Das sprechende Münzbild

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Götter Menschen Geld und das der Griechen kern-münzen*.indd 1 05.06.11 19:04 Urheberrechtlich geschütztes Material

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Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wienund des

Münzkabinetts und der Antikensammlung der Stadt Winterthur

Michael Alram, Klaus Vondrovec,Ulrich Werz und Benedikt Zäch

Herausgegeben vonSabine Haag und Nicole Kurmann

Kunsthistorisches Museum, Wien21. Juni bis 16. Oktober 2011

Münzkabinett der Stadt Winterthur5. November 2011 bis 27. Mai 2012

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Impressum des Katalogs

Herausgeber:Dr. Sabine HaagGeneraldirektorin des Kunsthistorischen MuseumsBurgring 5, 1010 Wien, undDr. Nicole Kurmann, Bereichsleiterin Kultur, Stadt WinterthurStadthaus, 8402 Winterthur

Redaktion:Michael AlramBenedikt Zäch

Lektorat:Elisabeth Herrmann

Autoren der Katalogbeiträge:Michael AlramKlaus VondrovecUlrich Werz

Art-Direktion:Stefan Zeisler

Abbildungen:©: KHMFotos: Christian Mendez, Margit Redl, Alexander RosoliBildbearbeitung: Sanela Antic©: Münzkabinett Winterthur (Lübke + Wiedemann, Stuttgart)

Abb. auf dem Cover:Kat.-Nr. 10.23, Vs.

Abb. auf der Cover-Rückseite:Kat.-Nr. 7.36, Rs.

Grafik:Sebastian Menschhorn

Druck:Grasl Druck & Neue Medien, Bad Vöslau

Kurztitel:M. Alram, K. Vondrovec, U. Werz und B. ZächGötter, Menschen und das Geld der GriechenAusstellungskatalog desKunsthistorischen Museumsund des Münzkabinetts und der Antikensammlung der Stadt WinterthurWien 2011

ISBN 978-3-907047-07-1Alle Rechte vorbehalten.

©: Kunsthistorisches Museum Wien 2011©: Münzkabinett und Antikensammlung der Stadt Winterthur 2011

Ausstellung in Wien

Gesamtleitung:Sabine Haag

Konzept und wissenschaftliche Leitung:Michael AlramKlaus VondrovecUlrich WerzBenedikt Zäch

Ausstellungsmanagement:Christian HölzlAusstellungsorganisation:Marianne Hergovich

Kommunikation und Marketing:Nina Auinger-SutterlütySarah AistleitnerJulia GraniGudrun HatvagnerAngelika Kronreif Ruth Strondl

Sponsoring und Events:Martina Taig

Ausstellungsgestaltung:Gerhard Veigel

Ausstellungsgraphik:Michaela Noll

Restauratorische Betreuung:René Traum

Leihgeber:Wien, Geldmuseum der Oesterreichischen NationalbankWien, Kunsthistorisches Museum, Ägyptisch-Orientalische Sammlung, Antikensammlung, MünzkabinettWinterthur, Münzkabinettund Antikensammlung der Stadt Winterthur

Sponsoren:

Dank:Unser besonderer Dank ergeht anAgnes AlthausClaire FranklinSilvia JennyKatarzyna LangeneggerMatthias PfistererMartin SchellenbergBrigitte WeberHeinz Winter

Ausstellung in Winterthur

Gesamtleitung:Benedikt Zäch

Konzept und Texte:Ulrich WerzBenedikt ZächKlaus VondrovecMichael Alram

Ausstellungsmanagement:Silvia Jenny

Einrichtung:Team Münzkabinett Winterthur

Grafik:Kontakt, Andreas Fahrni, Schaffhausen

Vermittlung:Luisa Bertolaccini

Leihgeber:Winterthur, Münzkabinett und Antikensammlung der Stadt WinterthurWien, Kunsthistorisches Museum, MünzkabinettWien, Geldmuseum der Oesterreichischen Nationalbank

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7 Sabine Haag Vorwort

9 Nicole Kurmann Vorwort

10 Michael Alram und Benedikt Zäch Vorwort

13 Klaus Vondrovec 1. Beginn und Ausbreitung der Münzprägung Katalognummern 1.1 bis 1.34

27 Ulrich Werz 2. Das sprechende Münzbild Katalognummern 2.1 bis 2.25

39 Klaus Vondrovec 3. Fauna und Flora Katalognummern 3.1 bis 3.63

61 Ulrich Werz 4. Götter und Heroen Katalognummern 4.1 bis 4.33

75 Ulrich Werz 5. Mythologie: Die Welt der Sagen Katalognummern 5.1 bis 5.28

87 Ulrich Werz 6. Politische und wirtschaftliche Verbindungen Katalognummern 6.1 bis 6.19

97 Michael Alram 7. Das Münzgeld im Persischen Weltreich Katalognummern 7.1 bis 7.40

113 Michael Alram 8. Ein Silberschatz vom Schwarzen Meer Katalognummern 8.1 bis 8.33

125 Ulrich Werz 9. Was kostet das Leben? Katalognummern 9.1 bis 9.24

135 Klaus Vondrovec 10. Münzherstellung und Stil Katalognummern 10.1 bis 10.33

147 Glossar

148 Karte der wichtigsten Münzstätten

150 Index

154 Literaturverzeichnis

Inhalt

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Es ist schwer abzuschätzen, wie weit die Bürger und Bewohner einer griechischen Polis lesen und schreiben konn-ten. Sicher waren die Mitglieder der Oberschicht, welche politische Ämter bekleideten, sowie die Dichter und Redner in der Lage, flüssig zu lesen und zu schreiben. Die meisten Handwerker und Bauern, die den größten Teil der Bevölke-rung ausmachten, waren hingegen wohl Analphabeten oder konnten bestenfalls einfache Wörter schreiben oder lesen. Im-merhin konnte ein Vasenmaler mit den Worten „Nikkias hat’s gemacht“ angeben, dass er das Bild auf der Vase gemalt hatte. Bezeichnend ist auch die Anekdote, wonach der attische Poli-tiker Aristeides (530 – 468 v. Chr.) von einem Mitbürger ge-beten wurde, beim Scherbengericht (ostrakismos) seinen, des Aristeides, Namen auf die Tonscherbe zu schreiben.

Die zahlreichen Inschriften im öffentlichen Bereich bedeuten gleichfalls nicht, dass jedermann in der Lage war, sie zu lesen und zu verstehen. Somit kommt dem Münzbild, welches einen direkten Bezug zum Träger der Münzhoheit lie-fert, stets eine größere Bedeutung zu als der Umschrift. Für jeden ersichtlich, verwies die bildliche Darstellung auf den Na-men der prägenden Stadt, auf die städtischen Gottheiten oder den regierenden Herrscher. Neue Münzbilder oder ihre Abän-derungen, und seien es auch nur Details, waren oft ein Reflex politischer oder wirtschaftlich bedingter Veränderungen.

·Münzlegenden·

Die ersten Münzprägungen, die im ausgehenden 7. Jahrhundert v. Chr. einsetzten, sind nur in Ausnahmefäl-len beschriftet. Es ist umstritten, ob die Namen auf einigen frühen lydischen Elektronstateren wirklich den Namen eines

Herrschers bezeichnen. Das hier gezeigte Drittelstück (eine Trite) ist hingegen ohne Umschrift (Kat.-Nr. 2.1). Legenden sind auf den Geprägen im griechischen Mutterland und bei den Westgriechen erst gegen Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. allgemeiner Bestandteil der Münze. Im Gegensatz zu den Münzen aus dem kleinasiatischen und persischen Bereich werden hier aber die prägenden Städte stets genannt. Oft sind die verschiedenen Prägeorte mit einem einzelnen Buch-staben abgekürzt.

Eine bestimmte Regel für die Beschriftung gab es anscheinend nicht. Die Entwicklung der Münzlegenden er-folgte in den verschiedenen griechischen Landschaften nicht gleichzeitig und auch nicht auf einheitliche Weise. Die Stadt Phokaia zeichnete ihre Stücke mit einem Phi (Φ). Mit dem altertümlichen Koppa (Ϙ) kürzte Korinth seinen Namen ab (Kat.-Nr. 2.2). Diese Abkürzung wurde vom korinthischen Gemeinwesen auch noch benützt, als andere Städte den ei-genen Namen bereits mit mehreren Buchstaben schrieben. Ab etwa 520 v. Chr. erscheint auf den Prägungen der Stadt Athen die Eule auf der Rückseite, verbunden mit der ab-gekürzten Herkunftsbezeichnung ΑΘΕ (Kat.-Nr. 2.3). Das sizilische Syrakus verwendete mitunter die vier Lettern ΣΥΡΑ (Kat.-Nr. 3.12). Die genannten Legenden sind als ΑΘΕΝΑIΩΝ beziehungsweise ΣΥΡΑKOΣIΩΝ aufzulösen. Der Genetiv Plu-ral verweist darauf, dass es sich um eine „(Prägung) der Bür-ger von Athen“ beziehungsweise derer von Syrakus handelt. Nach griechischer Gewohnheit ging das politische Handeln einer Stadt, in diesem Fall die Ausübung der Münzprägung, in erster Linie von den eigenen Bürgern aus oder bedurfte ihrer Zustimmung.

Etwa gegen Ende des 6. und zu Beginn des 5. Jahr-hunderts v. Chr. schrieben einige Gemeinwesen die Legen-de dann vollständig aus. Messana verwendete die Umschrift

·Ulrich Werz·

2. Das sprechende Münzbild

Kat.-Nr. 2.7, Vs.

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ΜΕΣΣAΝΙΟΝ (Kat.-Nr. 2.4). Aber auch der Genetiv Singular wurde gelegentlich gebraucht, so etwa bei ΑΚΡΑΓΑΝΤΟΣ, „von Akragas“ (Kat.-Nr. 2.5). Andere Poleis, wie etwa Athen oder Korinth, behielten die Namensabkürzung hingegen bei.

·Sprechende Münzbilder·

Die Benennung der Münzbilder steht oft in engem Zusammenhang mit der prägenden Stadt. Derartige Darstel-lungen werden als sprechende Münzbilder bezeichnet. Die Stadt Phokaia (Kat.-Nr. 2.6) beispielsweise setzte das Bild ei-ner Robbe auf ihre Münzen. Das altgriechische Wort für Robbe war phoke. Das Münzbild verweist also direkt auf den Namen der Stadt.

Die Wiedergabe einer Sichel findet sich auf den Prä-gungen von Zankle (Kat.-Nr. 2.7). Den Grund hierfür weiß Thukydides (um 460 – 399/396 v. Chr.) zu berichten: „Die Sikeler nannten sie (ihre Stadt) zuerst Zankle, weil der Ort ein sichelförmiges Aussehen hat und die Sikeler die Sichel Zan-klon nennen“. Melos bedeutet Apfel, mit der Wiedergabe die-ser Frucht verweist die Stadt Melos auf ihren Namen (Kat.-Nr. 2.8). Rhodos wählt die Rose (rhodon; Kat.-Nr. 2.9), Side den Granatapfel (side; Kat.-Nr. 2.10), Aigeai die Ziege (aigis; Kat.-Nr. 2.11); Leontinoi trägt das Wort des Löwen (leon) im Stadtnamen (Kat.-Nr. 2.12) und zeigt daher als Münzbild ei-nen Löwenkopf.

·Münznamen·

Wie wurden die Münzen, die keine sprechenden Bil-der trugen, genannt? Geldstücke wurden meist nach den Darstellungen, seltener nach der in der Legende enthaltenen Information bezeichnet. Hinweise hierauf finden wir in den Schriften griechischer Autoren, in Inschriften sowie bei den Angaben der Lexikographen und Onomasten, also der Ge-lehrten, welche Wörterbücher zu den Werken antiker Schrift-steller verfassten oder verwendete Begriffe erläuterten. Photi-us, ein später Lexikograph des 9. Jahrhunderts n. Chr., erklär-te den Begriff „Eule“ (glaux) wie folgt: „Ein geflügeltes Nacht-tier. Und ein Tetradrachmenstück in Athen“. Die Eule zierte, wie erwähnt, ab etwa 520 v. Chr. die Rückseite der attischen Prägungen (Kat.-Nr. 2.3). Mit der Bezeichnung „Eule“ (glaux) konnte demnach sowohl der Vogel als auch die attische Mün-ze gemeint sein.

Der griechische Schriftsteller Plutarch (um 45 – 120 n. Chr.) erzählt in seinen Lebensbeschreibungen von dem Spar-taner Gylippus, der einen Teil des Geldes, welches er nach Sparta bringen sollte, auf dem Weg dorthin unterschlagen hatte. Die Münzen, die er für sich behalten wollte, versteck-te er unter dem Dach seines Wohnhauses. Bei den Nachfor-schungen zum Verbleib des fehlenden Geldes sagte ein Sklave gegenüber den Ephoren, welche die Untersuchung leiteten: „Viele Eulen (glaukes) nisten unter dem Dach des Gylippus“. So gelang es, das Versteck des Geldes ausfindig zu machen: Der Sklave hatte die Wahrheit in Form eines Bildes ausge-drückt, um Gylippus nicht direkt beschuldigen zu müssen.

Athen hatte seine politische Führungsrolle durch den Sieg über die Perser begründet. Der wirtschaftliche Reichtum basierte auf den Silberminen, die sich im Laurion, einem ge-birgigen Gebiet im Südosten von Attika, befanden. Als „Eulen vom Laurion“ werden die attischen Gepräge bei Aristophanes in seiner Komödie Die Vögel bezeichnet. In offiziellen Listen, so etwa in den Tempelinventaren auf Delos, wurde jedoch nüchterner von „attischen Drachmen“ gesprochen.

Die Münzen der Stadt Korinth (Kat.-Nr. 2.2) geben auf der Vorderseite das geflügelte Pferd, den Pegasos, wie-der. Iulius Pollux erklärt in seinem Onomastikon, welches etwa in die Zeit um 183 bis 188 n. Chr. datiert, dass korinthische Münzen „Fohlen (poloi)“ genannt würden. Seine Erklärung bezieht sich dabei auf ein verlorenes Werk des Euripides, den Skiron. Auf dieser Grundlage fand diese Bezeichnung Eingang in wissenschaftliche Publikationen, und die korinthischen Münzen werden gemeinhin als „Fohlen“ angesprochen. Die Verwendung dieses Begriffs ist aber nicht ganz geklärt.

Da ist zunächst die Tatsache, dass es sich beim Pega-sos um ein erwachsenes Pferd (hippos) und nicht um ein Foh-len handelt. In der kurzen Textstelle aus dem Werk des Euripi-des geht es um die Bezahlung von Prostituierten. So heißt es: „Du kriegst eine von ihnen, wenn Du ein Fohlen gibst, und manche, wenn Du ein paar gibst und andere kommen für vier silberne Pferde.“ Der größere Zusammenhang, aus dem die-se Passage stammt, muss also unklar bleiben. Nur Euripides verwendet poloi neben hippoi zweifelsfrei als eine von mehre-ren Bezeichnungen für die korinthischen Münzen. Vielleicht handelt es sich bei der Benennung um eine poetische Um-schreibung, etwa für eine geringe Summe, die für die Dienste bestimmter Prostituierter aufgebracht werden muss. In den Tempelinventaren von Delos sind diese Münzen zumeist als „korinthische Drachmen“ bezeichnet. Auf der Rückseite der Münzen ist das Bild der bewaffneten Aphrodite, der Aphrodite Hoplismene, wiedergegeben und nicht das der Athena, auch wenn sie im Mythos vom Pegasos eine Rolle spielt. Die Stadt-

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göttin Korinths war eben Aphrodite und nicht Athena, die Gottheit von Athen, mit der Korinth oft im Streit lag.

In seinem oben genannten Werk berichtet Pollux fer-ner: „Thukydides nannte einige Statere Phokaier und es gab auch eine derart genannte Münze“. Aus den Inventarlisten von Eleusis ist zudem bekannt, dass auch die Sechstelstücke, die Hekten, die ebenfalls das Bild der Robbe tragen, als Pho-käer bezeichnet wurden.

Ganz anders als die bislang aufgeführten Beispiele sind die Münzen der vorderasiatischen und persischen Köni-ge gehalten. Sie zeigen herrschaftliche Symbole oder das Bild des Königs und werden nach ihrem Prägeherrn benannt (s. Kap. 7, Das Münzgeld im Persischen Weltreich). Der Lyderkö-nig Kroisos (um 561 – 546 v. Chr.) führte ein bimetallisches Währungssystem mit Gold- (Kat.-Nr. 2.14) und Silbermünzen (Kat.-Nr. 2.15) ein. Zuvor hatten seine Vorgänger in Elektron geprägt (Kat.-Nr. 2.1). So berichtet der griechische Historiker Herodot (490/480 – 424 v. Chr.), dass die Lyder die Ersten waren, die Münzen aus Gold und Münzen aus Silber prägten. Diese lydischen Münzen wurden als kroiseioi bezeichnet und zeigen die Protomen eines Löwen und eines Stieres. Der Löwe symbolisiert den Herrscher, der über die anderen Tiere regiert und Angreifer niederkämpft (s. Kap. 1, Beginn und Ausbreitung der Münzprägung).

Das bimetallische System fand der Perserkönig Kyros (559 – 530 v. Chr.) vor, als er Kroisos besiegt und dessen Reich erobert hatte. Zunächst wurde dieses Geld weiter ge-prägt, bis Dareios I. (522 – 486 v. Chr.) eine eigene persi-sche Prägung schuf. Diese Münzen zeigen den Großkönig im Knielaufschema mit verschiedenen Attributen als Zeichen sei-ner Herrschaft und wurden ebenfalls in Gold und in Silber ge-schlagen (Kat.-Nrn. 2.16 und 2.17). Die Goldmünzen hießen Dareiken, die Silbermünzen Sigloi (s. Kap. 7, Das Münzgeld im Persischen Weltreich).

·Münzbilder als Antwort auf historische Veränderungen·

Das Bild, welches die griechischen Städte auf ihre Münzen setzten, stand in vielen Fällen in engem Zusammen-hang mit der Geschichte des Gemeinwesens selbst. Die Än-derung eines eingeführten und vertrauten Münzbildes hing daher oft mit gravierenden politischen und/oder wirtschaftli-chen Umwälzungen zusammen.

Aigina war eine der bedeutendsten Handelsmäch-te im griechischen Mittelmeerraum und konnte eine stattli-

che Anzahl an Schiffen vorweisen. Die Handelsbeziehungen reichten von Spanien im Westen bis zum Schwarzen Meer im Osten. Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Athens kam es zu direkten Auseinandersetzungen zwischen beiden Städten. Athen gelang es schließlich im Jahre 456 v. Chr., die Stadt und die gleichnamige Insel zu erobern und ihren Beitritt zum Attischen Seebund zu erzwingen. Rund 25 Jahre später, mit dem Beginn des Peloponnesischen Krieges, wurden die Ein-wohner vertrieben und attische Kolonisten angesiedelt. Erst nach Kriegsende konnten die ursprünglichen Bewohner zu-rückkehren. Aigina gelang es aber nicht mehr, jene Bedeu-tung zu erlangen, die es vor der Mitte des 5. Jahrhunderts hatte.

Die Münzen, welche Aigina ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. prägte, zeigen auf der Vorderseite die Meeresschildkröte. Deutlich ist der abgeflachte, stromlinienförmige Panzer mit den Schwimmflossen zu sehen. Die Rückseite hat ein Quadra-tum Incusum (Kat.-Nr. 2.18). In der Meeresschildkröte darf ein Zeichen für die Überlegenheit zur See gesehen werden. Dieses Motiv wurde über einen langen Zeitraum, freilich mit stilistischen Veränderungen, beibehalten. Damit wird auch deutlich, dass es sich bei den aiginetischen Drachmen nicht nur um eine lokale Währung handelte, denn diese Stücke be-stimmten den Münzumlauf auf der ganzen Peloponnes. Als die Stadt nach der Niederlage gegen Athen wieder zu prägen begann, wird nicht mehr die Meeresschildkröte, sondern die Landschildkröte als neues Münzbild gewählt (Kat.-Nr. 2.19). Die Landschildkröte besitzt einen gewölbten, untergliederten Panzer und säulenförmige Beine. Sie versinnbildlichte gera-dezu, dass die Seefahrer an Land gehen mussten und die Be-herrschung der Meere zu Ende war.

Die sizilische Stadt Akragas führt auf der Vorderseite ihrer Münzen den Adler und auf der Rückseite das Bild der Krabbe (Kat.-Nr. 2.5), während die benachbarte Stadt Hi-mera das Bild des Hahns und der Henne auf ihre Geldstücke setzt (Kat.-Nr. 2.20). Nach Machtstreitigkeiten zwischen bei-den Städten gelang es Akragas, Himera im Jahre 482/481 v. Chr. zu besetzen. Das nun geschlagene Geld führt das Bild der Krabbe auf der Rückseite (Kat.-Nr. 2.21) und ersetzt damit die Henne. Durch diesen Wechsel des Münzbildes wurde die Vorherrschaft von Akragas über Himera deutlich vor Augen geführt.

Nicht nur Eroberungen, auch Siege in Wettkämp-fen konnten als Motiv im Münzbild festgehalten werden. An-axilas siedelte Bewohner aus dem Stadtgebiet von Messana in Zankle an und benannte die Stadt in Messana um. Nach 480 v. Chr. führte er dort eine neue Münzprägung ein, die sich nach dem attischen Standard richtete. Auf der Vorder-

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seite dieser neuen Prägungen erscheint ein von Maultieren gezogener Zweispänner, eine Biga (Kat.-Nr. 2.22). Aristote-les berichtet von einem Olympischen Sieg des Anaxilas, der mit einer Maultierbiga das Wagenrennen für sich entscheiden konnte. Allerdings scheint das Münzbild mit der Biga nicht nur auf diesen Sieg zu verweisen, sondern auch die Darstel-lung auf den zeitgleichen syrakusanischen Münzen zu reflek-tieren. Zwischen Anaxilas und Gelon, dem Tyrannen von Sy-rakus, kam es nämlich zu familiären Verbindungen, wobei ersterer Hieron, dem Bruder des Gelon, seine Tochter zur Frau gab. Die syrakusanischen Prägungen sind genau wie die mes-sanischen Stücke nach attischem Standard geprägt, tragen aber eine von Pferden gezogene Quadriga im Münzbild. Mit der Darstellung der Maultierbiga verweist Anaxilas also auf seinen eigenen Sieg und nähert sich gleichzeitig motivisch der Münzprägung von Syrakus an.

·Bekannt für Qualitätsware· Als Münzbild beziehungsweise als Beizeichen dien-

ten auch Motive, welche auf die wirtschaftliche Besonderheit einzelner Städte verwiesen. Kyzikos war ein Zentrum für den Thunfischfang, weswegen wohl stets der Thunfisch als Bei-zeichen auf den Münzen erscheint (Kat.-Nr. 2.23). Der Kranz aus Olivenzweigen auf den Münzen von Sikyon dürfte daraus zu erklären sein, dass das Olivenöl der Region wegen seiner hohen Qualität besonders bekannt war (Kat.-Nr. 2.24). Meh-rere antike Schriftsteller lobten die Stadt hierfür, und auch Pausanias erwähnt in seiner Beschreibung Griechenlands die Ergiebigkeit der Erträge. Mit Olivenöl salbten sich die Athle-ten sowie die reichen Bürger einer Stadt. Mende wiederum war bekannt für seine Weinproduktion und gelangte durch den Weinexport zu wirtschaftlichem Reichtum, weshalb Dio-nysos und eine Weinrebe die Münzen dieser Stadt zieren (Kat.-Nr. 2.25).

Weiterführende LiteraturCribiore 1996; Harris 1989; Kraay 1976; Melville Jones 1993; Melville Jones 2007; Smith 2005

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·31· Abbildungen M 1 : 1,5

2.1Lydien, Sardeis: Alyattes (um 610 – 561 v. Chr.)TriteElektron, 4,70 g, 10,7 x 12,2 mmVs.: Löwenkopf mit „Warze“ nach rechtsRs.: Quadratum IncusumKHM, Münzkabinett, Inv.-Nr. GR 17.464Literatur: Weidauer 1975, 59–75

2.2Korinthia, KorinthStater, um 510 – 480 v. Chr.Silber, 8,47 g, 5h , 18,2 mmVs.: Pegasos nach links; ϘRs.: Kopf der behelmten Aphrodite nach rechtsMünzkabinett Winterthur, Inv.-Nr. G 2043Literatur: Ravel 1936, 129b

2.3Attika, AthenTetradrachme, Ende 6. Jh. v. Chr.Silber, 16,67 g, 11h, 22,2 mmVs.: Kopf der Athena nach rechtsRs.: Eule nach rechts, Kopf von vorne, links oben Olivenzweig; ΑΘΕ Münzkabinett Winterthur, Inv.-Nr. G 1957Literatur: Svoronos – Pick 1923–26, Tf. 5, 12

2.4Sizilien, MessanaTetradrachme, 445 – 430 v. Chr.Silber, 17,05 g, 2h, 28,7 mmVs.: Maultierbiga nach rechts, darüber Nike; im Abschnitt BlattRs.: Hase nach rechts, darunter Olivenzweig; ΜΕΣΣANΙΟΝ (spiegelverkehrt)Münzkabinett Winterthur, Inv.-Nr. G 732Literatur: SNG ANS 4, 342

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2.5Sizilien, AkragasDidrachme, um 510 v. Chr.Silber, 8,47 g, 9h, 22,3 mmVs.: Adler nach links; ΑΚΡΑΓAΝΤΟ(Σ) (spiegelverkehrt)Rs.: KrabbeMünzkabinett Winterthur, Inv.-Nr. G 563Literatur: Jenkins 1970, 162, Tf. 37, 2

2.6Ionien, PhokaiaHekte (?), 521 – 478 v. Chr.Elektron, 2,57 g, 10,3 mmVs.: Zwei RobbenRs.: Quadratum IncusumKHM, Münzkabinett, Inv.-Nr. GR 17.515Literatur: Bodenstedt 1981, 46 (Serie 2)

2.7Sizilien, ZankleDrachme, vor 493 v. Chr.Silber, 5,52 g, 22,8 mmVs.: Delphin nach links, der sichelförmige Hafen angedeutet; DΑΝKLΕRs.: Quadratgitter mit Muschel im ZentrumMünzkabinett Winterthur, Inv.-Nr. G 728Literatur: Gielow 1930, S. 3, Nr. 3

2.8Kykladen, MelosDidrachme, 426 – 416 v. Chr.Silber, 7,32 g, 7h, 20 mmVs.: ApfelRs.: Kopf eines Widders nach links; ΜΑMünzkabinett Winterthur, Inv.-Nr. G 2305Literatur: Traité II 3, 1379, Tf. 243, 6

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2.9Karische Inseln, RhodosTetradrachme, 385 – 360 v. Chr.Silber, 15,09 g, 12h, 23,3 mmVs.: Kopf des Helios-Apollon in Dreiviertel-ansicht nach rechtsRs.: Rose; ΡΟΔΙΟΝKHM, Münzkabinett, Inv.-Nr. GR 18.573Literatur: Ashton 2001, 45; SNG Keckman, 379

2.10Pamphylien, SideStater, spätes 5. Jh. v. Chr.Silber, 10,82 g, 1h, 23,8 mmVs.: GranatapfelRs.: Kopf der Athena nach rechtsMünzkabinett Winterthur, Inv.-Nr. G 4334 (aus dem sog. Fund von Kelenderis)Literatur: Kraay 1962, 5a, Tf. 2, 3

2.11Makedonien, AigaiTrihemiobol, um 480 v. Chr.Silber, 0,96 g, 11,9 mmVs.: Ziegenbock nach rechts, Kopf zurückgewandtRs.: Quadratum Incusum mit FadenkreuzMünzkabinett Winterthur, Inv.-Nr. G 1339Literatur: Traité II 1, 1541, Tf. 49, 3

2.12Sizilien, LeontinoiTetradrachme, nach 450 v. Chr.Silber, 16,78 g, 6h, 26,2 mmVs.: Kopf des Apollon nach rechtsRs.: Löwenkopf nach rechts, umgeben von vier Getreidekörnern; ΛΕΟΝΤΙΝΟΝKHM, Münzkabinett, Inv.-Nr. GR 6.541Literatur: SNG ANS 4, 219–232

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2.13Sizilien, SelinuntDidrachme, um 500 v. Chr.Silber, 7,90 g, 22,4 mmVs.: SellerieblattRs.: Quadratum IncusumMünzkabinett Winterthur, Inv.-Nr. G 846Literatur: BMC Sicily, 10 ff.; Kraay 1976, 785 (Typ); SNG ANS 4, 680–682

2.14Lydien, Sardeis: Kroisos (um 561 – 546 v. Chr.)TriteGold, 3,52 g, 8,8 x 11,5 mmVs.: Löwen- und Stierprotome Rs.: Zwei rechteckige IncusaKHM, Münzkabinett, Inv.-Nr. GR 29.935Literatur: Carradice 1987, S. 80–84, Tf. 10, 7; SNG Aulock, 2875 (Typ)

2.15Lydien, Sardeis: Kroisos (um 561 – 546 v. Chr.)HalbstaterSilber, 5,25 g, 13 x 16,6 mmVs.: Löwen- und StierprotomeRs.: Zwei rechteckige IncusaKHM, Münzkabinett, Inv.-Nr. GR 19.524Literatur: Carradice 1987, S. 80–84, Tf. 11, 9; SNG Aulock, 2877–2879

2.16Lydien, Sardeis: Dareios I. (500 – 485 v. Chr.)SiglosSilber, 5,35 g, 12h, 15,2 mmVs.: Großkönig im Knielauf mit Lanze und Bogen nach rechtsRs.: Oblonges IncusumMünzkabinett Winterthur, Inv.-Nr. G 5334Literatur: Carradice 1987, Typ IIIa

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·35· Abbildungen M 1 : 1,5

2.17Lydien, Sardeis: Artaxerxes III. (359 – 337 v. Chr.) oder Dareios III. (336 – 330 v. Chr.)DareikosGold, 8,34 g, 17,1 x 15,2 mmVs.: Großkönig im Knielauf mit Lanze und Bogen nach rechtsRs.: Oblonges IncusumMünzkabinett Winterthur, Inv.-Nr. G 5333Literatur: Carradice 1987, Typ IIIb spät

2.18Saronischer Golf, AiginaStater, Mitte 6. Jh. v. Chr.Silber, 11,90 g, 20,4 mmVs.: MeeresschildkröteRs.: Quadratum IncusumMünzkabinett Winterthur, Inv.-Nr. G 2026Literatur: Milbank 1925, S. 17–18, Tf. 1, 2–3; Gjongecaj – Nicolet-Pierre 1995, Typ 1

2.19Saronischer Golf, AiginaStater, 457 – 431 v. Chr.Silber, 12,11 g, 12h, 20,9 mmVs.: LandschildkröteRs.: Quadratum IncusumMünzkabinett Winterthur, Inv.-Nr. G 2035Literatur: SNG Delepierre, 1774–1791

2.20Sizilien, HimeraDrachme, 510 – 500 v. Chr.Silber, 5,32 g, 9h, 20,4 mmVs.: Hahn nach rechts; VVRs.: Quadratum Incusum, darin Henne nach rechts; VVMünzkabinett Winterthur, Inv.-Nr. G 655Literatur: Kraay 1984, S. 64, 154b

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2.21Sizilien, HimeraDrachme, 483 – 472 v. Chr.Silber, 3,89 g, 7h, 19,0 mmVs.: Hahn nach linksRs.: Krabbe; ΗΙΜΕΡΑMünzkabinett Winterthur, Inv.-Nr. G 657Literatur: Jenkins 1969/1970, 26, Tf. 2, 4

2.22Sizilien, MessanaTetradrachme, 480 – 461 v. Chr.Silber, 16,99 g, 8h, 28,5 mmVs.: Maultierbiga nach rechts, im Abschnitt BlattRs.: Hase nach rechts; ΜΕΣΣΕΝΙΟΝMünzkabinett Winterthur, Inv.-Nr. G 731Literatur: SNG ANS 4, 320

2.23Mysien, KyzikosStater, frühes 4. Jh. v. Chr.Elektron, 16,7 g, 18,7 mmVs.: Nereide auf Delphin nach links reitend, darunter ThunfischRs.: Quadratum IncusumMünzkabinett Winterthur, Inv.-Nr. G 2551Literatur: Fritze 1912, 159, Tf. 5, 7

2.24Achaia, SikyonStater, 4. Jh. v. Chr.Silber, 6,02 g, 1h, 20,7 mmVs.: Fliegende Taube nach links; ΣΕRs.: Fliegende Taube nach links in OlivenkranzMünzkabinett Winterthur, Inv.-Nr. G 2125Literatur: Traité II 3, 764, Tf. 220, 1

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2.25Makedonien, MendeTetradrachme, 440 – 423 v. Chr.Silber, 16,64 g, 5h, 27,0 mmVs.: Dionysos auf dem Rücken eines nach rechts stehenden Esels gelagert, hält Kantharos; rechts Rabe auf einem WeinstockRs.: Weinstock in Linienquadrat; ΜΕΝΔΑΙΟΝMünzkabinett Winterthur, Inv.-Nr. G 1384Literatur: Noe 1926, 68

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