

einzugestehen. Prognostiker können also eine erhöhte Aufmerksamkeit

erwarten, wenn sie ihr Publikum vor hohen Verlusten warnen.

Die Prognose für einen Kursanstieg von 15% und höher hingegen

würde den Prognostiker als leichtsinnig und übertrieben optimistisch

erscheinen lassen, auch wenn sie eine Eintrittswahrscheinlichkeit von

50% hat. Seltsamerweise werden sehr optimistische Prognosen vom

Publikum als nicht wissenschaftlich und unseriös angesehen. Dies hat

möglicherweise damit zu tun, dass Renditen von 15% jährlich oder

mehr in der Regel von Anbietern unseriöser Kapitalanlagen ver-

sprochen werden.

Zusammenfassend sei angemerkt, dass in den Prognosekulturen,

wo Prognosen öffentlich kommuniziert werden müssen, vor allem die

(inszenierte) Wissenschaftlichkeit und Seriosität als Gütekriterien und

auch als Statusquellen für Analysten gelten. Dies bedingt, dass Vorher-

sagen eine Zahlenform annehmen und gleichförmig sind, indem sie

eher in einem moderat positiven Bereich liegen.

26 Vgl. Norris (wie Anm. 25).

27 Vgl. Kahneman, Daniel/Knetsch, Jack L./Thaler, Richard H.: »Anomalies.

The Endowment Effect, Loss Aversion, and Status Quo Bias«, in: The

Journal of Economic Perspectives 5, 1 (1991), S. 193-206.

PROGNOSEKULTUREN AN FINANZMÄRKTEN | 33

PROGNOSTISCHE ERGEBNIS-KULTUREN UND STRATEGIEN DER PROGNOSEVERMEIDUNG

Anders ist es in den Prognosekulturen, wo Prognosen unsichtbar blei-

ben können. Nach Goffman können die Schauspieler ihre Rollen, die

sie auf der Vorderbühne spielen oder spielen würden, hinter der Bühne

fallen lassen, weil das Publikum dort nicht zugelassen ist. Im Fall der

Finanzvorhersagen bedeutet das, dass ein Eindruck der Allwissenheit,

der Präzision und der vollkommenen Voraussicht auf der Hinterbühne

nicht erzeugt zu werden braucht.28 In der Tat werden die dort stattfin-

denden Diskussionen über die Zukunft durch weniger formelle Anfor-

derungen charakterisiert; eine Darstellung der Situation als unsicher

und nicht eindeutig ist zulässig.

Die Prognosen nehmen auf der Hinterbühne eine andere Form an.

Die Interviews demonstrieren, dass Finanzmarktspezialisten, die ihre

Vorhersagen nicht öffentlich kommunizieren, Wirtschaften als nicht-

stationär und kompliziert sowie die Wirtschaftsereignisse als einzigar-

tig und nicht wiederholbar betrachten. Sie gehen davon aus, dass sol-

che Ereignisse nicht genau vorausgesagt werden können, deswegen

streben sie auch nicht an, eine präzise Zahl oder einen genauen Zeit-

punkt mit den künftigen Ereignissen zu verbinden. Ein Beispiel: In den

Besprechungen zukünftiger Wirtschaftsentwicklungen intern mit den

Teams (in den morning meetings oder in den Anlageausschusssitzun-

gen) drücken Portfoliomanager eine eindeutige Skepsis bezüglich der

prognostischen Punkt-Schätzungen aus und versuchen stattdessen, ih-

ren Prognosen eine andere Form zu geben. Vorhersagen sind keine

Zahlen mehr, sondern Aussagen über den Trend, über die mögliche

Marktdynamik. Solche Prognosen liegen in den Augen der Marktspe-

zialisten im Bereich des Machbaren; sie können realistisch sein. Zum

Beispiel hat der schon oben zitierte Finanzanalyst (Abteilung Tactical

Asset Allocation, Zürich) – nachdem er zugegeben hat, dass man sich

den Erwartungen des Publikums, eine Prognosezahl zu liefern, grund-

28 Vgl. Goffman (wie Anm. 13).

34 | SVETLOVA/THIELMANN

sätzlich fügen muss – betont, dass er so eine Prognose nicht ernsthaft

abgeben kann: »Ich kann nur sagen, wie viel Potential hat der Markt

[…] ob er ihn heute hat oder in drei Wochen oder in drei Jahren, keine

Ahnung […].«

Grundsätzlich geben sich die Finanzmarktexperten auf der Hinter-

bühne mit einer weniger genauen Prognose zufrieden: »Prognose heißt

[…] eben nicht eine bestimmte Zahl, sondern eine bestimmte Dyna-

mik« (unabhängiger Finanzberater, Frankfurt am Main). So eine Form

der Vorhersagen ist völlig ausreichend, weil solche Prognosen die An-

lageentscheidungen begründen und normalerweise nicht ein Teil der

Kommunikation mit dem Markt sind. Der Status der Portfoliomanager

hängt letztendlich nicht vom Erfolg oder Misserfolg der Prognosen ab,

sondern vom Erfolg der Investitionsentscheidungen. Das Ergebnis wird

an der Performance der verantworteten Fonds gemessen; Prognosen

sind nur eines von mehreren Instrumenten, das positive Resultat zu er-

reichen. Deswegen sprechen wir in diesem Fall von ›Ergebnis-

Prognosekulturen‹. In einem Anlagebrief wurde die Vorgehensweise

eines Fondsmanagers folgendermaßen beschrieben: »Der Markt folgt

also Gesetzmäßigkeiten – ist er damit auch vorhersehbar? ›Wir machen

keine Prognosen [als Zahlen, E.S./K.-H.T.]‹, betont der Anlageexperte.

Prognosen sind für ihn reine Spekulation. Aber die Anlagespezialisten

spüren Trends auf. Diesen folgen sie, solange die Trends halten. Wenn

die Trends sich ändern, ändert sich auch die Anlagestrategie.«29 Der

Fondsmanager beobachte genau, »[...] was um uns herum an den

Märkten vorgeht.«30 Die Vorhersagen und Erwartungen werden »ge-

rollt«, wie eine Portfoliomanagerin (Zürich) gesagt hat, um Entschei-

dungsgrundlagen ständig zu überprüfen.

Die unterschiedlichen Arten, diese prognostische Dynamik zu er-

fassen, wurden in einigen Studien der Social Studies of Finance be-

schrieben, zum Beispiel die Assoziationen zwischen den Wertpapieren

29 Morgen-POST. Anlagebrief von morgen + partner AG, Dezember 2012.

30 Ebd.

PROGNOSEKULTUREN AN FINANZMÄRKTEN | 35

von den Arbitrage-Tradern anstatt genauer Vorhersagen.31 Auch in un-

serem empirischen Material haben wir eine Form solcher ungenauer

Prognosen entdeckt, nämlich den plausibility check einer Konsensus-

meinung. Dabei überlegen sich die Portfoliomanager, ob und wo die

aggregierte Meinung des Marktes (Konsensus) sich in der Zukunft ir-

ren kann; sie konzentrieren sich auf die möglichen Trends der Konsen-

susentwicklung und nicht auf die genauen Zahlen. Diese Überlegungen

erlauben es den Portfoliomanagern, in ihren Entscheidungen erfolg-

reich vom Konsensus abzuweichen.32 Das sind in einem gewissen Sin-

ne Strategien der Prognosevermeidung, wenn Prognose als Zahl ver-

standen wird.

Hinter der Bühne spricht man nicht ständig davon, was genau pas-

sieren kann, sondern davon, was anders verlaufen, was überraschen

könnte. Portfoliomanager setzen ihre Fantasie (Einbildungskraft) ein,

um gemeinsam alternative, parallele Szenarien darüber zu entwickeln,

wie sich die Zukunft entfalten könnte. Es gibt keinen Druck vom Pub-

likum, sich auf ein einziges Szenario zu fokussieren.

Außerdem äußern die Marktteilnehmer auf der Hinterbühne viel

öfter und deutlicher ihre Zweifel und ihr Unbehagen über die unvor-

hersehbare Zukunft; sie diskutieren offen ihr eigenes Nichtwissen. In

einer internen Diskussion sagte zum Beispiel der Teamleiter der Port-

foliomanagementabteilung einer Bank in Zürich: »Ich denke, dass un-

ser Hauptproblem darin besteht, dass wir kein klares Szenario haben,

auf das wir unsere Strategie orientieren. Wir schwanken... Das Bild ist

absolut unklar.« Das sind Worte, die auf der Vorderbühne wegen des

Drucks der Konventionen und des Eindrucksmanagements nie ausge-

sprochen werden könnten.

31 Vgl. Beunza, Daniel/Stark, David: »Tools of the trade: the socio-

technology of arbitrage in a Wall Street trading room«, in: Industrial and

Corporate Change 13, 2 (2004), S. 369-400.

32 Vgl. Svetlova, Ekaterina: »Plausibility check of consensus. Expectation

building in financial markets (2010)«, in: Journal of Financial and Eco-

nomic Practice 10, 1 (2010), S. 101-113.

36 | SVETLOVA/THIELMANN

Nicht alle Prognosen, die im Markt produziert werden, sind also

pseudo-seriöse Zahlen. Allerdings meinen Marktspezialisten, wenn sie

von den Prognosen sprechen, meistens die genauen Größenangaben

mit einem präzisen Zeitbezug. Aus diesem Grund – um die begriffliche

Verwirrung zu vermeiden – wäre es vielleicht in der künftigen For-

schung hilfreich, die (von Nigel Gilbert in einem persönlichen Ge-

spräch vorgeschlagene) Unterscheidung zwischen Prognose (predic-

tion) und Vorhersage (forecast) weiterzuentwickeln. Eine Prognose

wäre eine genaue Zahlenangabe über eine bestimmte relevante Wirt-

schaftsgröße wie das Bruttosozialprodukt oder den DAX. Eine Vorher-

sage ist eher eine gründliche Analyse dessen, was heute gewusst (und

nicht gewusst) werden kann; sie beinhaltet mehrere Szenarien gleich-

zeitig, die »gerollt« werden, das heißt es findet ein permanenter Ver-

gleich mit den Beobachtungen aus der realen Welt statt. Die Vorhersa-

gen als Trendaussagen werden permanent angepasst; die Prognosezah-

len können erst bei dem nächsten Kommunikationsanlass geändert

werden; eine solche Änderung kann aber den Status des Analysten

schädigen und wird deswegen ungern gemacht.

SCHLUSSFOLGERUNGEN UND AUSBLICK

Wir finden also an den Finanzmärkten zwei Arten von Prognosen, die

auf zwei unterschiedliche Prognosekulturen zurückgeführt werden

können:

1. Prognose als präzise Zahlenangabe für einen bestimmten Zeit-

punkt. Sie wird nur für ein externes Publikum vorgenommen und

soll vor allem das glaubhafte Vorspielen der Seriosität und auch

einer bestimmten Rolle ermöglichen. Die beliebteste Rolle ist da-

bei die des ›vorsichtigen Optimisten‹. Eine weitere von dem Pub-

likum akzeptierte Rolle für Minderheitspositionen ist auch die des

›mahnenden Warners‹, der extreme Negativszenarien prognosti-

ziert. Prognosen mit einer relativ hohen Eintrittswahrscheinlich-

PROGNOSEKULTUREN AN FINANZMÄRKTEN | 37

keit – zum Beispiel der jährliche DAX-Anstieg von über 20% –

werden sogar vermieden, weil diese nicht zu einer dieser Rollen

passen. Prognosen sind vorwiegend Elemente einer ›Show-

Prognosekultur‹.

2. Vorhersagen als unpräzise Angaben für Tendenzen an den Fi-

nanzmärkten, die zwar in ihrer Richtung, nicht aber im Ausmaß

oder für bestimmte Zeitpunkte vorhergesagt werden. Diese Prog-

nosen werden intern zu dem Zweck gemacht, die Anlageergebnis-

se zu verbessern. Ihre Unbestimmtheit resultiert aus der Erkennt-

nis, dass Kapitalmärkte kurzfristig Schwankungen unterworfen

sind, die so gut wie nie in ihrem Ausmaß und ihrer Dauer einge-

schätzt werden können. Vorhersagen finden wir in einer ›Ergebnis-

Prognosekultur‹.

Wir erachten es für die weiteren Untersuchungen als essenziell, die

vorgeschlagene Unterscheidung zwischen Prognosen und Vorhersagen

zu präzisieren und zu verdichten. Und obwohl eine Prognose nie genau

stimmt, wagen wir trotzdem eine: Wir erwarten, dass der DAX weiter-

hin seinem langfristigen Wachstumspfad folgt und dabei in den nächs-

ten 12 bis 15 Jahren einen Stand von 20.000 überschreitet. Fragen Sie

uns aber bitte nicht, welchen Weg er dahin nehmen und wann dies ge-

nau passieren wird.

Autorinnen und Autoren

Sinkwan Cheng war in den letzten 15 Jahren Fellow und Stipendiatin

in verschiedenen europäischen Staaten sowie Nordamerika (darunter

ein Rockefeller Fellowship, ein DAAD Fellowship, ein Institute for

Advanced Study Fellowship der Durham University, UK sowie ein Eu-

ropean Institutes for Advanced Study Fellowship). Ihre Werke erschei-

nen in den USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Kanada,

Russland und Spanien. Sie ist Herausgeberin des Sammelbandes »Law,

Justice, and Power: Between Reason and Will«. Darüber hinaus publi-

zierte sie in Zeitschriften wie MLN, Cardozo Law Review, American

Journal of Semiotics, Law and Literature und Literature and Psycholo-

gy. Professor Cheng hält Vorlesungen und Seminare in England,

Deutschland, den USA, den Niederlanden, China, Südkorea, Macao

und Hong Kong und ist derzeit Research Fellow und Visiting Professor

am Center for the Humanities der Wesleyan University (USA).

Andreas Hartmann, Prof. Dr., forscht und lehrt Volkskunde an der

Universität Münster. Studium der Biologie, Mathematik, Musikwissen-

schaft, Ethnologie und Volkskunde in Freiburg, 1984 Promotion in

letztgenanntem Fach mit der Dissertation über »Freiburg 1900. Zum

städtischen Selbstbewußtsein der Jahrhundertwende«. Nach Wegsta-

tionen in Göttingen (Hochschulassistent), Hamburg (Vertretungspro-

fessur), Bamberg und seiner Habilitation in Marburg über Gedächtnis-

diskurse im Kontext der Genese des Fachs Volkskunde ist er seit 1997

234 | REPRESENTING THE FUTURE

Professor in Münster. Historisch, empirisch und kulturvergleichend ar-

beitend und publizierend; u.a. Feldforschung an der deutsch-deutschen

Grenze und in Thailand. Zu seinen weiteren Forschungsschwerpunkten

gehören kulinarische Volkskunde sowie indigene Kosmologien und

Wissensordnungen. Er ist strukturalistischen und biologischen Er-

klärungsmodellen menschlichen Verhaltens zugeneigt.

Bernd Mahr, Prof. Dr. rer. nat., hat Mathematik studiert und wurde im

Bereich der Theoretischen Informatik promoviert und habilitiert. Nach

Forschungs- und Lehraufenthalten in Israel und in den USA war er bis

zu seinem Ruhestand 2012 Professor an der Fakultät für Elektrotechnik

und Informatik der TU Berlin. Er leitete die Arbeitsgruppe Formale

Modelle, Logik und Programmierung sowie die Projektgruppe KIT mit

Projekten in den Gebieten Künstliche Intelligenz, Medizininformatik

und Telekommunikation. Er engagiert sich als Berater von Wirtschaft

und Verwaltung sowie in internationalen Kooperationen, ist Autor ei-

ner größeren Zahl von Essays und Gründungsmitglied des Hermann

von Helmholtz-Zentrums für Kulturtechnik an der Humboldt-

Universität zu Berlin. Zurzeit ist Professor Mahr assoziierter Forscher

im Berliner Exzellenzcluster »Bild Wissen Gestaltung«.

Oliwia Murawska lehrt als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Semi-

nar für Volkskunde/Europäische Ethnologie der Universität Münster

im Fach Kultur- und Sozialanthropologie. Ihr Magisterstudium hat sie

2010 in den Fächern Volkskunde, Wirtschaftspolitik und Anglistik ab-

geschlossen und wurde 2014 in der Volkskunde an der Universität

Münster promoviert, ihre Dissertationsschrift zur Nachfolge in Famili-

enwerften befindet sich im Druck. Zu ihren aktuellen Forschungs- und

Interessenschwerpunkten gehören u.a.: Ökonomische Anthropologie,

Unternehmensethnographie, Überlieferungsprozesse, Erinnerungskul-

turen, maritime Volkskunde und Mensch-Tier-Beziehungen.

Slobodan Dan Paich absolvierte das Royal College of Art in London

und lehrte zwischen 1969 und 1985 Kunst- und Ideengeschichte an

AUTORINNEN UND AUTOREN | 235

verschiedenen Londoner Instituten. In den Jahren von 1986 bis 1992

war er als Gastdozent an der University of California (Berkeley) tätig.

Seit 1992 leitet Paich als geschäftsführender Direktor die von ihm mit-

begründete »Artship Foundation«. Er war Vorstandsmitglied der

»Society of Founders of the International Peace University« in Berlin

und Wien und hatte dort den Vorsitz im Komitee Arts and Culture inne.

S.D. Paich hielt zahlreiche Vorträge zur Kunst- und Ideengeschichte

auf diversen internationalen Konferenzen. Darüber hinaus ist er als

Künstler an vielen internationalen Ausstellungsprojekten beteiligt (da-

runter die Biennale 1985 in Venedig).

Jos D.M. Platenkamp ist Professor für Sozialanthropologie an der

Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Deutschland. Er führte

Feldforschungen in den Nordmolukken (1979-1982), den Zentral-

molukken (1989) und in Laos (1996-2006) zu den Systemen von sozia-

ler Organisation, Kosmologie und Austausch dieser Gesellschaften in

Vergangenheit und Gegenwart durch. Zurzeit erforscht er im Rahmen

des französisch-deutschen Forschungsprojekts »Local Traditions and

World Religions: The Appropriation of ›Religion‹ in Southeast Asia

and Beyond« die Transformationen in den Bereichen Sozialstruktur,

Ritual, Austausch und Kosmologie, welche durch die Einführung des

Protestantismus und die Aufnahme der Gesellschaften in größere poli-

tische Gemeinwesen hervorgebracht wurden. Zu seinen Veröffentli-

chungen siehe URL: http://www.uni-muenster.de/Ethnologie/Personen/

Platenkamp/index.html.

Felicitas Schmieder, Prof. Dr., ist seit 2004 Professorin für Geschichte

und Gegenwart Alteuropas an der Fernuniversität Hagen. Nach ihrem

Studium in Geschichte und Latein in Frankfurt am Main wurde sie

1991 promoviert und 2000 habilitiert. Sie ist u.a. Mitglied des Histo-

rischen Kollegs München und von »CARMEN: The Worldwide Medi-

eval Network«. Darüber hinaus ist sie Recurrent Visiting Professor an

der CEU in Budapest. Zu ihren Forschungsgebieten zählen mittelalter-

liche Wahrnehmungsgeschichte, Europa als Produkt interkultureller

236 | REPRESENTING THE FUTURE

Kontakte, Prophetie als politische Sprache, mittelalterliche deutsche

Stadtgeschichte, vormoderne Kartographie (Welt- und Landkarten)

sowie europäische Erinnerungskultur.

Nicola Spakowski ist Professorin für Sinologie an der Universität

Freiburg. Sie hat Sinologie und Geschichte in Tübingen, Nanjing und

an der FU Berlin studiert. 1997 wurde sie über populärwissenschaft-

liche Geschichtsbücher im heutigen China promoviert, 2006 über die

militärische Partizipation von Frauen in der kommunistischen Revolu-

tion Chinas habilitiert. Ihr Forschungsinteresse gilt der Geschichte

Chinas vom 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart mit den Schwerpunkten:

Konzepte von Zeit, Vergangenheit und Zukunft, chinabezogene Frauen-

forschung und Fragen der Globalisierung sowie Internationalisierung

und Regionalisierung Chinas.

Ekaterina Svetlova ist zurzeit Research Fellow im Exzellenzcluster

»Kulturelle Grundlagen der Integration« an der Universität Konstanz

und Fellow am Forschungskolleg Helveticum-Basel/Zentrum für Reli-

gion, Wirtschaft und Politik (ZRWP) »Zwischen Apokalyptik und ›un-

sichtbarer Hand‹. Krisenantizipation und transformative Innovation in

Modellen negativer Zukunftsentwicklung« an der Universität Basel.

Ihre Forschungsgebiete sind Wirtschaftsphilosophie und Wirtschafts-

soziologie, Finanzmärkte und Entscheidungen unter Unsicherheit.

Karl-Heinz Thielmann, Dipl.-Volkswirt, begann seine berufliche

Laufbahn als Analyst für europäische Aktienmärkte beim »Dresdner

Bank Investment Research« und war später mehrere Jahre als Fonds-

manager beim »Deutschen Investment Trust DIT« (heute: »Allianz

Global Investors«) tätig. Er ist seit 2001 unabhängiger Berater für Un-

ternehmen, Vermögensverwaltungen und Privatpersonen in Kapital-

marktfragen und seit 2012 fungiert er als Initiator und Vorstand der

»LONG-TERM INVESTING Research AG – Institut für die langfris-

tige Kapitalanlage«. Weiterhin unterrichtet er Volkswirtschaftslehre an

der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft.