Uncoupling proteins: their roles in adaptive thermogenesis ...
Adaptive Benutzerunterstützung in interaktiven Informationssuchprozessen
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Adaptive Benutzerunterstutzung in interaktivenInformationssuchprozessen
Daniel Backhausen · Claus-Peter Klas · Matthias Hemmje
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Zusammenfassung Die Suche nach Informationen ist
ein in hohem Maße dynamischer und interaktiver Pro-
zess, der aus verschiedenen Phasen besteht. In jeder die-
ser Phasen befindet sich der Suchende in einer bestimm-
ten Situation. Diese besteht aus unterschiedlichen Fak-
toren, die auf den kognitiven Raum des Suchenden wir-
ken und dadurch sein Verhalten und vor allem sein
Bedurfnis nach Wissen steuern. Dies zeigt sich vor allem
bei langfristigen Prozessen, die uber mehrere Sitzungen
hinweg verlaufen. Um den Suchenden hierbei effekti-
ver zu unterstutzen, ist es erforderlich, ein Bewusstsein
uber die Situation zu haben, in der sich der Suchende
aktuell befindet. Darauf aufbauend konnen Aussehen
und Verhalten eines Systems adaptiv an das dynami-
sche Bedurfnis, das Verhalten und an die Kenntnisse des
Suchenden flexibel angepasst werden. Daruber hinauskonnen situationsbezogene Vorschlage seitens des Sys-
tems an den Nutzer herangetragen werden, um diesen
besser zu unterstutzen. In dem hier vorliegenden Bei-
trag zeigen wir auf, wie durch eine ausfuhrliche Analyse
und Aufnahme kontextueller Faktoren eine Annaherung
an das kognitive Modell des Nutzers stattfinden kann,
um vor allem sitzungsubergreifende Suchaktivitaten ef-
fizienter und effektiver gestalten zu konnen.
Schlusselworter interactive information retrieval ·adaptive information retrieval · adaptive systems ·recommendation · relevance feedback · user interaction ·personalization · digital libraries · situational awareness
Daniel Backhausen, Claus-Peter Klas, Matthias HemmjeFernUniversitat in HagenE-Mail: (daniel.backhausen, claus-peter.klas,matthias.hemmje)@fernuni-hagen.de
1 Einleitung
Fur das Suchen nach elektronisch erfassten Informatio-
nen kommen heute Information Retrieval (IR) Systeme
zum Einsatz, die uns das Auffinden relevanter Inhal-
te ermoglichen und vielseitig erleichtern sollen. Zu An-
fang der Entwicklung solcher Systeme gingen die For-
scher, die Untersuchungen und Realisierungen in die-
sem Bereich voran trieben, von einem statischen In-
formationsbedurfnis des Suchenden aus, nach dem sich
das Bedurfnis des Suchenden wahrend der Suche nicht
verandert. Diese Sichtweise wurde jedoch in verschiede-
nen Untersuchungen wie denen von [10] widerlegt. Auch
das Berrypicking-Modell von [4] verdeutlicht, dass das
Bedurfnis des Menschen in hohem Maße dynamisch ist
und sich wahrend des Suchprozesses stetig verandert.
Demnach ist die Informationssuche als ein interaktiver
und dynamischer Prozess zu sehen. Die Unterstutzung
dieses Prozesses spielt eine bedeutende Rolle fur die
Realisierung effektiver IR-Systeme. Durch die Erkennt-
nisse entstanden zwei Sichtweisen, namlich die system-
orientierte, bei der vor allem die Performance des Sys-
tems und Vollstandigkeit der Ergebnismenge betrachtet
wird und die nutzer -orientierte, bei der in erster Linie
der Nutzer und sein Verhalten im Fokus der Untersu-
chungen steht.
Die Leistung und technologische Reife aktueller Sys-
teme sowie die vielseitigen Inhalte des Web erlauben es
heutzutage, schnell und einfach Informationen zu fin-
den, um ein bestimmtes ad-hoc Bedurfnis zu befrie-
digen. Eine Vielzahl aktueller IR-Systeme sind jedoch
primar auf kurzfristige Suchprozesse optimiert. So wer-
den unserer Meinung nach langfristige Aktivitaten wie
das Verfassen eines Zeitungsartikels, das eine Vielzahl
von Sitzungen und das Durchsuchen unterschiedlichster
Quellen erfordert, nicht ausreichend unterstutzt.
2 Daniel Backhausen et al.
So unterscheidet Marchionini in [36] im Allgemeinen
zwischen den Suchaktivitaten lookup, learn und inves-
tigate. Ersterem weist er das Auffinden von Fakten zu,
das sich durch die Suche nach bekannten Objekten so-
wie die Navigation, Transaktion, Verifikation und Be-
antwortung von einfachen Fragestellungen kennzeich-
net. Marchionini bezeichnet diese Form der Suche als
“the most basic kind of search task [...] [which] return[s]
discrete and well-structured objects such as numbers,
names, short statements, or specific files of text or other
media [...] lookups are related to [...] who, when, and
where as opposed to what, how, and why questions”. Im
Bibliothekenumfeld wird hierfur der Begriff known-item
search verwendet.
Die Aktivitaten learn und investigate ordnet Mar-
chionini der exploratorischen Suche zu. Im Vordergrund
stehen hier im Wesentlichen die Akquisition, Aggrega-
tion und Interpretation von Wissen sowie auch des-
sen Evaluation und Transformation. Lernen sieht Mar-
chionini als generellen Aspekt der Entwicklung neuen
Wissens an, der verschiedene Iterationen umfasst und
dabei unterschiedliche Objekte zuruckliefert, die durch
einen bestimmten kognitiven Prozess interpretiert wer-
den mussen.
Abb. 1 Exploratorische Suchaktivitaten nach Marchionini(aus [47], S. 14)
Auch He et al. verdeutlichen in [20] die Komple-
xitat der exploratorischen Suche, indem Sie hervorhe-
ben, dass “searching to learn and searching to investi-
gate are more challenging types of search, which require
iterative efforts with interpretation, synthesis, and eva-
luation of the information returned at each iteration”.
Die exploratorische Suche ist ein langfristiger Pro-
zess, der in der Regel uber mehrere Sitzungen verlauft,
verschiedenste Interaktionen beinhaltet und den Suchen-
den womoglich in jedem Schritt mit unterschiedlichen
Resultaten konfrontiert, die eine kognitive Verarbeitung
der Ergebnisse erfordern. Wir haben bereits einige An-
forderungen identifizieren konnen, bei denen eine ex-
ploratorische Suche stattfindet. Dies sind zum Beispiel
das Verfassen eines Artikels, einer Veroffentlichung, ei-
nes Buches oder aber die Mitarbeit in Forschungsfra-
gen. Also immer dann, wenn innerhalb einer Domane
ein umfassendes Maß an Informationen benotigt wird.
Wir mochten in diesem Beitrag verdeutlichen, wie
eine bessere Kenntnis uber das Informationsbedurfnis
des Suchenden zu einer besseren Unterstutzung vor al-
lem bei langfristigen Suchaktivitaten fuhren kann. Hier-
zu erlautern wir, wie ein Informationsbedurfnis ent-
steht und welche Rolle die verschiedenen Einflussfak-
toren hierbei haben.
Grundlegend stellen wir die aus unserer Sicht we-
sentlichen Modelle vor, die eine nutzerzentrierte Sicht-
weise auf verschiedenen Ebenen beschreiben und die
wichtigsten Aspekte des Informationssuchverhaltens ver-
deutlichen. Sie sind maßgeblich entscheidend fur die
Forschung im Bereich des Interactive Information Re-
trieval (IIR). Darauf aufbauend werden unsere aktu-
ellen Arbeiten im Bereich der Digitalen Bibliotheken
vorgestellt. Im Fokus steht hierbei das Informations-
bedurfnis des Anwenders und wie es uber verschiedene
Faktoren wesentlich beeinflusst wird. Mit Hilfe des Be-
wusstseins hinsichtlich dieser Faktoren und der Situa-
tionen, in denen sich der Suchende wahrend des Such-
prozesses befindet, wollen wir uber adaptive Eigenschaf-
ten eines IR-Systems eine effektivere Unterstutzung er-
reichen.
2 Stand der Forschung
Der aktuelle Stand der Forschung im Bereich des IIR
setzt im Wesentlichen an einigen wichtigen Erkenntnis-
sen und Hypothesen uber das menschliche Verhalten
an. Daraus abgeleitet sind einige herausragende Ver-
haltensmodelle bzw. nutzerzentrierte Modelle wie das
Stratified Interaction Model von Saracevic, das Episodic
Interaction Model von Belkin, das Interactive Feedback
and Search Process Model von Spink sowie das kogniti-
ve Modell der interaktiven Informationssuche (Cogniti-
ve Model) von Ingwersen entstanden, die im Folgenden
diskutiert werden. Anschließend wird der Begriff des In-
formationsbedurfnisses dargestellt, dass den Modellen
als Voraussetzung dient.
Belkin geht in einer These von 1978 davon aus, dass
der Suchende sich in einem so genannten Anomalous
State of Knowledge (ASK) befindet. Das Bedurfnis ent-
steht hiernach durch eine Anomalie im Wissenszustand
des Suchenden. In [7] hebt er in einer Hypothese hervor,
dass wenn “an information need arises from a recogni-
zed anomaly in the user’s state of knowledge concerning
some topic or situation and that, in general, the user
is unable to specify precisely what is needed to resolve
Adaptive Benutzerunterstutzung in interaktiven Informationssuchprozessen 3
that anomaly. Thus for the purpose of IR, it is more sui-
table to attempt to describe that ASK than to ask the
user to specify her/his need as a request to the system.”
Nach Belkin kann der Suchende sein Bedurfnis nur
schwer und vor allem nicht vollstandig ausdrucken. Dar-
um sollte verstarkt versucht werden, den anomalen Zu-
stand des Suchenden zu definieren. In [6] definiert er
deshalb das so genannte Episodic Interaction Model.
In seinem Modell hebt Belkin hervor, dass eine Inter-
aktion zwischen dem Benutzer und einem Informati-
onsobjekt zu einem bestimmten Zeitpunkt eines Infor-
mationsbeschaffungsabschnitts (episode) erfolgen kann.
Die Art und Weise der Interaktion und die Art des In-
formationsobjekts sind jedoch unter anderem abhangig
von den Zielen, Problemen, Intentionen und der Situa-
tion des Suchenden. Diese Interaktion wird nach Bel-
kin durch verschiedene Prozesse wie die Darstellung,
der Vergleich, die Prasentation, die Navigation oder die
Veranschaulichung unterstutzt. Zur Unterstutzung der
verschiedenen Arten der Interaktion gibt es nach Belkin
ein Optimum an Kombinationen dieser Prozesse.
Unsicherheit entsteht vor allem in den fruhen Pha-
sen der Informationssuche und ist der initiale Punkt
eines Informationssuchprozesses. Deshalb besteht nach
Belkin vor allem ein großes Problem darin, dass der
Suchende sein Bedurfnis aufgrund der Vagheit, die sich
aus der Unklarheit des Umfangs ergibt, nicht genau aus-
drucken kann, um die Anomalie des Wissenszustands
zu beheben. Dies fuhrt bereits zu Anfang dazu, dass
der Suchende bei der Definition seines Bedurfnisses auf
erhebliche Probleme stoßt.
Fur Kuhlen [30] ist Information “die Teilmenge von
Wissen, die von einer bestimmten Person oder einer
Gruppe in einer konkreten Situation zur Losung von
Problemen benotigt wird und haufig nicht vorhanden
ist.”. Ferber geht in [15] davon aus, dass wir von Wis-
sen sprechen, wenn wir wissen was Informationen auf
semantischer Ebene beschreiben.
Das Bedurfnis nach Wissen reicht von der Ermitt-
lung von Fakten bis hin zu Fragestellungen in Konzep-
ten und anderen komplexen Zusammenhangen, die uns
helfen, bestimmte Dinge zu verstehen und zu erlernen.
Stickel fugt in [46] hinzu, dass Information als “zweck-
gerichtetes Wissen zur Vorbereitung und Durchfuhrung
von Handlungen” dient. Das erlernte Wissen erlaubt
es uns also, Probleme zu losen und bestimmte Aufga-
ben auszufuhren. In der Regel sieht sich der Suchende
dabei vor einer Fragestellung, die er durch seinen ak-
tuellen Wissens- und Kenntnisstand nicht ausreichend
beantworten kann. Durch die Suche nach Wissen und
Exploration in Ergebnismengen versucht er diese Lucke
zu schließen.
Auch Thomas D. Wilson hebt in [49] hervor, dass
Suchen durch den Bedarf nach Informationen begrundet
ist, das durch die Besorgnis und Unsicherheit aufgrund
des fehlenden Wissens getrieben wird. In [31] definiert
Carol Kuhlthau diese Unsicherheit als einen kognitiven
Zustand, dessen Ursache affektive Symptome von Angst
und mangelndem Vertrauen sind.
Ingwersen veroffentlichte in [21] und [22] sowie zu-
sammen mit Jarvelin in [23] das kognitive Modell der
interaktiven Informationssuche. Ziel dieses Modells ist
die Beschreibung des so genannten kognitiven Raums
(cognitive space), in dem die Informationsverarbeitung
des Menschen stattfindet.
Der Fokus des Modells liegt in der Nutzung eines
IR-Werkzeug durch verschiedene Akteure. Hier unter-
scheidet Ingwersen zwischen Autoren, Personen, die In-
formationen indizieren oder auswahlen, Datenbankdesi-
gnern, Applikations- und Schnittstellenentwicklern so-
wie Communities. Das Hauptaugenmerk liegt jedoch
laut Ingwersen auf der Betrachtung des Informations-
suchenden.
Abb. 2 Kognitives Modell der interaktiven Informationssu-che (aus [23], S. 274)
Auf der rechten Seite des in Abbildung 2 dargestell-
ten Modells stellt Ingwersen die Faktoren dar, die sich
aus den organisatorischen, sozialen und kulturellen Ge-
gebenheiten zusammensetzen. Hierzu zahlt Ingwersen
unter anderem die privaten oder beruflichen Aufgaben
und Interessen, Domanen, Ziele, Strategien sowie ver-
schiedene Praferenzen, Fahigkeiten, kulturelle und so-
ziale Aspekte. Er erklart diese Unterteilung in [23] als
“the conception of daily-life or job-related work task si-
tuation and human cognitive-emotional interest in con-
text and the concept of search task constitute the ra-
tionale behind the processes. The perception of work
task or interest, that is, the intentionality ( [43]) of the
seeker, acts as the central factor affecting IS&R.”.
4 Daniel Backhausen et al.
Die Linien (1) bis (4) verdeutlichen die Interakti-
on zwischen einzelnen Komponenten des Modells. (1)
zeigt den wechselseitigen Austausch zwischen dem Ak-
teur und dem sozialen, organisatorischen und kulturel-
len Kontext. Die Interaktion mit dem IR-System uber
eine entsprechende Schnittstelle wird durch (2) verdeut-
licht, wahrend (3) und (4) der internen Verarbeitung
des IR-Systems entsprechen. Die Transformation und
Erstellung von Informationen erfolgt entweder durch
den Akteur direkt (5/7) oder uber die sozialen, kul-
turellen und organisatorischen Gegebenheiten in Rich-
tung IR-System uber die Zeit (6/8).
Abgeleitet aus der kognitiven Theorie des IIR form-
te Ingwersen den Begriff der Polyreprasentation und be-
schreibt hiermit die Uberlappung von Ergebnissen bei
der Verwendung unterschiedlicher IR-Techniken. Ing-
wersen fuhrt dies unter anderem auf Untersuchungen
der best match Prinzipien aus Salton und McGill [37]
sowie Belkin und Croft [5] zuruck, aus denen er ableitet,
dass “various best match IR techniques retrieve diffe-
rent but overlapping results: The more alike the retrie-
val algorithms, the larger the overlap”. Die wesentliche
Erkenntnis ist, dass nach Meinung von Ingwersen das
Prinzip der Polyreprasentation auch auf den kognitiven
Raum des Suchenden angewendet werden muss, um im
Rahmen des IIR ein effektives IR zu ermoglichen. Ing-
wersen fugt hinzu, dass die Problemstellung und das In-
formationsbedurfnis des Suchenden hierbei nicht ausrei-
chend sind und die Sichtweise um zusatzliche Faktoren
wie Aufgaben, Interessen und soziale Aspekte erweitert
werden muss.
Fur Amanda Spink ist die Ruckmeldung beziehungs-
weise das Feedback ein wesentlicher Faktor im inter-
aktiven Information Retrieval. In [45] arbeitet sie funf
unterschiedliche Arten der Ruckmeldung heraus und
stellt diese komplexe und zyklische Art und Weise von
Feedback im Interactive Feedback and Search Process
Model umfassend dar. Sie hebt die Vereinigung der in-
teraktiven Prozesse aus dem kognitiven Modell nach
Ingwersen als Starke des Modells hervor. Gleichzeitig
kritisiert Spink jedoch, dass in dem Modell von Ing-
wersen das Feedback wahrend der IR Interaktion zu
wenig Beachtung findet. Sie merkt zudem an, dass die
Ruckmeldung in der vorhergegangenen Forschung als
eine “linear transmission of information (system feed-
back), rather than a feedback loop process, including
the modification or reformulation of subsequent queries
by the user (Lancaster, 1972 [32]; Shenouda, 1991 [44])”
betrachtet wurde. In ihrem Modell zeigt Spink jedoch
auf, dass Feedback ein wesentlicher Bestandteil des In-
formationsbeschaffungsprozesses ist.
Generell ordnet Spink in ihrem Modell die so ge-
nannten Interactive Feedback Loops zwischen den Zy-
klen, die sich aus den Suchstrategien ergeben, und den
einzelnen Suchtaktiken an. So besitzt jede Suchstrate-
gie ein oder mehrere Zyklen mit einem oder mehre-
ren Suchbefehlen die dazu fuhren, dass die ermittel-
ten Inhalte als Resultat angezeigt werden (Fenichel,
1981 [14]). Jeder Zyklus kann wiederum mehrere der
genannten Interactive Feedback Loops beinhalten. Eine
solche Ruckmeldungsschleife ist gekennzeichnet durch
die Benutzereingabe und die darauf folgende System-
ausgabe sowie durch die Interpretation und Beurteilung
der Ausgabe durch den Benutzer. Spink fugt an, dass
jede Eingabe “may also represents a move within the
search strategy (Fidel, 1985 [16]) and may be regarded
as a search tactic to further the search (Bates, 1981 [3]).
Each move consists of a user input or query requesting
a system’s output”.
Die hier vorgestellten Modelle gehoren zu den po-
pularsten, die innerhalb dieses Forschungszweigs ent-
standen sind. Sie haben trotz ihrer Verschiedenheit ge-
meinsam, dass sie im Wesentlichen versuchen, das Ver-
halten und das Informationsbedurfnis des Akteurs im
Informationssuchprozess abzubilden, fokussieren jedoch
teilweise verschiedene Bereiche innerhalb des interakti-
ven Prozesses.
Mit Bezug auf die Informationstechnologie hat der
Begriff der ‘Interaktion’ seinen Ursprung in der Human-
Computer-Interaction (HCI), einem Forschungsbereich
und Teilgebiet der Informatik, dessen Schwerpunkt die
Untersuchung der Schnittstelle zwischen Mensch und
Maschine ist. Im Vordergrund steht hier unter ande-
rem die benutzerfreundliche Gestaltung und Entwick-
lung von interaktiven Systemen mit ergonomischen und
intuitiven Schnittstellen zur Unterstutzung des Infor-
mationsaustausches zwischen Nutzer und System.
Im Information Retrieval wird der Austausch zwi-
schen dem Suchenden und dem IR-System betrachtet.
Im Fokus verschiedener Forschungen steht hierbei der
Benutzer und sein Verhalten mit dem IR-System. Aus-
gangspunkt der Interaktion ist das Bedurfnis des Nut-
zers, das vorliegt, wenn Informationen zur Aneignung
von Wissen notwendig sind. Die Wissenslucken werden
durch die stetige Interaktion uber die einzelnen Phasen
des Informationssuchprozesses hinweg geschlossen.
Auch Saracevic kritisiert die klassisch systemorien-
tierte Sichtweise in dem er andeutet, dass diese den
reichhaltigen und variantenreichen Interaktionsprozess
zwischen Benutzer und System nicht einbezieht. Die-
se Interaktion ist aber nach Saracevic ein wesentlicher
Aspekt fur Information Retrieval. In [40] versucht er
deshalb, den Aspekt der Interaktion zwischen Benut-
zer und System durch das Stratified Interaction Mo-
del zu verdeutlichen. Jeder Interaktionspartner besitzt
hierbei unterschiedliche Ebenen (strata). Der Benutzer
Adaptive Benutzerunterstutzung in interaktiven Informationssuchprozessen 5
besitzt nach Saracevic mindestens die Ebenen der Ko-
gnitivitat (cognitive), der Emotion (affective) und der
Situation (situational). Hingegen definiert er fur das
System die Ebenen der Entwicklung (engineering), der
Ablaufsteuerung (processing) und die des Inhalts (con-
tent). Interaktion findet auf diesen verschiedenen Ebe-
nen in unterschiedlichster Art und Weise statt. Zudem
erfolgt eine Anpassung der Ebenen hin zur Schnittstel-
le zwischen Benutzer und System. Hierbei spielen nach
Saracevic verschiedene Formen der Ruckmeldung (feed-
back) eine wesentliche Rolle.
Nach Robins [39] kann IIR als die Studie der mensch-
lichen Interaktion mit Informationssuchsystemen be-
schrieben werden. Das steht im Kontrast zur klassi-
schen systemorientierten Sichtweise des IR, in dem IR-
Systeme unabhangig des Nutzers betrachtet und opti-
miert werden. Interaktion spielt unserer Meinung nach
eine bedeutende Rolle fur die Realisierung effektiver
Systeme, da sie dem System erlaubt, auf Veranderungen
des Umfelds oder aber des Bedurfnisses des Benutzers
zu reagieren. Zudem konnen dem Benutzer entsprechen-
de Ruckmeldungen und darauf aufbauend Empfehlun-
gen offeriert werden.
Auch Fuhr deutet in [17] darauf hin, dass fur IIR an-
dere Formen der Systemunterstutzung notwendig sind,
als die, die in klassischen ad-hoc orientierten Syste-
men genutzt werden. Dies liegt zum einen daran, dass
die klassische Sichtweise von einem statischen Infor-
mationsbedurfnis ausgeht. Die Grundannahme im IIR
ist, dass ein effektives IR-System nicht ohne das Wis-
sen uber die Verwendung des Systems realisiert werden
kann.
Um langfristige und sitzungsubergreifende Suchak-
tivitaten mit exploratorischem Charakter effektiver un-
terstutzen zu konnen, ist es unserer Meinung nach ei-
nerseits notwendig, das Informationsbedurfnis definie-
ren zu konnen und andererseits die Faktoren zu kennen,
die entscheidend auf dieses Bedurfnis einwirken und es
dadurch beeinflussen. Daruber hinaus liefert die Inter-
aktion zwischen Nutzer und System unter anderem ent-
scheidende Hinweise uber das situative Bedurfnis.
3 Faktoren des Informationsbedurfnisses
Im Rahmen des Information Seeking werden benotigte
Informationen in verschiedenen Quellen gesucht, um
daraus fehlendes Wissen zu transformieren. Die Rele-
vanz der erhaltenden Informationsobjekte ist allerdings
stark situationsabhangig. Die Situation des Suchenden
umfasst dabei verschiedene Aspekte und Faktoren wie
zum Beispiel die aktuelle geografische Position, das Da-
tum oder aber die Uhrzeit, die allgemein dem Begriff
Kontext zugeordnet werden. Schon alleine eine geografi-
sche Position kann das Informationsbedurfnis aber auch
die Nutzung eines IR-Systems stark beeinflussen.
Der Kontext ist ein wichtiger Bestandteil der in-
teraktiven Informationssuche, da er die umgebenden
und situativ relevanten Dinge bezeichnet oder wie es
Schmidt et al. in [42] ausdrucken “Context is a key issue
in interaction between human and computer, describing
the surrounding facts that add meaning.”.
Dey und Abowd heben in [11] hervor, dass “com-
puters are not currently enabled to take full advantage
of the context of the human-computer dialogue”. Da
die verschiedenen kontextuellen Faktoren das situative
Bedurfnis des Suchenden beeinflussen, teilen wir deren
Meinung, indem durch “improving the computer’s ac-
cess to context, we increase the richness of communica-
tion in human-computer interaction and make it possi-
ble to produce more useful computational services”.
Aber was genau bedeutet eigentlich Kontext? Fur
[11] besteht der Kontext aus allen Informationen, die
zur Charakterisierung der Situation einer Entitat ge-
nutzt werden konnen. Eine Entitat ist “a person, place,
or object that is considered relevant to the interaction
between a user and an application, including the user
and applications themselves”. Im Hinblick auf die Sys-
tementwicklung definieren sie ferner, dass “[c]ontext-
aware applications look at the who’s, where’s, when’s
and what’s [...] of entities and use this information to
determine why the situation is occurring”.
Fur [41] sind wichtige Aspekte die geografische Po-
sition des Nutzers, die Personen, mit denen der aktuelle
Nutzer agiert, sowie alle Ressourcen, die in unmittelba-
rer Nahe des Nutzers sind. Diese Sichtweise spiegelt die
starke Fokussierung der Forschung hinsichtlich mobiler
Systeme wider. Schilit et al. unterstreichen jedoch, dass
der Kontext ein sich stetig anderndes Umfeld ist, das
abhangig von den verschiedenen Situationen innerhalb
einer Aktivitat ist.
Die Bereitstellungen sowie der Erwerb von Informa-
tionen sind nach Ingwersen ein kognitiver Prozess in-
nerhalb des kognitiven Raums eines Menschen, in Ab-
bildung 2 dargestellt als der cognitve space. Die Zah-
len uber den Verbindungspfeilen in dem Modell von
Ingwersen zeigen, in welcher Reihenfolge die Interakti-
onsprozesse bei der Informationssuche verlaufen. Initial
wird der kognitive Raum des Suchenden durch vergan-
gene und aktuelle Ereignisse und Faktoren beeinflusst,
die sich aus den bereits genannten organisatorischen,
kulturellen und sozialen Gegebenheiten zusammenset-
zen. Durch die kognitive Verarbeitung des Menschen
verandern sich diese Faktoren gleichfalls, so dass ei-
ne wechselseitige Beziehung vorliegt (1). Zudem wir-
ken auch das Suchen und die Verarbeitung von Infor-
6 Daniel Backhausen et al.
mationen mithilfe eines IR-Systems auf den kognitiven
Raum des Suchenden ein (2). Dies zeigt sich vor allem
dadurch, dass sich die Unsicherheit oder Vagheit und
damit auch das Bedurfnis verandert und sich Aufgaben
oder Interessen verschieben.
Nach Ingwersen & Jarvelin agieren Suchende als
“cognitive actors acting in a social, organizational and
cultural context [...] The latter – together with the sys-
temic context, the left-hand side [...] influence the ac-
tivities, perceptions, and interpretations of each indi-
vidual over time”. Hinsichtlich der Systementwicklung
sind hierbei vor allem die interaktiven Prozesse (2) und
(3) von Interesse, da diese nach Ingwersen zum system-
nahen Kontext gehoren.
Devin beschreibt in ihrer Theorie [9] uber das Sense-
making drei Dimensionen: (1) die ausgehende Situa-
tion, (2) den gewunschten Soll-Zustand sowie (3) die
kognitive Lucke zwischen Ist und Soll und sieht hier
auch die Situation als initialen Faktor. Und auch fur
Wilson [48] spielt die Situation im aktuellen Kontext
hinsichtlich des Informationsbedurfnisses eine zentra-
le Rolle innerhalb des Information Seeking Prozesses.
Ingwersen & Jarvelin greifen dies in [23] auf und erwei-
tern sie durch das so genannte Nested Model of Context
Stratification (Abbildung 3) in dem sie sechs verschiede-
ne kontextuelle Dimensionen im IR beschreiben. Ferner
deuten sie basierend auf dem bereits zuvor erlauterten
Rahmenmodell der interaktiven Informationssuche auf
die Existenz einer Reihe von kontextuellen Elementen
hin, die sie entsprechend der verschiedenen Kategori-
en und der verschachtelten Klassifikation innerhalb des
IR-Prozesses anordnen.
Die sechs aufgezeigten Dimensionen stehen in Be-
ziehung zu den reprasentierten Objekten. So wird bei-
spielsweise im so genannten intra-Objekt (1) Kontext
eine Software-Komponente durch die Codezeilen struk-
turiert. Objekte wie zum Beispiel Dokumente sind wie-
derum uber Links, Referenzen oder Zitate miteinander
innerhalb eines inter-Objekt (2) Kontextes verbunden.
Ein daruber gelagerter interaktiver Sitzungskontext (3)
beinhaltet verschiedene interaktive Aktivitaten, die im
Rahmen eines sozio-organisatorischen Kontextes (4) be-
stehend aus privaten oder beruflichen Aufgaben und
Interessen stattfinden. All diese zusammenhangenden
Elemente werden vorwiegend durch physikalische und
gesellschaftliche Faktoren (5) beeinflusst. Der histori-
sche Kontext (6) ist temporar und verlauft orthogonal.
Er beinhaltet unter anderem die Erfahrung des Nut-
zers aus vergangenem Handeln und wirkt zudem auf
die Uberlagerung der Kontextebenen ein.
Engel et al. betrachten in [13] den Erstellungszyklus
von Informationsobjekten und heben hervor, dass der
Kontext eines digitalen Objekts komplex ist. Sie deuten
Abb. 3 Modell der Kontextschichten (aus [23], S. 281)
ferner darauf hin, dass sich die Beziehungen zwischen
Objekten (in Ingwersen als intra-Objekt Kontext be-
zeichnet) aufgrund eines ahnlichen Kontextfaktors wie
zum Beispiel dem Autor, Zitaten oder aber identischen
Schlusselwortern ergeben und fur Anwendungsfalle wie
ein Autorennetzwerk oder eine Co-Autoren Suche ver-
wendet werden konnen.
Lopes unterstreicht in [35], dass der Information
Search and Retrieval (IS&R) Prozess und die darin
stattfindende Interaktion des Suchenden mit dem IR-
System, dessen Erwartungen, Entscheidungen und Er-
gebnisbewertung stark kontextabhangig sind, in dem
die Suche stattfindet. Nach [12] ist Kontext ein Inter-
aktionsproblem, das abhangig von den Aktionen eines
Individuums ist. Daruber hinaus deutet Dourish darauf
hin, dass das kontextuelle Bewusstsein der Schlussel zur
Anpassung von Systemen ist und dass dieser Kontext
nicht nur aus den umgebenden Eigenschaften besteht,
sondern sich vor allem auch aus der Interaktion ermit-
teln lasst. Dadurch wird sich der Kontext in jeder Si-
tuation innerhalb des Suchprozesses verandern und sich
aus den Aktivitaten des Suchenden ergeben.
Bahrami et al. prasentieren in [2] eine generelle Idee
fur eine Infrastruktur fur ein Information Retrieval, das
auf einem Bewusstsein des Kontextes basiert (context-
awareness). Jeder Nutzer hat unterschiedliches Wis-
sen sowie verschiedene Erfahrungen, Hintergrunde und
Praferenzen. Diese Faktoren konnen nach Bahrami et
al. dazu verwendet werden “to shape both the execution
of user queries and the form in which retrieved infor-
mation is packaged“. Ferner kann jeder Suchende un-
terschiedliche Rollen mit verschiedenen Aufgaben und
Zielen einnehmen. Hierdurch konnen in jeder Situation
innerhalb des Suchprozesses Anderungen in der Rele-
vanz von Informationsobjekten und im Informations-
bedurfnis entstehen, auf die dynamisch reagiert werden
muss.
Adaptive Benutzerunterstutzung in interaktiven Informationssuchprozessen 7
Abb. 4 Das IIR-System ezDL
4 ezDL – IR in Digitalen Bibliotheken
Fur unsere Untersuchungen hinsichtlich einer effekti-
veren Unterstutzung des Suchenden setzen wir das Sys-
tem ezDL (easy [access to] digital libraries) ein. Dabei
handelt es sich um ein Java-basiertes Framework fur
interaktive IR-Anwendungen zur Anbindung digitaler
Bibliotheken (DL), dessen Entwicklung in großem Ma-
ße auf dem Vorgangerprojekt Daffodil (Distributed
Agents for User-Friendly Access of Digital Libraries)
basiert. Daffodil wurde genauso wie das Nachfolgepro-
jekt ezDL bereits erfolgreich im Rahmen verschiedener
Forschungsprojekte an der Universitat Duisburg-Essen
und an der Fernuniversitat in Hagen eingesetzt und war
bereits Bestandteil diverser Publikationen wie zum Bei-
spiel [18], [29], [26] sowie [25] und [28].
ezDL verfugt unter anderem uber eine umfangreiche
Suche, eine Suchhistorie, eine personliche Handbiblio-
thek zum Abspeichern von Suchergebnissen, eine Co-
Autorensuche, eine Referenzsuche, eine Anzeige parallel
relevanter Eintrage basierend auf implizitem Relevance
Feedback sowie uber verschiedene kollaborative Erwei-
terungen. Abbildung 4 stellt einen Screenshot der aktu-
ellen Version dar und zeigt den grundlegenden Aufbau
sowie eine Auswahl der Werkzeuge.
Wie schon zuvor Daffodil, so basiert auch ezDL
auf einem Agenten-Netzwerk, das eine modulare, er-
weiterbare und intelligente Systemstruktur realisiert.
Die grundlegende Architektur besteht im Wesentlichen
aus den drei Ebenen Benutzerschnittstelle, Dienste und
Wrapper. Die Dienste realisieren die Logik des Systems
und die interne Kommunikation zwischen den verschie-
8 Daniel Backhausen et al.
den Ebenen und Diensten sowie die Funktionalitat ein-
zelner Werkzeuge. Wrapper dienen der Integration der
verschiedenen Datenquellen, aus denen Informationsob-
jekte hinsichtlich der Suche geladen werden.
Die aktuellen Weiterentwicklungen werden von der
Universitat Duisburg-Essen gesteuert. Im Rahmen ver-
schiedener Forschungsprojekte wird ezDL als Basis fur
Weiterentwicklungen, Spezialisierungen und Evaluatio-
nen genutzt. Auch wir verwenden ezDL fur unser aktu-
elles Forschungsvorhaben, in dem wir uns dem Informa-
tionsbedurfnis und dem kognitiven Raum des Suchen-
den durch die bessere Kenntnis der situativen Kontext-
faktoren annahern. Auf Basis dieser Kenntnisse errei-
chen wir einen hohen Grad an Personalisierung, so dass
wir mittels adaptiver Techniken das System naher an
die Erfahrungen, Kenntnisse, Praferenzen und vor al-
lem Aufgaben und Ziele des Suchenden bringen konnen,
um diesen bei langfristigen Suchaktivitaten effektiver
zu unterstutzten.
5 Erfassung relevanter Faktoren
Um ein Bewusstsein uber den Kontext des Suchenden
und des Suchprozesses zu erhalten, ist es notwendig,
die hierfur relevanten Daten explizit oder aber impli-
zit im Zuge der Interaktion kontinuierlich zu speichern.
Diese Daten geben entscheidende Hinweise auf die Ak-
tionen des Suchenden, aus denen sich wiederum Infor-
mationen uber die Verwendung des Systems ermitteln
lassen. Auch [33] weisen darauf hin, dass eine kognitive
Wahrnehmung nur durch eine umfangreiche Aufnahme
samtlicher Nutzer- und Systemaktivitaten und Ereig-
nisse moglich ist.
Im Detail ermoglicht das so genannte Logging Auf-
schluss uber die Eingabe von Suchanfragen oder aber
die Verwendung der einzelnen Systemwerkzeuge. Dar-
aus lasst sich ermitteln, welche Erfahrungen und Kennt-
nisse der Nutzer bei der Suche im Allgemeinen und
mit dem System im Speziellen hat. Diese Informationen
konnen wir dann dazu verwenden, den Suchenden ak-
tiv zu unterstutzen, indem wir die Werkzeuge des Sys-
tems adaptiv entsprechend seiner personlichen Kennt-
nisse und Praferenzen anpassen.
Im ezDL Framework wurde das Logging-Konzept
aus [19] realisiert. Dabei wird die Interaktion zwischen
dem Benutzer und dem System auf verschiedenen Ebe-
nen erfasst. Wie in [27] beschrieben, sind fur die Un-
tersuchungen vor allem Daten auf den Ebenen Benut-
zer, System und Inhalt von großem Interesse. So lassen
sich auf der System-Ebene Ereignisse wie zum Beispiel
die CPU-Last oder Anderungen an der Datenbank fest-
stellen. Systeminteraktionen und das dadurch erkenn-
bare Nutzerverhalten lassen sich auf der Nutzer-System-
Ebene ermitteln. Durch das Speichern des Nutzerver-
haltens lassen sich gezielte Studien hinsichtlich der ver-
wendeten Suchstrategien oder Taktiken ausfuhren. Die-
se Ergebnisse konnen wiederum dazu verwendet wer-
den, den Suchenden auf bestimmte, situativ effektivere
Suchtaktiken hinzuweisen. Hierbei sind insgesamt zehn
Ereignisse identifiziert worden (Tabelle 1), die durch
den Nutzer ausgelost wurden und entsprechend erfasst
werden konnen.
Search Anfrage- oder Filterbedingung,Durchsuchte Quellen, Systemantwort
Navigate Verfolgen eines Link, aktuelle Quelle,Systemantwort
Inspect Untersuchtes Objekt, Systemantwort
Display Angezeigte Daten, angewand-te visuelle Transformation,Sortierungskriterium
Browse Durchsuchte Kollektion, Metho-de und Dimensionen, Richtungs-und Distanzanderung desBetrachtungspunkts
Store Menge der gespeicherten Objekte,Speicherort und Speichermethode
Annotate Annotiertes Objekt, Typ und Inhaltder Annotation
Author Neues oder verandertes Objekt
Help Frage/Notiz (optional), Typ und In-halt der System-/Expertenantwort
Communicate Typ, Inhalt und Partner der Kommu-nikation
Tabelle 1 Ereignisse und deren Attributbeispiele
Neben den klassischen statistischen Nutzungsdaten,
wie Nutzungszahlen wird durch dieses durchgehende
Logging das System in die Lage versetzt, sich dem ko-
gnitiven Raum des Benutzers implizit anzunahern, ohne
ihn durch explizite Interaktion bei der Informationssu-
che storen zu mussen. Zudem erlaubt das System so
eine eingehende Evaluation einzelner Suchsitzungen so-
wie zudem eine Langzeitevaluation im Bereich des IIR.
Aufbauend auf den ermittelten Daten wurden be-
reits unterschiedliche Aspekte der Systemunterstutzung
entwickelt. In [28] wird der aktuelle Suchkontext basie-
rend auf einer aktuellen Suchanfrage und dem Sucher-
gebnis in Form einer Ergebnisliste genauer betrachtet.
Ausgehend von verschiedenen Statistiken werden dem
Nutzer unterschiedliche Vorschlage fur seine nachsten
Schritte unterbreitet, etwa die Suche nach einem in die-
sem Bereich bekannten Autor oder Begriff.
In [33, 34] wird der vollstandige Informationsdialog
uber mehrere Suchanfragen hinweg betrachtet und zum
Vorschlagwesen herangezogen. Darauf aufbauend wird
eine fur den Nutzer relevante Ergebnismenge projiziert
Adaptive Benutzerunterstutzung in interaktiven Informationssuchprozessen 9
(dargestellt in Abbildung 5). Die dabei betrachteten
Mengen bilden den Kontext der Informationssuche und
bestehen etwa aus der Menge der Resultate unterteilt
in gesehene und ungesehene (Ereignis: Search), gespei-
cherte (Ereignis: Store) und untersuchte (Ereignis: In-
spect) Objekte.
Abb. 5 Sequenz von nachfolgenden Anfragen
Durch ein neues Task-Werkzeug kann der Nut-
zer fortan seine Aufgaben und Interessen anlegen und
damit auf eine besondere Art der Unterstutzung bei
exploratorischen Suchaktivitaten – wie die auf die ak-
tuelle Aufgabe bezogene Suchhistorie – zuruckgreifen.
Wir sind daruber hinaus damit in der Lage, Aktivitaten
sitzungsubergreifend zu erfassen und Langzeitevalua-
tionen vorzunehmen. Die Zuweisung von gespeicherten
Aktivitaten und Ereignissen zu einem bestimmten Task
erlaubt es dann, Empfehlungen und adaptive Funktio-
nen innerhalb von ezDL bereitzustellen.
6 Anpassung an den Suchenden
Anfrage-orientierte Retrieval-Systeme, wie sie in den
meisten Anwendungsumgebungen oder auch im Inter-
net (web retrieval) anzutreffen sind, unterstutzen nicht
ausreichend diese iterative und exploratorische Vorge-
hensweise, die fur das Auflosen komplexer Aufgaben
oder Frage- und Problemstellungen zwingend erforder-
lich ist. In vielen Fallen bedeutet das Schließen der
Anwendung oder des Browsers den Verlust des bis da-
to gewonnenen Suchfortschritts. Auch ein Blick in ei-
ne Suchhistorie ist oftmals nicht mehr moglich. Zudem
fehlt in den meisten Systemen die Kennzeichnung der
Informationsobjekte, die bereits in einer vorherigen Sit-
zung als relevant oder eben nicht relevant erachtet wur-
den. Dadurch verzogert sich zwangslaufig das Auffinden
benotigter Informationen und dadurch auch in der Re-
gel das Losen einer Aufgabe oder Problemstellung.
Die Tatsache, dass das Informationsbedurfnis des
Suchenden dynamisch ist und sich von Situation zu
Situation verandern kann, erfordert es, dass sich IR-
Systeme den sich andernden Faktoren und den dyna-
mischen Bedingungen adaptiv anpassen.
Adaptivitat bezeichnet in der Biologie und Technik
die Anpassungsfahigkeit eines Objekts an seine Um-
welt. Sie erfolgt durch die Analyse des Umfelds und
das Wahrnehmen von Veranderungen. In der Informa-
tik ist ein adaptives System ein System, das sein Er-
scheinungsbild und Verhalten entsprechend der vorlie-
genden Informationen verandert und an die neuen Be-
dingungen anpasst. Diese Informationen erhalt das Sys-
tem von verschiedenen Schnittstellen, uber die es mit
seinem Umfeld kommuniziert. Adaptivitat erweitert das
Konzept der Personalisierung, die wiederum auf einem
Benutzermodell (user model) beruht. Mit dem Fokus
auf adaptive Hypermediaanwendungen definiert [8] drei
Kriterien, die personalisierte Systeme erfullen mussen:
“it should be a hypertext or hypermedia system, it
should have a user model, and it should be able to ad-
apt the hypermedia using this model”. Diese Kriterien
konnen fur jede Art von Anwendung, die uber eine Be-
nutzerschnittstelle verfugt, generalisiert werden.
Abb. 6 Adaption in Abhangigkeit des Benutzermodells nachBrusilovsky aus [8]
Abbildung 6 zeigt die Abhangigkeit zwischen Ad-
aption und Benutzermodell und das dieses Modell im
Allgemeinen auf den Daten eines Benutzers basiert. Zu
diesen Daten gehoren zum einen explizite Informatio-
nen wie der Name oder der Beruf, die vom Benutzer
ausdrucklich bekannt gegeben werden. Eine explizite
Anpassung des Systems kann zum Beispiel durch die
Einstellung der Schriftgroße erfolgen. Zum anderen ba-
sieren diese Daten auf vergangenen und aktuellen Er-
eignissen, die aus den Aktivitaten des Benutzers mit
dem System stammen [25]. Diese Informationen, die
sich primar aus der Interaktion des Benutzer ermitteln
lassen, speichern wir mit Hilfe des in Kapitel 5 vorge-
stellten Loggings. Das Speichern der Nutzungsdaten ist
fur eine adaptive Unterstutzung unerlasslich, denn sie
geben Aufschluss uber die Aktivitaten, Einstellungen,
10 Daniel Backhausen et al.
Praferenzen und Kenntnisse des Nutzers. Nur so ist es
moglich, bewerten zu konnen, in welcher Form und Si-
tuation zum Beispiel durch personalisierte Empfehlun-
gen (recommendations) dem Anwender besser geholfen
werden kann.
Ohnehin bilden Empfehlungen eine wesentliche Hil-
fe wahrend des Informationssuchprozesses. Die einfachs-
te Form eines Empfehlungsdienstes sind die aktuellen
Musikcharts, die auf die derzeit in der Allgemeinheit be-
liebtesten Musikstucke verweisen. Komplexere Empfeh-
lungssysteme basieren hingegen auf dem Konzept der
Personalisierung und integrieren unterschiedliche Fak-
toren wie beispielsweise ein Themengebiet, personliche
Praferenzen des Nutzers oder aber seine sozialen Kon-
takte.
Bei der Benutzerunterstutzung spielen Empfehlungs-
systeme (Recommender Systems (RS)) eine wichtige
Rolle. Sie helfen dem Nutzer bei Entscheidungen, wei-
sen auf verwandte Themen oder Informationsobjekte
hin und ermoglichen es, neue soziale Kontakte zu ande-
ren Menschen aufzubauen, die identische Aufgaben und
Interessen verfolgen. Nach [38] sind Empfehlungssyste-
me “software tools and techniques providing suggesti-
ons for items to be of use to a user [which are related to]
various decision-making processes, such as what items
to buy, what music to listen to, or what online news
to read”. Empfehlungssysteme sind “directed towards
individuals who lack sufficient personal experience or
competence to evaluate the potentially overwhelming
number of alternative items”.
Nach [24] kennzeichnet sich ein Empfehlungssystem
als ein System, “das einem Benutzer in einem gege-
benen Kontext aus einer gegebenen Entitatsmenge ak-
tiv eine Teilmenge nutzlicher Elemente empfiehlt.”. Der
hier genannte Kontext besteht nach Klahold aus dem
Benutzerprofil, der Menge der Entitaten und der Si-
tuation. Das Profil wird definiert aus den implizit oder
explizit gewonnenen Informationen. Explizit gewonne-
ne Informationen sind Daten wie zum Beispiel Name,
Alter, Beruf oder aber auch Produktbewertungen, die
der Benutzer freiwillig angegeben hat. Andererseits be-
ruhen implizite Informationen zumeist auf statistischen
Daten (zum Beispiel Art und Anzahl der Suchanfra-
gen), die durch das System ermittelt werden konnen.
Die Situation wird nach Klahold aus den Bedingungen
des Umfelds – also dem Kontext gewonnen.
Nach [1] beruhen Empfehlungsdienste oftmals auf
den explizit vom Anwender bewerteten Ergebnissen.
Dieses Verfahren der schrittweisen Anpassung von Er-
gebnislisten durch Bewertungen, wird Relevance Feed-
back genannt. Die Bewertung erfolgt entweder binar
(relevant oder nicht relevant) oder aber uber mehre-
re Stufen (zum Beispiel 0 bis 5 Sterne oder aber in
Prozent). Anhand dieser Interaktion zwischen Benutzer
und System ermittelt dann letzteres eine optimierte Er-
gebnisliste, in denen die Eintrage deterministisch naher
an den zuvor als relevant gekennzeichneten Ergebnissen
liegen. Auch diese, durch den Benutzer explizit angege-
benen Informationen fließen in unsere Datenbasis ein
und erlauben es, darauf aufbauend situationsabhangig
eine starkere Anpassung fur zukunftige Empfehlungen
zu ermoglichen.
Basierend auf den umfangreich gesammelten Daten
uber die kontextuellen Faktoren (siehe Kapitel 3) und
dem Nutzerverhalten lassen sich Empfehlungssysteme
noch genauer an das Bedurfnis und an die situativen
Anforderungen des Suchenden anpassen. An dieser Stel-
le mochten wir zudem auf einen weiteren Beitrag von
Kriewel innerhalb dieser Publikation verweisen, der sich
mit Interaktivem Retrieval und situationsabhangigen
Vorschlagen auseinandersetzt.
Anknupfend an die Forschungsarbeiten von Kriewel
betrachten wir den Suchprozess uber mehrere Sitzungen
hinweg, wie dies bei der bereits zu Anfang erwahnten
exploratorischen Informationsfindung der Fall ist. Wir
mochten eine Verbesserung vor allem bei einer dauer-
haften Verwendung von IR-Systemen in tagtaglichen
Aufgabenstellungen erreichen. Innerhalb der aktuellen
Forschungsarbeiten ist es deshalb ein Ziel, nicht nur
Empfehlungen auf die Situation zu beziehen und zu
personalisieren, sondern zu erreichen, dass sich die An-
wendung im Allgemeinen starker an die sich andernden
Bedurfnisse und Ziele des Benutzers sowie der kontextu-
ellen Faktoren anpasst. So sollen die verfugbaren Werk-
zeuge in ezDL sich an die Kenntnisse, Praferenzen und
Anforderungen des Anwenders anpassen. Haufig ver-
wendete Werkzeuge sollen starker in den Vordergrund
gebracht werden. Eine Historie uber vergangene Akti-
vitaten und Suchergebnisse sowie aktuelle Aufgaben-
stellungen sollen dazu beitragen, dass eine explorato-
rische Suche uber mehrere Sitzungen hinweg effektiver
durchgefuhrt werden kann.
Ferner untersuchen wir aktuell die Verwendung des
ezDL-Frameworks fur mobile Endsysteme, auf denen ei-
ne Anpassung an den Kontext des Anwenders hinsicht-
lich physikalischer Gegebenheiten noch starker deutlich
wird. Durch Adaptivitat soll sich hierbei die Anwen-
dung automatisch an die eingeschrankten Gegebenhei-
ten einstellen und gemaß der Kenntnis uber den Nutzer
die situativ optimalen Einstellungen vornehmen.
7 Fazit
Im Allgemeinen gehen wir mittlerweile innerhalb der
IS&R-Forschung von einem dynamischen Informations-
bedurfnis des Suchenden aus. Dies fuhrt mitunter zu
Adaptive Benutzerunterstutzung in interaktiven Informationssuchprozessen 11
großen Herausforderungen bei der Entwicklung von IR-
Systemen. Vor allem bei sitzungsubergreifenden und
komplexen Aktivitaten wie der exploratorischen Suche,
lasst sich ein solch dynamisches und wechselhaftes Ver-
halten hinsichtlich des Informationsbedurfnisses hervor-
ragend beobachten. Zudem werden gerade langfristi-
ge Suchprozesse stark von der jeweiligen Situation des
Nutzers und des Systems beeinflusst. Um den Suchen-
den jedoch gerade bei diesen Aktivitaten effektiver un-
terstutzen zu konnen, ist es unserer Meinung nach zwin-
gend erforderlich, wesentliche Informationen uber die
Interaktion, das Verhalten und die Nutzung des Sys-
tems zu ermitteln, zu speichern und intelligent zu ver-
arbeiten. Hierfur sind auch die Kenntnis und das Be-
wusstsein uber die wesentlichen Faktoren des Kontextes
relevant.
Auf Basis der ermittelten Daten lassen sich dann si-
tuative und starker personalisierte Empfehlungen hin-
sichtlich moglicher relevanter Inhalte erzeugen. Aber
diese Daten helfen auch, den Nutzer bei der Auswahl ef-
fektiverer Strategien und Taktiken zu unterstutzen. Zu-
dem ist eine genauere Personalisierung des IR-Systems
und der dort integrierten Werkzeuge uber adaptive Tech-
niken moglich, so dass diese sich den Praferenzen, Er-
fahrungen und situativen Faktoren anpassen konnen
und dadurch zu einer effektiveren Systemunterstutzung
fuhren.
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