Niederschlagswasser als Gegenstand einer gewässerschutzorientierten Abwasserabgabe.
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26. Hamburger Kolloquium zur Abwasserwirtschaft, 23./24. September 2014
Niederschlagswasser als Gegenstand einer gewässerschutzorien-
tierten Abwasserabgabe
Dipl.-Kffr. Jana Rüger; Co-Autor: Prof. Dr.-Ing. Robert Holländer
Universität Leipzig, Institut für Infrastruktur und Ressourcenmanagement (IIRM), Grimmaische Straße 12, 04109
Leipzig (E-Mail: [email protected])
1 EINLEITUNG
Die Geschichte des Abwasserabgabengesetzes (AbwAG) ist von Abänderungen geprägt: Seit
ihrer ersten Erhebung im Jahr 1981 war die Abgabe Gegenstand von insgesamt fünf Novellie-
rungen, zuletzt im Jahr 2004. Die zugrundeliegende Konzeption der abgabenrechtlichen Sank-
tionierung von Restverschmutzungen behandelter Abwässer unter enger Verzahnung mit den
ordnungsrechtlichen Bestimmungen für die Wasserwirtschaft wurde dabei stets beibehalten.
Die Rahmenbedingungen für die Erhebung der Abwasserabgabe haben sich gegenüber dem
Zeitpunkt ihrer Einführung vor über 30 Jahren hingegen freilich gewandelt. Demgemäß gilt es
die Abwasserabgabe weiterzuentwickeln, um ihre lenkende Wirkung zugunsten eines effekti-
ven Gewässerschutzes zu stärken und an die veränderten Anforderungen der Abwasserentsor-
gung etwa infolge verbesserter Technologien oder den gestiegenen gewässerschutzpolitischen
Bestimmungen der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) anzupassen.
Vor diesem Hintergrund haben die Departments Ökonomie und Umwelt- und Planungsrecht
des Helmholtz Zentrums für Umweltforschung (UFZ) sowie das Institut für Infrastruktur und
Ressourcenmanagement (IIRM) der Universität Leipzig im Auftrag des Umweltbundesam-
tes (UBA) Reformvorschläge für eine Modernisierung des AbwAG zugunsten des Gewässer-
schutzes erarbeitet1. Unterstützt wurde das Vorhaben durch einen beratenden Praxisbegleit-
kreis, dem kommunale und unternehmerische Vertreter sowie Vertreter der Bundesländer an-
gehörten2.
Im Rahmen dieses Beitrags sollen die erarbeiteten Ergebnisse des Forschungsvorhabens für die
Teilabgabe auf Niederschlagswassereinleitung dargestellt werden.
2 REFORMIERUNG DER ABWASSERABGABE
Als Instrument zur Verhaltenslenkung von kommunalen sowie gewerblichen bzw. industriellen
Direkteinleitern von Abwässern dient die Abwasserabgabe dem Setzen ökonomischer Anreize
zur Gewässerschonung. Dies soll die ordnungsrechtlichen Erfordernisse für Abwassereinlei-
tungen des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG), der Landeswassergesetze sowie des untergesetz-
lichen Regelwerks, vor allem der Abwasserverordnung, im Vollzug unterstützen und um An-
reize zu weitergehenden Maßnahmen ergänzen. So entfaltet die Abwasserabgabe diese wesent-
liche Lenkungswirkung gerade indem sie über die Anforderungen des Ordnungsrechts hinaus
externe Umwelt- und Ressourcenkosten der Nutzung von Gewässern als Schadstoffsenke ge-
mäß Art. 9 WRRL verursachergerecht anlastet. Zudem wird das Aufkommen aus der Abgabe
zur Finanzierung von Gewässerschutzmaßnahmen genutzt.
1 Dies erfolgte im Rahmen des, vom Umweltbundesamt (UBA) geförderten, Forschungsvorhabens „Ausgestal-
tung einer fortzuentwickelnden Abwasserabgabe sowie mögliche Inhalte einer Regelung“. Der zugehörige Ab-
schlussbericht erschien im Juli 2014; vgl. Gawel et al. (2014). 2 Zu den TeilnehmerInnen des Praxisbegleitkreises siehe Gawel et al. (2014) S. 471.
26. Hamburger Kolloquium zur Abwasserwirtschaft, 23./24. September 2014
Über die Abwasserabgabe sollen ökonomische Produktions- und Konsumprozesse infolge des
Entstehens einer Zahllast für gewässergüteabträgliche Abwassereinleitungen kostenminimal
zum Zweck des vorsorgenden Gewässerschutzes restrukturiert werden. Unter Wahrung dieses
Ansatzes einer Restverschmutzungsabgabe gilt es die Abwasserabgabe zu modernisieren und
zu effektivieren. Die Modernisierung zielt hierbei auf die Anpassung der Regelungen an ver-
änderte Prioritäten bezüglich der Gewässerschonung und veränderte Bedingungen für den Voll-
zug, aber auch veränderter Vermeidungstechnologien und –kosten ab. Über die Effektivierung
soll weiterhin eine Stärkung des konzeptionellen Grundauftrags einer wirksamen Signalisie-
rung ökologischer Knappheit sowie zur Anregung entsprechender Vorsorgeanstrengungen dort
anvisiert werden, wo diese ökonomisch am effizientesten3 realisiert werden können.
In Abkehr von der bisherigen Praxis, lediglich einzelne Reformelemente im Rahmen einer No-
vellierung zu überarbeiten, gilt es über das Bilden von Reformszenarien mit verschiedenen
Schwerpunkten eine in sich konsistente und widerspruchsfreie Gesamtkonzeption der Abwas-
serabgabe zu erreichen. Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden drei Reformszenarien
entworfen, zu denen gemäß der jeweils priorisierten Zielstellung - Lenkungseignung hinsicht-
lich effektiver und kosteneffizienter Anreizsetzung, Unterstützung des Wasserrechtsvollzuges,
Begrenzung des Vollzugsaufwandes - teilweise unterschiedliche Reformempfehlungen erarbei-
tet wurden. Für die nachfolgenden Betrachtungen wird auf eine umfassende Darstellung der
einzelnen Szenarien zugunsten einer detaillierten Vorstellung der Reformbausteine und der
Auswirkungen eines Szenarios verzichtet. Die dargestellten Novellierungsvorschläge entspre-
chen dem seitens der Autoren präferierten Szenario der Lenkungsertüchtigung.
3 NIEDERSCHLAGSWASSERABGABE4
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Satz 1 Abwasserabgabengesetz (AbwAG) ist eine abgaben-
rechtliche Sanktionierung sowohl von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser (§ 7 Ab-
wAG) vorgesehen. Im Unterschied zur Abgabe auf Schmutzwasser, die grundsätzlich auf die
(Rest-)Verschmutzung von Abwassereinleitung erhoben wird, wird die Zahllast aus der Nie-
derschlagswasserabgabe pauschal bestimmt. Gemäß der Forderung des Art. 9 Abs. 1 WRRL,
nach einer verursachergerechten Wassergebührenpolitik soll mittels der Abwasserabgabe die
Schädlichkeit auch von Niederschlagswasser so angelastet werden, dass aufgrund „der Zurech-
nung individueller Verursacherbeiträge zum jeweiligen Gewässernutzer“ Anstrengungen zur
Reduktion von Gewässerbelastungen dort unternommen werden, wo sie gesamtwirtschaftlich
am günstigsten realisiert werden können5. Ob die pauschalierte Erhebung der Niederschlags-
wasserabgabe in ihrer derzeitigen Ausgestaltung diesem Anspruch gerecht wird, erscheint frag-
lich6. Vielmehr sind Reformvorschläge zu formulieren, die einerseits eine lenkungswirksame
Stärkung der Verursachergerechtigkeit der Teilabgabe bei andererseits vertretbarem Verwal-
tungsaufwand gestatten.
3 Zum Begriff der ökonomischen Effizienz der Abwasserabgabe vgl. Gawel et al. (2014) S. 105ff. 4 Vgl. zur ausführlichen Darstellung des Reformbedarfs Gawel et al. (2014), S. 340f. sowie Gawel (2011). 5 Gawel et al. (2014), S. 144f. 6 Vgl. Gawel (2011).
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3.1 Auftrag der Niederschlagswasserabgabe
Aus der Praxis werden mitunter Stimmen laut, die eine Abschaffung der Niederschlagwasser-
abgabe fordern. Diesen Stimmen zufolge habe die als „Regensteuer“ verunglimpfte Nieder-
schlagswasserabgabe aufgrund der weitreichenden und häufig pauschalen Befreiung nach Lan-
desrecht ihre Berechtigung verloren und zudem sei aus vollzugspraktischen Gründen eine ge-
meinsame Veranlagung von Schmutz- und Niederschlagswasser als Jahresabwassermenge
sinnvoller. Im Zuge einer Verbesserung des Gewässerschutzes ist diese Forderung jedoch zu-
rückzuweisen. So sind mit der Einleitung von Niederschlagswasser zum Teil erhebliche hyd-
raulische und stoffliche Belastungen verbunden, die die Gewässergüte stark beeinträchtigen
können.
Im Hinblick auf das stoffliche Gefährdungspotential wirken sich vor allem mit dem Nieder-
schlagswasser eingetragene organische Kohlenstoffverbindungen, Ammonium und abfiltrier-
bare Stoffe (AFS) nachteilig auf die Gewässergüte aus. Als Folge kritischer Sauerstoff- und
Ammoniakkonzentrationen erhöht sich einerseits die Konzentration pathogener Bakterien und
Keime sowie chemischer Substanzen, andererseits können Temperaturveränderungen und Be-
einträchtigungen des Gewässererscheinungsbilds auftreten7. Um aquatische Ökosysteme wir-
kungsvoller vor derartigen Einträgen zu schützen, wäre eine schädlichkeitsbezogene Abgaben-
bemessung auch für Niederschlagswasser aus Sicht des Gewässerschutzes erstrebenswert.
Das Ausmaß hydraulischer Negativfolgen hängt von Dauer und Häufigkeit der Niederschlags-
wasserseinleitung ab und zeigt sich in Sohlschubspannung und Fließgeschwindigkeit des Ge-
wässers. Zur gewässergütepolitischen Wiederherstellung oder Beibehaltung der natürlichen
Abflussdynamik gilt es, diese ökologischen Beeinträchtigungen zu vermeiden8. Abgabenrecht-
liche Lenkungsanreize zur Reduktion des morphologischen und hydraulischen Stresses sollten
dementsprechend auf die Begrenzung der Häufigkeit und des Umfangs von Mischwasserent-
lastungsereignissen bzw. auf einem ggf. verzögerten Abfluss von Niederschlagswasser im
Trennsystem zielen. Würde hingegen der Forderung einer Umstellung auf eine Jahresschmutz-
wassermenge nachgekommen9, würden u.a. solche, für die Gewässergüte besonders problema-
tischen, Mischwasserentlastungsereignisse nicht mehr erfasst. Im Gegenteil würden mit einer
solchen Aufgabe der abgabenrechtlichen Differenzierung nach Schmutz- und Niederschlags-
wasser sogar bedenkliche Anreize gesendet, unbehandeltes Mischwasser über Entlastungsbau-
werke direkt in Gewässer einzuleiten. Zumindest aber bestünde kein Anreiz Anzahl und Um-
fang von Entlastungsereignissen so weit wie möglich zu reduzieren, auch die Frage nach dem
Umgang mit hydraulisch relevanten Einleitungen aus Trennsystemen bliebe unbeantwortet.
Das Erfordernis einer Sanktionierung von niederschlagsbedingten Gewässerbeeinträchtigungen
wird anhand des Gefährdungspotenzials somit bestätigt. Gleichwohl besteht dennoch Anpas-
sungsbedarf der gegenwärtigen Abgabenregelung, wie im folgenden Abschnitt näher erläutert.
3.2 Kritik an der bestehenden Regelung
Nach geltendem Recht lassen sich zwei zentrale Problemfelder ausmachen. Erstens erfolgt auf-
grund der abgabenrechtlichen Pauschalierung der Abgabenlast keine verursachergerechte Anlas-
tung der Schädlichkeit von Niederschlagswassereinleitungen. Folglich gehen gegenwärtig von
7 Vgl. hierzu BWK (2007), S. 10f. und Krejci et al. (2004), S. 7. 8 Vgl. BWK (2007), S. 8f. 9 So etwa gefordert von Nisipeanu (1997), S.278.
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der Abgabe keine Anreize für Kommunen aus, wasserwirtschaftlich vorteilhafte Maßnahmen wie
Kanalnetzsanierungen oder Entsiegelung bestehender Flächen zugunsten einer ortsnahen Versi-
ckerung und Verrieselung von Niederschlägen vorzunehmen. Der derzeit angewandte Wahr-
scheinlichkeitsmaßstab der Bemessung des Gewässerschädigungspotentials auf Basis der Ein-
wohnerzahlen, ist mit der relevanten Größe der abflusswirksamen Fläche nur bedingt verbunden.
Zudem führt er zu einer unsachgemäßen Benachteiligung von Kommunen mit hoher Einwohner-
dichte gegenüber solchen mit einer geringen Dichte10. Weiterhin kritisch zu betrachten ist auch
die fehlende Differenzierung der Ableitung von Niederschlagswasser über eine Mischwasser- o-
der Trennkanalisation, obwohl aus diesem Umstand unterschiedliche Gewässerbelastungen re-
sultieren.
Zweitens haben nach § 7 Abs. 2 landesrechtlich auszugestaltenden Ausnahmetatbestände teil-
weise zu einer gänzlichen Befreiung von der Niederschlagswasserabgabe geführt11. Sofern ge-
mäß der entsprechenden Bestimmungen auf Landesebene das Einleitbauwerk dem Stand der
Technik entspricht, können auf diese Weise relevante Schadstofffrachten frei von jeder Abgabe
in die Gewässer gelangen12.
3.3 Reformvorschläge
Um diesen Problemfeldern zu begegnen, wird eine Reformierung der Bezugsgröße zur Bemes-
sung der Teilabgabe sowie eine bundeseinheitliche Regelung der Befreiungsvoraussetzungen
angestrebt13.
3.3.1 Verursachergerecht bemessen
Eine verursachergerechte Bemessung der Niederschlagswasserabgabe würde eine kontinuierli-
che und flächendeckende Erfassung hydraulischer und stofflicher Gewässerbelastung von Nie-
derschlagswassereinleitung voraussetzen. Nicht zuletzt aufgrund der Vielzahl an Einleitungs-
stellen ist dies technisch entweder nicht oder lediglich unter so hohem Aufwand möglich, dass
dieser in keinem Verhältnis zur Höhe der Abgabe stünde. Um dennoch eine verursachergerech-
tere Bemessung anzuregen, wird für eine Umstellung auf einen flächenbasierten Maßstab plä-
diert. Eine solche Bezugsgröße zur Bemessung der Niederschlagswasserabgabe findet nach
§ 7 Abs. 1 Satz 2 AbwAG bereits seit der 2. Novellierung selbigen für nicht-öffentliche Kana-
lisationen gewerblicher bzw. industrieller Nutzung Anwendung. Als Bemessungsgrundlage
werden volle Hektar be- bzw. überbaute Fläche veranschlagt. Für öffentliche Kanalisationen
findet nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AbwAG derzeit der Einwohnermaßstab Anwendung, der seitens
der Autoren jedoch als Relikt der, in der Vergangenheit begrenzten Möglichkeiten der Flä-
chenerfassung angesehen wird. Aufgrund der heutigen technischen Möglichkeiten, wie etwa
der Nutzung von Geoinformationssystemen (GIS) nach Befliegung, wird daher der Umstieg auf
den Flächenmaßstab auch für öffentliche Kanalisationen befürwortet. Zur Begrenzung des Kon-
trollaufwands seitens der Behörden soll für öffentliche Fläche stets eine Ermittlung über tech-
nische Maßnahmen vorgesehen werden. Für die Ermittlung abflusswirksam versiegelter priva-
ter Flächen wird die Auskunft der Eigentümer bzw. eine fundierte Schätzung seitens der Ab-
10 So etwa beanstandet von Kotulla (2005), § 7 Rdnr. 8. 11 So bereits kritisiert von Gawel (2011). 12 Gawel et al. (2011), S. 192. 13 So zuletzt auch gefordert von Palm et al. (2013).
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wasserentsorger, wie sie im Bereich der Kommunalabgaben im Rahmen des gesplitteten Ab-
wasserentgelts zur Ermittlung des Niederschlagswasseranteils14 bereits Verbreitung findet, als
ausreichend erachtet. Weiterhin soll der zunehmenden Flächenversiegelung über die Gewäh-
rung einer optionalen Gewichtung nach Versiegelungsgrad begegnet werden. Zugehörige Ge-
wichtungsfaktoren sollen landesrechtlich ausgestaltet oder auf vom Landesgesetzgeber auf die
kommunale Ebene verlagert werden, und könnten sich bspw. analog zur verbreiteten Praxis im
Zusammenhang mit dem kommunalen Niederschlagswasserentgelts an den Abflussbeiwerten15
benetzter Flächen orientierten16.
3.3.2 Anreize trotz Ausnahmen erhalten
Der Grundgedanke von Ausnahmetatbeständen bei der Niederschlagswasserabgabe besteht in
der Erhaltung der Anreizwirkung, die allein über den Normalfall nicht erreicht werden kann.
So können etwa über die reguläre Bemessung der Zahllast auf Basis des derzeit angewendeten
Einwohner- oder den für die zukünftige Bemessung vorgeschlagenen Flächenmaßstabs bereits
ergriffene Maßnahmen zur Niederschlagswasserbehandlung wie die Schaffung von Retentions-
raum nicht honoriert werden.
An der gegenwärtigen Gestaltung der Ausnahmetatbestände ist folglich insbesondere zu bean-
standen, dass die landesrechtlichen Anforderungen für Entsorger keine eigenständigen, zusätz-
lichen Pflichten bezüglich der Genehmigungsvoraussetzungen, wie das Ergreifen von Behand-
lungsmaßnahmen, für den Befreiungsbescheid formulieren. Eine Befreiung folgt stattdessen
meist automatisch, sofern die ohnehin zu befolgenden ordnungsrechtlichen Bestimmungen ein-
gehalten werden und ggf. ein Befreiungsantrag gestellt wird. Von einer derart ausgehöhlten
Niederschlagswasserabgabe wird kein oder bestenfalls ein geringer Anreiz zur Reduktion der
einleitungsbedingten Gewässerbelastung gesetzt.
Um für die Zukunft eine Reaktivierung und Effektivierung der verhaltenslenkenden Wirkung
der Teilabgabe zu erreichen, soll daher das Entrichten der Zahllast in vollem Umfang den Re-
gelfall darstellen und eine (teilweise) Befreiung nur in begründeten Ausnahmefällen gewährt
werden. Eine solche Ausnahme von der Abgabe soll wiederum an das Stellen eines Antrags
gebunden werden. Im Unterschied zur gegenwärtigen Gesetzeslage soll der positive Bescheid
eines Befreiungsantrags an eine nachweisliche Reduktion der hydraulischen und stofflichen Ge-
wässerbelastung über geeignete Behandlungsmaßnahmen bzw. den Nachweis über die gewäs-
serbezogene Unbedenklichkeit der Niederschlagswassereinleitungen gebunden werden. Der
landesrechtlich zu konkretisierende Nachweis für eine (teilweise) Befreiung wäre dabei über
ein geeignetes Schmutzfrachtsimulationsmodell ggf. in Ergänzung weiterer Begleitunterlagen
durch den Abgabepflichtigen zu erbringen. Die Voraussetzung für eine vollständige Befreiung
soll hiervon abweichend bundeseinheitlich festgeschrieben werden, um einer erneuten Verwäs-
serung der Anreizwirkung vorzubeugen. Bundesweit könnte diejenige Verschmutzung des Nie-
derschlagswassers als Bedingung für eine völlige Befreiung bestimmt werden, die zur Errei-
chung des guten Zustandes von Gewässern gerade noch zulässig ist. So kann nur für diesen
Zielzustand eine gänzliche Abgabenbefreiung als vertretbar gelten.
14 Vgl. zur kommunalen Entgeltgestaltung im Bereich Niederschlagswasser etwa Holländer et al. (2013), S. 67f. 15 Vgl. zum Versieglungsgrad und entsprechenden Abflussbeiwerten etwa Imhoff et al. (2007), S. 66 sowie Stier
et al. (2003), S. 25. 16 Vgl. zum Niederschlagswasserentgelt und zugehöriger Flächengewichtung erneut Holländer et al. (2013),
S. 67f. sowie S. 74 ff.
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3.3.3 Lokale Unterschiede berücksichtigen
Das Gewässerschädigungspotential von Niederschlagswassereinleitungen wird maßgeblich
von lokalspezifischen Rahmenbedingungen determiniert. Um diesen regionalen Besonderhei-
ten als auch historischen Pfadabhängigkeiten der Abwasserentsorgung Rechnung zu tragen,
sollen den Ländern notwendige Gestaltungsspielräume erhalten bleiben.
Flächenmaßstab:
Zulässige Art der Ermittlung privater (Eigenauskunft der Grundstücksbesitzer, fundierte
Schätzung, technische Maßnahmen) und öffentlicher Flächen (Art der technischen Maß-
nahmen);
Einführung eines (optionalen) Gewichtungsfaktors und dessen Ausgestaltung.
Befreiungstatbestände:
Bestimmung der im Rahmen des Befreiungsantrags einzureichenden Unterlagen (Art der
Schmutzfrachtsimulation, Begleitunterlagen);
Bestimmung maximal zulässiger hydraulischer und stofflicher Belastungen durch Nieder-
schlagswassereinleitungen;
Gewährung und Ausgestaltung des Reduktionsfaktors.
Über diese Stellschrauben wird den Landesgesetzgebern bezüglich des lokalen Kontexts die
notwendige Feinjustierung der Anreizwirkung zur effektiven und kosteneffiziente Erreichung
der Gewässerschutzziele ermöglicht. So determinieren die ortsspezifischen naturräumlichen
Gegebenheiten (meteorologische, hydrologischen, geologischen oder topographischen Verhält-
nisse) maßgeblich die Abflussverhältnisse, Versickerungsmöglichkeiten und die quantitativen
wie qualitativen Einleitungsanforderungen17, während die Siedlungsstruktur (Urbanität und
Flächennutzung, Anschlussgrad, Siedlungsgröße und –entwicklung) die Anforderungen an die
Niederschlagswassersableitung sowie Baukosten für Niederschlagsbewirtschaftungsmaßnah-
men bestimmen18. Gewürdigt werden können neben diesen externen Einflussfaktoren auf die
Abwasserwirtschaft insgesamt auch die von Bundesland zu Bundesland in teilweise recht un-
terschiedlichem Umfang bereits getroffenen Niederschlagswasserbehandlungsmaßnahmen und
Reinigungsanstrengungen wie etwa die Schaffung von Retentionsraum.
3.4 Fokus Gewässerschutz
Zielgröße der Abwasserabgabe ist der Schutz von Gewässern vor hydraulischen und stofflichen
Belastungen. Über eine, auf dem verursachergerechteren Flächenmaßstab mit zusätzlicher Ge-
wichtungsoption basierende, reformierte Niederschlagswasserabgabe, die eine Befreiung ledig-
lich bei nachweisbarer Schadstofffrachtreduktion sowohl in Misch- wie auch Trennsystem er-
möglicht, ließe sich sowohl eine lenkungspolitische Stärkung als auch eine verbesserte Konsis-
tenz der für die Niederschlagswasserbewirtschaftung relevanten rechtlichen Vorgaben insge-
samt erwirken.
17 Vgl. Holländer et al. (2013), S. 24 f. 18 Vgl. Ebd., S. 31ff.
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3.4.1 Wirksame Verhaltenssteuerung
Zunächst kann der Abgabenpflichtige bei Zugrundelegung einer flächenbasierten Bemessungs-
größe über die aktive Förderung dezentraler Niederschlagswasserbehandlung und Flächenent-
siegelung Einfluss auf die Höhe der Abgabenzahllast nehmen. Zwar übersteigen die Kosten der
Flächenentsiegelung je Quadratmeter besonders in urban geprägten Einzugsgebieten die ent-
sprechende Abgabenhöhe regelmäßig, sodass für derartige Einzugsgebiete von der Nieder-
schlagswasserabgabe tendenzielle geringe Entsiegelungsanreize ausgehen. Nichtdestotrotz
würden zumindest Impulse zur Verlangsamung der fortschreitenden Neuversiegelung sowie zur
Prüfung von Abkopplung gesetzt.
Im Rahmen der Abkopplung gilt es weiterhin zu berücksichtigen, dass gemäß WHG im Um-
gang mit Niederschlagswasser zwar die ortsnahe und somit dezentrale Verrieselung und Versi-
ckerung von Niederschlägen zu präferieren ist19, es hierdurch jedoch keine Verlagerung der
Belastung mit Schadstoffen in den Boden kommen darf. Folglich ist vor dem Hintergrund lo-
kalspezifischer Rahmenbedingungen und weiterführender (wasser-)rechtlicher Bestimmungen
für jedes Einzugsgebiet im Vorab zu prüfen, ob eine dezentrale Niederschlagswasserbewirt-
schaftung den Schutz sämtlicher Umweltmedien ermöglicht. Der Einsatz formalisierter Pla-
nungsinstrumente stellt eine aussichtsreiche Option dar, um derartige, den Umgang mit Nieder-
schlagswasser betreffende, Unstimmigkeiten der geltenden wasserrechtlichen Regelungen auf-
zulösen. Allerdings werden solche integrierten Planungsinstrumente, wie etwa Abwasserbesei-
tigungskonzepte (ABK) oder Abwasserbeseitigungspläne derzeit nur in wenigen Bundeslän-
dern und mit je nach Landesrecht variierenden Inhalten genutzt. Die Einführung einer eigen-
ständigen Fachplanung die flächendeckend und gebietsspezifisch ausweist, wo und in welchem
Umfang Niederschlagswasserversickerung bzw. –verrieselung sinnvoll ist, wäre insofern er-
strebenswert. Diese Problematik kann über die bundeseinheitliche Reformierung der AbwAG
nicht gelöst werden, weshalb hier nur der Appell an den Landesgesetzgeber bleibt, bei der Nut-
zung der vorgesehenen Gestaltungsspielräume auch diesen Faktor zu berücksichtigen.
Infolge des Entstehens einer Abgabenzahllast auch für Trennsysteme und einer einheitlichen
Reglementierung von Ausnahmen wäre die, in der Praxis häufig anzutreffende, pauschale Be-
freiung dieser Systeme nicht mehr zulässig. Gerade aus Trennsystemen werden ggf. behand-
lungsbedürftige Niederschläge in aller Regel gänzlich ohne Reinigungsanstrengungen in Ge-
wässer eingeleitet und sind somit für die Gewässergüte besonders problematisch. Eine ver-
stärkte Nutzung dezentraler Behandlungsoptionen besonders für Trennsysteme, wie die Reini-
gung von Straßenabläufen, die über die flächenbasierte Erhebung der Abgabe nicht berücksich-
tigt werden können, würden mittels solcherart reformierten Befreiungstatbestände Berücksich-
tigung finden und könnten aktiv gefördert werden. Über das Erheben eines ebenfalls flächen-
basiertes kommunalen Niederschlagswasserentgelts konnte bereits die Anwendung entspre-
chender Technologien auf Privatgrundstücken erfolgreich erhöht werden. Analog hierzu könnte
eine reformierte Niederschlagswasserabgabe die Nutzung solcher Maßnahmen im öffentlichen
Bereich fördern und damit letztlich die Reduktion von Schadstoffen in Niederschlagswasserein-
leitungen insgesamt unterstützen. So stehen zwar eine steigende Anzahl wirksamer Technolo-
gien zur Verfügung, gerade im öffentlichen Bereich werden diese bislang jedoch kaum ge-
nutzt20.
19 § 55 Abs. 2 Satz 1 WHG. 20 Vgl. Werker et al. (2012).
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Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die zurzeit auf die Generierung einer Zahllast re-
duzierte Niederschlagswasserabgabe mittels der geforderten Gleichstellung von Misch- und
Trennsystemen künftig den Gewässerschutz wieder stärker forciert. Ausschlaggebend soll ein-
zig die Schädlichkeit von Niederschlagswassereinleitung sein, für deren Ermittlung die abfluss-
wirksam versiegelte Fläche und eine geeignete Schmutzfrachtsimulation zugrunde gelegt wer-
den. Die einseitige Begünstigung des Einsatzes bestimmter Ableitungs- und Behandlungstech-
nologien würde abgeschafft. Die Verknüpfung aus einer reformierten Bezugsgröße und der be-
lastungsbezogenen Neugestaltung von Befreiungstatbeständen könnte der Zunahme von Ge-
wässerbelastungen durch Niederschlagswassereinleitung wenigstens entgegenwirken oder, die
ökonomische Effizienz entsprechender Maßnahmen vorausgesetzt, im besten Falle vollumfäng-
lich verhindern.
3.4.2 Verhältnis zu bestehenden rechtlichen Regelungen
Neben den abgabenrechtlichen Aspekten der Niederschlagswasserbehandlung bestehen zudem
ordnungsrechtliche Vorgaben. Der Abgabe auf Niederschlagswasser kommt im Zusammen-
hang mit dem Ordnungsrecht in erster Linie eine vollzugsunterstützende Funktion zu, die zur
Zeit über die Bindung der Befreiungstatbestände an den Stand der Technik umgesetzt wird.
Über die empfohlene Neukonzeption der Befreiungstatbestände bleibt diese Bindung erhalten
und wird um weitere Voraussetzungen ergänzt. Zudem kann über die Einführung des Flächen-
maßstabs die ordnungsrechtlich präferierte Versickerung und Verrieselung von Niederschlägen
auf den Grundstücken, auf denen es anfällt, verstärkt anvisiert werden. Eine entsprechend re-
formierte Niederschlagswasserabgabe ermöglicht damit auch künftig die Unterstützung des
ordnungsrechtlichen Vollzugs.
Eine vollzugsunterstützende Wirkung könnte sich mit dem Übergang zum Flächenmaßstab
auch für landesrechtliche Kommunalabgaben ergeben. Gemäß Expertenauskunft sei die Ein-
führung getrennter Abwasserentgelte für Schmutz- und Niederschlagswasser trotz fachver-
bandlicher Empfehlung und in vielen Bundesländern expliziter Rechtsvorschrift21 bisher man-
cherorts nur zögerlich vorangetrieben worden. Die abgabenrechtliche Einführung des Flächen-
maßstab auch für öffentliche Kanalisationen und das Erheben der zu diesem Zweck benötigten
Flächendaten könnten auch die kommunalrechtlich geforderte Umstellung auf ein verursacher-
gerechteres, gesplittetes Abwasserentgelt begünstigen. Über die Erhebung eines gesplitteten
kommunalen Entgelts für Besitzer privater Grundstücke kann wiederum ein Anreiz gesetzt wer-
den, Niederschlagswasser dezentral zu behandeln oder im Haushalt als Brauchwasser zu nut-
zen, so dass in Übereinstimmung mit den Zielen des § 57 WHG geringere Niederschlagswas-
sermengen in die öffentliche Kanalisation eingeleitet werden.
3.5 Diskussion: Praxistauglichkeit
Bezüglich der Umsetzbarkeit der hier vorgeschlagenen Neugestaltung soll erneut die Pra-
xistauglichkeit des Flächenmaßstabs näher beleuchtet werden. Während der grundsätzliche Zu-
sammenhang zwischen benetzten, versiegelten Flächen und der Ableitung im Trennsystem als
21 Siehe VGH Mannheim, U. v. 11.03.2010; BayVGH, U. v. 30.03.2003 und v. 17.02.2005; HessVGH, U. v.
02.09.2009; OVG Lüneburg, U. v. 22.09.1989, OVG Münster, U. v. 18.12.2007; weiterhin nicht zulässig ist
ein einheitlicher Abwassertarif in den Bundesländern Bremen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, vgl. Holländer
et al. (2013), S. 66.
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unbestritten gilt, eigne sich der Flächenmaßstabs zur Abbildung der aus Mischwasserentlas-
tungsereignissen resultierenden Belastungen weniger. So sei nach Ansicht der sächsischen Be-
hördenvertreter der Flächenmaßstab nicht geeignet, die Schädlichkeit von Mischwasserabschlä-
gen abzubilden, da der Umfang und die Schädlichkeit solcher Entlastungsereignisse in erster
Linie personen- und nicht flächenabhängig seien. Wenngleich dieses Argument nicht von der
Hand zu weisen ist, gilt es zu berücksichtigen, dass Mischwasserabschläge ins Gewässer größ-
tenteils aus Niederschlagswasser bestehen. Dementsprechend stellen der Umfang versiegelter
Flächen und der Versiegelungsgrad durchaus eine relevante Größe dar, da Niederschläge die
stoffliche Belastung der benetzten Flächen mit sich führen. Für die abgabenrechtliche Sanktio-
nierung von Entlastungsereignissen wäre somit die Kombination von Einwohner- und Flächen-
maßstab denkbar. Allerdings würde diese den Vollzug der Reformvorschläge deutlich verkom-
plizieren, weshalb dennoch nur für die Anwendung nur eines und zwar des insgesamt überzeu-
genderen Flächenmaßstabs plädiert wird.
Mit Blick auf den Vollzugsaufwand ginge die Einführung des Flächenmaßstabs aufgrund der
notwendigen Flächenermittlung mit einer vorübergehenden Aufwandserhöhung einher, sofern
entsprechende Daten nicht aufgrund der Erhebung eines gesplitteten Entgelts bereits vorhanden
sind. Nach dieser Umstellungsphase wird der regelmäßig anfallende Aufwand für die Pflege
und die Fortschreibung der Datenbestände zur Gewährleistung der Aktualität der Flächendaten
hingegen nicht als dauerhaft höher eingeschätzt als bei der gegenwärtigen Ausgestaltung. Die
Erfahrungen mit dem derzeit zur Anwendung kommenden Einwohnermaßstab zeigen, dass sich
in der Praxis ein begrenzter jährlicher Fortschreibungsaufwand ergibt22, obgleich dieser Maß-
stab gerade aufgrund des hohen Datenbeschaffungsaufwand kritisiert wurde. Die Auswirkung
der Neugestaltung der Ausnahmetatbestände auf den Vollzugsaufwand, kann erst beurteilt wer-
den, nachdem die Landesgesetzgeber die konkrete Ausgestaltung abgeschlossen haben.
Nach Ansicht der behördlichen Vertreter Nordrhein-Westfalens wäre die Einführung des Flä-
chenmaßstabes nur eine veränderte Art der Pauschalierung, sofern nicht gleichzeitig die Schäd-
lichkeit des Niederschlagswassers berücksichtigt werde und seine Anwendung folglich nicht
überzeugend. Die Messung der Schädlichkeit ist angesichts des damit einhergehenden übermä-
ßig hohen Verwaltungsaufwands jedoch abzulehnen. Stattdessen wird es als zweckmäßiger
Kompromiss empfunden, das Schädigungspotential über die Regelungen zur Befreiung zu be-
rücksichtigen. Die Reinigungsanstrengungen der Abgabenpflichtigen können hierüber bei
gleichzeitig verträglichem Kontrollaufwand seitens der Behörden honoriert werden. Die emp-
fohlene Gestaltung der Befreiungstatbestände ist an die landesrechtlichen Vorgaben Hessens
angelehnt, wo bereits seit Jahren gute Erfahrungen mit diesem Konzept gemacht wurden. Hier
konnte über die gleichsam an den Entlastungsnachweis mittels Schmutzfrachtsimulation ge-
koppelte Befreiungsregelung, erfolgreich zum Bau von Regenüberlaufbecken angeregt und so-
mit die Gewässer hydraulisch und stofflich entlastet werden.
4 ZUSAMMENFASSUNG UND FAZIT
Die veränderten Herausforderungen im Umgang mit Niederschlagswasser und die zunehmende
Bedeutung von Niederschlagswassereinleitungen für die Gewässergüte erfordern eine Novel-
lierung der Niederschlagswasserabgabe. Eine wie vorgeschlagen auf dem verursachergerechte-
22 So die Aussage der VertreterInnen der sächsischen Behörden.
26. Hamburger Kolloquium zur Abwasserwirtschaft, 23./24. September 2014
ren Flächenmaßstab inkl. Gewichtungsoption basierende Niederschlagswasserabgabe, die zu-
dem eine bundeseinheitliche Neuregelung der Befreiung vorsieht, würde neben der Unterbin-
dung der weitgehenden Aushöhlung der Niederschlagswasserabgabe über zu weit gefasste lan-
desrechtliche Befreiungsregelungen künftig den Gewässerschutz stärker in den Fokus rücken.
Die Umstellung auf den Flächenmaßstab würde die Abgabe, neben der Stärkung des Prinzips
der Verursachergerechtigkeit, auf ein solides Fundament hinsichtlich ihrer grundsätzlichen Be-
rechtigung stellen. Zudem könnte eine Befreiung, die an die nachweisliche Reduktion gewäs-
serschädlicher Wirkungen von Niederschlagswassereinleitungen aus Misch- und Trennsystem
gebunden ist, gegenüber der bestehenden Regelung deutlich stärkere Lenkungsimpulse senden.
Zwar führt der Flächenmaßstab zunächst zu erhöhtem Vollzugsaufwand infolge der Ermittlung
erforderlicher Flächendaten. Die Erfassung abflusswirksam versiegelter Flächen steht aufgrund
der fortschreitenden Umstellung vom einheitlichen auf den gesplitteten Abwasserentgelttarif in
den Kommunen aber ohnehin an, sofern entsprechende Daten nicht bereits vorliegen. Des Wei-
teren zeigen die Erfahrungen, des ebenfalls als aufwendig kritisierten Einwohnermaßstabs, der
bisherigen Bemessungsgrundlage der Niederschlagswasserabgabe, dass in der Praxis die Pflege
der Datenbestände nur begrenzten Aufwand erfordert. Nach Abschluss der Umstellungsphase
wird daher nicht mit einem höheren jährlichen Verwaltungsaufwand als bisher gerechnet.
Die gegenwärtige Kopplung landesrechtlicher Ausnahmetatbestände an den Stand der Technik
soll bei der Reformierung weiterhin erhalten bleiben, aber um weiterführende Voraussetzungen
für eine Befreiung ergänzt werden. Im Blick auf das Ordnungsrecht bleibt die Unterstützung
des Vollzugs somit erhalten. Zugleich wurde der Reformvorschlag technikoffen ausgestaltet,
um Innovationen und die Weiterentwicklung des Standes der Technik nicht zu blockieren. Fer-
ner verbliebe trotz bundeseinheitlicher Vorgaben ausreichend Spielraum für landesrechtliche
Ausgestaltung, um den lokal bis regional unterschiedlichen Gewässerbelastungen und Rahmen-
bedingungen Rechnung zu tragen. Nicht zuletzt intendiert die bundeseinheitliche Reform der
Ausnahmetatbestände, dass eine (teilweise) Befreiung von der Abgabe in der Zukunft die Aus-
nahme statt wie bisher die Regel darstellt. Auf diese Weise können Reinigungsanstrengungen
der Abwasserentsorgungspflichtigen bei zugleich begrenztem Kontrollaufwand der Behörden
anerkannt werden.
Sollte abweichend von den Empfehlungen der Autoren statt einer möglichst lenkungsstarken
Ausgestaltung der Novellierung des AbwAG bei gleichzeitig vollzugsunterstützender Wirkung
im Hinblick auf das Ordnungsrecht hingegen in erster Linie die Vollzugsfreundlichkeit forciert
werden, könnte auf eine Umstellung auf den Flächenmaßstabs verzichtet werden. Die bundes-
einheitliche Neuregelung der Befreiungsvoraussetzungen sollte hingegen ein solch integraler
Bestandteil jedweder Reformbemühung ungeachtet der Schwerpunktsetzung sein, dass sie in
jedem Fall, wenn auch in jeweils angemessener Ausgestaltung, vorgenommen wird.
DANKSAGUNG
Der besondere Dank der Autoren gilt den Mitgliedern des Praxisbegleitkreises des Forschungs-
projektes, deren engagierte Mitarbeit und aktive Unterstützung sowie die Vielzahl nützlicher
Hinweise wesentlich zu einer praxisnahen Ausgestaltung der Ergebnisse beigetragen hat.
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