1986 L. Octavius Faustinianus

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SPECIMINA NOVA DISSERTATIONUM EX INSTITUTO HISTORICO UNIVERSITATIS Q UINQUEECCL ESIENSIS DE IANO PANNONIO NOMINATAE Pecsi Janus Pannonius Tudomdnyegyetem Törteneti Tans^ekenek EVKÖNYVE 10B6

Transcript of 1986 L. Octavius Faustinianus

SPECIMINA NOVADISSERTATIONUM EX INSTITUTO

HISTORICO UNIVERSITATIS Q UINQUEECCL ESIENSIS

DE IANO PANNONIO NOMINATAE

PecsiJanus Pannonius Tudomdnyegyetem

Törteneti Tans^ekenek

EVKÖNYVE1 0 B 6

SPECIMINA NOVA DISSERTATIONUM

EX INSTITUTO HISTORICO UNIVERSITATIS GUINQUEECCLESIENSIS

DE IANO PANNONIO NOMINATAE

PARS PRIMA

A PECSI JANUS PANNONIUS TUDOMANYEGYETEM

TÖRTENETTUDOMANYI TANSZEKENEK EVKÖNYVE

19 8 6

SPECIMINA NOVA UNIVERSITATIS QUINQUEECCLESIEMSIS 1986

ISTVÄN TÖTH

L. OCTAVIUS FAUSTI NI ANUS

Das im Folgenden darzustellende Inschriftbruchstück wird im Lapidarium des Savaria Museums Szombathely aufbewahrt. Das Denkmal wurde von Magdolna Medgyes im Laufe einer Ausgrabung bei dem Bau des neuen Stadthauses aufgefunden.^ Es lag 3 Meter tief im Ge­biet eines weit ausgebreiteten Säulengebäudes, in einer Schicht also, die weit unter dem Gehniveau des Gebäudes an der Ecke der heutigen Thököly und Bejczy Straßen lief. Die In­schrift war nach aller Wahrscheinlichkeit noch in der Römerzeit mit anderen Stücken, dar­unter mit einem aus weißem Marmor geschnitzten weiblichen Torso in die das Gehniveau durchbrechende Grube gekommen, so wird ihr Verhältniß zu den Perioden des dort aufgeleg­ten Gebäudes erst durch die Analyse des gesamten Materials der Ausgrabung zu bestimmen sein.

Das steinerne Denkmal besteht aus einem marmorartigen, kristallenen Kalkstein, sei­ne Höhe beträgt 65 , seine Breite 48 , seine Dicke 8-9 cm. Die Buchstaben der Inschrift sind außerordentlich schön, sie sind regelrecht eingraviert. In den Buchstaben blieb die originale rote Färbung vollkommen unversehrt erhalten. Sie wurde - Dank der Sorgsamkeit der Restauratorin Judit Szakonyi - gleich nach der Hervorhebung des Steines fixiert. Die Höhe der Buchstaben macht 6,5 (5,8)- 6 cm. Die Balken ist lo,5 breit.

Über der Inschrift blieb ein kleines Bruchstück des einfach profilierten Rahmens erhalten, dies setzt außer Zweifel, daß die auf uns gebliebene erste Zeile auch im Origi­nalen den Anfang der Inschrift bildete. Alle drei übrigen Seiten der Inschrift sind ge­brochen. Das Material des Denkmals und die außerordentlich sorgsame Ausführung weisen darauf hin, daß wir dem Überrest einer einstmal umfangreichen, repräsentativen Tafel - aller Wahrscheinlichkeit nach einer Bauinschrift - gegenüberstehen, deren Ergänzung un­sere Kenntniße in Bezug auf die Geschichte von Savaria in mehreren Hinsichten erweitern kann.

Hinsichtlich der erhalten gebliebenen Spuren von Buchstaben, die den Bruch entlang wahrzunehmen sind, muß man Folgendem Aufmerksamkeit schenken:

1. Zeile: Aus dem letzten Buchstaben an der rechten Seite blieb eine senkrechte Haste: B, D, E, F, H, I, K, L, M, N, P, R sind die Buchstaben, die in Rechnung kommen.

2. Zeile:Die schiefe Buchstabenhasta am Anfang der Zeile kann nur der Überrest von einem R sein: - - - rJa

4. Zeile: Die senkrechte Linie am Anfang der Zeile ist der Überrest von einem H, I oder N. Zusammengelesen mit dem darauffolgenden Wortbruch ergibt sich - - - NJiANUS als

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plausibilste Lesung. Am Ende der Zeile sieht man die mittlere Strecke des Kreisbogens von einem C klar: DEC£- -

5. Zeile: Am Anfang der Zeile blieb der obere Bogen von einem C klar erhalten:---- c] ENTCN.

6. Zeile: Der erste Buchstabe ist der obere Kreisbogen von einem 0 oder Q, über ihm befindet sich eine lange, waagerechte Linie. Sie kann keineswegs mit der oberen Hasta eines T identifiziert werden, sie ist nämlich viel länger und ist auch anderswie abge- schloßen. Nach ihr sieht man den Punkt, der zur Trennung der einzelnen Wörter dient, ganz klar, dann folgt der obere Teil von einem E oder F. Der letzte Buchstabe war sicher kein T, sondern H, I, K oder L.

Die weiteren Buchstaben der Inschrift benötigen keine besondere Erklärung, die Le­sung des Bruchstückes lautet folgenderweise (1. Abbildung): - - - -|LSORI - X Q- — —/ ------| NSIVM P O ----- / ----- R]A QV.-VM L {j£------ / ----- - Nj IANV’S DEC|---- / ----- - C|ENT0N|----- J / [ ----- ] 0-Q E-F I~K~L-----

I.Den Schlüpel zur Ergänzung und zugleich zur Erklärung der Inschrift gewinnen wir aus

dem Personennamen, der in den 3-4. Zeilen steht. Aus dem Bruchstück der 4. Zeile - - -j nianus dec [ - - - geht nämlich klar hervor, daß es hier um einen Personennamen, den Wid- mer der Inschrift, einen Inhaber des Decurio-Amtes handelt. Der übrig gebliebene Teil des genannten Personennamen ermöglicht zusammen mit den Buchstaben L . 0 ^ - - - , die vordem Bruch der 3. Zeile stehen, eine offensichtliche Folgerung auf den Namen des von einer

2anderen Inschrift bereits bekannten Decurio von Savaria, L. Octavius M. f. Faustinianus . Diese Ergänzung bietet obendrein eine eindeutige Möglichkeit an, die Länge der Inschrift und die Zahl der an beiden Seiten abgebrochenen Buchstaben zu bestimmen. Wenn man nämlichdie vollkommen sichere Ergänzung der 1. Zeile |T I. o, m. oder lovi Depu| Isori.... mitdiesem Personennamen vergleicht, so wird sich ergeben, daß es am Anfang der 4. Zeile nur für den Cognomen des Dedikators - Fausti|nianus - einen Platz gibt.Dementsprechend fehlen - abhängig von dem schiefen Lauf der Bruchlinie - 6 bis 11 Buchstaben an der lin­ken Seite der Inschrift. Die Länge der rechten Seite können wir ebenfalls durch die Ver­gleichung der 1. und 3. Zeile rekonstruieren. Für die Ergänzung des Namens ergeben sich nämlich zwei theoretische Möglichkeiten: man stellt ihn entweder ohne oder mit der Fili- ation her. In der 1. Zeile soll dafür nach dem Göttemamen nichts Anderes gestanden haben

als die am Anfang der 2. Zeile angeführte Formel jpro saiutej, die sich auf f- - -j nsiurn bezog. Sie durfte sich theoretisch ebenfalls auf zweierlei Art und M eise erhalten, und zwar ganz ausgeschrieben oder in der Form jpro sal.j gekürzt. Für die Ergänzung in der ganz ausgeschriebenen Form sprechen folgende Argumente: /1./ Der Name des Decurioswurde auch an der anderen bekannten Tafel mit Filiation angeführt. /2./ Die theroetisch möglichen Ergänzungen der 1., 3. und 4. Zeilen stehen miteinander nur im Falle der länge­ren Variation in einem fehlerlosen Einklang. /3./ Die ganze Textierung der Inschrift - so die restlose Ausschreibung des - -jnsiurn, die Anwendung des Satzgefüge mit der Ein­leitung quam - bezugt, daß der Erriehter der Inschrift an keinem Raum sparte.So kann man die rechte Seite der 1. Zeile in der Form p|ro salute], den Personennamen der 3. Zeile

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mit Filiation ergänzt ablesen, wobei man mit 8 bis 13 verlorengegangenen Buchstaben an der rechten Seite der Inschrift rechnen muß. Daher kann man die senkrechte Mittellinie der Inschrift zwischen den Buchstaben R und I der ersten Zeile anziehen und die Länge der einzelnen Zeilen des Textes - abhängig von der unterschiedlichen Breite der Räume zwi­schen den Wörtern und der der einzelnen Buchstaben - in 21 bis 25 Buchstaben angeben.

Aufgrund obiger Gedankenfolge kann man es mit der Rekonstruierung der Inschrift nach folgenden Überlegungen versuchen:

1. Zeile: |“l. o.m. Depujlsori p|ro salute“).2. Zeile: Zur Ergänzung des am Anfang der Zeile stehenden Wortes - - -jnsium erge­

ben sich zwei Möglichkeiten. Außer dem offensichtlichen j Savariejnsium (7 zugeschriebene Buchstaben) muß man auch die mögliche Auflösung jltemplejnsium (6 zugeschriebene Buch­staben) in Betracht ziehen, wobei Letztere als Analogie zu einer Inschrift aus Gorsium^ aufgefaßt wird. Die letzte Lösung kann dadurch begründet werden, daß Savaria ebenso ein Zentrum des provinziellen Kaiserkultes in Pannonia superior war wie Gorsium in Pannonia inferior, ferner, daß L. Octavius Faustinianus an der Gipfel seiner Karriere ähnlich zu dem Uidmer der Inschrift aus Gorsium die Würde des Oberpriesters der Provinz trug.^

Der Wortbruch P°[" ~ J ar} der re°hten Seite der 2. Zeile kann nur aufgrund der An­nahme ergänzt werden, daß an dieser Stelle der in der Inschrift benannte Bau, der Gegen­stand der Gabe bezeichnet werden mußte. Der hier gestandene Ausdruck soll weiblichen Ge­schlechts gewesen sein ("quam") und aus mehreren Wörtern bestanden haben, denn am Anfang der 3. Zeile fehlen viele Buchstaben. In diesem Zusammenhang kann man auch den Bruch der3. Zeile - - - rja vor quam, der der Nominativ oder Ablativ einer Feminina sein muß, nicht außer Acht laßen. (Der neutrale Nominativ oder Accus- in Plural mit der selben Endung kann wegen der Singular von quam keineswegs in Rechnung kommen.) Wegen des Akkusativs von quam denkt man an dieser Stelle an keinen Nominativ. So kann man mit ho­her Wahrscheinlichkeit auf einen zusammengesetzten Ausdruck schließen, dessen zweites Glied eine Faminina in Ablativ war, die sich sicherlich durch cum an den bevorstehenden Nomen in Akkusativ band. In dieser Form heißt es: ...po^...(a c c.) ... cum ... (a b 1.)

rja, quam Inhaltlich soll der zu ergänzende Ausdruck am wahrscheinlichsten ver­schiedene Bestandteile eines Gebäudes bezeichnet haben. Der hier folgende Ergänzungsvor­schlag entspricht dieser Bedingung: . .po jrtiain om/exedrja, quam...Die für die 3. Zeile vorgeschlagene Ergänzung jexedr a ist natürlich nur vom provisori­schen Charakter. (Sie ist nach der Buchstabenzahl nicht ganz geeignet.) Ihr. liegt auf alle Fälle die Überlegung zugrunde, daß die weich gebogene Buchstabenhasta vor den A nichts Anderes sein kann, als die schiefe Hasta von einem R. Demzufolge hat man außer „ dieser Schlußfolgerung auch andere Ausdrücke, jeweils im gleichen Sinne - z. B. |cum hac

usw. - in Betracht zu ziehen.Die erste Hälfte der 4. Zeile wird durch den Cognomen j Faustijnianus ausgefüllt. Am

Ende der Zeile fängt die Aufzählung der ämtlichen Titel an. An den heute bekannten In­schriften der Decurionen von Savaria^ ist der Stadtname in allen möglichen Formen ge­kürzt, so können wir auch in diesem Falle kein eindeutiges Muster empfehlen. Der Er­gänzung liegt die Überlegung zugrunde, daß der Amtstitel in Bezug auf das in der näch­sten Zeile angeführte Collegium wegen Verteilung der Buchstabenräume nur zum Schluß der Zeile gelegt werden konnte. Diese Würde konnte im Falle eines Decurios nur entweder

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praefectus oder aber patronus sein und die Benennung soll an der Inschrift unbedingt in einer gekürzten Form als praef■ bzw. patr. gestanden haben. Dementsprechend kann die Bezeichnung des Decurionats in der 4. Zeile als dec(urio) -jc(oloniae) C](audiae) g^avariensium)') /4 zugeschriebene Buchstaben/ oder als dec(urio) ^c(oloniae) C0.audiae Sav(ariensium)j /5 zugeschriebene Buchstaben/ hergestellt werden.^

Am Anfang der 5. Zeile stand - dies folgt aus dem Bruche in der Mitte der Zeile- - - cjenton die in Savaria von mehreren Inschriften bekannte Bezeichnung^ collegium fabrum et centonariorum, jeweils wahrscheinlich in der Form jcoli(egium) fabr(um)j centon(ariorum). Zwischen den beiden Elementen des Namens des Collegiuns gibt es keinen Platz für das Bindewort 'et', dies stimmt aber mit der Tatsache überein, daß das Bin­dewort in Savaria bei keinen anderen Erwähnungen der betroffenen Körperschaft angewandtOwurde“ so kann man davon auch hier berechtigt absehen. In der zweiten Hälfte der Zeile setzte sich die Aufzählung der Ämter fort. Dessen können wir sicher sein, denn die ein­deutige Abkürzung des Wortes q(uin)q(uennalis), die die Ämterliste abschloß, ist noch in der Mitte der folgenden Zeile zu lesen, demzufolge soll den Text von der Benennung des Decurionates in der 4. Zeile bis zur oben erwähnten Abkürzung in der Mitte der 6. Zeile ausschließlich die Aufzählung einzelner Stationen der munizipalen Karriere ausge­füllt haben. Die Ergänzung steht an dieser Stelle nur inhaltlich fest, in Einzelheiten entbehrt sie jeder konkreten Anhaltspunkte. So kann man allein auf die Logik verwiesen- auch den Anfang der 6. Zeile mit in Rechnung gezogen - nur an die Aufzählung ver­schiedener munizipalen Ämter und Würden - questor bzw. questoricius, aedilis bzw. aedi-

9lis bzw. aedilicius, Ilvir iure dicundo, Ilvir quinquennalis - denken.

Am Anfang der 6. Zeile setzte sich die Aufzählung dieser Würden fort. Zum Stütz­punkte dient eine charakteristische Abkürzung, die in der Mitte der Zeile erhalten blieb: die waagerechte Linie mit dem gebogenen Abschluß über dem Q durfte nur die Abkürzung des Wortes q(uin)q (uennalis) darstellen1 , und zwar in der Form . ■ Ilvir q(uin)j qfuen- ralis).

Die Ämterliste der 5-6. Zeilen kann infolge der vorgetragenen Argumentation nur in den zunächst zu beschreibenden Formen vorgestellt werden:

- jjquaest(oricius) aed (ilicius) / Ilvir iure riic(undo) q (uin)jq(uennalis)______- jqusest(oricius) aedilicius Ilvir q(uin)jq(uerinalis j- jaedilicius / Ilvir i(ure) d (icundo) Ilvir q(uin)^q(uennalis)- fquaest(oricius) aed(ilicius) / Ilvir i(ure) d(icundo) Ilvir q(uin)jqfaermalis)

Von den vier Möglichkeiten ist die letzte Variante von größter Wahrscheinlichkeit: sie zählt die Stationen der Munizipalkarriere vollzählig auf.

Die höchste Stufe der Munizipalkarriere bedeutete die Besetzung irgendwelcher Wür­de eines Stadtpriesters. Der Überrest von den zwei Buchstaben nach der Abkürzung QQ kann am plausibilsten als Anfang des Wortes fljaminiciusj oder fl^amenj aufgefaßt werden Zur Ergänzung des übrigen Teiles der Zeile bieten sich mehrere Möglichkeiten, darunter scheinen die Lösungen fidamen coloniae^ oder vielleicht fl£amen divi Cl(audii)J meist akzeptabel zu sein.

Soviel können wir in aller Sicherheit behaupten, daß die Inschrift damit nicht be­endet war: es fehlt der Abschluß des mit quam beginnenden Satzgefüges der 2. Zeile, das

sich auf den Bau (die Herstellung/ bezog. Uieviel Zeilen an unteren Teil der Inschrift fehlen, kann man nicht einmal raten, da die Mannigfaltigkeit der Bauinschriften sowohl eine rechteckige als auch eine quadrale Form der Tafel leicht vorstellbar macht.

Die Ergänzung des erhalten gebliebenen Teiles der oben vorgestellten Inschrift lau­tet also folgenderweise (2-3. Abbildungen):

jj(ovi) o (prirno) m (aximo) Depujlsori pjjro salute / Savari^nsium po^rticun cun / lexedrja quam L(ucius) O^ctavius M(arci) f(ilius) / Faustij nianus dec(urio) Jc(oloniae) C(laudiae) Sav(ariensiur..) praef(ectus) oder patr(onus) / coll(egii)fabr(um),(et)j centon (ariorum) ^quaest(oricius) aed(ilicius) / Ilvir i(ure) d (icundo) Ilvir q(uin)jq (uennalis) fl Tarnen oder -am(inicius) coloniae oder divi Claud(ii)j

II.

Der Name und der Lebenslauf des Decurios von Savaria, der an der nun vorgestellten Inschrift eine Rolle spielt, waren aufgrund anderer Denkmäler auch bis jetzt bekannt.Die repräsentative Basis von Carnuntum, die die späteren Phasen der Laufbahn von Fausti-

12nianus kund gab, wurde das erste Mal im Jahre 196o von A. Betz publiziert . Im Spä­teren beschäftigten sich H. G. Kolbe^, G. Alföldy^ und L. Balla^ mit diesem Denk­mal ausführlich. Die sich aus der Inschrift ergebenen Probleme wurden auch von A, Mocsy und E. Swoboda^ kurz behandelt. Die Inschrift von Carnuntum wurde am 13. August 219 am Postament einer Geniusstatue erstellt, die Faustinianus dem collegiim fabrun zu Car­nuntum schenkte. Die Person des Donators erscheint in dieser Inschrift bereits als Decu­rio von Savaria und Carnuntum, Mitglied des Ritterstandes (equo publico), sowie als ehe­maliger Überpriester des Kaiserkultes in Pannonia (sacerdotalis p. P. S.). Die Inschrift zählt auch die einzelnen Stationen der militia equestris von Faustinianus auf^.

Die Inschrift an der Basis von Carnuntum ließ den Familiennamen von Faustinianus unbestimmt: A. Betz und H. G. Kolbe lösten die brüchigen Buchstaben nicht auf"*"®, G. Alföldy schlug die Lesung |L. Ojct(avius) M(arci) t(ilius) vor, die auch von L. Balla akzeptiert wurde. Die hier angeführte Inschrift von Savaria spricht in der Hinsicht gänzlich für diese Ergänzung.

G. Alföldy war es, der den Ritter der Inschrift vonCamuntum mit dem anonymen Wid-19mer eines lange bekannten Bruchstückes von Savaria in Zusammenhang brachte: und zwar

auf der Grundlage, daß auch diese letztere Inschrift eine Person ritterlichen Standes, einen Oberpriester des provinziellen Kaiserkultes erwähnt, jemanden, der zur gleichen Zeit Decurio von Carnuntum und wahrscheinlich auch von Savaria war. (3. Abbildung).Diese Identifizierung nahm L. Balla an, während A. Möcsy Vorbehalte machte^0. Unseres Erachtens ist die Ergänzung von G, Alföldy wegen der auffallenden Übereinstimmung der Titel und ihrer Reihefolge als vollkommen begründet zu betrachten. Dazu kommt noch die enge Verwandtschaft der Buchstabentypen des jetzt vorgestellten Bruckstückes mit deren des anderen Bruchstückes. Daher kann der Uidmer des Inschriftbruchstückes von Savaria unter RIU. Nr. 71. fast ganz sicher mit der Persönlichkeit genannt auf der Basis von Carnuntum und der jetzt vorgestellten Inschrift von Savaria, also mit L. Octavius M. f. Faustinianus identifiziert werden. An dem Denkmal von Savaria unter RIU. Nr. 71. sind

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die Würden die Folgenden: |dec(urio) col(oniae) Cla(udiae)j s(avariensium) dec(urio)TcolConiae) Sept(imiae) Kam(untensiun) Tequo p]ublic(o) fsac(erdos) arlae Augg(usto-run. duorum) provinc iae

L J 21 JP(annoniae) S(uperiroris). Dementsprechend kam diese Inschrift

etwas früher als die Basis von Carnuntum zustande, da der Dedikant der Inschrift hier noch als aktiver Oberpriester der Provinz erwähnt wird und natürlich auch die Aufzählung der Stationen der militia equestris fehlt. Die Erwähnung von den beiden Augusten läßtdas Bruchstück von Savaria auf die Zeit der gemeinsamen Herrschaft von Septimius Severus

22und Caracalla von 198 bis 211 datieren.Aufgrund der im Früheren erörterten Fakten waren die heute bekannten drei Inschrif­

ten von L. Octavius Faustinianus in der folgenden Reihefolge aufgestellt worden:Die Erste war die jetzt vorgestellte Bautafel. Nach ihrctdnete Faustinianus, der

bereits alle Stufen der Munizipalkarriere begangen war, in der Eigenschaft des Decurio von Savaria und als Träger der offiziellen Würde des Stadtpriesters, ferner als praefec­tus /oder patronus/ des collegium fabrum et centonariorum Bauarbeiten in der Stadt an.Das von ihm finanzierte gewaltige Bauwerk - zu ihm gehörten eine Säulenhalle und wahr­scheinlich auch ein Ratsaal /?/ an -, kann man sich mit größter Wahrscheinlichkeit alsden Sitz des Collegiums vorstellen, der im südlicher, in der Severus-Zeit ausgebauteten

23 24neuen Stadtteil von Savaria, in der Nähe des Iseums und der daran angelegten wei- 25teren Tempel stand. Nach übereinstimmender Aussage anderer Denkmäler beherbergte die­

ses Stadviertel am Ende des 2. und am Anfang des 3. Jahrhunderts die Gebäude der römi­schen Stadt die wir auch heute noch für die representativsten halten: die munera derstädtischen Decurionen wurden regelmäßig in dieser Region errichtet. Selbst Faustinianus

26erstellte seine beiden Inschriften von Savaria in diesem StadtviertelDer oben analysierte Überrest der Inschrift ergibt keinen Anhaltspunkt für die wei­

teren Stationen der Karriere von Faustinianus, aber die ausführliche Bekanntgabe seiner Stadtämter in Savaria, ferner das Ausbleiben der Erwähnung des Decurionates in Carnuntum weisen darauf hin, daß der Decurio damals noch kaum imstande war, nach seinem Namen den in Pannonia verhältnißmäßig so selten gebrauchten Titel equo publico in den Stein ein­meißeln zu lassen.

Die Inschrift wurde hächstwahrscheinlieh in der ersten Hälfte der 9oer Jahre des 2.27Jahrhunderts - unbedingt vor 194 - erstellt.

Als Zweites entstand von 198 bis 211 das lange bekannte Bruchstück von Savaria (RIU. Nr. 71.). An ihm spielt Octavius Faustinianus als Decurio von bereits zwei Städten, Savaria und Carnuntum, sowie als Mitglied des ordo equester und als amtierender Ober­priester der Provinz eine Rolle. Da die dafür Erkorenen letztere Würde nur ein Jahr lang

28trugen , bezeugt die Inschrift im Falle von Faustinianus, daß er erst nach der Erhaltungdes Decurionates von Camuntun, sowie nach der Aufnahme des Titels equo publico zum

29sacerdotium der Provinz erhoben wurde.In der Eigenschaft des amtierenden Oberpriesters leistete er - ähnlich zu seinen

Amtskollegen'^0 - wieder einmal eine bedeutende Gabe für Savaria. Das erhalten gebliebe­ne Bruchstück der Inschrift sagt davon zwar nichts aus, doch das Außere und der im Origi-

31nalen wahrscheinlich großer Ausmaß des Denkmals lassen auf eine repräsentative Bau­oder Schenkinschrift folgern. Der Fundort der Inschrift weist darauf hin, daß der Gegen­stand der Gabe diesmal ein Tempel oder ein anderes kultisches Gebäude (bzw. irgendwelche

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18Zugehörigkeit dessen) gewesen sein soll: der Fundort in der heutigen Thököly Straße(früher: Lange Straße 100.) befindet sich nämlich in der unmittelbaren Nähe des IseunsJ .

33mit welchem Tempel dieser Gegend die Inschrift in Zusammenhang zu bringen ist , besagt keine Angabe.

Als Dritte wurde die Statuenbasis von Carnuntum im Jahre 219 aufgestellt. Zu dieser Zeit wußte Faustinianus nicht nur alle Stufen der amtlichen Karriere, die in einer Pro­vinz überhaupt zugänglich waren, sondern auch die Stationen des für die neuen Mitglieder des Ritterordens des römischen Reiches vorgeschriebenen militärischen Dienstes hinter sich. Er zog sich als militärischer Befehlshaber ritterlichen Standes - er sprang eineformale Stufe der tres militiae einfach hinüber^, von dem kommandierenden Posten einer

35ala milliaria , in der Hauptstadt der oberpannonischen Provinz in Ruhestand zurück.Die heute bekannten drei Inschriften entstanden also im Laufe von etwa drei Jahr­

zehnten, und wir sind in der Lage, mit der Hilfe der aus ihnen gewonnenen Angaben den Ab­lauf einer keineswegs alltäglichen Karriere in Pannonia aufzuzeichen.

Die zeitgemäß sicheren Anhaltspunkte im Lebenslauf von L. Octavius Faustinianus sind die Folgenden:Um 18o wurde er zum Mitglied des ordo von Savaria. (Dies folgt daraus, daß er vor 194

bereits alle Amtsstufen der städtischen Karriere beging, dabei trug er wahrschein­lich sogar zweimal die alle fünf Jahre zu besitzende Würde des quinquennalis,zuvor betätigte er sich auch als Quaestor und Aedilis.)

36194 oder etwas später wurde er zum Mitglied des ordo von Carnuntum.Nach 198 wurde er in das ordo equester aufgenommen.Vor 211 war er sacerdos arae Augg. provinciae Pannoniae Superioris.Nach 212 beging er alle drei Dienststufen der ritterlichen Karriere (militia equestris):

- tribunus militum legionis XIII Geminae Antoninianae,- tribunus cohortis II Mattiacorum milliariae equitatas,- praefectus alae Hamiorum I Surorum milliariae.

219 lebte er schon vom amtlichen Dienst zurückgezogen in Carnuntum.Aufgrund oben angeführter Angaben können wir versuchen, den Hintergrund dieser Kar­

riere - jeweils mit Einschlatung von zahlreichen Folgerungen - in der Form einer Biogra­phie zu entwerfen.

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III.

Man konnte sich im Allgemeinen erst nach einem Lebensalter von 25 Jahren zum Decurioerheben, wenn Rechtstellung und begüterte Lage Einen dafür gleicherweise geeignet mach-

37ten . Davon ausgehend können wir die Geburtszeit von L. Octavius Faustinianus um 155-38160 annehmen. Sein Geburtsort mag sogar Savaria gewesen sein , aber es scheint noch

wahrscheinlicher, daß er oder seine Familie aus Poetovio in diese Stadt kam. Diese An­nahme wird von der Dedikation der geradezu vorgestellten Inschrift unterstützt: der Kultvon Iuppiter Depulsor war nämlich ganz spezifisch in dem religiösen Leben von Poetovio

39und seiner Umgebung verbreitet . Unter den religiösen Verhältnißen der Kaiserzeit war ziemlich gewöhnlich, daß man von der Heimat entfernt beim gegebenen Anlaß der lokalen Gottheit des verlassenen Geburtsortes eine Inschrift widmete^10. Der Familienname Octavius war sowohl in den 1-2. Jahrhunderten als auch in der Severerzeit in erster Linie in Süd-

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pannor.ien und die Bernsteinstraße entlang verbreitet’'1'. Laut Feststellungen der famili­engeschichtlichen Forschung waren die Träger dieses Namens hauptsächlich Abkömmlinge von Familien italienischer, dalmatischer und südgallischer Herkunft^. Die großen Markoman­nenkriege verursachten auch in der Bevölkerung von Savaria bedeutende Menschenverluste^, und nach den Kriegen - d. h. in den 80er Jahren des 2. Jahrhunderts - kamen Träger neuer, charakteristisch italienischer Namen in einer höheren Zahl in der zum Teil unbevölkerten Stadt an*"*. (Diesen Charakters ist auch der Name Octavius.) Die neuen Einsiedler staraa- ten sicherlich nicht unmittelbar aus Italien, sie schieden sich wohl aus der Bevölkerung der Städte an der südlichen Strecke der Bernsteinstraße - so unter Anderem aus Poetovio - aus. Zu ihnen soll auch Faustinianus gehört haben.

Der in Savaria angekormene junge Mann stammte ohne Zweifel aus einer begüterten Fa­milie, sonst hätte er kaum fast sofort nach der Umsiedlung unter die Mitglieder des ordo decurionum gelangen können. Seine spätere Laufbahn zeugt nicht nur von einer begüterten Lage, sondern auch von einer hohen Stufe persönlicher Ambitionen und Aktivität. So ist kein Wunder, daß er die Stufen der amtlichen Karriere im öffentlichen Leben der Klein­stadt, die sich nach dem Kriegen nur langsam erholte^“*, schnell bestieg. Seine ganze Laufbahn bezeugt, daß er besonders in Wirtschafts- und Handelsbereichen tätig war: in crdo betätigte er sich als Quaestor und Aedilis - er stand also für die Wirtschaftsange­legenheiten und die Versorgung der Stadt zu -, dabei war er Vorsitzender des einzigen heute bekannten Handwerkervereines der Stadt, des collegium fabrum et centonariorum. Wirtschaftlichen und politischen Leitern diesen Typs hatte Savaria zu verdanken, daß es sein Wirtschaftsleben - wenn auch im minderen Umfang - nach der Trauma der Kriegsjahre herstelien konnte. Aber auch die Rekonstruktionen, sowie der Bau von kultischen und öf­fentlichen Gebäuden waren den Vertretern dieser Schicht zu verdanken.

Die erste Inschrift des Faustinianus, die er für das Heil der ganzen Stadtbevölke­rung (pro salute Savariensium) Juppiter Depulsor widmete, legt die beiden Stützpfeiler der Positionen des Stadtvorstehers, der zur Zeit der Erstellung der Inschrift ungefähr 35 Jahre alt war und sich bereits zu den angesehensten Männern des Ortes zählte, klar auf: die ihn im Besitz bedeutenden Gutes entlassene Vaterstadt und die aus eigenen Kräf­ten eroberte Gesellschaft von Savaria. Faustinianus war ein "seif made man" im echten Sinne des Wortes, der die Zinsen der Familienerbe im öffentlichen Leben genoß.

Es ist eine charakteristische und zugleich aus dem Gesichtspunkte seiner späteren Laufbahn wesentliche Angabe, daß Faustinianus schon damals ein Vorsteher des Handwerker­vereines von Savaria war. Diese Funktion war mehr als ein einfacher Ehrenauftrag, denn Faustinianus schenkte am Ende seines Lebens auch die Geniusstatue auf der Basis von Car­nuntum der örtlichen collegium fabrum. Die lange Jahre anhaltende Verbindung, die Fausti­nianus zu den Handwerkervereinen der westpannonischen Städte hatte, war sicherlich von geschäftlicher Natur. Sie sogar darin bestanden haben, wie es L. Balla aufwarf , daß Faustinianus auf dem ager von Savaria größeren Wälder besaß, aus denen er den Holz Hand­werkern lieferte, die - Zimmerer, Tischler, Faßbinder, Wagner -, harten Stoff bearbeite­ten. Doch das Wesen des Verhältniße sogar darin bestehen, daß es von Anfang an die Sphäre des Zwischenhandels bewog, was in der ersten Linie durch das Vorhandensein des doppelten Decurinnates begründet zu sein scheint^. Die beiden Tätigkeiten bildeten wahrscheinlich zusammen die Grundlage des Kontaktes zwischen Faustinianus und den Handwerkern. Faustini-

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anus, der sich in allen drei bedeutenden Zentren der Bernsteinstraße - Poetovio, Savaria, Carnuntum - wie zu Hause bewand, sollte sein Gut unter weitverbreiteten Immobilien und beweglichem Handelskapital aufgeteilt haben^.

Nachdem Faustinianus die Bahn in Savaria belaufen hatte, die ein Decurio in einer Kleinstadt überhaupt belaufen kann, - er hatte die Würde des Oberpriesters der Stadt er­reicht - , erwarb er sich auch noch die Aufnahme in das ordo von Carnuntum. Die verdop­pelter Verpflichtungen konnte nur Einen anziehen, dem die Geschäftsbeteiligungen in bei­den erwähnten Städten bedeutenden Gewinn brachten und der von dem zweiten Decurionat einen weiteren Aufstieg im öffentlichen Leben und dadurch eine erneute Erweiterung des geschäftlichen Gewinns erwarten konnte.

Doch der Decurionat in Carnuntum macht auch etwas Anderes klar. Faustinianus war voller Ambitionen. Er wurde in das ordo von Camantum aufgenommen als die Stadt, die ehe­mals den Kaiser Septimius Severus auf seinen Weg entließ, von dem gewesenen Statthalterden Rang einer Colonia erhielt. Faustinianus war eigentlich kein Stadtbürger von Camun-

49tum , so mußte der Erhaltung der Würde in der privilegierten Stadt Vorgehen, daß er seine Treue zun Septimius Severus, der zum Herrscher erhoben worden war, in irgendeiner Form schon erwiesen hatte: sei es unmittelbar im Statthalterpalast zu Carnuntum gesche­hen oder auf eine mittelbare Weise, die Faustinianus als ehemaliger flamen des Kaiser­kultes in Savaria zugänglich war.

Zu ähnlichen, die Treue zum Kaiser beweisenden Gesten mußte er auch im Späteren An­läße haben, denn die neuen Mitglieder des ordo equestris wurden nicht einfach aufgrund des Güterzensus ernannt^0, sondern es fielen dabei auch die Loyalität und Zuverläßig- keit der Erwählten zur neuen Dinastie ins Gewicht. Faustinianus soll 40-45 Jahre alt ge­wesen sein als er in den zweiten Stand der Reichsaristokratie aufgenoamen wurde, wodurch sich auch die Bahn zur militärischen Karriere eines Oberoffiziers vor ihm eröffnete. Er machte sich doch nicht gleich daran, die Stufen der tres militiae zu besteigen, um sich zu den Machthabern des ganzen Reiches zu erheben. Zuvor hatte er noch ein Jahr lang die höchste öffentliche Würde von Pannonia Superior erfüllt: er war zum sacerdos arae Augustorum worden, der in dieser Eigenschaft seinen Sitz wieder einmal in Savaria ge­halten und auch den Posten des Vorsitzenden der Provinzversammlung inne hatte. Ihm wurden alle Äußerlichkeiten der Macht zuteil: er trug eine purpurgeränderte Toga wie die Sena­toren - auf der Straße begleiteten ihn Lictoren, wie es einem Consulen galt -, im Amphi­theatrum war er Ehrenvorsitzender der Spiele und verfügte über Leben und Tod. Die hohe Würde bedeutete aber nicht nur glänzende Äußerlichkeiten. Als Vorsitzendercfe Provinzi­allandtages war er tagtäglich im Statthalterpalast bewandt, er schrieb und erhielt Be­richte über die Reichsideologie - die Angelegenheiten der Kaiserehre -, und in Ausnahme­fällen war er sogar berechtigt, sich unmittelbar an den Kaiser zu wenden. Dasselbe galt für den Fall, wenn immer der Statthalter Mißbräuche und Regelwidrigkeiten begingt.

Wir wißen es nicht genau, wieviel Zeit von der Einfüllung der Oberpriesterwürde bis zum Beginn der militäriscnen Karriere vorbeiging. Es dauerte sicherlich nicht zu lange. Nach 212 finden wir Faustinianus bereits außerhalb der Provinz. Er diente als Tribunus einer Legion im benachbarten Dacia, seine Einheit, die legio XIII Gemina war in Apulum stationiert, später führte er einen Cohors aus tausend Mann in der Provinz Moesia In­ferior an der Küste des Schwarzen Meeres. Sein dritter Dienstort lag in Nord-Afrika, wo

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er schon am Spitze einer ala milliaria stand. - Nachher kehrte er am Ende des Jahrzehnten als bejahrter, erfahrener, weltgereister Mann nach Pannonia zurück. Sein Gut in den Städ­ten der Bernsteinstraße, das in seiner Abwesenheit von Freigelaßenen behandelt worden war, hatte sich während der Jahre des Militärdienstes wahrscheinlich nur noch vermehrt wie auch er selbst zu neuen, auch geschäftlich nützlichen Verbindungen gelangt hatte. Nach der Rückkehr siedelte er wahrscheinlich endgültig in Carnuntum, der Hauptstadt von der oberen Pannonia ab. Nach dem Ablauf eines so aktiven Lebens entsprach diese Stadt dem 60-65 Jährigen aus mehreren Gesichtspunkten viel mehr als das damals wieder hinunterge­sunkene Savaria"^, oder das noch in der Kinderzeit verlaßene und nicht minder Sympthome eines wirtschaftlichen Rückganges aufweisende Poetovio"^. Carnuntum erspürte die Krise weniger, hier wirkte noch die Konjunktur, die in der Severerzeit aus den vermehrten Ein­künften der Armee entstand"^. Hier konnte also Faustinianus zu seinen bewährten Geschäf­ten zurückkehren. Als römischer Ritter konnte er nach einer militärischer Laufbahn - im gesamten Reiche zählte sie sich keineswegs zu den Seltenheiten -, die höchste gesellschaft­liche Anerkennung in Pannonia genießen. Hier verlieh ihm auch der Ritterstand eine höhere Prestige und als ehemaliger Oberpriester der Provinz fand er sicherlich auf keinen Kon­kurrenten. Er nutzte wohl die Vorteile, die sich aus seinem Range ergaben: er nahm an den Sitzungen des concilium provinciae , sowie an den feierlichen Zeremonien des Kaiser­kultes teil; er schloß sich der Arbeit der Decurio-Körperschaft zu, entschied über öf­fentliche Bauarbeiten und Personenfragen. Seine Meinung nahm auch das Officium der Statt­halterei in Betracht, seine hohe Position ermöglichte, daß er in allen gemeinnützigen Fragen Meinung äußern und im Notfälle Stellung nehmen konnte. Die Handwerker der beiden Städte - zu den er so weitreichende Verbindungen hatte -, betrachteten ihn gewiß nicht als bloßen Geschäftspartner, sondern als eine Persönlichkeit, die himmelhoch über ihnen steht und von der man die Lösung vieler Fragen vom allgemeinen Interesse erhoffen konnte. Die Inschrift an der Rückseite der Basis von Carnuntum^ weist darauf hin, daß die Lei­tung des Handwerkercollegiums mit dem praefectus an der Spitze bestrebt war, ihren Rang und ihre Prestige dadurch zu erheben, daß sie mit einer Persönlichkeit wie Faustinianus vor dem kürzlich inaugurierten Kaiser - Elegabalus - huldigte. Daran war wirklich nicht Faustinianus schuld gewesen, daß die ihm Jahrzehnte lang eigen gewordene Treue zum je­weiligen Kaiser, ihn diesmal zu einer unwürdigen Person verleitet hatte, dessen Namen einige Jahre später Soldaten von den Inschriften abneißelten, wobei auch die Basis des Genius' im Sitz der Handwerker von Carnuntum schwer verletzt wurde.

Nach dem August des Jahres 219 verlieren wir den Faden dieser außserordentlichen Laufbahn in Pannonien endgültig. Soll Faustinianus wirklich um 155-160 geboren sein - er war zur Zeit der Erstellung der Basis von Carnuntum 60-65 Jahre alt -, so konnte er die Konjunktur derStädte an dem Limes von Pannonien noch ein gut Jahrzehnt genießen, selbst, wenn diese Konjunktur vom Jahr zu Jahr immer mehr sichere Symptome des Untergan­ges zeigte. Soll er dafür ein außergewöhnlich hohes Alter erlebt haben, so mußte er als Greise am Ende seiner achtziger Jahre auch noch den großen Zusammenbruch, den Sturz des letzten Severus und demzufolge die rasche Auflösung des wirtschaftlichen und gesellschaft­lichen Lebens der Städte von Pannonien, darunter auch die von Savaria und Carnuntum wahr­nehmen.

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Sein Los und Lebenslauf, die sich schon im Aufstieg an die Geschichte dieser Pro­vinz knüpften, hörten zum Schluß der von außerordentlichen Umständen bestimmten Blüte­zeit von Pannonien auf, zu einer Zeit also, wo auch in der Geschichte von Pannonien eine ganze Epoche zu Ende ging und die Anarchie begann.

Oktober 1982

Korrektur-Zusatz:

Die Handschrift habe ich im Oktober 1982. dem Savaria Museum in Szombathely zur Publikation übergeben. Da der Band des Jahrbuchs "Savaria" für das Jahr 1983 bis heute nicht erschienen ist, publiziere ich diesen Artikel hier. Dieser Umstand erklärt, daß ich die Resultate von G. Alföldy, Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik nicht in die Arbeit einbeziehen konnte, (vgl. Zeitschrift für Papirologie und Epigraphik 51 1983.23o-236.)

P e c s , den 2c. Dezember 1986.

Anmerkungen

1 - Ich soll auch an dieser Stelle meinen Dank für die Überlassung des Publikations­rechtes, sowie für die Angaben in Bezug auf die Fundumstände und für die vielseitige, freundliche Hilfe zu meiner Arbeit Magdolna Medgyes ausdrücken.

2 - A. Betz, Carnuntum Jb. 6 (196o) 29 ff.; Ders., Ebd. 7 (1961-1962) 86 ff. - Dierichtige Lesung des Hamens: G. Alföldy, Listy Filologicke 88 (1964) 265 ff.;An. ep. 1966. 268.

3 - J. Fitz, Acta Arch. Hung. 24 (1972) 41. Nr. 5.4 - A. Betz, a.a.O.; H. G. Kolbe, Carnuntum Jb. 8 (1963-1964) 48 ff.; neuerdings:

J. Fitz, in: Röm. Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik. (Festschrift A. Betz.) Wien, 1985. 257 ff.

5 - Zusammenfassend: L. Balla, in: Die römischen Steindenkmäler von Savaria. Kersg.:A. Mocsy - T. Szentleleky. Budapest, 1971. 23 ff.

6 - RIU 14: Dec. c. C. Sjavj, 39: dec. c. C. Savar., 66: dec. c. C. S., 136: decuriocol. Claud. Savar., 139: dec. col p l . Sajvar■, A. Barb, Burgenl. Heimatbl. 22 (196o) 166 f.: d. c. CI. - Vgl. noch RIU 71, dazu: G. Alföldy, a.a.O.

7 - RIU 118, 139.8 - RIU 139: Pr(a) ef. coli, fabr. Cent. - Die Inschrift ist intakt, das Bindewort 'et'

fehlt aus dem Text. RIU 118: Collegij^ij fabrorum fet?j centenar^ijor.- Die Ergänzung ist nicht unbedingt notwendig.

9 - Vgl. z.B.: RIU 14, 2o, 136, 139 usw.

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10- RIU 2o mit ähnlicher Ligatur.11- RIU 2o: flairen divi Cl(audii) (Savaria), CiL III lo 347 (= 3362): flamini co(Ioniae)

(Vereb), vgl. noch: CIL III 3368, lo 496 (= 6452), 14 3593, 15 1881, K. Poczy,Arch. Ert. 99 (1972) 29. usw.

12- A. Betz, a.a.O. (Anm. 2.), Ders., Fasti Arch. 17. (1962) 6827.

13- H.G. Kolbe, a.a.O.: A. Betz, Fasti Arch. 18-19 (1963-1964) lo 939.

14- G. Alföldy, a.a.O. a65 ff.; An. ep. 1966. 268.

15- L. Balla, Ant. Tan. 12 (1965) 264 ff.; Ders., Acta Class. Univ. Scient. Debrecen.3 (1967) 89 ff.

16- A. Mocsy, Acta Arch. Hung. 21 (1969) 367.; E. Swoboda, Carnuntum. Seine Geschichte und seine Denkmäler.^ Graz-Köln 1964. 123 ff. - Neuerdings: J. Fitz, Das Jahr­hundert der Pannonier. (Hereditas) Budapest, 1982. 31.

17- Vgl. Kolbe, a.a.O.: ... trib, mil. leg, XIII G. Ant., trib. coh. II Mattiacor. (milliariae) eq., praef. alae jljl Sept. Suror. (milliariae) --- - Eine gute Ab­bildung: M.-L. Krüger, CSIR 1/3, Österreich - Die Reliefs des Stadtgebietes von Carnuntums. I. Teil: Die figürlichen Reliefs. Wien 197o. Nr. 152.

18- Vgl. oben: Anm. 13-14. Ihre Lesung: ... Alf - - - M. f. Faustinianus. S. noch:A. Mocsy, Acta Arch. Hung. 21 (1969) 367 Anm. 288.

19- CIL III 417o.; Die röm. Steindenkmäler ... 97. Nr. 8o.; RIU 71.

20- L. Balla, a.a.O., A. Mocsy, a.a.O. - RIU 71.

21- G. Alföldy, a.a.O. - Dagegen s. die Ergänzungsvarianten in RIU.

22- L. Balla, a.a.O. nimmt die Datierung auf das Jahr 2o2, d. h. auf das Jahr des Be­suches von Septimius Severus in Pannonien an.

23- E. Toth, Arch. Ert. 98 (1971) 143 ff.

24- T. Szentleleky, in: Neue Beiträge zur Geschichte der alten Welt, II. Berlin 1965.381 ff.; Ders■, A szombathelyi Isis-szentely - Das Isis-Heiligtum von Szombathely. (Savaria romkertjei - Die Ruinengarten von Savria. 1.) Szombathely 1965.; Ders.,In: Die röm. Steindenkmäler ... 4o ff. - Zur Datierung: I. Toth, Acta Arch. Hung.26 (1974) 165 ff.; Ders., Vasi Szle 29 (1975) 56o ff.; L. Balla, Studia Aegyptiaca 1 (1974) 1 ff.; neuerdings J. Fitz, a.a.O. 22.

25- Zusammenfassend: I. Toth, Acta Class. Univ. Scient. Debrecen. 13 (1977) 63 ff.; Ders., Juppiter Dolichenus tanulmanyok. Budapest, 1976. 92 ff. - mit der früheren Literatur.

26- RIU 71. Vgl.: L. Balla, in: Studia ethnographica et folkloristica in honorem Bela Gunda. Debrecen 1971. 471.

27- Vgl.: L. Balla, Acta Class. Univ. Scient. Debrecen. 3 (1967) 91.; Ders., Ant. Tan. 12 (1965) 266.

28- A. Alföldi, Budapest törtenete (Die Geschichte von Budapest) i/L. Budapest 1942.3ol f.; P. Riewald, PU-RE I/A (192o) 1653.; J. Deininger, Die Provinziallandtage der

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röm. Kaiserzeit. München-Berlin 1965. passim.

29- Vgl.: Kolbe, a.a.O. (Anm. 4.) 48 ff. - Ein anderer Beispiel aus Pannonien: CIL IIIlo 82o (= 3936): G. D. Q. Victorinus dec. coi. Sisc. II viral, eq . Rom, sac. p.P. Sup. - Vgl. noch: CIL III lo 3o5.

30- Siehe: RIU 2o, 21: Der Nemesis geweihte Altäre, die sicherlich mit den amphitheat- ralen Spielen Zusammenhängen. RIU 39: ... cryptam vi ignis exustam sumptibus suis refecerunt , dazu jüngst: J. Fitz, a.a.O. 22.

31- Die heutige Maßen sind: Höhe: 85,5 Breite: 5o cm. Die ehemalige Breite sollte 12o-13o cm, die Höhe konnte ehemals mindestens so viel sein.

32- T. P, Buocz, Savaria topogräfiäja (Die Topographie von Savaria). Szombathelye. J. [ = 1968] 86.

33- L. Balla, Studia ethnographica et folkloristica ... 471., und Studia Aegyptiaca1 (1974) 1 f. nimmt an, daß die Inschrift mit dem Bau des Iseums in Zusammenhang ge­standen habe.

34- Kolbe, a.a.O. 5o.

35- ... praefectus alae II Septimiae Surorum milliariae ■■.

36- Die Jahreszahl ist die der Rangerhöhung von Carnuntum. Vgl. Swoboda, a.a.O. 12o.;L. Balla, Acta Classica Univ. Scient. Debrecen. 3 (1967) 91,; Ders■, Ant. Tan.12 (1965) 266.

37- Kubier, PW-RE 4 (19ol) 2319 ff.38- L. Balla, a.a.O.39- A. Mocsy, PW-RE Suppl. 9 (1962) 729. Ausführlich: Lj. Zotovid, Starinar IV/17

(1966) 96 ff.240- G. Wissowa, Religion und Kultus der Römer. München 1912. 78 ff.

41- Vgl.: A. Mocsy, Die Bevölkerung von Pannonien bis zu den Markomannenkriegen. Buda­pest 1959. Nr. 2/41 - Emona, 7/1 - Kamnik, 57/tq - Siscia, 64/21 - Poetovio,89/3-4 - Ondod (Umgebung von Savaria), 153/7, 154/5o, 156/39 - Carnuntum, 187/1 - Albertfalva (Umgebung von Aquincum). Aus den späteren Zeiten: L. Barkoczi, Acta Arch. Hung. 16 (1964) 328 ff. Nr. 38/47-48 - Poetovie, 78/18 - Carnuntum, 91/18 - -Brigetio.

42- Mocsy, a.a.O. S. 157. s.v. Octavius; L, Balla, A Debreceni Kossuth Lajos Tudcmäny- egyetem Törtenelmi Int. Evkönyve 1 (1962) 21.; Ders■, in: Die röm. Steindenkmäler...24 f.

43- A. Mocsy, Arch. Ert. 9o (1963) 17 ff.; L. Balla, letztens a.O. 17 f.

44- Ebd. 27 ff.

45- L. Balla, in: Die röm Steindenkmäler ... 3o f.; J. Fitz, a.a.O. 21 f.

46- S. oben Anm. 15. und J. Fitz, a.a.O. 31.

47- A. Alföldi, a.a.O. 31o.

48- L. Balla, Ant. Tan. 12 (1965) 264 ff.

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49- Diese Annahme stammt von E. Swoboda, a.a.O. 123.50- A. Mocsy, Pannonia a kesoi csäszärkorban. Budapest 1974. 5o skk.

51- A. Alföldi, a.a.O. 3o2.

51- H. G. Kolbe, a.a.O.

53- Über die Libertiner in Savaria: L. Balla, in: Die rem. Steindenkmäler ... 31.

54- Ebd. 28.

55- A. Mocsy, a.a.O. 57 ff.

56- J. Fitz, a.a.O. 14 ff.

57- Ded. Imp. An tonsio Aug. II et Sacerdote cos. X Kal.Sept. Agente praef. T. Ael.Constant. magg. coli. Ael. Herculane et Ulp. Marc fei] lino. - Diese Inschrift wurdevon einem anderen Hand gemeißelt als die Hauptinschrift.

Gute Abbildungen sind in den zitierten Werken von Betz, Kolbe, Swoboda und Krüger.

Abb. 1 - Das Bruchstück der Inschrift von Faustinianus

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Abb. 2

-

Die Er

gänz

ung de

r Inschrift vo

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OECCGS-DEGCObSEP^ARNSQVO-PVBLIOSAOARAEMCGf R O V j NCIAE'M'

Ad o. 3 - Die Ergänzung der Inschrift RIU 71 (nach G. Alföldy)

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