(2006) Blended Language Learning. Potential und Herausforderung

7
286 BLENDED LANGVAGE LEARNING: POTENTIAL UND HERAUSFORDERUNG KurtKphn Universität Tübingen ·Der Anspruch von Blended Learning besteht darin, un- terschiedliche Ausprägungen des Lehrens und Lemens so miteinander zu verbinden, dass ihre jeweiligen didak- tischen Stärken zum Wohl der Lernenden genutzt wer- den können. Nach einer kurzen Analyse der Zurück- haltung, mit der Blended-Learning-Visionen aufgenom- men werden, geht der Beitrag auf sprachdidaktische Vor- gaben und lerntheoretische Einsichten ein: schulische Bildungsstandards, kommunikative Kompetenz, Kon- struktivistismus. Vor diesem Hintergrund wird dann das Sprachlernpotential von eLearning genauer untersucht. Fazit ist, dass sich gerade für einen modernen Fremd- sprachenunterricht mit seinen Anforderungen hinsicht- lich Kommunikationsorientierung, kultureH-fachlicher Authentizität sowie selbstständigem und kollaborati- vem Lernen ein relevanter und auch finanzierbarer "Mehr- wert" ergibt. Beispiele und erste (positive) Erfahrungen werden zur weiteren empirischen Unterstützung heran- gezogen. 1. Vision und Realität Unter Blended Learning versteht man die didak- tische Verbindung traditioneller Formen des Leb- rens und Lemens mit den neuen Möglichkeiten von Multimedia und eLearning. Ziel ist, die di- daktischen Vorteile und Stärken der jeweiligen Methoden zu erschließen, ohne sich damit zu- gleich auch auf die bei isolierter Nutzung unver- meidlichen Nachteile und Schwächen einlassen zu müssen. Einer anspruchsvollen und sympathischen Vision zufolge bietet Blended Leaming "a real oppor- tunity to create learning experiences that can pro- vide the right Ieaming at the right time and in the right place for each and every individual, not just at work, but in schools, universities and even at home. It can be truly universal, crossing global boundaries and bringing groups of Ieamers to- gether through different cultures and time zones. In this context Blended-Leaming could become one of the most significant developments of the 21st century" (Thome 2003: 18). Einen ähnlichen Anspruch formulieren die Kom- munikationswissenschaftlerinnen Helga Kröger und Antares Reisky: "'Blended Leaming' [ ... ] bie- tet einen konstruktiven Mix aus Online- und Prä- senzphasen, der es Lernenden ermöglicht, sich so- wohl zeit- und ortsunabhängig als auch im Ver- bund mit anderen, im kooperativen Miteinander aus- bzw. weiterzubilden. Somit ist eine zeit- nahe, flexible und wirtschaftliche Qualifizierung sowie auf den konkreten Bedarf ausgerichtete Fortbildung möglich, die mit den traditionellen Methoden nicht zu bewerkstelligen ist" (Kröger & Reisky 2004: I I). Aber wie passt zu dieser Vision die Zurückhal- tung, mit der das Konzept des Blended Leaming in nahezu sämtlichen Lehr-/Leminstitutionen - von Schule und Universität bis hin zur berufli- chen Aus- und Weiterbildung- immer noch auf- genommen wird? Um dies zu verstehen, muss man sich klarma- chen, dass es sich beim Blended Learning um eine Reaktion auf die mangelnde Akzeptanz und den offenkundigen (didaktischen wie wirtschaft- lichen) Misserfolg der multimedialen Offline- und Online-Varianten des seit den frühen 1990er Jah- ren allzu einseitig propagierten eLeaming han- delt. Es ist aus der Einsicht erwachsen, dass die traditionellen Lehr-/Lernformen mit ihren be- kannten Schwächen und Engpässen sich eben doch nicht so ohne weiteres durch eLeaming-Maß- nahmen ersetzen lassen. eLearning bedarf viel- mehr, um erfolgreich zu sein, der Einbettung in einen didaktischen Gesamtzusarnmenhang, in dem sämtliche Formen des Lebrens und Lemens je nach Lernziel, Lemerbedürfuissen, infrastruktu- rellen Rahmenbedingungen und didaktischer Pas- sung ihren natürlichen Platz haben. Blended Leaming bietet den geeigneten didakti- schen Rahmen ftir den Einsatz von eLeaming- Angeboten. Es ist somit ein überzeugendes Kon- zept insbesondere ftir jene, die immer schon zu den Beftirwortem des eLeaming gehörten. Wer dem eLearning aber eher skeptisch und zurück- haltend gegenüberstand, sah und sieht in Blended Leaming nur zu leicht den Versuch; eLeaming- Maßnahmen nun gewissermaßen durch die Hin- tertüre einzuschleusen. Dieser Verdacht könnte dadurch weitere Nahrung erhalten, dass das "neue" Konzept des Blended Leaming aus didaktischer Sicht ein eher alter Hut ist. Gute Lehrer haben es schon immer verstanden, unterschiedliche For- men des Lebrens und Lemens gewinnbringend miteinander zu verbinden. Für sie hat Blended Leaming mithin nicht unbedingt- wie vielleicht ftir Fachfremde- einen natürlichen Innovations- appeal. Neben eLeaming-Fokus und geringem Neuig- keitswert dürften auch die didaktisch-organisa- torischen Umstellungsprobleme von nicht gerin- ger Bedeutung ftir die zögerliche Realisierung von Blended-Leaming-Konzepten sein. Man darf nicht übersehen, dass die traditionellen Lehr-/ Lernmethoden ein geschlossenes Ensemble bil- den, in dem es eben keine didaktischen Freiräu- me gibt, die nur darauf warten, von eLeaming- Maßnahmen gefüllt zu werden. Die Einbindung

Transcript of (2006) Blended Language Learning. Potential und Herausforderung

286

BLENDED LANGVAGE LEARNING: POTENTIAL UND HERAUSFORDERUNG

KurtKphn

Universität Tübingen

·Der Anspruch von Blended Learning besteht darin, un­terschiedliche Ausprägungen des Lehrens und Lemens so miteinander zu verbinden, dass ihre jeweiligen didak­tischen Stärken zum Wohl der Lernenden genutzt wer­den können. Nach einer kurzen Analyse der Zurück­haltung, mit der Blended-Learning-Visionen aufgenom­men werden, geht der Beitrag auf sprachdidaktische Vor­gaben und lerntheoretische Einsichten ein: schulische Bildungsstandards, kommunikative Kompetenz, Kon­struktivistismus. Vor diesem Hintergrund wird dann das Sprachlernpotential von eLearning genauer untersucht. Fazit ist, dass sich gerade für einen modernen Fremd­sprachenunterricht mit seinen Anforderungen hinsicht­lich Kommunikationsorientierung, kultureH-fachlicher Authentizität sowie selbstständigem und kollaborati­vem Lernen ein relevanter und auch finanzierbarer "Mehr­wert" ergibt. Beispiele und erste (positive) Erfahrungen werden zur weiteren empirischen Unterstützung heran­gezogen.

1. Vision und Realität

Unter Blended Learning versteht man die didak­tische Verbindung traditioneller Formen des Leb­rens und Lemens mit den neuen Möglichkeiten von Multimedia und eLearning. Ziel ist, die di­daktischen Vorteile und Stärken der jeweiligen Methoden zu erschließen, ohne sich damit zu­gleich auch auf die bei isolierter Nutzung unver­meidlichen Nachteile und Schwächen einlassen zu müssen. Einer anspruchsvollen und sympathischen Vision zufolge bietet Blended Leaming "a real oppor­tunity to create learning experiences that can pro­vide the right Ieaming at the right time and in the right place for each and every individual, not just at work, but in schools, universities and even at home. It can be truly universal, crossing global boundaries and bringing groups of Ieamers to­gether through different cultures and time zones. In this context Blended-Leaming could become one of the most significant developments of the 21st century" (Thome 2003: 18). Einen ähnlichen Anspruch formulieren die Kom­munikationswissenschaftlerinnen Helga Kröger und Antares Reisky: "'Blended Leaming' [ ... ] bie­tet einen konstruktiven Mix aus Online- und Prä­senzphasen, der es Lernenden ermöglicht, sich so­wohl zeit- und ortsunabhängig als auch im Ver­bund mit anderen, im kooperativen Miteinander aus- bzw. weiterzubilden. Somit ist eine zeit­nahe, flexible und wirtschaftliche Qualifizierung sowie auf den konkreten Bedarf ausgerichtete

Fortbildung möglich, die mit den traditionellen Methoden nicht zu bewerkstelligen ist" (Kröger & Reisky 2004: I I). Aber wie passt zu dieser Vision die Zurückhal­tung, mit der das Konzept des Blended Leaming in nahezu sämtlichen Lehr-/Leminstitutionen -von Schule und Universität bis hin zur berufli­chen Aus- und Weiterbildung- immer noch auf­genommen wird? Um dies zu verstehen, muss man sich klarma­chen, dass es sich beim Blended Learning um eine Reaktion auf die mangelnde Akzeptanz und den offenkundigen (didaktischen wie wirtschaft­lichen) Misserfolg der multimedialen Offline- und Online-Varianten des seit den frühen 1990er Jah­ren allzu einseitig propagierten eLeaming han­delt. Es ist aus der Einsicht erwachsen, dass die traditionellen Lehr-/Lernformen mit ihren be­kannten Schwächen und Engpässen sich eben doch nicht so ohne weiteres durch eLeaming-Maß­nahmen ersetzen lassen. eLearning bedarf viel­mehr, um erfolgreich zu sein, der Einbettung in einen didaktischen Gesamtzusarnmenhang, in dem sämtliche Formen des Lebrens und Lemens je nach Lernziel, Lemerbedürfuissen, infrastruktu­rellen Rahmenbedingungen und didaktischer Pas­sung ihren natürlichen Platz haben. Blended Leaming bietet den geeigneten didakti­schen Rahmen ftir den Einsatz von eLeaming­Angeboten. Es ist somit ein überzeugendes Kon­zept insbesondere ftir jene, die immer schon zu den Beftirwortem des eLeaming gehörten. Wer dem eLearning aber eher skeptisch und zurück­haltend gegenüberstand, sah und sieht in Blended Leaming nur zu leicht den Versuch; eLeaming­Maßnahmen nun gewissermaßen durch die Hin­tertüre einzuschleusen. Dieser Verdacht könnte dadurch weitere Nahrung erhalten, dass das "neue" Konzept des Blended Leaming aus didaktischer Sicht ein eher alter Hut ist. Gute Lehrer haben es schon immer verstanden, unterschiedliche For­men des Lebrens und Lemens gewinnbringend miteinander zu verbinden. Für sie hat Blended Leaming mithin nicht unbedingt- wie vielleicht ftir Fachfremde- einen natürlichen Innovations­appeal. Neben eLeaming-Fokus und geringem Neuig­keitswert dürften auch die didaktisch-organisa­torischen Umstellungsprobleme von nicht gerin­ger Bedeutung ftir die zögerliche Realisierung von Blended-Leaming-Konzepten sein. Man darf nicht übersehen, dass die traditionellen Lehr-/ Lernmethoden ein geschlossenes Ensemble bil­den, in dem es eben keine didaktischen Freiräu­me gibt, die nur darauf warten, von eLeaming­Maßnahmen gefüllt zu werden. Die Einbindung

sisal01
Textfeld
aus: Jung, Udo O. H. (Hrsg.) (2006). Praktische Handreichungen für Fremdsprachenlehrer. 4. Aufl. Bayreuther Beiträge zur Glottodidaktik, Bd. 2. Frankfurt/Main, Berlin u. a.: Peter Lang Verlag, pp. 286-292
Kurt Kohn
Textfeld
[In: Jung, U.O.H. (Hrsg.) (2006). Praktische Handreichungen für Fremdsprachenlehrer. 4. neu bearbeit. Aufl. Frankfurt/M: Peter Lang, 286-292]

von eLeaming in das didaktische Gesamtgesche­hen erfordert in der Regel einen tiefergreifenden Umbau des jeweiligen didaktischen Konzepts und damit einen Anfangsaufwand, der über das alltäglich übliche und vertretbare Maß (deutlich) hinausgeht. Dass zwischen der Welt des Lebrens und der Welt des Computers flir viele Lehrende und Lernende immer noch Kulturunterschiede bestehen, macht die Umstellung auf Blended Leaming nicht leich­ter. Allzu oft nur wird eLeaming als Alternative zum traditionellen Lehren empfunden, gewisser­maßen als eine didaktische Gegenwelt, die eher den Bruch mit vertrauten Methoden nahe zu le­gen scheint als die Integration. Insgesamt muss man also wohl davon ausgehen, dass die Überzeugungskraft der Blended-Learn­ing-Vision flir Lehrende, die den Lehr-/Lernwert der neuen Technologien zunächst skeptisch se­hen, doch eher begrenzt ist. Der Hinweis auf Blended Leaming kann eine uinfassende Aufklä­rungs- und Weiterbildungsarbeit nicht ersetzen. Diese Einschätzung darf allerdings nicht von der grundsätzlichen und strategischen Relevanz des Blended-Leaming-Konzepts ablenken. Mit Blend­ed Leaming erhalten die Bemühungen um eine didaktische Erschließung und Nutzung der neuen Technologien eine neue Qualität. Die Aufinerk­sarnkeit wird wieder unmissverständlich darauf gerichtet, dass es beim Lehren und Lernen eben doch um Menschen geht, um Lernende und Leh­rende, und dass den Technologien in diesem Zu­sammenhang (nur) eine dienende Funktion zu­kommt. Aber auch wenn eLeaming-Technologien als Teil eines größeren didaktischen Ganzen gesehen wer­den, in dem die menschlichen Akteure das Ge­schehen bestimmen (sollten), bleibt die Frage nach ihrem didaktischen Mehrwert. Nur in dem Maße, in dem diese Frage zufriedenstellend be­antwortet werden kann, wird es auch möglich sein, mit Blended-Leaming-Konzepten zu über­zeugen.

2. Sprachdidaktische Vorgaben und lern-theoretische Einsichten

Den sprachdidaktischen Wert der neuen Techno­lagien wird man daran messen müssen, wieweit sie geeignet sind, die Zielsetzungen und Prinzi­pien eines modernen Fremdsprachenunterrichts zu unterstützen. Die schulischen Bildungspläne geben mit ihren Bildungsstandards einen rele­vanten Bezugsrahmen ab. So beschreiben die baden-württembergischen Bildungsstandards flir Fremdsprachen an Gymnasien die Zielkompeten­zen der Schülerinnen und Schüler flir die ver-

287

schiedeneu Klassenstufen hinsichtlich der fol­genden fünfKompetenzdimensionen:

Kommunikative Fertigkeiten- Hör- und Hör-/ Sehverstehen, An Gesprächen teilnehmen, Zusammenhängend sprechen, Leseverstehen, Schreiben sowie Sprachmittlung/Übersetzen; Beherrschung der sprachlichen Mittel - auf phonologischer, lexikalischer und grammati­scher Ebene; Umgang mit Texten - von Sachtexten und authentischen Gebrauchstexten bis hin zu literarischen Texten; Kulturelle Kompetenz - soziokulturelles Wis­sen und interkulturelle Kompetenz jeweils mit Bezug auf Großbritannien und die USA; Methodenkompetenz - Lern- und Arbeits­techniken, Sprachlemkompetenz, Medienkom­petenz und Präsentation.

Diese Kompetenzauffächerung sowie die weitere inhaltliche Spezifizierung der verschiedenen Di­mensionen (URL I) ist durch die in den I 970er Jahren einsetzende kommunikative Orientierung von Sprachtheorie und Sprachdidaktik geprägt. Über die Beherrschung der sprachlichen Ausdrucks­mittel (grammatische Kompetenz) hinaus gerät deren funktions-und situationsangemessene Ver­wendung in den Blick, und die Fertigkeiten des Hör- und Leseverslehens sowie des Sprechens und Schreibens werden in realistische, für die Lernenden relevante Diskurs-/Konversationszu­sarnmenhänge eingebettet (vgl. Widdowson 1978 /I 985). Die genauere Bestimmung der jeweiligen kommunikativen Zielkompetenzen folgt den Vor­gaben der (funktionalen) Kompetenzniveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Fremdsprachen (Council of Europe 2001; vgl. dazu auch den Beitrag von Christ in diesem Band). Ferner wird der Entwicklung interkultureller Kom­petenzen Raum gegeben. Dabei geht es schwer­punktmäßig um ein Wissen um die Unterschiede zwischen fremder und eigener Kulturwelt, um Verständnis und Akzeptanz sowie um zielkultur­gerechtes Verhalten. Insgesamt rückt das lernende Subjekt in den Vor­dergrund. Wichtige Leitprinzipien sind:

Lernerautonomie ill! Sinne einer zunehmen­den Selbstverantwortung und Selbstorganisa­tion sowie einer zu erwerbenden Sprachlem­kompetenz (Benson 2001); Authentizität im Sinne einer die Lebens- und Kommunikationswelt der Lernenden einbe­ziehenden Authentisierung von Lernmateria­lien und Lernaktivitäten (vgl. Widdowson 1979' 2003 ); Kooperativität im Sinne einer kommunikativ­interaktiven Ausrichtung des Sprachenler-

288

nens sowie eines arbeitsteiligen Lernens in kollaborativen Lehr-/Lerngruppen (Rüschoff 1999).

Ihre konkrete Umsetzung finden diese Prinzipien in didaktischen Projektszenarien, in denen auch Methodenkompetenzen (unter Einbeziehung der neuen computerbasierten Medien/Technologien) ihren Platz haben. Übergreifendes Ziel ist die Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf die Anforderungen eines lebenslangen Lernens in unserer modernen Wissensgesellschaft Die aktuelle (sprach-)lerntheoretische Diskussion konzentriert sich auf die Einsicht, dass Lernen ein Prozess der aktiven Konstruktion ist. Nur in­dem es den Lernenden in Auseinandersetzung mit der Außenwelt gelingt, eine individuelle kog­nitive und emotionale Innenwelt zu erschaffen, ist es ihnen möglich, sich neue Wissensinhalte, Fertigkeiten und Einstellungen (attitudes) erfahr­bar und zu eigen zu machen. Ihnen bereits ver­fügbare Wissensinhalte, Fertigkeiten und Einstel­Jungen gehen in diesen Prozess der kreativen Kon­struktion ein und werden durch ihn auch verän­dert (vgl. Wolff 1994). Allgemeinen strategischen Prinzipien der Sinnerstellung (Sperber & Wilson 1995) sowie spezifischen Kommunikations- und Lernstrategien kommt eine konstitutive Leit­funktion zu. Mit dem Konstruktivismus richtet sich die Auf­merksamkeit auf Lernaktivitäten, die durch ein hohes Maß an Autonomie, Authentizität und Ko­operation charakterisiert sind. In "konstruktivis­tischen" Lehr-!Lernszenarien steht spielendes, explorierendes oder experimentierendes Lernen im Rahmen komplexer und realistischer Aufga­benstellungen im Vordergrund. Derartige Aktivi­täten scheinen der konstruktiven Natur des mensch­lichen Lernens in besonderem Maße zu entspre­chen. Dies ist allerdings nur auf den ersten Blick so. Bei näherer Betrachtung erweist sich, dass die konstruktive Einsicht weiterreicht Wenn Lernen auf Konstruktion beruht, dann gilt dies ja grund­sätzlich, d.h. für jegliche Form des Lernens: für "hochkonstruktive" Explorationen ebenso wie für "niederkonstruktive" Imitationsprozesse. Lernaktivitäten unterscheiden sich also nicht da­rin, ob sie "konstruktivistisch" sind· oder nicht; sie unterscheiden sich in der Art des Beitrags, den sie für den Lern-/Konstruktionsprozess leis­ten. Dies ist der didaktisch relevante Punkt. Und erst wenn der konstruktive Beitrag einer bestimm­ten Lernaktivität klar ist, kann man sie auch in das didaktische Gesamtgeschehen einbinden. Et­was überbetont könnte man sagen, es gibt keine Lernaktivitäten, die grundsätzlich didaktisch un­geeignet wären; es gibt lediglich Lernaktivitäten, die

ihrem konstruktiven Potential gemäß falsch genutzt werden. Damit erweist sich der Konstruktivismus als eine tragfähige lerntheoretische Grundlage ft.ir jegli­che Form des Lernens. Auf der Basis der Ein­schätzung des konstruktiven Potentials unter­·schiedlichster Lernaktivitäten - von niederkon­struktiven bis hochkonstruktiven - wird es mög­lich, diese je nach Lernziel und Rahmenbedin­gungen so einzusetzen und miteinander zu kom­binieren, dass gutes Lernen entstehen kann. Der Konstruktivismus liefert flir das Blended (Lan­guage) Leaming also eine lerntheoretische Begrün­dung.

3. Das Sprachlernpotential von eLearning

eLearning ist ein schillernder Begriff: Er ist ge­prägt durch eine stürmische, sich geradezu selbst überholende technologische Entwicklung sowie durch eine vom didaktischen Alleinanspruch bis hin zu Blended-Learning-Konzepten sich wan­delnde didaktische Urnsetzungsstrategie. Ent­sprechend vielfältig und oft unscharf sind die im Umlaufbefindlichen Definitionen. Für unsere Zwecke ist ein umfassendes Ver­ständnis von eLearning angebracht: Es geht um den Einsatz von Informations- und Kommunika­tionstechnologien (IKT) für Zwecke des Lebrens und Lernens. Was alles unter IKT fällt, ist wie­derum abhängig von der technologischen Ent­wicklung. Wichtig scheint mir eine klare Unter­scheidung zwischen eLeaming und Blended Leam­ing. Wird der Begriff des eLearning so erweitert, dass er Blended Learning schon mit einschließt, besteht die Gefahr, dass die aus didaktischer Sicht so wichtige menschliche Dimension wieder ver­kürzt wird. Zur Klärung des sprachdidaktischen Potentials von eLearning - zum Hintergrund vgl: Rüschoff & Wolff 1999; Jung 2002; Chapelle 2003; Pfeiffer 2005; Davies 2006 - werde ich mich, was die didaktische Integration und Steuerung angeht, exemplarisch auf das Open-Source-Kurs­managementsystem Moodle beziehen (URL 2). Moadie wird von konstruktivistischen Lernprin­zipien geleitet und vereint wichtige Funktionen, die es Lehrenden ermöglichen, ohne allzu großen Auf\:vand eigene eLearning-Angebote zu reali­sieren:

Einrichtung und Durchführung von Online­Kursen mit Nutzungsrechten ftir die zentra­len Akteure - Administratoren, Kursdesig­ner, Lehrende und Lernende; Erstellung von Text- und Webdokumenten sowie didaktische Einbindung multimedialer Lehr-/Lernressourcen (Text, Video, Ton, Bild)

durch Links auf intern gelagerte Dateien oder externe Websites; Tutorielle Betreuung durch Kommunikations­kontakte zwischen Lehrenden und Lernenden (per eMail, Forum, Chat) sowie durch ver­schiedene Lernkontrollfunktionen (Feedback, Bewertungen, Statistiken); Förderung des selbstständigen Lemens durch vielfältige Lern- und Kommunikationsakti­vitäten von tutoriellen Foren und Chats über die (kooperative) Erstellung von Glossaren, offene Schreibaufgaben und Selbstassess­ments bis hin zu Workshops und Wiki-Mo­dulen (vgl. hierzu auch den Beitrag von He­gelheimer & Knierim in diesem Band).

Moodle-Kurse können von den Lehrenden leicht editiert werden, und sie zeichnen sich durch ein klares didaktisches Organisationsprinzip aus: Ein Kurs besteht jeweils aus mehreren Kurseinheiten im Wochen- oder Themenformat; in jeder Kurs­einheit werden die relevanten Lerninhalte und Lernaktivitäten- webbasierte Informationen und Instruktionen, Lernmaterialien und Übungen, Assessment-Aufgaben und Tests sowie Foren, Chats und Wikis -je nach Lernziel und didakti­schem Bedarf frei miteinander kombiniert. Auf diese Weise ist es möglich, die Lernend(!n auch über den Unterricht hinaus mit Materialien und interaktiv-kommunikativen Aufgaben für selbst­ständige Lernphasen zu versorgen - ohne sie da­bei aus der tutoriellen Betreuung zu entlassen. Lernerautonomie wird im Sinne einer raum-zeit­lichen Emanzipation sowie einer verstärkten Zu­ständigkeit für das eigene Lernen zugleich ge­nutzt und gefördert. Die Stäi-ke von Kursmanagementsystemen wie Moodle (auch: Learning Management System, kurz LMS genannt) hängt also zu einem guten Teil von den Funktionen ab, die sie selbst zu bie­ten haben, sowie von dem ihnen zugrundelie­genden didaktischen Konzept. Darüber hinaus aber haben sie auch den entscheidenden Vorteil, dass sie offen sind für die Einbettung weiterer Tools. So können sie flexibel an die ·spezifischen organisatorisch-didaktischen Bedürfuisse und Rah­menbedingungen der jeweiligen Institution ange­passt werden. Eine erste Art der Erweiterung betrifft die Lern­inhalte selbst: Mittels Web-Links zu separat ver­fügbaren Sprachlernprogrammen ist es möglich, die sprachlernspezifische Eignung Moodle-ba­sierter Kurse gezielt zu stärken. Verfügen diese Programme über eigene Korrektur- und Feed­backfunktionen, sollten sie für eine möglichst nahtlose Einbettung dem SCORM-Standard ent-

289

sprechen (URL 3), der den Austausch von elek­tronischen Lerneinheiten in Kursmanagement­systemen regelt. Mit zunehmender Computerisierung werden die Lehrenden leicht zu eher passiven Akteuren vor­gefertigter technologischer Lösungen. Wichtig ist daher die Einbindung Moadie-externer Pro­gramme, durch die sie in ihrer Autonomie ge­stützt werden können. Hierzu gehören Autoren­werkzeuge, die ihnen die Möglichkeit geben, sich ohne Programmierkenntnisse in den Prozess der Erstellung und Bedarfsanpassung der mul­timedialen und webbasierten Sprachlerninhalte einzuschalten (Kahn & Hoffstaedter 1999; Kahn 2000, 2003, 2004). Telos Language Partner Pro (TLP Pro) ist ein solches Autorenprogramm, das für die nicht­kommerzielle Nutzung frei verfügbar ist. Für eine breite Palette sprachlernspezifischer Aufga­bentypen - von mündlichen und schriftlichen Verstehens- und Produktionsaufgaben auf der Basis von Videosituationen, Dialogen und Tex­ten bis hin zu grammatischen und lexikalischen Aufgabenformaten - hält es intuitiv handhabbare multimediale Schablonen für die Erstellung von Sprachlernpaketen und Sprachtests im Offline­oder Online-Modus bereit (URL 4). Von wachsender Bedeutung ist auch die Un­terstützung der Kommunikation ·und Interaktion im Internet. Sprachdidaktisch relevant ist in die­sem Zusammenhang die Weiterentwicklung von Chat-Umgebungen zu MOOs als Werkzeuge der schriftlich-synchronen Kollaboration (Traxel 2005). Mit der Verbreitung der intemet-Telefo­nie (URL 5) eröffnen sich weitere sprachdidak­tisch-kommunikative Gestaltungsräume. Sie rei­chen von gezielten Übungsaktivitäten zum Hör­verstehen oder Sprechen bis hin zu mündlichen Interaktionen innerhalb der Lehr-/Lerngruppe. Gerade unter dem Aspekt einer stärker authen­tisch-kommunikativen Orientierung des Spra­chenJemens kommt der mündlichen Internet­Kommunikation eine erhebliche Bedeutung zu. Die kommerziellen Wimba-Produkte Voice Tools und Live Classroom (URL 6) machen sich dies zu Nutze. Von wachsender Bedeutung sind ferner Kor­pusanalyse-Tools, die von Lehrenden für die Authentisierung ihrer eigenen Sprachlernauf­gaben eingesetzt werden können oder Lernenden die Exploration authentischer Kommunikations­materialien ermöglichen. Für die viel geforderte Verbindung von Sprachenlernen und fachlich­kulturellem Lernen sowie für die Forderung nach hochkonstruktiven Lernprozessen stellt die Kor­pusanalyse eine solide und mächtige methodi-

290

sehe Basis dar (Braun 2005; vgl. dazu auch den Beitrag von Braun & Chambers in diesem Band). Insgesamt kann man festhalten, dass eLeaming­Lösungen gerade für einen modernen Sprach­unterricht mit seinen Anforderungen hinsichtlich Kommunikationsorientierung, kulturell-fachli­cher Authentizität und Lernerautonomie ein rele­vantes und auch finanzierbares "Mehrwert"-Po­tenzial bieten: Unterschiedliche Ausprägungen des inhaltsbezogenen SprachenJemens (Hören, Lesen, Sprechen und Schreiben auf der Basis multimedialer Materialien, z.B. fachlich-kultu­reller Texte und Videos) lassen sich didaktisch mit kommunikationsbezogenen schriftlichen oder mündlichen Lernaktivitäten in Foren, Chats, MOOs und Voice/Video-Konferenzen verbinden. Bei geeigneter didaktischer Einbettung können mittels eLeaming also kommunikationsnahe und kollaborative Blended-Leaming-Szenarien er­schlossen werden. Insbesondere fiir komplexe Sprachlemziele, die von den Lernenden ein ho­hes Maß an schriftlichen und mündlichen Dis­kursaktivitäten verlangen (z.B. Written Commu­nication, Translation, Oral Communication), er­öffnen sich hier neue Möglichkeiten des intensi­vierten und autonomen SprachenJemens in au­thentischen Kommunikationsgruppen.

4. Beispiele und erste Erfahrungen

Wie bewährt sich das (spr-ach)didaktische Poten­tial von eLeaming denn nun in der Praxis? Auf diese Frage kann es keine einfache Antwort ge­ben. Dies schon deshalb nicht, weil das didakti­sche Potential von eLeaming erst in Verbindung mit anderen Formen des Lebrens und Lemens­mithin in Blended-Leaming-Szenarien- aktiviert und genutzt werden kann. Es fällt nicht sonder­lich schwer, sich Nutzungsszenarien vorzustel­len, in denen eLearning-Aktivitäten ihrem Po­tential gemäß falsch oder nur unzureichend ein­gesetzt werden; man darf sogar vermuten, dass didaktische Fehlnutzungen irrfolge einer Unter­oder Überschätzung zu den wichtigsten Gründen ftir die mangelnde Akzeptanz von eLeaming ge­hören. Nicht gerade erleichert wird eine angemessene Beurteilung der Praxisbewährung von eLeaming dadurch, dass es für die erfolgreiche Einbettung in Blended-Leaming-Szenarien keine Rezepte geben kann. Prototypische Grobeinteilungen wie beispielsweise die Unterscheidung zwischen dem (lediglich) multimedial angereicherten Präsenz­unterricht, der "integrierten" Verbindung von Online- und Präsenzphasen sowie der virtuellen Online-Lösung mit begleitenden Einführungen oder Endtests im Präsenzmodus (Kröger & Reis-

ky 2004: 46) können nur eine erste Orientierung geben. Letztendlich sind die Kursentwickler so­wie die Lehrenden vor Ort gefragt. Sie sind es, die vor der Herausforderung stehen, unter Beach­tung der jeweiligen Lernziele, der Eignung und Vorbereitung der beteiligten Akteure sowie des jeweiligen didaktischen und infrastrukturellen Umfeldes für ihre Lernenden einen geeigneten didaktischen Mix der unterschiedlichen Medien und Methoden zu finden (Sauter et al. 2004). Dass es möglich ist, eLeaming in Blended-Learn­ing-Szenarien mit didaktischem Gewinn einzu­setzen, lässt sich empirisch stützen. Im Winter­semester 2000/01 wurde im Rahmen des Leonar­do-da-Vinci-Projekts TALL: Teaching Aut;nomy in Language Learning am Englischen Seminar der Universität Tübingen ein 8-wöchiger Credit­Kurs "Business English" flir Studierende der Wirt­schaftswissenschaften mit mittleren bis fortge­schrittenen allgemeinsprachlichen Englischkennt­nissen (B 1/B2) durchgeführt (Hahn & Kohn 2001). Die folgenden Kurskomponenten wurden in einem Blended-Leaming-Konzept miteinander verbunden:

mit Telos Language Partner Pro erstellte Multimediamaterialien auf CD-ROM inklu­sive Videoexplorationen (Listening und Read­ing), Vokabelarbeit und Dialogübungen, eine moderierte eLeaming-Umgebung mit wöchentlichen Instruktionen, webbasierten Grammatikübungen sowie Schreib- und Dis­kussionsaufgaben für Forum und Chat, eine Präsenzeinheit zu Beginn mit einer di­daktisch-technologischen Einführung, der Herstellung persönlicher Kontakte sowie einem Englischtest, eine weitere Präsenzeinheit am Ende mit einem Erfahrungsaustausch (Interviews) und einer Wiederholung des Engiischtests.

Der zeitliche Lernaufwand lag insgesamt bei etwa 40 Stunden und verteilte sich auf 6 Std. Präsenzunterricht, 18 Std. CD-ROM, 8 Std. On­line-Gramrnatik und 8 Std. Chat/Forum. Je nach Motivation war auch intensiveres Lernen mög­lich. Der Kurs hatte 14 Credit-Teilnehmerinnen, von denen 11 das volle Programm absolv{erten. Weitere 4 Studierende nahmen ohne die ein­führende Präsenzeinheit teil und blieben im Lauf des Kurses weg. Diese Schwundquote ist flir uni­versitäre Sprachkurse durchaus normal. Von den 11 Endteilnehmerinnen wurde der Kurs als "gut" bis "sehr gut" bewertet. Neben dem di­versifizierten Lernkonzept, den multimedialen Lern­materialien und dem Chat wurden insbesondere die Möglichkeit einer Steuerung des eigenen Lern-

prozesses, der Kommunikationskontakt mit an­deren Teilnehmern sowie die räumlich-zeitliche Flexibilität hervorgehoben. Die Anpassung an die neue Kursart war problemlos. Die Lernenden hatten viel Spaß, und alle würden wieder an einem solchen Kurs teilnehmen oder ihn anderen Stu­denten weiterempfehlen. Zu Beginn des Kurses ~aren lediglich 11% der Teilnehmerinnen enthu­siastisch gestimmt; 89% waren neugierig; nie­mand war skeptisch. Am Ende des Kurses hatte sich die Einschätzung zu 36% enthusiastisch, 55% neugierig und 9% skeptisch verschoben. Hierzu passt auch, dass die Lernenden ihr Kor­rektheitsniveau von 45% (im V ortest) auf 80% (im Nachtest) verbessern konnten. Mit der Selbstbestimmung ergab sich allerdings auch eine eher "flache" Nutzung der . multime­dialen Lernangebote sowie ein Motivationsabbau zur Hälfte des Kurses. Diese negativen Auswir­kungen konnten durch zusätzliche Anfragen und Ermunterungen einer "Kursmanagerin" per eMail weitgehend aufgefangen werden. Bemerkenswert ist, dass trotz der insgesamt posi­tiven Bewertung der Wunsch nach mehr Prä­senzunterricht geäußert wurde. Dies entspricht auch der Abbruchquote bei den Teilnehmerinnen ohne einführende Präsenzeinheit Hier wird be­stätigt, dass selbstständiges Lernen sich mit mög­lichen Spielräumen keineswegs zwangsläufig er­gibt. Im Sinne einer Strategie der "begleiteten Autonomie" sind vielmehr geeignete Stützmaß­nahmen erforderlich. Dabei kommt dem Präsenz­unterricht- wie überhaupt dem persönlichen Kon­takt - eine wichtige Funktion zu. In dem Maße, in dem in Blended-Leaming-Szenarien Präsenz­anteile reduziert werden, müssen andere Wege der Autonomiebegleitung gefunden werden. Derartige Untersuchungen und Befunde (Neu­meier 2005) dienen zunächst einmal der Evalua­tion bestimmter Blended-Leaming-Szenarien; sie geben Aufschluss darüber, wieweit ein vor Ort gewählter Kurs(typ) die ihm gesetzten Ziele und Anforderungen erfüllt. Darüber hinaus lassen sich aber auch generalisierbare Einsichten in die Erfolgsbedingungen flir Blended Learning ge­winnen. Neben der Anpassungsbereitschaft und -fähigkeit der Lernenden sowie geeigneten infrastrukturel­len (z.B. Technologiezugang) und didaktisch-or­ganisatorischen (z.B. curriculare Passung) Rah­menbedingungen kommt den Lehrenden eine Schlüsselfunktion zu. Mit ihren Einstellungen, Kompetenzen und Zeitressourcen müssen sie in der Lage sein, ihre Sprachlernangebote unter Be­rücksichtigung der lokalen Anforderungen mit­tels eLeaming didaktisch zu verstärken. Die je-

291

weiligen Zieldimensionen können dabei ganz un­terschiedlich sein: z.B. Anreicherung der sprach­lich-kommunikativen Lemaktivitäten, intensives Grammatiktraining, motivationeile und emotio­nale Stärkung der Lernenden, Erhöhung von Ler­nerautonomie und Authentizität oder Entwick­lung von Methoden- und Medienkompetenzen (URL 1). Die sprachdidaktische Einschätzung und Blend­ed-Leaming-Einbettung von eLeaming-Aktivi­täten stellt eine neue und keineswegs triviale He­rausforderung an die Autonomie und Kreativität der Lehrenden dar. Drei einander ergänzende Empfehlungen scheinen mir für eine erfolgreiche Umsetzungsstrategie von besonderer Bedeutung zu sein:

a) Die Lehrenden, Lernenden und Administra­toren müssen dort abgeholt werden, wo sie sich befinden: der jeweilige Status quo ist ausgehend von einer didaktisch-technologi­schen Ist/Soll-Analyse schrittweise von addi­tiven bis hin zu voll integrierten Blended­Leaming-Szenarien auszubauen und weiter­zuentwickeln.

b) Es sollte eine eLeaming-Plattform zur Ver­fügung stehen, die den Lehrenden neben den üblichen eLeaming-Funktionen auch weitere didaktisch-technologische Hilfen bereitstellt, z.B. offene Sprachlernressourcen zur indivi­duell angepassten Weiterverwendung, eine sprachlernzielorientierte Typologie von Auf­gaben und Aktivitäten im eLeaming-Format sowie Modelle flir sprachlernspezifische Blended-Leaming-Szenarien.

c) Die notwendigen Lehrerfortbildungsmaßnah­men sollten zusätzlich zu den didaktisch-tech­nologischen Fortbildungsinhalten auch ·die sie stützenden theoretisch-methodischen Ein­sichten und empirischen Befunde der Sprach­lehr- und Sprachlernforschung einbeziehen; zugleich sollten sie von vomherein in kol­laborative Praxisprojekte zur kontinuierli­chen Einübung und Evaluationskontrolle ein­gebettet werden (vgl. z,B. Kranz & Lüking 2005).

Diese Empfehlungen werden in ein Langzeit­projekt aufgenommen, das am Englischen Semi­nar der Universität Tübingen zu den Bedingun­gen und Prozessen des Blended Language Leam­ing durchgeführt wird. Im Rahmen des Projekts steht eine auf Moodle basierende eLeaming­Plattform zur gemeinnützigen Verfügung. Diese dient der Unterstützung kompletter Blended­Learning-Kurse als Teil einer breit angelegten Feldstudie. Interessierte Sprachlerninstitutionen

292

oder auch einzelne Lehrende sind eingeladen, sich mit ihren Blended-Leaming-Aktivitäten als Evaluationspartner einzubringen (URL 4). ·

LITERATUR VERZEICHNIS

Benson, P. (200 1 ). Teaching and researching: autonomy in language learning. Harlow, Longman.

Braun, S. (2005). From pedagogically relev~nt corpora to authentic language leammg contents. ReCALL 17 (1 ), 47-64.

Chapelle, C.A. (2003). English language learn­ing and technology. Amsterdam, John Ben­jamins.

Council of Europe (2001). Common European Framework of Reference for Languages: learning, teaching, assessment. Cambndge, Cambridge University Press.

Davies, G. (ed.) (2006). Information and com­muniä:ztions technology for language teach­ers (ICT4LT). Slough, Thames Valley Uni­versity [Online]. http://www.ict4lt.org (last update: 5 January 2006).

Edelhoff C. & Weskamp, R. (eds.) (1999). Auto­nom~s Fremdsprachenlernen. Ismaning, Hue­ber.

Hahn, S. & Kahn, K. (2001). eCoaching. Ein ~i­lotkurs auf der Basis von "Executtve Engltsh -Marketing". Tübingen, STZ Sprachlernme­dien.

Jung, U.O.H. (2002). Medien im Fremdspr~­chenunterricht - wozu braucht man Sie eigentlich? Fremdsprachen und H0chschule 66,7-44.

Kohn, K. (2000). Multimediales Sprachenlernen: Wo bleibt die Autonomie der Lehrenden? In: Tschirner, E. et al. (eds.). Schnittstellen: Fremdsprachenunterricht .zwischen alten und neuen Medien. Berlin, Cornelsen.

Kahn, K. (2003). Sprachenlernen m!t neuen Medien: Ein Forschungs- und Praxtskontext flir die Chemnitz Internet Grammar. In: Keitel, E. et al. (eds.) (2003). Neue Medien im Alltag: Nutzung, Vernetzung, Interaktion. Lengerich, Pabst Science Publishers, pp. 127-137.

Kohn, K. (2004). Sprachenlerne? mit Mul~i­

media gestalten. In: Hohenstem, A. & Wtl­bers, K. (eds.). Handbuch E-Learning. Köln, Wolters Kluwer.

Kohn K. & Hoffstaedter, P. ( 1999). Telos Lan­g~age Partner: Sprachenlernen mit Multime­dia. Fremdsprachen Lehren und Lernen 28, 145-161. .

Kranz, D. & Lüking, B. (2005). ,Blended Leam­ing'- von der Idee zur Tat, vom Konzept zur Realisierung. Zeitschrift. für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 10 (I). http://zif. spz. tu-darmstadt. deljg-10-1 ldocs/Kranzund Lueking2005.pdf

Kröger, H. & Reisky, A. (2004). Bl~nded Learn- · ing - Erfolgsfaktor Wissen. Btelefeld, Ber­telsmann.

Neumeier, P. (2005). A closer l?ok at blended learning - parameters for des1gmng a blend­ed learning environment for language teach­ing and learning. ReCALL 17 (2), I 63"178.

Pfeiffer, H. (2005). Das Internet im Fremdspra­chenunterricht: Bestandsaufnahme - Ver­gleiche- Analysen. Wien, Infothek.

Rilschoff, B. (1999). Construction of knowledge as the basis of foreign language learnmg. In: Mißler, B. (ed.). The construction of know­ledge, learner autonomy and related issues. Tübingen, Stauffenburg Verlag.

Rüschoff, B. & Wolff, D. (1999). Fremdspra­chenlernen in der Wissensgesellschafl. Zum Einsatz der Neuen Technologien in Schule und Unterricht. Ismaning, Hueber.

Sauter, A.M. et al. (2004). Blended Learning. Effiziente Integration von E-Le~rning und Präsenztraining. Luchterhand, Munchen.

Sperber, D. & Wilson, D. (I995). Relevance: com­munication and cognition. Oxford, Black­well.

Thome, K. (2003). Blended leaming. How to integrale online & traditional learning. Lon-don, Kogan Page. · .

Traxel, 0. (2005). Das MOO als Werkzeug syn­chroner Kollaboration: Fremdsprachenlernen in transatlantischen Online-ProjekteiL In: Braun, S. & Kohn, K. (eds.). Sprache(n) in der Wissensgesellschafl. Proceedings der 34. Jahrestagung der Gesellschaft fo.r Ange­wandte Linguistik. Frankfurt a.M., Peter Lang pp. 243-25 I.

Widdow~on, H.G. (197811985). Teaching !an- · guage as communication. Oxford, Oxford University Press.

Widdowson, H.G. (1979). Explorations. in ap­plied linguistics. Oxford, Oxford Umvers1ty Press. ·

Widdowson, H.G. (2003). Defining · issues in English language teaching. Oxford, Oxford University Press.

Wolff, D. (I 994). Der Konstruktivismus: Ein neues Paradigma für die Fremdsprachendt­daktik? Die Neueren Sprachen 93, 407-429.

URLs I http://www.schule-bw.de/unterrichtlbildungs

Standards 2 http://www.moodle.org 3 http://de.wikipedia.org/wiki!Scorm 4 http://www.sprachlernmedien.de 5 http://www.skype.com 6 http://horizonwimba.com