,Freie Generation

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Band I. Februar 1907. Heft 8. Die , Freie Generation Ookumente zur Weltanschauung des Anarchismus. . . Seele. "W enn man auf dem W ege philosophischer Untersuchung von der At\toritiit, ihrem Prinzipe, ihren Forman und Wirkungen sich Rechenschaft ablegen will, so erkennt man in der Einrichtung de1· geistlichen oder weltlichen Autoritiit in jeder Form und nach jedem Prinzipe nichts anderes als einen vorbereite.nden Organis- mus, d(n· - seinem 'Vesen nach durchaus sohmarotseriseh und vergiftet ist, unfahig, irgend etwas anderea hervorzubringen als Tyranuei und Elend." P. J. Proudhon, "Bekenntnisse eines Revolutionars." lith alt. Marx und Engels als Plagiatoren. - .. Von M a u r i c e M a e t e r 1 i n c k. Ausserordentlicher 'h..rteitag der sozialdemo· Von Pierre Ram•s· kratischen Partei ;t;ii1tschlands, . Von G u s t a -v L a n d a u e r. gegenw'artige Situatiorl ,und die Aufga- der russischen · Das sozialistische Spanien. Von P e d r o V a 11 i n a __)_ Der franzosische GewE<rkschaftskongress. ----· --·.: ........ _.,.-----,- ---.._...,.,.------· Verlag: M. Lehmann, Berlin S. 14., - Dresdenerstr. S81 S9. '

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Band I. Februar 1907. Heft 8.

Die

,Freie Generation Ookumente zur Weltanschauung des Anarchismus. . .

Seele.

"W enn man auf dem W ege philosophischer Untersuchung von der At\toritiit, ihrem Prinzipe, ihren Forman und Wirkungen sich Rechenschaft ablegen will, so erkennt man in der Einrichtung de1· geistlichen oder weltlichen Autoritiit in jeder Form und nach jedem Prinzipe nichts anderes als einen vorbereite.nden Organis­mus, d(n·- seinem 'Vesen nach durchaus sohmarotseriseh und vergiftet ist, unfahig, irgend etwas anderea hervorzubringen als Tyranuei und Elend."

P. J. Proudhon, "Bekenntnisse eines Revolutionars."

lith alt. Marx und Engels als Plagiatoren.

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Von M a u r i c e M a e t e r 1 i n c k.

~: Ausserordentlicher'h..rteitag der sozialdemo·

Von Pierre Ram•s·

kratischen Partei ;t;ii1tschlands, . Von G u s t a -v L a n d a u e r.

~ gegenw'artige Situatiorl ,und die Aufga­der russischen Anarchist~n. ·

Das sozialistische Spanien.

Von P e d r o V a 11 i n a

__)_

Der franzosische GewE<rkschaftskongress.

----· --·.:........_.,.-----,- ---.._...,.,.------·

Verlag: M. Lehmann, Berlin S. 14., - ~- Dresdenerstr. S81S9. '

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Die ~reie Generation • 1Dokumente der~ Weltan~cltauung des Hnarchismus.\ ~~ ~ '- ~

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Der WOfilstJind · fiil' Hi~.Ie · Vo~· .. Peter · Kropoilun~ ,<· . .

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Preis nur 1 ,so Mit' ~ . ,-

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Die ·Preie Generation - '

Dortumente zur Wel1anschauung des Hnarchtsmus.

Band t Ill · fefiruar 1907 Ill Hens.

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Yon M au r i c e M a e t e r I i u c k.

Y o r b ·e in e r k u n g.

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.,Es lassea sich Erz&hlungen . obn~ Zusammenhang, jedoch mit Assoziationen, wie Trauma, denken; Gedicbte die bloss' wohlkliugend und voll schoner W orte sind , aper a~ch .)hne allen Sinn oder Zusammenbang, hOchstens einige Strophen verstandli<'h, sowie Bruchstiicke aus den verschiedenartigsten Dingen. Diese wahre Poesie kann bochstens einen allegorischen ·Sinn im Grosstn nnd ei~e · indirekte Wirkung wie. Musik haben. ~

Novalis tiefsinnige Worte mogen dem nachfoll!'enden Gedicbte des belgisch .. n .Sehers und Dichters des menscblicben tiefiihlslebens vorauseiien, .gewisserip"ssen urn es zu rech1 fertigen oder rich tiger : urn es verstandlich zu m·tchen. Maeterlinc~ muss gelesen werden mit den Stimmungen des Schmerzes,. der Trauer, denn seine Poesie reiht mit [nsciiiitternder Gleicbformigkeit die qualenden Le1den menschlicher Seelennot aneinander ; sie erfolgen regelmasai(, wie ein Pendelschlag der Uhr · ~uf den andereri • . . Und nur in den seltenen Momenten unseres Lebens, da es uns gegeben, jene innere Konzentration ~11 finden, die uns dann gleichsam hellsichtig maeht, der einfacben Dinge und Gegenstonde um uns, an die wir sonst, liingst gewobnt, gPflihllos voriiLer­

_schritten, gewahr werden zu diirfen, sie so seltsam zu ll:t;!S zu sprechen scheine~ ,

und wir gleichsam in einer fremden, fern en Welt schreiten - dann miissen Maeterlineks Gedichte gelesen werden , nur dann werden sie getiihlt und ge­lebt werden.

Stimmungen der Seele sind es, die er uns gibt, al1e jene ~wig unaus- . lOsbaren Heriihlsdiademe, auf die im Alltagsleben -der Spa•en keines Bergmanns stossen. kann. Dazn gewiihrt das LebPn viel zu wenig Musse zur Sammlung, .zur priifenden Se1bstmusterung, zum ·Erleben gewaltig-tiefen Lebens ... Nur wenige A11serlesene, die abseits von der Beerstrasse den FlOten- und Harfen- -kliingen romantiscner ·sehnsucbt leben und lieben konnen und in der Wonn&

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ihres naiven D~seins das 'Gliick in sich selbst: finden !. Was der · iiber~osseJ;l .Masse iib;rig hleiht, das ist hoch~tens die PFyc}J.ologie jbres J arnmers; das iimgsam ~otende Ersterben des 1-Jemiits, 'die W ehmut 'iiber das eigen~; ver- ., l orene Sein in dem grossen Weltrnelir vop ·_grauenl!_af.testen · Z.lV~c}t~~ und Mitteln des. Todes und des To tens. W er alL dies .einmaL .erkannt, wird wohl kaum jemals wieder s9 ganz sorglos. frohlich sein konnen- ein~ le.bensl.i\:t;lgVch wahre,l.de Melancholia legt sich ' iiber die'' Seele eines eolche~ Hellsiehtigen

·tmd Feinhorigen, nur bin· und wieder durchlunkeit von '-dem· Sonnenstrahl, der sich reflek•iv wiederspiegelt an der Kiiste der erhabenen Zukunft der Freih~it und einel reiuen Innenlebens fiir jeden Menschen. Diese Melancholia des Lebens unserer Zeit, die Melancholie der Armen und Blinden, die Melan­cholia der Wissenden nnd l\lachtJo&en, sie hat Maeterlinck gebannt in seinen Gedichteri, die mit all ihrer Monotonie dennoch tief' in uns · dringen, die wir vielleicht nicbt verstehen, s~hr wohl aber f ii b.le n -; ernpfinden im Innersten nl)seres Seins. ·

Der vorliPgende Gedichtband, deni das , folgende Gedic-ht . entnommen wurde, besteht aus Maeterlincks Entlingserzeugnissen. Sie erschienen zuerst

_'l e8'( .in Pads, Bin!! unt~r . dem !Einflns!le von Verl~ine entstanden.

· 0 meine . Seele I 0 meine allzn~ichere Seele ! Und diese Herden.· von Wiinschen in einem Treihhaus! .,

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Die eines · Gewitters iiber den ·Wolken ha~ren ! ·

Tritt zu rlen Kranksten : Sie hauchen seltsame- Diinste aus ! Mir ist bei · ihn-en, als betbi.t i-eh· mit 'meine:r Mutter ein Sclllaeht­

, feld! Man begrabt einen Waffenbruder z1,1r Mittagszeit, Indess' die Wachen ihr Mahl verzehren~

Tritt auch zu den Schwachsten: Sie liegeli. im seltsamen Schweiss. Sieh' hler eil1e kranke Brant, Dort einen Verrat am So11utag Uild · klelne Kiild~r 'im Kerker .

. _ (U ud wdter w:.eg, durch all den Dunst) . l8t's eine Sterbende au der Kiichelltiir'?. ·Eine Krankens~hwester, die am Sterbebett H emuse liest?

.J'ritt endlich zu de~ Traurigsteu : , (Zuletzt zu ihneri, -denn 'sie , sind vergiftet.)

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<> meine Lippen . spth·en . den Kuss v.on . V..erwundeten ! . Afie 1Scblossfr1itrtein 'starben vor Hunger .. · · iDiesen Sommer in den Ttirmen. meiner .~eele ! .,

Sieh, . der j:unge 1.,ag·. t_ritt. ·hinei~ ··in 'das · Fest I lch sehe.: die. Lamnier an ·. J.e~ Pferri · entlang . Und einen Schleier vor den l!'ens~rn des Spitals !

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$in weiter Weg ist es von meinem 'Herzen bis ZU meiner Seele.! Und aile W achen sind auf ihrem Posten tot !

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'Es war einmtH ein · armes, kleines Fest in den VorhOfen meip,e;r· , Seelel

.Man mahte dort den Schierling eines Sonntag-Morgens ;

3

•Und all die .r ungfrau'u aus dem Kloster · sah'n ·die ' Schiffe . ' -· .Auf dem Kana\ voriiberziehn; es war an einem sQ.nn'gen Fasttag.

lndes die Schwane Iitten unter einer gift'gen Briicke, · :Bchlug man die Baume rings urn das Gefangnis .

/

. Man bracht, a~ einem Juni· Nachmittag Arznei, _ ·Und Krankenmahle breiteten sich aus nach allen Seiten!

"0 meine Seele ! 'Wie traurig ist '"das alles, meine Seele-r · 'Wie tranrig alles !*)

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*) Aus Maurice Maeterlincks Gedichten. ·Verdeutscht von K. L. Amme r und Fr_iedrich v. Oppeln-Bronikowski. Verlegt · bel 'E u g e n D i e d e r i c h s , J ena 1906. Preia 2 M.

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Aussero.rdentti(J)er Parteitag_·. der soziaJ=- ;_ demokr atischen· · Partei ·oeutschlands; ·

(Sitpung vom 29. Fehrual' 1907.)

. . K aut s k y (fortfabrend): ,. . . . und. so bin ich d"enn der· Meinung, '. da_ss es eiil bedauerlicbes Zeicben sehr begreiflicber

· Nervositat ist1 dass · diesrr · Par·teitag einherhfen wurde, und da:-:s-. unser· Parteivorstand sicb veranlasst geseben bat, seine Aemter· niedt>.rzulegen .. . I~.h bih . :nicht der· Meinung, d~ss ein Grund zu Aufregung und Betriibnis vorliegt. Ich kaun auch, ·'obwohl eiuiges­dara.n ist, der Ansicbt des Genossen' Stailtbagen nicht zust1mmen~ dass der Ausfall der ~Wahlen lediglich durcb die -uugesetzlichen, Wablbeeinflussungen . und die Angst v0r den .Negervol}{ern Afrikas­zu erlrlareu ist> Fur mich bedeutet vielmehr · das Wahlergebuis, • vor allem der. Ru.ekgaug. unserer Stimm ... nzabl in vielen Waltl­kreisen .eihen. · wfinschens.werten unf\ hOchst erfreulicheu li'ut;tschritt der. sozialistischen Doktrin . . .. (Vielfaches Gelaehter) Wenn ich .. diti8es ' Lache1i liore, Geuossen, muss ich annehmeh : es girbt au eli jetzt noch :sogenanute Sozialdemokraten, an deren Verlust gar

. nichts -gelegen · wit~·e. \Vir ltaben d1e Inrellektnellen verlot·en. (Zwischeurut: · Den Ip.tellek! !), . aber baben wir ukh,t m Dresde11

. das 'l'ischtuch mit 'ibiten . entzwei geschnitten? -Ist es ller S!)Zi<ll· demoltratie, ist es . der materiali_stischen" GescldclltsanffassmJg, · i:st es, Sll.l!e idli 'sog'ar,: U"itseret Drsziplin win·dig, weui• wh· janim~:~rn, dass Parteitagsb~sdlliisse znr Austiihrung kommeu? Wir haben. die kleine'n Handwerker nnd die klein(:ln to~db·tiinltig.· n Kaufl.eu.te verloren. Atler, Gt"'IIOssen, Iia~h unserem Programin :-:ind die8,e ja duch sowiP-so zum lJnr.rrgang . verdamrdt. W··ll~u wir detin Exi­stent.en mit uns- schleppeu, die gar· keinen Halt, ilherhaupt keitH~ Exi:steuzherechtiguug haben~ die t'S nut· dem laug,amen Ablaut der· Zdt verdauken, tlass sie tibl"lrhanpt. uo~h da :-iud? Die Zahl der wi • klieheu At·lwiter, die auch diesmal twch ftir Liherale, Zentrn :L , ,Antisemiteu und K011servative g_estimmt hah~n. ist nicht grosser·­geword··n (Zwischeumf :- Abt"'l· anch nicht kleiuer !) Wo hat rleun. Karl .Marx gesagt. wie s• hueU die Prol"i-;ta• i:-i .. n n~ dt'r Massen Vol' skh geltt (' Wollen Sie· vielleieht · _N>tt u geset~.-~ um..;tossen.? Dat.u biu kit deun doch t.u besdtt"'i•len. Wir kouuen Entwicklungs­ges.-tze aufstellen, ahe1· wir kouneu sie 1li- ht. audern. Die ·Reichs- . t agswaltl"en sind :eine ausser:-t · Wt'rtvolle ·· st;i.tist i:sch,r Ergauzilng del~­Volk,..zahluug. Wir haben die Zahl . der wahrhaften . maunlichen Proleiarier tiber :.!5 Jahre -fe:-tgestedt, uno-1 t'S lasst sich uun er­Int'SSI""\11. 'wie· Jauge es l1i~ znm 'ViHiiu-t>n Zn~<ammeubruch der kapi­hrlLti~cJ.ren -Ge>~ells~h-aft noch daut'rll wird. - Uud dann verges:sen Sie «lo~h ni .!.tt, tlass die ~t·s,·JwfiiHHgS:furmen . der Ge:setz~ , d~r­Natiotialoh.onomie seltr verschiede11 silut. ~ie wisse11 aile, dib!s e~ fiber den wirt:scbaftlichen V erhal~uis;:;en - den · sogenannten ideellen.

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'Ueberbau gibt. Nun ist Ihnen . bekannt, da~s . wir . G~lehrte, ich, •nehme . micb selbst . n,icht aus, uns seit einiger Zeit gewtind~rt . haben, wo denn die K r i s e. n bleiben, die nach unserem Prograrpm -von Zeit zu_ Zeit hereinzubrechen _.haben und immer m:nfangreicher lOUd verheerender ' werden' miissen .. ·. Es war :niehts -davon zu entdecken, . und Sie wissen, . ~elchen scharillosen Missl;>rauch die Revisi.onisten mit d~esem . scheinbaren Verstoss der Tat'~achen gegen ·Unser . Pt ogramm getrh~ben · haben. . J etzt . aber, Genossen, ' ist alles ldar gew9rden, und das muss uns mit ganz lfesotiderei· Befriedigung -erft\llen ; die wirt8cbaftlichen Krisen hapen sich . .in den ideellen U eberbau. v ... rkrochen, und dje Krise, die jetzt fiber unsere Partei .gekommi:m ·ist, ist einfach die verstarkte . Erscheinungsform . der · zwei, drei Krisen, die auf dem Wel_tmarkt ausg~blieben waren. W ~r sagt Ihnen denn, Genossen, dass die - nachs.te Krise nicht wieder no1 maler Weise ...

Singer (die Glocke laut~nd): Genosse Kautsky, _die Redezeit ·ist abgelaufen ! .

K aut sky (argerlicb): Was ich zu sagen babe, ka.nn 'kein anderer sagen! Ich appelliere ,an den Partehag, mir noch weitere zehn Minutl"'n zu bewilligt>n.

. (Nach langerer Debatte wir·d · besclilosseri: Kautsky solle seine Meinung in einem Satze zusammenfas~en diirfen und da1m aufhorer:)

. K aut s k y.: .Genossen, , wenn ich Ihren Besl·hluss wortlich nahme, wiirde heute kein anderer mehr zu Wort komtnen, da iC'h, was kh doch .wohl schon bewiesen babe, imstande bin, einen Satz a;u bilden, der von hier bis iib'ermo:I'gl"'n dauert, abe_r ich will Ihre Geduld nicht Ianger in Anspruch nehmen und fasse zusammen : -die volkerbefreiende, interuationale, revolutionare Sozialdemokratie hll,t e~m~n Sieg ,,,~,n:ungen, wahlen ":ir ~iristim~ig uns~rn bewahrten P arte1vorstand w~eper, vor allem unst:rn JU~eendfriSCQen August

. Bebel ; sollte der greise Cenosse. Auer n:icht mehr imstande sein, . die Wahl anzunehmen, so wiirden wir ibn mit lebhaftem Bedauem -seheiden f:iehen! (Gr9sse Unruhe, vereinzelte'r Beifall.) ·,

.S i n g e r .: Das Wort hat Geno~se Auer ! / · Auer: Es war ja gar nicht notig, GenosRe Kautsky, _dass Sie ... _ Singer (heftig) : lch kann bier keine Zwiegesprache zulaRsen!

. ,Au e r (rubig) : SchOn. · Mir . scheint, man ahnt bier schon, was ich ~agen wfll. Ist ja nach den Vorgangt'Jl im Partei vorstand .auch nicht schwer, (Singer lautet.) Beruhigen Sie sich nur, · ich babe keine Iudi~kretionen vor . . Also : es war ja gar nicht notig,

··dass Kaut~}{y mir den Lehnstuhl der Altersver~orgung so freund..: l ich ·vor die Tiir gestellt' hat. Ich gehe :vo.11 selbst. (Grosse Auf­regung.) ~a, Genossen. wundert Ihr Euch denn dariiber? Drei- .

· :viertel zu 'rod gearg:ert bin ich schon ; w~s jetzt gekommen ist, babe ich alles vorausgesehen, babe es auch, soweit es die Klug­heit erlaubte, vorau·sge~agt. Aber jetzt babe ic:p genug ; jetzt ;JQ.nss der Wirtschaft ein ~nde gemacht werden, und leider' muss

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ich sagen : w.ir mUsseD. fast ·· noch einmal von ·· vorne anfangen;'_ (Vielfac}_le Zwisc-henrufe.) I~h babe das _ Privileg, Dummheiten ohne '· ' Ende zu machen, bisher andern iibei'lassen ; ich weiss, dass . es:

. kliiger w~re, auch . am Ende keine Dummheit zu machen · und sc}\weigend abzugehen, und vielleicht ware es auch fiir die Partei: besser. · Aber;· setzen Sie es meinetwegen einmal auf meinen Grab­stein : er war sehr klug und ·hat tausendmal die Kluglieit sein · Tempe1;ament, das auch nicht ohne war, besiegen lassen ; aber einmal. siegte doch das Temperament iiber die Klugheit. An ·dieseml einen Mal balten wir jetzt. . . _ '

· · Zum Donnerwetter, wer bat unsern Karren so heillos in den Dreck gefahren? Jawohl, und wenn Du mich noch so griin und' giftig a~siebst, August : der Mann beisst August Bebel, und Sie alle sind schuld, dass Sie einen Mann, der nur zum Agitator gut war, zum Fiihrer_ genommen 'haben. Und nicht . einmal Agitat01• · hatte er m·ehr sein diirfen ; seit mehreren JaJ:iren nicht. (S i n g e r lautet mit der Glocke, obwohl alles totenst_ill ist.) Ich babe mich1

oft . gefragt; bei . seinen RedenJ und ebenso bei denen Ledebours­oder Stadthagens oder d<3r Rosa : bin· ich denn ein. A-r.istokrat ge~ worden auf meine alten Tage, oder worau liegt's, dass icb dieses,· geist- und maniedose, unp~ycbologiscbe - Gesehrei und· Gekeife und Gebelfer nicht mehr ohne Krampfe mit an:hOr.en kann ?

S .in g e r : Entschieden muss _ ich bitten) sich zu massigen ,. Genosse ' Auer !

A u e r ( schreit -mit dem Schaum vor dem M.unde und schlagt auf den Tisch) : Ma:ssigen! Glaubt Ihr denn, Geuossen, weil ich oft so ruhig und kaltbliitig sein koimte, ich hatte kein Herz illlJ. Leibe.? _ SoU ich · es ruhig • mit ansehen, wie unsere SchOne,~ herrlich'e Partei ruiniert wird? . Ich h a b~ es· mitangeseben, aber nun sollt Ihr mein Testament hOren: Frech mid grade sag' icb's­herau~ : die P11:rtei bat seit 1878 zwei Diktatoren gehabt : der eine war ich, und ich _babe die Partei zu dem gemacht, was1 sie ~ jetzt leider nichf mehr ist. Der andre war Bebel ; bis beute ; und: wenn's nach mir geht, bat er heute ausgespielt. Genossen, sagen wir. einmal die Wabrhe1t : unaufrichtig k9nnen wir aile sein und aufs ­Liigen verstehen wir uns ; dafiir sind wir eben eine Partei. Aber so, in dieser Art unaufrichtig wie Bebel ist, im grossten und im kleinsten, in der Sache wie gegen Personen, bab' ich noch - nie' einen gekanut. Heute bis zur Siedehitze die revolution are Stirn mung" erregen, und morgen mit so einem gewi_ssen hellen P Mhos erklaren :_ ich miisste ja der grosste Narr sein und ich miisste aus der Partei' ausgescblossen Werden, wenn ich einen politiscben Massenstreik1

jetzt fiir denkbar hielte ! . .. so und ahnlich ging es immer wieder ;' und · wenn er im Reichstage aufstand, wusst• ich schon immer : jetzt' blamiert . er uns wieder, und behauptet ehrenriibrige Dinge, die er-' nicht beweisen kann. ·'

Politischer Massenstreik ! Wollt Ihr wissen, Genossen, wie·

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~in politiscber ' .M assenstreik aussieht ?- Danh betrachtet ' Euch das Ergeoni:;:~ : dieser Reichstagswahlen ! das nenn' ich einen politiSchen' Masse1istreik - gegen uns. · . · · · -, · ' 'G-eriossen, : wir, unsere Redner im Reicbstag, unsere. Agitatoren · im Land; .wir sind KopiSten unsrer eigenen Vergangenheit. · Unse1•· Ton hat so : etwaE!· · .beliges; so etwas phonogJ·aphenn1assig Abge: · leiertes, so ein:e· gewisse forcierte Begeisterungsimitation bekommen: Wir Alten si"'a-· alt·; und die junge Generation ·ist an die Wana gedrilckt ' worden und bat sicb's gefallen .lassen und dac4te: war­ten wir unsere Zeit ab. Wenn's nnr nicht zu spat ist. Ihr soge~ nahnten Revisionisten, battet lbr nur Eure gelebrtenmassigen Schlag-. w.orte .sein lassen, hattet Ihr doch den alten Marxismus in Ru.he gelass~n, und waret . dafiir in der Tat und im praktis.cben Handeln ein bisscben t~pferer und ausdauernder und weuiger neurastbeni:sch schreckliaft und geschmackvoll gewesen: es ware nicbt so schlimm. geko~men, und damals batt' ich Euch be,sser belfen konuen als heute. Also, wie gesagt : die Beziebung zur Wirklichkeit und · der Schwung und das Feuer, das sie allein giebt, ist verloren ge~ gangen. D~ braucbte 'bloss_ ein :Mann kommen, gar kein gros~er Mann, bloss eben iiberbaupt ein Mann, der etwas Mogliche8, nicht, zu Nabes, ~icht zu FE;~rnes, durcbsetzen will: und alle Welt sah, dass wir keine Manner sind, sondern alte Weiber. Das war's, darum sind wir besiegt worden, darum allein : weil Dernburg · ein M~~ .

Icb weiss nun nicht, was werden; soil, und deswegen gehe icb. Zu Grunde gebt die Partei ja darum nicbt. Sie fristet ibr geschmabtes Leben \veiter wie diese klaglichsten aller Gesellen, die Liberalep, die ja auch nilr Tropfe sind. Aber bei dell en seb' ich . den komine:ilden Mann. Bei uns seb.' ich keinen1 und · wir miisseri warten, bis · einer kommt. Der Heine · ist noch der Beste ; es fehlt ibm was, ich weiss nicbt was ; aber inzwiscben ist er der ~este: (Zuruf : Vollmar!) Vollmar? nein, das ist vorbei. Der hat de;n . Moment verpasst. Der ist zu frivol.

Warum ich gar nicht von Sachen oder Prinzipien oder gar okonomiscben Gesetzen rede ? ·Nun,· Kautsky will ich nicbt lacher~ licb mac hen ; das besorgt ~r selbst. W arum ich nur von· Personeu rede? Nun, Genossen, nebm't 's zu einer Lehre. Es kommt ga1; nicbt _so sebr dara~f an, was· Ibr vertretet ; das ist das Entsche~­dende, was Ihr fiir Kerle seid. Und da bin ich jetzt zu der Erkenntnis gekommen: im · kleirien w1rd's · wohl obne Liige nicbt abgehen ; aber im grossen ist doch die Wahrheit das Erste und Letzte. Urid da komme ich. schliesslich doch zu Einsichten und Prinzipien ;

·Die Wabrheit ist, dass wir die revolutionare Phrase auf~ geben mi.issen. Die Wabrbeit ist, · dass die kleinen Existenzen . zunebmen, dass di~ burgerliche Gesellschaft nicht daran dt-nh.t, zu~ammenzubrecben, dass es den Arhei!ern gottlob und Dank nicbt schlecbter, sondern viel besser geht, dass sozialistische Einrfchtun-~-- _ ....... ~ ,.,...,.,:::, ....... .

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' gen sicl;t s~ho~ · iibe~·all im ~riyat~apitalismus festgesetzt habe!l, dass -alle Parte1en b1s· zu gew1ssem Grad angefa!lg.en baben m sozialistischem Geist · unser Vaterland weiter zu fiihren, dass wir jetzt nicbt mehi· in der Periode der Doktrinen und Ideengegensatze steben, sondern de:i· Verwirklichung und des Ausgleiche~J Herrlicbe ~ufgaben wru·ten also der deutschen Sozialdemokratie, die in alle­_dem das treibende, vorwarts denkende und peitschende Element sein muss: l\logen .die Manner kommen, - die der -neuen Aufgabe ge­wachsen sind und den gan~en alten, verhegelten Trodel bei Seite lassen. Wir · brauchen keinen neuen Marx ; wir brauchen einen neuen Lassa.lle! Icb ziebe mich jetzt zuriick, und schliesslich bab' ich die Rube verdient. Den neuen Lassalle werd' ich wohl nicht mehr erle,ben ; aber ·wenn meine Augen _den Tag nocb sehen, an dem Bebel und noch so ·ein paar ansgedient haben, dann wil,l ich frob sein, und dann hab' ich heute nicht umsonst meine letzte Kraft diesen paar Worten gegeben.

(Aufruhr. • Viele sitzen wie versteinert. Andere bilden Grup­pen ; ein grosser Teil der V ersammlung umringt Auer und ruft ibm zu.) ·

S i 11 g e 1~ (miide) : Zur Geschaftsord11ung will .Genosse Katitsky das Wort.

K aut sky: Ich konstatiere, dass Herr Auer 14 Minuten gesprochen hat !

S i 11 g e r : Ka11tsky, wir sind ein bisschen erschiittert UQ.d Mnnen solche Albernheiten nicht brauchen. (Stiirmischer Beifall.)

Singer: Das Wort hat jetzt Genosse ... *) . (j-enosse X ~ Es . ist zum ersten Mal, . dass ich die Ehre

babe, z.u einem Parteitag· _delegiert zu sein. Icb glaube, es ist auch das letzte ~al. Hahen Sie jetzt ruhig einen Alten angebOrt, der sich von der Leitung der Partei zuriickzieht, so bitte ich. Sie, sich einige Worte von einem Jungen. sagen zu lassen, der aus der Partei austritt. Austritt. urn sicb nie wieder einer politischen :Partei anzuschliessen. · Es ist wahr, was Auer _gesagt hat : der Sozialismus muss wieder von vorne anfangen ; aber noch viel mehr und ganz anders, als er es gemeint bat.

Es sind bier furchtbar starke Worte gegen August Bebel gefall.tln. Ich will . nichts von dem bestre:ten, was Auer gesagt hat ; er kennt ihn besser als ich. Aber. woran liegt es denn, dass ~in Mann mit d.en Eigenschaften Bebels und, gerade herausgesagt, mit der Altersschwaehe Bebels - denn die Politik verbraucht die ~enschen scbnell - disponiert war, der Fuhrer . der Sozialdemo­kratie zu werdt-n ? Es ware viel zu billig, wenn ich sagen wollte : weil die -Partei selbst an Arterienverkalkung leidet ; die Sache muss komplizierter ausgedriiekt werden. Ein Mann. wie Bebel, er

'') A-nmerkung des Berichterstatters : Der Name des R ednet:s ,war leider in der Unruhe nicht zu verstehen.

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-mag im Ubrigel). . so, oder anders heissen, I wird immer der Fuhrer -der sozialde~okratischen Partei · sein, Rolange die Partei Sozi~lis­'mus . und Mitwirkung am Staatsleben· gleicbzeitig treib~n wiU. Denn 'Wer der Fuhrer einer P~rtei s~fn soli, die da,_s~_Unmogiiche vereini~ gen will, muss selbst ein unmoglicher, ·-. scbwankender, zwischen

·L eidenschaft uild Berecbm_mg, Einsicbt und Verblendung, Luge -qnd Wabrheit hin und her gewiegter Mensch sein.

· Zwei Parteien- baben del). Kre_dit flir West~frika ·abgelehnt: die Klerikalen und die Sozialdemokrate·n. Verehrte Anwesende, i ch wage in di~ser Versammlnng, in der erst vorhin Ledebou:r er­klart hat, jede Rt>gierungsvorlage m.usse von jetzt an beshinungs­.los abgelehnt · werd.en, das Ketzerwort : vom Standpunkt · der

· :Staatspolitik durfte die V()rlage n eht abgelebnt we1~rlen ; vom ·Standpunk~ der Staatspolitik tnusste dem · neuen. M~tnn, der · -R einlichkeit gescbaffen hat und der Sacbe dienen will, ganz anders beg~gnet werden. Zwei Parteien aber, zwei nicbtswtirdige Parteien :konnten die Vorlage ablehnen: die eine, weil . sie mit dem J{opf vielleicbt in Deutschland. mtt dem Herzen aber ganz sicher im vatikanischen Roni ist ; die andere; weil sie ·- ich will es wenigstens, das wenigstens .hoffen - mit Kopf und Herzen gariz wo anders, namlich im Sozialismus ist und nur mit den Beinen im Reicbstag! · . · ' _ '

Ja, so ist es, Freunde : der Sozialismus liegt so ausserbalb -des deutscben Reiches, , sq ausserhalb unserer Unkultur, wie Rom .ausserbalb Deuischlands liegt. 'Dlese Zwitterstt'llung der Sozialisten in-qss zn _ tiefster ~rbitterung und zu traurigsten Mi,ssverstandnissen ·ffibren : denn das Parlament ist eine Staat~einriclitung und soil . dazu · dienen, die A~gelegenheiten des St~tes . m. ·· ford ern - zu .nicbts. anderm. . · . ,.]v , · . • - . '

Wollen S1e also die Parte1 - werden, d1e _Genosse Auer .Im :Sinn bat, Sv mt'tssen Sie noch viel weitcr gehen . als er jetzt glaubt . .Sie miissen aufhoren, Sozialisten zu seiil. · Denn darin tauscht sich Auer aufs schwerste, wenn· er glaubt,

-der Sozialismus sei im Begriff, sich t'tberall, in Staat, Gesellschaft ;find Wirtschaft binein;ouweben. Das ist nicht so, wiewobl eine r ichtige Einsicht darin steckt. Daran ist nur wahr, was sich gegen den Marxismus und jede aimliche antitbetische Konstruktion richtet : die Proletarisierung schreitet nicht immer weite:r vor, die tdeine.n Existenzen werden nur zerriehen, daniit neue entstehen , Staatsgesetze und wirtschaftlicbe_ Zustande passeil sicb vielmehr der Technik und ihren Aoforderungen i;iQ an, dass die Gesellschaft weiter besteben kann, · dass es zn keiner Katastrophe kommt . .

·Also, wenn es so weiter geht, mit ode'r ohne Hiilfe einer grossen demokratischen Partei, kommt:es zu keiner Kata'-trophe' ;-zu keiner ~atastrophe, keiner Revolution und keinem· Sozialismus. Sondern es bleibt die erbarmli...he Hiis,.lichkeit und der tiefe Verfallszustand ~.serer individualistbchen, pla.nlosenl}:oitkurrenz-, Gelder\Verbs-. und '

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Welt:~ar;ktwi,rtsebaf~, bleiqt qnsre _gauze Unkultur, · ~s b~eibe{\ hobe.r L<Hme, . abe1,· .noch. viel bohere Warenpreise, bleibt .Elend;. G~tahr:, und Un~kh~rheit, b~eibt . all das Entsetzen und die Herz; losigkei~ . unseres · atomisierten Daseins - nur mit den Au.8glei~ ~,u,nge;n, :diy , notig. sind; damit . die Masc~ine nicht ins Stocken konimt. · . . .

. . . Jc4 , leugne durchaus . nicht, dass es gut sein wird, wenn eine , Parte'i, :wie sie Auer im Sinne hat, da sein wird ; und sie wird da sein, ob sich die Sozialdemokratie in sie verwandelt oder nicht . Si~ . wird gut sein, so wie etwa auch die Gewerkscbaft:sbewegung · gut und notwendig ist ; aber mit dem Sozialismus haben aile beide n~chts .zu tun. Das ist ein anderes Stockwerk ; ich kann mich wohl einmal · auL jenes Niveau .versetzen, mit meinem Interesse~ aucl;l mit meinen . Sympathien manchmal ; aber ich kann nicht· mitmachen. · - . ·•, · : Der SO':dalismus ist eine neue Kultur, wie. sie seit vielen'

J ahrhunderten nicbt dagewe~en ist, d~nn wir leben seit langem in einer Periode des Verfalls und der Aufl.osung. Die Gesell-. schaft, die Herde, der Klan ist . alter als der Mensch ; wir abei;· leben in · ei~er Zeit der Individuen, weniger grossen. vieler kleinen. und schutzlosen. Der Sozialismus fU.hrt eine Zeit herauf, wo jeder Mensch von Geburts wegen wieder einer Gemeinschaft angehort, einer · Arbeits- ,- einer Landgemeinschaft. Eine Zeit, wo · nicht wahllos, sinnlos Waren fur den Weltmarkt bergestellt werden~ sondern Gliter fiir den Verbraucli. Das schliesst selbstverstat)d-. lich Austauscb, Solidaritat, gegenseitige Biirgscbaft, solidarischen Kredit - ohne Geldwirtschaft natlirlich - nicht aus.

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Dieser Sozialismus muss ganz einfach gescl,affen werden : ei·; muss begonnen werden ; ·unsere Staaten haben nur .Sinn ,und Gel_: tung, Anwendung_sfahigkeit fUr die individualistische Wirtscbaft1 als roher, ausserlicher, zwangsweiser Zusammenbalt ; der Soziali.smus aber wird ausserhalb des Staates gebaut werden (Zwh·chenruf : In Afrika !) - nein, mitten in Deutschland, und doch ausserhalb des Staates ; der .Sozialismus wird allen Staat i.iberfl.lis:sig und zunicht~ machen. .

Wenn aber dieser neue Sozialismus - es gibt jetzt gal.~ keinen Sozialismus - dieser sozialistische Geist, diese fast religiose ~.' kulturgewaltige Energie nicht fiber die Mens~ben kommt - was d~nn? Wird es so wci.ter gehen? werden die Zustande sicl~_immer, so weit der Ttchnik und der mebr und mehr. depravierten Mensch< heit anpassen, dass es eben noch geht? _ ·:

Was dann kommt, weiss niemand; vielleicht doch irgendwie . noch der Geist und der Sozialismus, aber nicht fi.lr diese unsere Volker Westeuropas. Es kommt dann doch irgendwie der Zu-' sammenbruch, ein Ende und ein neuer Beginn. Kann die Kultm" nicbt neue Wurzeln bei . uns fassen, dann vielleicbt bei Russen; J apanern, Chinesen und neue'n, aus Volkermischung entstandenen

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VtH}Iern ... Uebel; solche Dinge ist viel ~u ahn,en';: w~pi:g Zll ; s~g~p·~ · Der Zusammenb:ruch wird aber dann irgendwoher kQinJ1len~

wo Sie ibn am wenig-sten verm~ten : von der Entvolkerung · de~ Landes, von dem unsinnigen, ve1·basslicb.enden . und Entsetzen scb'affenden · Zus~mrtfendrangen · der M~:mscheriatome · in der ·· $~·'Q~~i stadt untl , von der Hungersnot ! . , · · .. '

Jawohl, Hungersnot sage ich; und · Pest und Choler~;!: . nJ;t;d was weiss ich was fur grassliche Epidemien. in ihrerri Gefolge -trotz· oder wegen all unserer Bazillenhygieine. mit unserer Verweicp 7 lichung und Mangel an Wider~<tandskraft. . ..

Ja, meine Lieben, Ihre Technik ist es nicht, di~ Ihnen .das~ bisschen Brot und Fleisch giebt, und Ihre fluchwurdige Politik ,gegen ·· die Landwirtschaft ist es aucb nicht. . Sondern ' der Raubbau . i~t es, d~e extensive Wirtschaft. oder die· verbrecheri~ch dunime . Be-. stehlung des Bod ens in Rumanien, · Ungarn, Indien, • Argentinien, Nordamerika . . Und ebenso bes~iehlt un~er Wirtschaftssyste~p; be­stehlen lhre politischen Grundsatze den . deutschen BOden .~urch unser Industrie- und Handelssystem und durch die Beraubung .des­Bodens von wegen der Entziehung der Arbeitskrafte, der Hande . .. Und wie ware es gekommen, wenn Sie ·mit · Ihrem Freihandels­system dilrchgedrungen waren? Mit dem Freihandel m1tten in der Welt der Exportwirtschaft und des Kapitalismn~ ? Schlimmer, vie! schlimmer! - Man hat Ihnen manchmal vorgeworfen, Sie be­sorgten die Geschafte der Bourgeoisie und des Gro~skapitals : Das ist durchaus die Wahrheit, aber Sie haben es aus Unverstand ge­tan. Niemand darf den Idealismus leug-nen, de:r . .die Sozialdemo-· kratie leitet, im grossen und ganzen ; aber niemand auch ihre ganz masslose Borniertheit.

Mit dem Raubbau nimmt es einmal ein Ende, und ich glaube jetzt schon die Anzeichen zu verspuren. Es kommt dahin 1 dass

· die Fle1sch- nnd Getreid~produktion der Erde nicht mehr ausreicht: fur die Menschheit. Vielleicht denken Sie, dass wir bis dahin. noch Zeit haben, und dass die Menschen dann aus Luft oder Mineralien hergestellte chemische Produkte essen werden. Dann schaffen Sie sich aber nur ein anderes Gedarm an - so kurz es schon ist, es musste noch viel kurzer werden. ·

J a, meine Herren, die Landwirtschaft nnd uberhaupt die Grund- und Bo_denfrage ! Das ist Ibr schlimmstes Sundenkapitet Wie ist es denn moglich, dass man den Boden und das .beweglich~ Kapital fur ein und dieselbe Sache nimmt, fur Kapital, und dami sogar den Boden f.ast ganz ausser Acht lasst. Das Kapital, soweit es nicht rein fiktive Wede reprasentiert, die Wert _baben nnr _in· unserer Atom- und Dummheitsgesellscbaft, sonst aber keinen Gebraucbswe1·t und keinen Tauscbwert, besteht aus Arbeitsmitteln, Hausern, Fabriken, Mascbinerie u.s. w. Ich sage : das ist zw:ar · ziemlich yiel, aber · es lohnt doch kaum davon zu reden. Das ist j a doch nur geronnene Arbeit, die immer '\Vieder erneuert wird,

.. _.,.

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in·. zehn, zwanzig· Jahren hergesteUt; und :Vo1~ allen Dingen: .zu .grossem 'feil in sozialistischer Kultur vollig wertlos, unbrauchbar -; · denn was produzieren · wir denn ? n i e Frage haben Sie a ncb ·fast ganz ausser Acht gelass~ri. : w a s wird · produziert ? Ich muss

· 'kJirz sein : viei Schund, · viel BlOdsin.n. viele~, was nicht de"pl Ge­.· branch, " soildern _ nur eben dem Handel dient. und viel Waffen, .Kriegsschiffe und and~rer Kindertand. Also' d~s Kapital, das. vor­banden, li!-Ufgespeichert ist, das der heutig~n . Produktioti dient,· ~s i~t lacherlich, dass darum so viel Geschrei und so viel . theore-tischer 'Schweiss ist. Das wird erarbeitet,' so oder so! Aber wie .ste.ht es mit dem Boden! der ein Stuck. Natri.r ist wie die Luft? wem 'gehOrt er? wer arbeitet auf ibm? w a s wird auf ibm produziert?

D~r Boden ist es, der wieder erobert werden muss ; der aus seiner Verodutig errettet werden muss ; der Sozialismus ist unter .anderm Ab.wanderung aufs Land ; Sozialismus ist Besiedeluug - unter anderm ; er ist noch viel mehr - - · ·

S i n g e r : . Wir bedauern dieses Mehr tiber Ihren Anar­·Chismus· nicht hOren zu · konnen ; Ihre zehn Minuten sind urn l Das W.ort hat jetzt GeMsse Bebel !. ·

Die Fortsetzung des BerichtR erscheint morge~. Berichters1atter: Gustav Landauer."

(31. 1 07.)

. Die gegenwartige sftuation 1u1d die Auf= gaben der russischen Anarchisten .

. , ' ~ . 'wir entnehmen den nachtolg~hden Artik~l eine~ neuen russisch- anaT­. chistischen Blatte, . ,Buntar", das bislang in seiner ersten, aber inhaltlich ausgezeichn~t reichhaltigen, 32 Sf':itigen Nummer vo;.liegt. Was dies.e Zeitschr1!t des Bedeutenden eiithalt, haben. unsere . Leser :~us unferer , Uebers.icht der anarchistischen Presse'" i:n vo~iger N urn mer der· ,Fr. Gen." entnehmen ki;innen. · .'&achtraglich wollen wir noch hinzufiigen, dass der ,Buntar" iiir die anar­chistische Bewegung in Rnssland .eminent bedeutent ist in theoretifeber als auch taktischer Hinsicbt. Mit welch markanten Striohen unsere russisc.hen

·Genossen die momentaue Revoltitionsperiode, wie auch ihre Aufgaben ze.ichnen, g~ht aus dem Artikel, ein hist~risches Dokument des B4>:Z.ialrevoluti~naren Ringens im Osten, von splbst hervor und hedarf keiues Kommentars.

· , Wir I eben in einer Revolu.tionsperiode. Es ist dies eine" Tatsache, die von ·niemand.em bestritten werden kann. Sogar .die

. halbolfiziose , Novoje Vremja '' ist gezwungen, dies anzuerkenne_n . . Dieses feile -Bllittchen seufzt und klagt ;. es etgiesst die bittersten ''frlinen und weist auf England, wo ang·eblich die Reyolution so ruhig und anstan4ig h;t .. . Nur ein Faktum kann es. nicht be-

· ..

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streiten : in Russland· schreftet e·ine koloss'ale'. Volksrevolution einhert' , . Was . miissen . wir, als Ailarchisten, tun ? Welches sind uilser~: Aufgaben? · .

Die Antwort scheint einfach genug ; Mit der kampfenderi : Arbeiterklasse und ihr voraus sein ; das Banner · des Jiommun.sti- · · sclieu Anarchlsmus entfalten ; aufr'ufen zur .sozialen · ReVolutii')n -:-- · dies sind unsere Aufgaben. Wir mii~sen unsere Krafte . org·ani­sieren, um die Revolution erfolgreich zu . verwirkliclien - das ist· . . unsere hochste Pflh·ht.

, Das ist das. Betatigungsprogrami:n der russischen Anarchisteil ;· iiberall und immer .

. . . Allein wir miissen auch die Ausnahmen von der gegenwartigen Kampfessituation ins Auge fas~en . . Uud nimmer wird derjenige . die Situation begr~ifen konnen, der . eimi~ allmahlich an die Ober­flache ringenden Hauptfaktor des russischen Lebens_ nicht sieht : · R u s s l a n d o r ,g a n ·i s i e r .t s i c· h ! · Statt der · ungeheuren, iri keinerlei -bestimmte' Gruppierungeri zerkliifteten Masse, sta.tt des. g·eheimnisvollen Unbekanilten, genannt ,das Volk'', der humanistisch· gesinnten: Intelligenz tJ<eten Parteien mit bestimmten Klasseri­interessen und bestimniten Losungen ·auf den · Plan.

Es ist in unserem eigeuen Interesse gel~gen; uns ,nicht •in· unserem eigenen Safte zu koch en".*) N ur · zu ru{en : . , \Vir · wollen keiue bourgeoise, wir wollen eine s o z i a 1 e Revolution r Wir woUen den Klassenkampf, keinen demokratischen E'dedens­schwindel!" - gentig;t nicht. Einz1g und a:t~sschliesslich dtirfen wh­uns tiicqt beschriinken auf di""se w ~nn auch , richtigen, do~h immer- . hiri nur gerieralisierenden Positiunen. Es ist notw~udig .fiir uns,. (lie Programme und Losuugen unserer Gegner und Feinde zu:. · an:Uy,..ier'en. Wir mii:-~sen d~n Lreiten Volksmassen erklaren, es ihneu beweisen. dass sowuhl _die Bourgeoisie als auch die ·Sozial­demokrateh, beiqe -:unter der Fa.hne sogenannter ,,Befreiung',' kampfend, in ihrem Streben sehr zweideutig sind ; ·dass sie oh der einseitigell' Vertddigung ihrer · Klassen- ' und Part ... iinteresseri· zu Unsinn und Sophismen gelan'gen. Die letzteren mus:-~en ent­blOsst werden, da unsere Losungen, unsere 'Taktik augenblicklich' teilweise von den Losungen und Aufgaben unseres Feiudes ab-hangen : der Bourgeoisie. -::, ,

Ihre. 4-:tifgauen liegen klar angezeichnet vor ihr. . In immer breiter~n Wellen erg•esst sich der Strom revolu­

· tionar~r Bewegung: Die Leidenden und Aill'lgehenteten hahen ihre Gednld eingebfisst. - · Angstvoll und schreckerfiillt sieht die Bour­geoisie diese grimmig v"'rzerrten Antlitze vor sich. Herrschaftliche Hauser und Gitter gehen in Flammen auf; der Arbeitslose revol-­tiert ; inuerbalb der Armee breiten sich Streiks immer weiter ans~

*) Russisches V olkssprichwort.

' '

W p; ist fli.r die Liberalen noch die Gewahr, dass dieser reissende ·s tr6m ,'die· ·,heili'ge Wurz.el" des Eigentums · nicht ausr~issen wU.rde~ W~ die Garautie, '.9-as~ das . Schwe1·t, welches sich urspJ.·iinglich gegen · 'die Selbsthe!rsch.aft richtete; sich nun nicht wider . si~ · selb~t. kehren wird? , Wohl wa4r, sie haben treue Bnndesgenossen .hi den bonrgeoiserr Sozialisten;· aber dann · -. D~e Bourgeoisie hat si~h 'namlic~ Illit . einer ganzen organisiert(m Gruppe vori. 'Besc:P,utzern vers'orgt, welche' sich rote Kappeu mit sozialistischen" Enden · und Ecke~, aiizogEm., un·d dem Arbeiter verkiinden, dass vorerst eine biirgediche - Revolution ·stattfinden · ·• miisse. lpr wisst 4och : die·

.. ~.::tes~hichte _ befiehlt es! . U:nd aus diesem Grunde sind ·. di~ ,Armen'-' gezwungen, die A'i'beiterklasse hinein .in ibre ,schmutzige Ge­schichte" zu locken, in den . Kampf urn die Herrschaft der Bour­geoisie: Herr :M.*) briistet skh noch da.mit,-/dass · sie, die Sozial­demokrateii, dem J;>roletarta.t es stets sagten, dass inan den Kampf nicht weiter als bts' -z,\t H~rrschaft der Bourgeoisie fiihren diirfe. . Jawohl, die russ1sche BourgeQisie begreift es, . dass die.

S ozialdemokraten ihr~ unbezahlbaren Freunde sind~ Wird es diesem , Freunde" aber auch wirkli~h gelingen, so alles zn organi~ sieren, .dass das V plk a us Achtung vor dem heiligen Pri vateigen­t um imh gMetzlich~n · Weg t. ~iibt}rg~ht ·? Der blosse Gedanke . an. diesen ZweifeJ ~,et:reisst das Herz der Bourgeoisie: in Stucke. So

.macpt He;rr ~~ru\ve, der FU.hrer der Kadetten, den Sozialde~okraten Vorwiirfe fiber den misslJingenen Generals,treik im Dezember 1905;

' ~r behauptet, auf di~se Weise mqsi'e . die , gauze Kultur untergehen, de,l;'en Entwicklung ja nach der Meiuung det· Sozialqemokraten rulein zum Sozi~lismus ftihren kQnne. Es ist zweifelbaft, ob s_elbst die Bourgeoisie glaubt, 'dies. erreichen zu konnen ; immerhin will siy ger Revolutioit _. mogliclist · fruh Schrauken ' v~rschreiben, indem sie die Parole~ ausgab : eine <), b ~ r g e r 1 i c he· Revolution und nicht weiter ! .

Es. ist somit unbedingt notwe:ndig fiir uns, die schwachen ~eiten unserer Gegner · kenneu zu lernen. Wo si~ in ihren Be: f?trebnngen gezwungen sind, sozialistischen Unsinn anzuwenden, w an n dieser sich .am khirsten aussert. Und . in der Erbri.ngling ~es Beweises fQ1' die schwache Seit~ . des Gegners mii~:>sen wir

" · gh~ichzeitig diese fiir unsere Zwecke arisnU.tzen. _ _ ' . "Die grosste · Dummheit i8t es, auf. dem Lande, im DoTfe zu

/ erklaren, man wolle nie Revolu~ion zu einer 'ausschliessliClt bour­geoisen _gestalten. 'port offenbart sie sich eben am klarsten und deutlichsten. Lege,n wir die Herren Kadetten bei Seite, denn. sie

· ·spi·echen ja davon, dass man · den Grund un~ Boden znriicknehmen ·aurfe nur fiir Geld ... fiir Geld ! Der i·ussische Bauer · weis.s ·

. sehr wohl,. was ihm .dies kostete zur Zeit d~r ,Befreiung", a.ls er · · ~ich loskanfen konnte. Er begreift, dass die Herren Kadetten die

*) Sovremenine Otkliki, ein sozial~emokutischer Ahgeordne~r.

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,grosse, soziate .. Expropriation . der Erde am lie!>.sten in eine Ge-fschaftsangelegenheit ~ verwandt>ln mo·ehten. . . . . < ! ..

. ·, . Aber sell}st die feurigste.n Sozl.aiist~n-. wagen . e~ ' mir, 'bloss von der Expropriation des Grund und 'Bodens ~u . sprechen. · Doch woher soU ,der Bauer die Werkzeuge ·nehmen, ·um . den 'Bode)l . zuM ·besWllen ? Qhne ~ratschaften · kann ejn~ anstandige , Wirtschaft n icht betrieben werden. ·und propagieren . denn die Herren Sozial­,demokraten· · wenig,stens 'im Dorfe ·die . Expropriation v-on . Werk-:zeugen und der Arbeit~ni.ittel? Sie tun . nic~ts dergleichen ... Dafiir ., .a:ber haben sie viele ,Pr(•jekte", ·z.-.B. · ~an solle den Bauern einen ~,billige~" Kredit ,zu . niederem Zinsfuss · gewahr.en. Abermals eine :Gesch-aftsangelegenheit r Bloss dass ~lie . Kadetten ein · B;andels­geschaft .. daraus mach en, wahrend di~ '. Sozialdemokraten dam it -versuchen, die Aufmerksamkeit -der Bauetn von der Notwendigkeit :der' Expropriation·· ab-, ihre¥ . PJ"Ojekten ·'--- die" der · biirgerlichen Welt · nicht im . geriligsteil s.chaden . -r-: zuzulenken. . · · · · Man sollte eigentlicb denken, dass, ·so bald der Kampf' urn die Erde einmal begoilneri _hatte, 'es doch naturgemass die Ptl.icht bewnsstet· Soiialisten sein miisste, alle , jene Forderurigen . auf~n­stellen, deren' Verwi:rklichung eine tatsachliche Befreiung von der

"Beherrschung der Er!Ie mit · sich fiihrt .! ·. SQnst · wird die Macht d~s Geldes ja. doch ·aue ,Gleichheiten" ; der sozialdemokratischen P arteien ·vernichten, brutal mit Fiis en trett>n~ Bekannt~ich ~at der Pfiff der Maschinen, wie auch der Rubel auf dem Lande, in

·y jeqem Dorfe · bereits langst all die sclaonen ,,Gle:lchheiten" . ausge­rottet. ~ Wird dtmn nun aber das To sen 'der Maschine . und. · die . P rostitution des G-el<les geringer sein u~ter . eirier · bourgeoisen Konst.itntion ? Mit ilichten ; daran glauben: doch auch die Herren Sozi~ld~mo~r,"ten und Sozialisten;fteyolutionare kaum, dass der , Kredft·' , den · Bau,er in die Lage . vetsetzen kann, sich · mit allen .Werkzengen und den iibrigen agrikulturellen Bedi.irfnissen .zu ver~ sehen. · ~precb'eu die bourgeoisen O~:~konomen . davon, dann · er­'kHire:fi sie ja selbst alle -solche rosigen Hoffnungen als oden Opti­misnms. .Und ist denn das . gauze nicht nur 'Qummheit, wenn · wir doch ganz genau wissen, dass der Grund und Boden o h n e Werk­zeuge so ziemlich dassel be ist wie eine · Nussschale ohne Kern? · · An nus, anarchistischen Kommunjsteu, ist es, _nns · in · den . Dorfern zn erh~ben, klar und scharf · zu erklliren: ·

· Wi r woll 1en die Expro-priation d.er. Erde und d ~ r \V e r k z e u g e ·! . , . · '; Damit stellen wir ,anstatt d:e:r widerspruchsvollen und ver-drehten Formel von d,er ,Vergesellschaftnng" nnd ,Nationalisiernng" ·

: dasjenige . auf, ·das die Bauern . det· Demokratie abtriinnig macheri, . qie Bauernbewegung in ern en echten Klassenkampf .zwischen B e -,·s i t .z e ;n .d e ri und Be s i ~ z 1 o s e ri verwaudeln w,ird. ·

· · Eine weitere schwache Seite · der Anhanger einer nnr . bour-1 ·geoisen Revollltion ist die Armee: . '

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Ueberall im gro.~~en Russland et;wacht der Soldat. --~ Sei~ Schwert, .welches seit jehei: der "Uriterdriickurig ·uud Verg~waltigung .­diente, wird nicht mehr einheitlich Jiir die::-~e gefiibrt: . Auch der"

·, Soldat em port sich fiber das . schmachvolle u·nr~cht. Mit ibm er­_hebt sich der Matrose. ,Potemkin·•, ,,Sweaburg", ,,Litowsk~', ;,Asoff·', das sind Namen, reich an· historis(~bem Anuenken; E's smd· die strahlenden . Heroennamen der russi:-~chen Revohition. . , · -, Was bie~en die Demokraten der Arniee'?· Sie sagen: ,,Kim:lme

mit uns; lass uns mittlerweile kampfen fur die bourgeoise Republik !1'

-Was a\Jei· wird dann sein? Kapitalismus · und Handel werdt'n sich entwickeln. Auslandiscbe uud noch ofter inlandiscbe Kriege · werden sieh ereignen. Es ist ganz klar, auch dann wii·d . dt,r­Soldat gezwurigen · sein, zu· morden, nicbt weniger als jetzt. ' · -, --. friiber oder 'spater ~onnen solche Argumente ujcbt verfebl~ri~.­die Demokraten i.n dep Augen der Sol daten " und Matr_gsen direkt Hi.cberlicb zu macht'n ! · Leicht genug verstandlich ist es, dass dem Soldaten nur eines riiitzen kann : die Au.fforderung, s i c b d. e m·. m i l i t a r i s c b e n D i e n s t z u e n t z' i e h e n , d i e V e r --n i c h tung des M-i 1 it a r is· m us. .

- Nur dann wird nian - Frauen und Ki~H~ei· , nicbt zu · morderi brauchen. Gewohnlich aber hraucben die Demokraten .nnd s·elbs: die Sozialdemokraten gegen die Selbstberrscbaft solcbe Ar~uniente dass sie dieser vorwerfen, nur durch die scblecbte Orgariisatio ,. unseres Militarisums hattl:'n di~ Japaner. urisere Armee besiegtn konnen! Und sje fordern laut die Republik, weil, so erklan~n. · sie, das 'Milit ~r dort besser Ol'ganjsiert seitt '' wiirde. Dann - 'dill ­Fulgerung liegt gewissermassen auf der Hanq - sind wir imstan~ee die .andere Seite zu schlagen. ; . . . .

Ei'9-e tiickische. grausame Ironie . ist es,' was da mit d~ni Gewisseri des Solriaten getrieben wird! Diesen Widersprucb in der Sozialdemokratie mii:-;sen wir unerscbrocken aufdecken. Wir miis:sen uns~rer:-;eits zur -Dienl"tve:rweigerung auffordern ; aufrufeJ} zum Militarau 'stand, zur aktiven Unter:-tiitzung des Volkes · in seinem Kampfe g-eg~n die bestehende Ordnung ; denn nur mit dem Fail~ dieser ~ ,Orduung' " wird auch der· Kri~g untergehen. Alle

: unsei'e Fahigkeiten miissen wir vereinigen mit ' der konsequentesteil antimilita1;istischen Aktion inne1 halb der Armee . ..

DiBse zwei Pu:okte : u n sere T a k t i k a u 'f de m Lande 1• ·

u n sere T a k t i k i ni He ere - diu fiber miissen wir ·uns un­zweideutig au,:-~::;;precbem,, Indem wir uns auf dieselben stiitzt-m,_. Zt:'rreissen und iiberschreiten wir ~alle die Grenzen der · ,bo]lrgeois .. n Revolution", mit welchen man die .Arbeiter- und Bauerurevolu.:.. tion umgeben mochte. . · .

Mit Hilfe der Sozialdemokratie ist die Bourgeoisie auch zur Erfiillung einer w.-iteren Aufgabe fahig, die fiir si~ nicht minder· wiclitig ;·; sie bemiiht sich, diejwigeh Elemente zu Qrg-anisieren. u'nd , fiir ihre Zwecko auszuniitzen, welcne irgendwie willens U:nd ·fahi~

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sind, auf ~ g e set z 1 i c h 1 ega 1 em Boa~ n z u s t e hen. Freilich ist es fUr sie Be~ingung ihrer eigenen Existenz, den Geist der Zerstorung, der Emporung wider das Alte ·auszurotten. Somit drangt sie dem Proletariat e i n e Taktik auf: den Kampf mittels des Gesetzes, u m das Gesetz. ·

Unser Ziel aber ist das en.,tgegengesetzte : Die Entwicklung und Vertiefring des Geistes · der Emporung und Zerstorung ! Der Kampf geg~:il alle geschriebenen' Gel!!etze mit ungesetzJichen Mitteln - dies unsere Taktik.

Wir fr.agen : in welchen-Kreisen wird die Taktik der Gesetz­lichkeit auf den grossten Widerstand ·stossen ? ' In der Volks- und' Arbeiterbewegung ; und sie macht sich schon stark fiihlbar. Wir haben nur notig, uns dieses Widerstandes zu bedienen, unserer­seits e i n e t i e f e u n d r -e v o 1 u t i o n a r e T r a d i t i o n in der Arbeiterklasse zu entwi~keln. Mogli~h ist dies nur, wenn der o k o n o m i s c h e T e r r o r unablassig gebraucht, wenn er · ein Gewohnheitsrecht der rebellischen Massen wird. · Nie dilrfen wir dies vergessen !

Friedliche und humane Schwarmereien sind in de1:· gegen­wartige Situation ein Gift fur den Anarchismus ; ebens-o ist jede Zweideu~igkeit und Unentschloss,enheit ein doppeltes Verbrechen im gegenwartigen, Moment.

Ein jeder lebender Organismus muss in der Jugend einen gewissen Vorrat von Kraften und Energien ansammeln. Wehe ibm, wenn. er dies nicht zur richtigen Zeit tut ~ Schwachheit, frilhzeiti- · ges Altern · ist die Strafe daffir. Wehe dem russischen Arbeiter, wenn er rricht j e t z t , in diesem Augenblicke bereits alle seine r evolutionaren Traditionen sammelt, trotzdem es der Bourgoeisie natilrlich alles andere als genehm sein kann, zu beobachten, dass j eder n i c h t bewilligten Arbeiterfordert;mg kein giltliches Verhan­deln, vielmehr ein direkter, revolutionarer Angriff auf dem Fusse -. folgt. Wir meinen den okonomischen Massenterrorismus ; er ist unbedingt notwendig.

Was werden die Herren bemokraten nicht alleR tun in einm· Republik, um den -okonomischen Kampf auf das gesetzlich_e Ge- · biet zu beschranken ? . Mittels des okonomischen Terrors konnen die russischen Arbeiter, ,haben sie ·bereits viele ihrer Forderungen · errungen. Wird die Notwendigkeit des Kampfes fiir sie . in einer • RepubJik oder Demokratie nivht bestehen-? Nichts ander t sich. dieselben Forderungen werden aufgestellt werden milssen und rlie

· PhantaRievorstellungen der Demokraten von friedlicher, gesetz­massiger Arbeit wfirden sehr bald in die Brilche gehen. Nur noch m&hr der revolutjona:ren Traditionen - und die Sache dieser Herren ist verspielt. ·

Und weiter : Die Reservearmee, die Hurrgernden, die Bar­fUssier - auch sie bilden eine fiir die demokratischen Hoffnungen der Bourgeoisie sehr gefabrliche Gruppierung. Wenn diese Armee' ~>-..f"v-,.,~'\.:~ -""\..~ ,, ,· "· ' -,' I

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der Hunge:Heider sich ruhig verhalt, schlaft, nicht auftritt, dann weist die protzige BouPgeoisie auf ihre Faulheit, ihrerr Arheitsun­willen, · als auf die Quelle der -Prostitution und des Verbrechens. Allein das st<n·t sie nicht, dieselben als Streikbrecher zu beniitzen, in allen Staaten Gesetzesparagraphen zum Schutz'e der dann plOtz­lich zu Arbeitswilligen Gewordenep. zu erlassen. In· diese Reserve­armeen miissen die Anarchisten eintfeten ; diesen Schichten miissen sie ein Losungswort geben, ihnen beweisen, wie zwecklos sie han­deln, wenn sie, so oft ihnen die Bourgeoisie zuruft : ,Huligane, schwarze Hunderte, heraus !" sich als die Kaine des '-Proletariats bewtthren. Die Bourg·eoisie zittert vor ihnen ; sie ·weiss nur zu gut, dass die gauze ,Ordnung" und ,Gesetzlichkeit" nicht be­stehen konnen, wenn diese _Armee, von Erkenntnis erfiillt, sicli . erhebt. Sie kann die Reservearmee nur im Sinne ihres - bour- . geoisen - ll..,rieaens, ihres Fortschritts organisieren; ihr Erwachen ist das Todesurteil der biirgerlichen Gesellschaft. Deni. Hungrigen Koalitionsrechte und Redefreiheiten geben - welch boshafter Zynismus, nutzloses' Gaukelspiel ist darin gelegen !

An· uns liegt es, diese grandiose Kraft sofort zur Erhebung zu bringen. ~ Lasst uns der Selbstherrschaft unverzi.i.glich diese grosse Macht entreissen, sie gegen das Eigentum kehren. Ganossen, · be­gebt euch an die Statten der Arbeitslosen! Seht auf die Sozial­demokraten - auch sie beschreiten . diesen Weg; f~eilich: wie! · In Moskau verteilten sie Karten, durch die man heisse Suppe gratis erhalten konnte . . . Brauchen wir von · den ,Kadetten" zu lernen ? Fast ein jeder ihrer Professoren und Fii.hrer trat als · ,Ideologe" datiir ein, dass die Duma die Arbeit und die Arbeits­losen organisieren mii.sse. Allerdings : werden die Speisekarten der Sozialdemokratie oder jenen Kadetten helfen ? N ur wir bereiten

' den Arbeitslosen den Weg·, wie dies geschehen kann, mit ihnen zu sein, ist jetzt unsere Aufgabe. Denn es ;;;ei wiederholt: revo­lutionare Krafte · im gegenwartigen Moment zu entfesseln, ist gleich­bedeutend mit der Entwaffnung der Politiker. ·

Sie wissen · nicht, was anzufangen mit den Earfii.sslern. Unsere Losung an die Arbeitslosen hingegen lalltet: -,0 r g an i­s i e r t u n d be w a ffn e t e u c 'h! :'' . Stii.rzt euch als wohlorgani-

,, sierte Masse auf die gefi.illten l\fa~azine und nehmt die euch am ni.i.tzliChsten Gegenstandec N ur so wird euer Verlangen nach B rot gehort werden. Stosst d1e ArbE?itsgelegenheit . nicht zurii.ck, wenn die Bourgeoisie sie euch bietet. Doch vorderhand habt ihr zu wissen,. dass es fi.i.r euch die nackte Existenz b.ecleutet, euren Hunger zu einem Ruhe- l'ind Lebensproblem fi.i.r die Herrschenden zu gestalten!

Somit sind unsere Aufgaben: Grund und- Boden samt Werkz e ugen fur die

Bauern!

. . ,J

-' · \.

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V e r w e i g e r u n g d e s M i 1 i t a r d i e n s t e s. A u f r u f "' ;z u r r ·n sure k t ion, U n ~erst ii t z u n g des V o 1 k e s in 11einem rebellischen Kampfe! ·

E r w e c k u n g d e r R e s ~ r v e a r m e e v o _n A r b e i t s -1osen! . - _

Gerade die letztere Aufgabe ist darum wichtig, weil sie die Zah1 der Feinde der gegenwartigen Gesellschaft vermehrt, Feinde, mit denen keinerlei Demokratie fertig zu werden vermag. Und mit all unseren Arbeiten und Betatigungen vereite1n wir das Be­miihen der Vo1ksfeinde, · die See1e der Arbeiterbewegung, ihren -revo1utionaren Geist, zu vernichten. 1

Aber noch in einem muss sich unser Tun ergehen, es muss sein d,er Gipfe1punkt desselben :

Wir JUiissen eine revo1utionare Kommun .e ' pi'oklamier.en!

Ein so1cher V ersuyh ware eine Demonstration fUr die gauze Welt, dmch welch e. das Proletariat durch die Praxis seine Kraft und Fahigkeit zm~ Se1bstverwaltung bewiese ! Die . Kommune witrde auftreten als absoluter 'Aufruf zur Expropriation aller Pro­duktionsmittel. Statt der Worte ,soziale Revolution" erblickt der Proletarier 'l'atsachen.

Eine revolutionare Kommune wiirde im Nu die Kernfrage' aer · russischen Revolution fiir ganz Russland fixieren, verachtlich zur .Seite -schleudern die biirgerlichen und demokratischen Parteien mit 1hrem Geschrei von der ,Gleichheit vor dem Gesetz". ,., Urn dies aber ausfiihren zu konnen, la~sen wir an alle Genosse_n die Losung ergehen : Freunde, Bri.'tder, organisiert euch !.

Nur planmassige Arbeit, nur eine allgemeine, foderative Or­.ganisation wird uns die Kraft und Moglichkeiten geben, uns vor unseren machtigen Feinden zu verteidigen. Dadurch gelang·en wir in die Position, unablassig zum Angri:ff i.'tbergehen zu konnen. Der Kampf ist ein schrecklicher, die gauze Bourgeoisie werden- wir gegen uns vereinigt :finden in dem einen Rufe: :,Vernichtet die

, Anarchisten !H Unserl;l Angriffe mi'tssen um so unab1assiger, uner­miidlicher sein. Nur so werden wir ein historischer Faktor in dem Befreinmgskampfe des russischen V ~lkes sein, nicht nur· eine znfallige Erschein:ung der gegenwartigen Episode. .

S c h 1 i essen w i runs fest z us a in men in u n wider­.s t e h 1 i c h e n K a m p f e s k o 1 o·n i e n !

E r _he b en w i r f r e :n d i .g die F a.h n e de r Rev o 1 u­t ion!

Moge durch ganz Russland ein tosende:r S t u r m h e u 1 e n , d e m · s i c-h d a s arb e i t e n d e V o l k an -s c h 1 i e s s e u n t e r d e m R u f e : ,N i e d e r m i t d e m Druck e v·o n He F r s. c haft u n d K a pit all

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Und moge aus ihm hervorgehen das eini­gende Re i ch der Wah'rheit und Freiheit- des" anarchistischen Kommunismus!

Marx und Engels als Plagiatoreti. Eine Antikritik zu dem Artikel , Pas kommunistische Manifest ein Plagiat "­

von KARL KAUTSKY.

von

Pierre Ramus. (Schluss.)

,Man sieht, wie schlau jene modernen Kritiker des Marxismus sind., die in der Theorie der absoluten Verele:adung eines der Kennzeichen sehen, . die ihn von den iihrigen sozialisti~chen Schulen trenn,·n."

,-,0 rea t Scot!" - wtirde ein .Englander im Tone hochsten .Erstaunens ausrufen. Aber auch diese Saule des Marxismus, durch die allein sich die Notwendigkeit seines Sieges theoretisch begrtinden lasst, wird von l(autsky fallen gelassen, indem er Labriola zu wider­legen versucht, dessen Anerkerinungen der Tscherkessoff'schen Dar­legungen ihm nattirlich sehr .unbequem sind. I(. kommt zu seiner obigen Ansicht, nachdem er zwei Seiten frliher fo lgendes bemerkt:

"Als diese theoreti -ch,..n rundgedanken· zitiert Labriola eine Reihe von Stellen aus dem Considerant'schen Manifest, die sich gegen den neuen, Feudalismus wendet, der dnrch die Entwicklung der lndustrie entstand; gegen. die Misstande der bestehenden sozialen Ordnung, die der freien Konkurrenz entspringen und die ani der einen Seite zur Verelend11ng der Mas sen, auf · der anderen zur Konzentration der Kapitalien iiihren.

Sic her sind all e d i e s e Idee n s chon i m C.'s c h en Man i -fest z u find en. Aber das bew~is t . doch noch nicht, dass )i arx und Engels ­sie abgeschrieben haben."

.Eigentlich konnten wir uns mit diesem Zugestandnis voll­standig begnligen. .Es bedeutet eine absolute Anerkennung der Tat­sache, d ass die Idee n des k om m u n is tisch en Man i­fest e s n i c h t .0 rig in a 1 idee n - der ,Orundgedanke gehort einzig und ausschliesslich Marx an" -- sind. Ob sie M. und .E. von einem anderen Sozialisten als C. abscqrieben, bleibt ja · schliesslich: Nebensache; obwohl a us den vorstehenden Ausflihrungen klar her­vorgeht,17) dass diese Behauptung von I(. nur eine l(apriole ist, ausgeflihrt, urn die Frage auf e'in anderes Oebiet zu drangen. Hauvt­sache ist immerdar, dass der Theoretiker der deutschen Sozial­demokratie denn auch zu konstatieren gezwungen ist, dass ,aile ·

f) Nicht zuletzt aus dem Umstand, dass schon C. in seinem Manifeste vornehmlich e n g lis c he B eispiele heranzieht, wie Marx es ihm auch nachtat.

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I

· -diese Ideen schon im C.'schen Manifest zu finden" sind! Dass auch andere Sozialisten und Zeitgenossen von C. so dachten; ·-wisse'n wir -schon, hat C., wie wir sahen, selbst erkHirt. Aber, wenn dem so ist, w o, so miissen wir fragen, w i e so beginnt eigentlich der ,wissen­·schaftliche Sozialisrrius" des kommunistischen Manifestes? -

Logik ist nicht jedermanns Sache, .eben so wenig wie ,Ver­nunft und Anstand". Das werden wir sofort erkennen; · Denn wah­rend 1(. oben ausdriicklich erklart, dass die ,Theorie der absoluten Verelendung" kein l(ennzeichen des Menschen ist, fahrt er nur z wei Absatze weiter wie folgt fort: ·

·,Die Konzentration des Kapitals , wie die Verelendung der Mass en sind Marx und Engels also (!) Ers"Cheinungen, au s d e -n e n s i e die no t wend i­g e n Z i e l e u n d M i t t e l d e r s o z i a 1 e n . E n t w i c k l u n g a b l e i t e n. "

Logik! Vern unft! Anstand! U nd ich ·baser Tunichtgut denke a n Molien:!s Alcest und Philint, besonders an die Worte .des l etzh~ren:

,_ ,Sie miissen si-ch, Alcest., von dieser Wut befreieu ; Was Sie a11ch immer tun, Sie bessern nicht die \V elt Da Ihnen Offenheit jedoch so sehr geHmt, ·So sag' ich Ihnen jetzt: Wohin Sie immer kommen, Wird fiir Komodienspiel Ihr W esen m eist genommen, Und Ihr gewalt'ger Zorn, der mit dem Zeitgeist .ficht,

.Erscheint g ar vielerwarts in jacherlichem Licht."

Nicht genug dardit, gibt es auch noch andere Beweise, aus denen hervorleuchtet, dass 1(. die ,Theorie der Verelendung" einst keineswegs so Ieicht fallen liess als l(ennzeichen des Marxismus, wie · er es bier iuid nun tut - bloss, weil ihm e ntdeckt wurde, dass v or M. ein C. sie schon kannte. Auf Seite 120 seines Antikrit: ,Bern-stein und das sozialdemokratische Programm" beweist dersetbe 1(. fortwahrend; dass M a r x ( !) - d a m a 1 s gab . es fiir ihn noch keinen, der dasse1be vorher konstatiert hatte - R.echt gehabt babe mit seiner Stelle im ,l(apital" tiber das Wachstum ,der Masse des Elends, des Druckes, der Knechtung, der · Degradation, der Aus­beutung", welche sich ,am Ende eines 800 Seiten vmfassen~en • · Werkes" befindet, ,,eines Werkes, das den Abscqluss einer wissen­schaftlichen und .politischen Tatigkeit von mehr als zwei ~Jahrzehnten bildet". Und weiter: ,Das Entscheidende ist die Tatsache, dass, der ·Oegensatz zwischen den Bediirfnissen der Lohnarbeiter und der Moglichkeit, sie aus ihrem Lohne zu befriedigen, damit al;Jer auch ·der Oegensatz zwischen Lohnarbeit und Kapita1 immer meht wachst. 1 n d i e s e m w a c,h s e n d e n E 1 e n d e i n e r p h y s i s c h u n d g eis fJ g kraftigen Arbeiterschaft.. sah d e r . A u t o r d e s ,I( a p i t a 1 s" d i e m a c h t i g s t e T r i e b f e d e r z u m So z i a I ism u s.''

I(Ostlich! · Dasjenige, was heute keine'swegs ein l(ennzeichen des Marxismus genannt werden diirfte; war anno 1899 noch ,die machtigste Triebfeder zum Sozialismus" bildet in ein und demselben

•,

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Artikel, in dem die Verelendung als l(ennzeichen des Marxismus be-­stritten wird, eine der :Erscheinungen, ,atis denen die notwendigen Ziele und Mitt~l der sozialen :Entwicklung" von M. und :E. abgeleitet wurden! '

,lierr" 1(. ,wird von den" Sozialdemokraten ,als eine ihrer grossten, wissenschaftlichen L,euchten gefeiert. Man sieht, der moderne" Sozialdemokratismus ,ist i'ntellektuell vollig auf den flund gekommen."

v. :Einem Ehrenmanne, einem aufrichtigen Revolutionar .wie

Tsch. F:Ilschung ldiotismus vorzuwerfen, das ist alles, was ein K. an Geistesargumenten und Beweisen aufzubringen vermag. Wie gesagt,' es lasst kalt; denrt 'die Borniertheit, die einem Anton Menger - bei aller Verschiedenheit des Standpunktes: aile Iioclrachtung vor der l(olossalitat seines Wissens· .und. Studiums! -'-- ,Unwissenhelt" vorzuwerfen sich getraut, sie v ermag nur Mitleid und Bedauern fiir den Bornierten zu •erwecken. . ·

Und warum wirft .K. unserem Genossen Tsch. all dies vor? W eil e r i h n f a I s c h t , w ei! er durch Anlassungen den :Eindruck zu erwecken sucht, Tsch. sei tatsachlich ,idiotisch" und ein Falscher,

_ dieweil diese beiden lmponderabilen auf einer ganz anderen · Seite zu fihden sind. _:_ I(. belacht die Unwissenheit von Tsch., wei! dies.er in selnen so freimiitig und iibersichtlich durchgefiihrten Zitaten­geg~11iiberstellu11gen der ~.:Emporung der Produktivkrafte" die ,:Em­poi'ung der Proletarier gegen das biirgerliche :Eigentum" gegeniiber­·stellt. Darin liegt' der ldiotismus von Tscb. - so behauptet K., der Weise - dass . er, urn den l(lassenkampf als :Entdeckung v on · M. ad absurdum zu fiihren, C. 'sche Ausfiihrungen zitiert, die - so behauptet K. wieder - keinen Bezug auf den l(lasse rt kampf nahmen.

Doch in vVahrheit ka11n man derr Idiotismus von Tsch. 11ur ' dadurch rtachweisen, wenn man die Falschung begeht, einen :Er­

kHirungssatz von Tsch~, den dieser gerade dem in Frage stehenden Zitat vora11sendet, a 1i' s z u l as s e 11 ; der Satz lautet:

,Diesen Ausfiihrungen konnte ich so manche brillante par­.stellung _ von V. , C.'s - entgegenstelle11.' I c h 11 e h me die k ii r z e s· t e."

· Diesen Satz hat K. einfach unterschla~en. Nun, auf Kosten dieser Unterschlagung konnte er sich uber einen Charakter wie Tsch. in ,niederer Weise lustrg machen. · Denn. es kam Tsch. gar · nicht' daraui an, ein Zitat vorzubringen, welches zu dieser beson­deren M.- und :E.-Stelle passte; weshalb nicht, das ersehen wir CJ.US obigem Satze. Alles, was er bezweckte, war, den Beweis zu er­bringen, dass C. vor M. und :E. sehr wohl die Konse·quenzen der kapitalistischen Produktionsweise im Volk - alsp den Klassen­k amp f · desselben gegen ·jene - kannte; dies ·hat er bewiesen. Und nur~ indem lierr I(. diesen Satz - unter den Tisch faU:en Jiess,.

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konn-te er in seiner generosen Weise Tsch. des ldiotismus zeihen unc!, tiberfiihren.

Aber der Verzweiflung des Herro K. tiber den aller ,Vernunft und allen Anstandes" baren Tsch. kann geholfen werden. Wir wollen uns gerne der Miihe nnterziehen, der betreffenden Stelle von M. und E., welche die ,,Emporung 'der Produktionskrafte" und ihr Oefolge von Krisen behandelt, jene gegentib'erzustellen, welche C. den beiden als Vorbild darbot,1 8 ) die Tsch. der Lange halber. nicht darbot.

Man vergleiche M. und E. auf Seite 8 mit C. auf Seite 15. woselbst letzterer sagt:

,Es ist als wahr erwiesen, dass unser Regime der freien K oukuq·enz, welches durch eine unwissende politische Oekonomie geriihmt wird und ver­kiindet, dass es da sei zur Abschaffung der Monopole, zu niehts anderem fiihrt als zur allgemeinen Organisatiop. von grandiosen Monopblea in allen Zweigen der Industrie ; dass die freie Konkurrenz sich in allen Punkten ·als lohudriickend zeigt; dass sie nichts anderes verwirklicht, als einen p~rmanenten Krieg· der Han de, der • M~schinen und· der Kapitalien, die einea gegen die anderen - ein Krieg, in dem die Schwachen fatal unterliegen '; in dem sie· - die freie Konkurrenz - in dem 'industriellen und kommerz.ielle'n System die Fallissements, die Bankrotte, die Ve~stopfungen und Krisen epidemisch macht ; in dem sie den Boden unaufhorlich bestreut mit Triimmern uncl Ruinen ; his end1ich die niederen i:md mittleren Klassen um den .Preis iiber­mas&igen Arbeitsaufwandes nicht m ehr erhalten, als eine gequalte, elende Existenz, erfiillt von K iimmernis und Schmerz." ·

W er kann bestreiten, dass dies fast wortlich, gewiss aber ab­so lu t sinngetreu der Wortla-ut des kommunistischen Manifestes ist? Und doch' wurde es schon lf!}].j:e vor diesem niedergeschrieben. Aber das ist noch lange nicht aires; horen .wir C. auf Seite 22 und £,oJ . :Er kommt dort au"f den bekannten · ,periodischen ZykhJ.s" · zil spJ'cchen, den er ,b6sen Zyklus" nennt:

;, ... Die zivilisierteste u N ationen sinken zusammen unter dem todlichen Cl·ewicht einer iibomnassigen Produktion' Und an ihrer Brust verschmachten Legionen von Arbeitern in Ermangelung von BerechHgung, - verursacht durch das Lohnsystem - , sich an die Konsumtion dieser iibedliessenden Produktion machen zu diirfen! Ist es nicht ebe:riso absurd, wie unmenschlich, dfeses in­dustrielle System, welches alles mit Ruin bedroht ,in Ermangelung von Kon­sumenten und welches die Arbeit so schlecht bezahlt, dass es durch seine eigene · Wirtschaft sich selbst verstopft ? . . . Fahren wir mit den extremen. Konsequenzen dieses. grausamen und stupiden Systems fort und sehen wir zu wohin es neigt: Angenommen, es gelingt .. diesem Industrialismus in alle~ ' ,.

*) In den folgenden Zitaten geben wir aus Raumlichkeitsriicksichten hloss die C.'schen Stellen an, die M. und E. 'schen Abschreibungen nur durch Seitenzahlen bezeichnend. lJas Kommu"nistische Manifest kann in Deutschland urn ei.nen Spottpr.eis erstanden werden, und. so sehen wir uns zu diesem Vor­g-ehenb erechtigt, da ein Vergleich der bett~effenden Stellen leicht und jedem J.noglich ist.

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seinen Funktionen, die Al'Ine und Menschen durch Maschinen zu ersetzen, durch Reduktion auf Reuuktion schliesslich die Abschaffung des Lohnes her­beizufiihren. Nun denn, ihr _habt das Ideal der Oekon()men realisiert, die. Pro­duktion ;mit . dem niederst moglichen Preise, zu . gleicher Zeit den absoluten Sieg des Kapitals iiber die Arbeit! Aber - was . sollen euch jetzt eux:e immensen Produkte? 'V o sie plazieren? Wie sie konsumieren ?. U nd so gar wenn das Volk einwilligte, friedlich 'und legal Hungers zu stet:ben in Ach­tung vor dem, was · ibr da nennt die Ordnung und das heilige Recht des Eigentums - wird euer Produktionsmechanismus nicht eipstiirzen iiber sich selbst •nd euch vernichten unter seinen Ruinen ?"

Man sieht, C. wusste jedenfalls so viel wie M. und E. von der ,Emporung der · Produktionskrafte". Allerdings war dh~s auch nicht seine Erfindung, aber wenn diese ldeen ,weit verbreitet ge­funden" werden konnten, dann ist die O.r i gin a 1 it at des l(ommu­nistischen Manifestes unzweifelhaft eine sehr heikle Sache ge­worden, ' die nicht bei hellem Lichte gepriift und erprobt werden darf. Wer aber das C.'sche Manifest · und seine .,Anordnung ie vor sich Jiegen hatte und das Biichlein durchstudierte, der muss unbedingt zum Schlusse kommen, dass der theoretische Teil des K M., von dem Engel spater behauptete, dass er nur noch der einzig wertvolle des gesamten Manifestes sei, von C. s tam m t ; und ie weiter man liest, desto mehr haufen sich die untriiglichsten Beweise, dass 1VL und E. von C. Ideen, :Form, Plane und in kritisch sozialistischen f'ragen selbst die Verarbeitung nahmen. Urn dies denn noch gri.indlicher zu beweisen, als es durch die strittige Broschiire von Tsch. schon geschieht, lassen wir nun amlere Stellen aus C. folgen, die an und fiir siph schon bewei~n, mit welcher Orossmut Tsch. gegen das K. M. vorging, indem er prinzipiell die fiir sich un- , giinstigsten Stellen auswahlte, obwohl ihm eine weit' schlagendere Auswahl zur Verftigung stand; von letzterer werden wir - obwohl auch nur in ratimlich beschranktem Masstabe - Oebrauch machen. Sogar der, . welcher es verschmaht, Verglei<;he anzustellen, wird Ieicht ersehen, dass diese Gedanken samtlich fast in gleicher :Form im K. M. \.Viederkehren.

V. 0. 'sagt S. 21 : ,Es gibt ei• Prinzip, welches die Macht besitzt; auf dem i ndustriellen Terrain , die Konkurrenz in Eintracht umzuandarn, die diver­gierenden Linien in konvet·gierende, den Kampf in Kooperation. Dieses Prinzip ist die Assoziation." ·

.Seite 22. Aus dem anarchischen Kampf einer verblendeten Konknrrenz, des Kampfes der Kapitalisten gegen die Kapitalisten, der Arbeit gegen da• Kapital, der Industrien gegen die Industrien, der allgemeinen Unordnung, der .Et·schiitterung aller produktivel'l K'rafte, dem Verlust der )n Tausenden von Bewegungen verwickelten W erte - gehel!. hervor diejenigen, welche pro­duktiv am starksten organisiert waren, am sparsamsten einrichteteii, am niitz­,}ichsten anwandten alle · diese Krafte ...

Seite 62. , Dieses Motto posiert folglich als die Frage unserer Zeiten:

. •

D i e E m an z i p at i o n de r arb e it e n d en K 1 as s e n. Zugle!ch deckt .es sich mit dem Znkunftsfortschritt der grossten A.nzahl. - Wir wiirde11 g egenwartig vergebe11-s suchen nach einer starkeren und besseren Bezeichnung~"

Seite 10-11. ,U eberdies, trotz des abstrakten demokratischen Prill zips ·der industrielle,n Freiheit nnd meistens gerade infolge qieser falschen Freiheit, ·gie wie jede einfach~ und unorganisierte illusionar sein muss, graviti~ren die · ~apitalien zu den Kapitalien, ganz proportionell zu ihrer Massenhaftigkeit und werden schliesslich konzentriert in den Handen der starksten Inhaber. 1J1;1d die Gesellscliatt n eigt dazu, siP.h in immer mehr und mehr unterschie«-1iche Klassen zu teilen: Eine kleine Anzahl, die im Besitze von allem oder von fast allem ist, absoluter Herr iiber alles im Gebiete des Eigentums, Han­dels und der Iudustrie · ist ; und die grosse Anzahl, welche gar ni·chts besitzt, ·i n absoluter, kollektiver Abhangigkeit von dell. Inhabern des Kapitals und der Arbeitsmittel lebt, gezwungen, fiir einen prekareri Lohn, der immer in Ab­·nahme begriffen ist, ihre Hande, Talente und Kriifte ztl. verll)ieten an aie 'Feudalherren der mo-dernen Gesellschaf-t'' . , .

Seite 11. ,Und dieser Erscheinung begegnen wir nicht nui· in Frank­reich: sie ist eine soziale Erscheinung, welche die moderne Zivilisati,on

.charakterisiert. Sie entwickelt sich umsomehr nnd mit desto gri:isserer Ener­·gie in jenen. Staaten, in welchen die Industrie eine fortgeschrittene Stufe er ­reicht. hat." ·

lch glaube, der . Leser wird gestatten, dass ich mit die sen Ziiaten ·abbreche ; ich erachte es ftir unnotig, ihnen die diesbeztig­lichen M~ und :E. 'schel( Ansfiihrnngen gegentiberzustellen ieder .Kenner des l(ommunistischen Manifestes wird wissen weshalb. Ich konnte noch Dutzende von Beweisep filr das M. und :E. 'sche' Plagiat .erbringen: die Besprechung der diyersen sozialistischen Parteien durch C., die ganz ahnlich iener des l(ommunistischen Manifestes und sich an unzahligen Punkten in ihrem Urteil tiber die Saint Simo­nisten, Owenisten, Cabetisten mit jener von .IVL und :E. beriihrt; ich konnte beweisen, wie auch C. in seinem l(apitel iibet\ ,Die rUck­schrittliche Demokratie" aile die Mittel aufzahlt, mit denen der ;,sozialistische Bourgeois" das Volk erltisen will; es ware ein Leichtes, zu zeigen, wie .auch C. die f'ixierung der St~llung seiner Partei gegeniiber allen i.ibrigen vornimmt, ganz wie seine so viel­geri.ihmten :Epigonen es tun - aber wozu eigentlich? Der Seheride sieht bereits, dem Blinden, dem noch zu helfen, ist der Star Hingst ·gestochen worden- und . der von f'anatismus und Unwahrheit Ver­blendete: ihm · ist nicht zu helfen, in seiner Blindheit fiihlt er sich _gli.icklich, - lassen wir ihn in seinem wonnevollen Gliicke.

UnHingst hatte ich- einen Jiterarischen Jiochgenuss. Vor mir lag Shakespeare in seiner ersten ursprilnglichen Ausgabe, mit d,er seltsamen, veralteten englischen Orthographic des 17. Jahr­:hunderts ;':' ) und ich verglich diese Sprache mit einer der unzahligen --- --·---

*) Printed by Isaac Jaggard and Ed. Blount 1622 .

I

2G

modernen Ausgaben1 in denen der Dichterflirst heute die Geistes­kultur des Volkes hegt. In der Tat-es war derselbe Shakespeare; und er war es auch nicht. Wer aber naher zusah, der musste ein­gestehen, dass wohl die f'orm der Stiicke in der Spra'c:he · in ihren idiomatischen Teilen und der Buchstabierung cine grosse Ver­anderung erfahren hatte - aber doch war es kein · anderer als der­se"Jbe, trotz eines Tolstoi, einzig Grosse: Shakespeare. Und ietzt, da ich zu Ende bin mit dieser Polemik, denke ich an die beiden Mani­feste, die mich hier so tibermassig grtindlich beschaftigen, und flihle rnich berechtigt, zu konstatieren: ·

Mit demselben Recht, mit welChem ein moderner Heraus'­geber von Shal\espeares Werken behaupten konnte, dass sie, ob ihrer neuen Form, sein Geisteseigentum bildeten, mit demselben Recht J<omlte Marx und Engels behauplen, das ,Kommunistische Manifest sei ihre Gedankenkonstruktion, ihr Geistesreichtum ge-. wesen. Und ihre Apologeten vermogen die's nur zu beweisen, wenn es ihnen gelingen sollte, den Namen Considerant aus dem Buche des Sozia!ismus zu streichen.

Das sozialistische · Spanien. t) . (Die Epoche vor der lnternationale. 1.840-1868.)

Von P e d r o V a ll.i n a.

Der kommunistische Aufstand von Loja'.1) . II!.

Die standrechtlichen Vei'urteilungen von Sevilla vermochten es nicht, entgegen der Erwartung der Regierung, die andalusischen Sozialisten einzuschilchtern, geschweige denn das revolutionare f'euer in ihnen zu dampfen, durch das sie sich bestandig hervor­getan hatten.

Um diese Zeit tritt in Andalusien eine machtvolle geheirne Ge­sellschaftins Leben. Nach aussen hin, urn nicht verboten zu werden, gab sie sich' den Anschein, humanitare Zie1e zu verfolgen, wahrend sie irn geheimen revolutionaren karbonaristischen Prinzipien huldigte. Sie zahlte in diesem Landstrich iiber 80 000 Mitglieder. Die Organi­sation der Gesel!schaft in den Provinzen Granada, M<}laga und Juan war folgende :· Stadt und Land \Varen in · Bezirke eingeteilt je nath Anzahi der Strassen oder Dorfer, wobei je 25 Mann einen Pra­sidenten. diese ·wicder 'den Rat und der Rat den Vorsitzendeti wahlte.

t Vergl. N!'. 3, -J. der "Fr~ien Generation". Loja war seinerzeit hei den Arabern sehr, beriihmt, die Stadt gehi:irt

zur Provinz Granada un,d ist am Abhange eines Hiigel s gelegen, wo friiher eine Moschee und eine Schlossburg standen.

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I,

2T

Jedes Mitglied zahlte einen monatlichen Beitrag von 2 R.ealen, welcher zur Unterstiitzung verfolgter Kameraden und zum Ankauf · von \Vaffen verwandt wurde; hi~rzu kamen noch Geldstrafcn wegen Trunkenheit und sonstiger schwerer Vergehen.

l\ o d rig o So 1 is gibt uns in seiner , 0 esc hi c h t e de r r e p u b I i k a n i s c h e n P a r t e i S p a n i e n s " ein sehr getreues Bild der Verfolgungen, denen die Mitglieder der geheimen Gesell­schaft im Bezirke Loia ausgesetzt war en; er fiihrte denn auch zu dem Aufstande, der uns hier beschaftigt. ,Die Stadt Loia war wahrend 111ehrerer Jahre der Stiitzpunkt des Diktators Narvaez, der hier g~boren und nun Herr und Oebieter war. , Leute mit vor­geschrittenen Ideen waren in Loia keinen Augenblick sicher; tags­tiber wurden sie von den Behorden chikaniert, die dazu noch ge­massigt hiessen, des nachts von geheimen Patrouillen. Zur weiteren Verfilgung durch die Oouverneure und Oenerale wurden 'sie in Ketten ~ nach Granada gefiihrt, und zwar in solcher Anzahl, dass die Oe­fangnissc bald -iiberfilllt waren und Privathauser, mit rnilitarischen \Vachen besetzt, aushelfen mussten. :Ein Opfer dieser Behandlun~r war Cast iII o, der an Bluterbrechen starb, welche durch die starke f'esselung entstanden waren; der Bruder von Per e z d e A 1 am o verlor ein Auge durch einen Stockhieb und wurde irrsinnig .. Mitglieder des Unterstiitzungsrates, welche mit Beachtung aller gc­setzlichen :Formen Korn an Notleidende verteilten, wurden zu 12 und i9 Jahren Oaleerenarbeit verurteilt. ... ·. . Schliesslich liess d'er lienker-Diktator Narvaez, urn sich fiir die bei den Wahlen erlittene Niederlage z'u rachen, alte Oerichtsakten .hervorsuchen, dhe bereits in den Archiven begraben lagen, da die Verfolgungen a us Mangel an . Beweisgriinden eingestellt worden waren. Aus personlicher R.achc liess er Perez de Alamo und ' unter verschiedenen lacherlichen Vor­wanclen viele and.ere Sozialisten in Alhama, 01tanada unci Malaga ver­haften. Aile wurden von den Behorclen als Die be, So z i a I is ten unci S t r o I c h e bezeichnet. Perez de Alamo sollte sich dariiber Yerantworten, class 25 :Exe111plare cler Broschiire von 0 a r cia R. u i z ,. D i e D e m o k r a t i e, cl e r S o z i a I i s m u s u n d d e r K o m 111 u­n i s 111 u s i 111 L i c h t e d e r 0 e s c h i en t e u n d d e r P h i I o -sophie", bei ihm gefunden wurclen. · Der wahre Grund· seiner Verhaftung war iedoch, dass er Narvaez verhindert hatte, einen im Bannkreise von Loia gelegenen Berg in Privatbesitz zu erwerben, indem er es durchsetzte, class das Orundstiick parzelliert und an 100 kleine Bes-itzer versteigert ward.

Da nun zur Zeit dieser Verfolgungen _ auch auf dem flachen Lande Unruhe herrschte - -- die Landbevolkerung lehnte sich gegen die 1 Jiungetlohne auf, fiir die sie den Orossgrundbesitzern fronen musste - erliess der R.at der geheimen Oesellschaft eine :Einberufung. Die Versa111111lung fand in Loja statt, i111 Hause von R. am on C a I v o, J rtn e n e z und dauerte drei Tage und eine Nacht, da aile Ko111-

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mission en angehort wurden, die a us · verschiedenen Ortschaften ..ge­kommen waren. In A.nbetracht der vielen Klagen und der :Einmiitig­keit, die aile Anwesenden beseelte, ·wu'rde der sofortige revolutionare ~ufstand beschlossen und zu seinem Anfiihrer der jugendlicbe, doch .erprobte und populare Sozialist R a fa e I Perez de A 1 am o er­wahlt, dem es inzwischen gelungen war, aus der Oefangnishaft zu entfliehen.

Am 27. Juni 1861, ·dre(Tage nach seiner f'Iucht aus dem Oe­fiingnis, erschien Perez de Alamo, der die .f'iihrerschaft tiber die In­surgenten iibernommen hatte, in der Ortschaft C a m p in a d e S a 1 i n as , welche man als ersten Sammelpunkt der Insurgenten bestimmte. · Ueber 1000 Bewaffnete stellten sich auf das erste Zeichen dort ein und wandten sich, Perez de Alamo ap der Spitze, nach dem Ott I z n afar, wo sie mit einer Abteilung der Zivilgarde1)'­

.zusanunenstiessen. Perez de Alamo wurde Ieicht verwundet; doch siegten die Aufstiindischen unter de Alamo. :Er schenkte den ge­fangenen Oardisten das Leben, obwobl seine Truppe aus Zweck­massigkeitsgrtinden deren :Erschie-ssung verlangte.

So tlerr von Iznaiar geworden, e1:liess Perez de Alamq den Aufruf zur allgemeinen :Erhebnng- eine unglii.ckselige Proklamation, deren einziger Vorzug ihre I(iirze war. Sie lautete : ,

Burger! Jeder, den das heilige Oeflihl fiir :Freiheit und Vater­land beseelt, bewaffne sich und stosse zu seinen l(ameradeu! Wer das nicht tut, ist ein f'eigling, ein schlechter Spanier. Bleibt euch bewusst, dass es unsere Mission ist, die Menschenrechte zu ver­ieidigen, \Vie sie die demokratische Presse proklamiert, indem wir -<las :Eigentum, den hanslichen Jierd und die :Freiheit der Meinungen achten. ·

Im Namen des revolntionaren l(omitees

Iznaiar, den 28. Juni 1861. Perez de A I am o.

Noch am selben Abend verliess er Iznajar, und schon wenige Stunden nach dem Aufbruch erfolgte in der Oegend von Campo

. Agros y Salinas ein Zusaminenstoss mit einer Truppe von Zivil­gardisten und Carabineren, die er - nachdem die Carabinerie zu ihm iibergegangen war - in die f'lucht schlug. .

Nachdem seine Truppe auf dem Weitermarsch bis auf 6000 ~--------1) Die Zivilgarde wat in Spanien gegriindet worden gegen die Bandi-

, i en, welche das Land unsicher machten . Nachdem sie ihre Aufgaben, da~ Feld zu siiubern, durchgefiibrt batten, wut'den sie von den Behorden - wie heute noch ! - als vVerkzeug fi.ir deren Verbrechen verwendet. Wir warden

·111och sehen , wie diese infamen Soldlinge das Amt der Folterknechte in La D-I a u o N e gra , Mont j u i c h , X ere s, A l c·a 1 a del Valle ausiibten.

Freiwillige angewachsen war, zog er am 29. Juni in Loja ein, wo er ·mit grosstem .Enthusiasm us empfangen · wurde.

* ' * *

Elisee Reclus sagt in seiner ,Oeographie Universelle" tiber Charakter und ·wesen des Spaniers:

,.Eine Nichtigkeit entlockt ihm Strome von pathetischen Red en; aber bei grossen AnHi.ssen geniigt ihm ein- Wort,· eine Oeste.''

Kein Urteil kann richtiger und genauer sein. Die Angelegen­heit war ernst, und die Bewegung de Alamos Hess kein Zaudern zu. Und ohne in ,Stromen von pathetischen Reden" sich zu 'ergiessen,. sammelten sich alle I(ampW:ihigen in der Umgegend von Loia, wo· zuerst der Ruf der Revolte erschallt war, formulierten ein Programm,. bewaffneten sich und marschi.erten mit dem Ruf , .E s 1 e b e d er I( o m m u n i s m u s " vereinigt zum Sammelplatz der Irrsurrektion.

·Perez de Alamo sah sich sehr- 'bald an der Spitze von 30 000-Freiwilligen, die jeder heroischen Leistung fahig gewesen waren ,. wenn sich Perez de Alamo der gewaltigen Situation gewachsen ge­zeigt hatte .

.Er formierte seine Scharen in Bataillone· -von 700 Mann mit Kompagnien von 100 und Vierteln mit 25 ·Mann unter dem Befehl von Chefs, Offizieren, Unteroffizieren und. Abteilungsfiihrern, wobei Mnsikbanden mit Trommlern und Pfeifern nicht fehlten. .Ebenso­wenig fehlten Waffen und Munition.

Die Regierung ihrerseits boJ zahlreiche Truppen auf von Granada, Malaga und· Sevilla, und s~hr bald kam es· zu Zusammen­stossen zwischen heiden Teilen. So am 2. Juli zu einem acht­stiindigen Treffen; wobei die Revolutionare grosse Bravom: und I(ampfesruhe bewiesen. Als man jedoch am 4. die bevorstehende Ankunft des Brigadiers Servano del Castillo mit seinen Truppen er- · fuhr, viele Abordnungen Perez de Alamo mit Bitten bestiirmten, eine blutige Schlacht zu vermeiden, und viele freiwillige, verzweifelt tiber die Unfahigkeit des Fiihrers, ihn verliessen, verliess er die Stadt Loja. Die Regiernngstruppen batten die ·fieerstrpsse von Granada nach Malag;1 besetzt, welche die Stadt durchquert, urn so Zuzug weiterer Insurgentenscharen zu verhindern. Jedoch konnte der Chef der Revolutionare seinen Riickzug durch eine gliickliche Bewegung seiner Truppen durch die Sch!uchten von Cofin und FeorrUo voll­ziehen. Sein Plan, nach Granada z,u ziehen, wurde von den Revo­lutionaren mit grossem .Enthusiasmus aufgenommen. .ET durchzog­S a f a r r a 11 a , V e n t a s , A I h a m a s und P i 1 a s und stiess am Abend des 5. auf Regierungstruppen. Der Kampf gestaltete sich im Anfang giinstig, fiihrte aber schliesslich infolge der .Ermiidung der Insurgenten und der Uebermacht der Sofdaten zur Niederlage - zur allgemeinen Flucht und Auf!Osung! .

Perez d.~ Alamo blieb mit wenigen Freunden allein in der Ort­schaft Suertes de Alcantaro, trennte sich aber noch in derselben

f

:30

Nacht von ihJ.len, urn seine l~~ttnng Ieicht bewerkstelligen zu konnen. 48 Stunden irrte er, von Hunger gepeinigt, umber, suchte schliesslich in letzter Not das Hans eines Freundes Jose C e r iII o in Loia und darauf eine seiner Schwestern auf und begab sich dann wieder in die. Berge, wo er in der Nahe von Pera 19 Tage blieb. Von Unwetter

.getrieben, fliichtete er ' endlich in das Iiaus des Armeekommandanten · Lop e.z de Cos a, der ibm die Oastfreundschaft ni.cht verweigerte;

als iedbch Truppen anlangten, rettete er sich nach 0 u b i a l a C h i c a, wieder in die Berge von Pera und von dort nach M a d r i d.

Am 5. Septeml;>er 1862 wurde Perez de Alamo amnestiert und k'ehrte in seine Iiei.mat zuriick, wo er sich iedoch verfolgt und ruiniert sah. ·

Bis vor kurzem lebte der' ehrwiirdige Greis in Sevilla, verehrt von dem freiheitlichen Teil der Bevolkerung. Wenn ihn in neuerer Zeit der Tod nicht aus den Reihen der andalusischen Revolutionare _gerissen hat, empfange er atls den Slattern dieser Zeitschrift unsere briiderlichsten Grtisse. --

Andere sind erstanden, das Werk der Befreiung aufzunehmen, und, belehrt dur~h die :Erfahrung, werden sie die · Fehler zu ver­meiden \Vissen.

Spartakus besiegt, Torquemada Sieger - : Die Reaktion war schrecklich und unerbittlicb. 1

Unmittelbar nach der Einnahme Loias begannen . die Re­pressalien. · Ueberall wurden Personen aufgegriffen, und ohne ihnen die Teilnahme am Aufshtnd nachzuweisen, ohne iede Untersuchung wurden von den wetteifernden J(olonnenchefs, Generalkapitans und J(riegsgedchten mehr als · 200 Menschen erschossen, deportiert, so dass denn mehr als 2000 Familien in ·diesen schrecklichen Tagen ihres :Ernahrers beraubt wurden. . . . . . 0 u s t a v e ·Ii u b b a r d , einer der wenigen Geschichtsschreiber, die diesen Vorgangen einige Zeilen ge\vidmet haben, sagt dariiber folgendes:

,,Anordnungen, die die Grossgrundbesitzer gezwun.gen batten, ihre Aecker nicht brachliegen zu lassen, sondern zu kultivieren, Ein­richtung von finanziellen Instituten, die in diesen Landstrichen den Anbau und den Agrarkredit entwickelt batten, waren wertvoller ge­wesen, al~ eine unerbittliche Repression.'.'

Und ietzt zeigt sicll, dass die Milde, mit welcher Perez de Alamo in Iznaiar die Zivilgarclen verschont hatte, der Regierung gute Dienste leistete, indem sie sie zu den Repressions- und Iienkers­dJe risten verwenden konnte.

J(11i·zsichtig~ Gemilter, die am hellen Tage nicht sehen konnen, haben die Insurrektion von Loia nicht verstehen konnen. 0 u i z o t _sagte in seiner , ri i s t o r i a 0 e n e r a I d e A n d a I u c i a ", dass

31' /

er nicht wisse, ,woher die Bewegung ausging, wohin sie sich 'vvandte, was ihre Ziele gewesen seien, und was sie fiir den Fa.II ,des Lrfolges bereits gehq.lte!'J habe.

Perez de Alamo antwortete ihm in einem beriihmten Flugbl~tt, dass er v o n d e r T y r a n n e i z u r F rei h e it gin g. Und mit dem liinweis auf die Feststellungen des lierrn Ouizot in demselben W erke tiber die Bedriickung der Landbevolkerung, das Elend der 'Feldarbeit, die Anhaufung des Besitzes in wenigen Iianden und die Tyrannei, die von den Grossgrundbesitzern gegen die TagelOhner und Bauern ausgeiibt wurde, fiigte er mit Recht hinzu, dass alles das geniigend war, urn den Aufstand zu provozieren. Er schloss mit der klaren Wendung: ,Wir erhoben uns gegen die Dynastie und Man­archie, wir pflanzten das Banner der Demokratie auf und mar­schierten . zur Republik." · Einige Jahre spater wurde in Spanien die Republik proklamiert, jedoch nicht die h u m an i t a r e Republik, wie sie sich Perez de Alamo und die andalusischen Revolutionare gewiinscht batten, sondern die b o u r g co i s e Republik; als nun die Bevolkerung dachte, dass sie sich des Bodens bemachtigen konnte, nach dem sie s ich so lange gesehnt hatte, musste sie einsehen, dass sie sich bitter getauscht hatte; clenn solche Versuche fiihrten zu denselben Ver­folgungen, \velche das monarchistische Regime aus.zeichneten.

Von ienem Augenblicke an schwand aus Andalusien auf immer das Ideal einer kommunistischen Republik,. wie es sich iene gross­miitigen, nach Freiheit und Oerechtigkeit diirstenden Manner vor­s tellten. Der an arch is tisch e K:ommunismus, die An archie, wurde von ietzt ab das Erl6sungsideal der Bedriickten il). Spanien.

Bevor \Vir d'iese Skizze schliessen, wollen wir noch die Ur­sachen untersuchen, die unserer Meinung nach den Misserfolg des Aufstandes von Loia herbeifiihrten.

Der Geist der Revolution, Wagemut und Energie, gelangten in diesem Aufstande nicht zum Vorscheine. Perez de Alamo soil, w ie berichtet \Vird, nicht der·rechte Mann gewesen sein. \Vohl war er organisatorisch veranlagt; doch seine Tatigkeit richtete sich weniger auf die Verteidigung und den Angriff, als auf Vermeidung von Streitigkeiten, Unordnungen und Verhinderung der Repressalien.

Statt der hochgehenden Flut Damme zu setzen, statt diese Manner zurUckzuhalten, die unter dem Einflusse der Rebellion aus Sklaven in freie Menschen umgewandelt waren, hatte er ihnen den Weg des unabHi.ssigen,. K:ampfes weisen miissen, das einzige, das sie zum Siege fiihren konnte; statt Repressalien verhindern zu wollen, hatte er sie durch seine Aktionen provozieren sollen, nicht allein, tim einen blutigery Abgrund zwischen Oeknechteten und Iierrschen-

1) H istoire conte mp oraine de l 'E€p3gne 1869!82.

32

den zu Offnen - wie dies gegenwartig in Russland geschieht -sondern ~wch, weil in solchen Momenten die Milde nichts anderes. als der Beginn der Niederlage ist; statt ,das :Eigentum und den haus­lichen Herd zu respektieren", hatte -es seine historische Pflicht sein miissen, mit der Expropriation alter Besitzer zu beginnen. In einem

· solchen, hauptsachlich gegen den Bodenbesitz gerichteten l(ampf ware er dem gliihenden Verla~jgen ·aller andalusischen Arbeiter ent­gegengekommen. - Das ganze andalusische Proletariat, von den in ihren Naturschbnheiten lachendeh l(iisten Cadiz bis zu den schroffen Felsen Despenaperros hatte sich wie eine Riesenwelle, auf den Lippen den Ruf: ,Es lebe der soziale l(rieg !" empor­getiirmt - der letzte l(rieg, den alle freiheitsdurstigen Menschen herbeisehnen, ware ansgebrochen.

Die Position, die Perez de Alamo anfangs besetzt hielt, war uneinnehmbar. -Wenn er die Tage, die er sich in Loia aufhielt, ohne Truppen zu sehen, dafiir verwandt hatte, urn sich zu befestigen und zn verproviantieren, so hatte er sicherlich, infolge der Nahe der Ge­birge, seinen Feind€m vie! zu schaffen geben konnen. Hatte er noch dazn den notigen Wagemut und das Talent gehabt, einen Angriffs­plan zu entwerfen, der ihn zum Siege Hihren konnte, dann hatte er mit Blitzesschnelle Loia verlassen und sich auf Granada mit seinen 30 000 Mann· gesti.irzt haben. Leicht hatte er die Stadt beherrschen, die Bourgeoisie und die Behorden entanssern konnen. - So hatte er das ganze Yolk von den schneeigen Wipfeln der Sierra Nevada bis zu den Tiefen des Alpfiiarras zum Aufstand gebracht, so hatte er cin zweiter Spartakus, eine neue Epoche der ErlOsung fi.ir die Mensch­heit eroffnet.

Es ist anztrnehmen, dass Perez de Alamo wahrend seines A ufenthaltes in Madrid, einige Tage vor dem Aufstand, den dortigen revolutionaren Gruppen die Situation des Bezirks Loia hinlanglich schilderte und die Moglichkeit eines nahen Aufstandes darlegte. Aber auch das entschuldigt noch nicht das passive Verhalten der Madrider Oruppen. Hatten dieselben, da sie doch solche Anbeter ,des grossen Orsini" (Worte von Garrido) waren, in dessen Sinrte gekampft, so Nitten sie die Zentralgewalt desorganisiert und dem Gange der Jnsurrektion in den Provinzen den grossten Dienst geleistet. Das in­quisitorische Spanien '.vare vernichtet worden.

Doch wir sagten es schon: Der revolutionare Geist, Wagemut und Energic kennzeichneten diesen Aufstand nicht.

Deshalb konnte er besiegt werden. (Uebersetzt von Mignon.)

Zur Beachtung! Iufolge techu ischer Schwierigkeiteu war· es uns l_eiuer 11 icht moglich, diese N ummer der , Freieu ·r; eneration" rechtzeitig zu exped1eren. \Vir bitten unsere L eser deswegen um Nachsicht, und hahen wir Vorsorge­getroffen, dass sole he Storungen nicht mehr · einfreten konnen. - Der im In­haltsverzeichnis angekiindigte Artikel , Der fran zosisooe Gewerkschaftskongress" :fheint in der nach<ltetl Nummer .

. -' \ --- - Verantwortliche~ Re 1akte ur :G. Liibeck, Berlin.

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