2012 - Wann begann die Europäische Religionsgeschichte? der Hellenistisch-römische Mittelmeerraum...

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47 ]ÖRG RÜPKE Wann begann die Europäische Religionsgeschichte? Der hellenistisch-römische Mittelmeerraum und die europäische Gegenwart I, Einführung Tm Rahmen einer Ringvorlesung zu Merkmalen der Religionsgeschich- te Europas ist es zwar nicht notwendig, aber doch hilfreich, sich mit Anfangen zu beschäftigen, Aber gegen die Erwartungen, die der Un- tertitel vielleicht wecken mag, möchte ich weder normative Aussagen über "Europa" noch Behauptungen zu absoluten Anfängen mache!L Ebenso fern liegt es mir, die Frage der politischen Kontinuität des Rö- mischen Reichs und seiner Nachfolgerstaaten zu den süd-, west-, mit- tel- und südosteuropäischen Teilen der Europäischen Gemeinschaft zu behandeln, über sprachliche Kontinuität von römischen Sprachen oder die überwältigende Kontinuität des griechischen philosophischen Denkens zu sprechen. Entsprechend ist mein Titel auch keine politi- sche Erklärung über die Integration der Türkei, Marokkos oder Israels und Palästinas um einmal die wahrscheinlichsten Kandidaten für die Europäische Union zu benennen. Stattdessen denke ich über die Folgen für eine Rel igionsgeschichre Europas nach, wenn man diese mit den alten Mittelmeerimperien beginnt 1 - und möchte zugleich einen Einblick in laufende Erfurter religiollSwissenschaftliche Forschungen geben. Mit einer Genealogie zu beginnen heißt, über die Gegenwart zu sprechen. lcb erzähle eine lange Geschichte, um von der Bedeutung dieser Geschichte für heute zu überzeugen. Eine kulrurwissenschafrli- ehe Religionsforschung konzentriert sich dabei nicht auf Religion als solche, sondern auf ihre Position in und ihre Verbindung mit Nicht- Religiösem, mir Gcsellschafl und Kultur, Daher ist die These. die ich vortragen werde, die dass im Verlauf des historischen Phäno- mens. das wir als Religion konzeptualisieren und dem wir Bedeutung für das Europa von heute zumessen, in der hellenistisch-römischen Zeit eille wichtige Änderung geschah. Konkret lalltet meine 20,10,2011 14:45:261

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Wann begann die Europaumlische Religionsgeschichte Der hellenistisch-roumlmische Mittelmeerraum und die europaumlische Gegenwart

I Einfuumlhrung

Tm Rahmen einer Ringvorlesung zu Merkmalen der Religionsgeschichshyte Europas ist es zwar nicht notwendig aber doch hilfreich sich mit Anfangen zu beschaumlftigen Aber gegen die Erwartungen die der Unshytertitel vielleicht wecken mag moumlchte ich weder normative Aussagen uumlber Europa noch Behauptungen zu absoluten Anfaumlngen macheL Ebenso fern liegt es mir die Frage der politischen Kontinuitaumlt des Roumlshymischen Reichs und seiner Nachfolgerstaaten zu den suumld- west- mitshytel- und suumldosteuropaumlischen Teilen der Europaumlischen Gemeinschaft zu behandeln uumlber sprachliche Kontinuitaumlt von roumlmischen Sprachen oder die uumlberwaumlltigende Kontinuitaumlt des griechischen philosophischen Denkens zu sprechen Entsprechend ist mein Titel auch keine politishysche Erklaumlrung uumlber die Integration der Tuumlrkei Marokkos oder Israels und Palaumlstinas um einmal die wahrscheinlichsten Kandidaten fuumlr die Europaumlische Union zu benennen Stattdessen denke ich uumlber die Folgen fuumlr eine Rel igionsgeschichre Europas nach wenn man diese mit den alten Mittelmeerimperien beginnt1

- und moumlchte zugleich einen Einblick in laufende Erfurter religiollSwissenschaftliche Forschungen geben

Mit einer Genealogie zu beginnen heiszligt uumlber die Gegenwart zu sprechen lcb erzaumlhle eine lange Geschichte um von der Bedeutung dieser Geschichte fuumlr heute zu uumlberzeugen Eine kulrurwissenschafrlishyehe Religionsforschung konzentriert sich dabei nicht auf Religion als solche sondern auf ihre Position in und ihre Verbindung mit NichtshyReligioumlsem mir Gcsellschafl und Kultur Daher ist die These die ich vortragen werde die dass im Verlauf des historischen Phaumlnoshymens das wir als Religion konzeptualisieren und dem wir Bedeutung fuumlr das Europa von heute zumessen in der hellenistisch-roumlmischen Zeit eille wichtige Aumlnderung geschah Konkret lalltet meine

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dass uumlberoumlrtlich organisierte Religionen die fuumlr einzelne Opoumlonen bilden und Gegenstand rechtlicher Regelung durch den Staat sein koumlnnen mit Gewinn zuruumlck in die hellenistisch-roumlmische Periode vershyfolgt werden koumlnnen Dieser Beitrag wird uumlber die Ausbildung dieser Merkmale reflektieren nicht uumlber den weiteren Verlauf oder gar eine lineare Entwicklung

Zuvor muss aber ein anderes Problem angegangen werden Wenn akzeptiert wird dass die Formen der beschriebenen Religion heute wichtig sind und ich will nicht behaupten dass dies die einzigen Formen sind - wird man feststellen muumlssen dass dieses Phaumlnomen nicht auf Europa beschdnkt ist Meine vorgetragene Beschreibung von Religion liegt sogar nahe bei der verbreiteten Vorstellung vonXTeltshyreligionen von Formationen mithin die nicht nur auszligerhalb von Eushyropa existieren sondern sogar Genealogien aufweisen die jenseits von Europa und Mittelmeer ihre Urspruumlnge suchen

Hier muss nun kurz an die Vorstellung VOll der Achsenzeit ershyinnert werden Der nicht von Kar Jaspers erfundene aber von ihm verwendete und eine moderne Debatte2 praumlgende Ausdruck bezeichshynel die Erfindung der Transzendenz (so Shmuel Eisenstadt) oder die Erscheinung von theoretischer Kultur (so Merlin Donald) beides Prozesse die zu einer Spannung zwischen einer theoretischen oder uanszendelllen Ordnung und der tatsaumlchlich vorfind baren Ordnung fuumlhren Auf diese Art sind neue Perspektiven auf die eigene Cesellshyschaft moumlglich ein nelle Reflexivitiit begonnen von Intellektuellen die auf die Institutionalisierung von Alternativl110dellen der Gesellshyschaft zielen

Die bisherigen Diskussionen uumlber die Achsenzeit (oder sogar mehrshyfache axialities)l haben mehr und mehr Kulturen (oder zivilisatorishysche Formierungen) und Perioden eingeschlossen aber das roumlmische Reich vor der Spaumlt antike sorgfaumlltig umgangen Griechenland und altes Israel China und Indien vielleicht der (nach-) zarathustrische Ifltm sind die Primaumlrdurchbruumlche Christentum und Islam das heiszligt spaumlte und sehr spaumlte Antike gelten zumindest als sekundaumlre Durchbruumlche

Das Konzept einer Achsenzeit hat das Verdienst dass es Eurozentshyrismus klar vermeidet Das Fehlen einer geographischen Engfuumlhrung wird jedoch durch eine gewisse monotheistische Engfuumlhrung kompenshysiert Diese resultiert weniger aus der Idee der notwendigell DifIerenz der transzendenten Ordnung als aus der Suche nach der Genealogie der heutigen Weltreligionen Daher haben weder der fruumlhe Hinduisshy

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mus noch die griechische Religion trO(z der Einbeziehung von Sokra~ tes Berticksiclltigung gefunden

Die Vorstellung axIaler Zivilisationen ist seit langem von kruden Kausalitaumlten befreir worden Eisenstadt hat bereits eine groumlszligere Anzahl von intellektuellen politischen sozialen religioumlsen und kulturellen Veraumlnderungen identifiziert juumlngere Studien haben die Bedeutung von Winschaftstmiddottuoren in einer mittelalterlichen Achsenzeit betont Auf der Grundlage einer Neuinterpretation von Karl Jaspers Konzept der Achsenzeit und eines langen Austausches mit Shmuel Eisenstadt hat Bjoumlrn Wittrock versucht die Vorstellung von Axialitaumlt so allgeshymeinen wie nur moumlglich zu konzeptualisieren Derart schlieszligt er eine groszlige Anzahl von kulturell bestimmten Konkretisierungen aus um zugleich eine Vielfalt verschiedener Reaiisierungen und folglich vershyschiedener PFade von Entwicklung zuzulassen

Was nicht kulturell bestimmt ist bleibt die Idee dass eine Achsenshyzeit eine Periode tiefgreifender Aumlnderungen von Grunddimensionen menschlicher Existenz ist naumlmlich textlich greifbarer radikaler Aumlndeshyrungen im reflexiven Bewusstsein in der Kosmologie der Historizitaumlt Sozialitaumlt und der agentiality der individuellen Handlungskompeshytenzl Diese Minimaldefinitionlegt den Akzent auf eine intellektuelle Entwicklung waumlhrend sie zur gleichen Zeit betont dass politische und oumlkonomische institutionelle Veraumlnderungen fuumlr die Identifikashytion ebenso wichtig sind wie fuumlr die tatsaumlchliche Formierung axialer Kulturen Das historische Problem freilich wie Wittrock betont ist auf diese Are gerade nicht geloumlst nIe most important direction in future research i5 to speil out the links between the set of intellecshytual and cosmological breakthroughs and sea-changing inscicutional transformations that a limited sense of the concept of the Axial Age denotes R Man kann Achsenzeit nicht laumlnger als Abkuumlrzung fuumlr Aumlhnlichkeiten in den Vomellungen einiger weit von einander entshyfernter religioumlser Griindungsfiguren verwenden Wenn er uumlberhaupt verwendet wird bezieht sich der Ausdruck auf eine Interaktion zwishyschen Religion und politischem Raum bezieht sich nicht auf inhaumlshyrente Qualitaumlten von Glaubenssysremen sondern auf komplexe kul~ turelle Konstellationen

Ich habe mich aus zwei Gruumlnden mit dem Konzept der Achsenshyzeit aufgehalten Zum einen erinnert uns der Ausdruck daran dass Erklaumlrungen auf derselben Skala wie die Groumlszligenordnung der zu erklaumlshyrenden Phaumlnomene gesucht werden muumlssen wie Greg Woolf es betont

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hat als er auf die wichtige Rolle der Ausbildung von Reichen fuumlr die Entwicklung von achsenzeitlichen Religionen hinwies~ Zum anderen ist die hellenistisch-roumlmische Epoche alles andere als marginal fuumlr die klassische Achsenzeitkonzeption wenn wir uns nicht auf Gruumlnderfigushyren sondern auf die sich ausbildenden religioumlsen Traditionen schaushyen Diese Epoche ist fuumlr das Verstaumlndnis des fruumlhen Christentums des rabbinischen Judentums und des zirkummediterranen Islam entscheishydend sie stand in kulturellem Austausch mit Indien wie dem Iran importierte Ideen wie den Dualismus und die Gymnosophisten die nackten Jogiphilosophen exportierte wichtige Medien wie Muumlnzen mit religioumlsen Abbildungen und einen Typ von Statuenportraumlt der die direkte Abbildung des Buddhas (anstelle von Zeichen wie dem leeren 111ron) verbreitete Zumindest geht es also um die Kinderstube seshykundaumlrer axialer Zivilisationen die dem Einfluss der primaumlren axialen Ideen und Institutionen vollstaumlndig ausgesetzt war

2 Die EntJtehung von Religionen

Uumlber Riiume von subkontinentaler Groumlszlige als Ursprungsorte zu reden ist eher irrefuumlhrend Ich werde gleich wieder auf die Groumlszlige politischer Formationen als historischer Faktor zu sprechen kommen muss aber zunaumlchst den ganz lokalen Charakter nicht nur antiker Religionen beshytonen Zu Recht ist Religion als in soziale und politische Strukturen und Praktiken eingebettet beschrieben worden als lokale Gegebenheit mithin Von einem lokalen Charakter zu sprechen bedeutet aber nicht dass - wie Begriffe wie Polisreligion oder civic cults suggerieren reshyligioumlse Praktiken sich allein auf politische Identitaumlt konzentrieren oder von den Investitionen der Elite in religioumlse Infrastruktur dominiert werden Daraus folgt dass die Rede von - zum Beispiel - Athener oder roumlmischer Religion ebenso problematisch ist wie die Rede von einer Mehrzahl von Religionen in oder von Athen Das gilt fuumlr helleshynistische Staumldte nicht anders als fuumlr roumlmische So soll im folgenden das Augenmerk zunaumlchst auf eine einzelne Stadt auf Rom gerichtet wershyden eine Stadt deren Rolle Hlr die Ausbildung des Begriffs Religion wie fuumlr seine rechtliche Rahmung ftir die europaumlische Geschichte am folgenreichsten gewesen ist

Aufgrund kontinuierlicher KO(1(akte seit den fruumlhen Urbanisieshyrungsphasen hatte Rom die Stadt am Rande der griechischen Welt

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keine Probleme mit der Aufnahme und Akkulturation griechischer Einfluumlsse ob es sich nun um Mater rnaglJil aus Kleinasien oder Venugt Ercina aus Sizilien handelte deg Erst aus dem vierten Jahrhundert n Chr blickte Firmicus Matert1l1S auf eine roumlmische Gesellschaft zuruumlck deren Infektion mit dem Import des Kults von Ceres bzw ProSuumlpishyna aus dem sizilianischer Enna begonnen hatte (Errores profonarum religionum 7) Nach Ausweis Ciceros blieben noch Mitte des ersten Jahrhunderts v Chr das heiszligt am Ende der roumlmischen Republik andere kulturelle und religioumlse Raumlume einfach exotisch waren weder gefahrlich noch adaptierbar so etwa die syrischen Fischgoumltter und die aumlgyptischen Tiergoumltter (Cicero De natura deorum 339 Aumlgyptisches erneut in 348) oder eine indische Variante des Iuppiter (342 Belw dh Baal) Die Existenz von aumlgyptischen Varianten von Goumlttergeneashylogien wurden haumlufiger notiert (354 ff) aber ihnen wurde nicht der Status von gefahrlichem Wissen zugemessen Solche Genealogien wurshyden als entfernte lokale Varianten wahrgenommen und gewannen keishyne Bedeutung uumlber jene Orte hinaus Wie die Roumlmer ihre oumlffentliche Religion hatten hatte andere ihre (Cicero Pro Facco 69) und diese konnten miteinander verglichen werden (De natura Deorum 28) Cishycero venvendet in diesem Zusammenhang aber keine Mehrzahl Sua cuique civitati religio Laeli est nostra nobts - jeder hat seine Religion wir haben unsere ist in der Rede fuumlr Flaccus ein Ausruf eine Deklaration radikaler Differenzen nicht der Verweis auf sinnvolle Wahlmoumlglichkeiten oder eine irgendwie bedeutungsvolle Koexistenz In der langen Geschichte des Roumlmischen Reiches das hellenistische Strukturen und Entwicklungen integrierte musste diese Position reshyvidiert werden

Das Einstroumlmen von Kulten nach Rom ihr Bluumlhen in Rom und die haumlufige Errichtung eines roumlmischen Zentrums von Kulten die an anderen Orten entstanden waren (wie im Falle der his oder des CI1fistentums) ist im Detail in der modernen Forschung beschrieben worden 11 Rom die Hauptstadt fesselte und fesselt das Interesse von modernen wie antiken Intellektuellen Jeder ehrt seine Goumltter und die Roumlmer sie alle ist die zusammenfassende Beobachtung von Caecilius einer Figur in dem von Minucius Felix um 220 n Chr geschriebenen fruumlhchristlichen apologetischen Dialog Octavius (61) Caecilius legt dabei seinen Akzent auf den Kult (63-71)

Solch eine romzemrierte Sicht ist fuumlr den Immigranten aus Nordshyafrika ist fuumlr Minudtls verstaumlndlich Roms Position war jedoch nicht

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einzigartig Das Gleichnis von Rom als Tempel der ganzen Velt vershywendet eine Phrase die der hermetische Traktat Asclepius fuumlr Aumlgypshyten verwendet Eine auszligergewoumlhnliche Mobilitaumlt ermoumlglicht durch die Strukturen den Bedarf und die Moumlglichkeiten des Roumlmischen Reiches modifizierte die religioumlse Landschaft uumlberall Das wurde von demselben Beobachter mit seinen Erfahrungen aus Rom und Nordshyafrika wohl wahrgenommen So laumlsst Minucius Felix seine Figuren auf eine Zeit zuruumlckblicken bevor der Globus dem Handel geoumlffnet wurde und die Voumllker ihre Riten und Sitten vermischten (206) Die Veraumlnderungen gingen aber weit uumlber das Ritual hinaus und dieser Entwicklung muss ich mich jetzt zuwenden

Begriffe wie cuUumlUJ srcra oder crterimoniae aber sogar der eher auf das Kognitive lielende Begriff religio (und sein Plural) konnten kaum die Realitaumlt der Bildung von Gruppen reflektieren die religioumlse Symboshyle zur Formulierung einer Gruppenidentitaumlt verwendeten Im Rahmen antiker Religion korrespondierte der Kult einer bestimmten Gottheit nur gelegentlich mit Gruppengrenzen er bildete eher ein geteiltes und zwar wichdges aber kaum exklusives Zeichen Diese Tatsache stellt die uumlbliche Interpretation von Sammlungen inschriftlicher und archaumloloshygischer Corpora zum Kuh (wohlgemerkt Singular) einer bestimmten Gottheit in Frage Mit den beruumlhmten Corpora cutult religionis konshystruiere die moderne Forschung eine uumlberregionale religionsgeschichtshyliehe Einheit Kult die es so in der Antike gar nicht gegeben hat

Es entstanden andere terminologische Loumlsungen mit diesen vielshyf-ilrigen Aspekten umzugehen Secta das das griechische hairesis uumlbershysetzte wurde in erster Linie verwendet um philosophische Schulen seit dem fruumlhen Hellenismus zu unterscheiden konnte aber auch fuumlr juumldische Gruppen wie Sadduzaumler oder Pharisaumler verwendet werden Der Ausdruck ist bei Cicero selten der es haumlufiger nur fuumlr politische starr philosophische Gruppen verwendete aber erscheint haumlufiger vom ersten Jahrhundert an Er ist im sogenannten luumlleranzerlass von 311 n Chr belegt (Llctanrius De mortibus persecutorum 34) Hier blickte der Kaiser Licinius auf seinen fruumlheren Versuch zuruumlck die Christen wieder zu Sinnen zu bringen da sie die Sekte ihrer Eltern (341) verlassen haumltten Der Ausdruck wird sehr haumlufig fuumlr alle Arten von Sekshyten in den im sechzehnten Bucb des Lodex 7heodosianus gesammelten Normen verwendet (insbesondere 165) einschlieszliglich einiger Faumllle von katholischer oder orthodoxer SekteY

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Wenn vergleichbare und - das ist wichtig reversible Wahlmoumlglichshykeiten in BeZllg auf verschiedene philosophische Schulen ausgedruumlckt werden konnten implizierte dies einen Wissensvorat wie - und auch dies ist wichtig - einen eigenen Lebensstil Durch den Ausdruck discishyplina konnte dieser Akzent auf Lebensfuumlhrung auf bestimmte religioumlse Spezialisten angewandt werden erwa Zauberer etruskische Eingeshyweideschauer oder Auguren sogar schon in der spaumlten Republik Der Sprachgebrauch wurde zur Erfassung einer weit groumlszligeren Vielfalt von religioumlsen Praktiken durch die christliche Apologetik seit dem Ende des zweiten Jahrhunderts erweitert und erreichte im vierten Jahrhunshydert offizielle Texte

Im Verlauf der Ausdehnung des Imperiums seiner umfangreichen Verschiebung von Personen und seiner Delegitimierung von lokalen Autoritaumlten U waren solche Komplexe religioumlser Zeichen und I-Iandshylungen zu mehr geworden als natuumlrliche Folge der Ehrfurcht vor einer bestimmten Gottheit Sie wurden rationaler Interpretation und Ershyklaumlrung unterzogen Sie wurden an universalen Humanitaumltsstandards gemessen Fuumlr eine wachsende Anzahl von Menschen waren sie ein notwendiger Teil (aber ich muss betonen nur Teil) ihrer Lebensform geworden Die Aufteilung zwischen Oumlffentlichkeit und Privatem konnte darauf nichr mehr angewandt werden Diese Sozialformen washyren ein oumlkonomischer und politischer Faktor Sie waren ein Medium eines funktionell nicht-religioumlsen Diskurses

Im einzelnen waren diese Elemente weder neu noch konsistent Sie konvergierten aber mit terminologischen Veraumlnderungen mit ratio und jides Vernunft und Glauben die religio kontrollierten mit der Betonung von wahrer Religion mit disdplilUJ Lebensfuumlhrung und Moral H und mir secta eine Gruppierung die weder oumlffentlich noch privat ist Durch ihre Verwendung von Inschriften Bildern und Arshychitektur wurde Religion eines der wichtigsten Medien oumlffentlicher Kommunikation

Die Mobilitaumlt von intensiver organisierten Anhaumlngern durchaus nicht im Falle jeder Gottheit jeder religio und jedes mltus schuf das Problem der uumlberoumlrtlichen Wiedererkennbarkeit Dies wurde durch Annaumlhtfungen an eine ikonographische Standardisierung des Kultbilshydes im Falle des Mithras durch ungewoumlhnliche Ritualen und aumlgypshytische Dekorationen im Falle der sis erreicht durch den Austausch von Brieten und Sammlungen von Erzaumlhlungen im Falle von Christen

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durch den Versuch jeden Aspekt des Lebens zu regulieren im Falle der rabbinischen Autoren der Mishna in Palaumlstina

Um den gesellschaftlichen Ort eines solch aufgeladenen Konzepts von Religion und das Auftreten von Kulten die Grenzziehung beshytreiben zu definieren griff die roumlmische Verwaltung vor allem seit den Kaisern Aurelian und Diocletian am Ende des dritten Jahrhunderts auf Gesetzgebung wenn notwendig auf strafrechtliche Erlasse und walttaumltige Verfolgungen zuruumlck Einige Formen vom Judentum tentum und Manichaumlismus waren unter den Uumlberlebenden aber die beschriebene Entwicklung hatte die Entstehung einer weit groumlfSeren Fuumllle VOll Religionsgemeinschaften zur Folge gehabt - eine Tatsache die in Achsenzeit-Darstellungen normalerweise uumlbersehen wird Auch Religionsgeschichtsschreibung ist noch immer in der Regel die Geshyschichte der Sieger

3 fndividutlliJierung

Ollensichtlich erfuhr die hellenistisch-roumlmische Epoche eine Entwickshylung einer Vielfalt von dicht organisierten teils professionalisierten Systemen von Symbolen Praktiken und Gruppenbildungen - ich vershymeide immer noch den BegrifF Religionen dessen konfessioneller und exklusiver Charakter kaum vor dem Ende der Periode charakteshyristisch wmde Ich schlage vor den Begriff Religionisierung oder Rcligionifizierung auf diesen Prozess anzuwenden der eine weit reishychende obschon nicht irreversible Veraumlnderung des gesellschaftlichen Ortes von Religion einschloss Jonathan Zittel Smiths Modell eines Uumlberganges von lokativer politisch eingebetteter und zur Legitimation der bestehenden Herrschaft verzweckter Religion in utopische Relishygion die das Ideale jenseits des Bestehenden denkt ist hier sehr hilfshyreich l ) Gleichwohl muumlssen wir bedenken dass die roumlmischen wie byshyzantinischen Formen des Christentums schnell in ausgepraumlgtem MaBe lokative Religionen wurden Mit der hellenistisch-roumlmischen AlHike anzufangen bedeutet weder Forrschrittsgeschichten zu erzaumlhlen noch die Vergangenheit anachronistisch zu aktualisieren

Gleichwohl wage ich es einen zweiten Begriff einzufuumlhren nun keinen Neologismus wie Religionisierung aber einen der der Geshyfahr des Anachronismus der falschen Aktualisierullg noch staumlrker ausshygeliefert zu sein scheint naumlmlich Individualisierung Das theoretische

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Interesse ist aumlhnlich gelagert Wenn Religionisierung den prekaumlren und kontingenten Charakter der system ischen und institutionellen Dimension von Religion und ihre Stelle in und ihr Verhaumlltnis zur Geshysellschaft thematisiert zielt Individualisierung direkt auf die einzelne Person als Ort von Erf1hrung und ageney Handlungskompetenz und ihrer welchselseitigen Abhaumlngigkeit von und mit der Gesellschaft wie Religion Vieder muumlssen Vorstellungen von Fortschrirt und anachroshynistischer Aktualisierung vermieden werden Es waumlre schwierig das komplexe Syndrom VOll De-Traditionalisierung biographischer Zushywendung zu sich selbst permanellter Rellexivitaumlt und narzistischem Trieb zu Authentiziaumlt wie sie als typisch fuumlr zeitgenoumlssische Individuashylisierung in einer juumlngeren Diagnose formuliert worden sind schon in der An ike zu identifizierenltgt

Wie kann demnach solch ein Begriff religionsgeschichtlich fruchtshybar gemacht werden Zwei Maszlignahmen muumlssen werden Die erste heiszligt die Begrifflichkeit zu klaumlren Entsprechend neuen Diskussishyonen schlage ich vor Individualisierung zu beschraumlnken auf umfangshyreiche strukturelle oder diskursive Veraumlnderungen also langlaufende historische Prozesse die nur aus einer Vielzahl von Einzelbefunden ershyschlossen werden koumlnnen 17 Naruumlrlich bezieht sich Individualisierung auf wachsende Grade VOll Individtlaliraumlr Zu deren Definition wuumlrde ich vor allem auf de-traditionalisiertes Handeln als Merkmal verweishysen Damit entstehen faktische Unterschiede und explizite Distinktioshynen im Vergleich zu anderen und derem Handeln das kann zwischen Perfektion und Devianz nicht mehr nOfmgerechtem Verhalten lieshygen Solche Begriffe implizieren dass Individualitaumlt selbst kein rein beschreibender Begriff ist sondern auf zeitgenoumlssische Diskurse und Sachzwaumlnge verweist Um solche Dillerenzen fuumlr antike Gesellschaften abzubilden schlage ich vor fuumlnf verschiedene Arten der Individualitaumlt zu unterscheiden

- praktisclle Individualitaumlt moralische Individualitaumlt kompetitive Individualitaumlt

- repraumlsentative Individualitaumlt - reflexive Individualitaumlt Diese Typen sind nicht unbedingt korreliert Praktische Individushy

alitaumlt - die Tatsache dass die Leute selbstbesrimmt handeln statt einshyfach Traditionen folgen zu muumlssen oder koumlnnen weist auf Situationen in denen Einbettungen verloren gehen etwa als Folge von zeitweiligem

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oder dauerhaftem Abbruch sozialer Bindung (wie im Falle von Migshyranten Reisenden oder Uumlberlebenden von Katastrophen) oder weist auf die Folgen scharfer Arbeitsteilung Diese Bedingungen werden von dell Betroffenen wie Zeitgenossen haumlufig nicht reflektiert im Einzelfall wurden aber Vorbereitullgen getroffen durch geschriebene oder erlernshyte Anweisungen zum Beispiel fuumlr Jenseitsreisen

Moralische Individualitaumlt schlieszligt ein die Zuschreibung von Vershyantwortung an Personen fuumlr ihr eigenes Verhalten konkretisiert sich

ich bleibe im Bereich des Religioumlsen - in Konzepten von Suumlnde in gesetzlichen Normen wie Strafen In der Amike sind solche Standards typischerweise diejenigen von anderen und wuumlrden Urteile uumlber sozishyale Verpflichtungen einschlieszligen bis hin zur Negation von Individushyalituuml Spezifische Pflichten stehen eher im Vordergrund als universale Rechte an eine juristische Individualitaumlt im Sinn einer Erklaumlrung von Menschenrechten ist nicht zu denken Der Blick kann sich nur auf Details richten Schon eille Verpflichtung zur Beteiligung an Ritualen weist auf eine moralische Individualitaumlt die bloszlige Verbote uumlbersteigt

Kompetitive Individualitaumlt bezieht sich auf den verbreiteten arisshytokratischen Wettbewerb um Auszeichnung Distinktion Hier geht es normalerweise um Normen an denen sich andere soziale Grupshypen orientieren Individuelle Unterschiede werden von zeitgenoumlssishyschen Beobachtern prauml7jse beobachtet aber an einem gemeinsamen diskursiv erzeugten Ethos gemessen das das Gemeinwohl oder den Familienstatus betonen wuumlrde Froumlmmigkeit (pietas) die auch das Verhalten gegenuumlber dcn Eltern einschlieszligt waumlre ein solcher Begriff Groszligzuumlgigkeit und Kunstgeschmack bei der Stiftung eines Tempels ein Beispiel Die konkreten Normen waumlren freilich durch tatsaumlchliches Konkurrenzverhaltcn gclorlllt und modifiziert Konflikte sind hier selbstverstaumlndlicher Bestandteil

Repraumlsentative Individualitaumlt bezieht sich auf die zwei vorangeshygangenen Personen sollen bestrebt sein vorbildlicll zu werden und werden als Beispiele exempla erzaumlhlt Nicht individudlc Differenz sondern Perfektion beim Erfuumlllen einer sozialen oder religioumlsen Rolle ob als roumlmischer pllter familias christlicher Maumlrtyrer odcr maumlnnlicher Jude ist VOll allen angestrebt Gleichwohl bleibt die Erfuumlllung dieser Norm eine persoumlnliche Errungenschaft

Schlieszliglich setzt die reflexive Individualitaumlt die Ausbildung eines individualistischen Diskurses voraus eine individualistische Ideologie Entsprechende Uumlberlegungen uumlber das Selbst oder die menschliche

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Natur des Einzelnen zum Beispiel in der stoischen Lehre der oikeioshysis werden haumlufig gepraumlgt von normativen Vorsrellungen von sozialen Rollen verweisen so also auch auf die repraumlsentative Individualitaumlt zushyruumlck erst der Neuplatonismus bringt bier einen Quantensprung

Alle diese Typen von Individualitaumlt weisen eine gender- eine Geshyschlechts-Dimension auf sie gelten fuumlr einzelne Bereiche der Gesellshyschaft koumlnnen in der Elite oder an den Raumlndern in verschiedenen Formen und Graden gefunden werden sind voruumlbergehende Phaumlnoshymene oder geben Anlass zu Prozessen der Institutionalisierung Solche Prozesse koumlnnen Wertungen uumlber DeviallZ leicht veraumlndern Institushytionalisierte Individualitaumlt zum Beispiel Regeln repraumlsentativer Indishyvidualitaumlt koumlnnen leicht fruumlhere Normen kompetitiver Individualitaumlt ersetzen Jeder Jude muss nun die Torah studieren Selbstbeherrschung kann die wirksamste Form oumlffentlicher Disziplinierung sein in moshydernen Beichrpraktiken wenn bekannt wird was nur Gott gesehen hat 18 wie in antiken Moumlnchsgemeinschaften Oumlkonomische Sicherheit ist eine Vorbedingung fuumlr verbreitete Individualitaumlt und muss fuumlr jede Analyse des mediterranen Altertums in Anschlag gebracht werdengt

Individualitaumlt kann nur unter Beruumlcksichtigung von Sachzwaumlngen und gleichzeitigen Diskursen gemessen werden Zugleich ist sie das Ergebnis der vorlaufenden Individuierung der jeweiligen Person sishytuative Individuali tiir ist Teil einer solchen lndividuierung als eines andauernden Prozesses Natuumlrlich ist Individuierung untrennbar mit Sozialisation der Entwicklung einer sozialen Persona mit eigener Inshydividualitaumlt verbunden Das Konzept von Individuierung die Entshywicklung persoumlnlicher Selbstidentitaumlr ist in antiken Texten kaum von sozialer Interaktion und Funktionalitaumlt zu unterscheiden Gleichwohl kann das Konzept fuumlr die historische Analyse verwendet werden um moumlgliche Felder zu erfassen auf denen Religion die Entwicklungen von verschiedenen Arten und Graden der Individualitaumlt erlaubt Es kann helfen zu sehen wo Religionen Raumlume und Gelegenheiten rur wachsende Differenzen fuumlr nicht mehr traditionsbestimmtes Handeln bieten kann helfen zu sehen welche Folgen solche religioumlsen Institutishyonell und Praktiken fuumlr die betroffenen Personen besitzen

Nur kurz sei auf relevante Felder hingewiesen Die Zunahme relishygioumlser Optionen ist als eines der wichtigsten Merkmale der hellenisshytischen und roumlmischen Epoche bis hin zum Vergleich mit modershynem religioumlsen Pluralismus beschrieben worden Verursacht war dies in erster Linie durch die Beweglichkeit von Kaufleuten Verwaltern

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Soldaten und Sklaven Eine Kompetenz Gottheiten entsprechend situationsspezifisch zu waumlhlen ist fuumlr die mediterranen Formen des Polytheismus charakteristisch Erst die Ausbreitung von Kulten die eigene Religionsgemeinschaften erzeugten popularisieree Ideen von Exklusivitaumlt und fuumlhrte zum Problem massenhafter religioumlser Devianz In einem additiven polytheistischen System das offen fuumlr Erweiteshyrungen warCl war die Einfiihrung von neuen Goumlttern und Optionen von Verehrung in lokale Tempel (durch Aufstellen von Bildern zuvor nicht verehrter Goumltter) oder in das was man besser nicht panthea nennen sollte (also das Einfuumlhren neuer Kulte il1 eillen On) haumlufig Solcl1es Verhalten war vielfach die Entscheidung einzelner und bedarf fuumlr griechische Heiligtuumlmer wie republikanische roumlmische Tempel weishyterer Untersuchung 21 Es koumlnnte sich zeigen dass der wichtigste Kreis religioumlser Symbole (lugo Pantheon) ein zufilliges Ergebnis von Einshyzelentscheidungen verschiedener Personen war

Ein neues Heiligtum zu stiften war eine nicht auf die Aufstellung eines neuen Kultbildes beschraumlnkte komplexe Angelegenheit Auswahl des Ortes Auswahl architektonischer Details Regelung von Ritualen (die fuumlr uns oft kaum sichtbar werden) die vielen Entscheidungen die sich auf vorhandene Traditionen beziehen wuumlrden interpretieren die in der Wettbewerbsgesellschafi vorhandenen Normen und schafshyfen lleue Normen Normierungen in diesem Sinn konnten auch in der Form von Grabmaumllern gemacht werden Ich denke an das Grab von Eurysaces einen roumlmischen Baumlcker und Groszlighaumlndler mit seinen Bildern von Teigmixern und Backvorgaumlngen In seinem Streben nach Originalitaumlt ist das Grab eher typisch denn auszligergewoumlhnlich das gilt auch wo es einem Weltbild Ausdruck verleiht das von Eurysaces eigenen Berufserfahrungen und Horizont dominiert wird In einer Anzahl solcher Denkmaumller und sogar in einem religioumlsen Text wie dem fruumlhchristlichen Hirten des Hermas23 ist es das Alltagsleben dem beinalle ein Letzewert gegeben wird Auf der gesellschaftlidlen Ebene stellt das die Dominanz des aristokratischen Wertsystems zwar nicht erfolgreich in Frage es es zeige aber eine Neubewercung von Alltagsleshyben an das uns erinnert an die von CharIes Taylor der Hochschaumltzung des Alltagslebens in moderner Zivilisation beigemessene Bedeutungli

Fuumlr das hellenistisch-roumlmische Altertum mit seinen Traditionen haumluslichen Kultes koumlnnte eine Kollision mit oumlfFentlichen Autoritaumlten dort produziert werden wo haumlusliche Rituale Nachahmungen des oumlfshyfentlichen Kults zu sein schienen Kim Bowes hat das Ausmaszlig solcher

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rituellen Praktiken in der Spaumltantike und die dadurch verursachten Konflikte mit kirchlichen Institutionen herausgearbeitetY Hier ist wachsende Individualitaumlt zeitgleich mit wachsender Zentralisierung und Normierung

Persoumlnliche Kommunikation mit Goumlttern wurde nie auf oumlffentliche Rituale oder Tempel beschraumlnkt Weihgeschenke die aus Gebeten in individuellen Krisensituationen resultieren sind seit der archaischen Periode verbreitet Formen und Intensitaumlt aumlndern sich jedoch und koumlnnten mit einer wachsenden Sorge fuumlr die eigene Familie wie sich selbst zusammenhaumlngen Die Zunahme des Asklepios- Kultes koumlnnte solch ein Indikator sein da gerade Heilungsprozeduren und ihre sozishyale Topographie Aussagen uumlber die Beziehung zwischen einer Person lind der Gesellschaft machen Aelills Aristides Hieroi Logoi ein mehshyrere Buumlcher umfassender Bericht eines Kranken uumlber seine 1raumlume Pilgerreisen und Begegnungen mit Asklepius sind eine der wichtigsten Quellen religioumlser Individualitaumlt aus der Antike 27 Die kaiserzeidiche Neubelebung und Ausbreitung von gerade auch lokalen kleinen Orashykeln zH ist ein interessantes Forschungsgebiet fuumlr die Individualisierung von Institutionen Astrologie als Massenphaumlnomen der Personalisieshyrung von Zeitordnungen waumlre ein weiteres 2

middot) Sie verorrer nach einer Formulierung Kocktt von Stuckrads eine Person in einer natuumlrlichen universalen Ordnung die zur gleichen Zeit mit bestimmten zum Beishyspiel juumldischen oder christlichen Kosmologien kompatibel gemacht wird elo In der Spaumltantike bot 111eurgie Rituale zur Manipulation des Goumlttlichen einen anderen Weg des wirksamen persoumlnlichen Kontakts an 1 Das gewaltige Aufgebot an magisch genannten Praktiken soll meine Liste beenden Auger individuellen Sorgen um Gesundheit ist hier der Versuch offensichtlich Eint1uss zu nehmen auf Ereignisse die aufgrund des Status der Beteiligten in sozialen Beziehungen oder RechtskonRikten zu erwarten waren Im hoch riskanten Bereich von Beziehungen von und mit Prostituierten wird der Mangel an traditioshynellen Regelungen durch Magie ersetztY

4 SchluJJ

Wenn das spaumltere Roumlmische Reich eine von Religionisierung chashyrakterisierte Epoche ist so laumlsst sich die hellenistisch-roumlmische Epoche nicht in gleicher Weise als Zeitraum von Individualisierung charakshy

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60 JaumlrgRuumlpke

terisieren Ich habe mich fuumlr die Nuumltzlichkeit eines analytischen Werkshyzeuges verschiedener Arten von Individualitaumlt und der Suche nach dem Individuum in unseren religionsgeschichtlichen Daten ausgesprochen Jedes Urteil uumlber die Periode insgesamt waumlre vorzeitig Gleichwohl ist es offensichtlich dass einige der Typen und Grade der fuumlr die Eposhyche als charakteristisch behaupteten Individualitaumltstypen positiv oder negativ mit der Formiefllng von Religionen korrelieren Mit einem solchen Zugriff koumlnnte eine fruchtbare Untersuchung des Uumlberganshyges von der Antike ins Mittelalter und in die Renaissance betrieben werden die einige FaUen der Interpretation der Spaumltantike vermeiden koumlnnte Eine testbare Hypothese ist das noch nicht

Und damit bin ich bei meiner Ausgangsfrage nach dem Beginn Eushyropaumlischer Religionsgeschichte wieder angekommen Die Diskussion der Achsenzeit hat impliziert dass es nicht reicht nach europaumlischen Ursachen von Phaumlnomenen zu suchen die sich selbst nicht auf Euroshypa beschraumlnken DifFusion etwa im Zeitalter des Imperialismus und Kolonialismus ist wichtig aber erklaumlrt nicht alles Explizit ist in dieshyser Diskussion deutlich geworden dass es nicht mehr reicht sich auf Gruumlndcdiguren auf Religionsstifter ZlI beschraumlnken

Ich hoffe aber dass meine vorsichtigen Formulierungen deurlich gemacht haben dass es mir gar nicht um die Frage absoluter datierbashyrer Anginge geht Es sind bestimmte Aspekte gegenwaumlrtiger Religion so meine Ausgangsthese die es lohneswert erscheinen lassen weit zushyruumlckzublicken und sich nicht auf die uumlbliche Unterstellung mit der Moderne werde alles anders einzulassen Wenn man Religion unrer dem Aspekt VOll Gruppenbildullg von Sozialproduktivitaumlt wie Hans Kippenberg es formuliert hat sieht mit all den Konsequenzen fuumlr einen Seaat und ein Rechtssystem wenn man Religion mit individushyeller religioumlser Erfahrung zusammenbringe dann lohnt es sich ja ist es fuumlr die Disziplin Religionswissenschaft unabdingbar bis in die helshylenistisch-roumlmische Epoche zuruumlckzublicken Mehr nicht Dass Euroshypaumlische Religionsgeschichte hier ihren Anfang genommen huumlte mag man sagen aber eine wissenschaftliche Aussage ist das nicht mehr Das ist der Beginn einer Erzaumlhlung die Sinn stiften kann oder Verwirrung die in diesem Sinne hilfreich oder unsinnig ist Aber das ist ein anderes Gmos das Politiker oder kulturelle Sinnstifter bedienen sollen nicht Religionshisroriker

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Anmerkungen 227

14 C Richmond Tsang W0r and Faith Ikko ikki in Ltlte lvfurofllchi Japan Cambridge MA Harvard Universiry Asia Cemer 2007

1 S Der Begriff stammt von R Eskildsen Of Civiization and Savages 1he Mimcdc Impcrialism ofJapans 1874 Expedition to Taiwan in Amerishycml Historiml Review 107 2002 388-418

16 YuS Japanese Religions 107 17 Yang Fenggang Thc Red Black and Gray Markers of Religion in Chishy

na in Sodgiml Quarterly 47200693-122 18 Hee-Seok Park Schamflllismw ohne Magie Seine idulfe Rolle und prakshy

tiltehe Funktion in der suumldkoreanischm Prowtbewegung Muumlnchen 2009

Anmerkungm zu dm Seiten 29-45 OlristofMandry Plumlimus als Problem und Pltmzlismus Ills Wert theologisch-ethische Uumlberlegungen

Das hebt etwa Ruumlpkc programmatisch hervor vgl J Ruumlpke Europa und die europaumlische Religionsgeschichte in H G Kippenberg 1 Ruumlpke K von Stuckrad (Hg) Europaumlische Religionsgeschichte Ein mch~focher Plushyralismus Bd I Goumltringen 2009 3-14 hier 9[

2 Vgl die differenzierten Uumlberlegungen von Ruumlpke ebd 4-9 und seine Warnungen vor dem Kreieren neuer Essentialismcn durch die normativ grundierte Option rur Pluralismus (vgl ebd 10)

3 Fuumlr eine eingehende Analyse und Bewertung des politischen Selbstvershystaumlndnisses der Europaumlischen Union als Wertegemeinschaft verweise ich auf mein Buch C Mandry Europa als Werregemeiwchflft Eine theshyologisch-ethische Studie zum politischen SelbsfIerstaumlndnis dcr Europaumlischen Unioll Baden-Baden 2009

4 Vgl dazu und zur religioumlsen Dimension des Konflikts D Zifonun und M 1akiSa Religioumlse Vielfalt und religioumlser Konflikt Der Fall Bosnien und Herzegowina in KippenberglRuumlpkevon Stuckrad (5 Anm 1) 411-438

Anmerkungen zu den Seiten 47-60 Joumlrg Ruumlpke Wt1JIn begann die Europdische Religionsgm-hichte Der hellenistischshyroumlmische Mittelmcermum und die europaumlische GegenuNtrt

Diese Arbeir entstand im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgeshymeimchaft finanzierten Kollegforschergruppe Religioumlse Individualisiershyung in Historischer Perspektive am Max-Weber-Kolleg der Universitaumlr Erfurr Ich danke insbesondere Hans oas Richard Gordon und Wolfshygang Spickermann flir die intensive Diskussion in diesem Rahmen Frau

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228 Anmerkungen

Julia Carls Erfurr bin ich fuumlr die Schlussbearbeirung dankbar - Die Utshyerarurangaben beziehen sich auf das nachfolgende Literaturverzeichnis

2 K Jaspers Vom Ursprung und Ziel der Geschichte vIuumlnchen 1988 3 S N Eisensradt (Hg) Kulturen da Achsenzeit Ihre Urspruumlnge und ihre

Vielfolt 2 Rdebull Frankfurt a M 1987 JP Arnason SN Eisenstltldt R Wittrock (eds) Axial civiLiwtions and world history Leiden 2005

4 S N Eisenstadt Die Achsenzeit in der Weltgeschichte in H Joa5 K Wiegandt (Hg) Die kulturellen WTrtl Europas Frankfurt a M 2005 40-68 hier 43

5 S N Eisenstadt Allgemeine Einleitung Die Redingutlgel1 fuumlr die Entstehung lind InstitutionaHsierung der Kulturen der Achsenzeit in Eisenstadt Kulturen (s Anm 3) 10-40

6 Arnason Eisenstadt Wimock Civilizations (s Anm 3) 7 B Wittrock Culmral Crysrallizatiotls and World llistory -rhe Age of

Ecumenical Renaissances in JP Arnason R Winrock (eds) Eurasian 7inllJjoumlrlllatiom 7enth to Thirteenth Cemuries Crystallizations Divergencshyes Renaissances Leiden 2004 41-73 hier 47f

8 Ebd 46 9 In einer Tagung zur Individualisierung in Erfurt im September 2009 (hg

von J Ruumlpke im Erscheinen) 10 Zum folgenden ausfuumlhrlich J Ruumlpke Religioumlser Pluralismus und das roumlshy

mische Reich in H Cancik J Ruumlpke (Hg) Die Religion des Imperium Romanum Tuumlbillgen 2009 )3 1-354

11 J North The Developmcnt ofReligious Pluralism in J Ueu J North [ Rajak (ed) The Jews Among Paglns aId ChristitlrJS In he Roman Emshypire London 1994 174~193 J Rlipke Die Religion der Roumlmer Eine Einshyfiihrung 2 Aufl Muumlnchen 2006 J Ruumlpke red) lhc Blackwell CompanshyiOIl to Roman Religion Oxford 2007

12 Zur Terminologie religioumlser Gruppen im Codex siehe H Zinser ReshyIigio Secta Haeresis in den Haumlrcsiegesetzen des Codex Theodosianus (165166) von 438 in M Hurter (Hg) Hairesis FemchriJi for Karl Hoheisel zum 65 Geburtstag Jahrbuch fuumlr Antike und Christentum SupshypI 34 Muumlnster 2002215-219

13 Siehe C Ando imperial ldeology ald Prouincial Loyalty in the Roman Emshypire Berkdey 2000 lind C Ando 7he A1auer ofthe Gods Religion lind the ROffan Empire Berkeley 2008

14 Siehe r Veync LEmpire Greco-Romain Paris 2005 454f 15 JZ Smith Religion Religions ReligiolLs in vIClaylor (ed) Critishy

cal7erms for Religious Swdies Chicago 1998 269-284 16 A van Harskamp 7heologie 7ext im Kontext aufder Suche nach der A1ethshy

ode ideologiekritischer AlIalYJc der 7heologie illustriert an Wtgtrken von Drt) Moumlhfer und Staudenmaier Tuumlbingen 2000 (Mein Dank gilt Dietmar Mishy

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Anmerkungen 229

eth Fellow der Kollegforschergruppe am Max-Weber-Kolleg der Univcrshysidir Erfurt fuumlr diesen Hinweis und die andauernde Diskussion)

17 A Musschengl lhe many faces ofindividualism in A van Harskamp A Musschenga (eds) ihe many jilas 0 indirJidualism Lcuven 2001 3-24 hier 5 Fuumlr eine Uumlbersicht klassischer Individualisierungstheorien s E Kippele was heiszligt Inditidualisietullg Die AntwOlmiddotten der soziologischshy1II Klassiker Opladen 1997

18 A Hahn Zur Soziologie der Beichte und anderer Formen institutionalshyisierter Bekenntnisse SdbstthclI1ltltisierung und Zivilisatiol1Sprozeszlig in Kiitner Zeitschlifiuumlr Soziologie und Sozialpsychologie 34 1982407-434

19 Siehe 1 Halman Individualism in Contemporary Europe in van HarshyskampMusschenga (wie Anll1 17) 25-46 hier 29 uumlber die Rolle des modernen Wohlfahrrsstaats

20 Siehe A Bendlin Peripheral Cenrres Cenrral Peripheries Rdigious Communication in the Roman Empire in H Cancik (Hg) Riimische Reichsreligion und ProJinziaLreligion Tuumlbingen 1997 35~68

21 Fuumlr Rom J Ruumlpke Dorn miitiae Die religioumlse Koustruktion des Krieges in Rom Stuttgarr 1990260-262 EM Orlin Temples Religion and Polititgt il1 the Romall Republic Leiden 1997

22 L H letersen The Baker His Tomb His Wifc and Her Breadbasket The Monument of Eurysaces in Rome in 7he Art Bulletin 85 2003 23()~257

23 So J Ruumlpke Apokalyprische Salzberge Zum sozialen Ort und zur litshyerarischen Strategie des Hirten des Hermas in Archiv szligir Religionsgeshyschichtel 1999 148~160

24 C Taylor Quellen des Selbst Die Entstehung der neuzeitlichen Identitaumlt Frankfurt Olm Main 1994 hier 14

25 K Bowes Prillftte lJorship publicJiduCJ and reigious cbange in late antiqshyuity Camhridge 2008

26 Siehe M B McGuire Ritluz Healing ill Suburban America With [he assistance of D Kantor New szligrunswick 1988240-257 J Ruumlpke HeishylungHeilungen I Religionsgeschichtlich in Lexikoll fiir 1heoLogie und Kirche Bd 41995 1357f

27 W V Harris B Hohnes (eck) Aeliw Aristides between Gleece Rome and the godJ Leiden 2008 A Petsalis-Diomidis TruLy Beyond 1vonders Aelius Aristides ami the CuLt 0Asklepios Oxford 2009

28 A Bendlin Vom Nutzen und Nachteil der Mantik Orakel im Medium von Handlung und Literatur in der Zeit der Zweiten Sophistik in D Elm von der Osten J Ruumlpke K Waldner (Hg) Texte als Medium und Reflexion Jon Religion im riimischm ampich Stuttgarr 2006 159~207 N szligelayche J Ruumlpke Divination er revelation dans les mondes grec ct romain prcsenmtion in RHR 2242 2007 139-147

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230 Anmerkungen

29 ] Ruumlpke Kalender lind Offmtlichkeit Die Geschichte der Repraumlsentation und religiaumlsen Qualifikation von Zeit in Rom Berlin 1995587-592] Ruumlpke Zeit und Fest Eine Kulturgeschichte des Kalenders Muumlnchen 2006 182-187

30 K von Stuckrad Das Rillgen 14m die Astrologie Juumldische und christliche Beitraumlge zum antiken ZeitverstaumlndJis Berlin 2000

31 C van Liefferinge La 7heurgie Des Omcles Chaldaiques aProclus Lieges 1999 N Janowitz conJ 0Power Ritual Practices in Late Antiquiry Unishyversity Park PA 2002 E Athanassiadi Dreuns 1heurgy and Freelance Divination The Testimony ofIamblichus in JRS 83 1993 115-130

32 R Gordon Imagining Creek and Roman Magie in V Flint (ed) Witchcraft md Alagic in Europe 2 Ancient Gruce and Rome London 1999 159-275 R Gordon Mlgic as a topOS in Augustan Poetry Disshycourse Realityand Distance in Archiv flr Religiomgeschichte 112009 209-228

Anmerkungen zu den Seiten 61-74 Sabine Schmolinsky Die Zeit der Anderen Juden Heiden Ketzer im christshylichen GescJiclmdllken

M Srausberg Renaissancen Vermitdungsformen des Paganen in H G Kippenberg J Ruumlpke K von Stuckrnd (Hg) Europaumlische Religionshysgeschichte Ein menjacher Plumlisrnus Bd 2 Goumlttingen 2009 695-721 hier 709

2 C Auffarrh Mittelalterliche Modelle der Eingrenzung und Ausgrenzung religioumlser Verschiedenheit in KippenbergRuumlpkevon Stuckrad Bei 1 193-218 hier 193

3 C Auffanh Pluralismus Religion und Mittelalter Das Mittelalter als Teil der Europaumlischen Religionsgeschichte in ders (Hg) Religioumlser Plumlismus illl Mittelalter Besichtigung einer ~Epocbe der Europaumlischen ReshyligionsgeJchichte Berlin 2007 11-23 hier 17f

4 VgL Auffimn (wie Anm 2) 211 f 5 Vgl W Stuumlrner Friedrich ll Teil 1 244f 251 Teil 2 Der Kaiser 1220shy

1250 Darmstadt 2000 266 271f 287-289 297-299 6 Bibelzitare nach Die Bibel A1res und Neues Testament Einheitsuumlbersetshy

wng PrciburglBasellWien 1980 7 In der Apostelgeschichre (1344middot-48) wird diese Abfolge mir deutlich allshy

tijuumldischer Akzentuierung als eine Mi$$ionierungsgeschichte e17iihlt Am folgenden Sabbat versammelte sich aumlst die ganze Sradr um das Wort des Herrn 7U houmlren Als die Juden die Scharen sahen wurden sie eifersuumlchtig widersprachen den Worten des Paulus und stieHen Iiisterungen aus Paulus und Barnabas aber erklaumlrten freimuumltig Euch [= den Juden Jmuszligte das Wort

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48 joumlrg Riipke

dass uumlberoumlrtlich organisierte Religionen die fuumlr einzelne Opoumlonen bilden und Gegenstand rechtlicher Regelung durch den Staat sein koumlnnen mit Gewinn zuruumlck in die hellenistisch-roumlmische Periode vershyfolgt werden koumlnnen Dieser Beitrag wird uumlber die Ausbildung dieser Merkmale reflektieren nicht uumlber den weiteren Verlauf oder gar eine lineare Entwicklung

Zuvor muss aber ein anderes Problem angegangen werden Wenn akzeptiert wird dass die Formen der beschriebenen Religion heute wichtig sind und ich will nicht behaupten dass dies die einzigen Formen sind - wird man feststellen muumlssen dass dieses Phaumlnomen nicht auf Europa beschdnkt ist Meine vorgetragene Beschreibung von Religion liegt sogar nahe bei der verbreiteten Vorstellung vonXTeltshyreligionen von Formationen mithin die nicht nur auszligerhalb von Eushyropa existieren sondern sogar Genealogien aufweisen die jenseits von Europa und Mittelmeer ihre Urspruumlnge suchen

Hier muss nun kurz an die Vorstellung VOll der Achsenzeit ershyinnert werden Der nicht von Kar Jaspers erfundene aber von ihm verwendete und eine moderne Debatte2 praumlgende Ausdruck bezeichshynel die Erfindung der Transzendenz (so Shmuel Eisenstadt) oder die Erscheinung von theoretischer Kultur (so Merlin Donald) beides Prozesse die zu einer Spannung zwischen einer theoretischen oder uanszendelllen Ordnung und der tatsaumlchlich vorfind baren Ordnung fuumlhren Auf diese Art sind neue Perspektiven auf die eigene Cesellshyschaft moumlglich ein nelle Reflexivitiit begonnen von Intellektuellen die auf die Institutionalisierung von Alternativl110dellen der Gesellshyschaft zielen

Die bisherigen Diskussionen uumlber die Achsenzeit (oder sogar mehrshyfache axialities)l haben mehr und mehr Kulturen (oder zivilisatorishysche Formierungen) und Perioden eingeschlossen aber das roumlmische Reich vor der Spaumlt antike sorgfaumlltig umgangen Griechenland und altes Israel China und Indien vielleicht der (nach-) zarathustrische Ifltm sind die Primaumlrdurchbruumlche Christentum und Islam das heiszligt spaumlte und sehr spaumlte Antike gelten zumindest als sekundaumlre Durchbruumlche

Das Konzept einer Achsenzeit hat das Verdienst dass es Eurozentshyrismus klar vermeidet Das Fehlen einer geographischen Engfuumlhrung wird jedoch durch eine gewisse monotheistische Engfuumlhrung kompenshysiert Diese resultiert weniger aus der Idee der notwendigell DifIerenz der transzendenten Ordnung als aus der Suche nach der Genealogie der heutigen Weltreligionen Daher haben weder der fruumlhe Hinduisshy

VIFR_8 Satzdaten~(2011-1 0-20)indd 48 20102011 144526

49~mn begann die Europaumlische Religionsgeschichte

mus noch die griechische Religion trO(z der Einbeziehung von Sokra~ tes Berticksiclltigung gefunden

Die Vorstellung axIaler Zivilisationen ist seit langem von kruden Kausalitaumlten befreir worden Eisenstadt hat bereits eine groumlszligere Anzahl von intellektuellen politischen sozialen religioumlsen und kulturellen Veraumlnderungen identifiziert juumlngere Studien haben die Bedeutung von Winschaftstmiddottuoren in einer mittelalterlichen Achsenzeit betont Auf der Grundlage einer Neuinterpretation von Karl Jaspers Konzept der Achsenzeit und eines langen Austausches mit Shmuel Eisenstadt hat Bjoumlrn Wittrock versucht die Vorstellung von Axialitaumlt so allgeshymeinen wie nur moumlglich zu konzeptualisieren Derart schlieszligt er eine groszlige Anzahl von kulturell bestimmten Konkretisierungen aus um zugleich eine Vielfalt verschiedener Reaiisierungen und folglich vershyschiedener PFade von Entwicklung zuzulassen

Was nicht kulturell bestimmt ist bleibt die Idee dass eine Achsenshyzeit eine Periode tiefgreifender Aumlnderungen von Grunddimensionen menschlicher Existenz ist naumlmlich textlich greifbarer radikaler Aumlndeshyrungen im reflexiven Bewusstsein in der Kosmologie der Historizitaumlt Sozialitaumlt und der agentiality der individuellen Handlungskompeshytenzl Diese Minimaldefinitionlegt den Akzent auf eine intellektuelle Entwicklung waumlhrend sie zur gleichen Zeit betont dass politische und oumlkonomische institutionelle Veraumlnderungen fuumlr die Identifikashytion ebenso wichtig sind wie fuumlr die tatsaumlchliche Formierung axialer Kulturen Das historische Problem freilich wie Wittrock betont ist auf diese Are gerade nicht geloumlst nIe most important direction in future research i5 to speil out the links between the set of intellecshytual and cosmological breakthroughs and sea-changing inscicutional transformations that a limited sense of the concept of the Axial Age denotes R Man kann Achsenzeit nicht laumlnger als Abkuumlrzung fuumlr Aumlhnlichkeiten in den Vomellungen einiger weit von einander entshyfernter religioumlser Griindungsfiguren verwenden Wenn er uumlberhaupt verwendet wird bezieht sich der Ausdruck auf eine Interaktion zwishyschen Religion und politischem Raum bezieht sich nicht auf inhaumlshyrente Qualitaumlten von Glaubenssysremen sondern auf komplexe kul~ turelle Konstellationen

Ich habe mich aus zwei Gruumlnden mit dem Konzept der Achsenshyzeit aufgehalten Zum einen erinnert uns der Ausdruck daran dass Erklaumlrungen auf derselben Skala wie die Groumlszligenordnung der zu erklaumlshyrenden Phaumlnomene gesucht werden muumlssen wie Greg Woolf es betont

VIFRszlig~Satzdalen~(2011middot10middot20)indd 49 20102011 144526

50 oumlrg Ruumlpke

hat als er auf die wichtige Rolle der Ausbildung von Reichen fuumlr die Entwicklung von achsenzeitlichen Religionen hinwies~ Zum anderen ist die hellenistisch-roumlmische Epoche alles andere als marginal fuumlr die klassische Achsenzeitkonzeption wenn wir uns nicht auf Gruumlnderfigushyren sondern auf die sich ausbildenden religioumlsen Traditionen schaushyen Diese Epoche ist fuumlr das Verstaumlndnis des fruumlhen Christentums des rabbinischen Judentums und des zirkummediterranen Islam entscheishydend sie stand in kulturellem Austausch mit Indien wie dem Iran importierte Ideen wie den Dualismus und die Gymnosophisten die nackten Jogiphilosophen exportierte wichtige Medien wie Muumlnzen mit religioumlsen Abbildungen und einen Typ von Statuenportraumlt der die direkte Abbildung des Buddhas (anstelle von Zeichen wie dem leeren 111ron) verbreitete Zumindest geht es also um die Kinderstube seshykundaumlrer axialer Zivilisationen die dem Einfluss der primaumlren axialen Ideen und Institutionen vollstaumlndig ausgesetzt war

2 Die EntJtehung von Religionen

Uumlber Riiume von subkontinentaler Groumlszlige als Ursprungsorte zu reden ist eher irrefuumlhrend Ich werde gleich wieder auf die Groumlszlige politischer Formationen als historischer Faktor zu sprechen kommen muss aber zunaumlchst den ganz lokalen Charakter nicht nur antiker Religionen beshytonen Zu Recht ist Religion als in soziale und politische Strukturen und Praktiken eingebettet beschrieben worden als lokale Gegebenheit mithin Von einem lokalen Charakter zu sprechen bedeutet aber nicht dass - wie Begriffe wie Polisreligion oder civic cults suggerieren reshyligioumlse Praktiken sich allein auf politische Identitaumlt konzentrieren oder von den Investitionen der Elite in religioumlse Infrastruktur dominiert werden Daraus folgt dass die Rede von - zum Beispiel - Athener oder roumlmischer Religion ebenso problematisch ist wie die Rede von einer Mehrzahl von Religionen in oder von Athen Das gilt fuumlr helleshynistische Staumldte nicht anders als fuumlr roumlmische So soll im folgenden das Augenmerk zunaumlchst auf eine einzelne Stadt auf Rom gerichtet wershyden eine Stadt deren Rolle Hlr die Ausbildung des Begriffs Religion wie fuumlr seine rechtliche Rahmung ftir die europaumlische Geschichte am folgenreichsten gewesen ist

Aufgrund kontinuierlicher KO(1(akte seit den fruumlhen Urbanisieshyrungsphasen hatte Rom die Stadt am Rande der griechischen Welt

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51~1I11 begelllll die Europaumlische Religionsgeschichte

keine Probleme mit der Aufnahme und Akkulturation griechischer Einfluumlsse ob es sich nun um Mater rnaglJil aus Kleinasien oder Venugt Ercina aus Sizilien handelte deg Erst aus dem vierten Jahrhundert n Chr blickte Firmicus Matert1l1S auf eine roumlmische Gesellschaft zuruumlck deren Infektion mit dem Import des Kults von Ceres bzw ProSuumlpishyna aus dem sizilianischer Enna begonnen hatte (Errores profonarum religionum 7) Nach Ausweis Ciceros blieben noch Mitte des ersten Jahrhunderts v Chr das heiszligt am Ende der roumlmischen Republik andere kulturelle und religioumlse Raumlume einfach exotisch waren weder gefahrlich noch adaptierbar so etwa die syrischen Fischgoumltter und die aumlgyptischen Tiergoumltter (Cicero De natura deorum 339 Aumlgyptisches erneut in 348) oder eine indische Variante des Iuppiter (342 Belw dh Baal) Die Existenz von aumlgyptischen Varianten von Goumlttergeneashylogien wurden haumlufiger notiert (354 ff) aber ihnen wurde nicht der Status von gefahrlichem Wissen zugemessen Solche Genealogien wurshyden als entfernte lokale Varianten wahrgenommen und gewannen keishyne Bedeutung uumlber jene Orte hinaus Wie die Roumlmer ihre oumlffentliche Religion hatten hatte andere ihre (Cicero Pro Facco 69) und diese konnten miteinander verglichen werden (De natura Deorum 28) Cishycero venvendet in diesem Zusammenhang aber keine Mehrzahl Sua cuique civitati religio Laeli est nostra nobts - jeder hat seine Religion wir haben unsere ist in der Rede fuumlr Flaccus ein Ausruf eine Deklaration radikaler Differenzen nicht der Verweis auf sinnvolle Wahlmoumlglichkeiten oder eine irgendwie bedeutungsvolle Koexistenz In der langen Geschichte des Roumlmischen Reiches das hellenistische Strukturen und Entwicklungen integrierte musste diese Position reshyvidiert werden

Das Einstroumlmen von Kulten nach Rom ihr Bluumlhen in Rom und die haumlufige Errichtung eines roumlmischen Zentrums von Kulten die an anderen Orten entstanden waren (wie im Falle der his oder des CI1fistentums) ist im Detail in der modernen Forschung beschrieben worden 11 Rom die Hauptstadt fesselte und fesselt das Interesse von modernen wie antiken Intellektuellen Jeder ehrt seine Goumltter und die Roumlmer sie alle ist die zusammenfassende Beobachtung von Caecilius einer Figur in dem von Minucius Felix um 220 n Chr geschriebenen fruumlhchristlichen apologetischen Dialog Octavius (61) Caecilius legt dabei seinen Akzent auf den Kult (63-71)

Solch eine romzemrierte Sicht ist fuumlr den Immigranten aus Nordshyafrika ist fuumlr Minudtls verstaumlndlich Roms Position war jedoch nicht

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52 Joumlrg Ruumlpke

einzigartig Das Gleichnis von Rom als Tempel der ganzen Velt vershywendet eine Phrase die der hermetische Traktat Asclepius fuumlr Aumlgypshyten verwendet Eine auszligergewoumlhnliche Mobilitaumlt ermoumlglicht durch die Strukturen den Bedarf und die Moumlglichkeiten des Roumlmischen Reiches modifizierte die religioumlse Landschaft uumlberall Das wurde von demselben Beobachter mit seinen Erfahrungen aus Rom und Nordshyafrika wohl wahrgenommen So laumlsst Minucius Felix seine Figuren auf eine Zeit zuruumlckblicken bevor der Globus dem Handel geoumlffnet wurde und die Voumllker ihre Riten und Sitten vermischten (206) Die Veraumlnderungen gingen aber weit uumlber das Ritual hinaus und dieser Entwicklung muss ich mich jetzt zuwenden

Begriffe wie cuUumlUJ srcra oder crterimoniae aber sogar der eher auf das Kognitive lielende Begriff religio (und sein Plural) konnten kaum die Realitaumlt der Bildung von Gruppen reflektieren die religioumlse Symboshyle zur Formulierung einer Gruppenidentitaumlt verwendeten Im Rahmen antiker Religion korrespondierte der Kult einer bestimmten Gottheit nur gelegentlich mit Gruppengrenzen er bildete eher ein geteiltes und zwar wichdges aber kaum exklusives Zeichen Diese Tatsache stellt die uumlbliche Interpretation von Sammlungen inschriftlicher und archaumloloshygischer Corpora zum Kuh (wohlgemerkt Singular) einer bestimmten Gottheit in Frage Mit den beruumlhmten Corpora cutult religionis konshystruiere die moderne Forschung eine uumlberregionale religionsgeschichtshyliehe Einheit Kult die es so in der Antike gar nicht gegeben hat

Es entstanden andere terminologische Loumlsungen mit diesen vielshyf-ilrigen Aspekten umzugehen Secta das das griechische hairesis uumlbershysetzte wurde in erster Linie verwendet um philosophische Schulen seit dem fruumlhen Hellenismus zu unterscheiden konnte aber auch fuumlr juumldische Gruppen wie Sadduzaumler oder Pharisaumler verwendet werden Der Ausdruck ist bei Cicero selten der es haumlufiger nur fuumlr politische starr philosophische Gruppen verwendete aber erscheint haumlufiger vom ersten Jahrhundert an Er ist im sogenannten luumlleranzerlass von 311 n Chr belegt (Llctanrius De mortibus persecutorum 34) Hier blickte der Kaiser Licinius auf seinen fruumlheren Versuch zuruumlck die Christen wieder zu Sinnen zu bringen da sie die Sekte ihrer Eltern (341) verlassen haumltten Der Ausdruck wird sehr haumlufig fuumlr alle Arten von Sekshyten in den im sechzehnten Bucb des Lodex 7heodosianus gesammelten Normen verwendet (insbesondere 165) einschlieszliglich einiger Faumllle von katholischer oder orthodoxer SekteY

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53Wann begann die Europaumlische Religiomgeschichte

Wenn vergleichbare und - das ist wichtig reversible Wahlmoumlglichshykeiten in BeZllg auf verschiedene philosophische Schulen ausgedruumlckt werden konnten implizierte dies einen Wissensvorat wie - und auch dies ist wichtig - einen eigenen Lebensstil Durch den Ausdruck discishyplina konnte dieser Akzent auf Lebensfuumlhrung auf bestimmte religioumlse Spezialisten angewandt werden erwa Zauberer etruskische Eingeshyweideschauer oder Auguren sogar schon in der spaumlten Republik Der Sprachgebrauch wurde zur Erfassung einer weit groumlszligeren Vielfalt von religioumlsen Praktiken durch die christliche Apologetik seit dem Ende des zweiten Jahrhunderts erweitert und erreichte im vierten Jahrhunshydert offizielle Texte

Im Verlauf der Ausdehnung des Imperiums seiner umfangreichen Verschiebung von Personen und seiner Delegitimierung von lokalen Autoritaumlten U waren solche Komplexe religioumlser Zeichen und I-Iandshylungen zu mehr geworden als natuumlrliche Folge der Ehrfurcht vor einer bestimmten Gottheit Sie wurden rationaler Interpretation und Ershyklaumlrung unterzogen Sie wurden an universalen Humanitaumltsstandards gemessen Fuumlr eine wachsende Anzahl von Menschen waren sie ein notwendiger Teil (aber ich muss betonen nur Teil) ihrer Lebensform geworden Die Aufteilung zwischen Oumlffentlichkeit und Privatem konnte darauf nichr mehr angewandt werden Diese Sozialformen washyren ein oumlkonomischer und politischer Faktor Sie waren ein Medium eines funktionell nicht-religioumlsen Diskurses

Im einzelnen waren diese Elemente weder neu noch konsistent Sie konvergierten aber mit terminologischen Veraumlnderungen mit ratio und jides Vernunft und Glauben die religio kontrollierten mit der Betonung von wahrer Religion mit disdplilUJ Lebensfuumlhrung und Moral H und mir secta eine Gruppierung die weder oumlffentlich noch privat ist Durch ihre Verwendung von Inschriften Bildern und Arshychitektur wurde Religion eines der wichtigsten Medien oumlffentlicher Kommunikation

Die Mobilitaumlt von intensiver organisierten Anhaumlngern durchaus nicht im Falle jeder Gottheit jeder religio und jedes mltus schuf das Problem der uumlberoumlrtlichen Wiedererkennbarkeit Dies wurde durch Annaumlhtfungen an eine ikonographische Standardisierung des Kultbilshydes im Falle des Mithras durch ungewoumlhnliche Ritualen und aumlgypshytische Dekorationen im Falle der sis erreicht durch den Austausch von Brieten und Sammlungen von Erzaumlhlungen im Falle von Christen

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54 joumlrg Ruumlpke

durch den Versuch jeden Aspekt des Lebens zu regulieren im Falle der rabbinischen Autoren der Mishna in Palaumlstina

Um den gesellschaftlichen Ort eines solch aufgeladenen Konzepts von Religion und das Auftreten von Kulten die Grenzziehung beshytreiben zu definieren griff die roumlmische Verwaltung vor allem seit den Kaisern Aurelian und Diocletian am Ende des dritten Jahrhunderts auf Gesetzgebung wenn notwendig auf strafrechtliche Erlasse und walttaumltige Verfolgungen zuruumlck Einige Formen vom Judentum tentum und Manichaumlismus waren unter den Uumlberlebenden aber die beschriebene Entwicklung hatte die Entstehung einer weit groumlfSeren Fuumllle VOll Religionsgemeinschaften zur Folge gehabt - eine Tatsache die in Achsenzeit-Darstellungen normalerweise uumlbersehen wird Auch Religionsgeschichtsschreibung ist noch immer in der Regel die Geshyschichte der Sieger

3 fndividutlliJierung

Ollensichtlich erfuhr die hellenistisch-roumlmische Epoche eine Entwickshylung einer Vielfalt von dicht organisierten teils professionalisierten Systemen von Symbolen Praktiken und Gruppenbildungen - ich vershymeide immer noch den BegrifF Religionen dessen konfessioneller und exklusiver Charakter kaum vor dem Ende der Periode charakteshyristisch wmde Ich schlage vor den Begriff Religionisierung oder Rcligionifizierung auf diesen Prozess anzuwenden der eine weit reishychende obschon nicht irreversible Veraumlnderung des gesellschaftlichen Ortes von Religion einschloss Jonathan Zittel Smiths Modell eines Uumlberganges von lokativer politisch eingebetteter und zur Legitimation der bestehenden Herrschaft verzweckter Religion in utopische Relishygion die das Ideale jenseits des Bestehenden denkt ist hier sehr hilfshyreich l ) Gleichwohl muumlssen wir bedenken dass die roumlmischen wie byshyzantinischen Formen des Christentums schnell in ausgepraumlgtem MaBe lokative Religionen wurden Mit der hellenistisch-roumlmischen AlHike anzufangen bedeutet weder Forrschrittsgeschichten zu erzaumlhlen noch die Vergangenheit anachronistisch zu aktualisieren

Gleichwohl wage ich es einen zweiten Begriff einzufuumlhren nun keinen Neologismus wie Religionisierung aber einen der der Geshyfahr des Anachronismus der falschen Aktualisierullg noch staumlrker ausshygeliefert zu sein scheint naumlmlich Individualisierung Das theoretische

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55f0rm begann die Europaumlische Religiongeschidlte

Interesse ist aumlhnlich gelagert Wenn Religionisierung den prekaumlren und kontingenten Charakter der system ischen und institutionellen Dimension von Religion und ihre Stelle in und ihr Verhaumlltnis zur Geshysellschaft thematisiert zielt Individualisierung direkt auf die einzelne Person als Ort von Erf1hrung und ageney Handlungskompetenz und ihrer welchselseitigen Abhaumlngigkeit von und mit der Gesellschaft wie Religion Vieder muumlssen Vorstellungen von Fortschrirt und anachroshynistischer Aktualisierung vermieden werden Es waumlre schwierig das komplexe Syndrom VOll De-Traditionalisierung biographischer Zushywendung zu sich selbst permanellter Rellexivitaumlt und narzistischem Trieb zu Authentiziaumlt wie sie als typisch fuumlr zeitgenoumlssische Individuashylisierung in einer juumlngeren Diagnose formuliert worden sind schon in der An ike zu identifizierenltgt

Wie kann demnach solch ein Begriff religionsgeschichtlich fruchtshybar gemacht werden Zwei Maszlignahmen muumlssen werden Die erste heiszligt die Begrifflichkeit zu klaumlren Entsprechend neuen Diskussishyonen schlage ich vor Individualisierung zu beschraumlnken auf umfangshyreiche strukturelle oder diskursive Veraumlnderungen also langlaufende historische Prozesse die nur aus einer Vielzahl von Einzelbefunden ershyschlossen werden koumlnnen 17 Naruumlrlich bezieht sich Individualisierung auf wachsende Grade VOll Individtlaliraumlr Zu deren Definition wuumlrde ich vor allem auf de-traditionalisiertes Handeln als Merkmal verweishysen Damit entstehen faktische Unterschiede und explizite Distinktioshynen im Vergleich zu anderen und derem Handeln das kann zwischen Perfektion und Devianz nicht mehr nOfmgerechtem Verhalten lieshygen Solche Begriffe implizieren dass Individualitaumlt selbst kein rein beschreibender Begriff ist sondern auf zeitgenoumlssische Diskurse und Sachzwaumlnge verweist Um solche Dillerenzen fuumlr antike Gesellschaften abzubilden schlage ich vor fuumlnf verschiedene Arten der Individualitaumlt zu unterscheiden

- praktisclle Individualitaumlt moralische Individualitaumlt kompetitive Individualitaumlt

- repraumlsentative Individualitaumlt - reflexive Individualitaumlt Diese Typen sind nicht unbedingt korreliert Praktische Individushy

alitaumlt - die Tatsache dass die Leute selbstbesrimmt handeln statt einshyfach Traditionen folgen zu muumlssen oder koumlnnen weist auf Situationen in denen Einbettungen verloren gehen etwa als Folge von zeitweiligem

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aumlrg RUumllke

oder dauerhaftem Abbruch sozialer Bindung (wie im Falle von Migshyranten Reisenden oder Uumlberlebenden von Katastrophen) oder weist auf die Folgen scharfer Arbeitsteilung Diese Bedingungen werden von dell Betroffenen wie Zeitgenossen haumlufig nicht reflektiert im Einzelfall wurden aber Vorbereitullgen getroffen durch geschriebene oder erlernshyte Anweisungen zum Beispiel fuumlr Jenseitsreisen

Moralische Individualitaumlt schlieszligt ein die Zuschreibung von Vershyantwortung an Personen fuumlr ihr eigenes Verhalten konkretisiert sich

ich bleibe im Bereich des Religioumlsen - in Konzepten von Suumlnde in gesetzlichen Normen wie Strafen In der Amike sind solche Standards typischerweise diejenigen von anderen und wuumlrden Urteile uumlber sozishyale Verpflichtungen einschlieszligen bis hin zur Negation von Individushyalituuml Spezifische Pflichten stehen eher im Vordergrund als universale Rechte an eine juristische Individualitaumlt im Sinn einer Erklaumlrung von Menschenrechten ist nicht zu denken Der Blick kann sich nur auf Details richten Schon eille Verpflichtung zur Beteiligung an Ritualen weist auf eine moralische Individualitaumlt die bloszlige Verbote uumlbersteigt

Kompetitive Individualitaumlt bezieht sich auf den verbreiteten arisshytokratischen Wettbewerb um Auszeichnung Distinktion Hier geht es normalerweise um Normen an denen sich andere soziale Grupshypen orientieren Individuelle Unterschiede werden von zeitgenoumlssishyschen Beobachtern prauml7jse beobachtet aber an einem gemeinsamen diskursiv erzeugten Ethos gemessen das das Gemeinwohl oder den Familienstatus betonen wuumlrde Froumlmmigkeit (pietas) die auch das Verhalten gegenuumlber dcn Eltern einschlieszligt waumlre ein solcher Begriff Groszligzuumlgigkeit und Kunstgeschmack bei der Stiftung eines Tempels ein Beispiel Die konkreten Normen waumlren freilich durch tatsaumlchliches Konkurrenzverhaltcn gclorlllt und modifiziert Konflikte sind hier selbstverstaumlndlicher Bestandteil

Repraumlsentative Individualitaumlt bezieht sich auf die zwei vorangeshygangenen Personen sollen bestrebt sein vorbildlicll zu werden und werden als Beispiele exempla erzaumlhlt Nicht individudlc Differenz sondern Perfektion beim Erfuumlllen einer sozialen oder religioumlsen Rolle ob als roumlmischer pllter familias christlicher Maumlrtyrer odcr maumlnnlicher Jude ist VOll allen angestrebt Gleichwohl bleibt die Erfuumlllung dieser Norm eine persoumlnliche Errungenschaft

Schlieszliglich setzt die reflexive Individualitaumlt die Ausbildung eines individualistischen Diskurses voraus eine individualistische Ideologie Entsprechende Uumlberlegungen uumlber das Selbst oder die menschliche

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57Wimn bega1I1 die Europaumlische Religionsgeschichte

Natur des Einzelnen zum Beispiel in der stoischen Lehre der oikeioshysis werden haumlufig gepraumlgt von normativen Vorsrellungen von sozialen Rollen verweisen so also auch auf die repraumlsentative Individualitaumlt zushyruumlck erst der Neuplatonismus bringt bier einen Quantensprung

Alle diese Typen von Individualitaumlt weisen eine gender- eine Geshyschlechts-Dimension auf sie gelten fuumlr einzelne Bereiche der Gesellshyschaft koumlnnen in der Elite oder an den Raumlndern in verschiedenen Formen und Graden gefunden werden sind voruumlbergehende Phaumlnoshymene oder geben Anlass zu Prozessen der Institutionalisierung Solche Prozesse koumlnnen Wertungen uumlber DeviallZ leicht veraumlndern Institushytionalisierte Individualitaumlt zum Beispiel Regeln repraumlsentativer Indishyvidualitaumlt koumlnnen leicht fruumlhere Normen kompetitiver Individualitaumlt ersetzen Jeder Jude muss nun die Torah studieren Selbstbeherrschung kann die wirksamste Form oumlffentlicher Disziplinierung sein in moshydernen Beichrpraktiken wenn bekannt wird was nur Gott gesehen hat 18 wie in antiken Moumlnchsgemeinschaften Oumlkonomische Sicherheit ist eine Vorbedingung fuumlr verbreitete Individualitaumlt und muss fuumlr jede Analyse des mediterranen Altertums in Anschlag gebracht werdengt

Individualitaumlt kann nur unter Beruumlcksichtigung von Sachzwaumlngen und gleichzeitigen Diskursen gemessen werden Zugleich ist sie das Ergebnis der vorlaufenden Individuierung der jeweiligen Person sishytuative Individuali tiir ist Teil einer solchen lndividuierung als eines andauernden Prozesses Natuumlrlich ist Individuierung untrennbar mit Sozialisation der Entwicklung einer sozialen Persona mit eigener Inshydividualitaumlt verbunden Das Konzept von Individuierung die Entshywicklung persoumlnlicher Selbstidentitaumlr ist in antiken Texten kaum von sozialer Interaktion und Funktionalitaumlt zu unterscheiden Gleichwohl kann das Konzept fuumlr die historische Analyse verwendet werden um moumlgliche Felder zu erfassen auf denen Religion die Entwicklungen von verschiedenen Arten und Graden der Individualitaumlt erlaubt Es kann helfen zu sehen wo Religionen Raumlume und Gelegenheiten rur wachsende Differenzen fuumlr nicht mehr traditionsbestimmtes Handeln bieten kann helfen zu sehen welche Folgen solche religioumlsen Institutishyonell und Praktiken fuumlr die betroffenen Personen besitzen

Nur kurz sei auf relevante Felder hingewiesen Die Zunahme relishygioumlser Optionen ist als eines der wichtigsten Merkmale der hellenisshytischen und roumlmischen Epoche bis hin zum Vergleich mit modershynem religioumlsen Pluralismus beschrieben worden Verursacht war dies in erster Linie durch die Beweglichkeit von Kaufleuten Verwaltern

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Soldaten und Sklaven Eine Kompetenz Gottheiten entsprechend situationsspezifisch zu waumlhlen ist fuumlr die mediterranen Formen des Polytheismus charakteristisch Erst die Ausbreitung von Kulten die eigene Religionsgemeinschaften erzeugten popularisieree Ideen von Exklusivitaumlt und fuumlhrte zum Problem massenhafter religioumlser Devianz In einem additiven polytheistischen System das offen fuumlr Erweiteshyrungen warCl war die Einfiihrung von neuen Goumlttern und Optionen von Verehrung in lokale Tempel (durch Aufstellen von Bildern zuvor nicht verehrter Goumltter) oder in das was man besser nicht panthea nennen sollte (also das Einfuumlhren neuer Kulte il1 eillen On) haumlufig Solcl1es Verhalten war vielfach die Entscheidung einzelner und bedarf fuumlr griechische Heiligtuumlmer wie republikanische roumlmische Tempel weishyterer Untersuchung 21 Es koumlnnte sich zeigen dass der wichtigste Kreis religioumlser Symbole (lugo Pantheon) ein zufilliges Ergebnis von Einshyzelentscheidungen verschiedener Personen war

Ein neues Heiligtum zu stiften war eine nicht auf die Aufstellung eines neuen Kultbildes beschraumlnkte komplexe Angelegenheit Auswahl des Ortes Auswahl architektonischer Details Regelung von Ritualen (die fuumlr uns oft kaum sichtbar werden) die vielen Entscheidungen die sich auf vorhandene Traditionen beziehen wuumlrden interpretieren die in der Wettbewerbsgesellschafi vorhandenen Normen und schafshyfen lleue Normen Normierungen in diesem Sinn konnten auch in der Form von Grabmaumllern gemacht werden Ich denke an das Grab von Eurysaces einen roumlmischen Baumlcker und Groszlighaumlndler mit seinen Bildern von Teigmixern und Backvorgaumlngen In seinem Streben nach Originalitaumlt ist das Grab eher typisch denn auszligergewoumlhnlich das gilt auch wo es einem Weltbild Ausdruck verleiht das von Eurysaces eigenen Berufserfahrungen und Horizont dominiert wird In einer Anzahl solcher Denkmaumller und sogar in einem religioumlsen Text wie dem fruumlhchristlichen Hirten des Hermas23 ist es das Alltagsleben dem beinalle ein Letzewert gegeben wird Auf der gesellschaftlidlen Ebene stellt das die Dominanz des aristokratischen Wertsystems zwar nicht erfolgreich in Frage es es zeige aber eine Neubewercung von Alltagsleshyben an das uns erinnert an die von CharIes Taylor der Hochschaumltzung des Alltagslebens in moderner Zivilisation beigemessene Bedeutungli

Fuumlr das hellenistisch-roumlmische Altertum mit seinen Traditionen haumluslichen Kultes koumlnnte eine Kollision mit oumlfFentlichen Autoritaumlten dort produziert werden wo haumlusliche Rituale Nachahmungen des oumlfshyfentlichen Kults zu sein schienen Kim Bowes hat das Ausmaszlig solcher

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tnn begann die Europaumlische Religionsgeschichte 59

rituellen Praktiken in der Spaumltantike und die dadurch verursachten Konflikte mit kirchlichen Institutionen herausgearbeitetY Hier ist wachsende Individualitaumlt zeitgleich mit wachsender Zentralisierung und Normierung

Persoumlnliche Kommunikation mit Goumlttern wurde nie auf oumlffentliche Rituale oder Tempel beschraumlnkt Weihgeschenke die aus Gebeten in individuellen Krisensituationen resultieren sind seit der archaischen Periode verbreitet Formen und Intensitaumlt aumlndern sich jedoch und koumlnnten mit einer wachsenden Sorge fuumlr die eigene Familie wie sich selbst zusammenhaumlngen Die Zunahme des Asklepios- Kultes koumlnnte solch ein Indikator sein da gerade Heilungsprozeduren und ihre sozishyale Topographie Aussagen uumlber die Beziehung zwischen einer Person lind der Gesellschaft machen Aelills Aristides Hieroi Logoi ein mehshyrere Buumlcher umfassender Bericht eines Kranken uumlber seine 1raumlume Pilgerreisen und Begegnungen mit Asklepius sind eine der wichtigsten Quellen religioumlser Individualitaumlt aus der Antike 27 Die kaiserzeidiche Neubelebung und Ausbreitung von gerade auch lokalen kleinen Orashykeln zH ist ein interessantes Forschungsgebiet fuumlr die Individualisierung von Institutionen Astrologie als Massenphaumlnomen der Personalisieshyrung von Zeitordnungen waumlre ein weiteres 2

middot) Sie verorrer nach einer Formulierung Kocktt von Stuckrads eine Person in einer natuumlrlichen universalen Ordnung die zur gleichen Zeit mit bestimmten zum Beishyspiel juumldischen oder christlichen Kosmologien kompatibel gemacht wird elo In der Spaumltantike bot 111eurgie Rituale zur Manipulation des Goumlttlichen einen anderen Weg des wirksamen persoumlnlichen Kontakts an 1 Das gewaltige Aufgebot an magisch genannten Praktiken soll meine Liste beenden Auger individuellen Sorgen um Gesundheit ist hier der Versuch offensichtlich Eint1uss zu nehmen auf Ereignisse die aufgrund des Status der Beteiligten in sozialen Beziehungen oder RechtskonRikten zu erwarten waren Im hoch riskanten Bereich von Beziehungen von und mit Prostituierten wird der Mangel an traditioshynellen Regelungen durch Magie ersetztY

4 SchluJJ

Wenn das spaumltere Roumlmische Reich eine von Religionisierung chashyrakterisierte Epoche ist so laumlsst sich die hellenistisch-roumlmische Epoche nicht in gleicher Weise als Zeitraum von Individualisierung charakshy

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60 JaumlrgRuumlpke

terisieren Ich habe mich fuumlr die Nuumltzlichkeit eines analytischen Werkshyzeuges verschiedener Arten von Individualitaumlt und der Suche nach dem Individuum in unseren religionsgeschichtlichen Daten ausgesprochen Jedes Urteil uumlber die Periode insgesamt waumlre vorzeitig Gleichwohl ist es offensichtlich dass einige der Typen und Grade der fuumlr die Eposhyche als charakteristisch behaupteten Individualitaumltstypen positiv oder negativ mit der Formiefllng von Religionen korrelieren Mit einem solchen Zugriff koumlnnte eine fruchtbare Untersuchung des Uumlberganshyges von der Antike ins Mittelalter und in die Renaissance betrieben werden die einige FaUen der Interpretation der Spaumltantike vermeiden koumlnnte Eine testbare Hypothese ist das noch nicht

Und damit bin ich bei meiner Ausgangsfrage nach dem Beginn Eushyropaumlischer Religionsgeschichte wieder angekommen Die Diskussion der Achsenzeit hat impliziert dass es nicht reicht nach europaumlischen Ursachen von Phaumlnomenen zu suchen die sich selbst nicht auf Euroshypa beschraumlnken DifFusion etwa im Zeitalter des Imperialismus und Kolonialismus ist wichtig aber erklaumlrt nicht alles Explizit ist in dieshyser Diskussion deutlich geworden dass es nicht mehr reicht sich auf Gruumlndcdiguren auf Religionsstifter ZlI beschraumlnken

Ich hoffe aber dass meine vorsichtigen Formulierungen deurlich gemacht haben dass es mir gar nicht um die Frage absoluter datierbashyrer Anginge geht Es sind bestimmte Aspekte gegenwaumlrtiger Religion so meine Ausgangsthese die es lohneswert erscheinen lassen weit zushyruumlckzublicken und sich nicht auf die uumlbliche Unterstellung mit der Moderne werde alles anders einzulassen Wenn man Religion unrer dem Aspekt VOll Gruppenbildullg von Sozialproduktivitaumlt wie Hans Kippenberg es formuliert hat sieht mit all den Konsequenzen fuumlr einen Seaat und ein Rechtssystem wenn man Religion mit individushyeller religioumlser Erfahrung zusammenbringe dann lohnt es sich ja ist es fuumlr die Disziplin Religionswissenschaft unabdingbar bis in die helshylenistisch-roumlmische Epoche zuruumlckzublicken Mehr nicht Dass Euroshypaumlische Religionsgeschichte hier ihren Anfang genommen huumlte mag man sagen aber eine wissenschaftliche Aussage ist das nicht mehr Das ist der Beginn einer Erzaumlhlung die Sinn stiften kann oder Verwirrung die in diesem Sinne hilfreich oder unsinnig ist Aber das ist ein anderes Gmos das Politiker oder kulturelle Sinnstifter bedienen sollen nicht Religionshisroriker

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Anmerkungen 227

14 C Richmond Tsang W0r and Faith Ikko ikki in Ltlte lvfurofllchi Japan Cambridge MA Harvard Universiry Asia Cemer 2007

1 S Der Begriff stammt von R Eskildsen Of Civiization and Savages 1he Mimcdc Impcrialism ofJapans 1874 Expedition to Taiwan in Amerishycml Historiml Review 107 2002 388-418

16 YuS Japanese Religions 107 17 Yang Fenggang Thc Red Black and Gray Markers of Religion in Chishy

na in Sodgiml Quarterly 47200693-122 18 Hee-Seok Park Schamflllismw ohne Magie Seine idulfe Rolle und prakshy

tiltehe Funktion in der suumldkoreanischm Prowtbewegung Muumlnchen 2009

Anmerkungm zu dm Seiten 29-45 OlristofMandry Plumlimus als Problem und Pltmzlismus Ills Wert theologisch-ethische Uumlberlegungen

Das hebt etwa Ruumlpkc programmatisch hervor vgl J Ruumlpke Europa und die europaumlische Religionsgeschichte in H G Kippenberg 1 Ruumlpke K von Stuckrad (Hg) Europaumlische Religionsgeschichte Ein mch~focher Plushyralismus Bd I Goumltringen 2009 3-14 hier 9[

2 Vgl die differenzierten Uumlberlegungen von Ruumlpke ebd 4-9 und seine Warnungen vor dem Kreieren neuer Essentialismcn durch die normativ grundierte Option rur Pluralismus (vgl ebd 10)

3 Fuumlr eine eingehende Analyse und Bewertung des politischen Selbstvershystaumlndnisses der Europaumlischen Union als Wertegemeinschaft verweise ich auf mein Buch C Mandry Europa als Werregemeiwchflft Eine theshyologisch-ethische Studie zum politischen SelbsfIerstaumlndnis dcr Europaumlischen Unioll Baden-Baden 2009

4 Vgl dazu und zur religioumlsen Dimension des Konflikts D Zifonun und M 1akiSa Religioumlse Vielfalt und religioumlser Konflikt Der Fall Bosnien und Herzegowina in KippenberglRuumlpkevon Stuckrad (5 Anm 1) 411-438

Anmerkungen zu den Seiten 47-60 Joumlrg Ruumlpke Wt1JIn begann die Europdische Religionsgm-hichte Der hellenistischshyroumlmische Mittelmcermum und die europaumlische GegenuNtrt

Diese Arbeir entstand im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgeshymeimchaft finanzierten Kollegforschergruppe Religioumlse Individualisiershyung in Historischer Perspektive am Max-Weber-Kolleg der Universitaumlr Erfurr Ich danke insbesondere Hans oas Richard Gordon und Wolfshygang Spickermann flir die intensive Diskussion in diesem Rahmen Frau

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228 Anmerkungen

Julia Carls Erfurr bin ich fuumlr die Schlussbearbeirung dankbar - Die Utshyerarurangaben beziehen sich auf das nachfolgende Literaturverzeichnis

2 K Jaspers Vom Ursprung und Ziel der Geschichte vIuumlnchen 1988 3 S N Eisensradt (Hg) Kulturen da Achsenzeit Ihre Urspruumlnge und ihre

Vielfolt 2 Rdebull Frankfurt a M 1987 JP Arnason SN Eisenstltldt R Wittrock (eds) Axial civiLiwtions and world history Leiden 2005

4 S N Eisenstadt Die Achsenzeit in der Weltgeschichte in H Joa5 K Wiegandt (Hg) Die kulturellen WTrtl Europas Frankfurt a M 2005 40-68 hier 43

5 S N Eisenstadt Allgemeine Einleitung Die Redingutlgel1 fuumlr die Entstehung lind InstitutionaHsierung der Kulturen der Achsenzeit in Eisenstadt Kulturen (s Anm 3) 10-40

6 Arnason Eisenstadt Wimock Civilizations (s Anm 3) 7 B Wittrock Culmral Crysrallizatiotls and World llistory -rhe Age of

Ecumenical Renaissances in JP Arnason R Winrock (eds) Eurasian 7inllJjoumlrlllatiom 7enth to Thirteenth Cemuries Crystallizations Divergencshyes Renaissances Leiden 2004 41-73 hier 47f

8 Ebd 46 9 In einer Tagung zur Individualisierung in Erfurt im September 2009 (hg

von J Ruumlpke im Erscheinen) 10 Zum folgenden ausfuumlhrlich J Ruumlpke Religioumlser Pluralismus und das roumlshy

mische Reich in H Cancik J Ruumlpke (Hg) Die Religion des Imperium Romanum Tuumlbillgen 2009 )3 1-354

11 J North The Developmcnt ofReligious Pluralism in J Ueu J North [ Rajak (ed) The Jews Among Paglns aId ChristitlrJS In he Roman Emshypire London 1994 174~193 J Rlipke Die Religion der Roumlmer Eine Einshyfiihrung 2 Aufl Muumlnchen 2006 J Ruumlpke red) lhc Blackwell CompanshyiOIl to Roman Religion Oxford 2007

12 Zur Terminologie religioumlser Gruppen im Codex siehe H Zinser ReshyIigio Secta Haeresis in den Haumlrcsiegesetzen des Codex Theodosianus (165166) von 438 in M Hurter (Hg) Hairesis FemchriJi for Karl Hoheisel zum 65 Geburtstag Jahrbuch fuumlr Antike und Christentum SupshypI 34 Muumlnster 2002215-219

13 Siehe C Ando imperial ldeology ald Prouincial Loyalty in the Roman Emshypire Berkdey 2000 lind C Ando 7he A1auer ofthe Gods Religion lind the ROffan Empire Berkeley 2008

14 Siehe r Veync LEmpire Greco-Romain Paris 2005 454f 15 JZ Smith Religion Religions ReligiolLs in vIClaylor (ed) Critishy

cal7erms for Religious Swdies Chicago 1998 269-284 16 A van Harskamp 7heologie 7ext im Kontext aufder Suche nach der A1ethshy

ode ideologiekritischer AlIalYJc der 7heologie illustriert an Wtgtrken von Drt) Moumlhfer und Staudenmaier Tuumlbingen 2000 (Mein Dank gilt Dietmar Mishy

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Anmerkungen 229

eth Fellow der Kollegforschergruppe am Max-Weber-Kolleg der Univcrshysidir Erfurt fuumlr diesen Hinweis und die andauernde Diskussion)

17 A Musschengl lhe many faces ofindividualism in A van Harskamp A Musschenga (eds) ihe many jilas 0 indirJidualism Lcuven 2001 3-24 hier 5 Fuumlr eine Uumlbersicht klassischer Individualisierungstheorien s E Kippele was heiszligt Inditidualisietullg Die AntwOlmiddotten der soziologischshy1II Klassiker Opladen 1997

18 A Hahn Zur Soziologie der Beichte und anderer Formen institutionalshyisierter Bekenntnisse SdbstthclI1ltltisierung und Zivilisatiol1Sprozeszlig in Kiitner Zeitschlifiuumlr Soziologie und Sozialpsychologie 34 1982407-434

19 Siehe 1 Halman Individualism in Contemporary Europe in van HarshyskampMusschenga (wie Anll1 17) 25-46 hier 29 uumlber die Rolle des modernen Wohlfahrrsstaats

20 Siehe A Bendlin Peripheral Cenrres Cenrral Peripheries Rdigious Communication in the Roman Empire in H Cancik (Hg) Riimische Reichsreligion und ProJinziaLreligion Tuumlbingen 1997 35~68

21 Fuumlr Rom J Ruumlpke Dorn miitiae Die religioumlse Koustruktion des Krieges in Rom Stuttgarr 1990260-262 EM Orlin Temples Religion and Polititgt il1 the Romall Republic Leiden 1997

22 L H letersen The Baker His Tomb His Wifc and Her Breadbasket The Monument of Eurysaces in Rome in 7he Art Bulletin 85 2003 23()~257

23 So J Ruumlpke Apokalyprische Salzberge Zum sozialen Ort und zur litshyerarischen Strategie des Hirten des Hermas in Archiv szligir Religionsgeshyschichtel 1999 148~160

24 C Taylor Quellen des Selbst Die Entstehung der neuzeitlichen Identitaumlt Frankfurt Olm Main 1994 hier 14

25 K Bowes Prillftte lJorship publicJiduCJ and reigious cbange in late antiqshyuity Camhridge 2008

26 Siehe M B McGuire Ritluz Healing ill Suburban America With [he assistance of D Kantor New szligrunswick 1988240-257 J Ruumlpke HeishylungHeilungen I Religionsgeschichtlich in Lexikoll fiir 1heoLogie und Kirche Bd 41995 1357f

27 W V Harris B Hohnes (eck) Aeliw Aristides between Gleece Rome and the godJ Leiden 2008 A Petsalis-Diomidis TruLy Beyond 1vonders Aelius Aristides ami the CuLt 0Asklepios Oxford 2009

28 A Bendlin Vom Nutzen und Nachteil der Mantik Orakel im Medium von Handlung und Literatur in der Zeit der Zweiten Sophistik in D Elm von der Osten J Ruumlpke K Waldner (Hg) Texte als Medium und Reflexion Jon Religion im riimischm ampich Stuttgarr 2006 159~207 N szligelayche J Ruumlpke Divination er revelation dans les mondes grec ct romain prcsenmtion in RHR 2242 2007 139-147

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230 Anmerkungen

29 ] Ruumlpke Kalender lind Offmtlichkeit Die Geschichte der Repraumlsentation und religiaumlsen Qualifikation von Zeit in Rom Berlin 1995587-592] Ruumlpke Zeit und Fest Eine Kulturgeschichte des Kalenders Muumlnchen 2006 182-187

30 K von Stuckrad Das Rillgen 14m die Astrologie Juumldische und christliche Beitraumlge zum antiken ZeitverstaumlndJis Berlin 2000

31 C van Liefferinge La 7heurgie Des Omcles Chaldaiques aProclus Lieges 1999 N Janowitz conJ 0Power Ritual Practices in Late Antiquiry Unishyversity Park PA 2002 E Athanassiadi Dreuns 1heurgy and Freelance Divination The Testimony ofIamblichus in JRS 83 1993 115-130

32 R Gordon Imagining Creek and Roman Magie in V Flint (ed) Witchcraft md Alagic in Europe 2 Ancient Gruce and Rome London 1999 159-275 R Gordon Mlgic as a topOS in Augustan Poetry Disshycourse Realityand Distance in Archiv flr Religiomgeschichte 112009 209-228

Anmerkungen zu den Seiten 61-74 Sabine Schmolinsky Die Zeit der Anderen Juden Heiden Ketzer im christshylichen GescJiclmdllken

M Srausberg Renaissancen Vermitdungsformen des Paganen in H G Kippenberg J Ruumlpke K von Stuckrnd (Hg) Europaumlische Religionshysgeschichte Ein menjacher Plumlisrnus Bd 2 Goumlttingen 2009 695-721 hier 709

2 C Auffarrh Mittelalterliche Modelle der Eingrenzung und Ausgrenzung religioumlser Verschiedenheit in KippenbergRuumlpkevon Stuckrad Bei 1 193-218 hier 193

3 C Auffanh Pluralismus Religion und Mittelalter Das Mittelalter als Teil der Europaumlischen Religionsgeschichte in ders (Hg) Religioumlser Plumlismus illl Mittelalter Besichtigung einer ~Epocbe der Europaumlischen ReshyligionsgeJchichte Berlin 2007 11-23 hier 17f

4 VgL Auffimn (wie Anm 2) 211 f 5 Vgl W Stuumlrner Friedrich ll Teil 1 244f 251 Teil 2 Der Kaiser 1220shy

1250 Darmstadt 2000 266 271f 287-289 297-299 6 Bibelzitare nach Die Bibel A1res und Neues Testament Einheitsuumlbersetshy

wng PrciburglBasellWien 1980 7 In der Apostelgeschichre (1344middot-48) wird diese Abfolge mir deutlich allshy

tijuumldischer Akzentuierung als eine Mi$$ionierungsgeschichte e17iihlt Am folgenden Sabbat versammelte sich aumlst die ganze Sradr um das Wort des Herrn 7U houmlren Als die Juden die Scharen sahen wurden sie eifersuumlchtig widersprachen den Worten des Paulus und stieHen Iiisterungen aus Paulus und Barnabas aber erklaumlrten freimuumltig Euch [= den Juden Jmuszligte das Wort

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49~mn begann die Europaumlische Religionsgeschichte

mus noch die griechische Religion trO(z der Einbeziehung von Sokra~ tes Berticksiclltigung gefunden

Die Vorstellung axIaler Zivilisationen ist seit langem von kruden Kausalitaumlten befreir worden Eisenstadt hat bereits eine groumlszligere Anzahl von intellektuellen politischen sozialen religioumlsen und kulturellen Veraumlnderungen identifiziert juumlngere Studien haben die Bedeutung von Winschaftstmiddottuoren in einer mittelalterlichen Achsenzeit betont Auf der Grundlage einer Neuinterpretation von Karl Jaspers Konzept der Achsenzeit und eines langen Austausches mit Shmuel Eisenstadt hat Bjoumlrn Wittrock versucht die Vorstellung von Axialitaumlt so allgeshymeinen wie nur moumlglich zu konzeptualisieren Derart schlieszligt er eine groszlige Anzahl von kulturell bestimmten Konkretisierungen aus um zugleich eine Vielfalt verschiedener Reaiisierungen und folglich vershyschiedener PFade von Entwicklung zuzulassen

Was nicht kulturell bestimmt ist bleibt die Idee dass eine Achsenshyzeit eine Periode tiefgreifender Aumlnderungen von Grunddimensionen menschlicher Existenz ist naumlmlich textlich greifbarer radikaler Aumlndeshyrungen im reflexiven Bewusstsein in der Kosmologie der Historizitaumlt Sozialitaumlt und der agentiality der individuellen Handlungskompeshytenzl Diese Minimaldefinitionlegt den Akzent auf eine intellektuelle Entwicklung waumlhrend sie zur gleichen Zeit betont dass politische und oumlkonomische institutionelle Veraumlnderungen fuumlr die Identifikashytion ebenso wichtig sind wie fuumlr die tatsaumlchliche Formierung axialer Kulturen Das historische Problem freilich wie Wittrock betont ist auf diese Are gerade nicht geloumlst nIe most important direction in future research i5 to speil out the links between the set of intellecshytual and cosmological breakthroughs and sea-changing inscicutional transformations that a limited sense of the concept of the Axial Age denotes R Man kann Achsenzeit nicht laumlnger als Abkuumlrzung fuumlr Aumlhnlichkeiten in den Vomellungen einiger weit von einander entshyfernter religioumlser Griindungsfiguren verwenden Wenn er uumlberhaupt verwendet wird bezieht sich der Ausdruck auf eine Interaktion zwishyschen Religion und politischem Raum bezieht sich nicht auf inhaumlshyrente Qualitaumlten von Glaubenssysremen sondern auf komplexe kul~ turelle Konstellationen

Ich habe mich aus zwei Gruumlnden mit dem Konzept der Achsenshyzeit aufgehalten Zum einen erinnert uns der Ausdruck daran dass Erklaumlrungen auf derselben Skala wie die Groumlszligenordnung der zu erklaumlshyrenden Phaumlnomene gesucht werden muumlssen wie Greg Woolf es betont

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hat als er auf die wichtige Rolle der Ausbildung von Reichen fuumlr die Entwicklung von achsenzeitlichen Religionen hinwies~ Zum anderen ist die hellenistisch-roumlmische Epoche alles andere als marginal fuumlr die klassische Achsenzeitkonzeption wenn wir uns nicht auf Gruumlnderfigushyren sondern auf die sich ausbildenden religioumlsen Traditionen schaushyen Diese Epoche ist fuumlr das Verstaumlndnis des fruumlhen Christentums des rabbinischen Judentums und des zirkummediterranen Islam entscheishydend sie stand in kulturellem Austausch mit Indien wie dem Iran importierte Ideen wie den Dualismus und die Gymnosophisten die nackten Jogiphilosophen exportierte wichtige Medien wie Muumlnzen mit religioumlsen Abbildungen und einen Typ von Statuenportraumlt der die direkte Abbildung des Buddhas (anstelle von Zeichen wie dem leeren 111ron) verbreitete Zumindest geht es also um die Kinderstube seshykundaumlrer axialer Zivilisationen die dem Einfluss der primaumlren axialen Ideen und Institutionen vollstaumlndig ausgesetzt war

2 Die EntJtehung von Religionen

Uumlber Riiume von subkontinentaler Groumlszlige als Ursprungsorte zu reden ist eher irrefuumlhrend Ich werde gleich wieder auf die Groumlszlige politischer Formationen als historischer Faktor zu sprechen kommen muss aber zunaumlchst den ganz lokalen Charakter nicht nur antiker Religionen beshytonen Zu Recht ist Religion als in soziale und politische Strukturen und Praktiken eingebettet beschrieben worden als lokale Gegebenheit mithin Von einem lokalen Charakter zu sprechen bedeutet aber nicht dass - wie Begriffe wie Polisreligion oder civic cults suggerieren reshyligioumlse Praktiken sich allein auf politische Identitaumlt konzentrieren oder von den Investitionen der Elite in religioumlse Infrastruktur dominiert werden Daraus folgt dass die Rede von - zum Beispiel - Athener oder roumlmischer Religion ebenso problematisch ist wie die Rede von einer Mehrzahl von Religionen in oder von Athen Das gilt fuumlr helleshynistische Staumldte nicht anders als fuumlr roumlmische So soll im folgenden das Augenmerk zunaumlchst auf eine einzelne Stadt auf Rom gerichtet wershyden eine Stadt deren Rolle Hlr die Ausbildung des Begriffs Religion wie fuumlr seine rechtliche Rahmung ftir die europaumlische Geschichte am folgenreichsten gewesen ist

Aufgrund kontinuierlicher KO(1(akte seit den fruumlhen Urbanisieshyrungsphasen hatte Rom die Stadt am Rande der griechischen Welt

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51~1I11 begelllll die Europaumlische Religionsgeschichte

keine Probleme mit der Aufnahme und Akkulturation griechischer Einfluumlsse ob es sich nun um Mater rnaglJil aus Kleinasien oder Venugt Ercina aus Sizilien handelte deg Erst aus dem vierten Jahrhundert n Chr blickte Firmicus Matert1l1S auf eine roumlmische Gesellschaft zuruumlck deren Infektion mit dem Import des Kults von Ceres bzw ProSuumlpishyna aus dem sizilianischer Enna begonnen hatte (Errores profonarum religionum 7) Nach Ausweis Ciceros blieben noch Mitte des ersten Jahrhunderts v Chr das heiszligt am Ende der roumlmischen Republik andere kulturelle und religioumlse Raumlume einfach exotisch waren weder gefahrlich noch adaptierbar so etwa die syrischen Fischgoumltter und die aumlgyptischen Tiergoumltter (Cicero De natura deorum 339 Aumlgyptisches erneut in 348) oder eine indische Variante des Iuppiter (342 Belw dh Baal) Die Existenz von aumlgyptischen Varianten von Goumlttergeneashylogien wurden haumlufiger notiert (354 ff) aber ihnen wurde nicht der Status von gefahrlichem Wissen zugemessen Solche Genealogien wurshyden als entfernte lokale Varianten wahrgenommen und gewannen keishyne Bedeutung uumlber jene Orte hinaus Wie die Roumlmer ihre oumlffentliche Religion hatten hatte andere ihre (Cicero Pro Facco 69) und diese konnten miteinander verglichen werden (De natura Deorum 28) Cishycero venvendet in diesem Zusammenhang aber keine Mehrzahl Sua cuique civitati religio Laeli est nostra nobts - jeder hat seine Religion wir haben unsere ist in der Rede fuumlr Flaccus ein Ausruf eine Deklaration radikaler Differenzen nicht der Verweis auf sinnvolle Wahlmoumlglichkeiten oder eine irgendwie bedeutungsvolle Koexistenz In der langen Geschichte des Roumlmischen Reiches das hellenistische Strukturen und Entwicklungen integrierte musste diese Position reshyvidiert werden

Das Einstroumlmen von Kulten nach Rom ihr Bluumlhen in Rom und die haumlufige Errichtung eines roumlmischen Zentrums von Kulten die an anderen Orten entstanden waren (wie im Falle der his oder des CI1fistentums) ist im Detail in der modernen Forschung beschrieben worden 11 Rom die Hauptstadt fesselte und fesselt das Interesse von modernen wie antiken Intellektuellen Jeder ehrt seine Goumltter und die Roumlmer sie alle ist die zusammenfassende Beobachtung von Caecilius einer Figur in dem von Minucius Felix um 220 n Chr geschriebenen fruumlhchristlichen apologetischen Dialog Octavius (61) Caecilius legt dabei seinen Akzent auf den Kult (63-71)

Solch eine romzemrierte Sicht ist fuumlr den Immigranten aus Nordshyafrika ist fuumlr Minudtls verstaumlndlich Roms Position war jedoch nicht

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52 Joumlrg Ruumlpke

einzigartig Das Gleichnis von Rom als Tempel der ganzen Velt vershywendet eine Phrase die der hermetische Traktat Asclepius fuumlr Aumlgypshyten verwendet Eine auszligergewoumlhnliche Mobilitaumlt ermoumlglicht durch die Strukturen den Bedarf und die Moumlglichkeiten des Roumlmischen Reiches modifizierte die religioumlse Landschaft uumlberall Das wurde von demselben Beobachter mit seinen Erfahrungen aus Rom und Nordshyafrika wohl wahrgenommen So laumlsst Minucius Felix seine Figuren auf eine Zeit zuruumlckblicken bevor der Globus dem Handel geoumlffnet wurde und die Voumllker ihre Riten und Sitten vermischten (206) Die Veraumlnderungen gingen aber weit uumlber das Ritual hinaus und dieser Entwicklung muss ich mich jetzt zuwenden

Begriffe wie cuUumlUJ srcra oder crterimoniae aber sogar der eher auf das Kognitive lielende Begriff religio (und sein Plural) konnten kaum die Realitaumlt der Bildung von Gruppen reflektieren die religioumlse Symboshyle zur Formulierung einer Gruppenidentitaumlt verwendeten Im Rahmen antiker Religion korrespondierte der Kult einer bestimmten Gottheit nur gelegentlich mit Gruppengrenzen er bildete eher ein geteiltes und zwar wichdges aber kaum exklusives Zeichen Diese Tatsache stellt die uumlbliche Interpretation von Sammlungen inschriftlicher und archaumloloshygischer Corpora zum Kuh (wohlgemerkt Singular) einer bestimmten Gottheit in Frage Mit den beruumlhmten Corpora cutult religionis konshystruiere die moderne Forschung eine uumlberregionale religionsgeschichtshyliehe Einheit Kult die es so in der Antike gar nicht gegeben hat

Es entstanden andere terminologische Loumlsungen mit diesen vielshyf-ilrigen Aspekten umzugehen Secta das das griechische hairesis uumlbershysetzte wurde in erster Linie verwendet um philosophische Schulen seit dem fruumlhen Hellenismus zu unterscheiden konnte aber auch fuumlr juumldische Gruppen wie Sadduzaumler oder Pharisaumler verwendet werden Der Ausdruck ist bei Cicero selten der es haumlufiger nur fuumlr politische starr philosophische Gruppen verwendete aber erscheint haumlufiger vom ersten Jahrhundert an Er ist im sogenannten luumlleranzerlass von 311 n Chr belegt (Llctanrius De mortibus persecutorum 34) Hier blickte der Kaiser Licinius auf seinen fruumlheren Versuch zuruumlck die Christen wieder zu Sinnen zu bringen da sie die Sekte ihrer Eltern (341) verlassen haumltten Der Ausdruck wird sehr haumlufig fuumlr alle Arten von Sekshyten in den im sechzehnten Bucb des Lodex 7heodosianus gesammelten Normen verwendet (insbesondere 165) einschlieszliglich einiger Faumllle von katholischer oder orthodoxer SekteY

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53Wann begann die Europaumlische Religiomgeschichte

Wenn vergleichbare und - das ist wichtig reversible Wahlmoumlglichshykeiten in BeZllg auf verschiedene philosophische Schulen ausgedruumlckt werden konnten implizierte dies einen Wissensvorat wie - und auch dies ist wichtig - einen eigenen Lebensstil Durch den Ausdruck discishyplina konnte dieser Akzent auf Lebensfuumlhrung auf bestimmte religioumlse Spezialisten angewandt werden erwa Zauberer etruskische Eingeshyweideschauer oder Auguren sogar schon in der spaumlten Republik Der Sprachgebrauch wurde zur Erfassung einer weit groumlszligeren Vielfalt von religioumlsen Praktiken durch die christliche Apologetik seit dem Ende des zweiten Jahrhunderts erweitert und erreichte im vierten Jahrhunshydert offizielle Texte

Im Verlauf der Ausdehnung des Imperiums seiner umfangreichen Verschiebung von Personen und seiner Delegitimierung von lokalen Autoritaumlten U waren solche Komplexe religioumlser Zeichen und I-Iandshylungen zu mehr geworden als natuumlrliche Folge der Ehrfurcht vor einer bestimmten Gottheit Sie wurden rationaler Interpretation und Ershyklaumlrung unterzogen Sie wurden an universalen Humanitaumltsstandards gemessen Fuumlr eine wachsende Anzahl von Menschen waren sie ein notwendiger Teil (aber ich muss betonen nur Teil) ihrer Lebensform geworden Die Aufteilung zwischen Oumlffentlichkeit und Privatem konnte darauf nichr mehr angewandt werden Diese Sozialformen washyren ein oumlkonomischer und politischer Faktor Sie waren ein Medium eines funktionell nicht-religioumlsen Diskurses

Im einzelnen waren diese Elemente weder neu noch konsistent Sie konvergierten aber mit terminologischen Veraumlnderungen mit ratio und jides Vernunft und Glauben die religio kontrollierten mit der Betonung von wahrer Religion mit disdplilUJ Lebensfuumlhrung und Moral H und mir secta eine Gruppierung die weder oumlffentlich noch privat ist Durch ihre Verwendung von Inschriften Bildern und Arshychitektur wurde Religion eines der wichtigsten Medien oumlffentlicher Kommunikation

Die Mobilitaumlt von intensiver organisierten Anhaumlngern durchaus nicht im Falle jeder Gottheit jeder religio und jedes mltus schuf das Problem der uumlberoumlrtlichen Wiedererkennbarkeit Dies wurde durch Annaumlhtfungen an eine ikonographische Standardisierung des Kultbilshydes im Falle des Mithras durch ungewoumlhnliche Ritualen und aumlgypshytische Dekorationen im Falle der sis erreicht durch den Austausch von Brieten und Sammlungen von Erzaumlhlungen im Falle von Christen

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54 joumlrg Ruumlpke

durch den Versuch jeden Aspekt des Lebens zu regulieren im Falle der rabbinischen Autoren der Mishna in Palaumlstina

Um den gesellschaftlichen Ort eines solch aufgeladenen Konzepts von Religion und das Auftreten von Kulten die Grenzziehung beshytreiben zu definieren griff die roumlmische Verwaltung vor allem seit den Kaisern Aurelian und Diocletian am Ende des dritten Jahrhunderts auf Gesetzgebung wenn notwendig auf strafrechtliche Erlasse und walttaumltige Verfolgungen zuruumlck Einige Formen vom Judentum tentum und Manichaumlismus waren unter den Uumlberlebenden aber die beschriebene Entwicklung hatte die Entstehung einer weit groumlfSeren Fuumllle VOll Religionsgemeinschaften zur Folge gehabt - eine Tatsache die in Achsenzeit-Darstellungen normalerweise uumlbersehen wird Auch Religionsgeschichtsschreibung ist noch immer in der Regel die Geshyschichte der Sieger

3 fndividutlliJierung

Ollensichtlich erfuhr die hellenistisch-roumlmische Epoche eine Entwickshylung einer Vielfalt von dicht organisierten teils professionalisierten Systemen von Symbolen Praktiken und Gruppenbildungen - ich vershymeide immer noch den BegrifF Religionen dessen konfessioneller und exklusiver Charakter kaum vor dem Ende der Periode charakteshyristisch wmde Ich schlage vor den Begriff Religionisierung oder Rcligionifizierung auf diesen Prozess anzuwenden der eine weit reishychende obschon nicht irreversible Veraumlnderung des gesellschaftlichen Ortes von Religion einschloss Jonathan Zittel Smiths Modell eines Uumlberganges von lokativer politisch eingebetteter und zur Legitimation der bestehenden Herrschaft verzweckter Religion in utopische Relishygion die das Ideale jenseits des Bestehenden denkt ist hier sehr hilfshyreich l ) Gleichwohl muumlssen wir bedenken dass die roumlmischen wie byshyzantinischen Formen des Christentums schnell in ausgepraumlgtem MaBe lokative Religionen wurden Mit der hellenistisch-roumlmischen AlHike anzufangen bedeutet weder Forrschrittsgeschichten zu erzaumlhlen noch die Vergangenheit anachronistisch zu aktualisieren

Gleichwohl wage ich es einen zweiten Begriff einzufuumlhren nun keinen Neologismus wie Religionisierung aber einen der der Geshyfahr des Anachronismus der falschen Aktualisierullg noch staumlrker ausshygeliefert zu sein scheint naumlmlich Individualisierung Das theoretische

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55f0rm begann die Europaumlische Religiongeschidlte

Interesse ist aumlhnlich gelagert Wenn Religionisierung den prekaumlren und kontingenten Charakter der system ischen und institutionellen Dimension von Religion und ihre Stelle in und ihr Verhaumlltnis zur Geshysellschaft thematisiert zielt Individualisierung direkt auf die einzelne Person als Ort von Erf1hrung und ageney Handlungskompetenz und ihrer welchselseitigen Abhaumlngigkeit von und mit der Gesellschaft wie Religion Vieder muumlssen Vorstellungen von Fortschrirt und anachroshynistischer Aktualisierung vermieden werden Es waumlre schwierig das komplexe Syndrom VOll De-Traditionalisierung biographischer Zushywendung zu sich selbst permanellter Rellexivitaumlt und narzistischem Trieb zu Authentiziaumlt wie sie als typisch fuumlr zeitgenoumlssische Individuashylisierung in einer juumlngeren Diagnose formuliert worden sind schon in der An ike zu identifizierenltgt

Wie kann demnach solch ein Begriff religionsgeschichtlich fruchtshybar gemacht werden Zwei Maszlignahmen muumlssen werden Die erste heiszligt die Begrifflichkeit zu klaumlren Entsprechend neuen Diskussishyonen schlage ich vor Individualisierung zu beschraumlnken auf umfangshyreiche strukturelle oder diskursive Veraumlnderungen also langlaufende historische Prozesse die nur aus einer Vielzahl von Einzelbefunden ershyschlossen werden koumlnnen 17 Naruumlrlich bezieht sich Individualisierung auf wachsende Grade VOll Individtlaliraumlr Zu deren Definition wuumlrde ich vor allem auf de-traditionalisiertes Handeln als Merkmal verweishysen Damit entstehen faktische Unterschiede und explizite Distinktioshynen im Vergleich zu anderen und derem Handeln das kann zwischen Perfektion und Devianz nicht mehr nOfmgerechtem Verhalten lieshygen Solche Begriffe implizieren dass Individualitaumlt selbst kein rein beschreibender Begriff ist sondern auf zeitgenoumlssische Diskurse und Sachzwaumlnge verweist Um solche Dillerenzen fuumlr antike Gesellschaften abzubilden schlage ich vor fuumlnf verschiedene Arten der Individualitaumlt zu unterscheiden

- praktisclle Individualitaumlt moralische Individualitaumlt kompetitive Individualitaumlt

- repraumlsentative Individualitaumlt - reflexive Individualitaumlt Diese Typen sind nicht unbedingt korreliert Praktische Individushy

alitaumlt - die Tatsache dass die Leute selbstbesrimmt handeln statt einshyfach Traditionen folgen zu muumlssen oder koumlnnen weist auf Situationen in denen Einbettungen verloren gehen etwa als Folge von zeitweiligem

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aumlrg RUumllke

oder dauerhaftem Abbruch sozialer Bindung (wie im Falle von Migshyranten Reisenden oder Uumlberlebenden von Katastrophen) oder weist auf die Folgen scharfer Arbeitsteilung Diese Bedingungen werden von dell Betroffenen wie Zeitgenossen haumlufig nicht reflektiert im Einzelfall wurden aber Vorbereitullgen getroffen durch geschriebene oder erlernshyte Anweisungen zum Beispiel fuumlr Jenseitsreisen

Moralische Individualitaumlt schlieszligt ein die Zuschreibung von Vershyantwortung an Personen fuumlr ihr eigenes Verhalten konkretisiert sich

ich bleibe im Bereich des Religioumlsen - in Konzepten von Suumlnde in gesetzlichen Normen wie Strafen In der Amike sind solche Standards typischerweise diejenigen von anderen und wuumlrden Urteile uumlber sozishyale Verpflichtungen einschlieszligen bis hin zur Negation von Individushyalituuml Spezifische Pflichten stehen eher im Vordergrund als universale Rechte an eine juristische Individualitaumlt im Sinn einer Erklaumlrung von Menschenrechten ist nicht zu denken Der Blick kann sich nur auf Details richten Schon eille Verpflichtung zur Beteiligung an Ritualen weist auf eine moralische Individualitaumlt die bloszlige Verbote uumlbersteigt

Kompetitive Individualitaumlt bezieht sich auf den verbreiteten arisshytokratischen Wettbewerb um Auszeichnung Distinktion Hier geht es normalerweise um Normen an denen sich andere soziale Grupshypen orientieren Individuelle Unterschiede werden von zeitgenoumlssishyschen Beobachtern prauml7jse beobachtet aber an einem gemeinsamen diskursiv erzeugten Ethos gemessen das das Gemeinwohl oder den Familienstatus betonen wuumlrde Froumlmmigkeit (pietas) die auch das Verhalten gegenuumlber dcn Eltern einschlieszligt waumlre ein solcher Begriff Groszligzuumlgigkeit und Kunstgeschmack bei der Stiftung eines Tempels ein Beispiel Die konkreten Normen waumlren freilich durch tatsaumlchliches Konkurrenzverhaltcn gclorlllt und modifiziert Konflikte sind hier selbstverstaumlndlicher Bestandteil

Repraumlsentative Individualitaumlt bezieht sich auf die zwei vorangeshygangenen Personen sollen bestrebt sein vorbildlicll zu werden und werden als Beispiele exempla erzaumlhlt Nicht individudlc Differenz sondern Perfektion beim Erfuumlllen einer sozialen oder religioumlsen Rolle ob als roumlmischer pllter familias christlicher Maumlrtyrer odcr maumlnnlicher Jude ist VOll allen angestrebt Gleichwohl bleibt die Erfuumlllung dieser Norm eine persoumlnliche Errungenschaft

Schlieszliglich setzt die reflexive Individualitaumlt die Ausbildung eines individualistischen Diskurses voraus eine individualistische Ideologie Entsprechende Uumlberlegungen uumlber das Selbst oder die menschliche

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57Wimn bega1I1 die Europaumlische Religionsgeschichte

Natur des Einzelnen zum Beispiel in der stoischen Lehre der oikeioshysis werden haumlufig gepraumlgt von normativen Vorsrellungen von sozialen Rollen verweisen so also auch auf die repraumlsentative Individualitaumlt zushyruumlck erst der Neuplatonismus bringt bier einen Quantensprung

Alle diese Typen von Individualitaumlt weisen eine gender- eine Geshyschlechts-Dimension auf sie gelten fuumlr einzelne Bereiche der Gesellshyschaft koumlnnen in der Elite oder an den Raumlndern in verschiedenen Formen und Graden gefunden werden sind voruumlbergehende Phaumlnoshymene oder geben Anlass zu Prozessen der Institutionalisierung Solche Prozesse koumlnnen Wertungen uumlber DeviallZ leicht veraumlndern Institushytionalisierte Individualitaumlt zum Beispiel Regeln repraumlsentativer Indishyvidualitaumlt koumlnnen leicht fruumlhere Normen kompetitiver Individualitaumlt ersetzen Jeder Jude muss nun die Torah studieren Selbstbeherrschung kann die wirksamste Form oumlffentlicher Disziplinierung sein in moshydernen Beichrpraktiken wenn bekannt wird was nur Gott gesehen hat 18 wie in antiken Moumlnchsgemeinschaften Oumlkonomische Sicherheit ist eine Vorbedingung fuumlr verbreitete Individualitaumlt und muss fuumlr jede Analyse des mediterranen Altertums in Anschlag gebracht werdengt

Individualitaumlt kann nur unter Beruumlcksichtigung von Sachzwaumlngen und gleichzeitigen Diskursen gemessen werden Zugleich ist sie das Ergebnis der vorlaufenden Individuierung der jeweiligen Person sishytuative Individuali tiir ist Teil einer solchen lndividuierung als eines andauernden Prozesses Natuumlrlich ist Individuierung untrennbar mit Sozialisation der Entwicklung einer sozialen Persona mit eigener Inshydividualitaumlt verbunden Das Konzept von Individuierung die Entshywicklung persoumlnlicher Selbstidentitaumlr ist in antiken Texten kaum von sozialer Interaktion und Funktionalitaumlt zu unterscheiden Gleichwohl kann das Konzept fuumlr die historische Analyse verwendet werden um moumlgliche Felder zu erfassen auf denen Religion die Entwicklungen von verschiedenen Arten und Graden der Individualitaumlt erlaubt Es kann helfen zu sehen wo Religionen Raumlume und Gelegenheiten rur wachsende Differenzen fuumlr nicht mehr traditionsbestimmtes Handeln bieten kann helfen zu sehen welche Folgen solche religioumlsen Institutishyonell und Praktiken fuumlr die betroffenen Personen besitzen

Nur kurz sei auf relevante Felder hingewiesen Die Zunahme relishygioumlser Optionen ist als eines der wichtigsten Merkmale der hellenisshytischen und roumlmischen Epoche bis hin zum Vergleich mit modershynem religioumlsen Pluralismus beschrieben worden Verursacht war dies in erster Linie durch die Beweglichkeit von Kaufleuten Verwaltern

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Soldaten und Sklaven Eine Kompetenz Gottheiten entsprechend situationsspezifisch zu waumlhlen ist fuumlr die mediterranen Formen des Polytheismus charakteristisch Erst die Ausbreitung von Kulten die eigene Religionsgemeinschaften erzeugten popularisieree Ideen von Exklusivitaumlt und fuumlhrte zum Problem massenhafter religioumlser Devianz In einem additiven polytheistischen System das offen fuumlr Erweiteshyrungen warCl war die Einfiihrung von neuen Goumlttern und Optionen von Verehrung in lokale Tempel (durch Aufstellen von Bildern zuvor nicht verehrter Goumltter) oder in das was man besser nicht panthea nennen sollte (also das Einfuumlhren neuer Kulte il1 eillen On) haumlufig Solcl1es Verhalten war vielfach die Entscheidung einzelner und bedarf fuumlr griechische Heiligtuumlmer wie republikanische roumlmische Tempel weishyterer Untersuchung 21 Es koumlnnte sich zeigen dass der wichtigste Kreis religioumlser Symbole (lugo Pantheon) ein zufilliges Ergebnis von Einshyzelentscheidungen verschiedener Personen war

Ein neues Heiligtum zu stiften war eine nicht auf die Aufstellung eines neuen Kultbildes beschraumlnkte komplexe Angelegenheit Auswahl des Ortes Auswahl architektonischer Details Regelung von Ritualen (die fuumlr uns oft kaum sichtbar werden) die vielen Entscheidungen die sich auf vorhandene Traditionen beziehen wuumlrden interpretieren die in der Wettbewerbsgesellschafi vorhandenen Normen und schafshyfen lleue Normen Normierungen in diesem Sinn konnten auch in der Form von Grabmaumllern gemacht werden Ich denke an das Grab von Eurysaces einen roumlmischen Baumlcker und Groszlighaumlndler mit seinen Bildern von Teigmixern und Backvorgaumlngen In seinem Streben nach Originalitaumlt ist das Grab eher typisch denn auszligergewoumlhnlich das gilt auch wo es einem Weltbild Ausdruck verleiht das von Eurysaces eigenen Berufserfahrungen und Horizont dominiert wird In einer Anzahl solcher Denkmaumller und sogar in einem religioumlsen Text wie dem fruumlhchristlichen Hirten des Hermas23 ist es das Alltagsleben dem beinalle ein Letzewert gegeben wird Auf der gesellschaftlidlen Ebene stellt das die Dominanz des aristokratischen Wertsystems zwar nicht erfolgreich in Frage es es zeige aber eine Neubewercung von Alltagsleshyben an das uns erinnert an die von CharIes Taylor der Hochschaumltzung des Alltagslebens in moderner Zivilisation beigemessene Bedeutungli

Fuumlr das hellenistisch-roumlmische Altertum mit seinen Traditionen haumluslichen Kultes koumlnnte eine Kollision mit oumlfFentlichen Autoritaumlten dort produziert werden wo haumlusliche Rituale Nachahmungen des oumlfshyfentlichen Kults zu sein schienen Kim Bowes hat das Ausmaszlig solcher

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tnn begann die Europaumlische Religionsgeschichte 59

rituellen Praktiken in der Spaumltantike und die dadurch verursachten Konflikte mit kirchlichen Institutionen herausgearbeitetY Hier ist wachsende Individualitaumlt zeitgleich mit wachsender Zentralisierung und Normierung

Persoumlnliche Kommunikation mit Goumlttern wurde nie auf oumlffentliche Rituale oder Tempel beschraumlnkt Weihgeschenke die aus Gebeten in individuellen Krisensituationen resultieren sind seit der archaischen Periode verbreitet Formen und Intensitaumlt aumlndern sich jedoch und koumlnnten mit einer wachsenden Sorge fuumlr die eigene Familie wie sich selbst zusammenhaumlngen Die Zunahme des Asklepios- Kultes koumlnnte solch ein Indikator sein da gerade Heilungsprozeduren und ihre sozishyale Topographie Aussagen uumlber die Beziehung zwischen einer Person lind der Gesellschaft machen Aelills Aristides Hieroi Logoi ein mehshyrere Buumlcher umfassender Bericht eines Kranken uumlber seine 1raumlume Pilgerreisen und Begegnungen mit Asklepius sind eine der wichtigsten Quellen religioumlser Individualitaumlt aus der Antike 27 Die kaiserzeidiche Neubelebung und Ausbreitung von gerade auch lokalen kleinen Orashykeln zH ist ein interessantes Forschungsgebiet fuumlr die Individualisierung von Institutionen Astrologie als Massenphaumlnomen der Personalisieshyrung von Zeitordnungen waumlre ein weiteres 2

middot) Sie verorrer nach einer Formulierung Kocktt von Stuckrads eine Person in einer natuumlrlichen universalen Ordnung die zur gleichen Zeit mit bestimmten zum Beishyspiel juumldischen oder christlichen Kosmologien kompatibel gemacht wird elo In der Spaumltantike bot 111eurgie Rituale zur Manipulation des Goumlttlichen einen anderen Weg des wirksamen persoumlnlichen Kontakts an 1 Das gewaltige Aufgebot an magisch genannten Praktiken soll meine Liste beenden Auger individuellen Sorgen um Gesundheit ist hier der Versuch offensichtlich Eint1uss zu nehmen auf Ereignisse die aufgrund des Status der Beteiligten in sozialen Beziehungen oder RechtskonRikten zu erwarten waren Im hoch riskanten Bereich von Beziehungen von und mit Prostituierten wird der Mangel an traditioshynellen Regelungen durch Magie ersetztY

4 SchluJJ

Wenn das spaumltere Roumlmische Reich eine von Religionisierung chashyrakterisierte Epoche ist so laumlsst sich die hellenistisch-roumlmische Epoche nicht in gleicher Weise als Zeitraum von Individualisierung charakshy

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60 JaumlrgRuumlpke

terisieren Ich habe mich fuumlr die Nuumltzlichkeit eines analytischen Werkshyzeuges verschiedener Arten von Individualitaumlt und der Suche nach dem Individuum in unseren religionsgeschichtlichen Daten ausgesprochen Jedes Urteil uumlber die Periode insgesamt waumlre vorzeitig Gleichwohl ist es offensichtlich dass einige der Typen und Grade der fuumlr die Eposhyche als charakteristisch behaupteten Individualitaumltstypen positiv oder negativ mit der Formiefllng von Religionen korrelieren Mit einem solchen Zugriff koumlnnte eine fruchtbare Untersuchung des Uumlberganshyges von der Antike ins Mittelalter und in die Renaissance betrieben werden die einige FaUen der Interpretation der Spaumltantike vermeiden koumlnnte Eine testbare Hypothese ist das noch nicht

Und damit bin ich bei meiner Ausgangsfrage nach dem Beginn Eushyropaumlischer Religionsgeschichte wieder angekommen Die Diskussion der Achsenzeit hat impliziert dass es nicht reicht nach europaumlischen Ursachen von Phaumlnomenen zu suchen die sich selbst nicht auf Euroshypa beschraumlnken DifFusion etwa im Zeitalter des Imperialismus und Kolonialismus ist wichtig aber erklaumlrt nicht alles Explizit ist in dieshyser Diskussion deutlich geworden dass es nicht mehr reicht sich auf Gruumlndcdiguren auf Religionsstifter ZlI beschraumlnken

Ich hoffe aber dass meine vorsichtigen Formulierungen deurlich gemacht haben dass es mir gar nicht um die Frage absoluter datierbashyrer Anginge geht Es sind bestimmte Aspekte gegenwaumlrtiger Religion so meine Ausgangsthese die es lohneswert erscheinen lassen weit zushyruumlckzublicken und sich nicht auf die uumlbliche Unterstellung mit der Moderne werde alles anders einzulassen Wenn man Religion unrer dem Aspekt VOll Gruppenbildullg von Sozialproduktivitaumlt wie Hans Kippenberg es formuliert hat sieht mit all den Konsequenzen fuumlr einen Seaat und ein Rechtssystem wenn man Religion mit individushyeller religioumlser Erfahrung zusammenbringe dann lohnt es sich ja ist es fuumlr die Disziplin Religionswissenschaft unabdingbar bis in die helshylenistisch-roumlmische Epoche zuruumlckzublicken Mehr nicht Dass Euroshypaumlische Religionsgeschichte hier ihren Anfang genommen huumlte mag man sagen aber eine wissenschaftliche Aussage ist das nicht mehr Das ist der Beginn einer Erzaumlhlung die Sinn stiften kann oder Verwirrung die in diesem Sinne hilfreich oder unsinnig ist Aber das ist ein anderes Gmos das Politiker oder kulturelle Sinnstifter bedienen sollen nicht Religionshisroriker

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Anmerkungen 227

14 C Richmond Tsang W0r and Faith Ikko ikki in Ltlte lvfurofllchi Japan Cambridge MA Harvard Universiry Asia Cemer 2007

1 S Der Begriff stammt von R Eskildsen Of Civiization and Savages 1he Mimcdc Impcrialism ofJapans 1874 Expedition to Taiwan in Amerishycml Historiml Review 107 2002 388-418

16 YuS Japanese Religions 107 17 Yang Fenggang Thc Red Black and Gray Markers of Religion in Chishy

na in Sodgiml Quarterly 47200693-122 18 Hee-Seok Park Schamflllismw ohne Magie Seine idulfe Rolle und prakshy

tiltehe Funktion in der suumldkoreanischm Prowtbewegung Muumlnchen 2009

Anmerkungm zu dm Seiten 29-45 OlristofMandry Plumlimus als Problem und Pltmzlismus Ills Wert theologisch-ethische Uumlberlegungen

Das hebt etwa Ruumlpkc programmatisch hervor vgl J Ruumlpke Europa und die europaumlische Religionsgeschichte in H G Kippenberg 1 Ruumlpke K von Stuckrad (Hg) Europaumlische Religionsgeschichte Ein mch~focher Plushyralismus Bd I Goumltringen 2009 3-14 hier 9[

2 Vgl die differenzierten Uumlberlegungen von Ruumlpke ebd 4-9 und seine Warnungen vor dem Kreieren neuer Essentialismcn durch die normativ grundierte Option rur Pluralismus (vgl ebd 10)

3 Fuumlr eine eingehende Analyse und Bewertung des politischen Selbstvershystaumlndnisses der Europaumlischen Union als Wertegemeinschaft verweise ich auf mein Buch C Mandry Europa als Werregemeiwchflft Eine theshyologisch-ethische Studie zum politischen SelbsfIerstaumlndnis dcr Europaumlischen Unioll Baden-Baden 2009

4 Vgl dazu und zur religioumlsen Dimension des Konflikts D Zifonun und M 1akiSa Religioumlse Vielfalt und religioumlser Konflikt Der Fall Bosnien und Herzegowina in KippenberglRuumlpkevon Stuckrad (5 Anm 1) 411-438

Anmerkungen zu den Seiten 47-60 Joumlrg Ruumlpke Wt1JIn begann die Europdische Religionsgm-hichte Der hellenistischshyroumlmische Mittelmcermum und die europaumlische GegenuNtrt

Diese Arbeir entstand im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgeshymeimchaft finanzierten Kollegforschergruppe Religioumlse Individualisiershyung in Historischer Perspektive am Max-Weber-Kolleg der Universitaumlr Erfurr Ich danke insbesondere Hans oas Richard Gordon und Wolfshygang Spickermann flir die intensive Diskussion in diesem Rahmen Frau

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228 Anmerkungen

Julia Carls Erfurr bin ich fuumlr die Schlussbearbeirung dankbar - Die Utshyerarurangaben beziehen sich auf das nachfolgende Literaturverzeichnis

2 K Jaspers Vom Ursprung und Ziel der Geschichte vIuumlnchen 1988 3 S N Eisensradt (Hg) Kulturen da Achsenzeit Ihre Urspruumlnge und ihre

Vielfolt 2 Rdebull Frankfurt a M 1987 JP Arnason SN Eisenstltldt R Wittrock (eds) Axial civiLiwtions and world history Leiden 2005

4 S N Eisenstadt Die Achsenzeit in der Weltgeschichte in H Joa5 K Wiegandt (Hg) Die kulturellen WTrtl Europas Frankfurt a M 2005 40-68 hier 43

5 S N Eisenstadt Allgemeine Einleitung Die Redingutlgel1 fuumlr die Entstehung lind InstitutionaHsierung der Kulturen der Achsenzeit in Eisenstadt Kulturen (s Anm 3) 10-40

6 Arnason Eisenstadt Wimock Civilizations (s Anm 3) 7 B Wittrock Culmral Crysrallizatiotls and World llistory -rhe Age of

Ecumenical Renaissances in JP Arnason R Winrock (eds) Eurasian 7inllJjoumlrlllatiom 7enth to Thirteenth Cemuries Crystallizations Divergencshyes Renaissances Leiden 2004 41-73 hier 47f

8 Ebd 46 9 In einer Tagung zur Individualisierung in Erfurt im September 2009 (hg

von J Ruumlpke im Erscheinen) 10 Zum folgenden ausfuumlhrlich J Ruumlpke Religioumlser Pluralismus und das roumlshy

mische Reich in H Cancik J Ruumlpke (Hg) Die Religion des Imperium Romanum Tuumlbillgen 2009 )3 1-354

11 J North The Developmcnt ofReligious Pluralism in J Ueu J North [ Rajak (ed) The Jews Among Paglns aId ChristitlrJS In he Roman Emshypire London 1994 174~193 J Rlipke Die Religion der Roumlmer Eine Einshyfiihrung 2 Aufl Muumlnchen 2006 J Ruumlpke red) lhc Blackwell CompanshyiOIl to Roman Religion Oxford 2007

12 Zur Terminologie religioumlser Gruppen im Codex siehe H Zinser ReshyIigio Secta Haeresis in den Haumlrcsiegesetzen des Codex Theodosianus (165166) von 438 in M Hurter (Hg) Hairesis FemchriJi for Karl Hoheisel zum 65 Geburtstag Jahrbuch fuumlr Antike und Christentum SupshypI 34 Muumlnster 2002215-219

13 Siehe C Ando imperial ldeology ald Prouincial Loyalty in the Roman Emshypire Berkdey 2000 lind C Ando 7he A1auer ofthe Gods Religion lind the ROffan Empire Berkeley 2008

14 Siehe r Veync LEmpire Greco-Romain Paris 2005 454f 15 JZ Smith Religion Religions ReligiolLs in vIClaylor (ed) Critishy

cal7erms for Religious Swdies Chicago 1998 269-284 16 A van Harskamp 7heologie 7ext im Kontext aufder Suche nach der A1ethshy

ode ideologiekritischer AlIalYJc der 7heologie illustriert an Wtgtrken von Drt) Moumlhfer und Staudenmaier Tuumlbingen 2000 (Mein Dank gilt Dietmar Mishy

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Anmerkungen 229

eth Fellow der Kollegforschergruppe am Max-Weber-Kolleg der Univcrshysidir Erfurt fuumlr diesen Hinweis und die andauernde Diskussion)

17 A Musschengl lhe many faces ofindividualism in A van Harskamp A Musschenga (eds) ihe many jilas 0 indirJidualism Lcuven 2001 3-24 hier 5 Fuumlr eine Uumlbersicht klassischer Individualisierungstheorien s E Kippele was heiszligt Inditidualisietullg Die AntwOlmiddotten der soziologischshy1II Klassiker Opladen 1997

18 A Hahn Zur Soziologie der Beichte und anderer Formen institutionalshyisierter Bekenntnisse SdbstthclI1ltltisierung und Zivilisatiol1Sprozeszlig in Kiitner Zeitschlifiuumlr Soziologie und Sozialpsychologie 34 1982407-434

19 Siehe 1 Halman Individualism in Contemporary Europe in van HarshyskampMusschenga (wie Anll1 17) 25-46 hier 29 uumlber die Rolle des modernen Wohlfahrrsstaats

20 Siehe A Bendlin Peripheral Cenrres Cenrral Peripheries Rdigious Communication in the Roman Empire in H Cancik (Hg) Riimische Reichsreligion und ProJinziaLreligion Tuumlbingen 1997 35~68

21 Fuumlr Rom J Ruumlpke Dorn miitiae Die religioumlse Koustruktion des Krieges in Rom Stuttgarr 1990260-262 EM Orlin Temples Religion and Polititgt il1 the Romall Republic Leiden 1997

22 L H letersen The Baker His Tomb His Wifc and Her Breadbasket The Monument of Eurysaces in Rome in 7he Art Bulletin 85 2003 23()~257

23 So J Ruumlpke Apokalyprische Salzberge Zum sozialen Ort und zur litshyerarischen Strategie des Hirten des Hermas in Archiv szligir Religionsgeshyschichtel 1999 148~160

24 C Taylor Quellen des Selbst Die Entstehung der neuzeitlichen Identitaumlt Frankfurt Olm Main 1994 hier 14

25 K Bowes Prillftte lJorship publicJiduCJ and reigious cbange in late antiqshyuity Camhridge 2008

26 Siehe M B McGuire Ritluz Healing ill Suburban America With [he assistance of D Kantor New szligrunswick 1988240-257 J Ruumlpke HeishylungHeilungen I Religionsgeschichtlich in Lexikoll fiir 1heoLogie und Kirche Bd 41995 1357f

27 W V Harris B Hohnes (eck) Aeliw Aristides between Gleece Rome and the godJ Leiden 2008 A Petsalis-Diomidis TruLy Beyond 1vonders Aelius Aristides ami the CuLt 0Asklepios Oxford 2009

28 A Bendlin Vom Nutzen und Nachteil der Mantik Orakel im Medium von Handlung und Literatur in der Zeit der Zweiten Sophistik in D Elm von der Osten J Ruumlpke K Waldner (Hg) Texte als Medium und Reflexion Jon Religion im riimischm ampich Stuttgarr 2006 159~207 N szligelayche J Ruumlpke Divination er revelation dans les mondes grec ct romain prcsenmtion in RHR 2242 2007 139-147

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230 Anmerkungen

29 ] Ruumlpke Kalender lind Offmtlichkeit Die Geschichte der Repraumlsentation und religiaumlsen Qualifikation von Zeit in Rom Berlin 1995587-592] Ruumlpke Zeit und Fest Eine Kulturgeschichte des Kalenders Muumlnchen 2006 182-187

30 K von Stuckrad Das Rillgen 14m die Astrologie Juumldische und christliche Beitraumlge zum antiken ZeitverstaumlndJis Berlin 2000

31 C van Liefferinge La 7heurgie Des Omcles Chaldaiques aProclus Lieges 1999 N Janowitz conJ 0Power Ritual Practices in Late Antiquiry Unishyversity Park PA 2002 E Athanassiadi Dreuns 1heurgy and Freelance Divination The Testimony ofIamblichus in JRS 83 1993 115-130

32 R Gordon Imagining Creek and Roman Magie in V Flint (ed) Witchcraft md Alagic in Europe 2 Ancient Gruce and Rome London 1999 159-275 R Gordon Mlgic as a topOS in Augustan Poetry Disshycourse Realityand Distance in Archiv flr Religiomgeschichte 112009 209-228

Anmerkungen zu den Seiten 61-74 Sabine Schmolinsky Die Zeit der Anderen Juden Heiden Ketzer im christshylichen GescJiclmdllken

M Srausberg Renaissancen Vermitdungsformen des Paganen in H G Kippenberg J Ruumlpke K von Stuckrnd (Hg) Europaumlische Religionshysgeschichte Ein menjacher Plumlisrnus Bd 2 Goumlttingen 2009 695-721 hier 709

2 C Auffarrh Mittelalterliche Modelle der Eingrenzung und Ausgrenzung religioumlser Verschiedenheit in KippenbergRuumlpkevon Stuckrad Bei 1 193-218 hier 193

3 C Auffanh Pluralismus Religion und Mittelalter Das Mittelalter als Teil der Europaumlischen Religionsgeschichte in ders (Hg) Religioumlser Plumlismus illl Mittelalter Besichtigung einer ~Epocbe der Europaumlischen ReshyligionsgeJchichte Berlin 2007 11-23 hier 17f

4 VgL Auffimn (wie Anm 2) 211 f 5 Vgl W Stuumlrner Friedrich ll Teil 1 244f 251 Teil 2 Der Kaiser 1220shy

1250 Darmstadt 2000 266 271f 287-289 297-299 6 Bibelzitare nach Die Bibel A1res und Neues Testament Einheitsuumlbersetshy

wng PrciburglBasellWien 1980 7 In der Apostelgeschichre (1344middot-48) wird diese Abfolge mir deutlich allshy

tijuumldischer Akzentuierung als eine Mi$$ionierungsgeschichte e17iihlt Am folgenden Sabbat versammelte sich aumlst die ganze Sradr um das Wort des Herrn 7U houmlren Als die Juden die Scharen sahen wurden sie eifersuumlchtig widersprachen den Worten des Paulus und stieHen Iiisterungen aus Paulus und Barnabas aber erklaumlrten freimuumltig Euch [= den Juden Jmuszligte das Wort

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50 oumlrg Ruumlpke

hat als er auf die wichtige Rolle der Ausbildung von Reichen fuumlr die Entwicklung von achsenzeitlichen Religionen hinwies~ Zum anderen ist die hellenistisch-roumlmische Epoche alles andere als marginal fuumlr die klassische Achsenzeitkonzeption wenn wir uns nicht auf Gruumlnderfigushyren sondern auf die sich ausbildenden religioumlsen Traditionen schaushyen Diese Epoche ist fuumlr das Verstaumlndnis des fruumlhen Christentums des rabbinischen Judentums und des zirkummediterranen Islam entscheishydend sie stand in kulturellem Austausch mit Indien wie dem Iran importierte Ideen wie den Dualismus und die Gymnosophisten die nackten Jogiphilosophen exportierte wichtige Medien wie Muumlnzen mit religioumlsen Abbildungen und einen Typ von Statuenportraumlt der die direkte Abbildung des Buddhas (anstelle von Zeichen wie dem leeren 111ron) verbreitete Zumindest geht es also um die Kinderstube seshykundaumlrer axialer Zivilisationen die dem Einfluss der primaumlren axialen Ideen und Institutionen vollstaumlndig ausgesetzt war

2 Die EntJtehung von Religionen

Uumlber Riiume von subkontinentaler Groumlszlige als Ursprungsorte zu reden ist eher irrefuumlhrend Ich werde gleich wieder auf die Groumlszlige politischer Formationen als historischer Faktor zu sprechen kommen muss aber zunaumlchst den ganz lokalen Charakter nicht nur antiker Religionen beshytonen Zu Recht ist Religion als in soziale und politische Strukturen und Praktiken eingebettet beschrieben worden als lokale Gegebenheit mithin Von einem lokalen Charakter zu sprechen bedeutet aber nicht dass - wie Begriffe wie Polisreligion oder civic cults suggerieren reshyligioumlse Praktiken sich allein auf politische Identitaumlt konzentrieren oder von den Investitionen der Elite in religioumlse Infrastruktur dominiert werden Daraus folgt dass die Rede von - zum Beispiel - Athener oder roumlmischer Religion ebenso problematisch ist wie die Rede von einer Mehrzahl von Religionen in oder von Athen Das gilt fuumlr helleshynistische Staumldte nicht anders als fuumlr roumlmische So soll im folgenden das Augenmerk zunaumlchst auf eine einzelne Stadt auf Rom gerichtet wershyden eine Stadt deren Rolle Hlr die Ausbildung des Begriffs Religion wie fuumlr seine rechtliche Rahmung ftir die europaumlische Geschichte am folgenreichsten gewesen ist

Aufgrund kontinuierlicher KO(1(akte seit den fruumlhen Urbanisieshyrungsphasen hatte Rom die Stadt am Rande der griechischen Welt

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51~1I11 begelllll die Europaumlische Religionsgeschichte

keine Probleme mit der Aufnahme und Akkulturation griechischer Einfluumlsse ob es sich nun um Mater rnaglJil aus Kleinasien oder Venugt Ercina aus Sizilien handelte deg Erst aus dem vierten Jahrhundert n Chr blickte Firmicus Matert1l1S auf eine roumlmische Gesellschaft zuruumlck deren Infektion mit dem Import des Kults von Ceres bzw ProSuumlpishyna aus dem sizilianischer Enna begonnen hatte (Errores profonarum religionum 7) Nach Ausweis Ciceros blieben noch Mitte des ersten Jahrhunderts v Chr das heiszligt am Ende der roumlmischen Republik andere kulturelle und religioumlse Raumlume einfach exotisch waren weder gefahrlich noch adaptierbar so etwa die syrischen Fischgoumltter und die aumlgyptischen Tiergoumltter (Cicero De natura deorum 339 Aumlgyptisches erneut in 348) oder eine indische Variante des Iuppiter (342 Belw dh Baal) Die Existenz von aumlgyptischen Varianten von Goumlttergeneashylogien wurden haumlufiger notiert (354 ff) aber ihnen wurde nicht der Status von gefahrlichem Wissen zugemessen Solche Genealogien wurshyden als entfernte lokale Varianten wahrgenommen und gewannen keishyne Bedeutung uumlber jene Orte hinaus Wie die Roumlmer ihre oumlffentliche Religion hatten hatte andere ihre (Cicero Pro Facco 69) und diese konnten miteinander verglichen werden (De natura Deorum 28) Cishycero venvendet in diesem Zusammenhang aber keine Mehrzahl Sua cuique civitati religio Laeli est nostra nobts - jeder hat seine Religion wir haben unsere ist in der Rede fuumlr Flaccus ein Ausruf eine Deklaration radikaler Differenzen nicht der Verweis auf sinnvolle Wahlmoumlglichkeiten oder eine irgendwie bedeutungsvolle Koexistenz In der langen Geschichte des Roumlmischen Reiches das hellenistische Strukturen und Entwicklungen integrierte musste diese Position reshyvidiert werden

Das Einstroumlmen von Kulten nach Rom ihr Bluumlhen in Rom und die haumlufige Errichtung eines roumlmischen Zentrums von Kulten die an anderen Orten entstanden waren (wie im Falle der his oder des CI1fistentums) ist im Detail in der modernen Forschung beschrieben worden 11 Rom die Hauptstadt fesselte und fesselt das Interesse von modernen wie antiken Intellektuellen Jeder ehrt seine Goumltter und die Roumlmer sie alle ist die zusammenfassende Beobachtung von Caecilius einer Figur in dem von Minucius Felix um 220 n Chr geschriebenen fruumlhchristlichen apologetischen Dialog Octavius (61) Caecilius legt dabei seinen Akzent auf den Kult (63-71)

Solch eine romzemrierte Sicht ist fuumlr den Immigranten aus Nordshyafrika ist fuumlr Minudtls verstaumlndlich Roms Position war jedoch nicht

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52 Joumlrg Ruumlpke

einzigartig Das Gleichnis von Rom als Tempel der ganzen Velt vershywendet eine Phrase die der hermetische Traktat Asclepius fuumlr Aumlgypshyten verwendet Eine auszligergewoumlhnliche Mobilitaumlt ermoumlglicht durch die Strukturen den Bedarf und die Moumlglichkeiten des Roumlmischen Reiches modifizierte die religioumlse Landschaft uumlberall Das wurde von demselben Beobachter mit seinen Erfahrungen aus Rom und Nordshyafrika wohl wahrgenommen So laumlsst Minucius Felix seine Figuren auf eine Zeit zuruumlckblicken bevor der Globus dem Handel geoumlffnet wurde und die Voumllker ihre Riten und Sitten vermischten (206) Die Veraumlnderungen gingen aber weit uumlber das Ritual hinaus und dieser Entwicklung muss ich mich jetzt zuwenden

Begriffe wie cuUumlUJ srcra oder crterimoniae aber sogar der eher auf das Kognitive lielende Begriff religio (und sein Plural) konnten kaum die Realitaumlt der Bildung von Gruppen reflektieren die religioumlse Symboshyle zur Formulierung einer Gruppenidentitaumlt verwendeten Im Rahmen antiker Religion korrespondierte der Kult einer bestimmten Gottheit nur gelegentlich mit Gruppengrenzen er bildete eher ein geteiltes und zwar wichdges aber kaum exklusives Zeichen Diese Tatsache stellt die uumlbliche Interpretation von Sammlungen inschriftlicher und archaumloloshygischer Corpora zum Kuh (wohlgemerkt Singular) einer bestimmten Gottheit in Frage Mit den beruumlhmten Corpora cutult religionis konshystruiere die moderne Forschung eine uumlberregionale religionsgeschichtshyliehe Einheit Kult die es so in der Antike gar nicht gegeben hat

Es entstanden andere terminologische Loumlsungen mit diesen vielshyf-ilrigen Aspekten umzugehen Secta das das griechische hairesis uumlbershysetzte wurde in erster Linie verwendet um philosophische Schulen seit dem fruumlhen Hellenismus zu unterscheiden konnte aber auch fuumlr juumldische Gruppen wie Sadduzaumler oder Pharisaumler verwendet werden Der Ausdruck ist bei Cicero selten der es haumlufiger nur fuumlr politische starr philosophische Gruppen verwendete aber erscheint haumlufiger vom ersten Jahrhundert an Er ist im sogenannten luumlleranzerlass von 311 n Chr belegt (Llctanrius De mortibus persecutorum 34) Hier blickte der Kaiser Licinius auf seinen fruumlheren Versuch zuruumlck die Christen wieder zu Sinnen zu bringen da sie die Sekte ihrer Eltern (341) verlassen haumltten Der Ausdruck wird sehr haumlufig fuumlr alle Arten von Sekshyten in den im sechzehnten Bucb des Lodex 7heodosianus gesammelten Normen verwendet (insbesondere 165) einschlieszliglich einiger Faumllle von katholischer oder orthodoxer SekteY

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53Wann begann die Europaumlische Religiomgeschichte

Wenn vergleichbare und - das ist wichtig reversible Wahlmoumlglichshykeiten in BeZllg auf verschiedene philosophische Schulen ausgedruumlckt werden konnten implizierte dies einen Wissensvorat wie - und auch dies ist wichtig - einen eigenen Lebensstil Durch den Ausdruck discishyplina konnte dieser Akzent auf Lebensfuumlhrung auf bestimmte religioumlse Spezialisten angewandt werden erwa Zauberer etruskische Eingeshyweideschauer oder Auguren sogar schon in der spaumlten Republik Der Sprachgebrauch wurde zur Erfassung einer weit groumlszligeren Vielfalt von religioumlsen Praktiken durch die christliche Apologetik seit dem Ende des zweiten Jahrhunderts erweitert und erreichte im vierten Jahrhunshydert offizielle Texte

Im Verlauf der Ausdehnung des Imperiums seiner umfangreichen Verschiebung von Personen und seiner Delegitimierung von lokalen Autoritaumlten U waren solche Komplexe religioumlser Zeichen und I-Iandshylungen zu mehr geworden als natuumlrliche Folge der Ehrfurcht vor einer bestimmten Gottheit Sie wurden rationaler Interpretation und Ershyklaumlrung unterzogen Sie wurden an universalen Humanitaumltsstandards gemessen Fuumlr eine wachsende Anzahl von Menschen waren sie ein notwendiger Teil (aber ich muss betonen nur Teil) ihrer Lebensform geworden Die Aufteilung zwischen Oumlffentlichkeit und Privatem konnte darauf nichr mehr angewandt werden Diese Sozialformen washyren ein oumlkonomischer und politischer Faktor Sie waren ein Medium eines funktionell nicht-religioumlsen Diskurses

Im einzelnen waren diese Elemente weder neu noch konsistent Sie konvergierten aber mit terminologischen Veraumlnderungen mit ratio und jides Vernunft und Glauben die religio kontrollierten mit der Betonung von wahrer Religion mit disdplilUJ Lebensfuumlhrung und Moral H und mir secta eine Gruppierung die weder oumlffentlich noch privat ist Durch ihre Verwendung von Inschriften Bildern und Arshychitektur wurde Religion eines der wichtigsten Medien oumlffentlicher Kommunikation

Die Mobilitaumlt von intensiver organisierten Anhaumlngern durchaus nicht im Falle jeder Gottheit jeder religio und jedes mltus schuf das Problem der uumlberoumlrtlichen Wiedererkennbarkeit Dies wurde durch Annaumlhtfungen an eine ikonographische Standardisierung des Kultbilshydes im Falle des Mithras durch ungewoumlhnliche Ritualen und aumlgypshytische Dekorationen im Falle der sis erreicht durch den Austausch von Brieten und Sammlungen von Erzaumlhlungen im Falle von Christen

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54 joumlrg Ruumlpke

durch den Versuch jeden Aspekt des Lebens zu regulieren im Falle der rabbinischen Autoren der Mishna in Palaumlstina

Um den gesellschaftlichen Ort eines solch aufgeladenen Konzepts von Religion und das Auftreten von Kulten die Grenzziehung beshytreiben zu definieren griff die roumlmische Verwaltung vor allem seit den Kaisern Aurelian und Diocletian am Ende des dritten Jahrhunderts auf Gesetzgebung wenn notwendig auf strafrechtliche Erlasse und walttaumltige Verfolgungen zuruumlck Einige Formen vom Judentum tentum und Manichaumlismus waren unter den Uumlberlebenden aber die beschriebene Entwicklung hatte die Entstehung einer weit groumlfSeren Fuumllle VOll Religionsgemeinschaften zur Folge gehabt - eine Tatsache die in Achsenzeit-Darstellungen normalerweise uumlbersehen wird Auch Religionsgeschichtsschreibung ist noch immer in der Regel die Geshyschichte der Sieger

3 fndividutlliJierung

Ollensichtlich erfuhr die hellenistisch-roumlmische Epoche eine Entwickshylung einer Vielfalt von dicht organisierten teils professionalisierten Systemen von Symbolen Praktiken und Gruppenbildungen - ich vershymeide immer noch den BegrifF Religionen dessen konfessioneller und exklusiver Charakter kaum vor dem Ende der Periode charakteshyristisch wmde Ich schlage vor den Begriff Religionisierung oder Rcligionifizierung auf diesen Prozess anzuwenden der eine weit reishychende obschon nicht irreversible Veraumlnderung des gesellschaftlichen Ortes von Religion einschloss Jonathan Zittel Smiths Modell eines Uumlberganges von lokativer politisch eingebetteter und zur Legitimation der bestehenden Herrschaft verzweckter Religion in utopische Relishygion die das Ideale jenseits des Bestehenden denkt ist hier sehr hilfshyreich l ) Gleichwohl muumlssen wir bedenken dass die roumlmischen wie byshyzantinischen Formen des Christentums schnell in ausgepraumlgtem MaBe lokative Religionen wurden Mit der hellenistisch-roumlmischen AlHike anzufangen bedeutet weder Forrschrittsgeschichten zu erzaumlhlen noch die Vergangenheit anachronistisch zu aktualisieren

Gleichwohl wage ich es einen zweiten Begriff einzufuumlhren nun keinen Neologismus wie Religionisierung aber einen der der Geshyfahr des Anachronismus der falschen Aktualisierullg noch staumlrker ausshygeliefert zu sein scheint naumlmlich Individualisierung Das theoretische

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55f0rm begann die Europaumlische Religiongeschidlte

Interesse ist aumlhnlich gelagert Wenn Religionisierung den prekaumlren und kontingenten Charakter der system ischen und institutionellen Dimension von Religion und ihre Stelle in und ihr Verhaumlltnis zur Geshysellschaft thematisiert zielt Individualisierung direkt auf die einzelne Person als Ort von Erf1hrung und ageney Handlungskompetenz und ihrer welchselseitigen Abhaumlngigkeit von und mit der Gesellschaft wie Religion Vieder muumlssen Vorstellungen von Fortschrirt und anachroshynistischer Aktualisierung vermieden werden Es waumlre schwierig das komplexe Syndrom VOll De-Traditionalisierung biographischer Zushywendung zu sich selbst permanellter Rellexivitaumlt und narzistischem Trieb zu Authentiziaumlt wie sie als typisch fuumlr zeitgenoumlssische Individuashylisierung in einer juumlngeren Diagnose formuliert worden sind schon in der An ike zu identifizierenltgt

Wie kann demnach solch ein Begriff religionsgeschichtlich fruchtshybar gemacht werden Zwei Maszlignahmen muumlssen werden Die erste heiszligt die Begrifflichkeit zu klaumlren Entsprechend neuen Diskussishyonen schlage ich vor Individualisierung zu beschraumlnken auf umfangshyreiche strukturelle oder diskursive Veraumlnderungen also langlaufende historische Prozesse die nur aus einer Vielzahl von Einzelbefunden ershyschlossen werden koumlnnen 17 Naruumlrlich bezieht sich Individualisierung auf wachsende Grade VOll Individtlaliraumlr Zu deren Definition wuumlrde ich vor allem auf de-traditionalisiertes Handeln als Merkmal verweishysen Damit entstehen faktische Unterschiede und explizite Distinktioshynen im Vergleich zu anderen und derem Handeln das kann zwischen Perfektion und Devianz nicht mehr nOfmgerechtem Verhalten lieshygen Solche Begriffe implizieren dass Individualitaumlt selbst kein rein beschreibender Begriff ist sondern auf zeitgenoumlssische Diskurse und Sachzwaumlnge verweist Um solche Dillerenzen fuumlr antike Gesellschaften abzubilden schlage ich vor fuumlnf verschiedene Arten der Individualitaumlt zu unterscheiden

- praktisclle Individualitaumlt moralische Individualitaumlt kompetitive Individualitaumlt

- repraumlsentative Individualitaumlt - reflexive Individualitaumlt Diese Typen sind nicht unbedingt korreliert Praktische Individushy

alitaumlt - die Tatsache dass die Leute selbstbesrimmt handeln statt einshyfach Traditionen folgen zu muumlssen oder koumlnnen weist auf Situationen in denen Einbettungen verloren gehen etwa als Folge von zeitweiligem

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aumlrg RUumllke

oder dauerhaftem Abbruch sozialer Bindung (wie im Falle von Migshyranten Reisenden oder Uumlberlebenden von Katastrophen) oder weist auf die Folgen scharfer Arbeitsteilung Diese Bedingungen werden von dell Betroffenen wie Zeitgenossen haumlufig nicht reflektiert im Einzelfall wurden aber Vorbereitullgen getroffen durch geschriebene oder erlernshyte Anweisungen zum Beispiel fuumlr Jenseitsreisen

Moralische Individualitaumlt schlieszligt ein die Zuschreibung von Vershyantwortung an Personen fuumlr ihr eigenes Verhalten konkretisiert sich

ich bleibe im Bereich des Religioumlsen - in Konzepten von Suumlnde in gesetzlichen Normen wie Strafen In der Amike sind solche Standards typischerweise diejenigen von anderen und wuumlrden Urteile uumlber sozishyale Verpflichtungen einschlieszligen bis hin zur Negation von Individushyalituuml Spezifische Pflichten stehen eher im Vordergrund als universale Rechte an eine juristische Individualitaumlt im Sinn einer Erklaumlrung von Menschenrechten ist nicht zu denken Der Blick kann sich nur auf Details richten Schon eille Verpflichtung zur Beteiligung an Ritualen weist auf eine moralische Individualitaumlt die bloszlige Verbote uumlbersteigt

Kompetitive Individualitaumlt bezieht sich auf den verbreiteten arisshytokratischen Wettbewerb um Auszeichnung Distinktion Hier geht es normalerweise um Normen an denen sich andere soziale Grupshypen orientieren Individuelle Unterschiede werden von zeitgenoumlssishyschen Beobachtern prauml7jse beobachtet aber an einem gemeinsamen diskursiv erzeugten Ethos gemessen das das Gemeinwohl oder den Familienstatus betonen wuumlrde Froumlmmigkeit (pietas) die auch das Verhalten gegenuumlber dcn Eltern einschlieszligt waumlre ein solcher Begriff Groszligzuumlgigkeit und Kunstgeschmack bei der Stiftung eines Tempels ein Beispiel Die konkreten Normen waumlren freilich durch tatsaumlchliches Konkurrenzverhaltcn gclorlllt und modifiziert Konflikte sind hier selbstverstaumlndlicher Bestandteil

Repraumlsentative Individualitaumlt bezieht sich auf die zwei vorangeshygangenen Personen sollen bestrebt sein vorbildlicll zu werden und werden als Beispiele exempla erzaumlhlt Nicht individudlc Differenz sondern Perfektion beim Erfuumlllen einer sozialen oder religioumlsen Rolle ob als roumlmischer pllter familias christlicher Maumlrtyrer odcr maumlnnlicher Jude ist VOll allen angestrebt Gleichwohl bleibt die Erfuumlllung dieser Norm eine persoumlnliche Errungenschaft

Schlieszliglich setzt die reflexive Individualitaumlt die Ausbildung eines individualistischen Diskurses voraus eine individualistische Ideologie Entsprechende Uumlberlegungen uumlber das Selbst oder die menschliche

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57Wimn bega1I1 die Europaumlische Religionsgeschichte

Natur des Einzelnen zum Beispiel in der stoischen Lehre der oikeioshysis werden haumlufig gepraumlgt von normativen Vorsrellungen von sozialen Rollen verweisen so also auch auf die repraumlsentative Individualitaumlt zushyruumlck erst der Neuplatonismus bringt bier einen Quantensprung

Alle diese Typen von Individualitaumlt weisen eine gender- eine Geshyschlechts-Dimension auf sie gelten fuumlr einzelne Bereiche der Gesellshyschaft koumlnnen in der Elite oder an den Raumlndern in verschiedenen Formen und Graden gefunden werden sind voruumlbergehende Phaumlnoshymene oder geben Anlass zu Prozessen der Institutionalisierung Solche Prozesse koumlnnen Wertungen uumlber DeviallZ leicht veraumlndern Institushytionalisierte Individualitaumlt zum Beispiel Regeln repraumlsentativer Indishyvidualitaumlt koumlnnen leicht fruumlhere Normen kompetitiver Individualitaumlt ersetzen Jeder Jude muss nun die Torah studieren Selbstbeherrschung kann die wirksamste Form oumlffentlicher Disziplinierung sein in moshydernen Beichrpraktiken wenn bekannt wird was nur Gott gesehen hat 18 wie in antiken Moumlnchsgemeinschaften Oumlkonomische Sicherheit ist eine Vorbedingung fuumlr verbreitete Individualitaumlt und muss fuumlr jede Analyse des mediterranen Altertums in Anschlag gebracht werdengt

Individualitaumlt kann nur unter Beruumlcksichtigung von Sachzwaumlngen und gleichzeitigen Diskursen gemessen werden Zugleich ist sie das Ergebnis der vorlaufenden Individuierung der jeweiligen Person sishytuative Individuali tiir ist Teil einer solchen lndividuierung als eines andauernden Prozesses Natuumlrlich ist Individuierung untrennbar mit Sozialisation der Entwicklung einer sozialen Persona mit eigener Inshydividualitaumlt verbunden Das Konzept von Individuierung die Entshywicklung persoumlnlicher Selbstidentitaumlr ist in antiken Texten kaum von sozialer Interaktion und Funktionalitaumlt zu unterscheiden Gleichwohl kann das Konzept fuumlr die historische Analyse verwendet werden um moumlgliche Felder zu erfassen auf denen Religion die Entwicklungen von verschiedenen Arten und Graden der Individualitaumlt erlaubt Es kann helfen zu sehen wo Religionen Raumlume und Gelegenheiten rur wachsende Differenzen fuumlr nicht mehr traditionsbestimmtes Handeln bieten kann helfen zu sehen welche Folgen solche religioumlsen Institutishyonell und Praktiken fuumlr die betroffenen Personen besitzen

Nur kurz sei auf relevante Felder hingewiesen Die Zunahme relishygioumlser Optionen ist als eines der wichtigsten Merkmale der hellenisshytischen und roumlmischen Epoche bis hin zum Vergleich mit modershynem religioumlsen Pluralismus beschrieben worden Verursacht war dies in erster Linie durch die Beweglichkeit von Kaufleuten Verwaltern

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58 JOumllgRuumlpke

Soldaten und Sklaven Eine Kompetenz Gottheiten entsprechend situationsspezifisch zu waumlhlen ist fuumlr die mediterranen Formen des Polytheismus charakteristisch Erst die Ausbreitung von Kulten die eigene Religionsgemeinschaften erzeugten popularisieree Ideen von Exklusivitaumlt und fuumlhrte zum Problem massenhafter religioumlser Devianz In einem additiven polytheistischen System das offen fuumlr Erweiteshyrungen warCl war die Einfiihrung von neuen Goumlttern und Optionen von Verehrung in lokale Tempel (durch Aufstellen von Bildern zuvor nicht verehrter Goumltter) oder in das was man besser nicht panthea nennen sollte (also das Einfuumlhren neuer Kulte il1 eillen On) haumlufig Solcl1es Verhalten war vielfach die Entscheidung einzelner und bedarf fuumlr griechische Heiligtuumlmer wie republikanische roumlmische Tempel weishyterer Untersuchung 21 Es koumlnnte sich zeigen dass der wichtigste Kreis religioumlser Symbole (lugo Pantheon) ein zufilliges Ergebnis von Einshyzelentscheidungen verschiedener Personen war

Ein neues Heiligtum zu stiften war eine nicht auf die Aufstellung eines neuen Kultbildes beschraumlnkte komplexe Angelegenheit Auswahl des Ortes Auswahl architektonischer Details Regelung von Ritualen (die fuumlr uns oft kaum sichtbar werden) die vielen Entscheidungen die sich auf vorhandene Traditionen beziehen wuumlrden interpretieren die in der Wettbewerbsgesellschafi vorhandenen Normen und schafshyfen lleue Normen Normierungen in diesem Sinn konnten auch in der Form von Grabmaumllern gemacht werden Ich denke an das Grab von Eurysaces einen roumlmischen Baumlcker und Groszlighaumlndler mit seinen Bildern von Teigmixern und Backvorgaumlngen In seinem Streben nach Originalitaumlt ist das Grab eher typisch denn auszligergewoumlhnlich das gilt auch wo es einem Weltbild Ausdruck verleiht das von Eurysaces eigenen Berufserfahrungen und Horizont dominiert wird In einer Anzahl solcher Denkmaumller und sogar in einem religioumlsen Text wie dem fruumlhchristlichen Hirten des Hermas23 ist es das Alltagsleben dem beinalle ein Letzewert gegeben wird Auf der gesellschaftlidlen Ebene stellt das die Dominanz des aristokratischen Wertsystems zwar nicht erfolgreich in Frage es es zeige aber eine Neubewercung von Alltagsleshyben an das uns erinnert an die von CharIes Taylor der Hochschaumltzung des Alltagslebens in moderner Zivilisation beigemessene Bedeutungli

Fuumlr das hellenistisch-roumlmische Altertum mit seinen Traditionen haumluslichen Kultes koumlnnte eine Kollision mit oumlfFentlichen Autoritaumlten dort produziert werden wo haumlusliche Rituale Nachahmungen des oumlfshyfentlichen Kults zu sein schienen Kim Bowes hat das Ausmaszlig solcher

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tnn begann die Europaumlische Religionsgeschichte 59

rituellen Praktiken in der Spaumltantike und die dadurch verursachten Konflikte mit kirchlichen Institutionen herausgearbeitetY Hier ist wachsende Individualitaumlt zeitgleich mit wachsender Zentralisierung und Normierung

Persoumlnliche Kommunikation mit Goumlttern wurde nie auf oumlffentliche Rituale oder Tempel beschraumlnkt Weihgeschenke die aus Gebeten in individuellen Krisensituationen resultieren sind seit der archaischen Periode verbreitet Formen und Intensitaumlt aumlndern sich jedoch und koumlnnten mit einer wachsenden Sorge fuumlr die eigene Familie wie sich selbst zusammenhaumlngen Die Zunahme des Asklepios- Kultes koumlnnte solch ein Indikator sein da gerade Heilungsprozeduren und ihre sozishyale Topographie Aussagen uumlber die Beziehung zwischen einer Person lind der Gesellschaft machen Aelills Aristides Hieroi Logoi ein mehshyrere Buumlcher umfassender Bericht eines Kranken uumlber seine 1raumlume Pilgerreisen und Begegnungen mit Asklepius sind eine der wichtigsten Quellen religioumlser Individualitaumlt aus der Antike 27 Die kaiserzeidiche Neubelebung und Ausbreitung von gerade auch lokalen kleinen Orashykeln zH ist ein interessantes Forschungsgebiet fuumlr die Individualisierung von Institutionen Astrologie als Massenphaumlnomen der Personalisieshyrung von Zeitordnungen waumlre ein weiteres 2

middot) Sie verorrer nach einer Formulierung Kocktt von Stuckrads eine Person in einer natuumlrlichen universalen Ordnung die zur gleichen Zeit mit bestimmten zum Beishyspiel juumldischen oder christlichen Kosmologien kompatibel gemacht wird elo In der Spaumltantike bot 111eurgie Rituale zur Manipulation des Goumlttlichen einen anderen Weg des wirksamen persoumlnlichen Kontakts an 1 Das gewaltige Aufgebot an magisch genannten Praktiken soll meine Liste beenden Auger individuellen Sorgen um Gesundheit ist hier der Versuch offensichtlich Eint1uss zu nehmen auf Ereignisse die aufgrund des Status der Beteiligten in sozialen Beziehungen oder RechtskonRikten zu erwarten waren Im hoch riskanten Bereich von Beziehungen von und mit Prostituierten wird der Mangel an traditioshynellen Regelungen durch Magie ersetztY

4 SchluJJ

Wenn das spaumltere Roumlmische Reich eine von Religionisierung chashyrakterisierte Epoche ist so laumlsst sich die hellenistisch-roumlmische Epoche nicht in gleicher Weise als Zeitraum von Individualisierung charakshy

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60 JaumlrgRuumlpke

terisieren Ich habe mich fuumlr die Nuumltzlichkeit eines analytischen Werkshyzeuges verschiedener Arten von Individualitaumlt und der Suche nach dem Individuum in unseren religionsgeschichtlichen Daten ausgesprochen Jedes Urteil uumlber die Periode insgesamt waumlre vorzeitig Gleichwohl ist es offensichtlich dass einige der Typen und Grade der fuumlr die Eposhyche als charakteristisch behaupteten Individualitaumltstypen positiv oder negativ mit der Formiefllng von Religionen korrelieren Mit einem solchen Zugriff koumlnnte eine fruchtbare Untersuchung des Uumlberganshyges von der Antike ins Mittelalter und in die Renaissance betrieben werden die einige FaUen der Interpretation der Spaumltantike vermeiden koumlnnte Eine testbare Hypothese ist das noch nicht

Und damit bin ich bei meiner Ausgangsfrage nach dem Beginn Eushyropaumlischer Religionsgeschichte wieder angekommen Die Diskussion der Achsenzeit hat impliziert dass es nicht reicht nach europaumlischen Ursachen von Phaumlnomenen zu suchen die sich selbst nicht auf Euroshypa beschraumlnken DifFusion etwa im Zeitalter des Imperialismus und Kolonialismus ist wichtig aber erklaumlrt nicht alles Explizit ist in dieshyser Diskussion deutlich geworden dass es nicht mehr reicht sich auf Gruumlndcdiguren auf Religionsstifter ZlI beschraumlnken

Ich hoffe aber dass meine vorsichtigen Formulierungen deurlich gemacht haben dass es mir gar nicht um die Frage absoluter datierbashyrer Anginge geht Es sind bestimmte Aspekte gegenwaumlrtiger Religion so meine Ausgangsthese die es lohneswert erscheinen lassen weit zushyruumlckzublicken und sich nicht auf die uumlbliche Unterstellung mit der Moderne werde alles anders einzulassen Wenn man Religion unrer dem Aspekt VOll Gruppenbildullg von Sozialproduktivitaumlt wie Hans Kippenberg es formuliert hat sieht mit all den Konsequenzen fuumlr einen Seaat und ein Rechtssystem wenn man Religion mit individushyeller religioumlser Erfahrung zusammenbringe dann lohnt es sich ja ist es fuumlr die Disziplin Religionswissenschaft unabdingbar bis in die helshylenistisch-roumlmische Epoche zuruumlckzublicken Mehr nicht Dass Euroshypaumlische Religionsgeschichte hier ihren Anfang genommen huumlte mag man sagen aber eine wissenschaftliche Aussage ist das nicht mehr Das ist der Beginn einer Erzaumlhlung die Sinn stiften kann oder Verwirrung die in diesem Sinne hilfreich oder unsinnig ist Aber das ist ein anderes Gmos das Politiker oder kulturelle Sinnstifter bedienen sollen nicht Religionshisroriker

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Anmerkungen 227

14 C Richmond Tsang W0r and Faith Ikko ikki in Ltlte lvfurofllchi Japan Cambridge MA Harvard Universiry Asia Cemer 2007

1 S Der Begriff stammt von R Eskildsen Of Civiization and Savages 1he Mimcdc Impcrialism ofJapans 1874 Expedition to Taiwan in Amerishycml Historiml Review 107 2002 388-418

16 YuS Japanese Religions 107 17 Yang Fenggang Thc Red Black and Gray Markers of Religion in Chishy

na in Sodgiml Quarterly 47200693-122 18 Hee-Seok Park Schamflllismw ohne Magie Seine idulfe Rolle und prakshy

tiltehe Funktion in der suumldkoreanischm Prowtbewegung Muumlnchen 2009

Anmerkungm zu dm Seiten 29-45 OlristofMandry Plumlimus als Problem und Pltmzlismus Ills Wert theologisch-ethische Uumlberlegungen

Das hebt etwa Ruumlpkc programmatisch hervor vgl J Ruumlpke Europa und die europaumlische Religionsgeschichte in H G Kippenberg 1 Ruumlpke K von Stuckrad (Hg) Europaumlische Religionsgeschichte Ein mch~focher Plushyralismus Bd I Goumltringen 2009 3-14 hier 9[

2 Vgl die differenzierten Uumlberlegungen von Ruumlpke ebd 4-9 und seine Warnungen vor dem Kreieren neuer Essentialismcn durch die normativ grundierte Option rur Pluralismus (vgl ebd 10)

3 Fuumlr eine eingehende Analyse und Bewertung des politischen Selbstvershystaumlndnisses der Europaumlischen Union als Wertegemeinschaft verweise ich auf mein Buch C Mandry Europa als Werregemeiwchflft Eine theshyologisch-ethische Studie zum politischen SelbsfIerstaumlndnis dcr Europaumlischen Unioll Baden-Baden 2009

4 Vgl dazu und zur religioumlsen Dimension des Konflikts D Zifonun und M 1akiSa Religioumlse Vielfalt und religioumlser Konflikt Der Fall Bosnien und Herzegowina in KippenberglRuumlpkevon Stuckrad (5 Anm 1) 411-438

Anmerkungen zu den Seiten 47-60 Joumlrg Ruumlpke Wt1JIn begann die Europdische Religionsgm-hichte Der hellenistischshyroumlmische Mittelmcermum und die europaumlische GegenuNtrt

Diese Arbeir entstand im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgeshymeimchaft finanzierten Kollegforschergruppe Religioumlse Individualisiershyung in Historischer Perspektive am Max-Weber-Kolleg der Universitaumlr Erfurr Ich danke insbesondere Hans oas Richard Gordon und Wolfshygang Spickermann flir die intensive Diskussion in diesem Rahmen Frau

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228 Anmerkungen

Julia Carls Erfurr bin ich fuumlr die Schlussbearbeirung dankbar - Die Utshyerarurangaben beziehen sich auf das nachfolgende Literaturverzeichnis

2 K Jaspers Vom Ursprung und Ziel der Geschichte vIuumlnchen 1988 3 S N Eisensradt (Hg) Kulturen da Achsenzeit Ihre Urspruumlnge und ihre

Vielfolt 2 Rdebull Frankfurt a M 1987 JP Arnason SN Eisenstltldt R Wittrock (eds) Axial civiLiwtions and world history Leiden 2005

4 S N Eisenstadt Die Achsenzeit in der Weltgeschichte in H Joa5 K Wiegandt (Hg) Die kulturellen WTrtl Europas Frankfurt a M 2005 40-68 hier 43

5 S N Eisenstadt Allgemeine Einleitung Die Redingutlgel1 fuumlr die Entstehung lind InstitutionaHsierung der Kulturen der Achsenzeit in Eisenstadt Kulturen (s Anm 3) 10-40

6 Arnason Eisenstadt Wimock Civilizations (s Anm 3) 7 B Wittrock Culmral Crysrallizatiotls and World llistory -rhe Age of

Ecumenical Renaissances in JP Arnason R Winrock (eds) Eurasian 7inllJjoumlrlllatiom 7enth to Thirteenth Cemuries Crystallizations Divergencshyes Renaissances Leiden 2004 41-73 hier 47f

8 Ebd 46 9 In einer Tagung zur Individualisierung in Erfurt im September 2009 (hg

von J Ruumlpke im Erscheinen) 10 Zum folgenden ausfuumlhrlich J Ruumlpke Religioumlser Pluralismus und das roumlshy

mische Reich in H Cancik J Ruumlpke (Hg) Die Religion des Imperium Romanum Tuumlbillgen 2009 )3 1-354

11 J North The Developmcnt ofReligious Pluralism in J Ueu J North [ Rajak (ed) The Jews Among Paglns aId ChristitlrJS In he Roman Emshypire London 1994 174~193 J Rlipke Die Religion der Roumlmer Eine Einshyfiihrung 2 Aufl Muumlnchen 2006 J Ruumlpke red) lhc Blackwell CompanshyiOIl to Roman Religion Oxford 2007

12 Zur Terminologie religioumlser Gruppen im Codex siehe H Zinser ReshyIigio Secta Haeresis in den Haumlrcsiegesetzen des Codex Theodosianus (165166) von 438 in M Hurter (Hg) Hairesis FemchriJi for Karl Hoheisel zum 65 Geburtstag Jahrbuch fuumlr Antike und Christentum SupshypI 34 Muumlnster 2002215-219

13 Siehe C Ando imperial ldeology ald Prouincial Loyalty in the Roman Emshypire Berkdey 2000 lind C Ando 7he A1auer ofthe Gods Religion lind the ROffan Empire Berkeley 2008

14 Siehe r Veync LEmpire Greco-Romain Paris 2005 454f 15 JZ Smith Religion Religions ReligiolLs in vIClaylor (ed) Critishy

cal7erms for Religious Swdies Chicago 1998 269-284 16 A van Harskamp 7heologie 7ext im Kontext aufder Suche nach der A1ethshy

ode ideologiekritischer AlIalYJc der 7heologie illustriert an Wtgtrken von Drt) Moumlhfer und Staudenmaier Tuumlbingen 2000 (Mein Dank gilt Dietmar Mishy

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Anmerkungen 229

eth Fellow der Kollegforschergruppe am Max-Weber-Kolleg der Univcrshysidir Erfurt fuumlr diesen Hinweis und die andauernde Diskussion)

17 A Musschengl lhe many faces ofindividualism in A van Harskamp A Musschenga (eds) ihe many jilas 0 indirJidualism Lcuven 2001 3-24 hier 5 Fuumlr eine Uumlbersicht klassischer Individualisierungstheorien s E Kippele was heiszligt Inditidualisietullg Die AntwOlmiddotten der soziologischshy1II Klassiker Opladen 1997

18 A Hahn Zur Soziologie der Beichte und anderer Formen institutionalshyisierter Bekenntnisse SdbstthclI1ltltisierung und Zivilisatiol1Sprozeszlig in Kiitner Zeitschlifiuumlr Soziologie und Sozialpsychologie 34 1982407-434

19 Siehe 1 Halman Individualism in Contemporary Europe in van HarshyskampMusschenga (wie Anll1 17) 25-46 hier 29 uumlber die Rolle des modernen Wohlfahrrsstaats

20 Siehe A Bendlin Peripheral Cenrres Cenrral Peripheries Rdigious Communication in the Roman Empire in H Cancik (Hg) Riimische Reichsreligion und ProJinziaLreligion Tuumlbingen 1997 35~68

21 Fuumlr Rom J Ruumlpke Dorn miitiae Die religioumlse Koustruktion des Krieges in Rom Stuttgarr 1990260-262 EM Orlin Temples Religion and Polititgt il1 the Romall Republic Leiden 1997

22 L H letersen The Baker His Tomb His Wifc and Her Breadbasket The Monument of Eurysaces in Rome in 7he Art Bulletin 85 2003 23()~257

23 So J Ruumlpke Apokalyprische Salzberge Zum sozialen Ort und zur litshyerarischen Strategie des Hirten des Hermas in Archiv szligir Religionsgeshyschichtel 1999 148~160

24 C Taylor Quellen des Selbst Die Entstehung der neuzeitlichen Identitaumlt Frankfurt Olm Main 1994 hier 14

25 K Bowes Prillftte lJorship publicJiduCJ and reigious cbange in late antiqshyuity Camhridge 2008

26 Siehe M B McGuire Ritluz Healing ill Suburban America With [he assistance of D Kantor New szligrunswick 1988240-257 J Ruumlpke HeishylungHeilungen I Religionsgeschichtlich in Lexikoll fiir 1heoLogie und Kirche Bd 41995 1357f

27 W V Harris B Hohnes (eck) Aeliw Aristides between Gleece Rome and the godJ Leiden 2008 A Petsalis-Diomidis TruLy Beyond 1vonders Aelius Aristides ami the CuLt 0Asklepios Oxford 2009

28 A Bendlin Vom Nutzen und Nachteil der Mantik Orakel im Medium von Handlung und Literatur in der Zeit der Zweiten Sophistik in D Elm von der Osten J Ruumlpke K Waldner (Hg) Texte als Medium und Reflexion Jon Religion im riimischm ampich Stuttgarr 2006 159~207 N szligelayche J Ruumlpke Divination er revelation dans les mondes grec ct romain prcsenmtion in RHR 2242 2007 139-147

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230 Anmerkungen

29 ] Ruumlpke Kalender lind Offmtlichkeit Die Geschichte der Repraumlsentation und religiaumlsen Qualifikation von Zeit in Rom Berlin 1995587-592] Ruumlpke Zeit und Fest Eine Kulturgeschichte des Kalenders Muumlnchen 2006 182-187

30 K von Stuckrad Das Rillgen 14m die Astrologie Juumldische und christliche Beitraumlge zum antiken ZeitverstaumlndJis Berlin 2000

31 C van Liefferinge La 7heurgie Des Omcles Chaldaiques aProclus Lieges 1999 N Janowitz conJ 0Power Ritual Practices in Late Antiquiry Unishyversity Park PA 2002 E Athanassiadi Dreuns 1heurgy and Freelance Divination The Testimony ofIamblichus in JRS 83 1993 115-130

32 R Gordon Imagining Creek and Roman Magie in V Flint (ed) Witchcraft md Alagic in Europe 2 Ancient Gruce and Rome London 1999 159-275 R Gordon Mlgic as a topOS in Augustan Poetry Disshycourse Realityand Distance in Archiv flr Religiomgeschichte 112009 209-228

Anmerkungen zu den Seiten 61-74 Sabine Schmolinsky Die Zeit der Anderen Juden Heiden Ketzer im christshylichen GescJiclmdllken

M Srausberg Renaissancen Vermitdungsformen des Paganen in H G Kippenberg J Ruumlpke K von Stuckrnd (Hg) Europaumlische Religionshysgeschichte Ein menjacher Plumlisrnus Bd 2 Goumlttingen 2009 695-721 hier 709

2 C Auffarrh Mittelalterliche Modelle der Eingrenzung und Ausgrenzung religioumlser Verschiedenheit in KippenbergRuumlpkevon Stuckrad Bei 1 193-218 hier 193

3 C Auffanh Pluralismus Religion und Mittelalter Das Mittelalter als Teil der Europaumlischen Religionsgeschichte in ders (Hg) Religioumlser Plumlismus illl Mittelalter Besichtigung einer ~Epocbe der Europaumlischen ReshyligionsgeJchichte Berlin 2007 11-23 hier 17f

4 VgL Auffimn (wie Anm 2) 211 f 5 Vgl W Stuumlrner Friedrich ll Teil 1 244f 251 Teil 2 Der Kaiser 1220shy

1250 Darmstadt 2000 266 271f 287-289 297-299 6 Bibelzitare nach Die Bibel A1res und Neues Testament Einheitsuumlbersetshy

wng PrciburglBasellWien 1980 7 In der Apostelgeschichre (1344middot-48) wird diese Abfolge mir deutlich allshy

tijuumldischer Akzentuierung als eine Mi$$ionierungsgeschichte e17iihlt Am folgenden Sabbat versammelte sich aumlst die ganze Sradr um das Wort des Herrn 7U houmlren Als die Juden die Scharen sahen wurden sie eifersuumlchtig widersprachen den Worten des Paulus und stieHen Iiisterungen aus Paulus und Barnabas aber erklaumlrten freimuumltig Euch [= den Juden Jmuszligte das Wort

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51~1I11 begelllll die Europaumlische Religionsgeschichte

keine Probleme mit der Aufnahme und Akkulturation griechischer Einfluumlsse ob es sich nun um Mater rnaglJil aus Kleinasien oder Venugt Ercina aus Sizilien handelte deg Erst aus dem vierten Jahrhundert n Chr blickte Firmicus Matert1l1S auf eine roumlmische Gesellschaft zuruumlck deren Infektion mit dem Import des Kults von Ceres bzw ProSuumlpishyna aus dem sizilianischer Enna begonnen hatte (Errores profonarum religionum 7) Nach Ausweis Ciceros blieben noch Mitte des ersten Jahrhunderts v Chr das heiszligt am Ende der roumlmischen Republik andere kulturelle und religioumlse Raumlume einfach exotisch waren weder gefahrlich noch adaptierbar so etwa die syrischen Fischgoumltter und die aumlgyptischen Tiergoumltter (Cicero De natura deorum 339 Aumlgyptisches erneut in 348) oder eine indische Variante des Iuppiter (342 Belw dh Baal) Die Existenz von aumlgyptischen Varianten von Goumlttergeneashylogien wurden haumlufiger notiert (354 ff) aber ihnen wurde nicht der Status von gefahrlichem Wissen zugemessen Solche Genealogien wurshyden als entfernte lokale Varianten wahrgenommen und gewannen keishyne Bedeutung uumlber jene Orte hinaus Wie die Roumlmer ihre oumlffentliche Religion hatten hatte andere ihre (Cicero Pro Facco 69) und diese konnten miteinander verglichen werden (De natura Deorum 28) Cishycero venvendet in diesem Zusammenhang aber keine Mehrzahl Sua cuique civitati religio Laeli est nostra nobts - jeder hat seine Religion wir haben unsere ist in der Rede fuumlr Flaccus ein Ausruf eine Deklaration radikaler Differenzen nicht der Verweis auf sinnvolle Wahlmoumlglichkeiten oder eine irgendwie bedeutungsvolle Koexistenz In der langen Geschichte des Roumlmischen Reiches das hellenistische Strukturen und Entwicklungen integrierte musste diese Position reshyvidiert werden

Das Einstroumlmen von Kulten nach Rom ihr Bluumlhen in Rom und die haumlufige Errichtung eines roumlmischen Zentrums von Kulten die an anderen Orten entstanden waren (wie im Falle der his oder des CI1fistentums) ist im Detail in der modernen Forschung beschrieben worden 11 Rom die Hauptstadt fesselte und fesselt das Interesse von modernen wie antiken Intellektuellen Jeder ehrt seine Goumltter und die Roumlmer sie alle ist die zusammenfassende Beobachtung von Caecilius einer Figur in dem von Minucius Felix um 220 n Chr geschriebenen fruumlhchristlichen apologetischen Dialog Octavius (61) Caecilius legt dabei seinen Akzent auf den Kult (63-71)

Solch eine romzemrierte Sicht ist fuumlr den Immigranten aus Nordshyafrika ist fuumlr Minudtls verstaumlndlich Roms Position war jedoch nicht

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52 Joumlrg Ruumlpke

einzigartig Das Gleichnis von Rom als Tempel der ganzen Velt vershywendet eine Phrase die der hermetische Traktat Asclepius fuumlr Aumlgypshyten verwendet Eine auszligergewoumlhnliche Mobilitaumlt ermoumlglicht durch die Strukturen den Bedarf und die Moumlglichkeiten des Roumlmischen Reiches modifizierte die religioumlse Landschaft uumlberall Das wurde von demselben Beobachter mit seinen Erfahrungen aus Rom und Nordshyafrika wohl wahrgenommen So laumlsst Minucius Felix seine Figuren auf eine Zeit zuruumlckblicken bevor der Globus dem Handel geoumlffnet wurde und die Voumllker ihre Riten und Sitten vermischten (206) Die Veraumlnderungen gingen aber weit uumlber das Ritual hinaus und dieser Entwicklung muss ich mich jetzt zuwenden

Begriffe wie cuUumlUJ srcra oder crterimoniae aber sogar der eher auf das Kognitive lielende Begriff religio (und sein Plural) konnten kaum die Realitaumlt der Bildung von Gruppen reflektieren die religioumlse Symboshyle zur Formulierung einer Gruppenidentitaumlt verwendeten Im Rahmen antiker Religion korrespondierte der Kult einer bestimmten Gottheit nur gelegentlich mit Gruppengrenzen er bildete eher ein geteiltes und zwar wichdges aber kaum exklusives Zeichen Diese Tatsache stellt die uumlbliche Interpretation von Sammlungen inschriftlicher und archaumloloshygischer Corpora zum Kuh (wohlgemerkt Singular) einer bestimmten Gottheit in Frage Mit den beruumlhmten Corpora cutult religionis konshystruiere die moderne Forschung eine uumlberregionale religionsgeschichtshyliehe Einheit Kult die es so in der Antike gar nicht gegeben hat

Es entstanden andere terminologische Loumlsungen mit diesen vielshyf-ilrigen Aspekten umzugehen Secta das das griechische hairesis uumlbershysetzte wurde in erster Linie verwendet um philosophische Schulen seit dem fruumlhen Hellenismus zu unterscheiden konnte aber auch fuumlr juumldische Gruppen wie Sadduzaumler oder Pharisaumler verwendet werden Der Ausdruck ist bei Cicero selten der es haumlufiger nur fuumlr politische starr philosophische Gruppen verwendete aber erscheint haumlufiger vom ersten Jahrhundert an Er ist im sogenannten luumlleranzerlass von 311 n Chr belegt (Llctanrius De mortibus persecutorum 34) Hier blickte der Kaiser Licinius auf seinen fruumlheren Versuch zuruumlck die Christen wieder zu Sinnen zu bringen da sie die Sekte ihrer Eltern (341) verlassen haumltten Der Ausdruck wird sehr haumlufig fuumlr alle Arten von Sekshyten in den im sechzehnten Bucb des Lodex 7heodosianus gesammelten Normen verwendet (insbesondere 165) einschlieszliglich einiger Faumllle von katholischer oder orthodoxer SekteY

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53Wann begann die Europaumlische Religiomgeschichte

Wenn vergleichbare und - das ist wichtig reversible Wahlmoumlglichshykeiten in BeZllg auf verschiedene philosophische Schulen ausgedruumlckt werden konnten implizierte dies einen Wissensvorat wie - und auch dies ist wichtig - einen eigenen Lebensstil Durch den Ausdruck discishyplina konnte dieser Akzent auf Lebensfuumlhrung auf bestimmte religioumlse Spezialisten angewandt werden erwa Zauberer etruskische Eingeshyweideschauer oder Auguren sogar schon in der spaumlten Republik Der Sprachgebrauch wurde zur Erfassung einer weit groumlszligeren Vielfalt von religioumlsen Praktiken durch die christliche Apologetik seit dem Ende des zweiten Jahrhunderts erweitert und erreichte im vierten Jahrhunshydert offizielle Texte

Im Verlauf der Ausdehnung des Imperiums seiner umfangreichen Verschiebung von Personen und seiner Delegitimierung von lokalen Autoritaumlten U waren solche Komplexe religioumlser Zeichen und I-Iandshylungen zu mehr geworden als natuumlrliche Folge der Ehrfurcht vor einer bestimmten Gottheit Sie wurden rationaler Interpretation und Ershyklaumlrung unterzogen Sie wurden an universalen Humanitaumltsstandards gemessen Fuumlr eine wachsende Anzahl von Menschen waren sie ein notwendiger Teil (aber ich muss betonen nur Teil) ihrer Lebensform geworden Die Aufteilung zwischen Oumlffentlichkeit und Privatem konnte darauf nichr mehr angewandt werden Diese Sozialformen washyren ein oumlkonomischer und politischer Faktor Sie waren ein Medium eines funktionell nicht-religioumlsen Diskurses

Im einzelnen waren diese Elemente weder neu noch konsistent Sie konvergierten aber mit terminologischen Veraumlnderungen mit ratio und jides Vernunft und Glauben die religio kontrollierten mit der Betonung von wahrer Religion mit disdplilUJ Lebensfuumlhrung und Moral H und mir secta eine Gruppierung die weder oumlffentlich noch privat ist Durch ihre Verwendung von Inschriften Bildern und Arshychitektur wurde Religion eines der wichtigsten Medien oumlffentlicher Kommunikation

Die Mobilitaumlt von intensiver organisierten Anhaumlngern durchaus nicht im Falle jeder Gottheit jeder religio und jedes mltus schuf das Problem der uumlberoumlrtlichen Wiedererkennbarkeit Dies wurde durch Annaumlhtfungen an eine ikonographische Standardisierung des Kultbilshydes im Falle des Mithras durch ungewoumlhnliche Ritualen und aumlgypshytische Dekorationen im Falle der sis erreicht durch den Austausch von Brieten und Sammlungen von Erzaumlhlungen im Falle von Christen

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54 joumlrg Ruumlpke

durch den Versuch jeden Aspekt des Lebens zu regulieren im Falle der rabbinischen Autoren der Mishna in Palaumlstina

Um den gesellschaftlichen Ort eines solch aufgeladenen Konzepts von Religion und das Auftreten von Kulten die Grenzziehung beshytreiben zu definieren griff die roumlmische Verwaltung vor allem seit den Kaisern Aurelian und Diocletian am Ende des dritten Jahrhunderts auf Gesetzgebung wenn notwendig auf strafrechtliche Erlasse und walttaumltige Verfolgungen zuruumlck Einige Formen vom Judentum tentum und Manichaumlismus waren unter den Uumlberlebenden aber die beschriebene Entwicklung hatte die Entstehung einer weit groumlfSeren Fuumllle VOll Religionsgemeinschaften zur Folge gehabt - eine Tatsache die in Achsenzeit-Darstellungen normalerweise uumlbersehen wird Auch Religionsgeschichtsschreibung ist noch immer in der Regel die Geshyschichte der Sieger

3 fndividutlliJierung

Ollensichtlich erfuhr die hellenistisch-roumlmische Epoche eine Entwickshylung einer Vielfalt von dicht organisierten teils professionalisierten Systemen von Symbolen Praktiken und Gruppenbildungen - ich vershymeide immer noch den BegrifF Religionen dessen konfessioneller und exklusiver Charakter kaum vor dem Ende der Periode charakteshyristisch wmde Ich schlage vor den Begriff Religionisierung oder Rcligionifizierung auf diesen Prozess anzuwenden der eine weit reishychende obschon nicht irreversible Veraumlnderung des gesellschaftlichen Ortes von Religion einschloss Jonathan Zittel Smiths Modell eines Uumlberganges von lokativer politisch eingebetteter und zur Legitimation der bestehenden Herrschaft verzweckter Religion in utopische Relishygion die das Ideale jenseits des Bestehenden denkt ist hier sehr hilfshyreich l ) Gleichwohl muumlssen wir bedenken dass die roumlmischen wie byshyzantinischen Formen des Christentums schnell in ausgepraumlgtem MaBe lokative Religionen wurden Mit der hellenistisch-roumlmischen AlHike anzufangen bedeutet weder Forrschrittsgeschichten zu erzaumlhlen noch die Vergangenheit anachronistisch zu aktualisieren

Gleichwohl wage ich es einen zweiten Begriff einzufuumlhren nun keinen Neologismus wie Religionisierung aber einen der der Geshyfahr des Anachronismus der falschen Aktualisierullg noch staumlrker ausshygeliefert zu sein scheint naumlmlich Individualisierung Das theoretische

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55f0rm begann die Europaumlische Religiongeschidlte

Interesse ist aumlhnlich gelagert Wenn Religionisierung den prekaumlren und kontingenten Charakter der system ischen und institutionellen Dimension von Religion und ihre Stelle in und ihr Verhaumlltnis zur Geshysellschaft thematisiert zielt Individualisierung direkt auf die einzelne Person als Ort von Erf1hrung und ageney Handlungskompetenz und ihrer welchselseitigen Abhaumlngigkeit von und mit der Gesellschaft wie Religion Vieder muumlssen Vorstellungen von Fortschrirt und anachroshynistischer Aktualisierung vermieden werden Es waumlre schwierig das komplexe Syndrom VOll De-Traditionalisierung biographischer Zushywendung zu sich selbst permanellter Rellexivitaumlt und narzistischem Trieb zu Authentiziaumlt wie sie als typisch fuumlr zeitgenoumlssische Individuashylisierung in einer juumlngeren Diagnose formuliert worden sind schon in der An ike zu identifizierenltgt

Wie kann demnach solch ein Begriff religionsgeschichtlich fruchtshybar gemacht werden Zwei Maszlignahmen muumlssen werden Die erste heiszligt die Begrifflichkeit zu klaumlren Entsprechend neuen Diskussishyonen schlage ich vor Individualisierung zu beschraumlnken auf umfangshyreiche strukturelle oder diskursive Veraumlnderungen also langlaufende historische Prozesse die nur aus einer Vielzahl von Einzelbefunden ershyschlossen werden koumlnnen 17 Naruumlrlich bezieht sich Individualisierung auf wachsende Grade VOll Individtlaliraumlr Zu deren Definition wuumlrde ich vor allem auf de-traditionalisiertes Handeln als Merkmal verweishysen Damit entstehen faktische Unterschiede und explizite Distinktioshynen im Vergleich zu anderen und derem Handeln das kann zwischen Perfektion und Devianz nicht mehr nOfmgerechtem Verhalten lieshygen Solche Begriffe implizieren dass Individualitaumlt selbst kein rein beschreibender Begriff ist sondern auf zeitgenoumlssische Diskurse und Sachzwaumlnge verweist Um solche Dillerenzen fuumlr antike Gesellschaften abzubilden schlage ich vor fuumlnf verschiedene Arten der Individualitaumlt zu unterscheiden

- praktisclle Individualitaumlt moralische Individualitaumlt kompetitive Individualitaumlt

- repraumlsentative Individualitaumlt - reflexive Individualitaumlt Diese Typen sind nicht unbedingt korreliert Praktische Individushy

alitaumlt - die Tatsache dass die Leute selbstbesrimmt handeln statt einshyfach Traditionen folgen zu muumlssen oder koumlnnen weist auf Situationen in denen Einbettungen verloren gehen etwa als Folge von zeitweiligem

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aumlrg RUumllke

oder dauerhaftem Abbruch sozialer Bindung (wie im Falle von Migshyranten Reisenden oder Uumlberlebenden von Katastrophen) oder weist auf die Folgen scharfer Arbeitsteilung Diese Bedingungen werden von dell Betroffenen wie Zeitgenossen haumlufig nicht reflektiert im Einzelfall wurden aber Vorbereitullgen getroffen durch geschriebene oder erlernshyte Anweisungen zum Beispiel fuumlr Jenseitsreisen

Moralische Individualitaumlt schlieszligt ein die Zuschreibung von Vershyantwortung an Personen fuumlr ihr eigenes Verhalten konkretisiert sich

ich bleibe im Bereich des Religioumlsen - in Konzepten von Suumlnde in gesetzlichen Normen wie Strafen In der Amike sind solche Standards typischerweise diejenigen von anderen und wuumlrden Urteile uumlber sozishyale Verpflichtungen einschlieszligen bis hin zur Negation von Individushyalituuml Spezifische Pflichten stehen eher im Vordergrund als universale Rechte an eine juristische Individualitaumlt im Sinn einer Erklaumlrung von Menschenrechten ist nicht zu denken Der Blick kann sich nur auf Details richten Schon eille Verpflichtung zur Beteiligung an Ritualen weist auf eine moralische Individualitaumlt die bloszlige Verbote uumlbersteigt

Kompetitive Individualitaumlt bezieht sich auf den verbreiteten arisshytokratischen Wettbewerb um Auszeichnung Distinktion Hier geht es normalerweise um Normen an denen sich andere soziale Grupshypen orientieren Individuelle Unterschiede werden von zeitgenoumlssishyschen Beobachtern prauml7jse beobachtet aber an einem gemeinsamen diskursiv erzeugten Ethos gemessen das das Gemeinwohl oder den Familienstatus betonen wuumlrde Froumlmmigkeit (pietas) die auch das Verhalten gegenuumlber dcn Eltern einschlieszligt waumlre ein solcher Begriff Groszligzuumlgigkeit und Kunstgeschmack bei der Stiftung eines Tempels ein Beispiel Die konkreten Normen waumlren freilich durch tatsaumlchliches Konkurrenzverhaltcn gclorlllt und modifiziert Konflikte sind hier selbstverstaumlndlicher Bestandteil

Repraumlsentative Individualitaumlt bezieht sich auf die zwei vorangeshygangenen Personen sollen bestrebt sein vorbildlicll zu werden und werden als Beispiele exempla erzaumlhlt Nicht individudlc Differenz sondern Perfektion beim Erfuumlllen einer sozialen oder religioumlsen Rolle ob als roumlmischer pllter familias christlicher Maumlrtyrer odcr maumlnnlicher Jude ist VOll allen angestrebt Gleichwohl bleibt die Erfuumlllung dieser Norm eine persoumlnliche Errungenschaft

Schlieszliglich setzt die reflexive Individualitaumlt die Ausbildung eines individualistischen Diskurses voraus eine individualistische Ideologie Entsprechende Uumlberlegungen uumlber das Selbst oder die menschliche

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57Wimn bega1I1 die Europaumlische Religionsgeschichte

Natur des Einzelnen zum Beispiel in der stoischen Lehre der oikeioshysis werden haumlufig gepraumlgt von normativen Vorsrellungen von sozialen Rollen verweisen so also auch auf die repraumlsentative Individualitaumlt zushyruumlck erst der Neuplatonismus bringt bier einen Quantensprung

Alle diese Typen von Individualitaumlt weisen eine gender- eine Geshyschlechts-Dimension auf sie gelten fuumlr einzelne Bereiche der Gesellshyschaft koumlnnen in der Elite oder an den Raumlndern in verschiedenen Formen und Graden gefunden werden sind voruumlbergehende Phaumlnoshymene oder geben Anlass zu Prozessen der Institutionalisierung Solche Prozesse koumlnnen Wertungen uumlber DeviallZ leicht veraumlndern Institushytionalisierte Individualitaumlt zum Beispiel Regeln repraumlsentativer Indishyvidualitaumlt koumlnnen leicht fruumlhere Normen kompetitiver Individualitaumlt ersetzen Jeder Jude muss nun die Torah studieren Selbstbeherrschung kann die wirksamste Form oumlffentlicher Disziplinierung sein in moshydernen Beichrpraktiken wenn bekannt wird was nur Gott gesehen hat 18 wie in antiken Moumlnchsgemeinschaften Oumlkonomische Sicherheit ist eine Vorbedingung fuumlr verbreitete Individualitaumlt und muss fuumlr jede Analyse des mediterranen Altertums in Anschlag gebracht werdengt

Individualitaumlt kann nur unter Beruumlcksichtigung von Sachzwaumlngen und gleichzeitigen Diskursen gemessen werden Zugleich ist sie das Ergebnis der vorlaufenden Individuierung der jeweiligen Person sishytuative Individuali tiir ist Teil einer solchen lndividuierung als eines andauernden Prozesses Natuumlrlich ist Individuierung untrennbar mit Sozialisation der Entwicklung einer sozialen Persona mit eigener Inshydividualitaumlt verbunden Das Konzept von Individuierung die Entshywicklung persoumlnlicher Selbstidentitaumlr ist in antiken Texten kaum von sozialer Interaktion und Funktionalitaumlt zu unterscheiden Gleichwohl kann das Konzept fuumlr die historische Analyse verwendet werden um moumlgliche Felder zu erfassen auf denen Religion die Entwicklungen von verschiedenen Arten und Graden der Individualitaumlt erlaubt Es kann helfen zu sehen wo Religionen Raumlume und Gelegenheiten rur wachsende Differenzen fuumlr nicht mehr traditionsbestimmtes Handeln bieten kann helfen zu sehen welche Folgen solche religioumlsen Institutishyonell und Praktiken fuumlr die betroffenen Personen besitzen

Nur kurz sei auf relevante Felder hingewiesen Die Zunahme relishygioumlser Optionen ist als eines der wichtigsten Merkmale der hellenisshytischen und roumlmischen Epoche bis hin zum Vergleich mit modershynem religioumlsen Pluralismus beschrieben worden Verursacht war dies in erster Linie durch die Beweglichkeit von Kaufleuten Verwaltern

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Soldaten und Sklaven Eine Kompetenz Gottheiten entsprechend situationsspezifisch zu waumlhlen ist fuumlr die mediterranen Formen des Polytheismus charakteristisch Erst die Ausbreitung von Kulten die eigene Religionsgemeinschaften erzeugten popularisieree Ideen von Exklusivitaumlt und fuumlhrte zum Problem massenhafter religioumlser Devianz In einem additiven polytheistischen System das offen fuumlr Erweiteshyrungen warCl war die Einfiihrung von neuen Goumlttern und Optionen von Verehrung in lokale Tempel (durch Aufstellen von Bildern zuvor nicht verehrter Goumltter) oder in das was man besser nicht panthea nennen sollte (also das Einfuumlhren neuer Kulte il1 eillen On) haumlufig Solcl1es Verhalten war vielfach die Entscheidung einzelner und bedarf fuumlr griechische Heiligtuumlmer wie republikanische roumlmische Tempel weishyterer Untersuchung 21 Es koumlnnte sich zeigen dass der wichtigste Kreis religioumlser Symbole (lugo Pantheon) ein zufilliges Ergebnis von Einshyzelentscheidungen verschiedener Personen war

Ein neues Heiligtum zu stiften war eine nicht auf die Aufstellung eines neuen Kultbildes beschraumlnkte komplexe Angelegenheit Auswahl des Ortes Auswahl architektonischer Details Regelung von Ritualen (die fuumlr uns oft kaum sichtbar werden) die vielen Entscheidungen die sich auf vorhandene Traditionen beziehen wuumlrden interpretieren die in der Wettbewerbsgesellschafi vorhandenen Normen und schafshyfen lleue Normen Normierungen in diesem Sinn konnten auch in der Form von Grabmaumllern gemacht werden Ich denke an das Grab von Eurysaces einen roumlmischen Baumlcker und Groszlighaumlndler mit seinen Bildern von Teigmixern und Backvorgaumlngen In seinem Streben nach Originalitaumlt ist das Grab eher typisch denn auszligergewoumlhnlich das gilt auch wo es einem Weltbild Ausdruck verleiht das von Eurysaces eigenen Berufserfahrungen und Horizont dominiert wird In einer Anzahl solcher Denkmaumller und sogar in einem religioumlsen Text wie dem fruumlhchristlichen Hirten des Hermas23 ist es das Alltagsleben dem beinalle ein Letzewert gegeben wird Auf der gesellschaftlidlen Ebene stellt das die Dominanz des aristokratischen Wertsystems zwar nicht erfolgreich in Frage es es zeige aber eine Neubewercung von Alltagsleshyben an das uns erinnert an die von CharIes Taylor der Hochschaumltzung des Alltagslebens in moderner Zivilisation beigemessene Bedeutungli

Fuumlr das hellenistisch-roumlmische Altertum mit seinen Traditionen haumluslichen Kultes koumlnnte eine Kollision mit oumlfFentlichen Autoritaumlten dort produziert werden wo haumlusliche Rituale Nachahmungen des oumlfshyfentlichen Kults zu sein schienen Kim Bowes hat das Ausmaszlig solcher

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tnn begann die Europaumlische Religionsgeschichte 59

rituellen Praktiken in der Spaumltantike und die dadurch verursachten Konflikte mit kirchlichen Institutionen herausgearbeitetY Hier ist wachsende Individualitaumlt zeitgleich mit wachsender Zentralisierung und Normierung

Persoumlnliche Kommunikation mit Goumlttern wurde nie auf oumlffentliche Rituale oder Tempel beschraumlnkt Weihgeschenke die aus Gebeten in individuellen Krisensituationen resultieren sind seit der archaischen Periode verbreitet Formen und Intensitaumlt aumlndern sich jedoch und koumlnnten mit einer wachsenden Sorge fuumlr die eigene Familie wie sich selbst zusammenhaumlngen Die Zunahme des Asklepios- Kultes koumlnnte solch ein Indikator sein da gerade Heilungsprozeduren und ihre sozishyale Topographie Aussagen uumlber die Beziehung zwischen einer Person lind der Gesellschaft machen Aelills Aristides Hieroi Logoi ein mehshyrere Buumlcher umfassender Bericht eines Kranken uumlber seine 1raumlume Pilgerreisen und Begegnungen mit Asklepius sind eine der wichtigsten Quellen religioumlser Individualitaumlt aus der Antike 27 Die kaiserzeidiche Neubelebung und Ausbreitung von gerade auch lokalen kleinen Orashykeln zH ist ein interessantes Forschungsgebiet fuumlr die Individualisierung von Institutionen Astrologie als Massenphaumlnomen der Personalisieshyrung von Zeitordnungen waumlre ein weiteres 2

middot) Sie verorrer nach einer Formulierung Kocktt von Stuckrads eine Person in einer natuumlrlichen universalen Ordnung die zur gleichen Zeit mit bestimmten zum Beishyspiel juumldischen oder christlichen Kosmologien kompatibel gemacht wird elo In der Spaumltantike bot 111eurgie Rituale zur Manipulation des Goumlttlichen einen anderen Weg des wirksamen persoumlnlichen Kontakts an 1 Das gewaltige Aufgebot an magisch genannten Praktiken soll meine Liste beenden Auger individuellen Sorgen um Gesundheit ist hier der Versuch offensichtlich Eint1uss zu nehmen auf Ereignisse die aufgrund des Status der Beteiligten in sozialen Beziehungen oder RechtskonRikten zu erwarten waren Im hoch riskanten Bereich von Beziehungen von und mit Prostituierten wird der Mangel an traditioshynellen Regelungen durch Magie ersetztY

4 SchluJJ

Wenn das spaumltere Roumlmische Reich eine von Religionisierung chashyrakterisierte Epoche ist so laumlsst sich die hellenistisch-roumlmische Epoche nicht in gleicher Weise als Zeitraum von Individualisierung charakshy

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60 JaumlrgRuumlpke

terisieren Ich habe mich fuumlr die Nuumltzlichkeit eines analytischen Werkshyzeuges verschiedener Arten von Individualitaumlt und der Suche nach dem Individuum in unseren religionsgeschichtlichen Daten ausgesprochen Jedes Urteil uumlber die Periode insgesamt waumlre vorzeitig Gleichwohl ist es offensichtlich dass einige der Typen und Grade der fuumlr die Eposhyche als charakteristisch behaupteten Individualitaumltstypen positiv oder negativ mit der Formiefllng von Religionen korrelieren Mit einem solchen Zugriff koumlnnte eine fruchtbare Untersuchung des Uumlberganshyges von der Antike ins Mittelalter und in die Renaissance betrieben werden die einige FaUen der Interpretation der Spaumltantike vermeiden koumlnnte Eine testbare Hypothese ist das noch nicht

Und damit bin ich bei meiner Ausgangsfrage nach dem Beginn Eushyropaumlischer Religionsgeschichte wieder angekommen Die Diskussion der Achsenzeit hat impliziert dass es nicht reicht nach europaumlischen Ursachen von Phaumlnomenen zu suchen die sich selbst nicht auf Euroshypa beschraumlnken DifFusion etwa im Zeitalter des Imperialismus und Kolonialismus ist wichtig aber erklaumlrt nicht alles Explizit ist in dieshyser Diskussion deutlich geworden dass es nicht mehr reicht sich auf Gruumlndcdiguren auf Religionsstifter ZlI beschraumlnken

Ich hoffe aber dass meine vorsichtigen Formulierungen deurlich gemacht haben dass es mir gar nicht um die Frage absoluter datierbashyrer Anginge geht Es sind bestimmte Aspekte gegenwaumlrtiger Religion so meine Ausgangsthese die es lohneswert erscheinen lassen weit zushyruumlckzublicken und sich nicht auf die uumlbliche Unterstellung mit der Moderne werde alles anders einzulassen Wenn man Religion unrer dem Aspekt VOll Gruppenbildullg von Sozialproduktivitaumlt wie Hans Kippenberg es formuliert hat sieht mit all den Konsequenzen fuumlr einen Seaat und ein Rechtssystem wenn man Religion mit individushyeller religioumlser Erfahrung zusammenbringe dann lohnt es sich ja ist es fuumlr die Disziplin Religionswissenschaft unabdingbar bis in die helshylenistisch-roumlmische Epoche zuruumlckzublicken Mehr nicht Dass Euroshypaumlische Religionsgeschichte hier ihren Anfang genommen huumlte mag man sagen aber eine wissenschaftliche Aussage ist das nicht mehr Das ist der Beginn einer Erzaumlhlung die Sinn stiften kann oder Verwirrung die in diesem Sinne hilfreich oder unsinnig ist Aber das ist ein anderes Gmos das Politiker oder kulturelle Sinnstifter bedienen sollen nicht Religionshisroriker

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Anmerkungen 227

14 C Richmond Tsang W0r and Faith Ikko ikki in Ltlte lvfurofllchi Japan Cambridge MA Harvard Universiry Asia Cemer 2007

1 S Der Begriff stammt von R Eskildsen Of Civiization and Savages 1he Mimcdc Impcrialism ofJapans 1874 Expedition to Taiwan in Amerishycml Historiml Review 107 2002 388-418

16 YuS Japanese Religions 107 17 Yang Fenggang Thc Red Black and Gray Markers of Religion in Chishy

na in Sodgiml Quarterly 47200693-122 18 Hee-Seok Park Schamflllismw ohne Magie Seine idulfe Rolle und prakshy

tiltehe Funktion in der suumldkoreanischm Prowtbewegung Muumlnchen 2009

Anmerkungm zu dm Seiten 29-45 OlristofMandry Plumlimus als Problem und Pltmzlismus Ills Wert theologisch-ethische Uumlberlegungen

Das hebt etwa Ruumlpkc programmatisch hervor vgl J Ruumlpke Europa und die europaumlische Religionsgeschichte in H G Kippenberg 1 Ruumlpke K von Stuckrad (Hg) Europaumlische Religionsgeschichte Ein mch~focher Plushyralismus Bd I Goumltringen 2009 3-14 hier 9[

2 Vgl die differenzierten Uumlberlegungen von Ruumlpke ebd 4-9 und seine Warnungen vor dem Kreieren neuer Essentialismcn durch die normativ grundierte Option rur Pluralismus (vgl ebd 10)

3 Fuumlr eine eingehende Analyse und Bewertung des politischen Selbstvershystaumlndnisses der Europaumlischen Union als Wertegemeinschaft verweise ich auf mein Buch C Mandry Europa als Werregemeiwchflft Eine theshyologisch-ethische Studie zum politischen SelbsfIerstaumlndnis dcr Europaumlischen Unioll Baden-Baden 2009

4 Vgl dazu und zur religioumlsen Dimension des Konflikts D Zifonun und M 1akiSa Religioumlse Vielfalt und religioumlser Konflikt Der Fall Bosnien und Herzegowina in KippenberglRuumlpkevon Stuckrad (5 Anm 1) 411-438

Anmerkungen zu den Seiten 47-60 Joumlrg Ruumlpke Wt1JIn begann die Europdische Religionsgm-hichte Der hellenistischshyroumlmische Mittelmcermum und die europaumlische GegenuNtrt

Diese Arbeir entstand im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgeshymeimchaft finanzierten Kollegforschergruppe Religioumlse Individualisiershyung in Historischer Perspektive am Max-Weber-Kolleg der Universitaumlr Erfurr Ich danke insbesondere Hans oas Richard Gordon und Wolfshygang Spickermann flir die intensive Diskussion in diesem Rahmen Frau

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228 Anmerkungen

Julia Carls Erfurr bin ich fuumlr die Schlussbearbeirung dankbar - Die Utshyerarurangaben beziehen sich auf das nachfolgende Literaturverzeichnis

2 K Jaspers Vom Ursprung und Ziel der Geschichte vIuumlnchen 1988 3 S N Eisensradt (Hg) Kulturen da Achsenzeit Ihre Urspruumlnge und ihre

Vielfolt 2 Rdebull Frankfurt a M 1987 JP Arnason SN Eisenstltldt R Wittrock (eds) Axial civiLiwtions and world history Leiden 2005

4 S N Eisenstadt Die Achsenzeit in der Weltgeschichte in H Joa5 K Wiegandt (Hg) Die kulturellen WTrtl Europas Frankfurt a M 2005 40-68 hier 43

5 S N Eisenstadt Allgemeine Einleitung Die Redingutlgel1 fuumlr die Entstehung lind InstitutionaHsierung der Kulturen der Achsenzeit in Eisenstadt Kulturen (s Anm 3) 10-40

6 Arnason Eisenstadt Wimock Civilizations (s Anm 3) 7 B Wittrock Culmral Crysrallizatiotls and World llistory -rhe Age of

Ecumenical Renaissances in JP Arnason R Winrock (eds) Eurasian 7inllJjoumlrlllatiom 7enth to Thirteenth Cemuries Crystallizations Divergencshyes Renaissances Leiden 2004 41-73 hier 47f

8 Ebd 46 9 In einer Tagung zur Individualisierung in Erfurt im September 2009 (hg

von J Ruumlpke im Erscheinen) 10 Zum folgenden ausfuumlhrlich J Ruumlpke Religioumlser Pluralismus und das roumlshy

mische Reich in H Cancik J Ruumlpke (Hg) Die Religion des Imperium Romanum Tuumlbillgen 2009 )3 1-354

11 J North The Developmcnt ofReligious Pluralism in J Ueu J North [ Rajak (ed) The Jews Among Paglns aId ChristitlrJS In he Roman Emshypire London 1994 174~193 J Rlipke Die Religion der Roumlmer Eine Einshyfiihrung 2 Aufl Muumlnchen 2006 J Ruumlpke red) lhc Blackwell CompanshyiOIl to Roman Religion Oxford 2007

12 Zur Terminologie religioumlser Gruppen im Codex siehe H Zinser ReshyIigio Secta Haeresis in den Haumlrcsiegesetzen des Codex Theodosianus (165166) von 438 in M Hurter (Hg) Hairesis FemchriJi for Karl Hoheisel zum 65 Geburtstag Jahrbuch fuumlr Antike und Christentum SupshypI 34 Muumlnster 2002215-219

13 Siehe C Ando imperial ldeology ald Prouincial Loyalty in the Roman Emshypire Berkdey 2000 lind C Ando 7he A1auer ofthe Gods Religion lind the ROffan Empire Berkeley 2008

14 Siehe r Veync LEmpire Greco-Romain Paris 2005 454f 15 JZ Smith Religion Religions ReligiolLs in vIClaylor (ed) Critishy

cal7erms for Religious Swdies Chicago 1998 269-284 16 A van Harskamp 7heologie 7ext im Kontext aufder Suche nach der A1ethshy

ode ideologiekritischer AlIalYJc der 7heologie illustriert an Wtgtrken von Drt) Moumlhfer und Staudenmaier Tuumlbingen 2000 (Mein Dank gilt Dietmar Mishy

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Anmerkungen 229

eth Fellow der Kollegforschergruppe am Max-Weber-Kolleg der Univcrshysidir Erfurt fuumlr diesen Hinweis und die andauernde Diskussion)

17 A Musschengl lhe many faces ofindividualism in A van Harskamp A Musschenga (eds) ihe many jilas 0 indirJidualism Lcuven 2001 3-24 hier 5 Fuumlr eine Uumlbersicht klassischer Individualisierungstheorien s E Kippele was heiszligt Inditidualisietullg Die AntwOlmiddotten der soziologischshy1II Klassiker Opladen 1997

18 A Hahn Zur Soziologie der Beichte und anderer Formen institutionalshyisierter Bekenntnisse SdbstthclI1ltltisierung und Zivilisatiol1Sprozeszlig in Kiitner Zeitschlifiuumlr Soziologie und Sozialpsychologie 34 1982407-434

19 Siehe 1 Halman Individualism in Contemporary Europe in van HarshyskampMusschenga (wie Anll1 17) 25-46 hier 29 uumlber die Rolle des modernen Wohlfahrrsstaats

20 Siehe A Bendlin Peripheral Cenrres Cenrral Peripheries Rdigious Communication in the Roman Empire in H Cancik (Hg) Riimische Reichsreligion und ProJinziaLreligion Tuumlbingen 1997 35~68

21 Fuumlr Rom J Ruumlpke Dorn miitiae Die religioumlse Koustruktion des Krieges in Rom Stuttgarr 1990260-262 EM Orlin Temples Religion and Polititgt il1 the Romall Republic Leiden 1997

22 L H letersen The Baker His Tomb His Wifc and Her Breadbasket The Monument of Eurysaces in Rome in 7he Art Bulletin 85 2003 23()~257

23 So J Ruumlpke Apokalyprische Salzberge Zum sozialen Ort und zur litshyerarischen Strategie des Hirten des Hermas in Archiv szligir Religionsgeshyschichtel 1999 148~160

24 C Taylor Quellen des Selbst Die Entstehung der neuzeitlichen Identitaumlt Frankfurt Olm Main 1994 hier 14

25 K Bowes Prillftte lJorship publicJiduCJ and reigious cbange in late antiqshyuity Camhridge 2008

26 Siehe M B McGuire Ritluz Healing ill Suburban America With [he assistance of D Kantor New szligrunswick 1988240-257 J Ruumlpke HeishylungHeilungen I Religionsgeschichtlich in Lexikoll fiir 1heoLogie und Kirche Bd 41995 1357f

27 W V Harris B Hohnes (eck) Aeliw Aristides between Gleece Rome and the godJ Leiden 2008 A Petsalis-Diomidis TruLy Beyond 1vonders Aelius Aristides ami the CuLt 0Asklepios Oxford 2009

28 A Bendlin Vom Nutzen und Nachteil der Mantik Orakel im Medium von Handlung und Literatur in der Zeit der Zweiten Sophistik in D Elm von der Osten J Ruumlpke K Waldner (Hg) Texte als Medium und Reflexion Jon Religion im riimischm ampich Stuttgarr 2006 159~207 N szligelayche J Ruumlpke Divination er revelation dans les mondes grec ct romain prcsenmtion in RHR 2242 2007 139-147

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230 Anmerkungen

29 ] Ruumlpke Kalender lind Offmtlichkeit Die Geschichte der Repraumlsentation und religiaumlsen Qualifikation von Zeit in Rom Berlin 1995587-592] Ruumlpke Zeit und Fest Eine Kulturgeschichte des Kalenders Muumlnchen 2006 182-187

30 K von Stuckrad Das Rillgen 14m die Astrologie Juumldische und christliche Beitraumlge zum antiken ZeitverstaumlndJis Berlin 2000

31 C van Liefferinge La 7heurgie Des Omcles Chaldaiques aProclus Lieges 1999 N Janowitz conJ 0Power Ritual Practices in Late Antiquiry Unishyversity Park PA 2002 E Athanassiadi Dreuns 1heurgy and Freelance Divination The Testimony ofIamblichus in JRS 83 1993 115-130

32 R Gordon Imagining Creek and Roman Magie in V Flint (ed) Witchcraft md Alagic in Europe 2 Ancient Gruce and Rome London 1999 159-275 R Gordon Mlgic as a topOS in Augustan Poetry Disshycourse Realityand Distance in Archiv flr Religiomgeschichte 112009 209-228

Anmerkungen zu den Seiten 61-74 Sabine Schmolinsky Die Zeit der Anderen Juden Heiden Ketzer im christshylichen GescJiclmdllken

M Srausberg Renaissancen Vermitdungsformen des Paganen in H G Kippenberg J Ruumlpke K von Stuckrnd (Hg) Europaumlische Religionshysgeschichte Ein menjacher Plumlisrnus Bd 2 Goumlttingen 2009 695-721 hier 709

2 C Auffarrh Mittelalterliche Modelle der Eingrenzung und Ausgrenzung religioumlser Verschiedenheit in KippenbergRuumlpkevon Stuckrad Bei 1 193-218 hier 193

3 C Auffanh Pluralismus Religion und Mittelalter Das Mittelalter als Teil der Europaumlischen Religionsgeschichte in ders (Hg) Religioumlser Plumlismus illl Mittelalter Besichtigung einer ~Epocbe der Europaumlischen ReshyligionsgeJchichte Berlin 2007 11-23 hier 17f

4 VgL Auffimn (wie Anm 2) 211 f 5 Vgl W Stuumlrner Friedrich ll Teil 1 244f 251 Teil 2 Der Kaiser 1220shy

1250 Darmstadt 2000 266 271f 287-289 297-299 6 Bibelzitare nach Die Bibel A1res und Neues Testament Einheitsuumlbersetshy

wng PrciburglBasellWien 1980 7 In der Apostelgeschichre (1344middot-48) wird diese Abfolge mir deutlich allshy

tijuumldischer Akzentuierung als eine Mi$$ionierungsgeschichte e17iihlt Am folgenden Sabbat versammelte sich aumlst die ganze Sradr um das Wort des Herrn 7U houmlren Als die Juden die Scharen sahen wurden sie eifersuumlchtig widersprachen den Worten des Paulus und stieHen Iiisterungen aus Paulus und Barnabas aber erklaumlrten freimuumltig Euch [= den Juden Jmuszligte das Wort

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52 Joumlrg Ruumlpke

einzigartig Das Gleichnis von Rom als Tempel der ganzen Velt vershywendet eine Phrase die der hermetische Traktat Asclepius fuumlr Aumlgypshyten verwendet Eine auszligergewoumlhnliche Mobilitaumlt ermoumlglicht durch die Strukturen den Bedarf und die Moumlglichkeiten des Roumlmischen Reiches modifizierte die religioumlse Landschaft uumlberall Das wurde von demselben Beobachter mit seinen Erfahrungen aus Rom und Nordshyafrika wohl wahrgenommen So laumlsst Minucius Felix seine Figuren auf eine Zeit zuruumlckblicken bevor der Globus dem Handel geoumlffnet wurde und die Voumllker ihre Riten und Sitten vermischten (206) Die Veraumlnderungen gingen aber weit uumlber das Ritual hinaus und dieser Entwicklung muss ich mich jetzt zuwenden

Begriffe wie cuUumlUJ srcra oder crterimoniae aber sogar der eher auf das Kognitive lielende Begriff religio (und sein Plural) konnten kaum die Realitaumlt der Bildung von Gruppen reflektieren die religioumlse Symboshyle zur Formulierung einer Gruppenidentitaumlt verwendeten Im Rahmen antiker Religion korrespondierte der Kult einer bestimmten Gottheit nur gelegentlich mit Gruppengrenzen er bildete eher ein geteiltes und zwar wichdges aber kaum exklusives Zeichen Diese Tatsache stellt die uumlbliche Interpretation von Sammlungen inschriftlicher und archaumloloshygischer Corpora zum Kuh (wohlgemerkt Singular) einer bestimmten Gottheit in Frage Mit den beruumlhmten Corpora cutult religionis konshystruiere die moderne Forschung eine uumlberregionale religionsgeschichtshyliehe Einheit Kult die es so in der Antike gar nicht gegeben hat

Es entstanden andere terminologische Loumlsungen mit diesen vielshyf-ilrigen Aspekten umzugehen Secta das das griechische hairesis uumlbershysetzte wurde in erster Linie verwendet um philosophische Schulen seit dem fruumlhen Hellenismus zu unterscheiden konnte aber auch fuumlr juumldische Gruppen wie Sadduzaumler oder Pharisaumler verwendet werden Der Ausdruck ist bei Cicero selten der es haumlufiger nur fuumlr politische starr philosophische Gruppen verwendete aber erscheint haumlufiger vom ersten Jahrhundert an Er ist im sogenannten luumlleranzerlass von 311 n Chr belegt (Llctanrius De mortibus persecutorum 34) Hier blickte der Kaiser Licinius auf seinen fruumlheren Versuch zuruumlck die Christen wieder zu Sinnen zu bringen da sie die Sekte ihrer Eltern (341) verlassen haumltten Der Ausdruck wird sehr haumlufig fuumlr alle Arten von Sekshyten in den im sechzehnten Bucb des Lodex 7heodosianus gesammelten Normen verwendet (insbesondere 165) einschlieszliglich einiger Faumllle von katholischer oder orthodoxer SekteY

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53Wann begann die Europaumlische Religiomgeschichte

Wenn vergleichbare und - das ist wichtig reversible Wahlmoumlglichshykeiten in BeZllg auf verschiedene philosophische Schulen ausgedruumlckt werden konnten implizierte dies einen Wissensvorat wie - und auch dies ist wichtig - einen eigenen Lebensstil Durch den Ausdruck discishyplina konnte dieser Akzent auf Lebensfuumlhrung auf bestimmte religioumlse Spezialisten angewandt werden erwa Zauberer etruskische Eingeshyweideschauer oder Auguren sogar schon in der spaumlten Republik Der Sprachgebrauch wurde zur Erfassung einer weit groumlszligeren Vielfalt von religioumlsen Praktiken durch die christliche Apologetik seit dem Ende des zweiten Jahrhunderts erweitert und erreichte im vierten Jahrhunshydert offizielle Texte

Im Verlauf der Ausdehnung des Imperiums seiner umfangreichen Verschiebung von Personen und seiner Delegitimierung von lokalen Autoritaumlten U waren solche Komplexe religioumlser Zeichen und I-Iandshylungen zu mehr geworden als natuumlrliche Folge der Ehrfurcht vor einer bestimmten Gottheit Sie wurden rationaler Interpretation und Ershyklaumlrung unterzogen Sie wurden an universalen Humanitaumltsstandards gemessen Fuumlr eine wachsende Anzahl von Menschen waren sie ein notwendiger Teil (aber ich muss betonen nur Teil) ihrer Lebensform geworden Die Aufteilung zwischen Oumlffentlichkeit und Privatem konnte darauf nichr mehr angewandt werden Diese Sozialformen washyren ein oumlkonomischer und politischer Faktor Sie waren ein Medium eines funktionell nicht-religioumlsen Diskurses

Im einzelnen waren diese Elemente weder neu noch konsistent Sie konvergierten aber mit terminologischen Veraumlnderungen mit ratio und jides Vernunft und Glauben die religio kontrollierten mit der Betonung von wahrer Religion mit disdplilUJ Lebensfuumlhrung und Moral H und mir secta eine Gruppierung die weder oumlffentlich noch privat ist Durch ihre Verwendung von Inschriften Bildern und Arshychitektur wurde Religion eines der wichtigsten Medien oumlffentlicher Kommunikation

Die Mobilitaumlt von intensiver organisierten Anhaumlngern durchaus nicht im Falle jeder Gottheit jeder religio und jedes mltus schuf das Problem der uumlberoumlrtlichen Wiedererkennbarkeit Dies wurde durch Annaumlhtfungen an eine ikonographische Standardisierung des Kultbilshydes im Falle des Mithras durch ungewoumlhnliche Ritualen und aumlgypshytische Dekorationen im Falle der sis erreicht durch den Austausch von Brieten und Sammlungen von Erzaumlhlungen im Falle von Christen

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54 joumlrg Ruumlpke

durch den Versuch jeden Aspekt des Lebens zu regulieren im Falle der rabbinischen Autoren der Mishna in Palaumlstina

Um den gesellschaftlichen Ort eines solch aufgeladenen Konzepts von Religion und das Auftreten von Kulten die Grenzziehung beshytreiben zu definieren griff die roumlmische Verwaltung vor allem seit den Kaisern Aurelian und Diocletian am Ende des dritten Jahrhunderts auf Gesetzgebung wenn notwendig auf strafrechtliche Erlasse und walttaumltige Verfolgungen zuruumlck Einige Formen vom Judentum tentum und Manichaumlismus waren unter den Uumlberlebenden aber die beschriebene Entwicklung hatte die Entstehung einer weit groumlfSeren Fuumllle VOll Religionsgemeinschaften zur Folge gehabt - eine Tatsache die in Achsenzeit-Darstellungen normalerweise uumlbersehen wird Auch Religionsgeschichtsschreibung ist noch immer in der Regel die Geshyschichte der Sieger

3 fndividutlliJierung

Ollensichtlich erfuhr die hellenistisch-roumlmische Epoche eine Entwickshylung einer Vielfalt von dicht organisierten teils professionalisierten Systemen von Symbolen Praktiken und Gruppenbildungen - ich vershymeide immer noch den BegrifF Religionen dessen konfessioneller und exklusiver Charakter kaum vor dem Ende der Periode charakteshyristisch wmde Ich schlage vor den Begriff Religionisierung oder Rcligionifizierung auf diesen Prozess anzuwenden der eine weit reishychende obschon nicht irreversible Veraumlnderung des gesellschaftlichen Ortes von Religion einschloss Jonathan Zittel Smiths Modell eines Uumlberganges von lokativer politisch eingebetteter und zur Legitimation der bestehenden Herrschaft verzweckter Religion in utopische Relishygion die das Ideale jenseits des Bestehenden denkt ist hier sehr hilfshyreich l ) Gleichwohl muumlssen wir bedenken dass die roumlmischen wie byshyzantinischen Formen des Christentums schnell in ausgepraumlgtem MaBe lokative Religionen wurden Mit der hellenistisch-roumlmischen AlHike anzufangen bedeutet weder Forrschrittsgeschichten zu erzaumlhlen noch die Vergangenheit anachronistisch zu aktualisieren

Gleichwohl wage ich es einen zweiten Begriff einzufuumlhren nun keinen Neologismus wie Religionisierung aber einen der der Geshyfahr des Anachronismus der falschen Aktualisierullg noch staumlrker ausshygeliefert zu sein scheint naumlmlich Individualisierung Das theoretische

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55f0rm begann die Europaumlische Religiongeschidlte

Interesse ist aumlhnlich gelagert Wenn Religionisierung den prekaumlren und kontingenten Charakter der system ischen und institutionellen Dimension von Religion und ihre Stelle in und ihr Verhaumlltnis zur Geshysellschaft thematisiert zielt Individualisierung direkt auf die einzelne Person als Ort von Erf1hrung und ageney Handlungskompetenz und ihrer welchselseitigen Abhaumlngigkeit von und mit der Gesellschaft wie Religion Vieder muumlssen Vorstellungen von Fortschrirt und anachroshynistischer Aktualisierung vermieden werden Es waumlre schwierig das komplexe Syndrom VOll De-Traditionalisierung biographischer Zushywendung zu sich selbst permanellter Rellexivitaumlt und narzistischem Trieb zu Authentiziaumlt wie sie als typisch fuumlr zeitgenoumlssische Individuashylisierung in einer juumlngeren Diagnose formuliert worden sind schon in der An ike zu identifizierenltgt

Wie kann demnach solch ein Begriff religionsgeschichtlich fruchtshybar gemacht werden Zwei Maszlignahmen muumlssen werden Die erste heiszligt die Begrifflichkeit zu klaumlren Entsprechend neuen Diskussishyonen schlage ich vor Individualisierung zu beschraumlnken auf umfangshyreiche strukturelle oder diskursive Veraumlnderungen also langlaufende historische Prozesse die nur aus einer Vielzahl von Einzelbefunden ershyschlossen werden koumlnnen 17 Naruumlrlich bezieht sich Individualisierung auf wachsende Grade VOll Individtlaliraumlr Zu deren Definition wuumlrde ich vor allem auf de-traditionalisiertes Handeln als Merkmal verweishysen Damit entstehen faktische Unterschiede und explizite Distinktioshynen im Vergleich zu anderen und derem Handeln das kann zwischen Perfektion und Devianz nicht mehr nOfmgerechtem Verhalten lieshygen Solche Begriffe implizieren dass Individualitaumlt selbst kein rein beschreibender Begriff ist sondern auf zeitgenoumlssische Diskurse und Sachzwaumlnge verweist Um solche Dillerenzen fuumlr antike Gesellschaften abzubilden schlage ich vor fuumlnf verschiedene Arten der Individualitaumlt zu unterscheiden

- praktisclle Individualitaumlt moralische Individualitaumlt kompetitive Individualitaumlt

- repraumlsentative Individualitaumlt - reflexive Individualitaumlt Diese Typen sind nicht unbedingt korreliert Praktische Individushy

alitaumlt - die Tatsache dass die Leute selbstbesrimmt handeln statt einshyfach Traditionen folgen zu muumlssen oder koumlnnen weist auf Situationen in denen Einbettungen verloren gehen etwa als Folge von zeitweiligem

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aumlrg RUumllke

oder dauerhaftem Abbruch sozialer Bindung (wie im Falle von Migshyranten Reisenden oder Uumlberlebenden von Katastrophen) oder weist auf die Folgen scharfer Arbeitsteilung Diese Bedingungen werden von dell Betroffenen wie Zeitgenossen haumlufig nicht reflektiert im Einzelfall wurden aber Vorbereitullgen getroffen durch geschriebene oder erlernshyte Anweisungen zum Beispiel fuumlr Jenseitsreisen

Moralische Individualitaumlt schlieszligt ein die Zuschreibung von Vershyantwortung an Personen fuumlr ihr eigenes Verhalten konkretisiert sich

ich bleibe im Bereich des Religioumlsen - in Konzepten von Suumlnde in gesetzlichen Normen wie Strafen In der Amike sind solche Standards typischerweise diejenigen von anderen und wuumlrden Urteile uumlber sozishyale Verpflichtungen einschlieszligen bis hin zur Negation von Individushyalituuml Spezifische Pflichten stehen eher im Vordergrund als universale Rechte an eine juristische Individualitaumlt im Sinn einer Erklaumlrung von Menschenrechten ist nicht zu denken Der Blick kann sich nur auf Details richten Schon eille Verpflichtung zur Beteiligung an Ritualen weist auf eine moralische Individualitaumlt die bloszlige Verbote uumlbersteigt

Kompetitive Individualitaumlt bezieht sich auf den verbreiteten arisshytokratischen Wettbewerb um Auszeichnung Distinktion Hier geht es normalerweise um Normen an denen sich andere soziale Grupshypen orientieren Individuelle Unterschiede werden von zeitgenoumlssishyschen Beobachtern prauml7jse beobachtet aber an einem gemeinsamen diskursiv erzeugten Ethos gemessen das das Gemeinwohl oder den Familienstatus betonen wuumlrde Froumlmmigkeit (pietas) die auch das Verhalten gegenuumlber dcn Eltern einschlieszligt waumlre ein solcher Begriff Groszligzuumlgigkeit und Kunstgeschmack bei der Stiftung eines Tempels ein Beispiel Die konkreten Normen waumlren freilich durch tatsaumlchliches Konkurrenzverhaltcn gclorlllt und modifiziert Konflikte sind hier selbstverstaumlndlicher Bestandteil

Repraumlsentative Individualitaumlt bezieht sich auf die zwei vorangeshygangenen Personen sollen bestrebt sein vorbildlicll zu werden und werden als Beispiele exempla erzaumlhlt Nicht individudlc Differenz sondern Perfektion beim Erfuumlllen einer sozialen oder religioumlsen Rolle ob als roumlmischer pllter familias christlicher Maumlrtyrer odcr maumlnnlicher Jude ist VOll allen angestrebt Gleichwohl bleibt die Erfuumlllung dieser Norm eine persoumlnliche Errungenschaft

Schlieszliglich setzt die reflexive Individualitaumlt die Ausbildung eines individualistischen Diskurses voraus eine individualistische Ideologie Entsprechende Uumlberlegungen uumlber das Selbst oder die menschliche

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57Wimn bega1I1 die Europaumlische Religionsgeschichte

Natur des Einzelnen zum Beispiel in der stoischen Lehre der oikeioshysis werden haumlufig gepraumlgt von normativen Vorsrellungen von sozialen Rollen verweisen so also auch auf die repraumlsentative Individualitaumlt zushyruumlck erst der Neuplatonismus bringt bier einen Quantensprung

Alle diese Typen von Individualitaumlt weisen eine gender- eine Geshyschlechts-Dimension auf sie gelten fuumlr einzelne Bereiche der Gesellshyschaft koumlnnen in der Elite oder an den Raumlndern in verschiedenen Formen und Graden gefunden werden sind voruumlbergehende Phaumlnoshymene oder geben Anlass zu Prozessen der Institutionalisierung Solche Prozesse koumlnnen Wertungen uumlber DeviallZ leicht veraumlndern Institushytionalisierte Individualitaumlt zum Beispiel Regeln repraumlsentativer Indishyvidualitaumlt koumlnnen leicht fruumlhere Normen kompetitiver Individualitaumlt ersetzen Jeder Jude muss nun die Torah studieren Selbstbeherrschung kann die wirksamste Form oumlffentlicher Disziplinierung sein in moshydernen Beichrpraktiken wenn bekannt wird was nur Gott gesehen hat 18 wie in antiken Moumlnchsgemeinschaften Oumlkonomische Sicherheit ist eine Vorbedingung fuumlr verbreitete Individualitaumlt und muss fuumlr jede Analyse des mediterranen Altertums in Anschlag gebracht werdengt

Individualitaumlt kann nur unter Beruumlcksichtigung von Sachzwaumlngen und gleichzeitigen Diskursen gemessen werden Zugleich ist sie das Ergebnis der vorlaufenden Individuierung der jeweiligen Person sishytuative Individuali tiir ist Teil einer solchen lndividuierung als eines andauernden Prozesses Natuumlrlich ist Individuierung untrennbar mit Sozialisation der Entwicklung einer sozialen Persona mit eigener Inshydividualitaumlt verbunden Das Konzept von Individuierung die Entshywicklung persoumlnlicher Selbstidentitaumlr ist in antiken Texten kaum von sozialer Interaktion und Funktionalitaumlt zu unterscheiden Gleichwohl kann das Konzept fuumlr die historische Analyse verwendet werden um moumlgliche Felder zu erfassen auf denen Religion die Entwicklungen von verschiedenen Arten und Graden der Individualitaumlt erlaubt Es kann helfen zu sehen wo Religionen Raumlume und Gelegenheiten rur wachsende Differenzen fuumlr nicht mehr traditionsbestimmtes Handeln bieten kann helfen zu sehen welche Folgen solche religioumlsen Institutishyonell und Praktiken fuumlr die betroffenen Personen besitzen

Nur kurz sei auf relevante Felder hingewiesen Die Zunahme relishygioumlser Optionen ist als eines der wichtigsten Merkmale der hellenisshytischen und roumlmischen Epoche bis hin zum Vergleich mit modershynem religioumlsen Pluralismus beschrieben worden Verursacht war dies in erster Linie durch die Beweglichkeit von Kaufleuten Verwaltern

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Soldaten und Sklaven Eine Kompetenz Gottheiten entsprechend situationsspezifisch zu waumlhlen ist fuumlr die mediterranen Formen des Polytheismus charakteristisch Erst die Ausbreitung von Kulten die eigene Religionsgemeinschaften erzeugten popularisieree Ideen von Exklusivitaumlt und fuumlhrte zum Problem massenhafter religioumlser Devianz In einem additiven polytheistischen System das offen fuumlr Erweiteshyrungen warCl war die Einfiihrung von neuen Goumlttern und Optionen von Verehrung in lokale Tempel (durch Aufstellen von Bildern zuvor nicht verehrter Goumltter) oder in das was man besser nicht panthea nennen sollte (also das Einfuumlhren neuer Kulte il1 eillen On) haumlufig Solcl1es Verhalten war vielfach die Entscheidung einzelner und bedarf fuumlr griechische Heiligtuumlmer wie republikanische roumlmische Tempel weishyterer Untersuchung 21 Es koumlnnte sich zeigen dass der wichtigste Kreis religioumlser Symbole (lugo Pantheon) ein zufilliges Ergebnis von Einshyzelentscheidungen verschiedener Personen war

Ein neues Heiligtum zu stiften war eine nicht auf die Aufstellung eines neuen Kultbildes beschraumlnkte komplexe Angelegenheit Auswahl des Ortes Auswahl architektonischer Details Regelung von Ritualen (die fuumlr uns oft kaum sichtbar werden) die vielen Entscheidungen die sich auf vorhandene Traditionen beziehen wuumlrden interpretieren die in der Wettbewerbsgesellschafi vorhandenen Normen und schafshyfen lleue Normen Normierungen in diesem Sinn konnten auch in der Form von Grabmaumllern gemacht werden Ich denke an das Grab von Eurysaces einen roumlmischen Baumlcker und Groszlighaumlndler mit seinen Bildern von Teigmixern und Backvorgaumlngen In seinem Streben nach Originalitaumlt ist das Grab eher typisch denn auszligergewoumlhnlich das gilt auch wo es einem Weltbild Ausdruck verleiht das von Eurysaces eigenen Berufserfahrungen und Horizont dominiert wird In einer Anzahl solcher Denkmaumller und sogar in einem religioumlsen Text wie dem fruumlhchristlichen Hirten des Hermas23 ist es das Alltagsleben dem beinalle ein Letzewert gegeben wird Auf der gesellschaftlidlen Ebene stellt das die Dominanz des aristokratischen Wertsystems zwar nicht erfolgreich in Frage es es zeige aber eine Neubewercung von Alltagsleshyben an das uns erinnert an die von CharIes Taylor der Hochschaumltzung des Alltagslebens in moderner Zivilisation beigemessene Bedeutungli

Fuumlr das hellenistisch-roumlmische Altertum mit seinen Traditionen haumluslichen Kultes koumlnnte eine Kollision mit oumlfFentlichen Autoritaumlten dort produziert werden wo haumlusliche Rituale Nachahmungen des oumlfshyfentlichen Kults zu sein schienen Kim Bowes hat das Ausmaszlig solcher

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tnn begann die Europaumlische Religionsgeschichte 59

rituellen Praktiken in der Spaumltantike und die dadurch verursachten Konflikte mit kirchlichen Institutionen herausgearbeitetY Hier ist wachsende Individualitaumlt zeitgleich mit wachsender Zentralisierung und Normierung

Persoumlnliche Kommunikation mit Goumlttern wurde nie auf oumlffentliche Rituale oder Tempel beschraumlnkt Weihgeschenke die aus Gebeten in individuellen Krisensituationen resultieren sind seit der archaischen Periode verbreitet Formen und Intensitaumlt aumlndern sich jedoch und koumlnnten mit einer wachsenden Sorge fuumlr die eigene Familie wie sich selbst zusammenhaumlngen Die Zunahme des Asklepios- Kultes koumlnnte solch ein Indikator sein da gerade Heilungsprozeduren und ihre sozishyale Topographie Aussagen uumlber die Beziehung zwischen einer Person lind der Gesellschaft machen Aelills Aristides Hieroi Logoi ein mehshyrere Buumlcher umfassender Bericht eines Kranken uumlber seine 1raumlume Pilgerreisen und Begegnungen mit Asklepius sind eine der wichtigsten Quellen religioumlser Individualitaumlt aus der Antike 27 Die kaiserzeidiche Neubelebung und Ausbreitung von gerade auch lokalen kleinen Orashykeln zH ist ein interessantes Forschungsgebiet fuumlr die Individualisierung von Institutionen Astrologie als Massenphaumlnomen der Personalisieshyrung von Zeitordnungen waumlre ein weiteres 2

middot) Sie verorrer nach einer Formulierung Kocktt von Stuckrads eine Person in einer natuumlrlichen universalen Ordnung die zur gleichen Zeit mit bestimmten zum Beishyspiel juumldischen oder christlichen Kosmologien kompatibel gemacht wird elo In der Spaumltantike bot 111eurgie Rituale zur Manipulation des Goumlttlichen einen anderen Weg des wirksamen persoumlnlichen Kontakts an 1 Das gewaltige Aufgebot an magisch genannten Praktiken soll meine Liste beenden Auger individuellen Sorgen um Gesundheit ist hier der Versuch offensichtlich Eint1uss zu nehmen auf Ereignisse die aufgrund des Status der Beteiligten in sozialen Beziehungen oder RechtskonRikten zu erwarten waren Im hoch riskanten Bereich von Beziehungen von und mit Prostituierten wird der Mangel an traditioshynellen Regelungen durch Magie ersetztY

4 SchluJJ

Wenn das spaumltere Roumlmische Reich eine von Religionisierung chashyrakterisierte Epoche ist so laumlsst sich die hellenistisch-roumlmische Epoche nicht in gleicher Weise als Zeitraum von Individualisierung charakshy

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60 JaumlrgRuumlpke

terisieren Ich habe mich fuumlr die Nuumltzlichkeit eines analytischen Werkshyzeuges verschiedener Arten von Individualitaumlt und der Suche nach dem Individuum in unseren religionsgeschichtlichen Daten ausgesprochen Jedes Urteil uumlber die Periode insgesamt waumlre vorzeitig Gleichwohl ist es offensichtlich dass einige der Typen und Grade der fuumlr die Eposhyche als charakteristisch behaupteten Individualitaumltstypen positiv oder negativ mit der Formiefllng von Religionen korrelieren Mit einem solchen Zugriff koumlnnte eine fruchtbare Untersuchung des Uumlberganshyges von der Antike ins Mittelalter und in die Renaissance betrieben werden die einige FaUen der Interpretation der Spaumltantike vermeiden koumlnnte Eine testbare Hypothese ist das noch nicht

Und damit bin ich bei meiner Ausgangsfrage nach dem Beginn Eushyropaumlischer Religionsgeschichte wieder angekommen Die Diskussion der Achsenzeit hat impliziert dass es nicht reicht nach europaumlischen Ursachen von Phaumlnomenen zu suchen die sich selbst nicht auf Euroshypa beschraumlnken DifFusion etwa im Zeitalter des Imperialismus und Kolonialismus ist wichtig aber erklaumlrt nicht alles Explizit ist in dieshyser Diskussion deutlich geworden dass es nicht mehr reicht sich auf Gruumlndcdiguren auf Religionsstifter ZlI beschraumlnken

Ich hoffe aber dass meine vorsichtigen Formulierungen deurlich gemacht haben dass es mir gar nicht um die Frage absoluter datierbashyrer Anginge geht Es sind bestimmte Aspekte gegenwaumlrtiger Religion so meine Ausgangsthese die es lohneswert erscheinen lassen weit zushyruumlckzublicken und sich nicht auf die uumlbliche Unterstellung mit der Moderne werde alles anders einzulassen Wenn man Religion unrer dem Aspekt VOll Gruppenbildullg von Sozialproduktivitaumlt wie Hans Kippenberg es formuliert hat sieht mit all den Konsequenzen fuumlr einen Seaat und ein Rechtssystem wenn man Religion mit individushyeller religioumlser Erfahrung zusammenbringe dann lohnt es sich ja ist es fuumlr die Disziplin Religionswissenschaft unabdingbar bis in die helshylenistisch-roumlmische Epoche zuruumlckzublicken Mehr nicht Dass Euroshypaumlische Religionsgeschichte hier ihren Anfang genommen huumlte mag man sagen aber eine wissenschaftliche Aussage ist das nicht mehr Das ist der Beginn einer Erzaumlhlung die Sinn stiften kann oder Verwirrung die in diesem Sinne hilfreich oder unsinnig ist Aber das ist ein anderes Gmos das Politiker oder kulturelle Sinnstifter bedienen sollen nicht Religionshisroriker

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Anmerkungen 227

14 C Richmond Tsang W0r and Faith Ikko ikki in Ltlte lvfurofllchi Japan Cambridge MA Harvard Universiry Asia Cemer 2007

1 S Der Begriff stammt von R Eskildsen Of Civiization and Savages 1he Mimcdc Impcrialism ofJapans 1874 Expedition to Taiwan in Amerishycml Historiml Review 107 2002 388-418

16 YuS Japanese Religions 107 17 Yang Fenggang Thc Red Black and Gray Markers of Religion in Chishy

na in Sodgiml Quarterly 47200693-122 18 Hee-Seok Park Schamflllismw ohne Magie Seine idulfe Rolle und prakshy

tiltehe Funktion in der suumldkoreanischm Prowtbewegung Muumlnchen 2009

Anmerkungm zu dm Seiten 29-45 OlristofMandry Plumlimus als Problem und Pltmzlismus Ills Wert theologisch-ethische Uumlberlegungen

Das hebt etwa Ruumlpkc programmatisch hervor vgl J Ruumlpke Europa und die europaumlische Religionsgeschichte in H G Kippenberg 1 Ruumlpke K von Stuckrad (Hg) Europaumlische Religionsgeschichte Ein mch~focher Plushyralismus Bd I Goumltringen 2009 3-14 hier 9[

2 Vgl die differenzierten Uumlberlegungen von Ruumlpke ebd 4-9 und seine Warnungen vor dem Kreieren neuer Essentialismcn durch die normativ grundierte Option rur Pluralismus (vgl ebd 10)

3 Fuumlr eine eingehende Analyse und Bewertung des politischen Selbstvershystaumlndnisses der Europaumlischen Union als Wertegemeinschaft verweise ich auf mein Buch C Mandry Europa als Werregemeiwchflft Eine theshyologisch-ethische Studie zum politischen SelbsfIerstaumlndnis dcr Europaumlischen Unioll Baden-Baden 2009

4 Vgl dazu und zur religioumlsen Dimension des Konflikts D Zifonun und M 1akiSa Religioumlse Vielfalt und religioumlser Konflikt Der Fall Bosnien und Herzegowina in KippenberglRuumlpkevon Stuckrad (5 Anm 1) 411-438

Anmerkungen zu den Seiten 47-60 Joumlrg Ruumlpke Wt1JIn begann die Europdische Religionsgm-hichte Der hellenistischshyroumlmische Mittelmcermum und die europaumlische GegenuNtrt

Diese Arbeir entstand im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgeshymeimchaft finanzierten Kollegforschergruppe Religioumlse Individualisiershyung in Historischer Perspektive am Max-Weber-Kolleg der Universitaumlr Erfurr Ich danke insbesondere Hans oas Richard Gordon und Wolfshygang Spickermann flir die intensive Diskussion in diesem Rahmen Frau

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228 Anmerkungen

Julia Carls Erfurr bin ich fuumlr die Schlussbearbeirung dankbar - Die Utshyerarurangaben beziehen sich auf das nachfolgende Literaturverzeichnis

2 K Jaspers Vom Ursprung und Ziel der Geschichte vIuumlnchen 1988 3 S N Eisensradt (Hg) Kulturen da Achsenzeit Ihre Urspruumlnge und ihre

Vielfolt 2 Rdebull Frankfurt a M 1987 JP Arnason SN Eisenstltldt R Wittrock (eds) Axial civiLiwtions and world history Leiden 2005

4 S N Eisenstadt Die Achsenzeit in der Weltgeschichte in H Joa5 K Wiegandt (Hg) Die kulturellen WTrtl Europas Frankfurt a M 2005 40-68 hier 43

5 S N Eisenstadt Allgemeine Einleitung Die Redingutlgel1 fuumlr die Entstehung lind InstitutionaHsierung der Kulturen der Achsenzeit in Eisenstadt Kulturen (s Anm 3) 10-40

6 Arnason Eisenstadt Wimock Civilizations (s Anm 3) 7 B Wittrock Culmral Crysrallizatiotls and World llistory -rhe Age of

Ecumenical Renaissances in JP Arnason R Winrock (eds) Eurasian 7inllJjoumlrlllatiom 7enth to Thirteenth Cemuries Crystallizations Divergencshyes Renaissances Leiden 2004 41-73 hier 47f

8 Ebd 46 9 In einer Tagung zur Individualisierung in Erfurt im September 2009 (hg

von J Ruumlpke im Erscheinen) 10 Zum folgenden ausfuumlhrlich J Ruumlpke Religioumlser Pluralismus und das roumlshy

mische Reich in H Cancik J Ruumlpke (Hg) Die Religion des Imperium Romanum Tuumlbillgen 2009 )3 1-354

11 J North The Developmcnt ofReligious Pluralism in J Ueu J North [ Rajak (ed) The Jews Among Paglns aId ChristitlrJS In he Roman Emshypire London 1994 174~193 J Rlipke Die Religion der Roumlmer Eine Einshyfiihrung 2 Aufl Muumlnchen 2006 J Ruumlpke red) lhc Blackwell CompanshyiOIl to Roman Religion Oxford 2007

12 Zur Terminologie religioumlser Gruppen im Codex siehe H Zinser ReshyIigio Secta Haeresis in den Haumlrcsiegesetzen des Codex Theodosianus (165166) von 438 in M Hurter (Hg) Hairesis FemchriJi for Karl Hoheisel zum 65 Geburtstag Jahrbuch fuumlr Antike und Christentum SupshypI 34 Muumlnster 2002215-219

13 Siehe C Ando imperial ldeology ald Prouincial Loyalty in the Roman Emshypire Berkdey 2000 lind C Ando 7he A1auer ofthe Gods Religion lind the ROffan Empire Berkeley 2008

14 Siehe r Veync LEmpire Greco-Romain Paris 2005 454f 15 JZ Smith Religion Religions ReligiolLs in vIClaylor (ed) Critishy

cal7erms for Religious Swdies Chicago 1998 269-284 16 A van Harskamp 7heologie 7ext im Kontext aufder Suche nach der A1ethshy

ode ideologiekritischer AlIalYJc der 7heologie illustriert an Wtgtrken von Drt) Moumlhfer und Staudenmaier Tuumlbingen 2000 (Mein Dank gilt Dietmar Mishy

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Anmerkungen 229

eth Fellow der Kollegforschergruppe am Max-Weber-Kolleg der Univcrshysidir Erfurt fuumlr diesen Hinweis und die andauernde Diskussion)

17 A Musschengl lhe many faces ofindividualism in A van Harskamp A Musschenga (eds) ihe many jilas 0 indirJidualism Lcuven 2001 3-24 hier 5 Fuumlr eine Uumlbersicht klassischer Individualisierungstheorien s E Kippele was heiszligt Inditidualisietullg Die AntwOlmiddotten der soziologischshy1II Klassiker Opladen 1997

18 A Hahn Zur Soziologie der Beichte und anderer Formen institutionalshyisierter Bekenntnisse SdbstthclI1ltltisierung und Zivilisatiol1Sprozeszlig in Kiitner Zeitschlifiuumlr Soziologie und Sozialpsychologie 34 1982407-434

19 Siehe 1 Halman Individualism in Contemporary Europe in van HarshyskampMusschenga (wie Anll1 17) 25-46 hier 29 uumlber die Rolle des modernen Wohlfahrrsstaats

20 Siehe A Bendlin Peripheral Cenrres Cenrral Peripheries Rdigious Communication in the Roman Empire in H Cancik (Hg) Riimische Reichsreligion und ProJinziaLreligion Tuumlbingen 1997 35~68

21 Fuumlr Rom J Ruumlpke Dorn miitiae Die religioumlse Koustruktion des Krieges in Rom Stuttgarr 1990260-262 EM Orlin Temples Religion and Polititgt il1 the Romall Republic Leiden 1997

22 L H letersen The Baker His Tomb His Wifc and Her Breadbasket The Monument of Eurysaces in Rome in 7he Art Bulletin 85 2003 23()~257

23 So J Ruumlpke Apokalyprische Salzberge Zum sozialen Ort und zur litshyerarischen Strategie des Hirten des Hermas in Archiv szligir Religionsgeshyschichtel 1999 148~160

24 C Taylor Quellen des Selbst Die Entstehung der neuzeitlichen Identitaumlt Frankfurt Olm Main 1994 hier 14

25 K Bowes Prillftte lJorship publicJiduCJ and reigious cbange in late antiqshyuity Camhridge 2008

26 Siehe M B McGuire Ritluz Healing ill Suburban America With [he assistance of D Kantor New szligrunswick 1988240-257 J Ruumlpke HeishylungHeilungen I Religionsgeschichtlich in Lexikoll fiir 1heoLogie und Kirche Bd 41995 1357f

27 W V Harris B Hohnes (eck) Aeliw Aristides between Gleece Rome and the godJ Leiden 2008 A Petsalis-Diomidis TruLy Beyond 1vonders Aelius Aristides ami the CuLt 0Asklepios Oxford 2009

28 A Bendlin Vom Nutzen und Nachteil der Mantik Orakel im Medium von Handlung und Literatur in der Zeit der Zweiten Sophistik in D Elm von der Osten J Ruumlpke K Waldner (Hg) Texte als Medium und Reflexion Jon Religion im riimischm ampich Stuttgarr 2006 159~207 N szligelayche J Ruumlpke Divination er revelation dans les mondes grec ct romain prcsenmtion in RHR 2242 2007 139-147

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230 Anmerkungen

29 ] Ruumlpke Kalender lind Offmtlichkeit Die Geschichte der Repraumlsentation und religiaumlsen Qualifikation von Zeit in Rom Berlin 1995587-592] Ruumlpke Zeit und Fest Eine Kulturgeschichte des Kalenders Muumlnchen 2006 182-187

30 K von Stuckrad Das Rillgen 14m die Astrologie Juumldische und christliche Beitraumlge zum antiken ZeitverstaumlndJis Berlin 2000

31 C van Liefferinge La 7heurgie Des Omcles Chaldaiques aProclus Lieges 1999 N Janowitz conJ 0Power Ritual Practices in Late Antiquiry Unishyversity Park PA 2002 E Athanassiadi Dreuns 1heurgy and Freelance Divination The Testimony ofIamblichus in JRS 83 1993 115-130

32 R Gordon Imagining Creek and Roman Magie in V Flint (ed) Witchcraft md Alagic in Europe 2 Ancient Gruce and Rome London 1999 159-275 R Gordon Mlgic as a topOS in Augustan Poetry Disshycourse Realityand Distance in Archiv flr Religiomgeschichte 112009 209-228

Anmerkungen zu den Seiten 61-74 Sabine Schmolinsky Die Zeit der Anderen Juden Heiden Ketzer im christshylichen GescJiclmdllken

M Srausberg Renaissancen Vermitdungsformen des Paganen in H G Kippenberg J Ruumlpke K von Stuckrnd (Hg) Europaumlische Religionshysgeschichte Ein menjacher Plumlisrnus Bd 2 Goumlttingen 2009 695-721 hier 709

2 C Auffarrh Mittelalterliche Modelle der Eingrenzung und Ausgrenzung religioumlser Verschiedenheit in KippenbergRuumlpkevon Stuckrad Bei 1 193-218 hier 193

3 C Auffanh Pluralismus Religion und Mittelalter Das Mittelalter als Teil der Europaumlischen Religionsgeschichte in ders (Hg) Religioumlser Plumlismus illl Mittelalter Besichtigung einer ~Epocbe der Europaumlischen ReshyligionsgeJchichte Berlin 2007 11-23 hier 17f

4 VgL Auffimn (wie Anm 2) 211 f 5 Vgl W Stuumlrner Friedrich ll Teil 1 244f 251 Teil 2 Der Kaiser 1220shy

1250 Darmstadt 2000 266 271f 287-289 297-299 6 Bibelzitare nach Die Bibel A1res und Neues Testament Einheitsuumlbersetshy

wng PrciburglBasellWien 1980 7 In der Apostelgeschichre (1344middot-48) wird diese Abfolge mir deutlich allshy

tijuumldischer Akzentuierung als eine Mi$$ionierungsgeschichte e17iihlt Am folgenden Sabbat versammelte sich aumlst die ganze Sradr um das Wort des Herrn 7U houmlren Als die Juden die Scharen sahen wurden sie eifersuumlchtig widersprachen den Worten des Paulus und stieHen Iiisterungen aus Paulus und Barnabas aber erklaumlrten freimuumltig Euch [= den Juden Jmuszligte das Wort

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53Wann begann die Europaumlische Religiomgeschichte

Wenn vergleichbare und - das ist wichtig reversible Wahlmoumlglichshykeiten in BeZllg auf verschiedene philosophische Schulen ausgedruumlckt werden konnten implizierte dies einen Wissensvorat wie - und auch dies ist wichtig - einen eigenen Lebensstil Durch den Ausdruck discishyplina konnte dieser Akzent auf Lebensfuumlhrung auf bestimmte religioumlse Spezialisten angewandt werden erwa Zauberer etruskische Eingeshyweideschauer oder Auguren sogar schon in der spaumlten Republik Der Sprachgebrauch wurde zur Erfassung einer weit groumlszligeren Vielfalt von religioumlsen Praktiken durch die christliche Apologetik seit dem Ende des zweiten Jahrhunderts erweitert und erreichte im vierten Jahrhunshydert offizielle Texte

Im Verlauf der Ausdehnung des Imperiums seiner umfangreichen Verschiebung von Personen und seiner Delegitimierung von lokalen Autoritaumlten U waren solche Komplexe religioumlser Zeichen und I-Iandshylungen zu mehr geworden als natuumlrliche Folge der Ehrfurcht vor einer bestimmten Gottheit Sie wurden rationaler Interpretation und Ershyklaumlrung unterzogen Sie wurden an universalen Humanitaumltsstandards gemessen Fuumlr eine wachsende Anzahl von Menschen waren sie ein notwendiger Teil (aber ich muss betonen nur Teil) ihrer Lebensform geworden Die Aufteilung zwischen Oumlffentlichkeit und Privatem konnte darauf nichr mehr angewandt werden Diese Sozialformen washyren ein oumlkonomischer und politischer Faktor Sie waren ein Medium eines funktionell nicht-religioumlsen Diskurses

Im einzelnen waren diese Elemente weder neu noch konsistent Sie konvergierten aber mit terminologischen Veraumlnderungen mit ratio und jides Vernunft und Glauben die religio kontrollierten mit der Betonung von wahrer Religion mit disdplilUJ Lebensfuumlhrung und Moral H und mir secta eine Gruppierung die weder oumlffentlich noch privat ist Durch ihre Verwendung von Inschriften Bildern und Arshychitektur wurde Religion eines der wichtigsten Medien oumlffentlicher Kommunikation

Die Mobilitaumlt von intensiver organisierten Anhaumlngern durchaus nicht im Falle jeder Gottheit jeder religio und jedes mltus schuf das Problem der uumlberoumlrtlichen Wiedererkennbarkeit Dies wurde durch Annaumlhtfungen an eine ikonographische Standardisierung des Kultbilshydes im Falle des Mithras durch ungewoumlhnliche Ritualen und aumlgypshytische Dekorationen im Falle der sis erreicht durch den Austausch von Brieten und Sammlungen von Erzaumlhlungen im Falle von Christen

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54 joumlrg Ruumlpke

durch den Versuch jeden Aspekt des Lebens zu regulieren im Falle der rabbinischen Autoren der Mishna in Palaumlstina

Um den gesellschaftlichen Ort eines solch aufgeladenen Konzepts von Religion und das Auftreten von Kulten die Grenzziehung beshytreiben zu definieren griff die roumlmische Verwaltung vor allem seit den Kaisern Aurelian und Diocletian am Ende des dritten Jahrhunderts auf Gesetzgebung wenn notwendig auf strafrechtliche Erlasse und walttaumltige Verfolgungen zuruumlck Einige Formen vom Judentum tentum und Manichaumlismus waren unter den Uumlberlebenden aber die beschriebene Entwicklung hatte die Entstehung einer weit groumlfSeren Fuumllle VOll Religionsgemeinschaften zur Folge gehabt - eine Tatsache die in Achsenzeit-Darstellungen normalerweise uumlbersehen wird Auch Religionsgeschichtsschreibung ist noch immer in der Regel die Geshyschichte der Sieger

3 fndividutlliJierung

Ollensichtlich erfuhr die hellenistisch-roumlmische Epoche eine Entwickshylung einer Vielfalt von dicht organisierten teils professionalisierten Systemen von Symbolen Praktiken und Gruppenbildungen - ich vershymeide immer noch den BegrifF Religionen dessen konfessioneller und exklusiver Charakter kaum vor dem Ende der Periode charakteshyristisch wmde Ich schlage vor den Begriff Religionisierung oder Rcligionifizierung auf diesen Prozess anzuwenden der eine weit reishychende obschon nicht irreversible Veraumlnderung des gesellschaftlichen Ortes von Religion einschloss Jonathan Zittel Smiths Modell eines Uumlberganges von lokativer politisch eingebetteter und zur Legitimation der bestehenden Herrschaft verzweckter Religion in utopische Relishygion die das Ideale jenseits des Bestehenden denkt ist hier sehr hilfshyreich l ) Gleichwohl muumlssen wir bedenken dass die roumlmischen wie byshyzantinischen Formen des Christentums schnell in ausgepraumlgtem MaBe lokative Religionen wurden Mit der hellenistisch-roumlmischen AlHike anzufangen bedeutet weder Forrschrittsgeschichten zu erzaumlhlen noch die Vergangenheit anachronistisch zu aktualisieren

Gleichwohl wage ich es einen zweiten Begriff einzufuumlhren nun keinen Neologismus wie Religionisierung aber einen der der Geshyfahr des Anachronismus der falschen Aktualisierullg noch staumlrker ausshygeliefert zu sein scheint naumlmlich Individualisierung Das theoretische

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55f0rm begann die Europaumlische Religiongeschidlte

Interesse ist aumlhnlich gelagert Wenn Religionisierung den prekaumlren und kontingenten Charakter der system ischen und institutionellen Dimension von Religion und ihre Stelle in und ihr Verhaumlltnis zur Geshysellschaft thematisiert zielt Individualisierung direkt auf die einzelne Person als Ort von Erf1hrung und ageney Handlungskompetenz und ihrer welchselseitigen Abhaumlngigkeit von und mit der Gesellschaft wie Religion Vieder muumlssen Vorstellungen von Fortschrirt und anachroshynistischer Aktualisierung vermieden werden Es waumlre schwierig das komplexe Syndrom VOll De-Traditionalisierung biographischer Zushywendung zu sich selbst permanellter Rellexivitaumlt und narzistischem Trieb zu Authentiziaumlt wie sie als typisch fuumlr zeitgenoumlssische Individuashylisierung in einer juumlngeren Diagnose formuliert worden sind schon in der An ike zu identifizierenltgt

Wie kann demnach solch ein Begriff religionsgeschichtlich fruchtshybar gemacht werden Zwei Maszlignahmen muumlssen werden Die erste heiszligt die Begrifflichkeit zu klaumlren Entsprechend neuen Diskussishyonen schlage ich vor Individualisierung zu beschraumlnken auf umfangshyreiche strukturelle oder diskursive Veraumlnderungen also langlaufende historische Prozesse die nur aus einer Vielzahl von Einzelbefunden ershyschlossen werden koumlnnen 17 Naruumlrlich bezieht sich Individualisierung auf wachsende Grade VOll Individtlaliraumlr Zu deren Definition wuumlrde ich vor allem auf de-traditionalisiertes Handeln als Merkmal verweishysen Damit entstehen faktische Unterschiede und explizite Distinktioshynen im Vergleich zu anderen und derem Handeln das kann zwischen Perfektion und Devianz nicht mehr nOfmgerechtem Verhalten lieshygen Solche Begriffe implizieren dass Individualitaumlt selbst kein rein beschreibender Begriff ist sondern auf zeitgenoumlssische Diskurse und Sachzwaumlnge verweist Um solche Dillerenzen fuumlr antike Gesellschaften abzubilden schlage ich vor fuumlnf verschiedene Arten der Individualitaumlt zu unterscheiden

- praktisclle Individualitaumlt moralische Individualitaumlt kompetitive Individualitaumlt

- repraumlsentative Individualitaumlt - reflexive Individualitaumlt Diese Typen sind nicht unbedingt korreliert Praktische Individushy

alitaumlt - die Tatsache dass die Leute selbstbesrimmt handeln statt einshyfach Traditionen folgen zu muumlssen oder koumlnnen weist auf Situationen in denen Einbettungen verloren gehen etwa als Folge von zeitweiligem

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aumlrg RUumllke

oder dauerhaftem Abbruch sozialer Bindung (wie im Falle von Migshyranten Reisenden oder Uumlberlebenden von Katastrophen) oder weist auf die Folgen scharfer Arbeitsteilung Diese Bedingungen werden von dell Betroffenen wie Zeitgenossen haumlufig nicht reflektiert im Einzelfall wurden aber Vorbereitullgen getroffen durch geschriebene oder erlernshyte Anweisungen zum Beispiel fuumlr Jenseitsreisen

Moralische Individualitaumlt schlieszligt ein die Zuschreibung von Vershyantwortung an Personen fuumlr ihr eigenes Verhalten konkretisiert sich

ich bleibe im Bereich des Religioumlsen - in Konzepten von Suumlnde in gesetzlichen Normen wie Strafen In der Amike sind solche Standards typischerweise diejenigen von anderen und wuumlrden Urteile uumlber sozishyale Verpflichtungen einschlieszligen bis hin zur Negation von Individushyalituuml Spezifische Pflichten stehen eher im Vordergrund als universale Rechte an eine juristische Individualitaumlt im Sinn einer Erklaumlrung von Menschenrechten ist nicht zu denken Der Blick kann sich nur auf Details richten Schon eille Verpflichtung zur Beteiligung an Ritualen weist auf eine moralische Individualitaumlt die bloszlige Verbote uumlbersteigt

Kompetitive Individualitaumlt bezieht sich auf den verbreiteten arisshytokratischen Wettbewerb um Auszeichnung Distinktion Hier geht es normalerweise um Normen an denen sich andere soziale Grupshypen orientieren Individuelle Unterschiede werden von zeitgenoumlssishyschen Beobachtern prauml7jse beobachtet aber an einem gemeinsamen diskursiv erzeugten Ethos gemessen das das Gemeinwohl oder den Familienstatus betonen wuumlrde Froumlmmigkeit (pietas) die auch das Verhalten gegenuumlber dcn Eltern einschlieszligt waumlre ein solcher Begriff Groszligzuumlgigkeit und Kunstgeschmack bei der Stiftung eines Tempels ein Beispiel Die konkreten Normen waumlren freilich durch tatsaumlchliches Konkurrenzverhaltcn gclorlllt und modifiziert Konflikte sind hier selbstverstaumlndlicher Bestandteil

Repraumlsentative Individualitaumlt bezieht sich auf die zwei vorangeshygangenen Personen sollen bestrebt sein vorbildlicll zu werden und werden als Beispiele exempla erzaumlhlt Nicht individudlc Differenz sondern Perfektion beim Erfuumlllen einer sozialen oder religioumlsen Rolle ob als roumlmischer pllter familias christlicher Maumlrtyrer odcr maumlnnlicher Jude ist VOll allen angestrebt Gleichwohl bleibt die Erfuumlllung dieser Norm eine persoumlnliche Errungenschaft

Schlieszliglich setzt die reflexive Individualitaumlt die Ausbildung eines individualistischen Diskurses voraus eine individualistische Ideologie Entsprechende Uumlberlegungen uumlber das Selbst oder die menschliche

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57Wimn bega1I1 die Europaumlische Religionsgeschichte

Natur des Einzelnen zum Beispiel in der stoischen Lehre der oikeioshysis werden haumlufig gepraumlgt von normativen Vorsrellungen von sozialen Rollen verweisen so also auch auf die repraumlsentative Individualitaumlt zushyruumlck erst der Neuplatonismus bringt bier einen Quantensprung

Alle diese Typen von Individualitaumlt weisen eine gender- eine Geshyschlechts-Dimension auf sie gelten fuumlr einzelne Bereiche der Gesellshyschaft koumlnnen in der Elite oder an den Raumlndern in verschiedenen Formen und Graden gefunden werden sind voruumlbergehende Phaumlnoshymene oder geben Anlass zu Prozessen der Institutionalisierung Solche Prozesse koumlnnen Wertungen uumlber DeviallZ leicht veraumlndern Institushytionalisierte Individualitaumlt zum Beispiel Regeln repraumlsentativer Indishyvidualitaumlt koumlnnen leicht fruumlhere Normen kompetitiver Individualitaumlt ersetzen Jeder Jude muss nun die Torah studieren Selbstbeherrschung kann die wirksamste Form oumlffentlicher Disziplinierung sein in moshydernen Beichrpraktiken wenn bekannt wird was nur Gott gesehen hat 18 wie in antiken Moumlnchsgemeinschaften Oumlkonomische Sicherheit ist eine Vorbedingung fuumlr verbreitete Individualitaumlt und muss fuumlr jede Analyse des mediterranen Altertums in Anschlag gebracht werdengt

Individualitaumlt kann nur unter Beruumlcksichtigung von Sachzwaumlngen und gleichzeitigen Diskursen gemessen werden Zugleich ist sie das Ergebnis der vorlaufenden Individuierung der jeweiligen Person sishytuative Individuali tiir ist Teil einer solchen lndividuierung als eines andauernden Prozesses Natuumlrlich ist Individuierung untrennbar mit Sozialisation der Entwicklung einer sozialen Persona mit eigener Inshydividualitaumlt verbunden Das Konzept von Individuierung die Entshywicklung persoumlnlicher Selbstidentitaumlr ist in antiken Texten kaum von sozialer Interaktion und Funktionalitaumlt zu unterscheiden Gleichwohl kann das Konzept fuumlr die historische Analyse verwendet werden um moumlgliche Felder zu erfassen auf denen Religion die Entwicklungen von verschiedenen Arten und Graden der Individualitaumlt erlaubt Es kann helfen zu sehen wo Religionen Raumlume und Gelegenheiten rur wachsende Differenzen fuumlr nicht mehr traditionsbestimmtes Handeln bieten kann helfen zu sehen welche Folgen solche religioumlsen Institutishyonell und Praktiken fuumlr die betroffenen Personen besitzen

Nur kurz sei auf relevante Felder hingewiesen Die Zunahme relishygioumlser Optionen ist als eines der wichtigsten Merkmale der hellenisshytischen und roumlmischen Epoche bis hin zum Vergleich mit modershynem religioumlsen Pluralismus beschrieben worden Verursacht war dies in erster Linie durch die Beweglichkeit von Kaufleuten Verwaltern

VIFR~8~Salzdaten~(2011-10middot20)indd 57 20102011 1445261

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Soldaten und Sklaven Eine Kompetenz Gottheiten entsprechend situationsspezifisch zu waumlhlen ist fuumlr die mediterranen Formen des Polytheismus charakteristisch Erst die Ausbreitung von Kulten die eigene Religionsgemeinschaften erzeugten popularisieree Ideen von Exklusivitaumlt und fuumlhrte zum Problem massenhafter religioumlser Devianz In einem additiven polytheistischen System das offen fuumlr Erweiteshyrungen warCl war die Einfiihrung von neuen Goumlttern und Optionen von Verehrung in lokale Tempel (durch Aufstellen von Bildern zuvor nicht verehrter Goumltter) oder in das was man besser nicht panthea nennen sollte (also das Einfuumlhren neuer Kulte il1 eillen On) haumlufig Solcl1es Verhalten war vielfach die Entscheidung einzelner und bedarf fuumlr griechische Heiligtuumlmer wie republikanische roumlmische Tempel weishyterer Untersuchung 21 Es koumlnnte sich zeigen dass der wichtigste Kreis religioumlser Symbole (lugo Pantheon) ein zufilliges Ergebnis von Einshyzelentscheidungen verschiedener Personen war

Ein neues Heiligtum zu stiften war eine nicht auf die Aufstellung eines neuen Kultbildes beschraumlnkte komplexe Angelegenheit Auswahl des Ortes Auswahl architektonischer Details Regelung von Ritualen (die fuumlr uns oft kaum sichtbar werden) die vielen Entscheidungen die sich auf vorhandene Traditionen beziehen wuumlrden interpretieren die in der Wettbewerbsgesellschafi vorhandenen Normen und schafshyfen lleue Normen Normierungen in diesem Sinn konnten auch in der Form von Grabmaumllern gemacht werden Ich denke an das Grab von Eurysaces einen roumlmischen Baumlcker und Groszlighaumlndler mit seinen Bildern von Teigmixern und Backvorgaumlngen In seinem Streben nach Originalitaumlt ist das Grab eher typisch denn auszligergewoumlhnlich das gilt auch wo es einem Weltbild Ausdruck verleiht das von Eurysaces eigenen Berufserfahrungen und Horizont dominiert wird In einer Anzahl solcher Denkmaumller und sogar in einem religioumlsen Text wie dem fruumlhchristlichen Hirten des Hermas23 ist es das Alltagsleben dem beinalle ein Letzewert gegeben wird Auf der gesellschaftlidlen Ebene stellt das die Dominanz des aristokratischen Wertsystems zwar nicht erfolgreich in Frage es es zeige aber eine Neubewercung von Alltagsleshyben an das uns erinnert an die von CharIes Taylor der Hochschaumltzung des Alltagslebens in moderner Zivilisation beigemessene Bedeutungli

Fuumlr das hellenistisch-roumlmische Altertum mit seinen Traditionen haumluslichen Kultes koumlnnte eine Kollision mit oumlfFentlichen Autoritaumlten dort produziert werden wo haumlusliche Rituale Nachahmungen des oumlfshyfentlichen Kults zu sein schienen Kim Bowes hat das Ausmaszlig solcher

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tnn begann die Europaumlische Religionsgeschichte 59

rituellen Praktiken in der Spaumltantike und die dadurch verursachten Konflikte mit kirchlichen Institutionen herausgearbeitetY Hier ist wachsende Individualitaumlt zeitgleich mit wachsender Zentralisierung und Normierung

Persoumlnliche Kommunikation mit Goumlttern wurde nie auf oumlffentliche Rituale oder Tempel beschraumlnkt Weihgeschenke die aus Gebeten in individuellen Krisensituationen resultieren sind seit der archaischen Periode verbreitet Formen und Intensitaumlt aumlndern sich jedoch und koumlnnten mit einer wachsenden Sorge fuumlr die eigene Familie wie sich selbst zusammenhaumlngen Die Zunahme des Asklepios- Kultes koumlnnte solch ein Indikator sein da gerade Heilungsprozeduren und ihre sozishyale Topographie Aussagen uumlber die Beziehung zwischen einer Person lind der Gesellschaft machen Aelills Aristides Hieroi Logoi ein mehshyrere Buumlcher umfassender Bericht eines Kranken uumlber seine 1raumlume Pilgerreisen und Begegnungen mit Asklepius sind eine der wichtigsten Quellen religioumlser Individualitaumlt aus der Antike 27 Die kaiserzeidiche Neubelebung und Ausbreitung von gerade auch lokalen kleinen Orashykeln zH ist ein interessantes Forschungsgebiet fuumlr die Individualisierung von Institutionen Astrologie als Massenphaumlnomen der Personalisieshyrung von Zeitordnungen waumlre ein weiteres 2

middot) Sie verorrer nach einer Formulierung Kocktt von Stuckrads eine Person in einer natuumlrlichen universalen Ordnung die zur gleichen Zeit mit bestimmten zum Beishyspiel juumldischen oder christlichen Kosmologien kompatibel gemacht wird elo In der Spaumltantike bot 111eurgie Rituale zur Manipulation des Goumlttlichen einen anderen Weg des wirksamen persoumlnlichen Kontakts an 1 Das gewaltige Aufgebot an magisch genannten Praktiken soll meine Liste beenden Auger individuellen Sorgen um Gesundheit ist hier der Versuch offensichtlich Eint1uss zu nehmen auf Ereignisse die aufgrund des Status der Beteiligten in sozialen Beziehungen oder RechtskonRikten zu erwarten waren Im hoch riskanten Bereich von Beziehungen von und mit Prostituierten wird der Mangel an traditioshynellen Regelungen durch Magie ersetztY

4 SchluJJ

Wenn das spaumltere Roumlmische Reich eine von Religionisierung chashyrakterisierte Epoche ist so laumlsst sich die hellenistisch-roumlmische Epoche nicht in gleicher Weise als Zeitraum von Individualisierung charakshy

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60 JaumlrgRuumlpke

terisieren Ich habe mich fuumlr die Nuumltzlichkeit eines analytischen Werkshyzeuges verschiedener Arten von Individualitaumlt und der Suche nach dem Individuum in unseren religionsgeschichtlichen Daten ausgesprochen Jedes Urteil uumlber die Periode insgesamt waumlre vorzeitig Gleichwohl ist es offensichtlich dass einige der Typen und Grade der fuumlr die Eposhyche als charakteristisch behaupteten Individualitaumltstypen positiv oder negativ mit der Formiefllng von Religionen korrelieren Mit einem solchen Zugriff koumlnnte eine fruchtbare Untersuchung des Uumlberganshyges von der Antike ins Mittelalter und in die Renaissance betrieben werden die einige FaUen der Interpretation der Spaumltantike vermeiden koumlnnte Eine testbare Hypothese ist das noch nicht

Und damit bin ich bei meiner Ausgangsfrage nach dem Beginn Eushyropaumlischer Religionsgeschichte wieder angekommen Die Diskussion der Achsenzeit hat impliziert dass es nicht reicht nach europaumlischen Ursachen von Phaumlnomenen zu suchen die sich selbst nicht auf Euroshypa beschraumlnken DifFusion etwa im Zeitalter des Imperialismus und Kolonialismus ist wichtig aber erklaumlrt nicht alles Explizit ist in dieshyser Diskussion deutlich geworden dass es nicht mehr reicht sich auf Gruumlndcdiguren auf Religionsstifter ZlI beschraumlnken

Ich hoffe aber dass meine vorsichtigen Formulierungen deurlich gemacht haben dass es mir gar nicht um die Frage absoluter datierbashyrer Anginge geht Es sind bestimmte Aspekte gegenwaumlrtiger Religion so meine Ausgangsthese die es lohneswert erscheinen lassen weit zushyruumlckzublicken und sich nicht auf die uumlbliche Unterstellung mit der Moderne werde alles anders einzulassen Wenn man Religion unrer dem Aspekt VOll Gruppenbildullg von Sozialproduktivitaumlt wie Hans Kippenberg es formuliert hat sieht mit all den Konsequenzen fuumlr einen Seaat und ein Rechtssystem wenn man Religion mit individushyeller religioumlser Erfahrung zusammenbringe dann lohnt es sich ja ist es fuumlr die Disziplin Religionswissenschaft unabdingbar bis in die helshylenistisch-roumlmische Epoche zuruumlckzublicken Mehr nicht Dass Euroshypaumlische Religionsgeschichte hier ihren Anfang genommen huumlte mag man sagen aber eine wissenschaftliche Aussage ist das nicht mehr Das ist der Beginn einer Erzaumlhlung die Sinn stiften kann oder Verwirrung die in diesem Sinne hilfreich oder unsinnig ist Aber das ist ein anderes Gmos das Politiker oder kulturelle Sinnstifter bedienen sollen nicht Religionshisroriker

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Anmerkungen 227

14 C Richmond Tsang W0r and Faith Ikko ikki in Ltlte lvfurofllchi Japan Cambridge MA Harvard Universiry Asia Cemer 2007

1 S Der Begriff stammt von R Eskildsen Of Civiization and Savages 1he Mimcdc Impcrialism ofJapans 1874 Expedition to Taiwan in Amerishycml Historiml Review 107 2002 388-418

16 YuS Japanese Religions 107 17 Yang Fenggang Thc Red Black and Gray Markers of Religion in Chishy

na in Sodgiml Quarterly 47200693-122 18 Hee-Seok Park Schamflllismw ohne Magie Seine idulfe Rolle und prakshy

tiltehe Funktion in der suumldkoreanischm Prowtbewegung Muumlnchen 2009

Anmerkungm zu dm Seiten 29-45 OlristofMandry Plumlimus als Problem und Pltmzlismus Ills Wert theologisch-ethische Uumlberlegungen

Das hebt etwa Ruumlpkc programmatisch hervor vgl J Ruumlpke Europa und die europaumlische Religionsgeschichte in H G Kippenberg 1 Ruumlpke K von Stuckrad (Hg) Europaumlische Religionsgeschichte Ein mch~focher Plushyralismus Bd I Goumltringen 2009 3-14 hier 9[

2 Vgl die differenzierten Uumlberlegungen von Ruumlpke ebd 4-9 und seine Warnungen vor dem Kreieren neuer Essentialismcn durch die normativ grundierte Option rur Pluralismus (vgl ebd 10)

3 Fuumlr eine eingehende Analyse und Bewertung des politischen Selbstvershystaumlndnisses der Europaumlischen Union als Wertegemeinschaft verweise ich auf mein Buch C Mandry Europa als Werregemeiwchflft Eine theshyologisch-ethische Studie zum politischen SelbsfIerstaumlndnis dcr Europaumlischen Unioll Baden-Baden 2009

4 Vgl dazu und zur religioumlsen Dimension des Konflikts D Zifonun und M 1akiSa Religioumlse Vielfalt und religioumlser Konflikt Der Fall Bosnien und Herzegowina in KippenberglRuumlpkevon Stuckrad (5 Anm 1) 411-438

Anmerkungen zu den Seiten 47-60 Joumlrg Ruumlpke Wt1JIn begann die Europdische Religionsgm-hichte Der hellenistischshyroumlmische Mittelmcermum und die europaumlische GegenuNtrt

Diese Arbeir entstand im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgeshymeimchaft finanzierten Kollegforschergruppe Religioumlse Individualisiershyung in Historischer Perspektive am Max-Weber-Kolleg der Universitaumlr Erfurr Ich danke insbesondere Hans oas Richard Gordon und Wolfshygang Spickermann flir die intensive Diskussion in diesem Rahmen Frau

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228 Anmerkungen

Julia Carls Erfurr bin ich fuumlr die Schlussbearbeirung dankbar - Die Utshyerarurangaben beziehen sich auf das nachfolgende Literaturverzeichnis

2 K Jaspers Vom Ursprung und Ziel der Geschichte vIuumlnchen 1988 3 S N Eisensradt (Hg) Kulturen da Achsenzeit Ihre Urspruumlnge und ihre

Vielfolt 2 Rdebull Frankfurt a M 1987 JP Arnason SN Eisenstltldt R Wittrock (eds) Axial civiLiwtions and world history Leiden 2005

4 S N Eisenstadt Die Achsenzeit in der Weltgeschichte in H Joa5 K Wiegandt (Hg) Die kulturellen WTrtl Europas Frankfurt a M 2005 40-68 hier 43

5 S N Eisenstadt Allgemeine Einleitung Die Redingutlgel1 fuumlr die Entstehung lind InstitutionaHsierung der Kulturen der Achsenzeit in Eisenstadt Kulturen (s Anm 3) 10-40

6 Arnason Eisenstadt Wimock Civilizations (s Anm 3) 7 B Wittrock Culmral Crysrallizatiotls and World llistory -rhe Age of

Ecumenical Renaissances in JP Arnason R Winrock (eds) Eurasian 7inllJjoumlrlllatiom 7enth to Thirteenth Cemuries Crystallizations Divergencshyes Renaissances Leiden 2004 41-73 hier 47f

8 Ebd 46 9 In einer Tagung zur Individualisierung in Erfurt im September 2009 (hg

von J Ruumlpke im Erscheinen) 10 Zum folgenden ausfuumlhrlich J Ruumlpke Religioumlser Pluralismus und das roumlshy

mische Reich in H Cancik J Ruumlpke (Hg) Die Religion des Imperium Romanum Tuumlbillgen 2009 )3 1-354

11 J North The Developmcnt ofReligious Pluralism in J Ueu J North [ Rajak (ed) The Jews Among Paglns aId ChristitlrJS In he Roman Emshypire London 1994 174~193 J Rlipke Die Religion der Roumlmer Eine Einshyfiihrung 2 Aufl Muumlnchen 2006 J Ruumlpke red) lhc Blackwell CompanshyiOIl to Roman Religion Oxford 2007

12 Zur Terminologie religioumlser Gruppen im Codex siehe H Zinser ReshyIigio Secta Haeresis in den Haumlrcsiegesetzen des Codex Theodosianus (165166) von 438 in M Hurter (Hg) Hairesis FemchriJi for Karl Hoheisel zum 65 Geburtstag Jahrbuch fuumlr Antike und Christentum SupshypI 34 Muumlnster 2002215-219

13 Siehe C Ando imperial ldeology ald Prouincial Loyalty in the Roman Emshypire Berkdey 2000 lind C Ando 7he A1auer ofthe Gods Religion lind the ROffan Empire Berkeley 2008

14 Siehe r Veync LEmpire Greco-Romain Paris 2005 454f 15 JZ Smith Religion Religions ReligiolLs in vIClaylor (ed) Critishy

cal7erms for Religious Swdies Chicago 1998 269-284 16 A van Harskamp 7heologie 7ext im Kontext aufder Suche nach der A1ethshy

ode ideologiekritischer AlIalYJc der 7heologie illustriert an Wtgtrken von Drt) Moumlhfer und Staudenmaier Tuumlbingen 2000 (Mein Dank gilt Dietmar Mishy

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Anmerkungen 229

eth Fellow der Kollegforschergruppe am Max-Weber-Kolleg der Univcrshysidir Erfurt fuumlr diesen Hinweis und die andauernde Diskussion)

17 A Musschengl lhe many faces ofindividualism in A van Harskamp A Musschenga (eds) ihe many jilas 0 indirJidualism Lcuven 2001 3-24 hier 5 Fuumlr eine Uumlbersicht klassischer Individualisierungstheorien s E Kippele was heiszligt Inditidualisietullg Die AntwOlmiddotten der soziologischshy1II Klassiker Opladen 1997

18 A Hahn Zur Soziologie der Beichte und anderer Formen institutionalshyisierter Bekenntnisse SdbstthclI1ltltisierung und Zivilisatiol1Sprozeszlig in Kiitner Zeitschlifiuumlr Soziologie und Sozialpsychologie 34 1982407-434

19 Siehe 1 Halman Individualism in Contemporary Europe in van HarshyskampMusschenga (wie Anll1 17) 25-46 hier 29 uumlber die Rolle des modernen Wohlfahrrsstaats

20 Siehe A Bendlin Peripheral Cenrres Cenrral Peripheries Rdigious Communication in the Roman Empire in H Cancik (Hg) Riimische Reichsreligion und ProJinziaLreligion Tuumlbingen 1997 35~68

21 Fuumlr Rom J Ruumlpke Dorn miitiae Die religioumlse Koustruktion des Krieges in Rom Stuttgarr 1990260-262 EM Orlin Temples Religion and Polititgt il1 the Romall Republic Leiden 1997

22 L H letersen The Baker His Tomb His Wifc and Her Breadbasket The Monument of Eurysaces in Rome in 7he Art Bulletin 85 2003 23()~257

23 So J Ruumlpke Apokalyprische Salzberge Zum sozialen Ort und zur litshyerarischen Strategie des Hirten des Hermas in Archiv szligir Religionsgeshyschichtel 1999 148~160

24 C Taylor Quellen des Selbst Die Entstehung der neuzeitlichen Identitaumlt Frankfurt Olm Main 1994 hier 14

25 K Bowes Prillftte lJorship publicJiduCJ and reigious cbange in late antiqshyuity Camhridge 2008

26 Siehe M B McGuire Ritluz Healing ill Suburban America With [he assistance of D Kantor New szligrunswick 1988240-257 J Ruumlpke HeishylungHeilungen I Religionsgeschichtlich in Lexikoll fiir 1heoLogie und Kirche Bd 41995 1357f

27 W V Harris B Hohnes (eck) Aeliw Aristides between Gleece Rome and the godJ Leiden 2008 A Petsalis-Diomidis TruLy Beyond 1vonders Aelius Aristides ami the CuLt 0Asklepios Oxford 2009

28 A Bendlin Vom Nutzen und Nachteil der Mantik Orakel im Medium von Handlung und Literatur in der Zeit der Zweiten Sophistik in D Elm von der Osten J Ruumlpke K Waldner (Hg) Texte als Medium und Reflexion Jon Religion im riimischm ampich Stuttgarr 2006 159~207 N szligelayche J Ruumlpke Divination er revelation dans les mondes grec ct romain prcsenmtion in RHR 2242 2007 139-147

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230 Anmerkungen

29 ] Ruumlpke Kalender lind Offmtlichkeit Die Geschichte der Repraumlsentation und religiaumlsen Qualifikation von Zeit in Rom Berlin 1995587-592] Ruumlpke Zeit und Fest Eine Kulturgeschichte des Kalenders Muumlnchen 2006 182-187

30 K von Stuckrad Das Rillgen 14m die Astrologie Juumldische und christliche Beitraumlge zum antiken ZeitverstaumlndJis Berlin 2000

31 C van Liefferinge La 7heurgie Des Omcles Chaldaiques aProclus Lieges 1999 N Janowitz conJ 0Power Ritual Practices in Late Antiquiry Unishyversity Park PA 2002 E Athanassiadi Dreuns 1heurgy and Freelance Divination The Testimony ofIamblichus in JRS 83 1993 115-130

32 R Gordon Imagining Creek and Roman Magie in V Flint (ed) Witchcraft md Alagic in Europe 2 Ancient Gruce and Rome London 1999 159-275 R Gordon Mlgic as a topOS in Augustan Poetry Disshycourse Realityand Distance in Archiv flr Religiomgeschichte 112009 209-228

Anmerkungen zu den Seiten 61-74 Sabine Schmolinsky Die Zeit der Anderen Juden Heiden Ketzer im christshylichen GescJiclmdllken

M Srausberg Renaissancen Vermitdungsformen des Paganen in H G Kippenberg J Ruumlpke K von Stuckrnd (Hg) Europaumlische Religionshysgeschichte Ein menjacher Plumlisrnus Bd 2 Goumlttingen 2009 695-721 hier 709

2 C Auffarrh Mittelalterliche Modelle der Eingrenzung und Ausgrenzung religioumlser Verschiedenheit in KippenbergRuumlpkevon Stuckrad Bei 1 193-218 hier 193

3 C Auffanh Pluralismus Religion und Mittelalter Das Mittelalter als Teil der Europaumlischen Religionsgeschichte in ders (Hg) Religioumlser Plumlismus illl Mittelalter Besichtigung einer ~Epocbe der Europaumlischen ReshyligionsgeJchichte Berlin 2007 11-23 hier 17f

4 VgL Auffimn (wie Anm 2) 211 f 5 Vgl W Stuumlrner Friedrich ll Teil 1 244f 251 Teil 2 Der Kaiser 1220shy

1250 Darmstadt 2000 266 271f 287-289 297-299 6 Bibelzitare nach Die Bibel A1res und Neues Testament Einheitsuumlbersetshy

wng PrciburglBasellWien 1980 7 In der Apostelgeschichre (1344middot-48) wird diese Abfolge mir deutlich allshy

tijuumldischer Akzentuierung als eine Mi$$ionierungsgeschichte e17iihlt Am folgenden Sabbat versammelte sich aumlst die ganze Sradr um das Wort des Herrn 7U houmlren Als die Juden die Scharen sahen wurden sie eifersuumlchtig widersprachen den Worten des Paulus und stieHen Iiisterungen aus Paulus und Barnabas aber erklaumlrten freimuumltig Euch [= den Juden Jmuszligte das Wort

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54 joumlrg Ruumlpke

durch den Versuch jeden Aspekt des Lebens zu regulieren im Falle der rabbinischen Autoren der Mishna in Palaumlstina

Um den gesellschaftlichen Ort eines solch aufgeladenen Konzepts von Religion und das Auftreten von Kulten die Grenzziehung beshytreiben zu definieren griff die roumlmische Verwaltung vor allem seit den Kaisern Aurelian und Diocletian am Ende des dritten Jahrhunderts auf Gesetzgebung wenn notwendig auf strafrechtliche Erlasse und walttaumltige Verfolgungen zuruumlck Einige Formen vom Judentum tentum und Manichaumlismus waren unter den Uumlberlebenden aber die beschriebene Entwicklung hatte die Entstehung einer weit groumlfSeren Fuumllle VOll Religionsgemeinschaften zur Folge gehabt - eine Tatsache die in Achsenzeit-Darstellungen normalerweise uumlbersehen wird Auch Religionsgeschichtsschreibung ist noch immer in der Regel die Geshyschichte der Sieger

3 fndividutlliJierung

Ollensichtlich erfuhr die hellenistisch-roumlmische Epoche eine Entwickshylung einer Vielfalt von dicht organisierten teils professionalisierten Systemen von Symbolen Praktiken und Gruppenbildungen - ich vershymeide immer noch den BegrifF Religionen dessen konfessioneller und exklusiver Charakter kaum vor dem Ende der Periode charakteshyristisch wmde Ich schlage vor den Begriff Religionisierung oder Rcligionifizierung auf diesen Prozess anzuwenden der eine weit reishychende obschon nicht irreversible Veraumlnderung des gesellschaftlichen Ortes von Religion einschloss Jonathan Zittel Smiths Modell eines Uumlberganges von lokativer politisch eingebetteter und zur Legitimation der bestehenden Herrschaft verzweckter Religion in utopische Relishygion die das Ideale jenseits des Bestehenden denkt ist hier sehr hilfshyreich l ) Gleichwohl muumlssen wir bedenken dass die roumlmischen wie byshyzantinischen Formen des Christentums schnell in ausgepraumlgtem MaBe lokative Religionen wurden Mit der hellenistisch-roumlmischen AlHike anzufangen bedeutet weder Forrschrittsgeschichten zu erzaumlhlen noch die Vergangenheit anachronistisch zu aktualisieren

Gleichwohl wage ich es einen zweiten Begriff einzufuumlhren nun keinen Neologismus wie Religionisierung aber einen der der Geshyfahr des Anachronismus der falschen Aktualisierullg noch staumlrker ausshygeliefert zu sein scheint naumlmlich Individualisierung Das theoretische

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55f0rm begann die Europaumlische Religiongeschidlte

Interesse ist aumlhnlich gelagert Wenn Religionisierung den prekaumlren und kontingenten Charakter der system ischen und institutionellen Dimension von Religion und ihre Stelle in und ihr Verhaumlltnis zur Geshysellschaft thematisiert zielt Individualisierung direkt auf die einzelne Person als Ort von Erf1hrung und ageney Handlungskompetenz und ihrer welchselseitigen Abhaumlngigkeit von und mit der Gesellschaft wie Religion Vieder muumlssen Vorstellungen von Fortschrirt und anachroshynistischer Aktualisierung vermieden werden Es waumlre schwierig das komplexe Syndrom VOll De-Traditionalisierung biographischer Zushywendung zu sich selbst permanellter Rellexivitaumlt und narzistischem Trieb zu Authentiziaumlt wie sie als typisch fuumlr zeitgenoumlssische Individuashylisierung in einer juumlngeren Diagnose formuliert worden sind schon in der An ike zu identifizierenltgt

Wie kann demnach solch ein Begriff religionsgeschichtlich fruchtshybar gemacht werden Zwei Maszlignahmen muumlssen werden Die erste heiszligt die Begrifflichkeit zu klaumlren Entsprechend neuen Diskussishyonen schlage ich vor Individualisierung zu beschraumlnken auf umfangshyreiche strukturelle oder diskursive Veraumlnderungen also langlaufende historische Prozesse die nur aus einer Vielzahl von Einzelbefunden ershyschlossen werden koumlnnen 17 Naruumlrlich bezieht sich Individualisierung auf wachsende Grade VOll Individtlaliraumlr Zu deren Definition wuumlrde ich vor allem auf de-traditionalisiertes Handeln als Merkmal verweishysen Damit entstehen faktische Unterschiede und explizite Distinktioshynen im Vergleich zu anderen und derem Handeln das kann zwischen Perfektion und Devianz nicht mehr nOfmgerechtem Verhalten lieshygen Solche Begriffe implizieren dass Individualitaumlt selbst kein rein beschreibender Begriff ist sondern auf zeitgenoumlssische Diskurse und Sachzwaumlnge verweist Um solche Dillerenzen fuumlr antike Gesellschaften abzubilden schlage ich vor fuumlnf verschiedene Arten der Individualitaumlt zu unterscheiden

- praktisclle Individualitaumlt moralische Individualitaumlt kompetitive Individualitaumlt

- repraumlsentative Individualitaumlt - reflexive Individualitaumlt Diese Typen sind nicht unbedingt korreliert Praktische Individushy

alitaumlt - die Tatsache dass die Leute selbstbesrimmt handeln statt einshyfach Traditionen folgen zu muumlssen oder koumlnnen weist auf Situationen in denen Einbettungen verloren gehen etwa als Folge von zeitweiligem

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aumlrg RUumllke

oder dauerhaftem Abbruch sozialer Bindung (wie im Falle von Migshyranten Reisenden oder Uumlberlebenden von Katastrophen) oder weist auf die Folgen scharfer Arbeitsteilung Diese Bedingungen werden von dell Betroffenen wie Zeitgenossen haumlufig nicht reflektiert im Einzelfall wurden aber Vorbereitullgen getroffen durch geschriebene oder erlernshyte Anweisungen zum Beispiel fuumlr Jenseitsreisen

Moralische Individualitaumlt schlieszligt ein die Zuschreibung von Vershyantwortung an Personen fuumlr ihr eigenes Verhalten konkretisiert sich

ich bleibe im Bereich des Religioumlsen - in Konzepten von Suumlnde in gesetzlichen Normen wie Strafen In der Amike sind solche Standards typischerweise diejenigen von anderen und wuumlrden Urteile uumlber sozishyale Verpflichtungen einschlieszligen bis hin zur Negation von Individushyalituuml Spezifische Pflichten stehen eher im Vordergrund als universale Rechte an eine juristische Individualitaumlt im Sinn einer Erklaumlrung von Menschenrechten ist nicht zu denken Der Blick kann sich nur auf Details richten Schon eille Verpflichtung zur Beteiligung an Ritualen weist auf eine moralische Individualitaumlt die bloszlige Verbote uumlbersteigt

Kompetitive Individualitaumlt bezieht sich auf den verbreiteten arisshytokratischen Wettbewerb um Auszeichnung Distinktion Hier geht es normalerweise um Normen an denen sich andere soziale Grupshypen orientieren Individuelle Unterschiede werden von zeitgenoumlssishyschen Beobachtern prauml7jse beobachtet aber an einem gemeinsamen diskursiv erzeugten Ethos gemessen das das Gemeinwohl oder den Familienstatus betonen wuumlrde Froumlmmigkeit (pietas) die auch das Verhalten gegenuumlber dcn Eltern einschlieszligt waumlre ein solcher Begriff Groszligzuumlgigkeit und Kunstgeschmack bei der Stiftung eines Tempels ein Beispiel Die konkreten Normen waumlren freilich durch tatsaumlchliches Konkurrenzverhaltcn gclorlllt und modifiziert Konflikte sind hier selbstverstaumlndlicher Bestandteil

Repraumlsentative Individualitaumlt bezieht sich auf die zwei vorangeshygangenen Personen sollen bestrebt sein vorbildlicll zu werden und werden als Beispiele exempla erzaumlhlt Nicht individudlc Differenz sondern Perfektion beim Erfuumlllen einer sozialen oder religioumlsen Rolle ob als roumlmischer pllter familias christlicher Maumlrtyrer odcr maumlnnlicher Jude ist VOll allen angestrebt Gleichwohl bleibt die Erfuumlllung dieser Norm eine persoumlnliche Errungenschaft

Schlieszliglich setzt die reflexive Individualitaumlt die Ausbildung eines individualistischen Diskurses voraus eine individualistische Ideologie Entsprechende Uumlberlegungen uumlber das Selbst oder die menschliche

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57Wimn bega1I1 die Europaumlische Religionsgeschichte

Natur des Einzelnen zum Beispiel in der stoischen Lehre der oikeioshysis werden haumlufig gepraumlgt von normativen Vorsrellungen von sozialen Rollen verweisen so also auch auf die repraumlsentative Individualitaumlt zushyruumlck erst der Neuplatonismus bringt bier einen Quantensprung

Alle diese Typen von Individualitaumlt weisen eine gender- eine Geshyschlechts-Dimension auf sie gelten fuumlr einzelne Bereiche der Gesellshyschaft koumlnnen in der Elite oder an den Raumlndern in verschiedenen Formen und Graden gefunden werden sind voruumlbergehende Phaumlnoshymene oder geben Anlass zu Prozessen der Institutionalisierung Solche Prozesse koumlnnen Wertungen uumlber DeviallZ leicht veraumlndern Institushytionalisierte Individualitaumlt zum Beispiel Regeln repraumlsentativer Indishyvidualitaumlt koumlnnen leicht fruumlhere Normen kompetitiver Individualitaumlt ersetzen Jeder Jude muss nun die Torah studieren Selbstbeherrschung kann die wirksamste Form oumlffentlicher Disziplinierung sein in moshydernen Beichrpraktiken wenn bekannt wird was nur Gott gesehen hat 18 wie in antiken Moumlnchsgemeinschaften Oumlkonomische Sicherheit ist eine Vorbedingung fuumlr verbreitete Individualitaumlt und muss fuumlr jede Analyse des mediterranen Altertums in Anschlag gebracht werdengt

Individualitaumlt kann nur unter Beruumlcksichtigung von Sachzwaumlngen und gleichzeitigen Diskursen gemessen werden Zugleich ist sie das Ergebnis der vorlaufenden Individuierung der jeweiligen Person sishytuative Individuali tiir ist Teil einer solchen lndividuierung als eines andauernden Prozesses Natuumlrlich ist Individuierung untrennbar mit Sozialisation der Entwicklung einer sozialen Persona mit eigener Inshydividualitaumlt verbunden Das Konzept von Individuierung die Entshywicklung persoumlnlicher Selbstidentitaumlr ist in antiken Texten kaum von sozialer Interaktion und Funktionalitaumlt zu unterscheiden Gleichwohl kann das Konzept fuumlr die historische Analyse verwendet werden um moumlgliche Felder zu erfassen auf denen Religion die Entwicklungen von verschiedenen Arten und Graden der Individualitaumlt erlaubt Es kann helfen zu sehen wo Religionen Raumlume und Gelegenheiten rur wachsende Differenzen fuumlr nicht mehr traditionsbestimmtes Handeln bieten kann helfen zu sehen welche Folgen solche religioumlsen Institutishyonell und Praktiken fuumlr die betroffenen Personen besitzen

Nur kurz sei auf relevante Felder hingewiesen Die Zunahme relishygioumlser Optionen ist als eines der wichtigsten Merkmale der hellenisshytischen und roumlmischen Epoche bis hin zum Vergleich mit modershynem religioumlsen Pluralismus beschrieben worden Verursacht war dies in erster Linie durch die Beweglichkeit von Kaufleuten Verwaltern

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Soldaten und Sklaven Eine Kompetenz Gottheiten entsprechend situationsspezifisch zu waumlhlen ist fuumlr die mediterranen Formen des Polytheismus charakteristisch Erst die Ausbreitung von Kulten die eigene Religionsgemeinschaften erzeugten popularisieree Ideen von Exklusivitaumlt und fuumlhrte zum Problem massenhafter religioumlser Devianz In einem additiven polytheistischen System das offen fuumlr Erweiteshyrungen warCl war die Einfiihrung von neuen Goumlttern und Optionen von Verehrung in lokale Tempel (durch Aufstellen von Bildern zuvor nicht verehrter Goumltter) oder in das was man besser nicht panthea nennen sollte (also das Einfuumlhren neuer Kulte il1 eillen On) haumlufig Solcl1es Verhalten war vielfach die Entscheidung einzelner und bedarf fuumlr griechische Heiligtuumlmer wie republikanische roumlmische Tempel weishyterer Untersuchung 21 Es koumlnnte sich zeigen dass der wichtigste Kreis religioumlser Symbole (lugo Pantheon) ein zufilliges Ergebnis von Einshyzelentscheidungen verschiedener Personen war

Ein neues Heiligtum zu stiften war eine nicht auf die Aufstellung eines neuen Kultbildes beschraumlnkte komplexe Angelegenheit Auswahl des Ortes Auswahl architektonischer Details Regelung von Ritualen (die fuumlr uns oft kaum sichtbar werden) die vielen Entscheidungen die sich auf vorhandene Traditionen beziehen wuumlrden interpretieren die in der Wettbewerbsgesellschafi vorhandenen Normen und schafshyfen lleue Normen Normierungen in diesem Sinn konnten auch in der Form von Grabmaumllern gemacht werden Ich denke an das Grab von Eurysaces einen roumlmischen Baumlcker und Groszlighaumlndler mit seinen Bildern von Teigmixern und Backvorgaumlngen In seinem Streben nach Originalitaumlt ist das Grab eher typisch denn auszligergewoumlhnlich das gilt auch wo es einem Weltbild Ausdruck verleiht das von Eurysaces eigenen Berufserfahrungen und Horizont dominiert wird In einer Anzahl solcher Denkmaumller und sogar in einem religioumlsen Text wie dem fruumlhchristlichen Hirten des Hermas23 ist es das Alltagsleben dem beinalle ein Letzewert gegeben wird Auf der gesellschaftlidlen Ebene stellt das die Dominanz des aristokratischen Wertsystems zwar nicht erfolgreich in Frage es es zeige aber eine Neubewercung von Alltagsleshyben an das uns erinnert an die von CharIes Taylor der Hochschaumltzung des Alltagslebens in moderner Zivilisation beigemessene Bedeutungli

Fuumlr das hellenistisch-roumlmische Altertum mit seinen Traditionen haumluslichen Kultes koumlnnte eine Kollision mit oumlfFentlichen Autoritaumlten dort produziert werden wo haumlusliche Rituale Nachahmungen des oumlfshyfentlichen Kults zu sein schienen Kim Bowes hat das Ausmaszlig solcher

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tnn begann die Europaumlische Religionsgeschichte 59

rituellen Praktiken in der Spaumltantike und die dadurch verursachten Konflikte mit kirchlichen Institutionen herausgearbeitetY Hier ist wachsende Individualitaumlt zeitgleich mit wachsender Zentralisierung und Normierung

Persoumlnliche Kommunikation mit Goumlttern wurde nie auf oumlffentliche Rituale oder Tempel beschraumlnkt Weihgeschenke die aus Gebeten in individuellen Krisensituationen resultieren sind seit der archaischen Periode verbreitet Formen und Intensitaumlt aumlndern sich jedoch und koumlnnten mit einer wachsenden Sorge fuumlr die eigene Familie wie sich selbst zusammenhaumlngen Die Zunahme des Asklepios- Kultes koumlnnte solch ein Indikator sein da gerade Heilungsprozeduren und ihre sozishyale Topographie Aussagen uumlber die Beziehung zwischen einer Person lind der Gesellschaft machen Aelills Aristides Hieroi Logoi ein mehshyrere Buumlcher umfassender Bericht eines Kranken uumlber seine 1raumlume Pilgerreisen und Begegnungen mit Asklepius sind eine der wichtigsten Quellen religioumlser Individualitaumlt aus der Antike 27 Die kaiserzeidiche Neubelebung und Ausbreitung von gerade auch lokalen kleinen Orashykeln zH ist ein interessantes Forschungsgebiet fuumlr die Individualisierung von Institutionen Astrologie als Massenphaumlnomen der Personalisieshyrung von Zeitordnungen waumlre ein weiteres 2

middot) Sie verorrer nach einer Formulierung Kocktt von Stuckrads eine Person in einer natuumlrlichen universalen Ordnung die zur gleichen Zeit mit bestimmten zum Beishyspiel juumldischen oder christlichen Kosmologien kompatibel gemacht wird elo In der Spaumltantike bot 111eurgie Rituale zur Manipulation des Goumlttlichen einen anderen Weg des wirksamen persoumlnlichen Kontakts an 1 Das gewaltige Aufgebot an magisch genannten Praktiken soll meine Liste beenden Auger individuellen Sorgen um Gesundheit ist hier der Versuch offensichtlich Eint1uss zu nehmen auf Ereignisse die aufgrund des Status der Beteiligten in sozialen Beziehungen oder RechtskonRikten zu erwarten waren Im hoch riskanten Bereich von Beziehungen von und mit Prostituierten wird der Mangel an traditioshynellen Regelungen durch Magie ersetztY

4 SchluJJ

Wenn das spaumltere Roumlmische Reich eine von Religionisierung chashyrakterisierte Epoche ist so laumlsst sich die hellenistisch-roumlmische Epoche nicht in gleicher Weise als Zeitraum von Individualisierung charakshy

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60 JaumlrgRuumlpke

terisieren Ich habe mich fuumlr die Nuumltzlichkeit eines analytischen Werkshyzeuges verschiedener Arten von Individualitaumlt und der Suche nach dem Individuum in unseren religionsgeschichtlichen Daten ausgesprochen Jedes Urteil uumlber die Periode insgesamt waumlre vorzeitig Gleichwohl ist es offensichtlich dass einige der Typen und Grade der fuumlr die Eposhyche als charakteristisch behaupteten Individualitaumltstypen positiv oder negativ mit der Formiefllng von Religionen korrelieren Mit einem solchen Zugriff koumlnnte eine fruchtbare Untersuchung des Uumlberganshyges von der Antike ins Mittelalter und in die Renaissance betrieben werden die einige FaUen der Interpretation der Spaumltantike vermeiden koumlnnte Eine testbare Hypothese ist das noch nicht

Und damit bin ich bei meiner Ausgangsfrage nach dem Beginn Eushyropaumlischer Religionsgeschichte wieder angekommen Die Diskussion der Achsenzeit hat impliziert dass es nicht reicht nach europaumlischen Ursachen von Phaumlnomenen zu suchen die sich selbst nicht auf Euroshypa beschraumlnken DifFusion etwa im Zeitalter des Imperialismus und Kolonialismus ist wichtig aber erklaumlrt nicht alles Explizit ist in dieshyser Diskussion deutlich geworden dass es nicht mehr reicht sich auf Gruumlndcdiguren auf Religionsstifter ZlI beschraumlnken

Ich hoffe aber dass meine vorsichtigen Formulierungen deurlich gemacht haben dass es mir gar nicht um die Frage absoluter datierbashyrer Anginge geht Es sind bestimmte Aspekte gegenwaumlrtiger Religion so meine Ausgangsthese die es lohneswert erscheinen lassen weit zushyruumlckzublicken und sich nicht auf die uumlbliche Unterstellung mit der Moderne werde alles anders einzulassen Wenn man Religion unrer dem Aspekt VOll Gruppenbildullg von Sozialproduktivitaumlt wie Hans Kippenberg es formuliert hat sieht mit all den Konsequenzen fuumlr einen Seaat und ein Rechtssystem wenn man Religion mit individushyeller religioumlser Erfahrung zusammenbringe dann lohnt es sich ja ist es fuumlr die Disziplin Religionswissenschaft unabdingbar bis in die helshylenistisch-roumlmische Epoche zuruumlckzublicken Mehr nicht Dass Euroshypaumlische Religionsgeschichte hier ihren Anfang genommen huumlte mag man sagen aber eine wissenschaftliche Aussage ist das nicht mehr Das ist der Beginn einer Erzaumlhlung die Sinn stiften kann oder Verwirrung die in diesem Sinne hilfreich oder unsinnig ist Aber das ist ein anderes Gmos das Politiker oder kulturelle Sinnstifter bedienen sollen nicht Religionshisroriker

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Anmerkungen 227

14 C Richmond Tsang W0r and Faith Ikko ikki in Ltlte lvfurofllchi Japan Cambridge MA Harvard Universiry Asia Cemer 2007

1 S Der Begriff stammt von R Eskildsen Of Civiization and Savages 1he Mimcdc Impcrialism ofJapans 1874 Expedition to Taiwan in Amerishycml Historiml Review 107 2002 388-418

16 YuS Japanese Religions 107 17 Yang Fenggang Thc Red Black and Gray Markers of Religion in Chishy

na in Sodgiml Quarterly 47200693-122 18 Hee-Seok Park Schamflllismw ohne Magie Seine idulfe Rolle und prakshy

tiltehe Funktion in der suumldkoreanischm Prowtbewegung Muumlnchen 2009

Anmerkungm zu dm Seiten 29-45 OlristofMandry Plumlimus als Problem und Pltmzlismus Ills Wert theologisch-ethische Uumlberlegungen

Das hebt etwa Ruumlpkc programmatisch hervor vgl J Ruumlpke Europa und die europaumlische Religionsgeschichte in H G Kippenberg 1 Ruumlpke K von Stuckrad (Hg) Europaumlische Religionsgeschichte Ein mch~focher Plushyralismus Bd I Goumltringen 2009 3-14 hier 9[

2 Vgl die differenzierten Uumlberlegungen von Ruumlpke ebd 4-9 und seine Warnungen vor dem Kreieren neuer Essentialismcn durch die normativ grundierte Option rur Pluralismus (vgl ebd 10)

3 Fuumlr eine eingehende Analyse und Bewertung des politischen Selbstvershystaumlndnisses der Europaumlischen Union als Wertegemeinschaft verweise ich auf mein Buch C Mandry Europa als Werregemeiwchflft Eine theshyologisch-ethische Studie zum politischen SelbsfIerstaumlndnis dcr Europaumlischen Unioll Baden-Baden 2009

4 Vgl dazu und zur religioumlsen Dimension des Konflikts D Zifonun und M 1akiSa Religioumlse Vielfalt und religioumlser Konflikt Der Fall Bosnien und Herzegowina in KippenberglRuumlpkevon Stuckrad (5 Anm 1) 411-438

Anmerkungen zu den Seiten 47-60 Joumlrg Ruumlpke Wt1JIn begann die Europdische Religionsgm-hichte Der hellenistischshyroumlmische Mittelmcermum und die europaumlische GegenuNtrt

Diese Arbeir entstand im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgeshymeimchaft finanzierten Kollegforschergruppe Religioumlse Individualisiershyung in Historischer Perspektive am Max-Weber-Kolleg der Universitaumlr Erfurr Ich danke insbesondere Hans oas Richard Gordon und Wolfshygang Spickermann flir die intensive Diskussion in diesem Rahmen Frau

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228 Anmerkungen

Julia Carls Erfurr bin ich fuumlr die Schlussbearbeirung dankbar - Die Utshyerarurangaben beziehen sich auf das nachfolgende Literaturverzeichnis

2 K Jaspers Vom Ursprung und Ziel der Geschichte vIuumlnchen 1988 3 S N Eisensradt (Hg) Kulturen da Achsenzeit Ihre Urspruumlnge und ihre

Vielfolt 2 Rdebull Frankfurt a M 1987 JP Arnason SN Eisenstltldt R Wittrock (eds) Axial civiLiwtions and world history Leiden 2005

4 S N Eisenstadt Die Achsenzeit in der Weltgeschichte in H Joa5 K Wiegandt (Hg) Die kulturellen WTrtl Europas Frankfurt a M 2005 40-68 hier 43

5 S N Eisenstadt Allgemeine Einleitung Die Redingutlgel1 fuumlr die Entstehung lind InstitutionaHsierung der Kulturen der Achsenzeit in Eisenstadt Kulturen (s Anm 3) 10-40

6 Arnason Eisenstadt Wimock Civilizations (s Anm 3) 7 B Wittrock Culmral Crysrallizatiotls and World llistory -rhe Age of

Ecumenical Renaissances in JP Arnason R Winrock (eds) Eurasian 7inllJjoumlrlllatiom 7enth to Thirteenth Cemuries Crystallizations Divergencshyes Renaissances Leiden 2004 41-73 hier 47f

8 Ebd 46 9 In einer Tagung zur Individualisierung in Erfurt im September 2009 (hg

von J Ruumlpke im Erscheinen) 10 Zum folgenden ausfuumlhrlich J Ruumlpke Religioumlser Pluralismus und das roumlshy

mische Reich in H Cancik J Ruumlpke (Hg) Die Religion des Imperium Romanum Tuumlbillgen 2009 )3 1-354

11 J North The Developmcnt ofReligious Pluralism in J Ueu J North [ Rajak (ed) The Jews Among Paglns aId ChristitlrJS In he Roman Emshypire London 1994 174~193 J Rlipke Die Religion der Roumlmer Eine Einshyfiihrung 2 Aufl Muumlnchen 2006 J Ruumlpke red) lhc Blackwell CompanshyiOIl to Roman Religion Oxford 2007

12 Zur Terminologie religioumlser Gruppen im Codex siehe H Zinser ReshyIigio Secta Haeresis in den Haumlrcsiegesetzen des Codex Theodosianus (165166) von 438 in M Hurter (Hg) Hairesis FemchriJi for Karl Hoheisel zum 65 Geburtstag Jahrbuch fuumlr Antike und Christentum SupshypI 34 Muumlnster 2002215-219

13 Siehe C Ando imperial ldeology ald Prouincial Loyalty in the Roman Emshypire Berkdey 2000 lind C Ando 7he A1auer ofthe Gods Religion lind the ROffan Empire Berkeley 2008

14 Siehe r Veync LEmpire Greco-Romain Paris 2005 454f 15 JZ Smith Religion Religions ReligiolLs in vIClaylor (ed) Critishy

cal7erms for Religious Swdies Chicago 1998 269-284 16 A van Harskamp 7heologie 7ext im Kontext aufder Suche nach der A1ethshy

ode ideologiekritischer AlIalYJc der 7heologie illustriert an Wtgtrken von Drt) Moumlhfer und Staudenmaier Tuumlbingen 2000 (Mein Dank gilt Dietmar Mishy

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Anmerkungen 229

eth Fellow der Kollegforschergruppe am Max-Weber-Kolleg der Univcrshysidir Erfurt fuumlr diesen Hinweis und die andauernde Diskussion)

17 A Musschengl lhe many faces ofindividualism in A van Harskamp A Musschenga (eds) ihe many jilas 0 indirJidualism Lcuven 2001 3-24 hier 5 Fuumlr eine Uumlbersicht klassischer Individualisierungstheorien s E Kippele was heiszligt Inditidualisietullg Die AntwOlmiddotten der soziologischshy1II Klassiker Opladen 1997

18 A Hahn Zur Soziologie der Beichte und anderer Formen institutionalshyisierter Bekenntnisse SdbstthclI1ltltisierung und Zivilisatiol1Sprozeszlig in Kiitner Zeitschlifiuumlr Soziologie und Sozialpsychologie 34 1982407-434

19 Siehe 1 Halman Individualism in Contemporary Europe in van HarshyskampMusschenga (wie Anll1 17) 25-46 hier 29 uumlber die Rolle des modernen Wohlfahrrsstaats

20 Siehe A Bendlin Peripheral Cenrres Cenrral Peripheries Rdigious Communication in the Roman Empire in H Cancik (Hg) Riimische Reichsreligion und ProJinziaLreligion Tuumlbingen 1997 35~68

21 Fuumlr Rom J Ruumlpke Dorn miitiae Die religioumlse Koustruktion des Krieges in Rom Stuttgarr 1990260-262 EM Orlin Temples Religion and Polititgt il1 the Romall Republic Leiden 1997

22 L H letersen The Baker His Tomb His Wifc and Her Breadbasket The Monument of Eurysaces in Rome in 7he Art Bulletin 85 2003 23()~257

23 So J Ruumlpke Apokalyprische Salzberge Zum sozialen Ort und zur litshyerarischen Strategie des Hirten des Hermas in Archiv szligir Religionsgeshyschichtel 1999 148~160

24 C Taylor Quellen des Selbst Die Entstehung der neuzeitlichen Identitaumlt Frankfurt Olm Main 1994 hier 14

25 K Bowes Prillftte lJorship publicJiduCJ and reigious cbange in late antiqshyuity Camhridge 2008

26 Siehe M B McGuire Ritluz Healing ill Suburban America With [he assistance of D Kantor New szligrunswick 1988240-257 J Ruumlpke HeishylungHeilungen I Religionsgeschichtlich in Lexikoll fiir 1heoLogie und Kirche Bd 41995 1357f

27 W V Harris B Hohnes (eck) Aeliw Aristides between Gleece Rome and the godJ Leiden 2008 A Petsalis-Diomidis TruLy Beyond 1vonders Aelius Aristides ami the CuLt 0Asklepios Oxford 2009

28 A Bendlin Vom Nutzen und Nachteil der Mantik Orakel im Medium von Handlung und Literatur in der Zeit der Zweiten Sophistik in D Elm von der Osten J Ruumlpke K Waldner (Hg) Texte als Medium und Reflexion Jon Religion im riimischm ampich Stuttgarr 2006 159~207 N szligelayche J Ruumlpke Divination er revelation dans les mondes grec ct romain prcsenmtion in RHR 2242 2007 139-147

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230 Anmerkungen

29 ] Ruumlpke Kalender lind Offmtlichkeit Die Geschichte der Repraumlsentation und religiaumlsen Qualifikation von Zeit in Rom Berlin 1995587-592] Ruumlpke Zeit und Fest Eine Kulturgeschichte des Kalenders Muumlnchen 2006 182-187

30 K von Stuckrad Das Rillgen 14m die Astrologie Juumldische und christliche Beitraumlge zum antiken ZeitverstaumlndJis Berlin 2000

31 C van Liefferinge La 7heurgie Des Omcles Chaldaiques aProclus Lieges 1999 N Janowitz conJ 0Power Ritual Practices in Late Antiquiry Unishyversity Park PA 2002 E Athanassiadi Dreuns 1heurgy and Freelance Divination The Testimony ofIamblichus in JRS 83 1993 115-130

32 R Gordon Imagining Creek and Roman Magie in V Flint (ed) Witchcraft md Alagic in Europe 2 Ancient Gruce and Rome London 1999 159-275 R Gordon Mlgic as a topOS in Augustan Poetry Disshycourse Realityand Distance in Archiv flr Religiomgeschichte 112009 209-228

Anmerkungen zu den Seiten 61-74 Sabine Schmolinsky Die Zeit der Anderen Juden Heiden Ketzer im christshylichen GescJiclmdllken

M Srausberg Renaissancen Vermitdungsformen des Paganen in H G Kippenberg J Ruumlpke K von Stuckrnd (Hg) Europaumlische Religionshysgeschichte Ein menjacher Plumlisrnus Bd 2 Goumlttingen 2009 695-721 hier 709

2 C Auffarrh Mittelalterliche Modelle der Eingrenzung und Ausgrenzung religioumlser Verschiedenheit in KippenbergRuumlpkevon Stuckrad Bei 1 193-218 hier 193

3 C Auffanh Pluralismus Religion und Mittelalter Das Mittelalter als Teil der Europaumlischen Religionsgeschichte in ders (Hg) Religioumlser Plumlismus illl Mittelalter Besichtigung einer ~Epocbe der Europaumlischen ReshyligionsgeJchichte Berlin 2007 11-23 hier 17f

4 VgL Auffimn (wie Anm 2) 211 f 5 Vgl W Stuumlrner Friedrich ll Teil 1 244f 251 Teil 2 Der Kaiser 1220shy

1250 Darmstadt 2000 266 271f 287-289 297-299 6 Bibelzitare nach Die Bibel A1res und Neues Testament Einheitsuumlbersetshy

wng PrciburglBasellWien 1980 7 In der Apostelgeschichre (1344middot-48) wird diese Abfolge mir deutlich allshy

tijuumldischer Akzentuierung als eine Mi$$ionierungsgeschichte e17iihlt Am folgenden Sabbat versammelte sich aumlst die ganze Sradr um das Wort des Herrn 7U houmlren Als die Juden die Scharen sahen wurden sie eifersuumlchtig widersprachen den Worten des Paulus und stieHen Iiisterungen aus Paulus und Barnabas aber erklaumlrten freimuumltig Euch [= den Juden Jmuszligte das Wort

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55f0rm begann die Europaumlische Religiongeschidlte

Interesse ist aumlhnlich gelagert Wenn Religionisierung den prekaumlren und kontingenten Charakter der system ischen und institutionellen Dimension von Religion und ihre Stelle in und ihr Verhaumlltnis zur Geshysellschaft thematisiert zielt Individualisierung direkt auf die einzelne Person als Ort von Erf1hrung und ageney Handlungskompetenz und ihrer welchselseitigen Abhaumlngigkeit von und mit der Gesellschaft wie Religion Vieder muumlssen Vorstellungen von Fortschrirt und anachroshynistischer Aktualisierung vermieden werden Es waumlre schwierig das komplexe Syndrom VOll De-Traditionalisierung biographischer Zushywendung zu sich selbst permanellter Rellexivitaumlt und narzistischem Trieb zu Authentiziaumlt wie sie als typisch fuumlr zeitgenoumlssische Individuashylisierung in einer juumlngeren Diagnose formuliert worden sind schon in der An ike zu identifizierenltgt

Wie kann demnach solch ein Begriff religionsgeschichtlich fruchtshybar gemacht werden Zwei Maszlignahmen muumlssen werden Die erste heiszligt die Begrifflichkeit zu klaumlren Entsprechend neuen Diskussishyonen schlage ich vor Individualisierung zu beschraumlnken auf umfangshyreiche strukturelle oder diskursive Veraumlnderungen also langlaufende historische Prozesse die nur aus einer Vielzahl von Einzelbefunden ershyschlossen werden koumlnnen 17 Naruumlrlich bezieht sich Individualisierung auf wachsende Grade VOll Individtlaliraumlr Zu deren Definition wuumlrde ich vor allem auf de-traditionalisiertes Handeln als Merkmal verweishysen Damit entstehen faktische Unterschiede und explizite Distinktioshynen im Vergleich zu anderen und derem Handeln das kann zwischen Perfektion und Devianz nicht mehr nOfmgerechtem Verhalten lieshygen Solche Begriffe implizieren dass Individualitaumlt selbst kein rein beschreibender Begriff ist sondern auf zeitgenoumlssische Diskurse und Sachzwaumlnge verweist Um solche Dillerenzen fuumlr antike Gesellschaften abzubilden schlage ich vor fuumlnf verschiedene Arten der Individualitaumlt zu unterscheiden

- praktisclle Individualitaumlt moralische Individualitaumlt kompetitive Individualitaumlt

- repraumlsentative Individualitaumlt - reflexive Individualitaumlt Diese Typen sind nicht unbedingt korreliert Praktische Individushy

alitaumlt - die Tatsache dass die Leute selbstbesrimmt handeln statt einshyfach Traditionen folgen zu muumlssen oder koumlnnen weist auf Situationen in denen Einbettungen verloren gehen etwa als Folge von zeitweiligem

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aumlrg RUumllke

oder dauerhaftem Abbruch sozialer Bindung (wie im Falle von Migshyranten Reisenden oder Uumlberlebenden von Katastrophen) oder weist auf die Folgen scharfer Arbeitsteilung Diese Bedingungen werden von dell Betroffenen wie Zeitgenossen haumlufig nicht reflektiert im Einzelfall wurden aber Vorbereitullgen getroffen durch geschriebene oder erlernshyte Anweisungen zum Beispiel fuumlr Jenseitsreisen

Moralische Individualitaumlt schlieszligt ein die Zuschreibung von Vershyantwortung an Personen fuumlr ihr eigenes Verhalten konkretisiert sich

ich bleibe im Bereich des Religioumlsen - in Konzepten von Suumlnde in gesetzlichen Normen wie Strafen In der Amike sind solche Standards typischerweise diejenigen von anderen und wuumlrden Urteile uumlber sozishyale Verpflichtungen einschlieszligen bis hin zur Negation von Individushyalituuml Spezifische Pflichten stehen eher im Vordergrund als universale Rechte an eine juristische Individualitaumlt im Sinn einer Erklaumlrung von Menschenrechten ist nicht zu denken Der Blick kann sich nur auf Details richten Schon eille Verpflichtung zur Beteiligung an Ritualen weist auf eine moralische Individualitaumlt die bloszlige Verbote uumlbersteigt

Kompetitive Individualitaumlt bezieht sich auf den verbreiteten arisshytokratischen Wettbewerb um Auszeichnung Distinktion Hier geht es normalerweise um Normen an denen sich andere soziale Grupshypen orientieren Individuelle Unterschiede werden von zeitgenoumlssishyschen Beobachtern prauml7jse beobachtet aber an einem gemeinsamen diskursiv erzeugten Ethos gemessen das das Gemeinwohl oder den Familienstatus betonen wuumlrde Froumlmmigkeit (pietas) die auch das Verhalten gegenuumlber dcn Eltern einschlieszligt waumlre ein solcher Begriff Groszligzuumlgigkeit und Kunstgeschmack bei der Stiftung eines Tempels ein Beispiel Die konkreten Normen waumlren freilich durch tatsaumlchliches Konkurrenzverhaltcn gclorlllt und modifiziert Konflikte sind hier selbstverstaumlndlicher Bestandteil

Repraumlsentative Individualitaumlt bezieht sich auf die zwei vorangeshygangenen Personen sollen bestrebt sein vorbildlicll zu werden und werden als Beispiele exempla erzaumlhlt Nicht individudlc Differenz sondern Perfektion beim Erfuumlllen einer sozialen oder religioumlsen Rolle ob als roumlmischer pllter familias christlicher Maumlrtyrer odcr maumlnnlicher Jude ist VOll allen angestrebt Gleichwohl bleibt die Erfuumlllung dieser Norm eine persoumlnliche Errungenschaft

Schlieszliglich setzt die reflexive Individualitaumlt die Ausbildung eines individualistischen Diskurses voraus eine individualistische Ideologie Entsprechende Uumlberlegungen uumlber das Selbst oder die menschliche

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57Wimn bega1I1 die Europaumlische Religionsgeschichte

Natur des Einzelnen zum Beispiel in der stoischen Lehre der oikeioshysis werden haumlufig gepraumlgt von normativen Vorsrellungen von sozialen Rollen verweisen so also auch auf die repraumlsentative Individualitaumlt zushyruumlck erst der Neuplatonismus bringt bier einen Quantensprung

Alle diese Typen von Individualitaumlt weisen eine gender- eine Geshyschlechts-Dimension auf sie gelten fuumlr einzelne Bereiche der Gesellshyschaft koumlnnen in der Elite oder an den Raumlndern in verschiedenen Formen und Graden gefunden werden sind voruumlbergehende Phaumlnoshymene oder geben Anlass zu Prozessen der Institutionalisierung Solche Prozesse koumlnnen Wertungen uumlber DeviallZ leicht veraumlndern Institushytionalisierte Individualitaumlt zum Beispiel Regeln repraumlsentativer Indishyvidualitaumlt koumlnnen leicht fruumlhere Normen kompetitiver Individualitaumlt ersetzen Jeder Jude muss nun die Torah studieren Selbstbeherrschung kann die wirksamste Form oumlffentlicher Disziplinierung sein in moshydernen Beichrpraktiken wenn bekannt wird was nur Gott gesehen hat 18 wie in antiken Moumlnchsgemeinschaften Oumlkonomische Sicherheit ist eine Vorbedingung fuumlr verbreitete Individualitaumlt und muss fuumlr jede Analyse des mediterranen Altertums in Anschlag gebracht werdengt

Individualitaumlt kann nur unter Beruumlcksichtigung von Sachzwaumlngen und gleichzeitigen Diskursen gemessen werden Zugleich ist sie das Ergebnis der vorlaufenden Individuierung der jeweiligen Person sishytuative Individuali tiir ist Teil einer solchen lndividuierung als eines andauernden Prozesses Natuumlrlich ist Individuierung untrennbar mit Sozialisation der Entwicklung einer sozialen Persona mit eigener Inshydividualitaumlt verbunden Das Konzept von Individuierung die Entshywicklung persoumlnlicher Selbstidentitaumlr ist in antiken Texten kaum von sozialer Interaktion und Funktionalitaumlt zu unterscheiden Gleichwohl kann das Konzept fuumlr die historische Analyse verwendet werden um moumlgliche Felder zu erfassen auf denen Religion die Entwicklungen von verschiedenen Arten und Graden der Individualitaumlt erlaubt Es kann helfen zu sehen wo Religionen Raumlume und Gelegenheiten rur wachsende Differenzen fuumlr nicht mehr traditionsbestimmtes Handeln bieten kann helfen zu sehen welche Folgen solche religioumlsen Institutishyonell und Praktiken fuumlr die betroffenen Personen besitzen

Nur kurz sei auf relevante Felder hingewiesen Die Zunahme relishygioumlser Optionen ist als eines der wichtigsten Merkmale der hellenisshytischen und roumlmischen Epoche bis hin zum Vergleich mit modershynem religioumlsen Pluralismus beschrieben worden Verursacht war dies in erster Linie durch die Beweglichkeit von Kaufleuten Verwaltern

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Soldaten und Sklaven Eine Kompetenz Gottheiten entsprechend situationsspezifisch zu waumlhlen ist fuumlr die mediterranen Formen des Polytheismus charakteristisch Erst die Ausbreitung von Kulten die eigene Religionsgemeinschaften erzeugten popularisieree Ideen von Exklusivitaumlt und fuumlhrte zum Problem massenhafter religioumlser Devianz In einem additiven polytheistischen System das offen fuumlr Erweiteshyrungen warCl war die Einfiihrung von neuen Goumlttern und Optionen von Verehrung in lokale Tempel (durch Aufstellen von Bildern zuvor nicht verehrter Goumltter) oder in das was man besser nicht panthea nennen sollte (also das Einfuumlhren neuer Kulte il1 eillen On) haumlufig Solcl1es Verhalten war vielfach die Entscheidung einzelner und bedarf fuumlr griechische Heiligtuumlmer wie republikanische roumlmische Tempel weishyterer Untersuchung 21 Es koumlnnte sich zeigen dass der wichtigste Kreis religioumlser Symbole (lugo Pantheon) ein zufilliges Ergebnis von Einshyzelentscheidungen verschiedener Personen war

Ein neues Heiligtum zu stiften war eine nicht auf die Aufstellung eines neuen Kultbildes beschraumlnkte komplexe Angelegenheit Auswahl des Ortes Auswahl architektonischer Details Regelung von Ritualen (die fuumlr uns oft kaum sichtbar werden) die vielen Entscheidungen die sich auf vorhandene Traditionen beziehen wuumlrden interpretieren die in der Wettbewerbsgesellschafi vorhandenen Normen und schafshyfen lleue Normen Normierungen in diesem Sinn konnten auch in der Form von Grabmaumllern gemacht werden Ich denke an das Grab von Eurysaces einen roumlmischen Baumlcker und Groszlighaumlndler mit seinen Bildern von Teigmixern und Backvorgaumlngen In seinem Streben nach Originalitaumlt ist das Grab eher typisch denn auszligergewoumlhnlich das gilt auch wo es einem Weltbild Ausdruck verleiht das von Eurysaces eigenen Berufserfahrungen und Horizont dominiert wird In einer Anzahl solcher Denkmaumller und sogar in einem religioumlsen Text wie dem fruumlhchristlichen Hirten des Hermas23 ist es das Alltagsleben dem beinalle ein Letzewert gegeben wird Auf der gesellschaftlidlen Ebene stellt das die Dominanz des aristokratischen Wertsystems zwar nicht erfolgreich in Frage es es zeige aber eine Neubewercung von Alltagsleshyben an das uns erinnert an die von CharIes Taylor der Hochschaumltzung des Alltagslebens in moderner Zivilisation beigemessene Bedeutungli

Fuumlr das hellenistisch-roumlmische Altertum mit seinen Traditionen haumluslichen Kultes koumlnnte eine Kollision mit oumlfFentlichen Autoritaumlten dort produziert werden wo haumlusliche Rituale Nachahmungen des oumlfshyfentlichen Kults zu sein schienen Kim Bowes hat das Ausmaszlig solcher

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tnn begann die Europaumlische Religionsgeschichte 59

rituellen Praktiken in der Spaumltantike und die dadurch verursachten Konflikte mit kirchlichen Institutionen herausgearbeitetY Hier ist wachsende Individualitaumlt zeitgleich mit wachsender Zentralisierung und Normierung

Persoumlnliche Kommunikation mit Goumlttern wurde nie auf oumlffentliche Rituale oder Tempel beschraumlnkt Weihgeschenke die aus Gebeten in individuellen Krisensituationen resultieren sind seit der archaischen Periode verbreitet Formen und Intensitaumlt aumlndern sich jedoch und koumlnnten mit einer wachsenden Sorge fuumlr die eigene Familie wie sich selbst zusammenhaumlngen Die Zunahme des Asklepios- Kultes koumlnnte solch ein Indikator sein da gerade Heilungsprozeduren und ihre sozishyale Topographie Aussagen uumlber die Beziehung zwischen einer Person lind der Gesellschaft machen Aelills Aristides Hieroi Logoi ein mehshyrere Buumlcher umfassender Bericht eines Kranken uumlber seine 1raumlume Pilgerreisen und Begegnungen mit Asklepius sind eine der wichtigsten Quellen religioumlser Individualitaumlt aus der Antike 27 Die kaiserzeidiche Neubelebung und Ausbreitung von gerade auch lokalen kleinen Orashykeln zH ist ein interessantes Forschungsgebiet fuumlr die Individualisierung von Institutionen Astrologie als Massenphaumlnomen der Personalisieshyrung von Zeitordnungen waumlre ein weiteres 2

middot) Sie verorrer nach einer Formulierung Kocktt von Stuckrads eine Person in einer natuumlrlichen universalen Ordnung die zur gleichen Zeit mit bestimmten zum Beishyspiel juumldischen oder christlichen Kosmologien kompatibel gemacht wird elo In der Spaumltantike bot 111eurgie Rituale zur Manipulation des Goumlttlichen einen anderen Weg des wirksamen persoumlnlichen Kontakts an 1 Das gewaltige Aufgebot an magisch genannten Praktiken soll meine Liste beenden Auger individuellen Sorgen um Gesundheit ist hier der Versuch offensichtlich Eint1uss zu nehmen auf Ereignisse die aufgrund des Status der Beteiligten in sozialen Beziehungen oder RechtskonRikten zu erwarten waren Im hoch riskanten Bereich von Beziehungen von und mit Prostituierten wird der Mangel an traditioshynellen Regelungen durch Magie ersetztY

4 SchluJJ

Wenn das spaumltere Roumlmische Reich eine von Religionisierung chashyrakterisierte Epoche ist so laumlsst sich die hellenistisch-roumlmische Epoche nicht in gleicher Weise als Zeitraum von Individualisierung charakshy

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60 JaumlrgRuumlpke

terisieren Ich habe mich fuumlr die Nuumltzlichkeit eines analytischen Werkshyzeuges verschiedener Arten von Individualitaumlt und der Suche nach dem Individuum in unseren religionsgeschichtlichen Daten ausgesprochen Jedes Urteil uumlber die Periode insgesamt waumlre vorzeitig Gleichwohl ist es offensichtlich dass einige der Typen und Grade der fuumlr die Eposhyche als charakteristisch behaupteten Individualitaumltstypen positiv oder negativ mit der Formiefllng von Religionen korrelieren Mit einem solchen Zugriff koumlnnte eine fruchtbare Untersuchung des Uumlberganshyges von der Antike ins Mittelalter und in die Renaissance betrieben werden die einige FaUen der Interpretation der Spaumltantike vermeiden koumlnnte Eine testbare Hypothese ist das noch nicht

Und damit bin ich bei meiner Ausgangsfrage nach dem Beginn Eushyropaumlischer Religionsgeschichte wieder angekommen Die Diskussion der Achsenzeit hat impliziert dass es nicht reicht nach europaumlischen Ursachen von Phaumlnomenen zu suchen die sich selbst nicht auf Euroshypa beschraumlnken DifFusion etwa im Zeitalter des Imperialismus und Kolonialismus ist wichtig aber erklaumlrt nicht alles Explizit ist in dieshyser Diskussion deutlich geworden dass es nicht mehr reicht sich auf Gruumlndcdiguren auf Religionsstifter ZlI beschraumlnken

Ich hoffe aber dass meine vorsichtigen Formulierungen deurlich gemacht haben dass es mir gar nicht um die Frage absoluter datierbashyrer Anginge geht Es sind bestimmte Aspekte gegenwaumlrtiger Religion so meine Ausgangsthese die es lohneswert erscheinen lassen weit zushyruumlckzublicken und sich nicht auf die uumlbliche Unterstellung mit der Moderne werde alles anders einzulassen Wenn man Religion unrer dem Aspekt VOll Gruppenbildullg von Sozialproduktivitaumlt wie Hans Kippenberg es formuliert hat sieht mit all den Konsequenzen fuumlr einen Seaat und ein Rechtssystem wenn man Religion mit individushyeller religioumlser Erfahrung zusammenbringe dann lohnt es sich ja ist es fuumlr die Disziplin Religionswissenschaft unabdingbar bis in die helshylenistisch-roumlmische Epoche zuruumlckzublicken Mehr nicht Dass Euroshypaumlische Religionsgeschichte hier ihren Anfang genommen huumlte mag man sagen aber eine wissenschaftliche Aussage ist das nicht mehr Das ist der Beginn einer Erzaumlhlung die Sinn stiften kann oder Verwirrung die in diesem Sinne hilfreich oder unsinnig ist Aber das ist ein anderes Gmos das Politiker oder kulturelle Sinnstifter bedienen sollen nicht Religionshisroriker

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Anmerkungen 227

14 C Richmond Tsang W0r and Faith Ikko ikki in Ltlte lvfurofllchi Japan Cambridge MA Harvard Universiry Asia Cemer 2007

1 S Der Begriff stammt von R Eskildsen Of Civiization and Savages 1he Mimcdc Impcrialism ofJapans 1874 Expedition to Taiwan in Amerishycml Historiml Review 107 2002 388-418

16 YuS Japanese Religions 107 17 Yang Fenggang Thc Red Black and Gray Markers of Religion in Chishy

na in Sodgiml Quarterly 47200693-122 18 Hee-Seok Park Schamflllismw ohne Magie Seine idulfe Rolle und prakshy

tiltehe Funktion in der suumldkoreanischm Prowtbewegung Muumlnchen 2009

Anmerkungm zu dm Seiten 29-45 OlristofMandry Plumlimus als Problem und Pltmzlismus Ills Wert theologisch-ethische Uumlberlegungen

Das hebt etwa Ruumlpkc programmatisch hervor vgl J Ruumlpke Europa und die europaumlische Religionsgeschichte in H G Kippenberg 1 Ruumlpke K von Stuckrad (Hg) Europaumlische Religionsgeschichte Ein mch~focher Plushyralismus Bd I Goumltringen 2009 3-14 hier 9[

2 Vgl die differenzierten Uumlberlegungen von Ruumlpke ebd 4-9 und seine Warnungen vor dem Kreieren neuer Essentialismcn durch die normativ grundierte Option rur Pluralismus (vgl ebd 10)

3 Fuumlr eine eingehende Analyse und Bewertung des politischen Selbstvershystaumlndnisses der Europaumlischen Union als Wertegemeinschaft verweise ich auf mein Buch C Mandry Europa als Werregemeiwchflft Eine theshyologisch-ethische Studie zum politischen SelbsfIerstaumlndnis dcr Europaumlischen Unioll Baden-Baden 2009

4 Vgl dazu und zur religioumlsen Dimension des Konflikts D Zifonun und M 1akiSa Religioumlse Vielfalt und religioumlser Konflikt Der Fall Bosnien und Herzegowina in KippenberglRuumlpkevon Stuckrad (5 Anm 1) 411-438

Anmerkungen zu den Seiten 47-60 Joumlrg Ruumlpke Wt1JIn begann die Europdische Religionsgm-hichte Der hellenistischshyroumlmische Mittelmcermum und die europaumlische GegenuNtrt

Diese Arbeir entstand im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgeshymeimchaft finanzierten Kollegforschergruppe Religioumlse Individualisiershyung in Historischer Perspektive am Max-Weber-Kolleg der Universitaumlr Erfurr Ich danke insbesondere Hans oas Richard Gordon und Wolfshygang Spickermann flir die intensive Diskussion in diesem Rahmen Frau

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228 Anmerkungen

Julia Carls Erfurr bin ich fuumlr die Schlussbearbeirung dankbar - Die Utshyerarurangaben beziehen sich auf das nachfolgende Literaturverzeichnis

2 K Jaspers Vom Ursprung und Ziel der Geschichte vIuumlnchen 1988 3 S N Eisensradt (Hg) Kulturen da Achsenzeit Ihre Urspruumlnge und ihre

Vielfolt 2 Rdebull Frankfurt a M 1987 JP Arnason SN Eisenstltldt R Wittrock (eds) Axial civiLiwtions and world history Leiden 2005

4 S N Eisenstadt Die Achsenzeit in der Weltgeschichte in H Joa5 K Wiegandt (Hg) Die kulturellen WTrtl Europas Frankfurt a M 2005 40-68 hier 43

5 S N Eisenstadt Allgemeine Einleitung Die Redingutlgel1 fuumlr die Entstehung lind InstitutionaHsierung der Kulturen der Achsenzeit in Eisenstadt Kulturen (s Anm 3) 10-40

6 Arnason Eisenstadt Wimock Civilizations (s Anm 3) 7 B Wittrock Culmral Crysrallizatiotls and World llistory -rhe Age of

Ecumenical Renaissances in JP Arnason R Winrock (eds) Eurasian 7inllJjoumlrlllatiom 7enth to Thirteenth Cemuries Crystallizations Divergencshyes Renaissances Leiden 2004 41-73 hier 47f

8 Ebd 46 9 In einer Tagung zur Individualisierung in Erfurt im September 2009 (hg

von J Ruumlpke im Erscheinen) 10 Zum folgenden ausfuumlhrlich J Ruumlpke Religioumlser Pluralismus und das roumlshy

mische Reich in H Cancik J Ruumlpke (Hg) Die Religion des Imperium Romanum Tuumlbillgen 2009 )3 1-354

11 J North The Developmcnt ofReligious Pluralism in J Ueu J North [ Rajak (ed) The Jews Among Paglns aId ChristitlrJS In he Roman Emshypire London 1994 174~193 J Rlipke Die Religion der Roumlmer Eine Einshyfiihrung 2 Aufl Muumlnchen 2006 J Ruumlpke red) lhc Blackwell CompanshyiOIl to Roman Religion Oxford 2007

12 Zur Terminologie religioumlser Gruppen im Codex siehe H Zinser ReshyIigio Secta Haeresis in den Haumlrcsiegesetzen des Codex Theodosianus (165166) von 438 in M Hurter (Hg) Hairesis FemchriJi for Karl Hoheisel zum 65 Geburtstag Jahrbuch fuumlr Antike und Christentum SupshypI 34 Muumlnster 2002215-219

13 Siehe C Ando imperial ldeology ald Prouincial Loyalty in the Roman Emshypire Berkdey 2000 lind C Ando 7he A1auer ofthe Gods Religion lind the ROffan Empire Berkeley 2008

14 Siehe r Veync LEmpire Greco-Romain Paris 2005 454f 15 JZ Smith Religion Religions ReligiolLs in vIClaylor (ed) Critishy

cal7erms for Religious Swdies Chicago 1998 269-284 16 A van Harskamp 7heologie 7ext im Kontext aufder Suche nach der A1ethshy

ode ideologiekritischer AlIalYJc der 7heologie illustriert an Wtgtrken von Drt) Moumlhfer und Staudenmaier Tuumlbingen 2000 (Mein Dank gilt Dietmar Mishy

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Anmerkungen 229

eth Fellow der Kollegforschergruppe am Max-Weber-Kolleg der Univcrshysidir Erfurt fuumlr diesen Hinweis und die andauernde Diskussion)

17 A Musschengl lhe many faces ofindividualism in A van Harskamp A Musschenga (eds) ihe many jilas 0 indirJidualism Lcuven 2001 3-24 hier 5 Fuumlr eine Uumlbersicht klassischer Individualisierungstheorien s E Kippele was heiszligt Inditidualisietullg Die AntwOlmiddotten der soziologischshy1II Klassiker Opladen 1997

18 A Hahn Zur Soziologie der Beichte und anderer Formen institutionalshyisierter Bekenntnisse SdbstthclI1ltltisierung und Zivilisatiol1Sprozeszlig in Kiitner Zeitschlifiuumlr Soziologie und Sozialpsychologie 34 1982407-434

19 Siehe 1 Halman Individualism in Contemporary Europe in van HarshyskampMusschenga (wie Anll1 17) 25-46 hier 29 uumlber die Rolle des modernen Wohlfahrrsstaats

20 Siehe A Bendlin Peripheral Cenrres Cenrral Peripheries Rdigious Communication in the Roman Empire in H Cancik (Hg) Riimische Reichsreligion und ProJinziaLreligion Tuumlbingen 1997 35~68

21 Fuumlr Rom J Ruumlpke Dorn miitiae Die religioumlse Koustruktion des Krieges in Rom Stuttgarr 1990260-262 EM Orlin Temples Religion and Polititgt il1 the Romall Republic Leiden 1997

22 L H letersen The Baker His Tomb His Wifc and Her Breadbasket The Monument of Eurysaces in Rome in 7he Art Bulletin 85 2003 23()~257

23 So J Ruumlpke Apokalyprische Salzberge Zum sozialen Ort und zur litshyerarischen Strategie des Hirten des Hermas in Archiv szligir Religionsgeshyschichtel 1999 148~160

24 C Taylor Quellen des Selbst Die Entstehung der neuzeitlichen Identitaumlt Frankfurt Olm Main 1994 hier 14

25 K Bowes Prillftte lJorship publicJiduCJ and reigious cbange in late antiqshyuity Camhridge 2008

26 Siehe M B McGuire Ritluz Healing ill Suburban America With [he assistance of D Kantor New szligrunswick 1988240-257 J Ruumlpke HeishylungHeilungen I Religionsgeschichtlich in Lexikoll fiir 1heoLogie und Kirche Bd 41995 1357f

27 W V Harris B Hohnes (eck) Aeliw Aristides between Gleece Rome and the godJ Leiden 2008 A Petsalis-Diomidis TruLy Beyond 1vonders Aelius Aristides ami the CuLt 0Asklepios Oxford 2009

28 A Bendlin Vom Nutzen und Nachteil der Mantik Orakel im Medium von Handlung und Literatur in der Zeit der Zweiten Sophistik in D Elm von der Osten J Ruumlpke K Waldner (Hg) Texte als Medium und Reflexion Jon Religion im riimischm ampich Stuttgarr 2006 159~207 N szligelayche J Ruumlpke Divination er revelation dans les mondes grec ct romain prcsenmtion in RHR 2242 2007 139-147

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230 Anmerkungen

29 ] Ruumlpke Kalender lind Offmtlichkeit Die Geschichte der Repraumlsentation und religiaumlsen Qualifikation von Zeit in Rom Berlin 1995587-592] Ruumlpke Zeit und Fest Eine Kulturgeschichte des Kalenders Muumlnchen 2006 182-187

30 K von Stuckrad Das Rillgen 14m die Astrologie Juumldische und christliche Beitraumlge zum antiken ZeitverstaumlndJis Berlin 2000

31 C van Liefferinge La 7heurgie Des Omcles Chaldaiques aProclus Lieges 1999 N Janowitz conJ 0Power Ritual Practices in Late Antiquiry Unishyversity Park PA 2002 E Athanassiadi Dreuns 1heurgy and Freelance Divination The Testimony ofIamblichus in JRS 83 1993 115-130

32 R Gordon Imagining Creek and Roman Magie in V Flint (ed) Witchcraft md Alagic in Europe 2 Ancient Gruce and Rome London 1999 159-275 R Gordon Mlgic as a topOS in Augustan Poetry Disshycourse Realityand Distance in Archiv flr Religiomgeschichte 112009 209-228

Anmerkungen zu den Seiten 61-74 Sabine Schmolinsky Die Zeit der Anderen Juden Heiden Ketzer im christshylichen GescJiclmdllken

M Srausberg Renaissancen Vermitdungsformen des Paganen in H G Kippenberg J Ruumlpke K von Stuckrnd (Hg) Europaumlische Religionshysgeschichte Ein menjacher Plumlisrnus Bd 2 Goumlttingen 2009 695-721 hier 709

2 C Auffarrh Mittelalterliche Modelle der Eingrenzung und Ausgrenzung religioumlser Verschiedenheit in KippenbergRuumlpkevon Stuckrad Bei 1 193-218 hier 193

3 C Auffanh Pluralismus Religion und Mittelalter Das Mittelalter als Teil der Europaumlischen Religionsgeschichte in ders (Hg) Religioumlser Plumlismus illl Mittelalter Besichtigung einer ~Epocbe der Europaumlischen ReshyligionsgeJchichte Berlin 2007 11-23 hier 17f

4 VgL Auffimn (wie Anm 2) 211 f 5 Vgl W Stuumlrner Friedrich ll Teil 1 244f 251 Teil 2 Der Kaiser 1220shy

1250 Darmstadt 2000 266 271f 287-289 297-299 6 Bibelzitare nach Die Bibel A1res und Neues Testament Einheitsuumlbersetshy

wng PrciburglBasellWien 1980 7 In der Apostelgeschichre (1344middot-48) wird diese Abfolge mir deutlich allshy

tijuumldischer Akzentuierung als eine Mi$$ionierungsgeschichte e17iihlt Am folgenden Sabbat versammelte sich aumlst die ganze Sradr um das Wort des Herrn 7U houmlren Als die Juden die Scharen sahen wurden sie eifersuumlchtig widersprachen den Worten des Paulus und stieHen Iiisterungen aus Paulus und Barnabas aber erklaumlrten freimuumltig Euch [= den Juden Jmuszligte das Wort

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aumlrg RUumllke

oder dauerhaftem Abbruch sozialer Bindung (wie im Falle von Migshyranten Reisenden oder Uumlberlebenden von Katastrophen) oder weist auf die Folgen scharfer Arbeitsteilung Diese Bedingungen werden von dell Betroffenen wie Zeitgenossen haumlufig nicht reflektiert im Einzelfall wurden aber Vorbereitullgen getroffen durch geschriebene oder erlernshyte Anweisungen zum Beispiel fuumlr Jenseitsreisen

Moralische Individualitaumlt schlieszligt ein die Zuschreibung von Vershyantwortung an Personen fuumlr ihr eigenes Verhalten konkretisiert sich

ich bleibe im Bereich des Religioumlsen - in Konzepten von Suumlnde in gesetzlichen Normen wie Strafen In der Amike sind solche Standards typischerweise diejenigen von anderen und wuumlrden Urteile uumlber sozishyale Verpflichtungen einschlieszligen bis hin zur Negation von Individushyalituuml Spezifische Pflichten stehen eher im Vordergrund als universale Rechte an eine juristische Individualitaumlt im Sinn einer Erklaumlrung von Menschenrechten ist nicht zu denken Der Blick kann sich nur auf Details richten Schon eille Verpflichtung zur Beteiligung an Ritualen weist auf eine moralische Individualitaumlt die bloszlige Verbote uumlbersteigt

Kompetitive Individualitaumlt bezieht sich auf den verbreiteten arisshytokratischen Wettbewerb um Auszeichnung Distinktion Hier geht es normalerweise um Normen an denen sich andere soziale Grupshypen orientieren Individuelle Unterschiede werden von zeitgenoumlssishyschen Beobachtern prauml7jse beobachtet aber an einem gemeinsamen diskursiv erzeugten Ethos gemessen das das Gemeinwohl oder den Familienstatus betonen wuumlrde Froumlmmigkeit (pietas) die auch das Verhalten gegenuumlber dcn Eltern einschlieszligt waumlre ein solcher Begriff Groszligzuumlgigkeit und Kunstgeschmack bei der Stiftung eines Tempels ein Beispiel Die konkreten Normen waumlren freilich durch tatsaumlchliches Konkurrenzverhaltcn gclorlllt und modifiziert Konflikte sind hier selbstverstaumlndlicher Bestandteil

Repraumlsentative Individualitaumlt bezieht sich auf die zwei vorangeshygangenen Personen sollen bestrebt sein vorbildlicll zu werden und werden als Beispiele exempla erzaumlhlt Nicht individudlc Differenz sondern Perfektion beim Erfuumlllen einer sozialen oder religioumlsen Rolle ob als roumlmischer pllter familias christlicher Maumlrtyrer odcr maumlnnlicher Jude ist VOll allen angestrebt Gleichwohl bleibt die Erfuumlllung dieser Norm eine persoumlnliche Errungenschaft

Schlieszliglich setzt die reflexive Individualitaumlt die Ausbildung eines individualistischen Diskurses voraus eine individualistische Ideologie Entsprechende Uumlberlegungen uumlber das Selbst oder die menschliche

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57Wimn bega1I1 die Europaumlische Religionsgeschichte

Natur des Einzelnen zum Beispiel in der stoischen Lehre der oikeioshysis werden haumlufig gepraumlgt von normativen Vorsrellungen von sozialen Rollen verweisen so also auch auf die repraumlsentative Individualitaumlt zushyruumlck erst der Neuplatonismus bringt bier einen Quantensprung

Alle diese Typen von Individualitaumlt weisen eine gender- eine Geshyschlechts-Dimension auf sie gelten fuumlr einzelne Bereiche der Gesellshyschaft koumlnnen in der Elite oder an den Raumlndern in verschiedenen Formen und Graden gefunden werden sind voruumlbergehende Phaumlnoshymene oder geben Anlass zu Prozessen der Institutionalisierung Solche Prozesse koumlnnen Wertungen uumlber DeviallZ leicht veraumlndern Institushytionalisierte Individualitaumlt zum Beispiel Regeln repraumlsentativer Indishyvidualitaumlt koumlnnen leicht fruumlhere Normen kompetitiver Individualitaumlt ersetzen Jeder Jude muss nun die Torah studieren Selbstbeherrschung kann die wirksamste Form oumlffentlicher Disziplinierung sein in moshydernen Beichrpraktiken wenn bekannt wird was nur Gott gesehen hat 18 wie in antiken Moumlnchsgemeinschaften Oumlkonomische Sicherheit ist eine Vorbedingung fuumlr verbreitete Individualitaumlt und muss fuumlr jede Analyse des mediterranen Altertums in Anschlag gebracht werdengt

Individualitaumlt kann nur unter Beruumlcksichtigung von Sachzwaumlngen und gleichzeitigen Diskursen gemessen werden Zugleich ist sie das Ergebnis der vorlaufenden Individuierung der jeweiligen Person sishytuative Individuali tiir ist Teil einer solchen lndividuierung als eines andauernden Prozesses Natuumlrlich ist Individuierung untrennbar mit Sozialisation der Entwicklung einer sozialen Persona mit eigener Inshydividualitaumlt verbunden Das Konzept von Individuierung die Entshywicklung persoumlnlicher Selbstidentitaumlr ist in antiken Texten kaum von sozialer Interaktion und Funktionalitaumlt zu unterscheiden Gleichwohl kann das Konzept fuumlr die historische Analyse verwendet werden um moumlgliche Felder zu erfassen auf denen Religion die Entwicklungen von verschiedenen Arten und Graden der Individualitaumlt erlaubt Es kann helfen zu sehen wo Religionen Raumlume und Gelegenheiten rur wachsende Differenzen fuumlr nicht mehr traditionsbestimmtes Handeln bieten kann helfen zu sehen welche Folgen solche religioumlsen Institutishyonell und Praktiken fuumlr die betroffenen Personen besitzen

Nur kurz sei auf relevante Felder hingewiesen Die Zunahme relishygioumlser Optionen ist als eines der wichtigsten Merkmale der hellenisshytischen und roumlmischen Epoche bis hin zum Vergleich mit modershynem religioumlsen Pluralismus beschrieben worden Verursacht war dies in erster Linie durch die Beweglichkeit von Kaufleuten Verwaltern

VIFR~8~Salzdaten~(2011-10middot20)indd 57 20102011 1445261

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Soldaten und Sklaven Eine Kompetenz Gottheiten entsprechend situationsspezifisch zu waumlhlen ist fuumlr die mediterranen Formen des Polytheismus charakteristisch Erst die Ausbreitung von Kulten die eigene Religionsgemeinschaften erzeugten popularisieree Ideen von Exklusivitaumlt und fuumlhrte zum Problem massenhafter religioumlser Devianz In einem additiven polytheistischen System das offen fuumlr Erweiteshyrungen warCl war die Einfiihrung von neuen Goumlttern und Optionen von Verehrung in lokale Tempel (durch Aufstellen von Bildern zuvor nicht verehrter Goumltter) oder in das was man besser nicht panthea nennen sollte (also das Einfuumlhren neuer Kulte il1 eillen On) haumlufig Solcl1es Verhalten war vielfach die Entscheidung einzelner und bedarf fuumlr griechische Heiligtuumlmer wie republikanische roumlmische Tempel weishyterer Untersuchung 21 Es koumlnnte sich zeigen dass der wichtigste Kreis religioumlser Symbole (lugo Pantheon) ein zufilliges Ergebnis von Einshyzelentscheidungen verschiedener Personen war

Ein neues Heiligtum zu stiften war eine nicht auf die Aufstellung eines neuen Kultbildes beschraumlnkte komplexe Angelegenheit Auswahl des Ortes Auswahl architektonischer Details Regelung von Ritualen (die fuumlr uns oft kaum sichtbar werden) die vielen Entscheidungen die sich auf vorhandene Traditionen beziehen wuumlrden interpretieren die in der Wettbewerbsgesellschafi vorhandenen Normen und schafshyfen lleue Normen Normierungen in diesem Sinn konnten auch in der Form von Grabmaumllern gemacht werden Ich denke an das Grab von Eurysaces einen roumlmischen Baumlcker und Groszlighaumlndler mit seinen Bildern von Teigmixern und Backvorgaumlngen In seinem Streben nach Originalitaumlt ist das Grab eher typisch denn auszligergewoumlhnlich das gilt auch wo es einem Weltbild Ausdruck verleiht das von Eurysaces eigenen Berufserfahrungen und Horizont dominiert wird In einer Anzahl solcher Denkmaumller und sogar in einem religioumlsen Text wie dem fruumlhchristlichen Hirten des Hermas23 ist es das Alltagsleben dem beinalle ein Letzewert gegeben wird Auf der gesellschaftlidlen Ebene stellt das die Dominanz des aristokratischen Wertsystems zwar nicht erfolgreich in Frage es es zeige aber eine Neubewercung von Alltagsleshyben an das uns erinnert an die von CharIes Taylor der Hochschaumltzung des Alltagslebens in moderner Zivilisation beigemessene Bedeutungli

Fuumlr das hellenistisch-roumlmische Altertum mit seinen Traditionen haumluslichen Kultes koumlnnte eine Kollision mit oumlfFentlichen Autoritaumlten dort produziert werden wo haumlusliche Rituale Nachahmungen des oumlfshyfentlichen Kults zu sein schienen Kim Bowes hat das Ausmaszlig solcher

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rituellen Praktiken in der Spaumltantike und die dadurch verursachten Konflikte mit kirchlichen Institutionen herausgearbeitetY Hier ist wachsende Individualitaumlt zeitgleich mit wachsender Zentralisierung und Normierung

Persoumlnliche Kommunikation mit Goumlttern wurde nie auf oumlffentliche Rituale oder Tempel beschraumlnkt Weihgeschenke die aus Gebeten in individuellen Krisensituationen resultieren sind seit der archaischen Periode verbreitet Formen und Intensitaumlt aumlndern sich jedoch und koumlnnten mit einer wachsenden Sorge fuumlr die eigene Familie wie sich selbst zusammenhaumlngen Die Zunahme des Asklepios- Kultes koumlnnte solch ein Indikator sein da gerade Heilungsprozeduren und ihre sozishyale Topographie Aussagen uumlber die Beziehung zwischen einer Person lind der Gesellschaft machen Aelills Aristides Hieroi Logoi ein mehshyrere Buumlcher umfassender Bericht eines Kranken uumlber seine 1raumlume Pilgerreisen und Begegnungen mit Asklepius sind eine der wichtigsten Quellen religioumlser Individualitaumlt aus der Antike 27 Die kaiserzeidiche Neubelebung und Ausbreitung von gerade auch lokalen kleinen Orashykeln zH ist ein interessantes Forschungsgebiet fuumlr die Individualisierung von Institutionen Astrologie als Massenphaumlnomen der Personalisieshyrung von Zeitordnungen waumlre ein weiteres 2

middot) Sie verorrer nach einer Formulierung Kocktt von Stuckrads eine Person in einer natuumlrlichen universalen Ordnung die zur gleichen Zeit mit bestimmten zum Beishyspiel juumldischen oder christlichen Kosmologien kompatibel gemacht wird elo In der Spaumltantike bot 111eurgie Rituale zur Manipulation des Goumlttlichen einen anderen Weg des wirksamen persoumlnlichen Kontakts an 1 Das gewaltige Aufgebot an magisch genannten Praktiken soll meine Liste beenden Auger individuellen Sorgen um Gesundheit ist hier der Versuch offensichtlich Eint1uss zu nehmen auf Ereignisse die aufgrund des Status der Beteiligten in sozialen Beziehungen oder RechtskonRikten zu erwarten waren Im hoch riskanten Bereich von Beziehungen von und mit Prostituierten wird der Mangel an traditioshynellen Regelungen durch Magie ersetztY

4 SchluJJ

Wenn das spaumltere Roumlmische Reich eine von Religionisierung chashyrakterisierte Epoche ist so laumlsst sich die hellenistisch-roumlmische Epoche nicht in gleicher Weise als Zeitraum von Individualisierung charakshy

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terisieren Ich habe mich fuumlr die Nuumltzlichkeit eines analytischen Werkshyzeuges verschiedener Arten von Individualitaumlt und der Suche nach dem Individuum in unseren religionsgeschichtlichen Daten ausgesprochen Jedes Urteil uumlber die Periode insgesamt waumlre vorzeitig Gleichwohl ist es offensichtlich dass einige der Typen und Grade der fuumlr die Eposhyche als charakteristisch behaupteten Individualitaumltstypen positiv oder negativ mit der Formiefllng von Religionen korrelieren Mit einem solchen Zugriff koumlnnte eine fruchtbare Untersuchung des Uumlberganshyges von der Antike ins Mittelalter und in die Renaissance betrieben werden die einige FaUen der Interpretation der Spaumltantike vermeiden koumlnnte Eine testbare Hypothese ist das noch nicht

Und damit bin ich bei meiner Ausgangsfrage nach dem Beginn Eushyropaumlischer Religionsgeschichte wieder angekommen Die Diskussion der Achsenzeit hat impliziert dass es nicht reicht nach europaumlischen Ursachen von Phaumlnomenen zu suchen die sich selbst nicht auf Euroshypa beschraumlnken DifFusion etwa im Zeitalter des Imperialismus und Kolonialismus ist wichtig aber erklaumlrt nicht alles Explizit ist in dieshyser Diskussion deutlich geworden dass es nicht mehr reicht sich auf Gruumlndcdiguren auf Religionsstifter ZlI beschraumlnken

Ich hoffe aber dass meine vorsichtigen Formulierungen deurlich gemacht haben dass es mir gar nicht um die Frage absoluter datierbashyrer Anginge geht Es sind bestimmte Aspekte gegenwaumlrtiger Religion so meine Ausgangsthese die es lohneswert erscheinen lassen weit zushyruumlckzublicken und sich nicht auf die uumlbliche Unterstellung mit der Moderne werde alles anders einzulassen Wenn man Religion unrer dem Aspekt VOll Gruppenbildullg von Sozialproduktivitaumlt wie Hans Kippenberg es formuliert hat sieht mit all den Konsequenzen fuumlr einen Seaat und ein Rechtssystem wenn man Religion mit individushyeller religioumlser Erfahrung zusammenbringe dann lohnt es sich ja ist es fuumlr die Disziplin Religionswissenschaft unabdingbar bis in die helshylenistisch-roumlmische Epoche zuruumlckzublicken Mehr nicht Dass Euroshypaumlische Religionsgeschichte hier ihren Anfang genommen huumlte mag man sagen aber eine wissenschaftliche Aussage ist das nicht mehr Das ist der Beginn einer Erzaumlhlung die Sinn stiften kann oder Verwirrung die in diesem Sinne hilfreich oder unsinnig ist Aber das ist ein anderes Gmos das Politiker oder kulturelle Sinnstifter bedienen sollen nicht Religionshisroriker

20102011 144526 I

Anmerkungen 227

14 C Richmond Tsang W0r and Faith Ikko ikki in Ltlte lvfurofllchi Japan Cambridge MA Harvard Universiry Asia Cemer 2007

1 S Der Begriff stammt von R Eskildsen Of Civiization and Savages 1he Mimcdc Impcrialism ofJapans 1874 Expedition to Taiwan in Amerishycml Historiml Review 107 2002 388-418

16 YuS Japanese Religions 107 17 Yang Fenggang Thc Red Black and Gray Markers of Religion in Chishy

na in Sodgiml Quarterly 47200693-122 18 Hee-Seok Park Schamflllismw ohne Magie Seine idulfe Rolle und prakshy

tiltehe Funktion in der suumldkoreanischm Prowtbewegung Muumlnchen 2009

Anmerkungm zu dm Seiten 29-45 OlristofMandry Plumlimus als Problem und Pltmzlismus Ills Wert theologisch-ethische Uumlberlegungen

Das hebt etwa Ruumlpkc programmatisch hervor vgl J Ruumlpke Europa und die europaumlische Religionsgeschichte in H G Kippenberg 1 Ruumlpke K von Stuckrad (Hg) Europaumlische Religionsgeschichte Ein mch~focher Plushyralismus Bd I Goumltringen 2009 3-14 hier 9[

2 Vgl die differenzierten Uumlberlegungen von Ruumlpke ebd 4-9 und seine Warnungen vor dem Kreieren neuer Essentialismcn durch die normativ grundierte Option rur Pluralismus (vgl ebd 10)

3 Fuumlr eine eingehende Analyse und Bewertung des politischen Selbstvershystaumlndnisses der Europaumlischen Union als Wertegemeinschaft verweise ich auf mein Buch C Mandry Europa als Werregemeiwchflft Eine theshyologisch-ethische Studie zum politischen SelbsfIerstaumlndnis dcr Europaumlischen Unioll Baden-Baden 2009

4 Vgl dazu und zur religioumlsen Dimension des Konflikts D Zifonun und M 1akiSa Religioumlse Vielfalt und religioumlser Konflikt Der Fall Bosnien und Herzegowina in KippenberglRuumlpkevon Stuckrad (5 Anm 1) 411-438

Anmerkungen zu den Seiten 47-60 Joumlrg Ruumlpke Wt1JIn begann die Europdische Religionsgm-hichte Der hellenistischshyroumlmische Mittelmcermum und die europaumlische GegenuNtrt

Diese Arbeir entstand im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgeshymeimchaft finanzierten Kollegforschergruppe Religioumlse Individualisiershyung in Historischer Perspektive am Max-Weber-Kolleg der Universitaumlr Erfurr Ich danke insbesondere Hans oas Richard Gordon und Wolfshygang Spickermann flir die intensive Diskussion in diesem Rahmen Frau

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228 Anmerkungen

Julia Carls Erfurr bin ich fuumlr die Schlussbearbeirung dankbar - Die Utshyerarurangaben beziehen sich auf das nachfolgende Literaturverzeichnis

2 K Jaspers Vom Ursprung und Ziel der Geschichte vIuumlnchen 1988 3 S N Eisensradt (Hg) Kulturen da Achsenzeit Ihre Urspruumlnge und ihre

Vielfolt 2 Rdebull Frankfurt a M 1987 JP Arnason SN Eisenstltldt R Wittrock (eds) Axial civiLiwtions and world history Leiden 2005

4 S N Eisenstadt Die Achsenzeit in der Weltgeschichte in H Joa5 K Wiegandt (Hg) Die kulturellen WTrtl Europas Frankfurt a M 2005 40-68 hier 43

5 S N Eisenstadt Allgemeine Einleitung Die Redingutlgel1 fuumlr die Entstehung lind InstitutionaHsierung der Kulturen der Achsenzeit in Eisenstadt Kulturen (s Anm 3) 10-40

6 Arnason Eisenstadt Wimock Civilizations (s Anm 3) 7 B Wittrock Culmral Crysrallizatiotls and World llistory -rhe Age of

Ecumenical Renaissances in JP Arnason R Winrock (eds) Eurasian 7inllJjoumlrlllatiom 7enth to Thirteenth Cemuries Crystallizations Divergencshyes Renaissances Leiden 2004 41-73 hier 47f

8 Ebd 46 9 In einer Tagung zur Individualisierung in Erfurt im September 2009 (hg

von J Ruumlpke im Erscheinen) 10 Zum folgenden ausfuumlhrlich J Ruumlpke Religioumlser Pluralismus und das roumlshy

mische Reich in H Cancik J Ruumlpke (Hg) Die Religion des Imperium Romanum Tuumlbillgen 2009 )3 1-354

11 J North The Developmcnt ofReligious Pluralism in J Ueu J North [ Rajak (ed) The Jews Among Paglns aId ChristitlrJS In he Roman Emshypire London 1994 174~193 J Rlipke Die Religion der Roumlmer Eine Einshyfiihrung 2 Aufl Muumlnchen 2006 J Ruumlpke red) lhc Blackwell CompanshyiOIl to Roman Religion Oxford 2007

12 Zur Terminologie religioumlser Gruppen im Codex siehe H Zinser ReshyIigio Secta Haeresis in den Haumlrcsiegesetzen des Codex Theodosianus (165166) von 438 in M Hurter (Hg) Hairesis FemchriJi for Karl Hoheisel zum 65 Geburtstag Jahrbuch fuumlr Antike und Christentum SupshypI 34 Muumlnster 2002215-219

13 Siehe C Ando imperial ldeology ald Prouincial Loyalty in the Roman Emshypire Berkdey 2000 lind C Ando 7he A1auer ofthe Gods Religion lind the ROffan Empire Berkeley 2008

14 Siehe r Veync LEmpire Greco-Romain Paris 2005 454f 15 JZ Smith Religion Religions ReligiolLs in vIClaylor (ed) Critishy

cal7erms for Religious Swdies Chicago 1998 269-284 16 A van Harskamp 7heologie 7ext im Kontext aufder Suche nach der A1ethshy

ode ideologiekritischer AlIalYJc der 7heologie illustriert an Wtgtrken von Drt) Moumlhfer und Staudenmaier Tuumlbingen 2000 (Mein Dank gilt Dietmar Mishy

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Anmerkungen 229

eth Fellow der Kollegforschergruppe am Max-Weber-Kolleg der Univcrshysidir Erfurt fuumlr diesen Hinweis und die andauernde Diskussion)

17 A Musschengl lhe many faces ofindividualism in A van Harskamp A Musschenga (eds) ihe many jilas 0 indirJidualism Lcuven 2001 3-24 hier 5 Fuumlr eine Uumlbersicht klassischer Individualisierungstheorien s E Kippele was heiszligt Inditidualisietullg Die AntwOlmiddotten der soziologischshy1II Klassiker Opladen 1997

18 A Hahn Zur Soziologie der Beichte und anderer Formen institutionalshyisierter Bekenntnisse SdbstthclI1ltltisierung und Zivilisatiol1Sprozeszlig in Kiitner Zeitschlifiuumlr Soziologie und Sozialpsychologie 34 1982407-434

19 Siehe 1 Halman Individualism in Contemporary Europe in van HarshyskampMusschenga (wie Anll1 17) 25-46 hier 29 uumlber die Rolle des modernen Wohlfahrrsstaats

20 Siehe A Bendlin Peripheral Cenrres Cenrral Peripheries Rdigious Communication in the Roman Empire in H Cancik (Hg) Riimische Reichsreligion und ProJinziaLreligion Tuumlbingen 1997 35~68

21 Fuumlr Rom J Ruumlpke Dorn miitiae Die religioumlse Koustruktion des Krieges in Rom Stuttgarr 1990260-262 EM Orlin Temples Religion and Polititgt il1 the Romall Republic Leiden 1997

22 L H letersen The Baker His Tomb His Wifc and Her Breadbasket The Monument of Eurysaces in Rome in 7he Art Bulletin 85 2003 23()~257

23 So J Ruumlpke Apokalyprische Salzberge Zum sozialen Ort und zur litshyerarischen Strategie des Hirten des Hermas in Archiv szligir Religionsgeshyschichtel 1999 148~160

24 C Taylor Quellen des Selbst Die Entstehung der neuzeitlichen Identitaumlt Frankfurt Olm Main 1994 hier 14

25 K Bowes Prillftte lJorship publicJiduCJ and reigious cbange in late antiqshyuity Camhridge 2008

26 Siehe M B McGuire Ritluz Healing ill Suburban America With [he assistance of D Kantor New szligrunswick 1988240-257 J Ruumlpke HeishylungHeilungen I Religionsgeschichtlich in Lexikoll fiir 1heoLogie und Kirche Bd 41995 1357f

27 W V Harris B Hohnes (eck) Aeliw Aristides between Gleece Rome and the godJ Leiden 2008 A Petsalis-Diomidis TruLy Beyond 1vonders Aelius Aristides ami the CuLt 0Asklepios Oxford 2009

28 A Bendlin Vom Nutzen und Nachteil der Mantik Orakel im Medium von Handlung und Literatur in der Zeit der Zweiten Sophistik in D Elm von der Osten J Ruumlpke K Waldner (Hg) Texte als Medium und Reflexion Jon Religion im riimischm ampich Stuttgarr 2006 159~207 N szligelayche J Ruumlpke Divination er revelation dans les mondes grec ct romain prcsenmtion in RHR 2242 2007 139-147

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230 Anmerkungen

29 ] Ruumlpke Kalender lind Offmtlichkeit Die Geschichte der Repraumlsentation und religiaumlsen Qualifikation von Zeit in Rom Berlin 1995587-592] Ruumlpke Zeit und Fest Eine Kulturgeschichte des Kalenders Muumlnchen 2006 182-187

30 K von Stuckrad Das Rillgen 14m die Astrologie Juumldische und christliche Beitraumlge zum antiken ZeitverstaumlndJis Berlin 2000

31 C van Liefferinge La 7heurgie Des Omcles Chaldaiques aProclus Lieges 1999 N Janowitz conJ 0Power Ritual Practices in Late Antiquiry Unishyversity Park PA 2002 E Athanassiadi Dreuns 1heurgy and Freelance Divination The Testimony ofIamblichus in JRS 83 1993 115-130

32 R Gordon Imagining Creek and Roman Magie in V Flint (ed) Witchcraft md Alagic in Europe 2 Ancient Gruce and Rome London 1999 159-275 R Gordon Mlgic as a topOS in Augustan Poetry Disshycourse Realityand Distance in Archiv flr Religiomgeschichte 112009 209-228

Anmerkungen zu den Seiten 61-74 Sabine Schmolinsky Die Zeit der Anderen Juden Heiden Ketzer im christshylichen GescJiclmdllken

M Srausberg Renaissancen Vermitdungsformen des Paganen in H G Kippenberg J Ruumlpke K von Stuckrnd (Hg) Europaumlische Religionshysgeschichte Ein menjacher Plumlisrnus Bd 2 Goumlttingen 2009 695-721 hier 709

2 C Auffarrh Mittelalterliche Modelle der Eingrenzung und Ausgrenzung religioumlser Verschiedenheit in KippenbergRuumlpkevon Stuckrad Bei 1 193-218 hier 193

3 C Auffanh Pluralismus Religion und Mittelalter Das Mittelalter als Teil der Europaumlischen Religionsgeschichte in ders (Hg) Religioumlser Plumlismus illl Mittelalter Besichtigung einer ~Epocbe der Europaumlischen ReshyligionsgeJchichte Berlin 2007 11-23 hier 17f

4 VgL Auffimn (wie Anm 2) 211 f 5 Vgl W Stuumlrner Friedrich ll Teil 1 244f 251 Teil 2 Der Kaiser 1220shy

1250 Darmstadt 2000 266 271f 287-289 297-299 6 Bibelzitare nach Die Bibel A1res und Neues Testament Einheitsuumlbersetshy

wng PrciburglBasellWien 1980 7 In der Apostelgeschichre (1344middot-48) wird diese Abfolge mir deutlich allshy

tijuumldischer Akzentuierung als eine Mi$$ionierungsgeschichte e17iihlt Am folgenden Sabbat versammelte sich aumlst die ganze Sradr um das Wort des Herrn 7U houmlren Als die Juden die Scharen sahen wurden sie eifersuumlchtig widersprachen den Worten des Paulus und stieHen Iiisterungen aus Paulus und Barnabas aber erklaumlrten freimuumltig Euch [= den Juden Jmuszligte das Wort

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57Wimn bega1I1 die Europaumlische Religionsgeschichte

Natur des Einzelnen zum Beispiel in der stoischen Lehre der oikeioshysis werden haumlufig gepraumlgt von normativen Vorsrellungen von sozialen Rollen verweisen so also auch auf die repraumlsentative Individualitaumlt zushyruumlck erst der Neuplatonismus bringt bier einen Quantensprung

Alle diese Typen von Individualitaumlt weisen eine gender- eine Geshyschlechts-Dimension auf sie gelten fuumlr einzelne Bereiche der Gesellshyschaft koumlnnen in der Elite oder an den Raumlndern in verschiedenen Formen und Graden gefunden werden sind voruumlbergehende Phaumlnoshymene oder geben Anlass zu Prozessen der Institutionalisierung Solche Prozesse koumlnnen Wertungen uumlber DeviallZ leicht veraumlndern Institushytionalisierte Individualitaumlt zum Beispiel Regeln repraumlsentativer Indishyvidualitaumlt koumlnnen leicht fruumlhere Normen kompetitiver Individualitaumlt ersetzen Jeder Jude muss nun die Torah studieren Selbstbeherrschung kann die wirksamste Form oumlffentlicher Disziplinierung sein in moshydernen Beichrpraktiken wenn bekannt wird was nur Gott gesehen hat 18 wie in antiken Moumlnchsgemeinschaften Oumlkonomische Sicherheit ist eine Vorbedingung fuumlr verbreitete Individualitaumlt und muss fuumlr jede Analyse des mediterranen Altertums in Anschlag gebracht werdengt

Individualitaumlt kann nur unter Beruumlcksichtigung von Sachzwaumlngen und gleichzeitigen Diskursen gemessen werden Zugleich ist sie das Ergebnis der vorlaufenden Individuierung der jeweiligen Person sishytuative Individuali tiir ist Teil einer solchen lndividuierung als eines andauernden Prozesses Natuumlrlich ist Individuierung untrennbar mit Sozialisation der Entwicklung einer sozialen Persona mit eigener Inshydividualitaumlt verbunden Das Konzept von Individuierung die Entshywicklung persoumlnlicher Selbstidentitaumlr ist in antiken Texten kaum von sozialer Interaktion und Funktionalitaumlt zu unterscheiden Gleichwohl kann das Konzept fuumlr die historische Analyse verwendet werden um moumlgliche Felder zu erfassen auf denen Religion die Entwicklungen von verschiedenen Arten und Graden der Individualitaumlt erlaubt Es kann helfen zu sehen wo Religionen Raumlume und Gelegenheiten rur wachsende Differenzen fuumlr nicht mehr traditionsbestimmtes Handeln bieten kann helfen zu sehen welche Folgen solche religioumlsen Institutishyonell und Praktiken fuumlr die betroffenen Personen besitzen

Nur kurz sei auf relevante Felder hingewiesen Die Zunahme relishygioumlser Optionen ist als eines der wichtigsten Merkmale der hellenisshytischen und roumlmischen Epoche bis hin zum Vergleich mit modershynem religioumlsen Pluralismus beschrieben worden Verursacht war dies in erster Linie durch die Beweglichkeit von Kaufleuten Verwaltern

VIFR~8~Salzdaten~(2011-10middot20)indd 57 20102011 1445261

58 JOumllgRuumlpke

Soldaten und Sklaven Eine Kompetenz Gottheiten entsprechend situationsspezifisch zu waumlhlen ist fuumlr die mediterranen Formen des Polytheismus charakteristisch Erst die Ausbreitung von Kulten die eigene Religionsgemeinschaften erzeugten popularisieree Ideen von Exklusivitaumlt und fuumlhrte zum Problem massenhafter religioumlser Devianz In einem additiven polytheistischen System das offen fuumlr Erweiteshyrungen warCl war die Einfiihrung von neuen Goumlttern und Optionen von Verehrung in lokale Tempel (durch Aufstellen von Bildern zuvor nicht verehrter Goumltter) oder in das was man besser nicht panthea nennen sollte (also das Einfuumlhren neuer Kulte il1 eillen On) haumlufig Solcl1es Verhalten war vielfach die Entscheidung einzelner und bedarf fuumlr griechische Heiligtuumlmer wie republikanische roumlmische Tempel weishyterer Untersuchung 21 Es koumlnnte sich zeigen dass der wichtigste Kreis religioumlser Symbole (lugo Pantheon) ein zufilliges Ergebnis von Einshyzelentscheidungen verschiedener Personen war

Ein neues Heiligtum zu stiften war eine nicht auf die Aufstellung eines neuen Kultbildes beschraumlnkte komplexe Angelegenheit Auswahl des Ortes Auswahl architektonischer Details Regelung von Ritualen (die fuumlr uns oft kaum sichtbar werden) die vielen Entscheidungen die sich auf vorhandene Traditionen beziehen wuumlrden interpretieren die in der Wettbewerbsgesellschafi vorhandenen Normen und schafshyfen lleue Normen Normierungen in diesem Sinn konnten auch in der Form von Grabmaumllern gemacht werden Ich denke an das Grab von Eurysaces einen roumlmischen Baumlcker und Groszlighaumlndler mit seinen Bildern von Teigmixern und Backvorgaumlngen In seinem Streben nach Originalitaumlt ist das Grab eher typisch denn auszligergewoumlhnlich das gilt auch wo es einem Weltbild Ausdruck verleiht das von Eurysaces eigenen Berufserfahrungen und Horizont dominiert wird In einer Anzahl solcher Denkmaumller und sogar in einem religioumlsen Text wie dem fruumlhchristlichen Hirten des Hermas23 ist es das Alltagsleben dem beinalle ein Letzewert gegeben wird Auf der gesellschaftlidlen Ebene stellt das die Dominanz des aristokratischen Wertsystems zwar nicht erfolgreich in Frage es es zeige aber eine Neubewercung von Alltagsleshyben an das uns erinnert an die von CharIes Taylor der Hochschaumltzung des Alltagslebens in moderner Zivilisation beigemessene Bedeutungli

Fuumlr das hellenistisch-roumlmische Altertum mit seinen Traditionen haumluslichen Kultes koumlnnte eine Kollision mit oumlfFentlichen Autoritaumlten dort produziert werden wo haumlusliche Rituale Nachahmungen des oumlfshyfentlichen Kults zu sein schienen Kim Bowes hat das Ausmaszlig solcher

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tnn begann die Europaumlische Religionsgeschichte 59

rituellen Praktiken in der Spaumltantike und die dadurch verursachten Konflikte mit kirchlichen Institutionen herausgearbeitetY Hier ist wachsende Individualitaumlt zeitgleich mit wachsender Zentralisierung und Normierung

Persoumlnliche Kommunikation mit Goumlttern wurde nie auf oumlffentliche Rituale oder Tempel beschraumlnkt Weihgeschenke die aus Gebeten in individuellen Krisensituationen resultieren sind seit der archaischen Periode verbreitet Formen und Intensitaumlt aumlndern sich jedoch und koumlnnten mit einer wachsenden Sorge fuumlr die eigene Familie wie sich selbst zusammenhaumlngen Die Zunahme des Asklepios- Kultes koumlnnte solch ein Indikator sein da gerade Heilungsprozeduren und ihre sozishyale Topographie Aussagen uumlber die Beziehung zwischen einer Person lind der Gesellschaft machen Aelills Aristides Hieroi Logoi ein mehshyrere Buumlcher umfassender Bericht eines Kranken uumlber seine 1raumlume Pilgerreisen und Begegnungen mit Asklepius sind eine der wichtigsten Quellen religioumlser Individualitaumlt aus der Antike 27 Die kaiserzeidiche Neubelebung und Ausbreitung von gerade auch lokalen kleinen Orashykeln zH ist ein interessantes Forschungsgebiet fuumlr die Individualisierung von Institutionen Astrologie als Massenphaumlnomen der Personalisieshyrung von Zeitordnungen waumlre ein weiteres 2

middot) Sie verorrer nach einer Formulierung Kocktt von Stuckrads eine Person in einer natuumlrlichen universalen Ordnung die zur gleichen Zeit mit bestimmten zum Beishyspiel juumldischen oder christlichen Kosmologien kompatibel gemacht wird elo In der Spaumltantike bot 111eurgie Rituale zur Manipulation des Goumlttlichen einen anderen Weg des wirksamen persoumlnlichen Kontakts an 1 Das gewaltige Aufgebot an magisch genannten Praktiken soll meine Liste beenden Auger individuellen Sorgen um Gesundheit ist hier der Versuch offensichtlich Eint1uss zu nehmen auf Ereignisse die aufgrund des Status der Beteiligten in sozialen Beziehungen oder RechtskonRikten zu erwarten waren Im hoch riskanten Bereich von Beziehungen von und mit Prostituierten wird der Mangel an traditioshynellen Regelungen durch Magie ersetztY

4 SchluJJ

Wenn das spaumltere Roumlmische Reich eine von Religionisierung chashyrakterisierte Epoche ist so laumlsst sich die hellenistisch-roumlmische Epoche nicht in gleicher Weise als Zeitraum von Individualisierung charakshy

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60 JaumlrgRuumlpke

terisieren Ich habe mich fuumlr die Nuumltzlichkeit eines analytischen Werkshyzeuges verschiedener Arten von Individualitaumlt und der Suche nach dem Individuum in unseren religionsgeschichtlichen Daten ausgesprochen Jedes Urteil uumlber die Periode insgesamt waumlre vorzeitig Gleichwohl ist es offensichtlich dass einige der Typen und Grade der fuumlr die Eposhyche als charakteristisch behaupteten Individualitaumltstypen positiv oder negativ mit der Formiefllng von Religionen korrelieren Mit einem solchen Zugriff koumlnnte eine fruchtbare Untersuchung des Uumlberganshyges von der Antike ins Mittelalter und in die Renaissance betrieben werden die einige FaUen der Interpretation der Spaumltantike vermeiden koumlnnte Eine testbare Hypothese ist das noch nicht

Und damit bin ich bei meiner Ausgangsfrage nach dem Beginn Eushyropaumlischer Religionsgeschichte wieder angekommen Die Diskussion der Achsenzeit hat impliziert dass es nicht reicht nach europaumlischen Ursachen von Phaumlnomenen zu suchen die sich selbst nicht auf Euroshypa beschraumlnken DifFusion etwa im Zeitalter des Imperialismus und Kolonialismus ist wichtig aber erklaumlrt nicht alles Explizit ist in dieshyser Diskussion deutlich geworden dass es nicht mehr reicht sich auf Gruumlndcdiguren auf Religionsstifter ZlI beschraumlnken

Ich hoffe aber dass meine vorsichtigen Formulierungen deurlich gemacht haben dass es mir gar nicht um die Frage absoluter datierbashyrer Anginge geht Es sind bestimmte Aspekte gegenwaumlrtiger Religion so meine Ausgangsthese die es lohneswert erscheinen lassen weit zushyruumlckzublicken und sich nicht auf die uumlbliche Unterstellung mit der Moderne werde alles anders einzulassen Wenn man Religion unrer dem Aspekt VOll Gruppenbildullg von Sozialproduktivitaumlt wie Hans Kippenberg es formuliert hat sieht mit all den Konsequenzen fuumlr einen Seaat und ein Rechtssystem wenn man Religion mit individushyeller religioumlser Erfahrung zusammenbringe dann lohnt es sich ja ist es fuumlr die Disziplin Religionswissenschaft unabdingbar bis in die helshylenistisch-roumlmische Epoche zuruumlckzublicken Mehr nicht Dass Euroshypaumlische Religionsgeschichte hier ihren Anfang genommen huumlte mag man sagen aber eine wissenschaftliche Aussage ist das nicht mehr Das ist der Beginn einer Erzaumlhlung die Sinn stiften kann oder Verwirrung die in diesem Sinne hilfreich oder unsinnig ist Aber das ist ein anderes Gmos das Politiker oder kulturelle Sinnstifter bedienen sollen nicht Religionshisroriker

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Anmerkungen 227

14 C Richmond Tsang W0r and Faith Ikko ikki in Ltlte lvfurofllchi Japan Cambridge MA Harvard Universiry Asia Cemer 2007

1 S Der Begriff stammt von R Eskildsen Of Civiization and Savages 1he Mimcdc Impcrialism ofJapans 1874 Expedition to Taiwan in Amerishycml Historiml Review 107 2002 388-418

16 YuS Japanese Religions 107 17 Yang Fenggang Thc Red Black and Gray Markers of Religion in Chishy

na in Sodgiml Quarterly 47200693-122 18 Hee-Seok Park Schamflllismw ohne Magie Seine idulfe Rolle und prakshy

tiltehe Funktion in der suumldkoreanischm Prowtbewegung Muumlnchen 2009

Anmerkungm zu dm Seiten 29-45 OlristofMandry Plumlimus als Problem und Pltmzlismus Ills Wert theologisch-ethische Uumlberlegungen

Das hebt etwa Ruumlpkc programmatisch hervor vgl J Ruumlpke Europa und die europaumlische Religionsgeschichte in H G Kippenberg 1 Ruumlpke K von Stuckrad (Hg) Europaumlische Religionsgeschichte Ein mch~focher Plushyralismus Bd I Goumltringen 2009 3-14 hier 9[

2 Vgl die differenzierten Uumlberlegungen von Ruumlpke ebd 4-9 und seine Warnungen vor dem Kreieren neuer Essentialismcn durch die normativ grundierte Option rur Pluralismus (vgl ebd 10)

3 Fuumlr eine eingehende Analyse und Bewertung des politischen Selbstvershystaumlndnisses der Europaumlischen Union als Wertegemeinschaft verweise ich auf mein Buch C Mandry Europa als Werregemeiwchflft Eine theshyologisch-ethische Studie zum politischen SelbsfIerstaumlndnis dcr Europaumlischen Unioll Baden-Baden 2009

4 Vgl dazu und zur religioumlsen Dimension des Konflikts D Zifonun und M 1akiSa Religioumlse Vielfalt und religioumlser Konflikt Der Fall Bosnien und Herzegowina in KippenberglRuumlpkevon Stuckrad (5 Anm 1) 411-438

Anmerkungen zu den Seiten 47-60 Joumlrg Ruumlpke Wt1JIn begann die Europdische Religionsgm-hichte Der hellenistischshyroumlmische Mittelmcermum und die europaumlische GegenuNtrt

Diese Arbeir entstand im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgeshymeimchaft finanzierten Kollegforschergruppe Religioumlse Individualisiershyung in Historischer Perspektive am Max-Weber-Kolleg der Universitaumlr Erfurr Ich danke insbesondere Hans oas Richard Gordon und Wolfshygang Spickermann flir die intensive Diskussion in diesem Rahmen Frau

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228 Anmerkungen

Julia Carls Erfurr bin ich fuumlr die Schlussbearbeirung dankbar - Die Utshyerarurangaben beziehen sich auf das nachfolgende Literaturverzeichnis

2 K Jaspers Vom Ursprung und Ziel der Geschichte vIuumlnchen 1988 3 S N Eisensradt (Hg) Kulturen da Achsenzeit Ihre Urspruumlnge und ihre

Vielfolt 2 Rdebull Frankfurt a M 1987 JP Arnason SN Eisenstltldt R Wittrock (eds) Axial civiLiwtions and world history Leiden 2005

4 S N Eisenstadt Die Achsenzeit in der Weltgeschichte in H Joa5 K Wiegandt (Hg) Die kulturellen WTrtl Europas Frankfurt a M 2005 40-68 hier 43

5 S N Eisenstadt Allgemeine Einleitung Die Redingutlgel1 fuumlr die Entstehung lind InstitutionaHsierung der Kulturen der Achsenzeit in Eisenstadt Kulturen (s Anm 3) 10-40

6 Arnason Eisenstadt Wimock Civilizations (s Anm 3) 7 B Wittrock Culmral Crysrallizatiotls and World llistory -rhe Age of

Ecumenical Renaissances in JP Arnason R Winrock (eds) Eurasian 7inllJjoumlrlllatiom 7enth to Thirteenth Cemuries Crystallizations Divergencshyes Renaissances Leiden 2004 41-73 hier 47f

8 Ebd 46 9 In einer Tagung zur Individualisierung in Erfurt im September 2009 (hg

von J Ruumlpke im Erscheinen) 10 Zum folgenden ausfuumlhrlich J Ruumlpke Religioumlser Pluralismus und das roumlshy

mische Reich in H Cancik J Ruumlpke (Hg) Die Religion des Imperium Romanum Tuumlbillgen 2009 )3 1-354

11 J North The Developmcnt ofReligious Pluralism in J Ueu J North [ Rajak (ed) The Jews Among Paglns aId ChristitlrJS In he Roman Emshypire London 1994 174~193 J Rlipke Die Religion der Roumlmer Eine Einshyfiihrung 2 Aufl Muumlnchen 2006 J Ruumlpke red) lhc Blackwell CompanshyiOIl to Roman Religion Oxford 2007

12 Zur Terminologie religioumlser Gruppen im Codex siehe H Zinser ReshyIigio Secta Haeresis in den Haumlrcsiegesetzen des Codex Theodosianus (165166) von 438 in M Hurter (Hg) Hairesis FemchriJi for Karl Hoheisel zum 65 Geburtstag Jahrbuch fuumlr Antike und Christentum SupshypI 34 Muumlnster 2002215-219

13 Siehe C Ando imperial ldeology ald Prouincial Loyalty in the Roman Emshypire Berkdey 2000 lind C Ando 7he A1auer ofthe Gods Religion lind the ROffan Empire Berkeley 2008

14 Siehe r Veync LEmpire Greco-Romain Paris 2005 454f 15 JZ Smith Religion Religions ReligiolLs in vIClaylor (ed) Critishy

cal7erms for Religious Swdies Chicago 1998 269-284 16 A van Harskamp 7heologie 7ext im Kontext aufder Suche nach der A1ethshy

ode ideologiekritischer AlIalYJc der 7heologie illustriert an Wtgtrken von Drt) Moumlhfer und Staudenmaier Tuumlbingen 2000 (Mein Dank gilt Dietmar Mishy

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Anmerkungen 229

eth Fellow der Kollegforschergruppe am Max-Weber-Kolleg der Univcrshysidir Erfurt fuumlr diesen Hinweis und die andauernde Diskussion)

17 A Musschengl lhe many faces ofindividualism in A van Harskamp A Musschenga (eds) ihe many jilas 0 indirJidualism Lcuven 2001 3-24 hier 5 Fuumlr eine Uumlbersicht klassischer Individualisierungstheorien s E Kippele was heiszligt Inditidualisietullg Die AntwOlmiddotten der soziologischshy1II Klassiker Opladen 1997

18 A Hahn Zur Soziologie der Beichte und anderer Formen institutionalshyisierter Bekenntnisse SdbstthclI1ltltisierung und Zivilisatiol1Sprozeszlig in Kiitner Zeitschlifiuumlr Soziologie und Sozialpsychologie 34 1982407-434

19 Siehe 1 Halman Individualism in Contemporary Europe in van HarshyskampMusschenga (wie Anll1 17) 25-46 hier 29 uumlber die Rolle des modernen Wohlfahrrsstaats

20 Siehe A Bendlin Peripheral Cenrres Cenrral Peripheries Rdigious Communication in the Roman Empire in H Cancik (Hg) Riimische Reichsreligion und ProJinziaLreligion Tuumlbingen 1997 35~68

21 Fuumlr Rom J Ruumlpke Dorn miitiae Die religioumlse Koustruktion des Krieges in Rom Stuttgarr 1990260-262 EM Orlin Temples Religion and Polititgt il1 the Romall Republic Leiden 1997

22 L H letersen The Baker His Tomb His Wifc and Her Breadbasket The Monument of Eurysaces in Rome in 7he Art Bulletin 85 2003 23()~257

23 So J Ruumlpke Apokalyprische Salzberge Zum sozialen Ort und zur litshyerarischen Strategie des Hirten des Hermas in Archiv szligir Religionsgeshyschichtel 1999 148~160

24 C Taylor Quellen des Selbst Die Entstehung der neuzeitlichen Identitaumlt Frankfurt Olm Main 1994 hier 14

25 K Bowes Prillftte lJorship publicJiduCJ and reigious cbange in late antiqshyuity Camhridge 2008

26 Siehe M B McGuire Ritluz Healing ill Suburban America With [he assistance of D Kantor New szligrunswick 1988240-257 J Ruumlpke HeishylungHeilungen I Religionsgeschichtlich in Lexikoll fiir 1heoLogie und Kirche Bd 41995 1357f

27 W V Harris B Hohnes (eck) Aeliw Aristides between Gleece Rome and the godJ Leiden 2008 A Petsalis-Diomidis TruLy Beyond 1vonders Aelius Aristides ami the CuLt 0Asklepios Oxford 2009

28 A Bendlin Vom Nutzen und Nachteil der Mantik Orakel im Medium von Handlung und Literatur in der Zeit der Zweiten Sophistik in D Elm von der Osten J Ruumlpke K Waldner (Hg) Texte als Medium und Reflexion Jon Religion im riimischm ampich Stuttgarr 2006 159~207 N szligelayche J Ruumlpke Divination er revelation dans les mondes grec ct romain prcsenmtion in RHR 2242 2007 139-147

20102011 144530 I

230 Anmerkungen

29 ] Ruumlpke Kalender lind Offmtlichkeit Die Geschichte der Repraumlsentation und religiaumlsen Qualifikation von Zeit in Rom Berlin 1995587-592] Ruumlpke Zeit und Fest Eine Kulturgeschichte des Kalenders Muumlnchen 2006 182-187

30 K von Stuckrad Das Rillgen 14m die Astrologie Juumldische und christliche Beitraumlge zum antiken ZeitverstaumlndJis Berlin 2000

31 C van Liefferinge La 7heurgie Des Omcles Chaldaiques aProclus Lieges 1999 N Janowitz conJ 0Power Ritual Practices in Late Antiquiry Unishyversity Park PA 2002 E Athanassiadi Dreuns 1heurgy and Freelance Divination The Testimony ofIamblichus in JRS 83 1993 115-130

32 R Gordon Imagining Creek and Roman Magie in V Flint (ed) Witchcraft md Alagic in Europe 2 Ancient Gruce and Rome London 1999 159-275 R Gordon Mlgic as a topOS in Augustan Poetry Disshycourse Realityand Distance in Archiv flr Religiomgeschichte 112009 209-228

Anmerkungen zu den Seiten 61-74 Sabine Schmolinsky Die Zeit der Anderen Juden Heiden Ketzer im christshylichen GescJiclmdllken

M Srausberg Renaissancen Vermitdungsformen des Paganen in H G Kippenberg J Ruumlpke K von Stuckrnd (Hg) Europaumlische Religionshysgeschichte Ein menjacher Plumlisrnus Bd 2 Goumlttingen 2009 695-721 hier 709

2 C Auffarrh Mittelalterliche Modelle der Eingrenzung und Ausgrenzung religioumlser Verschiedenheit in KippenbergRuumlpkevon Stuckrad Bei 1 193-218 hier 193

3 C Auffanh Pluralismus Religion und Mittelalter Das Mittelalter als Teil der Europaumlischen Religionsgeschichte in ders (Hg) Religioumlser Plumlismus illl Mittelalter Besichtigung einer ~Epocbe der Europaumlischen ReshyligionsgeJchichte Berlin 2007 11-23 hier 17f

4 VgL Auffimn (wie Anm 2) 211 f 5 Vgl W Stuumlrner Friedrich ll Teil 1 244f 251 Teil 2 Der Kaiser 1220shy

1250 Darmstadt 2000 266 271f 287-289 297-299 6 Bibelzitare nach Die Bibel A1res und Neues Testament Einheitsuumlbersetshy

wng PrciburglBasellWien 1980 7 In der Apostelgeschichre (1344middot-48) wird diese Abfolge mir deutlich allshy

tijuumldischer Akzentuierung als eine Mi$$ionierungsgeschichte e17iihlt Am folgenden Sabbat versammelte sich aumlst die ganze Sradr um das Wort des Herrn 7U houmlren Als die Juden die Scharen sahen wurden sie eifersuumlchtig widersprachen den Worten des Paulus und stieHen Iiisterungen aus Paulus und Barnabas aber erklaumlrten freimuumltig Euch [= den Juden Jmuszligte das Wort

20102011 144530 I

58 JOumllgRuumlpke

Soldaten und Sklaven Eine Kompetenz Gottheiten entsprechend situationsspezifisch zu waumlhlen ist fuumlr die mediterranen Formen des Polytheismus charakteristisch Erst die Ausbreitung von Kulten die eigene Religionsgemeinschaften erzeugten popularisieree Ideen von Exklusivitaumlt und fuumlhrte zum Problem massenhafter religioumlser Devianz In einem additiven polytheistischen System das offen fuumlr Erweiteshyrungen warCl war die Einfiihrung von neuen Goumlttern und Optionen von Verehrung in lokale Tempel (durch Aufstellen von Bildern zuvor nicht verehrter Goumltter) oder in das was man besser nicht panthea nennen sollte (also das Einfuumlhren neuer Kulte il1 eillen On) haumlufig Solcl1es Verhalten war vielfach die Entscheidung einzelner und bedarf fuumlr griechische Heiligtuumlmer wie republikanische roumlmische Tempel weishyterer Untersuchung 21 Es koumlnnte sich zeigen dass der wichtigste Kreis religioumlser Symbole (lugo Pantheon) ein zufilliges Ergebnis von Einshyzelentscheidungen verschiedener Personen war

Ein neues Heiligtum zu stiften war eine nicht auf die Aufstellung eines neuen Kultbildes beschraumlnkte komplexe Angelegenheit Auswahl des Ortes Auswahl architektonischer Details Regelung von Ritualen (die fuumlr uns oft kaum sichtbar werden) die vielen Entscheidungen die sich auf vorhandene Traditionen beziehen wuumlrden interpretieren die in der Wettbewerbsgesellschafi vorhandenen Normen und schafshyfen lleue Normen Normierungen in diesem Sinn konnten auch in der Form von Grabmaumllern gemacht werden Ich denke an das Grab von Eurysaces einen roumlmischen Baumlcker und Groszlighaumlndler mit seinen Bildern von Teigmixern und Backvorgaumlngen In seinem Streben nach Originalitaumlt ist das Grab eher typisch denn auszligergewoumlhnlich das gilt auch wo es einem Weltbild Ausdruck verleiht das von Eurysaces eigenen Berufserfahrungen und Horizont dominiert wird In einer Anzahl solcher Denkmaumller und sogar in einem religioumlsen Text wie dem fruumlhchristlichen Hirten des Hermas23 ist es das Alltagsleben dem beinalle ein Letzewert gegeben wird Auf der gesellschaftlidlen Ebene stellt das die Dominanz des aristokratischen Wertsystems zwar nicht erfolgreich in Frage es es zeige aber eine Neubewercung von Alltagsleshyben an das uns erinnert an die von CharIes Taylor der Hochschaumltzung des Alltagslebens in moderner Zivilisation beigemessene Bedeutungli

Fuumlr das hellenistisch-roumlmische Altertum mit seinen Traditionen haumluslichen Kultes koumlnnte eine Kollision mit oumlfFentlichen Autoritaumlten dort produziert werden wo haumlusliche Rituale Nachahmungen des oumlfshyfentlichen Kults zu sein schienen Kim Bowes hat das Ausmaszlig solcher

20102011 1445261

tnn begann die Europaumlische Religionsgeschichte 59

rituellen Praktiken in der Spaumltantike und die dadurch verursachten Konflikte mit kirchlichen Institutionen herausgearbeitetY Hier ist wachsende Individualitaumlt zeitgleich mit wachsender Zentralisierung und Normierung

Persoumlnliche Kommunikation mit Goumlttern wurde nie auf oumlffentliche Rituale oder Tempel beschraumlnkt Weihgeschenke die aus Gebeten in individuellen Krisensituationen resultieren sind seit der archaischen Periode verbreitet Formen und Intensitaumlt aumlndern sich jedoch und koumlnnten mit einer wachsenden Sorge fuumlr die eigene Familie wie sich selbst zusammenhaumlngen Die Zunahme des Asklepios- Kultes koumlnnte solch ein Indikator sein da gerade Heilungsprozeduren und ihre sozishyale Topographie Aussagen uumlber die Beziehung zwischen einer Person lind der Gesellschaft machen Aelills Aristides Hieroi Logoi ein mehshyrere Buumlcher umfassender Bericht eines Kranken uumlber seine 1raumlume Pilgerreisen und Begegnungen mit Asklepius sind eine der wichtigsten Quellen religioumlser Individualitaumlt aus der Antike 27 Die kaiserzeidiche Neubelebung und Ausbreitung von gerade auch lokalen kleinen Orashykeln zH ist ein interessantes Forschungsgebiet fuumlr die Individualisierung von Institutionen Astrologie als Massenphaumlnomen der Personalisieshyrung von Zeitordnungen waumlre ein weiteres 2

middot) Sie verorrer nach einer Formulierung Kocktt von Stuckrads eine Person in einer natuumlrlichen universalen Ordnung die zur gleichen Zeit mit bestimmten zum Beishyspiel juumldischen oder christlichen Kosmologien kompatibel gemacht wird elo In der Spaumltantike bot 111eurgie Rituale zur Manipulation des Goumlttlichen einen anderen Weg des wirksamen persoumlnlichen Kontakts an 1 Das gewaltige Aufgebot an magisch genannten Praktiken soll meine Liste beenden Auger individuellen Sorgen um Gesundheit ist hier der Versuch offensichtlich Eint1uss zu nehmen auf Ereignisse die aufgrund des Status der Beteiligten in sozialen Beziehungen oder RechtskonRikten zu erwarten waren Im hoch riskanten Bereich von Beziehungen von und mit Prostituierten wird der Mangel an traditioshynellen Regelungen durch Magie ersetztY

4 SchluJJ

Wenn das spaumltere Roumlmische Reich eine von Religionisierung chashyrakterisierte Epoche ist so laumlsst sich die hellenistisch-roumlmische Epoche nicht in gleicher Weise als Zeitraum von Individualisierung charakshy

201 02011 144526 I

60 JaumlrgRuumlpke

terisieren Ich habe mich fuumlr die Nuumltzlichkeit eines analytischen Werkshyzeuges verschiedener Arten von Individualitaumlt und der Suche nach dem Individuum in unseren religionsgeschichtlichen Daten ausgesprochen Jedes Urteil uumlber die Periode insgesamt waumlre vorzeitig Gleichwohl ist es offensichtlich dass einige der Typen und Grade der fuumlr die Eposhyche als charakteristisch behaupteten Individualitaumltstypen positiv oder negativ mit der Formiefllng von Religionen korrelieren Mit einem solchen Zugriff koumlnnte eine fruchtbare Untersuchung des Uumlberganshyges von der Antike ins Mittelalter und in die Renaissance betrieben werden die einige FaUen der Interpretation der Spaumltantike vermeiden koumlnnte Eine testbare Hypothese ist das noch nicht

Und damit bin ich bei meiner Ausgangsfrage nach dem Beginn Eushyropaumlischer Religionsgeschichte wieder angekommen Die Diskussion der Achsenzeit hat impliziert dass es nicht reicht nach europaumlischen Ursachen von Phaumlnomenen zu suchen die sich selbst nicht auf Euroshypa beschraumlnken DifFusion etwa im Zeitalter des Imperialismus und Kolonialismus ist wichtig aber erklaumlrt nicht alles Explizit ist in dieshyser Diskussion deutlich geworden dass es nicht mehr reicht sich auf Gruumlndcdiguren auf Religionsstifter ZlI beschraumlnken

Ich hoffe aber dass meine vorsichtigen Formulierungen deurlich gemacht haben dass es mir gar nicht um die Frage absoluter datierbashyrer Anginge geht Es sind bestimmte Aspekte gegenwaumlrtiger Religion so meine Ausgangsthese die es lohneswert erscheinen lassen weit zushyruumlckzublicken und sich nicht auf die uumlbliche Unterstellung mit der Moderne werde alles anders einzulassen Wenn man Religion unrer dem Aspekt VOll Gruppenbildullg von Sozialproduktivitaumlt wie Hans Kippenberg es formuliert hat sieht mit all den Konsequenzen fuumlr einen Seaat und ein Rechtssystem wenn man Religion mit individushyeller religioumlser Erfahrung zusammenbringe dann lohnt es sich ja ist es fuumlr die Disziplin Religionswissenschaft unabdingbar bis in die helshylenistisch-roumlmische Epoche zuruumlckzublicken Mehr nicht Dass Euroshypaumlische Religionsgeschichte hier ihren Anfang genommen huumlte mag man sagen aber eine wissenschaftliche Aussage ist das nicht mehr Das ist der Beginn einer Erzaumlhlung die Sinn stiften kann oder Verwirrung die in diesem Sinne hilfreich oder unsinnig ist Aber das ist ein anderes Gmos das Politiker oder kulturelle Sinnstifter bedienen sollen nicht Religionshisroriker

20102011 144526 I

Anmerkungen 227

14 C Richmond Tsang W0r and Faith Ikko ikki in Ltlte lvfurofllchi Japan Cambridge MA Harvard Universiry Asia Cemer 2007

1 S Der Begriff stammt von R Eskildsen Of Civiization and Savages 1he Mimcdc Impcrialism ofJapans 1874 Expedition to Taiwan in Amerishycml Historiml Review 107 2002 388-418

16 YuS Japanese Religions 107 17 Yang Fenggang Thc Red Black and Gray Markers of Religion in Chishy

na in Sodgiml Quarterly 47200693-122 18 Hee-Seok Park Schamflllismw ohne Magie Seine idulfe Rolle und prakshy

tiltehe Funktion in der suumldkoreanischm Prowtbewegung Muumlnchen 2009

Anmerkungm zu dm Seiten 29-45 OlristofMandry Plumlimus als Problem und Pltmzlismus Ills Wert theologisch-ethische Uumlberlegungen

Das hebt etwa Ruumlpkc programmatisch hervor vgl J Ruumlpke Europa und die europaumlische Religionsgeschichte in H G Kippenberg 1 Ruumlpke K von Stuckrad (Hg) Europaumlische Religionsgeschichte Ein mch~focher Plushyralismus Bd I Goumltringen 2009 3-14 hier 9[

2 Vgl die differenzierten Uumlberlegungen von Ruumlpke ebd 4-9 und seine Warnungen vor dem Kreieren neuer Essentialismcn durch die normativ grundierte Option rur Pluralismus (vgl ebd 10)

3 Fuumlr eine eingehende Analyse und Bewertung des politischen Selbstvershystaumlndnisses der Europaumlischen Union als Wertegemeinschaft verweise ich auf mein Buch C Mandry Europa als Werregemeiwchflft Eine theshyologisch-ethische Studie zum politischen SelbsfIerstaumlndnis dcr Europaumlischen Unioll Baden-Baden 2009

4 Vgl dazu und zur religioumlsen Dimension des Konflikts D Zifonun und M 1akiSa Religioumlse Vielfalt und religioumlser Konflikt Der Fall Bosnien und Herzegowina in KippenberglRuumlpkevon Stuckrad (5 Anm 1) 411-438

Anmerkungen zu den Seiten 47-60 Joumlrg Ruumlpke Wt1JIn begann die Europdische Religionsgm-hichte Der hellenistischshyroumlmische Mittelmcermum und die europaumlische GegenuNtrt

Diese Arbeir entstand im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgeshymeimchaft finanzierten Kollegforschergruppe Religioumlse Individualisiershyung in Historischer Perspektive am Max-Weber-Kolleg der Universitaumlr Erfurr Ich danke insbesondere Hans oas Richard Gordon und Wolfshygang Spickermann flir die intensive Diskussion in diesem Rahmen Frau

20102011 144530 I

228 Anmerkungen

Julia Carls Erfurr bin ich fuumlr die Schlussbearbeirung dankbar - Die Utshyerarurangaben beziehen sich auf das nachfolgende Literaturverzeichnis

2 K Jaspers Vom Ursprung und Ziel der Geschichte vIuumlnchen 1988 3 S N Eisensradt (Hg) Kulturen da Achsenzeit Ihre Urspruumlnge und ihre

Vielfolt 2 Rdebull Frankfurt a M 1987 JP Arnason SN Eisenstltldt R Wittrock (eds) Axial civiLiwtions and world history Leiden 2005

4 S N Eisenstadt Die Achsenzeit in der Weltgeschichte in H Joa5 K Wiegandt (Hg) Die kulturellen WTrtl Europas Frankfurt a M 2005 40-68 hier 43

5 S N Eisenstadt Allgemeine Einleitung Die Redingutlgel1 fuumlr die Entstehung lind InstitutionaHsierung der Kulturen der Achsenzeit in Eisenstadt Kulturen (s Anm 3) 10-40

6 Arnason Eisenstadt Wimock Civilizations (s Anm 3) 7 B Wittrock Culmral Crysrallizatiotls and World llistory -rhe Age of

Ecumenical Renaissances in JP Arnason R Winrock (eds) Eurasian 7inllJjoumlrlllatiom 7enth to Thirteenth Cemuries Crystallizations Divergencshyes Renaissances Leiden 2004 41-73 hier 47f

8 Ebd 46 9 In einer Tagung zur Individualisierung in Erfurt im September 2009 (hg

von J Ruumlpke im Erscheinen) 10 Zum folgenden ausfuumlhrlich J Ruumlpke Religioumlser Pluralismus und das roumlshy

mische Reich in H Cancik J Ruumlpke (Hg) Die Religion des Imperium Romanum Tuumlbillgen 2009 )3 1-354

11 J North The Developmcnt ofReligious Pluralism in J Ueu J North [ Rajak (ed) The Jews Among Paglns aId ChristitlrJS In he Roman Emshypire London 1994 174~193 J Rlipke Die Religion der Roumlmer Eine Einshyfiihrung 2 Aufl Muumlnchen 2006 J Ruumlpke red) lhc Blackwell CompanshyiOIl to Roman Religion Oxford 2007

12 Zur Terminologie religioumlser Gruppen im Codex siehe H Zinser ReshyIigio Secta Haeresis in den Haumlrcsiegesetzen des Codex Theodosianus (165166) von 438 in M Hurter (Hg) Hairesis FemchriJi for Karl Hoheisel zum 65 Geburtstag Jahrbuch fuumlr Antike und Christentum SupshypI 34 Muumlnster 2002215-219

13 Siehe C Ando imperial ldeology ald Prouincial Loyalty in the Roman Emshypire Berkdey 2000 lind C Ando 7he A1auer ofthe Gods Religion lind the ROffan Empire Berkeley 2008

14 Siehe r Veync LEmpire Greco-Romain Paris 2005 454f 15 JZ Smith Religion Religions ReligiolLs in vIClaylor (ed) Critishy

cal7erms for Religious Swdies Chicago 1998 269-284 16 A van Harskamp 7heologie 7ext im Kontext aufder Suche nach der A1ethshy

ode ideologiekritischer AlIalYJc der 7heologie illustriert an Wtgtrken von Drt) Moumlhfer und Staudenmaier Tuumlbingen 2000 (Mein Dank gilt Dietmar Mishy

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Anmerkungen 229

eth Fellow der Kollegforschergruppe am Max-Weber-Kolleg der Univcrshysidir Erfurt fuumlr diesen Hinweis und die andauernde Diskussion)

17 A Musschengl lhe many faces ofindividualism in A van Harskamp A Musschenga (eds) ihe many jilas 0 indirJidualism Lcuven 2001 3-24 hier 5 Fuumlr eine Uumlbersicht klassischer Individualisierungstheorien s E Kippele was heiszligt Inditidualisietullg Die AntwOlmiddotten der soziologischshy1II Klassiker Opladen 1997

18 A Hahn Zur Soziologie der Beichte und anderer Formen institutionalshyisierter Bekenntnisse SdbstthclI1ltltisierung und Zivilisatiol1Sprozeszlig in Kiitner Zeitschlifiuumlr Soziologie und Sozialpsychologie 34 1982407-434

19 Siehe 1 Halman Individualism in Contemporary Europe in van HarshyskampMusschenga (wie Anll1 17) 25-46 hier 29 uumlber die Rolle des modernen Wohlfahrrsstaats

20 Siehe A Bendlin Peripheral Cenrres Cenrral Peripheries Rdigious Communication in the Roman Empire in H Cancik (Hg) Riimische Reichsreligion und ProJinziaLreligion Tuumlbingen 1997 35~68

21 Fuumlr Rom J Ruumlpke Dorn miitiae Die religioumlse Koustruktion des Krieges in Rom Stuttgarr 1990260-262 EM Orlin Temples Religion and Polititgt il1 the Romall Republic Leiden 1997

22 L H letersen The Baker His Tomb His Wifc and Her Breadbasket The Monument of Eurysaces in Rome in 7he Art Bulletin 85 2003 23()~257

23 So J Ruumlpke Apokalyprische Salzberge Zum sozialen Ort und zur litshyerarischen Strategie des Hirten des Hermas in Archiv szligir Religionsgeshyschichtel 1999 148~160

24 C Taylor Quellen des Selbst Die Entstehung der neuzeitlichen Identitaumlt Frankfurt Olm Main 1994 hier 14

25 K Bowes Prillftte lJorship publicJiduCJ and reigious cbange in late antiqshyuity Camhridge 2008

26 Siehe M B McGuire Ritluz Healing ill Suburban America With [he assistance of D Kantor New szligrunswick 1988240-257 J Ruumlpke HeishylungHeilungen I Religionsgeschichtlich in Lexikoll fiir 1heoLogie und Kirche Bd 41995 1357f

27 W V Harris B Hohnes (eck) Aeliw Aristides between Gleece Rome and the godJ Leiden 2008 A Petsalis-Diomidis TruLy Beyond 1vonders Aelius Aristides ami the CuLt 0Asklepios Oxford 2009

28 A Bendlin Vom Nutzen und Nachteil der Mantik Orakel im Medium von Handlung und Literatur in der Zeit der Zweiten Sophistik in D Elm von der Osten J Ruumlpke K Waldner (Hg) Texte als Medium und Reflexion Jon Religion im riimischm ampich Stuttgarr 2006 159~207 N szligelayche J Ruumlpke Divination er revelation dans les mondes grec ct romain prcsenmtion in RHR 2242 2007 139-147

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230 Anmerkungen

29 ] Ruumlpke Kalender lind Offmtlichkeit Die Geschichte der Repraumlsentation und religiaumlsen Qualifikation von Zeit in Rom Berlin 1995587-592] Ruumlpke Zeit und Fest Eine Kulturgeschichte des Kalenders Muumlnchen 2006 182-187

30 K von Stuckrad Das Rillgen 14m die Astrologie Juumldische und christliche Beitraumlge zum antiken ZeitverstaumlndJis Berlin 2000

31 C van Liefferinge La 7heurgie Des Omcles Chaldaiques aProclus Lieges 1999 N Janowitz conJ 0Power Ritual Practices in Late Antiquiry Unishyversity Park PA 2002 E Athanassiadi Dreuns 1heurgy and Freelance Divination The Testimony ofIamblichus in JRS 83 1993 115-130

32 R Gordon Imagining Creek and Roman Magie in V Flint (ed) Witchcraft md Alagic in Europe 2 Ancient Gruce and Rome London 1999 159-275 R Gordon Mlgic as a topOS in Augustan Poetry Disshycourse Realityand Distance in Archiv flr Religiomgeschichte 112009 209-228

Anmerkungen zu den Seiten 61-74 Sabine Schmolinsky Die Zeit der Anderen Juden Heiden Ketzer im christshylichen GescJiclmdllken

M Srausberg Renaissancen Vermitdungsformen des Paganen in H G Kippenberg J Ruumlpke K von Stuckrnd (Hg) Europaumlische Religionshysgeschichte Ein menjacher Plumlisrnus Bd 2 Goumlttingen 2009 695-721 hier 709

2 C Auffarrh Mittelalterliche Modelle der Eingrenzung und Ausgrenzung religioumlser Verschiedenheit in KippenbergRuumlpkevon Stuckrad Bei 1 193-218 hier 193

3 C Auffanh Pluralismus Religion und Mittelalter Das Mittelalter als Teil der Europaumlischen Religionsgeschichte in ders (Hg) Religioumlser Plumlismus illl Mittelalter Besichtigung einer ~Epocbe der Europaumlischen ReshyligionsgeJchichte Berlin 2007 11-23 hier 17f

4 VgL Auffimn (wie Anm 2) 211 f 5 Vgl W Stuumlrner Friedrich ll Teil 1 244f 251 Teil 2 Der Kaiser 1220shy

1250 Darmstadt 2000 266 271f 287-289 297-299 6 Bibelzitare nach Die Bibel A1res und Neues Testament Einheitsuumlbersetshy

wng PrciburglBasellWien 1980 7 In der Apostelgeschichre (1344middot-48) wird diese Abfolge mir deutlich allshy

tijuumldischer Akzentuierung als eine Mi$$ionierungsgeschichte e17iihlt Am folgenden Sabbat versammelte sich aumlst die ganze Sradr um das Wort des Herrn 7U houmlren Als die Juden die Scharen sahen wurden sie eifersuumlchtig widersprachen den Worten des Paulus und stieHen Iiisterungen aus Paulus und Barnabas aber erklaumlrten freimuumltig Euch [= den Juden Jmuszligte das Wort

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tnn begann die Europaumlische Religionsgeschichte 59

rituellen Praktiken in der Spaumltantike und die dadurch verursachten Konflikte mit kirchlichen Institutionen herausgearbeitetY Hier ist wachsende Individualitaumlt zeitgleich mit wachsender Zentralisierung und Normierung

Persoumlnliche Kommunikation mit Goumlttern wurde nie auf oumlffentliche Rituale oder Tempel beschraumlnkt Weihgeschenke die aus Gebeten in individuellen Krisensituationen resultieren sind seit der archaischen Periode verbreitet Formen und Intensitaumlt aumlndern sich jedoch und koumlnnten mit einer wachsenden Sorge fuumlr die eigene Familie wie sich selbst zusammenhaumlngen Die Zunahme des Asklepios- Kultes koumlnnte solch ein Indikator sein da gerade Heilungsprozeduren und ihre sozishyale Topographie Aussagen uumlber die Beziehung zwischen einer Person lind der Gesellschaft machen Aelills Aristides Hieroi Logoi ein mehshyrere Buumlcher umfassender Bericht eines Kranken uumlber seine 1raumlume Pilgerreisen und Begegnungen mit Asklepius sind eine der wichtigsten Quellen religioumlser Individualitaumlt aus der Antike 27 Die kaiserzeidiche Neubelebung und Ausbreitung von gerade auch lokalen kleinen Orashykeln zH ist ein interessantes Forschungsgebiet fuumlr die Individualisierung von Institutionen Astrologie als Massenphaumlnomen der Personalisieshyrung von Zeitordnungen waumlre ein weiteres 2

middot) Sie verorrer nach einer Formulierung Kocktt von Stuckrads eine Person in einer natuumlrlichen universalen Ordnung die zur gleichen Zeit mit bestimmten zum Beishyspiel juumldischen oder christlichen Kosmologien kompatibel gemacht wird elo In der Spaumltantike bot 111eurgie Rituale zur Manipulation des Goumlttlichen einen anderen Weg des wirksamen persoumlnlichen Kontakts an 1 Das gewaltige Aufgebot an magisch genannten Praktiken soll meine Liste beenden Auger individuellen Sorgen um Gesundheit ist hier der Versuch offensichtlich Eint1uss zu nehmen auf Ereignisse die aufgrund des Status der Beteiligten in sozialen Beziehungen oder RechtskonRikten zu erwarten waren Im hoch riskanten Bereich von Beziehungen von und mit Prostituierten wird der Mangel an traditioshynellen Regelungen durch Magie ersetztY

4 SchluJJ

Wenn das spaumltere Roumlmische Reich eine von Religionisierung chashyrakterisierte Epoche ist so laumlsst sich die hellenistisch-roumlmische Epoche nicht in gleicher Weise als Zeitraum von Individualisierung charakshy

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60 JaumlrgRuumlpke

terisieren Ich habe mich fuumlr die Nuumltzlichkeit eines analytischen Werkshyzeuges verschiedener Arten von Individualitaumlt und der Suche nach dem Individuum in unseren religionsgeschichtlichen Daten ausgesprochen Jedes Urteil uumlber die Periode insgesamt waumlre vorzeitig Gleichwohl ist es offensichtlich dass einige der Typen und Grade der fuumlr die Eposhyche als charakteristisch behaupteten Individualitaumltstypen positiv oder negativ mit der Formiefllng von Religionen korrelieren Mit einem solchen Zugriff koumlnnte eine fruchtbare Untersuchung des Uumlberganshyges von der Antike ins Mittelalter und in die Renaissance betrieben werden die einige FaUen der Interpretation der Spaumltantike vermeiden koumlnnte Eine testbare Hypothese ist das noch nicht

Und damit bin ich bei meiner Ausgangsfrage nach dem Beginn Eushyropaumlischer Religionsgeschichte wieder angekommen Die Diskussion der Achsenzeit hat impliziert dass es nicht reicht nach europaumlischen Ursachen von Phaumlnomenen zu suchen die sich selbst nicht auf Euroshypa beschraumlnken DifFusion etwa im Zeitalter des Imperialismus und Kolonialismus ist wichtig aber erklaumlrt nicht alles Explizit ist in dieshyser Diskussion deutlich geworden dass es nicht mehr reicht sich auf Gruumlndcdiguren auf Religionsstifter ZlI beschraumlnken

Ich hoffe aber dass meine vorsichtigen Formulierungen deurlich gemacht haben dass es mir gar nicht um die Frage absoluter datierbashyrer Anginge geht Es sind bestimmte Aspekte gegenwaumlrtiger Religion so meine Ausgangsthese die es lohneswert erscheinen lassen weit zushyruumlckzublicken und sich nicht auf die uumlbliche Unterstellung mit der Moderne werde alles anders einzulassen Wenn man Religion unrer dem Aspekt VOll Gruppenbildullg von Sozialproduktivitaumlt wie Hans Kippenberg es formuliert hat sieht mit all den Konsequenzen fuumlr einen Seaat und ein Rechtssystem wenn man Religion mit individushyeller religioumlser Erfahrung zusammenbringe dann lohnt es sich ja ist es fuumlr die Disziplin Religionswissenschaft unabdingbar bis in die helshylenistisch-roumlmische Epoche zuruumlckzublicken Mehr nicht Dass Euroshypaumlische Religionsgeschichte hier ihren Anfang genommen huumlte mag man sagen aber eine wissenschaftliche Aussage ist das nicht mehr Das ist der Beginn einer Erzaumlhlung die Sinn stiften kann oder Verwirrung die in diesem Sinne hilfreich oder unsinnig ist Aber das ist ein anderes Gmos das Politiker oder kulturelle Sinnstifter bedienen sollen nicht Religionshisroriker

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Anmerkungen 227

14 C Richmond Tsang W0r and Faith Ikko ikki in Ltlte lvfurofllchi Japan Cambridge MA Harvard Universiry Asia Cemer 2007

1 S Der Begriff stammt von R Eskildsen Of Civiization and Savages 1he Mimcdc Impcrialism ofJapans 1874 Expedition to Taiwan in Amerishycml Historiml Review 107 2002 388-418

16 YuS Japanese Religions 107 17 Yang Fenggang Thc Red Black and Gray Markers of Religion in Chishy

na in Sodgiml Quarterly 47200693-122 18 Hee-Seok Park Schamflllismw ohne Magie Seine idulfe Rolle und prakshy

tiltehe Funktion in der suumldkoreanischm Prowtbewegung Muumlnchen 2009

Anmerkungm zu dm Seiten 29-45 OlristofMandry Plumlimus als Problem und Pltmzlismus Ills Wert theologisch-ethische Uumlberlegungen

Das hebt etwa Ruumlpkc programmatisch hervor vgl J Ruumlpke Europa und die europaumlische Religionsgeschichte in H G Kippenberg 1 Ruumlpke K von Stuckrad (Hg) Europaumlische Religionsgeschichte Ein mch~focher Plushyralismus Bd I Goumltringen 2009 3-14 hier 9[

2 Vgl die differenzierten Uumlberlegungen von Ruumlpke ebd 4-9 und seine Warnungen vor dem Kreieren neuer Essentialismcn durch die normativ grundierte Option rur Pluralismus (vgl ebd 10)

3 Fuumlr eine eingehende Analyse und Bewertung des politischen Selbstvershystaumlndnisses der Europaumlischen Union als Wertegemeinschaft verweise ich auf mein Buch C Mandry Europa als Werregemeiwchflft Eine theshyologisch-ethische Studie zum politischen SelbsfIerstaumlndnis dcr Europaumlischen Unioll Baden-Baden 2009

4 Vgl dazu und zur religioumlsen Dimension des Konflikts D Zifonun und M 1akiSa Religioumlse Vielfalt und religioumlser Konflikt Der Fall Bosnien und Herzegowina in KippenberglRuumlpkevon Stuckrad (5 Anm 1) 411-438

Anmerkungen zu den Seiten 47-60 Joumlrg Ruumlpke Wt1JIn begann die Europdische Religionsgm-hichte Der hellenistischshyroumlmische Mittelmcermum und die europaumlische GegenuNtrt

Diese Arbeir entstand im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgeshymeimchaft finanzierten Kollegforschergruppe Religioumlse Individualisiershyung in Historischer Perspektive am Max-Weber-Kolleg der Universitaumlr Erfurr Ich danke insbesondere Hans oas Richard Gordon und Wolfshygang Spickermann flir die intensive Diskussion in diesem Rahmen Frau

20102011 144530 I

228 Anmerkungen

Julia Carls Erfurr bin ich fuumlr die Schlussbearbeirung dankbar - Die Utshyerarurangaben beziehen sich auf das nachfolgende Literaturverzeichnis

2 K Jaspers Vom Ursprung und Ziel der Geschichte vIuumlnchen 1988 3 S N Eisensradt (Hg) Kulturen da Achsenzeit Ihre Urspruumlnge und ihre

Vielfolt 2 Rdebull Frankfurt a M 1987 JP Arnason SN Eisenstltldt R Wittrock (eds) Axial civiLiwtions and world history Leiden 2005

4 S N Eisenstadt Die Achsenzeit in der Weltgeschichte in H Joa5 K Wiegandt (Hg) Die kulturellen WTrtl Europas Frankfurt a M 2005 40-68 hier 43

5 S N Eisenstadt Allgemeine Einleitung Die Redingutlgel1 fuumlr die Entstehung lind InstitutionaHsierung der Kulturen der Achsenzeit in Eisenstadt Kulturen (s Anm 3) 10-40

6 Arnason Eisenstadt Wimock Civilizations (s Anm 3) 7 B Wittrock Culmral Crysrallizatiotls and World llistory -rhe Age of

Ecumenical Renaissances in JP Arnason R Winrock (eds) Eurasian 7inllJjoumlrlllatiom 7enth to Thirteenth Cemuries Crystallizations Divergencshyes Renaissances Leiden 2004 41-73 hier 47f

8 Ebd 46 9 In einer Tagung zur Individualisierung in Erfurt im September 2009 (hg

von J Ruumlpke im Erscheinen) 10 Zum folgenden ausfuumlhrlich J Ruumlpke Religioumlser Pluralismus und das roumlshy

mische Reich in H Cancik J Ruumlpke (Hg) Die Religion des Imperium Romanum Tuumlbillgen 2009 )3 1-354

11 J North The Developmcnt ofReligious Pluralism in J Ueu J North [ Rajak (ed) The Jews Among Paglns aId ChristitlrJS In he Roman Emshypire London 1994 174~193 J Rlipke Die Religion der Roumlmer Eine Einshyfiihrung 2 Aufl Muumlnchen 2006 J Ruumlpke red) lhc Blackwell CompanshyiOIl to Roman Religion Oxford 2007

12 Zur Terminologie religioumlser Gruppen im Codex siehe H Zinser ReshyIigio Secta Haeresis in den Haumlrcsiegesetzen des Codex Theodosianus (165166) von 438 in M Hurter (Hg) Hairesis FemchriJi for Karl Hoheisel zum 65 Geburtstag Jahrbuch fuumlr Antike und Christentum SupshypI 34 Muumlnster 2002215-219

13 Siehe C Ando imperial ldeology ald Prouincial Loyalty in the Roman Emshypire Berkdey 2000 lind C Ando 7he A1auer ofthe Gods Religion lind the ROffan Empire Berkeley 2008

14 Siehe r Veync LEmpire Greco-Romain Paris 2005 454f 15 JZ Smith Religion Religions ReligiolLs in vIClaylor (ed) Critishy

cal7erms for Religious Swdies Chicago 1998 269-284 16 A van Harskamp 7heologie 7ext im Kontext aufder Suche nach der A1ethshy

ode ideologiekritischer AlIalYJc der 7heologie illustriert an Wtgtrken von Drt) Moumlhfer und Staudenmaier Tuumlbingen 2000 (Mein Dank gilt Dietmar Mishy

20102011 144530 I

Anmerkungen 229

eth Fellow der Kollegforschergruppe am Max-Weber-Kolleg der Univcrshysidir Erfurt fuumlr diesen Hinweis und die andauernde Diskussion)

17 A Musschengl lhe many faces ofindividualism in A van Harskamp A Musschenga (eds) ihe many jilas 0 indirJidualism Lcuven 2001 3-24 hier 5 Fuumlr eine Uumlbersicht klassischer Individualisierungstheorien s E Kippele was heiszligt Inditidualisietullg Die AntwOlmiddotten der soziologischshy1II Klassiker Opladen 1997

18 A Hahn Zur Soziologie der Beichte und anderer Formen institutionalshyisierter Bekenntnisse SdbstthclI1ltltisierung und Zivilisatiol1Sprozeszlig in Kiitner Zeitschlifiuumlr Soziologie und Sozialpsychologie 34 1982407-434

19 Siehe 1 Halman Individualism in Contemporary Europe in van HarshyskampMusschenga (wie Anll1 17) 25-46 hier 29 uumlber die Rolle des modernen Wohlfahrrsstaats

20 Siehe A Bendlin Peripheral Cenrres Cenrral Peripheries Rdigious Communication in the Roman Empire in H Cancik (Hg) Riimische Reichsreligion und ProJinziaLreligion Tuumlbingen 1997 35~68

21 Fuumlr Rom J Ruumlpke Dorn miitiae Die religioumlse Koustruktion des Krieges in Rom Stuttgarr 1990260-262 EM Orlin Temples Religion and Polititgt il1 the Romall Republic Leiden 1997

22 L H letersen The Baker His Tomb His Wifc and Her Breadbasket The Monument of Eurysaces in Rome in 7he Art Bulletin 85 2003 23()~257

23 So J Ruumlpke Apokalyprische Salzberge Zum sozialen Ort und zur litshyerarischen Strategie des Hirten des Hermas in Archiv szligir Religionsgeshyschichtel 1999 148~160

24 C Taylor Quellen des Selbst Die Entstehung der neuzeitlichen Identitaumlt Frankfurt Olm Main 1994 hier 14

25 K Bowes Prillftte lJorship publicJiduCJ and reigious cbange in late antiqshyuity Camhridge 2008

26 Siehe M B McGuire Ritluz Healing ill Suburban America With [he assistance of D Kantor New szligrunswick 1988240-257 J Ruumlpke HeishylungHeilungen I Religionsgeschichtlich in Lexikoll fiir 1heoLogie und Kirche Bd 41995 1357f

27 W V Harris B Hohnes (eck) Aeliw Aristides between Gleece Rome and the godJ Leiden 2008 A Petsalis-Diomidis TruLy Beyond 1vonders Aelius Aristides ami the CuLt 0Asklepios Oxford 2009

28 A Bendlin Vom Nutzen und Nachteil der Mantik Orakel im Medium von Handlung und Literatur in der Zeit der Zweiten Sophistik in D Elm von der Osten J Ruumlpke K Waldner (Hg) Texte als Medium und Reflexion Jon Religion im riimischm ampich Stuttgarr 2006 159~207 N szligelayche J Ruumlpke Divination er revelation dans les mondes grec ct romain prcsenmtion in RHR 2242 2007 139-147

20102011 144530 I

230 Anmerkungen

29 ] Ruumlpke Kalender lind Offmtlichkeit Die Geschichte der Repraumlsentation und religiaumlsen Qualifikation von Zeit in Rom Berlin 1995587-592] Ruumlpke Zeit und Fest Eine Kulturgeschichte des Kalenders Muumlnchen 2006 182-187

30 K von Stuckrad Das Rillgen 14m die Astrologie Juumldische und christliche Beitraumlge zum antiken ZeitverstaumlndJis Berlin 2000

31 C van Liefferinge La 7heurgie Des Omcles Chaldaiques aProclus Lieges 1999 N Janowitz conJ 0Power Ritual Practices in Late Antiquiry Unishyversity Park PA 2002 E Athanassiadi Dreuns 1heurgy and Freelance Divination The Testimony ofIamblichus in JRS 83 1993 115-130

32 R Gordon Imagining Creek and Roman Magie in V Flint (ed) Witchcraft md Alagic in Europe 2 Ancient Gruce and Rome London 1999 159-275 R Gordon Mlgic as a topOS in Augustan Poetry Disshycourse Realityand Distance in Archiv flr Religiomgeschichte 112009 209-228

Anmerkungen zu den Seiten 61-74 Sabine Schmolinsky Die Zeit der Anderen Juden Heiden Ketzer im christshylichen GescJiclmdllken

M Srausberg Renaissancen Vermitdungsformen des Paganen in H G Kippenberg J Ruumlpke K von Stuckrnd (Hg) Europaumlische Religionshysgeschichte Ein menjacher Plumlisrnus Bd 2 Goumlttingen 2009 695-721 hier 709

2 C Auffarrh Mittelalterliche Modelle der Eingrenzung und Ausgrenzung religioumlser Verschiedenheit in KippenbergRuumlpkevon Stuckrad Bei 1 193-218 hier 193

3 C Auffanh Pluralismus Religion und Mittelalter Das Mittelalter als Teil der Europaumlischen Religionsgeschichte in ders (Hg) Religioumlser Plumlismus illl Mittelalter Besichtigung einer ~Epocbe der Europaumlischen ReshyligionsgeJchichte Berlin 2007 11-23 hier 17f

4 VgL Auffimn (wie Anm 2) 211 f 5 Vgl W Stuumlrner Friedrich ll Teil 1 244f 251 Teil 2 Der Kaiser 1220shy

1250 Darmstadt 2000 266 271f 287-289 297-299 6 Bibelzitare nach Die Bibel A1res und Neues Testament Einheitsuumlbersetshy

wng PrciburglBasellWien 1980 7 In der Apostelgeschichre (1344middot-48) wird diese Abfolge mir deutlich allshy

tijuumldischer Akzentuierung als eine Mi$$ionierungsgeschichte e17iihlt Am folgenden Sabbat versammelte sich aumlst die ganze Sradr um das Wort des Herrn 7U houmlren Als die Juden die Scharen sahen wurden sie eifersuumlchtig widersprachen den Worten des Paulus und stieHen Iiisterungen aus Paulus und Barnabas aber erklaumlrten freimuumltig Euch [= den Juden Jmuszligte das Wort

20102011 144530 I

60 JaumlrgRuumlpke

terisieren Ich habe mich fuumlr die Nuumltzlichkeit eines analytischen Werkshyzeuges verschiedener Arten von Individualitaumlt und der Suche nach dem Individuum in unseren religionsgeschichtlichen Daten ausgesprochen Jedes Urteil uumlber die Periode insgesamt waumlre vorzeitig Gleichwohl ist es offensichtlich dass einige der Typen und Grade der fuumlr die Eposhyche als charakteristisch behaupteten Individualitaumltstypen positiv oder negativ mit der Formiefllng von Religionen korrelieren Mit einem solchen Zugriff koumlnnte eine fruchtbare Untersuchung des Uumlberganshyges von der Antike ins Mittelalter und in die Renaissance betrieben werden die einige FaUen der Interpretation der Spaumltantike vermeiden koumlnnte Eine testbare Hypothese ist das noch nicht

Und damit bin ich bei meiner Ausgangsfrage nach dem Beginn Eushyropaumlischer Religionsgeschichte wieder angekommen Die Diskussion der Achsenzeit hat impliziert dass es nicht reicht nach europaumlischen Ursachen von Phaumlnomenen zu suchen die sich selbst nicht auf Euroshypa beschraumlnken DifFusion etwa im Zeitalter des Imperialismus und Kolonialismus ist wichtig aber erklaumlrt nicht alles Explizit ist in dieshyser Diskussion deutlich geworden dass es nicht mehr reicht sich auf Gruumlndcdiguren auf Religionsstifter ZlI beschraumlnken

Ich hoffe aber dass meine vorsichtigen Formulierungen deurlich gemacht haben dass es mir gar nicht um die Frage absoluter datierbashyrer Anginge geht Es sind bestimmte Aspekte gegenwaumlrtiger Religion so meine Ausgangsthese die es lohneswert erscheinen lassen weit zushyruumlckzublicken und sich nicht auf die uumlbliche Unterstellung mit der Moderne werde alles anders einzulassen Wenn man Religion unrer dem Aspekt VOll Gruppenbildullg von Sozialproduktivitaumlt wie Hans Kippenberg es formuliert hat sieht mit all den Konsequenzen fuumlr einen Seaat und ein Rechtssystem wenn man Religion mit individushyeller religioumlser Erfahrung zusammenbringe dann lohnt es sich ja ist es fuumlr die Disziplin Religionswissenschaft unabdingbar bis in die helshylenistisch-roumlmische Epoche zuruumlckzublicken Mehr nicht Dass Euroshypaumlische Religionsgeschichte hier ihren Anfang genommen huumlte mag man sagen aber eine wissenschaftliche Aussage ist das nicht mehr Das ist der Beginn einer Erzaumlhlung die Sinn stiften kann oder Verwirrung die in diesem Sinne hilfreich oder unsinnig ist Aber das ist ein anderes Gmos das Politiker oder kulturelle Sinnstifter bedienen sollen nicht Religionshisroriker

20102011 144526 I

Anmerkungen 227

14 C Richmond Tsang W0r and Faith Ikko ikki in Ltlte lvfurofllchi Japan Cambridge MA Harvard Universiry Asia Cemer 2007

1 S Der Begriff stammt von R Eskildsen Of Civiization and Savages 1he Mimcdc Impcrialism ofJapans 1874 Expedition to Taiwan in Amerishycml Historiml Review 107 2002 388-418

16 YuS Japanese Religions 107 17 Yang Fenggang Thc Red Black and Gray Markers of Religion in Chishy

na in Sodgiml Quarterly 47200693-122 18 Hee-Seok Park Schamflllismw ohne Magie Seine idulfe Rolle und prakshy

tiltehe Funktion in der suumldkoreanischm Prowtbewegung Muumlnchen 2009

Anmerkungm zu dm Seiten 29-45 OlristofMandry Plumlimus als Problem und Pltmzlismus Ills Wert theologisch-ethische Uumlberlegungen

Das hebt etwa Ruumlpkc programmatisch hervor vgl J Ruumlpke Europa und die europaumlische Religionsgeschichte in H G Kippenberg 1 Ruumlpke K von Stuckrad (Hg) Europaumlische Religionsgeschichte Ein mch~focher Plushyralismus Bd I Goumltringen 2009 3-14 hier 9[

2 Vgl die differenzierten Uumlberlegungen von Ruumlpke ebd 4-9 und seine Warnungen vor dem Kreieren neuer Essentialismcn durch die normativ grundierte Option rur Pluralismus (vgl ebd 10)

3 Fuumlr eine eingehende Analyse und Bewertung des politischen Selbstvershystaumlndnisses der Europaumlischen Union als Wertegemeinschaft verweise ich auf mein Buch C Mandry Europa als Werregemeiwchflft Eine theshyologisch-ethische Studie zum politischen SelbsfIerstaumlndnis dcr Europaumlischen Unioll Baden-Baden 2009

4 Vgl dazu und zur religioumlsen Dimension des Konflikts D Zifonun und M 1akiSa Religioumlse Vielfalt und religioumlser Konflikt Der Fall Bosnien und Herzegowina in KippenberglRuumlpkevon Stuckrad (5 Anm 1) 411-438

Anmerkungen zu den Seiten 47-60 Joumlrg Ruumlpke Wt1JIn begann die Europdische Religionsgm-hichte Der hellenistischshyroumlmische Mittelmcermum und die europaumlische GegenuNtrt

Diese Arbeir entstand im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgeshymeimchaft finanzierten Kollegforschergruppe Religioumlse Individualisiershyung in Historischer Perspektive am Max-Weber-Kolleg der Universitaumlr Erfurr Ich danke insbesondere Hans oas Richard Gordon und Wolfshygang Spickermann flir die intensive Diskussion in diesem Rahmen Frau

20102011 144530 I

228 Anmerkungen

Julia Carls Erfurr bin ich fuumlr die Schlussbearbeirung dankbar - Die Utshyerarurangaben beziehen sich auf das nachfolgende Literaturverzeichnis

2 K Jaspers Vom Ursprung und Ziel der Geschichte vIuumlnchen 1988 3 S N Eisensradt (Hg) Kulturen da Achsenzeit Ihre Urspruumlnge und ihre

Vielfolt 2 Rdebull Frankfurt a M 1987 JP Arnason SN Eisenstltldt R Wittrock (eds) Axial civiLiwtions and world history Leiden 2005

4 S N Eisenstadt Die Achsenzeit in der Weltgeschichte in H Joa5 K Wiegandt (Hg) Die kulturellen WTrtl Europas Frankfurt a M 2005 40-68 hier 43

5 S N Eisenstadt Allgemeine Einleitung Die Redingutlgel1 fuumlr die Entstehung lind InstitutionaHsierung der Kulturen der Achsenzeit in Eisenstadt Kulturen (s Anm 3) 10-40

6 Arnason Eisenstadt Wimock Civilizations (s Anm 3) 7 B Wittrock Culmral Crysrallizatiotls and World llistory -rhe Age of

Ecumenical Renaissances in JP Arnason R Winrock (eds) Eurasian 7inllJjoumlrlllatiom 7enth to Thirteenth Cemuries Crystallizations Divergencshyes Renaissances Leiden 2004 41-73 hier 47f

8 Ebd 46 9 In einer Tagung zur Individualisierung in Erfurt im September 2009 (hg

von J Ruumlpke im Erscheinen) 10 Zum folgenden ausfuumlhrlich J Ruumlpke Religioumlser Pluralismus und das roumlshy

mische Reich in H Cancik J Ruumlpke (Hg) Die Religion des Imperium Romanum Tuumlbillgen 2009 )3 1-354

11 J North The Developmcnt ofReligious Pluralism in J Ueu J North [ Rajak (ed) The Jews Among Paglns aId ChristitlrJS In he Roman Emshypire London 1994 174~193 J Rlipke Die Religion der Roumlmer Eine Einshyfiihrung 2 Aufl Muumlnchen 2006 J Ruumlpke red) lhc Blackwell CompanshyiOIl to Roman Religion Oxford 2007

12 Zur Terminologie religioumlser Gruppen im Codex siehe H Zinser ReshyIigio Secta Haeresis in den Haumlrcsiegesetzen des Codex Theodosianus (165166) von 438 in M Hurter (Hg) Hairesis FemchriJi for Karl Hoheisel zum 65 Geburtstag Jahrbuch fuumlr Antike und Christentum SupshypI 34 Muumlnster 2002215-219

13 Siehe C Ando imperial ldeology ald Prouincial Loyalty in the Roman Emshypire Berkdey 2000 lind C Ando 7he A1auer ofthe Gods Religion lind the ROffan Empire Berkeley 2008

14 Siehe r Veync LEmpire Greco-Romain Paris 2005 454f 15 JZ Smith Religion Religions ReligiolLs in vIClaylor (ed) Critishy

cal7erms for Religious Swdies Chicago 1998 269-284 16 A van Harskamp 7heologie 7ext im Kontext aufder Suche nach der A1ethshy

ode ideologiekritischer AlIalYJc der 7heologie illustriert an Wtgtrken von Drt) Moumlhfer und Staudenmaier Tuumlbingen 2000 (Mein Dank gilt Dietmar Mishy

20102011 144530 I

Anmerkungen 229

eth Fellow der Kollegforschergruppe am Max-Weber-Kolleg der Univcrshysidir Erfurt fuumlr diesen Hinweis und die andauernde Diskussion)

17 A Musschengl lhe many faces ofindividualism in A van Harskamp A Musschenga (eds) ihe many jilas 0 indirJidualism Lcuven 2001 3-24 hier 5 Fuumlr eine Uumlbersicht klassischer Individualisierungstheorien s E Kippele was heiszligt Inditidualisietullg Die AntwOlmiddotten der soziologischshy1II Klassiker Opladen 1997

18 A Hahn Zur Soziologie der Beichte und anderer Formen institutionalshyisierter Bekenntnisse SdbstthclI1ltltisierung und Zivilisatiol1Sprozeszlig in Kiitner Zeitschlifiuumlr Soziologie und Sozialpsychologie 34 1982407-434

19 Siehe 1 Halman Individualism in Contemporary Europe in van HarshyskampMusschenga (wie Anll1 17) 25-46 hier 29 uumlber die Rolle des modernen Wohlfahrrsstaats

20 Siehe A Bendlin Peripheral Cenrres Cenrral Peripheries Rdigious Communication in the Roman Empire in H Cancik (Hg) Riimische Reichsreligion und ProJinziaLreligion Tuumlbingen 1997 35~68

21 Fuumlr Rom J Ruumlpke Dorn miitiae Die religioumlse Koustruktion des Krieges in Rom Stuttgarr 1990260-262 EM Orlin Temples Religion and Polititgt il1 the Romall Republic Leiden 1997

22 L H letersen The Baker His Tomb His Wifc and Her Breadbasket The Monument of Eurysaces in Rome in 7he Art Bulletin 85 2003 23()~257

23 So J Ruumlpke Apokalyprische Salzberge Zum sozialen Ort und zur litshyerarischen Strategie des Hirten des Hermas in Archiv szligir Religionsgeshyschichtel 1999 148~160

24 C Taylor Quellen des Selbst Die Entstehung der neuzeitlichen Identitaumlt Frankfurt Olm Main 1994 hier 14

25 K Bowes Prillftte lJorship publicJiduCJ and reigious cbange in late antiqshyuity Camhridge 2008

26 Siehe M B McGuire Ritluz Healing ill Suburban America With [he assistance of D Kantor New szligrunswick 1988240-257 J Ruumlpke HeishylungHeilungen I Religionsgeschichtlich in Lexikoll fiir 1heoLogie und Kirche Bd 41995 1357f

27 W V Harris B Hohnes (eck) Aeliw Aristides between Gleece Rome and the godJ Leiden 2008 A Petsalis-Diomidis TruLy Beyond 1vonders Aelius Aristides ami the CuLt 0Asklepios Oxford 2009

28 A Bendlin Vom Nutzen und Nachteil der Mantik Orakel im Medium von Handlung und Literatur in der Zeit der Zweiten Sophistik in D Elm von der Osten J Ruumlpke K Waldner (Hg) Texte als Medium und Reflexion Jon Religion im riimischm ampich Stuttgarr 2006 159~207 N szligelayche J Ruumlpke Divination er revelation dans les mondes grec ct romain prcsenmtion in RHR 2242 2007 139-147

20102011 144530 I

230 Anmerkungen

29 ] Ruumlpke Kalender lind Offmtlichkeit Die Geschichte der Repraumlsentation und religiaumlsen Qualifikation von Zeit in Rom Berlin 1995587-592] Ruumlpke Zeit und Fest Eine Kulturgeschichte des Kalenders Muumlnchen 2006 182-187

30 K von Stuckrad Das Rillgen 14m die Astrologie Juumldische und christliche Beitraumlge zum antiken ZeitverstaumlndJis Berlin 2000

31 C van Liefferinge La 7heurgie Des Omcles Chaldaiques aProclus Lieges 1999 N Janowitz conJ 0Power Ritual Practices in Late Antiquiry Unishyversity Park PA 2002 E Athanassiadi Dreuns 1heurgy and Freelance Divination The Testimony ofIamblichus in JRS 83 1993 115-130

32 R Gordon Imagining Creek and Roman Magie in V Flint (ed) Witchcraft md Alagic in Europe 2 Ancient Gruce and Rome London 1999 159-275 R Gordon Mlgic as a topOS in Augustan Poetry Disshycourse Realityand Distance in Archiv flr Religiomgeschichte 112009 209-228

Anmerkungen zu den Seiten 61-74 Sabine Schmolinsky Die Zeit der Anderen Juden Heiden Ketzer im christshylichen GescJiclmdllken

M Srausberg Renaissancen Vermitdungsformen des Paganen in H G Kippenberg J Ruumlpke K von Stuckrnd (Hg) Europaumlische Religionshysgeschichte Ein menjacher Plumlisrnus Bd 2 Goumlttingen 2009 695-721 hier 709

2 C Auffarrh Mittelalterliche Modelle der Eingrenzung und Ausgrenzung religioumlser Verschiedenheit in KippenbergRuumlpkevon Stuckrad Bei 1 193-218 hier 193

3 C Auffanh Pluralismus Religion und Mittelalter Das Mittelalter als Teil der Europaumlischen Religionsgeschichte in ders (Hg) Religioumlser Plumlismus illl Mittelalter Besichtigung einer ~Epocbe der Europaumlischen ReshyligionsgeJchichte Berlin 2007 11-23 hier 17f

4 VgL Auffimn (wie Anm 2) 211 f 5 Vgl W Stuumlrner Friedrich ll Teil 1 244f 251 Teil 2 Der Kaiser 1220shy

1250 Darmstadt 2000 266 271f 287-289 297-299 6 Bibelzitare nach Die Bibel A1res und Neues Testament Einheitsuumlbersetshy

wng PrciburglBasellWien 1980 7 In der Apostelgeschichre (1344middot-48) wird diese Abfolge mir deutlich allshy

tijuumldischer Akzentuierung als eine Mi$$ionierungsgeschichte e17iihlt Am folgenden Sabbat versammelte sich aumlst die ganze Sradr um das Wort des Herrn 7U houmlren Als die Juden die Scharen sahen wurden sie eifersuumlchtig widersprachen den Worten des Paulus und stieHen Iiisterungen aus Paulus und Barnabas aber erklaumlrten freimuumltig Euch [= den Juden Jmuszligte das Wort

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Anmerkungen 227

14 C Richmond Tsang W0r and Faith Ikko ikki in Ltlte lvfurofllchi Japan Cambridge MA Harvard Universiry Asia Cemer 2007

1 S Der Begriff stammt von R Eskildsen Of Civiization and Savages 1he Mimcdc Impcrialism ofJapans 1874 Expedition to Taiwan in Amerishycml Historiml Review 107 2002 388-418

16 YuS Japanese Religions 107 17 Yang Fenggang Thc Red Black and Gray Markers of Religion in Chishy

na in Sodgiml Quarterly 47200693-122 18 Hee-Seok Park Schamflllismw ohne Magie Seine idulfe Rolle und prakshy

tiltehe Funktion in der suumldkoreanischm Prowtbewegung Muumlnchen 2009

Anmerkungm zu dm Seiten 29-45 OlristofMandry Plumlimus als Problem und Pltmzlismus Ills Wert theologisch-ethische Uumlberlegungen

Das hebt etwa Ruumlpkc programmatisch hervor vgl J Ruumlpke Europa und die europaumlische Religionsgeschichte in H G Kippenberg 1 Ruumlpke K von Stuckrad (Hg) Europaumlische Religionsgeschichte Ein mch~focher Plushyralismus Bd I Goumltringen 2009 3-14 hier 9[

2 Vgl die differenzierten Uumlberlegungen von Ruumlpke ebd 4-9 und seine Warnungen vor dem Kreieren neuer Essentialismcn durch die normativ grundierte Option rur Pluralismus (vgl ebd 10)

3 Fuumlr eine eingehende Analyse und Bewertung des politischen Selbstvershystaumlndnisses der Europaumlischen Union als Wertegemeinschaft verweise ich auf mein Buch C Mandry Europa als Werregemeiwchflft Eine theshyologisch-ethische Studie zum politischen SelbsfIerstaumlndnis dcr Europaumlischen Unioll Baden-Baden 2009

4 Vgl dazu und zur religioumlsen Dimension des Konflikts D Zifonun und M 1akiSa Religioumlse Vielfalt und religioumlser Konflikt Der Fall Bosnien und Herzegowina in KippenberglRuumlpkevon Stuckrad (5 Anm 1) 411-438

Anmerkungen zu den Seiten 47-60 Joumlrg Ruumlpke Wt1JIn begann die Europdische Religionsgm-hichte Der hellenistischshyroumlmische Mittelmcermum und die europaumlische GegenuNtrt

Diese Arbeir entstand im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgeshymeimchaft finanzierten Kollegforschergruppe Religioumlse Individualisiershyung in Historischer Perspektive am Max-Weber-Kolleg der Universitaumlr Erfurr Ich danke insbesondere Hans oas Richard Gordon und Wolfshygang Spickermann flir die intensive Diskussion in diesem Rahmen Frau

20102011 144530 I

228 Anmerkungen

Julia Carls Erfurr bin ich fuumlr die Schlussbearbeirung dankbar - Die Utshyerarurangaben beziehen sich auf das nachfolgende Literaturverzeichnis

2 K Jaspers Vom Ursprung und Ziel der Geschichte vIuumlnchen 1988 3 S N Eisensradt (Hg) Kulturen da Achsenzeit Ihre Urspruumlnge und ihre

Vielfolt 2 Rdebull Frankfurt a M 1987 JP Arnason SN Eisenstltldt R Wittrock (eds) Axial civiLiwtions and world history Leiden 2005

4 S N Eisenstadt Die Achsenzeit in der Weltgeschichte in H Joa5 K Wiegandt (Hg) Die kulturellen WTrtl Europas Frankfurt a M 2005 40-68 hier 43

5 S N Eisenstadt Allgemeine Einleitung Die Redingutlgel1 fuumlr die Entstehung lind InstitutionaHsierung der Kulturen der Achsenzeit in Eisenstadt Kulturen (s Anm 3) 10-40

6 Arnason Eisenstadt Wimock Civilizations (s Anm 3) 7 B Wittrock Culmral Crysrallizatiotls and World llistory -rhe Age of

Ecumenical Renaissances in JP Arnason R Winrock (eds) Eurasian 7inllJjoumlrlllatiom 7enth to Thirteenth Cemuries Crystallizations Divergencshyes Renaissances Leiden 2004 41-73 hier 47f

8 Ebd 46 9 In einer Tagung zur Individualisierung in Erfurt im September 2009 (hg

von J Ruumlpke im Erscheinen) 10 Zum folgenden ausfuumlhrlich J Ruumlpke Religioumlser Pluralismus und das roumlshy

mische Reich in H Cancik J Ruumlpke (Hg) Die Religion des Imperium Romanum Tuumlbillgen 2009 )3 1-354

11 J North The Developmcnt ofReligious Pluralism in J Ueu J North [ Rajak (ed) The Jews Among Paglns aId ChristitlrJS In he Roman Emshypire London 1994 174~193 J Rlipke Die Religion der Roumlmer Eine Einshyfiihrung 2 Aufl Muumlnchen 2006 J Ruumlpke red) lhc Blackwell CompanshyiOIl to Roman Religion Oxford 2007

12 Zur Terminologie religioumlser Gruppen im Codex siehe H Zinser ReshyIigio Secta Haeresis in den Haumlrcsiegesetzen des Codex Theodosianus (165166) von 438 in M Hurter (Hg) Hairesis FemchriJi for Karl Hoheisel zum 65 Geburtstag Jahrbuch fuumlr Antike und Christentum SupshypI 34 Muumlnster 2002215-219

13 Siehe C Ando imperial ldeology ald Prouincial Loyalty in the Roman Emshypire Berkdey 2000 lind C Ando 7he A1auer ofthe Gods Religion lind the ROffan Empire Berkeley 2008

14 Siehe r Veync LEmpire Greco-Romain Paris 2005 454f 15 JZ Smith Religion Religions ReligiolLs in vIClaylor (ed) Critishy

cal7erms for Religious Swdies Chicago 1998 269-284 16 A van Harskamp 7heologie 7ext im Kontext aufder Suche nach der A1ethshy

ode ideologiekritischer AlIalYJc der 7heologie illustriert an Wtgtrken von Drt) Moumlhfer und Staudenmaier Tuumlbingen 2000 (Mein Dank gilt Dietmar Mishy

20102011 144530 I

Anmerkungen 229

eth Fellow der Kollegforschergruppe am Max-Weber-Kolleg der Univcrshysidir Erfurt fuumlr diesen Hinweis und die andauernde Diskussion)

17 A Musschengl lhe many faces ofindividualism in A van Harskamp A Musschenga (eds) ihe many jilas 0 indirJidualism Lcuven 2001 3-24 hier 5 Fuumlr eine Uumlbersicht klassischer Individualisierungstheorien s E Kippele was heiszligt Inditidualisietullg Die AntwOlmiddotten der soziologischshy1II Klassiker Opladen 1997

18 A Hahn Zur Soziologie der Beichte und anderer Formen institutionalshyisierter Bekenntnisse SdbstthclI1ltltisierung und Zivilisatiol1Sprozeszlig in Kiitner Zeitschlifiuumlr Soziologie und Sozialpsychologie 34 1982407-434

19 Siehe 1 Halman Individualism in Contemporary Europe in van HarshyskampMusschenga (wie Anll1 17) 25-46 hier 29 uumlber die Rolle des modernen Wohlfahrrsstaats

20 Siehe A Bendlin Peripheral Cenrres Cenrral Peripheries Rdigious Communication in the Roman Empire in H Cancik (Hg) Riimische Reichsreligion und ProJinziaLreligion Tuumlbingen 1997 35~68

21 Fuumlr Rom J Ruumlpke Dorn miitiae Die religioumlse Koustruktion des Krieges in Rom Stuttgarr 1990260-262 EM Orlin Temples Religion and Polititgt il1 the Romall Republic Leiden 1997

22 L H letersen The Baker His Tomb His Wifc and Her Breadbasket The Monument of Eurysaces in Rome in 7he Art Bulletin 85 2003 23()~257

23 So J Ruumlpke Apokalyprische Salzberge Zum sozialen Ort und zur litshyerarischen Strategie des Hirten des Hermas in Archiv szligir Religionsgeshyschichtel 1999 148~160

24 C Taylor Quellen des Selbst Die Entstehung der neuzeitlichen Identitaumlt Frankfurt Olm Main 1994 hier 14

25 K Bowes Prillftte lJorship publicJiduCJ and reigious cbange in late antiqshyuity Camhridge 2008

26 Siehe M B McGuire Ritluz Healing ill Suburban America With [he assistance of D Kantor New szligrunswick 1988240-257 J Ruumlpke HeishylungHeilungen I Religionsgeschichtlich in Lexikoll fiir 1heoLogie und Kirche Bd 41995 1357f

27 W V Harris B Hohnes (eck) Aeliw Aristides between Gleece Rome and the godJ Leiden 2008 A Petsalis-Diomidis TruLy Beyond 1vonders Aelius Aristides ami the CuLt 0Asklepios Oxford 2009

28 A Bendlin Vom Nutzen und Nachteil der Mantik Orakel im Medium von Handlung und Literatur in der Zeit der Zweiten Sophistik in D Elm von der Osten J Ruumlpke K Waldner (Hg) Texte als Medium und Reflexion Jon Religion im riimischm ampich Stuttgarr 2006 159~207 N szligelayche J Ruumlpke Divination er revelation dans les mondes grec ct romain prcsenmtion in RHR 2242 2007 139-147

20102011 144530 I

230 Anmerkungen

29 ] Ruumlpke Kalender lind Offmtlichkeit Die Geschichte der Repraumlsentation und religiaumlsen Qualifikation von Zeit in Rom Berlin 1995587-592] Ruumlpke Zeit und Fest Eine Kulturgeschichte des Kalenders Muumlnchen 2006 182-187

30 K von Stuckrad Das Rillgen 14m die Astrologie Juumldische und christliche Beitraumlge zum antiken ZeitverstaumlndJis Berlin 2000

31 C van Liefferinge La 7heurgie Des Omcles Chaldaiques aProclus Lieges 1999 N Janowitz conJ 0Power Ritual Practices in Late Antiquiry Unishyversity Park PA 2002 E Athanassiadi Dreuns 1heurgy and Freelance Divination The Testimony ofIamblichus in JRS 83 1993 115-130

32 R Gordon Imagining Creek and Roman Magie in V Flint (ed) Witchcraft md Alagic in Europe 2 Ancient Gruce and Rome London 1999 159-275 R Gordon Mlgic as a topOS in Augustan Poetry Disshycourse Realityand Distance in Archiv flr Religiomgeschichte 112009 209-228

Anmerkungen zu den Seiten 61-74 Sabine Schmolinsky Die Zeit der Anderen Juden Heiden Ketzer im christshylichen GescJiclmdllken

M Srausberg Renaissancen Vermitdungsformen des Paganen in H G Kippenberg J Ruumlpke K von Stuckrnd (Hg) Europaumlische Religionshysgeschichte Ein menjacher Plumlisrnus Bd 2 Goumlttingen 2009 695-721 hier 709

2 C Auffarrh Mittelalterliche Modelle der Eingrenzung und Ausgrenzung religioumlser Verschiedenheit in KippenbergRuumlpkevon Stuckrad Bei 1 193-218 hier 193

3 C Auffanh Pluralismus Religion und Mittelalter Das Mittelalter als Teil der Europaumlischen Religionsgeschichte in ders (Hg) Religioumlser Plumlismus illl Mittelalter Besichtigung einer ~Epocbe der Europaumlischen ReshyligionsgeJchichte Berlin 2007 11-23 hier 17f

4 VgL Auffimn (wie Anm 2) 211 f 5 Vgl W Stuumlrner Friedrich ll Teil 1 244f 251 Teil 2 Der Kaiser 1220shy

1250 Darmstadt 2000 266 271f 287-289 297-299 6 Bibelzitare nach Die Bibel A1res und Neues Testament Einheitsuumlbersetshy

wng PrciburglBasellWien 1980 7 In der Apostelgeschichre (1344middot-48) wird diese Abfolge mir deutlich allshy

tijuumldischer Akzentuierung als eine Mi$$ionierungsgeschichte e17iihlt Am folgenden Sabbat versammelte sich aumlst die ganze Sradr um das Wort des Herrn 7U houmlren Als die Juden die Scharen sahen wurden sie eifersuumlchtig widersprachen den Worten des Paulus und stieHen Iiisterungen aus Paulus und Barnabas aber erklaumlrten freimuumltig Euch [= den Juden Jmuszligte das Wort

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228 Anmerkungen

Julia Carls Erfurr bin ich fuumlr die Schlussbearbeirung dankbar - Die Utshyerarurangaben beziehen sich auf das nachfolgende Literaturverzeichnis

2 K Jaspers Vom Ursprung und Ziel der Geschichte vIuumlnchen 1988 3 S N Eisensradt (Hg) Kulturen da Achsenzeit Ihre Urspruumlnge und ihre

Vielfolt 2 Rdebull Frankfurt a M 1987 JP Arnason SN Eisenstltldt R Wittrock (eds) Axial civiLiwtions and world history Leiden 2005

4 S N Eisenstadt Die Achsenzeit in der Weltgeschichte in H Joa5 K Wiegandt (Hg) Die kulturellen WTrtl Europas Frankfurt a M 2005 40-68 hier 43

5 S N Eisenstadt Allgemeine Einleitung Die Redingutlgel1 fuumlr die Entstehung lind InstitutionaHsierung der Kulturen der Achsenzeit in Eisenstadt Kulturen (s Anm 3) 10-40

6 Arnason Eisenstadt Wimock Civilizations (s Anm 3) 7 B Wittrock Culmral Crysrallizatiotls and World llistory -rhe Age of

Ecumenical Renaissances in JP Arnason R Winrock (eds) Eurasian 7inllJjoumlrlllatiom 7enth to Thirteenth Cemuries Crystallizations Divergencshyes Renaissances Leiden 2004 41-73 hier 47f

8 Ebd 46 9 In einer Tagung zur Individualisierung in Erfurt im September 2009 (hg

von J Ruumlpke im Erscheinen) 10 Zum folgenden ausfuumlhrlich J Ruumlpke Religioumlser Pluralismus und das roumlshy

mische Reich in H Cancik J Ruumlpke (Hg) Die Religion des Imperium Romanum Tuumlbillgen 2009 )3 1-354

11 J North The Developmcnt ofReligious Pluralism in J Ueu J North [ Rajak (ed) The Jews Among Paglns aId ChristitlrJS In he Roman Emshypire London 1994 174~193 J Rlipke Die Religion der Roumlmer Eine Einshyfiihrung 2 Aufl Muumlnchen 2006 J Ruumlpke red) lhc Blackwell CompanshyiOIl to Roman Religion Oxford 2007

12 Zur Terminologie religioumlser Gruppen im Codex siehe H Zinser ReshyIigio Secta Haeresis in den Haumlrcsiegesetzen des Codex Theodosianus (165166) von 438 in M Hurter (Hg) Hairesis FemchriJi for Karl Hoheisel zum 65 Geburtstag Jahrbuch fuumlr Antike und Christentum SupshypI 34 Muumlnster 2002215-219

13 Siehe C Ando imperial ldeology ald Prouincial Loyalty in the Roman Emshypire Berkdey 2000 lind C Ando 7he A1auer ofthe Gods Religion lind the ROffan Empire Berkeley 2008

14 Siehe r Veync LEmpire Greco-Romain Paris 2005 454f 15 JZ Smith Religion Religions ReligiolLs in vIClaylor (ed) Critishy

cal7erms for Religious Swdies Chicago 1998 269-284 16 A van Harskamp 7heologie 7ext im Kontext aufder Suche nach der A1ethshy

ode ideologiekritischer AlIalYJc der 7heologie illustriert an Wtgtrken von Drt) Moumlhfer und Staudenmaier Tuumlbingen 2000 (Mein Dank gilt Dietmar Mishy

20102011 144530 I

Anmerkungen 229

eth Fellow der Kollegforschergruppe am Max-Weber-Kolleg der Univcrshysidir Erfurt fuumlr diesen Hinweis und die andauernde Diskussion)

17 A Musschengl lhe many faces ofindividualism in A van Harskamp A Musschenga (eds) ihe many jilas 0 indirJidualism Lcuven 2001 3-24 hier 5 Fuumlr eine Uumlbersicht klassischer Individualisierungstheorien s E Kippele was heiszligt Inditidualisietullg Die AntwOlmiddotten der soziologischshy1II Klassiker Opladen 1997

18 A Hahn Zur Soziologie der Beichte und anderer Formen institutionalshyisierter Bekenntnisse SdbstthclI1ltltisierung und Zivilisatiol1Sprozeszlig in Kiitner Zeitschlifiuumlr Soziologie und Sozialpsychologie 34 1982407-434

19 Siehe 1 Halman Individualism in Contemporary Europe in van HarshyskampMusschenga (wie Anll1 17) 25-46 hier 29 uumlber die Rolle des modernen Wohlfahrrsstaats

20 Siehe A Bendlin Peripheral Cenrres Cenrral Peripheries Rdigious Communication in the Roman Empire in H Cancik (Hg) Riimische Reichsreligion und ProJinziaLreligion Tuumlbingen 1997 35~68

21 Fuumlr Rom J Ruumlpke Dorn miitiae Die religioumlse Koustruktion des Krieges in Rom Stuttgarr 1990260-262 EM Orlin Temples Religion and Polititgt il1 the Romall Republic Leiden 1997

22 L H letersen The Baker His Tomb His Wifc and Her Breadbasket The Monument of Eurysaces in Rome in 7he Art Bulletin 85 2003 23()~257

23 So J Ruumlpke Apokalyprische Salzberge Zum sozialen Ort und zur litshyerarischen Strategie des Hirten des Hermas in Archiv szligir Religionsgeshyschichtel 1999 148~160

24 C Taylor Quellen des Selbst Die Entstehung der neuzeitlichen Identitaumlt Frankfurt Olm Main 1994 hier 14

25 K Bowes Prillftte lJorship publicJiduCJ and reigious cbange in late antiqshyuity Camhridge 2008

26 Siehe M B McGuire Ritluz Healing ill Suburban America With [he assistance of D Kantor New szligrunswick 1988240-257 J Ruumlpke HeishylungHeilungen I Religionsgeschichtlich in Lexikoll fiir 1heoLogie und Kirche Bd 41995 1357f

27 W V Harris B Hohnes (eck) Aeliw Aristides between Gleece Rome and the godJ Leiden 2008 A Petsalis-Diomidis TruLy Beyond 1vonders Aelius Aristides ami the CuLt 0Asklepios Oxford 2009

28 A Bendlin Vom Nutzen und Nachteil der Mantik Orakel im Medium von Handlung und Literatur in der Zeit der Zweiten Sophistik in D Elm von der Osten J Ruumlpke K Waldner (Hg) Texte als Medium und Reflexion Jon Religion im riimischm ampich Stuttgarr 2006 159~207 N szligelayche J Ruumlpke Divination er revelation dans les mondes grec ct romain prcsenmtion in RHR 2242 2007 139-147

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230 Anmerkungen

29 ] Ruumlpke Kalender lind Offmtlichkeit Die Geschichte der Repraumlsentation und religiaumlsen Qualifikation von Zeit in Rom Berlin 1995587-592] Ruumlpke Zeit und Fest Eine Kulturgeschichte des Kalenders Muumlnchen 2006 182-187

30 K von Stuckrad Das Rillgen 14m die Astrologie Juumldische und christliche Beitraumlge zum antiken ZeitverstaumlndJis Berlin 2000

31 C van Liefferinge La 7heurgie Des Omcles Chaldaiques aProclus Lieges 1999 N Janowitz conJ 0Power Ritual Practices in Late Antiquiry Unishyversity Park PA 2002 E Athanassiadi Dreuns 1heurgy and Freelance Divination The Testimony ofIamblichus in JRS 83 1993 115-130

32 R Gordon Imagining Creek and Roman Magie in V Flint (ed) Witchcraft md Alagic in Europe 2 Ancient Gruce and Rome London 1999 159-275 R Gordon Mlgic as a topOS in Augustan Poetry Disshycourse Realityand Distance in Archiv flr Religiomgeschichte 112009 209-228

Anmerkungen zu den Seiten 61-74 Sabine Schmolinsky Die Zeit der Anderen Juden Heiden Ketzer im christshylichen GescJiclmdllken

M Srausberg Renaissancen Vermitdungsformen des Paganen in H G Kippenberg J Ruumlpke K von Stuckrnd (Hg) Europaumlische Religionshysgeschichte Ein menjacher Plumlisrnus Bd 2 Goumlttingen 2009 695-721 hier 709

2 C Auffarrh Mittelalterliche Modelle der Eingrenzung und Ausgrenzung religioumlser Verschiedenheit in KippenbergRuumlpkevon Stuckrad Bei 1 193-218 hier 193

3 C Auffanh Pluralismus Religion und Mittelalter Das Mittelalter als Teil der Europaumlischen Religionsgeschichte in ders (Hg) Religioumlser Plumlismus illl Mittelalter Besichtigung einer ~Epocbe der Europaumlischen ReshyligionsgeJchichte Berlin 2007 11-23 hier 17f

4 VgL Auffimn (wie Anm 2) 211 f 5 Vgl W Stuumlrner Friedrich ll Teil 1 244f 251 Teil 2 Der Kaiser 1220shy

1250 Darmstadt 2000 266 271f 287-289 297-299 6 Bibelzitare nach Die Bibel A1res und Neues Testament Einheitsuumlbersetshy

wng PrciburglBasellWien 1980 7 In der Apostelgeschichre (1344middot-48) wird diese Abfolge mir deutlich allshy

tijuumldischer Akzentuierung als eine Mi$$ionierungsgeschichte e17iihlt Am folgenden Sabbat versammelte sich aumlst die ganze Sradr um das Wort des Herrn 7U houmlren Als die Juden die Scharen sahen wurden sie eifersuumlchtig widersprachen den Worten des Paulus und stieHen Iiisterungen aus Paulus und Barnabas aber erklaumlrten freimuumltig Euch [= den Juden Jmuszligte das Wort

20102011 144530 I

Anmerkungen 229

eth Fellow der Kollegforschergruppe am Max-Weber-Kolleg der Univcrshysidir Erfurt fuumlr diesen Hinweis und die andauernde Diskussion)

17 A Musschengl lhe many faces ofindividualism in A van Harskamp A Musschenga (eds) ihe many jilas 0 indirJidualism Lcuven 2001 3-24 hier 5 Fuumlr eine Uumlbersicht klassischer Individualisierungstheorien s E Kippele was heiszligt Inditidualisietullg Die AntwOlmiddotten der soziologischshy1II Klassiker Opladen 1997

18 A Hahn Zur Soziologie der Beichte und anderer Formen institutionalshyisierter Bekenntnisse SdbstthclI1ltltisierung und Zivilisatiol1Sprozeszlig in Kiitner Zeitschlifiuumlr Soziologie und Sozialpsychologie 34 1982407-434

19 Siehe 1 Halman Individualism in Contemporary Europe in van HarshyskampMusschenga (wie Anll1 17) 25-46 hier 29 uumlber die Rolle des modernen Wohlfahrrsstaats

20 Siehe A Bendlin Peripheral Cenrres Cenrral Peripheries Rdigious Communication in the Roman Empire in H Cancik (Hg) Riimische Reichsreligion und ProJinziaLreligion Tuumlbingen 1997 35~68

21 Fuumlr Rom J Ruumlpke Dorn miitiae Die religioumlse Koustruktion des Krieges in Rom Stuttgarr 1990260-262 EM Orlin Temples Religion and Polititgt il1 the Romall Republic Leiden 1997

22 L H letersen The Baker His Tomb His Wifc and Her Breadbasket The Monument of Eurysaces in Rome in 7he Art Bulletin 85 2003 23()~257

23 So J Ruumlpke Apokalyprische Salzberge Zum sozialen Ort und zur litshyerarischen Strategie des Hirten des Hermas in Archiv szligir Religionsgeshyschichtel 1999 148~160

24 C Taylor Quellen des Selbst Die Entstehung der neuzeitlichen Identitaumlt Frankfurt Olm Main 1994 hier 14

25 K Bowes Prillftte lJorship publicJiduCJ and reigious cbange in late antiqshyuity Camhridge 2008

26 Siehe M B McGuire Ritluz Healing ill Suburban America With [he assistance of D Kantor New szligrunswick 1988240-257 J Ruumlpke HeishylungHeilungen I Religionsgeschichtlich in Lexikoll fiir 1heoLogie und Kirche Bd 41995 1357f

27 W V Harris B Hohnes (eck) Aeliw Aristides between Gleece Rome and the godJ Leiden 2008 A Petsalis-Diomidis TruLy Beyond 1vonders Aelius Aristides ami the CuLt 0Asklepios Oxford 2009

28 A Bendlin Vom Nutzen und Nachteil der Mantik Orakel im Medium von Handlung und Literatur in der Zeit der Zweiten Sophistik in D Elm von der Osten J Ruumlpke K Waldner (Hg) Texte als Medium und Reflexion Jon Religion im riimischm ampich Stuttgarr 2006 159~207 N szligelayche J Ruumlpke Divination er revelation dans les mondes grec ct romain prcsenmtion in RHR 2242 2007 139-147

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230 Anmerkungen

29 ] Ruumlpke Kalender lind Offmtlichkeit Die Geschichte der Repraumlsentation und religiaumlsen Qualifikation von Zeit in Rom Berlin 1995587-592] Ruumlpke Zeit und Fest Eine Kulturgeschichte des Kalenders Muumlnchen 2006 182-187

30 K von Stuckrad Das Rillgen 14m die Astrologie Juumldische und christliche Beitraumlge zum antiken ZeitverstaumlndJis Berlin 2000

31 C van Liefferinge La 7heurgie Des Omcles Chaldaiques aProclus Lieges 1999 N Janowitz conJ 0Power Ritual Practices in Late Antiquiry Unishyversity Park PA 2002 E Athanassiadi Dreuns 1heurgy and Freelance Divination The Testimony ofIamblichus in JRS 83 1993 115-130

32 R Gordon Imagining Creek and Roman Magie in V Flint (ed) Witchcraft md Alagic in Europe 2 Ancient Gruce and Rome London 1999 159-275 R Gordon Mlgic as a topOS in Augustan Poetry Disshycourse Realityand Distance in Archiv flr Religiomgeschichte 112009 209-228

Anmerkungen zu den Seiten 61-74 Sabine Schmolinsky Die Zeit der Anderen Juden Heiden Ketzer im christshylichen GescJiclmdllken

M Srausberg Renaissancen Vermitdungsformen des Paganen in H G Kippenberg J Ruumlpke K von Stuckrnd (Hg) Europaumlische Religionshysgeschichte Ein menjacher Plumlisrnus Bd 2 Goumlttingen 2009 695-721 hier 709

2 C Auffarrh Mittelalterliche Modelle der Eingrenzung und Ausgrenzung religioumlser Verschiedenheit in KippenbergRuumlpkevon Stuckrad Bei 1 193-218 hier 193

3 C Auffanh Pluralismus Religion und Mittelalter Das Mittelalter als Teil der Europaumlischen Religionsgeschichte in ders (Hg) Religioumlser Plumlismus illl Mittelalter Besichtigung einer ~Epocbe der Europaumlischen ReshyligionsgeJchichte Berlin 2007 11-23 hier 17f

4 VgL Auffimn (wie Anm 2) 211 f 5 Vgl W Stuumlrner Friedrich ll Teil 1 244f 251 Teil 2 Der Kaiser 1220shy

1250 Darmstadt 2000 266 271f 287-289 297-299 6 Bibelzitare nach Die Bibel A1res und Neues Testament Einheitsuumlbersetshy

wng PrciburglBasellWien 1980 7 In der Apostelgeschichre (1344middot-48) wird diese Abfolge mir deutlich allshy

tijuumldischer Akzentuierung als eine Mi$$ionierungsgeschichte e17iihlt Am folgenden Sabbat versammelte sich aumlst die ganze Sradr um das Wort des Herrn 7U houmlren Als die Juden die Scharen sahen wurden sie eifersuumlchtig widersprachen den Worten des Paulus und stieHen Iiisterungen aus Paulus und Barnabas aber erklaumlrten freimuumltig Euch [= den Juden Jmuszligte das Wort

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230 Anmerkungen

29 ] Ruumlpke Kalender lind Offmtlichkeit Die Geschichte der Repraumlsentation und religiaumlsen Qualifikation von Zeit in Rom Berlin 1995587-592] Ruumlpke Zeit und Fest Eine Kulturgeschichte des Kalenders Muumlnchen 2006 182-187

30 K von Stuckrad Das Rillgen 14m die Astrologie Juumldische und christliche Beitraumlge zum antiken ZeitverstaumlndJis Berlin 2000

31 C van Liefferinge La 7heurgie Des Omcles Chaldaiques aProclus Lieges 1999 N Janowitz conJ 0Power Ritual Practices in Late Antiquiry Unishyversity Park PA 2002 E Athanassiadi Dreuns 1heurgy and Freelance Divination The Testimony ofIamblichus in JRS 83 1993 115-130

32 R Gordon Imagining Creek and Roman Magie in V Flint (ed) Witchcraft md Alagic in Europe 2 Ancient Gruce and Rome London 1999 159-275 R Gordon Mlgic as a topOS in Augustan Poetry Disshycourse Realityand Distance in Archiv flr Religiomgeschichte 112009 209-228

Anmerkungen zu den Seiten 61-74 Sabine Schmolinsky Die Zeit der Anderen Juden Heiden Ketzer im christshylichen GescJiclmdllken

M Srausberg Renaissancen Vermitdungsformen des Paganen in H G Kippenberg J Ruumlpke K von Stuckrnd (Hg) Europaumlische Religionshysgeschichte Ein menjacher Plumlisrnus Bd 2 Goumlttingen 2009 695-721 hier 709

2 C Auffarrh Mittelalterliche Modelle der Eingrenzung und Ausgrenzung religioumlser Verschiedenheit in KippenbergRuumlpkevon Stuckrad Bei 1 193-218 hier 193

3 C Auffanh Pluralismus Religion und Mittelalter Das Mittelalter als Teil der Europaumlischen Religionsgeschichte in ders (Hg) Religioumlser Plumlismus illl Mittelalter Besichtigung einer ~Epocbe der Europaumlischen ReshyligionsgeJchichte Berlin 2007 11-23 hier 17f

4 VgL Auffimn (wie Anm 2) 211 f 5 Vgl W Stuumlrner Friedrich ll Teil 1 244f 251 Teil 2 Der Kaiser 1220shy

1250 Darmstadt 2000 266 271f 287-289 297-299 6 Bibelzitare nach Die Bibel A1res und Neues Testament Einheitsuumlbersetshy

wng PrciburglBasellWien 1980 7 In der Apostelgeschichre (1344middot-48) wird diese Abfolge mir deutlich allshy

tijuumldischer Akzentuierung als eine Mi$$ionierungsgeschichte e17iihlt Am folgenden Sabbat versammelte sich aumlst die ganze Sradr um das Wort des Herrn 7U houmlren Als die Juden die Scharen sahen wurden sie eifersuumlchtig widersprachen den Worten des Paulus und stieHen Iiisterungen aus Paulus und Barnabas aber erklaumlrten freimuumltig Euch [= den Juden Jmuszligte das Wort

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