Post on 28-Apr-2023
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ............................................................................................................................. 1
1.1. Vorgehen der Arbeit ....................................................................................................... 2
2. Das Genre Telenovela ........................................................................................................... 3
2.1. Geschichte und Wurzeln der lateinamerikanischen Telenovela ........................................ 3
2.2. Die Telenovela als Produkt der Kulturindustrie ............................................................... 4
2.3. Struktur und Identifikation .............................................................................................. 6
3. Geschlechterkonstruktion und „Doing Gender“ ..................................................................... 7
3.1. Eva Illouz: die Liebe, die Schönheit und der Kapitalismus ............................................. 9
4. Die Telenovela Yo soy Betty, la fea ..................................................................................... 13
4.1. Synopsis ....................................................................................................................... 13
4.2. Geschlechterkonstruktion in Yo soy Betty, la fea .......................................................... 14
4.2.1 Das Motiv der Schönheit: eine neue Protagonistin ................................................... 14
4.2.2. Ort der Handlung: EcoModa, die Welt der Mode und der Models .......................... 16
4.2.3. Weitere Figuren und ihre Beziehungen – die Front der Schönen und Hässlichen .... 16
4.2.4. Erotisches Kapital in Yo soy Betty, la fea ............................................................... 19
4.2.5. Die Liebe in Yo soy Betty, la fea ............................................................................ 20
4.2.6. Der Triumph des cuartel de las feas ....................................................................... 23
5. Fazit – Erfolg durch Identifikation und Anerkennung .......................................................... 24
6. Literaturverzeichnis ............................................................................................................. 26
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
1
1. EinleitungAuf den globalisierten Märkten der Kulturindustrie 1 existiert kein Produkt, das
dem Label „Made in Latin Amerika“ mehr entsprechen und Ehre machen würde als die
weltweit bekannten und gefeierten Telenovelas aus Lateinamerika. Sie sind als Produkt
der lateinamerikanischen Kulturindustrien ein regelrechter Exportschlager, ja, das
Exportprodukt schlechthin (Guerra 2001). So verwundert es wenig, dass die
erfolgreichste, bekannteste und beliebteste Telenovela aller Zeiten ebenfalls aus
Lateinamerika, genauer gesagt, aus Kolumbien stammt. Im Jahr 2010 wurde „Yo soy
Betty, la fea” (1999-2001) aus der Feder des kolombianischen Drehbuchautoren
Fernando Gaitán, produziert und ausgestrahlt im kolombianischen Privatsender RCN
Televisión, mit einem Eintrag als erfolgreichste Telenovela aller Zeiten in das
Guinnesbuch der Rekorde ausgezeichnet 2. Während ihrer Erstausstrahlung von Oktober
1999 bis Mai 2001 erreichte die Telenovela Einschaltquoten von über 50%; Betty, die
Protagonistin verwandelte sich in eine Art Nationalheldin, die alle Zuschauer in ihren
Bann zog. Medienberichten zufolge nahmen die Austrahlungen sogar Einfluss auf die
die Aktivitäten der kolumbianischen Guerrilla 3, die zu den Sendezeiten ihre Waffen
ruhen liessen4. Doch nicht nur in Kolumbien erreichte „Yo soy Betty, la fea“
bahnbrechende Erfolge. Laut dem Internet-Lexikon Wikipedia wurde die Telenovela in
mehr als 180 Ländern weltweit ausgestrahlt, in mehr als 25 Sprachen übersetzt und
mindestens 28 mal adaptiert (u.a. Verliebt in Berlin, 2006) 5. Die Auftaktepisode und das
Finale des kolombianischen Originals der Telenovela erreichten in Youtube, obwohl
erst seit weniger Monaten online, bereits weit mehr als 900 000 Aufrufe 6.
Genau diese rekordhafte Beliebtheit der Telenovela, die sich unter anderem in
den auf Youtube geposteten Kommentaren a lá „beste Telenovela aller Zeiten“ 7, den
angeführten Einschaltquoten und Auswirkungen auf das öffentliche Leben ausdrücken,
machen „Yo soy Betty, la fea“ zu einem so attraktiven und vielfältigen
Forschungsobjekt der Literatur- und Kulturwissenschaften. So steht die Telenovela auch
1 Der Begriff geht zurück auf Max Horkheimer und Theodor Adornos Essay Kulturindustrie – Aufklärungals Massenbetrug ,enthalten in Dialektik der Aufklärung (Horkheimer/Adorno (1988, [1969]))2 El diario del otún (2010)3 Zum Hintergrund siehe Schumacher (1998); Leonard (1996)4 Villanova (2012)5 Wikipedia , Artikel “Yo soy Betty, la fea”, zuletzt aufgerufen am 15.12.146 Capitulo completo 1 und 156 Yo soy Betty, la fea, www.Youtube.com7 Ana Delgado schreibt beispielsweise auf Youtube als Kommentar zur ersten Episode : „Muy buena!La mejor novela q vi en mi vida :-)!“ Es folgen mehrere hundert Kommentare mit ähnlichem Inhalt, vorallem Lob und Zuspruch.
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
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in der hier vorliegenden Arbeit im Mittelpunkt der Betrachtungen, vor allem jedoch ein
Aspekt, der - dies sei hier einmal vorweg genommen – in „Yo soy Betty, la fea“ so ganz
anders dargestellt ist, als in den traditionellen Telenovelas: die Repräsentation von
Männern und Frauen, also von Geschlecht. Mein Interesse gilt der Art und Weise, wie
die Geschlechter und die Geschlechterdifferenz konstruiert und reproduziert werden.
Nun sind die Dimensionen, in denen die Geschlechter hergestellt werden, sehr
vielfältig und überaus wirkmächtig, denn, wie schon Simone de Beauvoir feststellte:
„wird man nicht als Frau geboren, sondern zur Frau gemacht.“ (Beauvoir 2007). In der
vorliegenden Arbeit möchte ich mich damit beschäftigen, wie verschiedene Regime und
Dimensionen dazu beitragen, dass wir uns in vermeintlich natürlicher Weise als Männer
und Frauen identifizieren, entweder – oder. Dazu konzentriere ich mich vorrrangig auf
zwei Dimensionen, die mir in der Telenovela als besonders zentral erscheinen und
wiederum Aufschluβ geben können darüber, warum die Telenovela so bahnbrechend
erfolgreich war. Als erste zentrale Dimension der Geschlechterkonstruktion werde ich
den Aspekt der „Schönheit“ als Teil des geschlechtsspezifischen bzw.
geschlechterkonstruierenden Verhaltens betrachten. Als ganz bedeutsamens Motiv der
Telenovela möchte ich untersuchen, wie Schönheit repräsentiert und verhandelt wird,
was sie für die Handlung der Telenovela sowie für ihr Publikum bedeutet. Das zweite
zentrale Motive der Telenovela, das ich hier untersuchen möchte, ist die romantische
Liebe. Obwohl in der Soziologie und Geschlechterforschung bisher eher wenig
betrachtet, stellt gerade der Bereich der Gefühle eine Dimension dar, in der die
Geschlechter konstuiert und geschlechtsspezifisch abgebildet bzw. wahrgenommen
werden und sich reproduzieren, was ich anhand der Telenovela veranschaulichen
möchte.
1.1. Vorgehen der ArbeitIm ersten Teil meiner Arbeit (Kapitel 2) werde ich zunächst das Genre
Telenovela aus kulturwissenschaftlicher und medienkritischer Perspektive vorstellen.
Anschlieβend (Kapitel 3) werde ich den theoretischen Rahmen entwickeln, innerhalb
dessen ich die Telenovela „Yo soy Betty, la fea“ (Gaitán 1999-2001) analysiere. Hierzu
führe ich kurz in die Geschichte und den Begriff der Geschlechterkonstruktion und des
„Doing Gender“ ein. Anschlieβend werde ich die Hauptthesen der israelischen
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
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Soziologin Eva Illouz (Illouz 2007b, 2011, 2007a) über „Emotionale Ungleichheit“
(Illouz 2011), „Gefühle in Zeiten des Kapitalismus“ (Illouz 2007b) und den „Konsum
der Romantik“ (Illouz 2007a) entwickeln, die mir im zweiten Teil der Arbeit (Kapitel 4)
zur Analyse der eingangs angeführten zentralen Motive der Schönheit und der Liebe
dienen sollen. Meine Analyse basiert auf den auf Youtube abrufbaren 156 Kapitel der
Serie „Yo soy Betty, la fea“ , eine leicht gekürzte Variante des Originals, das aus
ingesamt 169 Kapiteln besteht. Der letzte Teil meiner Arbeit (Kapitel 5) beinhaltet
meine Schluβfolgerungen.
2. Das Genre Telenovela“Si algo en nuestros días resulta innegable, es el enorme efecto de la telenovela, malallá de sus muchas carencias, fallas, defectos, aberraciones, etc., causa dentro de la
dinámica social y comercial del mundo contemporáneo.” (Guerra 2001: 15)
2.1. Geschichte und Wurzeln der lateinamerikanischen Telenovela Sie ist bemerkenswert und, obwohl lange negiert, mittlerweile gut erforscht –
sowohl aus historischer als auch aus kulturtheoreticher Perspektive – die Geschichte
und Bedeutung der lateinamerikanischen Telenovela – oder, viel eher, ihr Siegeszug 8.
Die erste, als solche bekannt gewordene Telenovela stammt aus Kuba, “El derecho de
nacer” aus dem Jahre 1950. Als Kreation des kubanischen Autoren Félix B. Caignet
wurde sie auf der Grundlage der gleichnamigen Radionovela produziert (Raimondi
2011). Angesichts des sich schnell einstellenden Erfolgs entwickelte sich Havanna in
den 50er Jahren zur „Wiege der Telenovela“ für Produzenten, Autoren und
Schauspieler, die sich auf das neu entstehende Genre spezialisierten (ebd. S.4), welches
sich wiederum rasant über den gesamten Kontinent ausbreitete. Neben der bereits
erwähnten Radionovela stellten die so genannten Soap Operas aus den USA –Serien im
Episodenformat – einen direkten Vorgänger der Telenovelas das, aus denen heraus sie
sich entwickelte9. Wie (Guerra 2001) ausführlich darstellt, beruhen Aufbau, Handlung
8 Vgl Mazziotti (2006); Cervantes (2005); Guerra (2001); Martín Barbero (1987); Méndez (2001);Raimondi (2011), allen voran Martín Barbero 19879 Die Soap Operas wurden bereits in den 30er Jahren eigens zu Werbezwecken von Seifenherstellernerdacht und produziert, vgl. Guerra (2001): „Los primeros intentos de produccion de telenovelas fueronrealizados directamente por empresas fabricantes y distribuidoras de detergentes, jabones y cremas
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
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und Figurengestaltung auf weiteren literarischen Vorbildern, die der Telenovela
vorangegangen sind. Ganz besondere Beachtung muss hier dem Melodrama aus dem
postrevolutionären Frankreich des 18. Jahrhunderts geschenkt werden. Aus ihr entlehnte
die Telenovela die archetypischen Figuren, ihre Konstellation und einen grossen Teil
der Handlung: die immer weibliche Protagonistin, die auf der Suche nach ihrer wahren
Identität gegen den Schurken (Antagonisten), der sich wiederum als Edelsmann ausgibt,
kämpfen muss, und schlieβlich vom männlichen Protagonisten (dem Prinzen) erkannt,
gerettet und vor allem geliebt wird (Martín Barbero 1987). Darüber hinaus vereint die
Telenovela Elemente der "literatura fantástica infantil, [...] la novela gótica, la novela
romántica, la radio-novela […]“ (Guerra 2001).
2.2. Die Telenovela als Produkt der KulturindustrieBesondere Beachtung erfährt die Telenovela als „ spezifisch
lateinamerikanisches Produkt der Massenmedien“ (Mazziotti 2006) vor allem in den
lateinamerikanischen Kulturwissenschaften, genauer gesagt innerhalb einer breiten und
kontroversen Debatte über den Einfluss der Massenmedien auf die lateinamerikanischen
Gesellschaften (Szurmuk et al. 2009). Auch wenn die Einschätzungen ihrer Bedeutung
stark divergieren, so sind sich die meisten der Theoretiker 10 dennoch einig, dass ihre
radikale Ausbreitung zunächst einmal die Integration eines Groβteils der Bevölkerung,
nämlich der verarmten Massen, in die jeweiligen nationalen und kapitalistischen
Kulturen bedeutete – in doppelter Hinsicht, als Publikum sowie als Protagonisten, deren
unmittelbare und alltägliche Erfahrungen, wie Armut, Ungerechtigkeit, Diskriminierung
und Marginaliät etc. Einzug hielten in die Erzeugnisse der Kulturindustrien und damit in
das nationale Selbstverständnis 11:
“La industria cultural […], cuyo objetivo principal es vender productos a travésde los medios de comunicación, tiene una función claramente ideológica: inculcar enlas masas al mismo sistema y asegurar su obediencia a los intereses del mercado. […]
dentales. Con el tiempo, la oferta de artículos de tocador e higiene personal se ha incrementadosignificativamente en sus transmisiones diarias.” (Guerra 2001: 63)10 Die Theoretiker, auf die sich innerhalb der Debatten berufen wird, gehören in erster Linie nicht denlateinamerikanischen Kulturwissenschaften (Szurmuk et al. (2009)) an: u.a. Horkheimer/Adorno (1988,[1969]), die der Frankfurter Schule angehören, auf die sich wiederum später auch die Mitglieder desCenter for Contemporary Cultural Studies (CCCS) in Birmingham, u.a. Raymond Williams, Stuart Hall undRichard Hoggart berufen.11 Oder wie Canclini es nennt, das Imaginario. Vgl. García Canclini (1997)
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
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[L]a cultura de masas cumple con su papel al integrar a la clase trabajadora a lasociedad capitalista” (Ruétalo 2009).
Unter Bezugnahme auf die Entwicklung des französischen Melodramas, aus
dem sich die Telenovela als Fernsehformat entwickelte, bewertet Martín Barbero
hingegen diese Integration als durchaus positiv:
“[…] lugar de llegada de una memoria narrativa y gestual populares y lugar deemergencia de una escena de masa, esto es, donde lo popular comienza a ser objeto deuna operación de borradura de las fronteras que arranca con la constitución de undiscurso homogéneo y una imagen unificada de lo popular, primera figura de la masa.”(Martín Barbero 1987: 125)
Ibrahim Guerra (2001) wiederum verortet den Zweck der Telenovelas ebenso
wie Ruétalo in ihrer kapitalistischen Funktion. Ihre Existenz ist ihm zufolge ein rein
kapitalistisches Unterfangen, Telenovelas werden aus einem wirtschaftlichen Interesse
ihrer Produzenten heraus fabriziert, um möglichst viel zu verkaufen – und zwar indem
sie so viele Produkte wie möglich innerhalb der Werbeblöcke, die die Produktion der
Telenovela überhaupt erst rentabel machen, anpreisen. Zweitens, sollen die Telenovelas
die Zuschauer anregen, genau diese Produkte zu kaufen, die in den Werbeblöcken
gezeigt werden und drittens, sollen sich die Zuschauer mit den Werten identifizieren,
die in der Telenovela etabliert werden:
“A través de las diferentes opciones de persuasión que promueve, […] latelenovela con circunstancias simples, directas y casi siempre explicitas, aunque elmensaje también se filtra por otras vías, apela directamente al subconsciente deltelevidente, con la intención de crear en éste un cambio radical en sus hábitos y en susnormas de conducta, que incluyen, en primer término, las del consumo de ideas y deproductos comerciales. […] La telenovela no sólo recrea y divierte, sino que, ademásposee elementos, obvios o no, que mueven al televidente, a suponer como reales lasacciones de los personajes dentro de sus argumentos, y por lo tanto, como adecuadospara ser tomados como modelo de conducta y comportamiento individual y social.”(Guerra 2001: 23–24)
Offensichtlich geht diese Rechung der Rentabilität tatsächlich auf, denn die
Kulturindustrie ist diejenige, die bereits seit Jahren mit einem überdurchschnittlichen
wirtschaftlichen Wachstum zählen kann (Getino 2001).
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
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2.3. Struktur und IdentifikationTelenovelas erzählen eine abgeschlossene Handlung in einer bestimmten Anzahl
von Episoden, meist sind es mehr als 100. Wie bereits erwähnt, haben Telenovelas,
ähnlich der Melodramen, eine recht strikte und vor allem einfache Figurenkonstellation
die aus archetypischen, ganz einfach kodifizierten Figuren besteht: die immer weibliche,
schöne und arme Protagonistin, den hinterhältigen, vermeintlich edlen Antagonisten,
den männlichen Protagonisten. Eine der "reglas básicas de estructuración dramtática"
(Guerra 2001) ist, dass die Protagonistin in mehr als 75% der Szenen erscheint.
Während all dieser Zeit bis zur vorletzten Episode repräsentiert die Protagonistin ein
Muster von Leid und Angst, die im vollkommenem Gegensatz zur Darstellung der
Frauen in den Werbeblöcken stehen:
La telenovela […] apela a la necesidad de la existencia de una víctima sobre laque hacer recaer culpas ajenas. Se reflejan sobre esta víctima los mas íntimos temoresgenéricos de los sectores de los cuales va dirigida la narración en la que participa, yestos a su vez, al reconocer estas irregularidades, se ven en la necesidad decompensarlas con el uso de los recursos que le garantizan independencia,autosuficiencia y satisfacción emocional. Con tal estrategia no hacen más queestablecer un círculo vicioso de consumo indiscriminado, […]. (Guerra 2001: 31)
Die Protagonistin erfüllt eine Vorbildfunktion, die in gewisser Weise den
lateinamerikanischen Katholizismus inkorporiert in die Darstellung von mystischer
Schicksaalsergebenheit, die wiederum eine Haltung erzeugt, die es ermöglicht, soziale
Disrkiminierung, Herrschaft der Eliten, Geschlechterungleichheiten, ungleiche
Arbeitsteilung etc. als naturgegegen zu betrachten und folglich zu ertragen. (Guerra
2001: 24). Die Zuschauer identifizieren sich mit den Problemen der Protagonistin, weil
sie sich in ihr wiedererkennen, was meiner Meinung nach auch mit mit dem Begriff der
Anerkennung 12, wie ihn Judidt Butler und Axel Honnet verwenden, beschrieben werden
kann. Denn das Leiden wird thematisiert, ja, es ist ein zentrales Element der Telenovela
und wird durch seine Darstellung in gewisser Weise legitimiert und schlieβlich
aufgewertet und anerkannt (in doppeltem Sinne.) 13 Die Lösungen für das Leiden und die
12 „Der basale Mechanismus dieser intersubjektivitätstheoretischen Konzeptualisierungen des Subjekts istder der Anerkennung. Erst durch die Anerkennung durch andere Mitglieder einer Gemeinschaft könnenSubjekte die Eigenschaften und Fähigkeiten ausbilden, die sie zu individuellen Persönlichkeiten oder zuvollgültigen Rechtssubjekten machen“ (Deines (2007) 2007:141) .In Bezug auf die Telenovela auchMazziotti (2006)) , die sie als „Drama de reconocimiento“ unter Berufung auf Peter Brooks bezeichnet.13 Laut Martín Barbero (1987) besteht genau darin das emanzipative Potential der Telenovelas 13,nämlich in der Repräsentation und damit Wahrnehung der Existenz der armen Massen: “la afirma yhace posible a las clases populares reconocerse en ella. Y desde ella, melodramatizando todo, vengarse a
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
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Probleme der Protagonistin wiederum halten Guerra (2001) zufolge die Werbeblöcke
bereit: Konsum der angepriesenen Mittel. Andererseits sind sie Teil dessen, was die
Geschichte der Telenovela zum Guten wenden lässt: Erfolg ist das Ergebnis
moralischen Handelns. Vor allem auf die zentrale Rolle der Indentifikation und der
Anerkennung werde ich an späterer Stelle noch einmal aufgreifen.
3. Geschlechterkonstruktion und „Doing Gender“Kommen wir nun zu dem Aspekt, der im Zentrum meiner Analyse der
Telenovela „Yo soy Betty, la fea“ steht: die Repräsentation von Männern und Frauen in
der Telenovela. Doch bevor wir über die Darstellung von Männern und Frauen sprechen
können, ist es erforderlich, sich vor Augen zu rufen, wie Geschlecht überhaupt
konstruiert und reproduziert wird, also welche Vorgänge stattfinden, damit wir die
Figuren (und uns selbst) als Männer oder Frauen erkennen. Zu allerest möchte ich
erklären, was man unter dem Begriff Geschlechterkonstruktion versteht und wie ich ihn
verwende. „Grundlegend für den Begriff der Geschlechterkonstruktion und die
inzwischen vielfältigen Konzepte, die sich mit der kulturellen bzw. sozialen
Konstruktion von Geschlecht befassen, ist eine Perspektive, die dem Alltagswissen [...]
unserer Gesellschaft diametral entgegengesetzt ist“ , so beginnt Angela (Wetterer 2008)
ihre Ausführungen über die Reproduktionsweisen der Zweigeschlechtlichkeit. Unserem
Alltagswissen entspricht es, „die Geschlechtszugehörigkeit von Personen und die
Zweigeschlechtlichkeit des Menschen als natürliche Vorgabe sozialen Handelns und
sozialer Differenzierung zu betrachten.“ (Wetterer 2008). Daraus folgt,
„dass es zwei und nur zwei Geschlechter gibt; dass jeder Mensch entweder daseine oder das andere Geschlecht hat; dass die Geschlechtszugehörigkeit von Geburt anfeststeht und sich weder verändert noch verschwindet; dass sie anband der Genitalienzweifelsfrei erkannt werden kann und deshalb ein natürlicher, biologisch eindeutigbestimmbarer Tatbestand ist, auf den wir keinen Einfluss haben- all das sindBasisregeln unserer "Alltagstheorie der Zweigeschlechtlichkeit" 14
Dieses Alltagswissen wird maβgeblich bestimmt von den Naturwissenschaften,
allen voran der Biologie und der Medizin, die die „Naturhaftigkeit“ der
Geschlechterunterscheidung untermauern. Doch schon innerhalb der Frauenforschung
su manera, secretamente, de la abstracción impuesta por la mercantilización a la vida, de la exclusiónpolítica y la desposesión cultural.” (Martín Barbero 1987:245).14 Hagemann-White (1984) zitiert nach Wetterer (2008)
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
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der 70er Jahre und den sich daraus entwickelnden Geschlechterstudien versuchte man,
die Verknüpfung von Natur (der Körper, des Geschlechts, der Hormone und
Chromosomen) und der sozialen Rolle und Position von Frauen in der Gesellschaft zu
trennen, indem die Kategorien von Sex als biologischem Geschlecht und Gender als
sozialem Geschlecht eingeführt wurden (Gildemeister 2008). Dieser Ansatz ist darauf
ausgerichtet, die Geschlechterdifferenz „ dieser oder jener Art und Reichweite “
(Wetterer 2008) zu analysieren, wohingegen die Theorie der Geschlechterkonstruktion
sich darauf konzentriert, die Prozesse der Geschlechterunterscheidung zu
rekonstruieren.
„Die für sie zentrale Frage lautet, wie Frauen und Männer zu verschiedenenund voneinander unterscheidbaren Gesellschaftsmitgliedern werden und zugleich dasWissen miteinander teilen, dass dies natürlich, normal und selbstverständlich ist“(Wetterer 2008).
Ein wichtiger Baustein der Theorie der Geschlechterkonstruktion besteht in dem
Konzept des „Doing Gender“, das vor allem durch die Philosophin Judith Butler (1998)
bekannt wurde. Eingeführt wurde es von West/Zimmerman um zu beschreiben, dass die
Geschlechtszugehörigkeit von Personen in Alltagsinteraktionen permanent hergestellt
wird15. Des weiteren konnten kulturanthropologische Forschungen belegen, dass die
Einteilung in zwei Geschlechter anhand der Genitalien nicht universell ist und nicht von
allen Erdenbewohnern geteilt wird 16. U.a. aus diesen Beobachtungen heraus fragte
Gayle Rubin bereits 1975 nach den Ursachend der zweigeschlechtlichen Klassifikation
und kam zu dem Ergebniss, dass eine bedeutende Institution der
Geschlechterkonstruktion die Arbeit sei, also die vergeschlechtlichte Arbeitsteilung. 17
Vor allem aber die Pionierin der Körpersoziologie und Historikerin Barbara Duden
(Duden 1998) iluminierte den Zusammenhang bzw. die Abhängigkeit der
Naturwissenschaften von sozialen Deutungsmustern und damit die Wahrnehmung und
Konzeptionalisierung von Geschlecht und Geschlechterdifferenz in der Biologie und der
Medizin, die jedoch immer nur innerhalb eines bestimmten kulturellen Kontextes und
zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt Bedeutung erlangen. Wenn uns nun also
die Naturwissenschaften unterbreiten, dass Männer und Frauen vollkommen
unterschiedliche und gegensätzliche Wesen sind, dann beruht dies nicht auf den
Ergebnissen ihrer Studien, sondern diese wiederum beruhen auf den sozialen
15 West/Zimmerman (1987) zitiert nach Wetterer (2008):12416 Zurückzuführen auf Margete Mead zitiert nach Wetterer (2008):12417 Rubin (1975) zitiert nach Wetterer (2008):125
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
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Deutungsmustern aus denen heraus die Naturwissenschaften ihre Kategorien beziehen. 18
Die Darstellung von Männern und Frauen in der Telenovela kann somit einen Teil der
Produktion und Reproduktion der Geschlechter und der Zweigeschlechtlichkeit
darstellen. Interessant wird es zu analysieren, wie diese Darstellung stattfindet, also
welche Modelle von Männern und Frauen die Telenovela vorschlägt, auf- oder
abwertet.
Zwischenfazit: Der Theorie der Geschlechterkonstruktion folgend, gehe ich
davon aus, dass die Unterscheidung in Männer und Frauen nicht naturgegeben ist und
auch nicht auf einer hormonellen oder sonstwie körperlich verorteten Kategorie „sex“
beruht, sondern das Ergebnis von permanenten Vorgängen dem „doing gender“, dem
Zusammenspiel aus Interaktionen und Institutionen (u.a. der Arbeitsteilung, Sprache,
Naturwissenschaften etc.) ist. Sich als Mann oder Frau wiederzuerkennen (enweder-
oder!) ist nicht zuletzt ein Akt der Identifikation mit hochkomplexen
Verhaltensmustern, die wir inkorporieren und reproduzieren, womit wir die
Zweigeschlechtlichkeit, und damit auch die Geschlechterungleichheit erneut herstellen.
Dieser Prozess der Konstruktion und Reproduktion des Geschlechts findet in
vielen Dimensionen unseres Alltags gleichzeitig statt. Zwei bisher wenig erforschte und
dennoch absolut wirkmächtige Dimensionen sind die der Gefühle, der Liebe auf der
Ebene der Interaktionen, und, auf der Ebene des Verhaltens – oder wie Judith Butler
(Butler 2003) es benennt, der Performanz – die Dimension der Schönheit, des äuβeren
Erscheinungsbildes. Wie ich in Kapitel 4 zeigen werde, sind genau diese beiden
Dimensionen als Hauptmotive der Telenovela besonders relevant. Um mich ihnen
theoretisch anzunähern, werde ich im Folgenden die Theorien der Soziologin Eva Illouz
vorstellen, die sich ausgbiebig mit genau diesen Dimensionen der
Geschlechterkonstruktion auseinandergesetzt hat.
3.1. Eva Illouz: die Liebe, die Schönheit und der Kapitalismus Eva Illouz (2007a, 2007b, 2011) widmet sich in ihrer Forschung dem Einfluss
des Kapitalismus auf die Gefühle, allen voran auf die Liebe unter besonderer
Berücksichtigung der Produktion und Reproduktion von sozialen und
vergeschlechtlichten Ungleichheiten: „Letztlich geht es mir darum, mit der Liebe zu
18 Vgl. Duden
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
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machen, was Marx mit den Waren gemacht hat: zu zeigen, dass sie von konkreten
gesellschaftlichen Verhältnissen geformt und hervorgebracht wird; zu zeigen, dass die
Liebe auf einem Markt ungleicher konkurrierender Akteure zirkuliert; und die These
aufstellen, dass Menschen über gröβere Kapazitäten als andere verfügen, um die
Bedingungen zu definieren, unter denen sie geliebt werden.“ (Illouz 2011: 19)
Ihre erste grundsätzliche Feststellung lautet, dass die Liebe, die romantischen
Gefühle und ihre Ausdrucksformen, vor allem aber ihr Zustandekommen, mit dem
Einsetzen der Moderne einer groβen Transformation unterliegen (Illouz 2011). Dabei
kennzeichnet sie die Wahl als zentrales Moment der Moderne, „weil sie, zumindest in
den Arenen der Wirtschaft und Politik, den Gebrauch nicht nur der Freiheit, sondern
auch von zwei Vermögen verkörpert, die den Gebrauch der Freiheit rechtfertigen,
nämlich jener der Rationalität und der Autonomie .“ (Illouz 2011: 40) Die Wahl
wiederum wird beeinflusst von einer Ökologie19 und einer Archtiketur20 der Wahl
(Illouz 2011). Ihre zentrale These entwickelt sie aus dem Argument heraus, dass die
Transformation der Liebe in der Moderne mit den Bedingungen zu tun hat, unter denen
romantische Wahlentscheidungen getroffen werden:
„Die Transformation, der die romantische Wahl unterworfen war, ist mit dem Prozes verwandt,den Karl Polanyi für die wirtschaftlichen Verhältnisse beschrieben und als „groβeTransformation“ bezeichnet hat. Mit der „groβen Transformation “ der ökonomischenVerhältnisse ist jener Prozes gemeint, durch den der kapitalistische Markt dieWirtschaftstätigkeit aus der Gesellschaft und ihren moralischen/normativenRahmenbedingungen herauslöste, die Wirtschaft auf selbstregulierende Märkte umstellte undschlieβlich die Gesellschaft der Wirtschaft unterordnete. Was wir als „Triumph“ derromantischen Liebe in den Beziehungen zwischen den Geschlechtern bezeichnen, bestand vorallem darin, das die individuelle Liebeswahl aus dem moralischen und sozialen Gewebe derGruppe herausgelost wurde und selbstregulierende Kontaktmärkte entstanden. Die modernenKriterien zur Beurteilung eines Liebesobjekts sind von öffentlich geteilten moralischenRahmenbedingungen entbunden. Diese Freisetzung war die Folge eines inhaltlichen Wandelsder Kriterien der Partnerwahl – die zugleich physischer/psychologischer wurden – sowie einesWandels im Prozess der Partnerwahl selbst – der subjektiver und individualisierter wurde.“(Illouz 2012: 80f., Hervorhebung i.O.)
Das Ergebnis dieser groβen Transformation ist also die Entstehung von
Heiratsmärkten, auf denen alle Akteure miteinander um die Liebe und das
Zustandekommen von Beziehungen miteinander konkurrieren. Unter dem Einfluss der
Kosmetikindustrie, der Modebranche und den Massenmedien entstehen und zirkulieren
Bilder von (käuflicher) Attraktivität, und, verstärkt durch die normative Deregulierung
19 Umweltfaktoren , die das Wahlverhalten präformieren20 Mechanismen, die subjektbezogen und kulturell geprägt sind, die die Beurteilung des Gegenübersbeeinflussen
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
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der Bewertungsmodi, verursachen sie eine Unterordnung der Bewertungskriterien unter
sexuelle Kategorien wodurch schliesslich die Sexualität21 an sich zu einem zentralen
Bewertungsmasstab wird (Illouz 2011). Illouz beschreibt einen Übergang von der
(vormodernen) Vorstellung von Schönheit als Einheit von körperlichen und geistigen
Eigenschaften hin zu Sexyness, wobei Sexualitat zu einem „diffusen Statusmerkmal“
(Illouz 2011) wird. Dies bringt eine ganze Reihe von Konsequenzen mit sich, u.a. dass
die Anziehungskraft zunehmend von visuellen Faktoren abhängig gemacht wird
während gleichzeitig eine Uniformierung und Standardisierung von Sexyness im Sinne
von sexueller Attraktivität über mediale Bilderproduktionen stattfindet.
In letzter Konsequenz kommt es zur Ausbildung und Aufwertung einer neuen,
auf sexuellen Feldern zirkulierenden Kapitalsorte (Bourdieu 2007): das erotische
Kapital.: „Erotisches Kapital lässt sich als die Qualität und Quantität von Atributen
eines Individuums zusammenfassen, die bei einem anderen eine erotische Reaktion
auslösen.“ (Illouz 2011) Mit anderen Worten, ist erotisches Kapital eine Mischung aus
Sexyness, einer oberflächlichen Form von Schönheit und dem impliziten Versprechen
von sexueller Erfahrung. Erotisches Kapital kann wie andere Kapitalsorten aus der
Umwandlung von beispielsweise ökonomischem Kapital hervorgehen, darüber hinaus
ist es in andere Kapitalsorten konvertierbar. Hierbei spielt vor allem die Umwandlung
von erotischem Kapital in bessere Bildungsabschlüsse (kulturelles Kapital) oder höheres
Einkommen (ökonomisches Kapital) eine Rolle. Illouz weist darauf hin, wie essentiell
erotisches Kapital vor allem für Frauen auf dem Arbeitsmarkt und dem Heiratsmarkt ist:
„In kapitalistischen Gesellschaften kontrollieren Männer den Grossteil des Eigentums und der
Kapitalflüsse, was Ehe und Liebe entscheidend für das soziale und ökonomische Überleben von
Frauen macht. [...] die Deregulierung der Heiratsmärkte [verhilft] in diesem Sinne den
Männern zu neuen Formen der Kontrolle des sexuellen Feldes.“ (Illouz 2011: 108).
Erotisches Kapital kann schlieβlich auch durch unterschiedliche
Sexualitätsstrategien akkumuliert werden. Hierbei stellt Illouz die Behauptung auf, dass
Männer und Frauen, beruhend auf sozialen wie emotionalen Bedürfnissen verschiedene
Strategien anwenden: während eine serielle Sexualität einer maskulinen Strategie
entspricht, wenden Frauen eher eine Exklusivitätsstrategie an (Illouz 2011). Doch nicht
21 Gemeint ist aber hier nicht die Frage nach der geschlechtlichen Wahl der Sexualpartner_innen, alsoder Homo- oder Heterosexualität, sondern die Frage nach dem WIE der Sexualität, also Sexualität alsCharakteristikum einer Person.
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
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nur die Sexualstrategien werden von Männern und Frauen anders verfolgt, im
Umkehrschluss bringen die verschiedenen Strategien die Geschlechter erst hervor: „[...]
unter dem Einfluss von Ökologie und Architektur der sexuellen Wahl entstehen neue
Ungleichgewichte zwischen Männern und Frauen. Für Männer ist die Sexualität zur
wichtigsten Arena geworden, in der sie ihren Männlichkeitsstatus (Autorität, Autonomie
und Solidarität unter Männern) ausüben.“ (Illouz 2011)
Doch nicht nur die verschiedenen Sexualstrategien und die Anwendung des
erotischen Kapitals bringen die binären Geschlechteridentitäten von Männern und
Frauen hervor. In „Gefühle in Zeiten des Kapitalismus“ (Illouz 2007b) stellt Illouz ganz
in unserem Sinne fest, dass die Spaltung und Untersscheidung zwischen Männern und
Frauen auf kulturell bestimmten, emotionalen Gegebenheiten beruhen - und dadurch
reproduziert werden: "Wer ein wahrhafter Mann sein will, muss Mut, kühle Rationalität
und diziplinäre Aggressivität zur Schau stellen. Feminität dagegen verlangt nach
Freundlichkeit, Mitgefühl und Heiterkeit. Die durch geschlechtspezifiche Spaltungen
produzierten sozialen Hierarchien enthalten implizite emotionale Spaltungen, ohne die
Männer und Frauen ihre Rollen und Identitäten nicht reproduzieren würden.“ (Illouz
2007: 11). Die Vergeschlechtlichung der Gefühle führt demnach zur Hierarchisierung
der Emotionen (Illouz 2007b), innerhalb derer als männlich geltende Gefühle oder
Arten und Weisen des Gefühlsausdruckes höher bewertet werden als die als weiblich
geltenden Gefühle und ihre Ausdruckformen.
Zwischenfazit: Durch die groβe Transformation der Wahl in der Moderne
werden bisherige Bewertungskriterien dereguliert und individualisiert. Es bilden sich
regelrechte Heiratsmärkte heraus, auf denen alle Akteure miteinander konkurrieren. Der
Wandel von Schönheit zu Sexyness bringt eine neue Währung hervor: das erotische
Kapital, das vor allem Frauen auf den Heirats- und Arbeitsmärkten eine soziale
Mobilität gewährt (oder verwährt). Sowohl in der Akkumulation des erotischen Kapitals
als auch im Ausdruck von Gefühlen werden die Geschlechter unterschiedlich
identifiziert und reproduziert, was zu neuen Ungleichheiten zwischen Männern und
Frauen führt.
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
13
4. Die Telenovela Yo soy Betty, la feaJosé Luis Mendez (2001:2) stellt vollkommen zutreffend fest: “Betty la fea se
diferencia de la telenovela tradicional en prácticamente todo.” Weiter argumentiert er,
dass die einzige Gemeinsamkeit von „Yo soy Betty, la fea“ und den traditionellen
Telenovelas die Tatsache ist, das Betty la fea auf einem Drehbuch basiert, das den
dramaturgischen Regeln kommerzieller Medien folgt (ebd.). Doch abgesehen davon,
unterscheidet sich “die Königin der Telenovelas” in Struktur, Form, Inhalt, der
dramatischen Konzeption ihrer Figuren, Sinn und Vermittlung ihrer Botschaften (ebd.).
Bedingt wird diese groβe Differenz zur traditionellen Telenovela durch ihr komplett
gegensätzliches Verhältnis zur Realität: „[...]. Contrario a la clásica telenovela
latinoamericana en la que tanto la estructura como el mensaje y el universo imaginario
están concebidos para proporcionar una evasión de la realidad, Yo soy Betty la fea
está sólidamente afianzada con la realidad y lejos de ayudarnos a escapar de ella nos
obliga a verla frente a frente con el único atenuante del humor.” (Méndez 2001: 2–3).
Wie sich diese neue Realitätsnähe darstellt und was sich aus ihr entwickelt, werde ich in
den folgenden Abschnitten erörtern.
4.1. Synopsis Beatrice Pinzon Solano, genannt Betty, ist eine junge und überaus intelligente
Frau aus einem bescheidenen Elternhaus der unteren Mittelschicht. Zu Beginn der
Telenovela erhält sie trotz ihres Aussehens – Betty ist weder schön noch elegant
gekleidet - den Posten der Sekretärin der Leitung in der kolombianischen Modefirma
EcoModa, obwohl die Arbeit als Sekretärin weit unter dem Niveau ihrer profunden
Kenntnisse und Studienabschlüsse ist, die sie eher als Führungskraft qualifizieren. Betty
wird in der Firma von vielen Personen wegen ihres Erscheinungsbildes angefeindet und
verspottet. Doch in den Sekretärinnen 22, vom Designer Hugo Lombardi als das „Kartell
der Hässlichen“ getauft, findet Betty schnell Freundinnen und Verbündete. Für ihren
Chef Armando Mendoza avanciert Betty durch ihre Loyalität und Kompetenz zur
unersetztbaren Assistentin, die er besser behandelt als der restliche Firmenvorstand. So
verliebt sich Betty heimlich in Mendoza, was dieser ausnutzt um Betty bei einer
moralisch fraglichen Operation zur Rettung von EcoModa als Komplizin zu gewinnen
indem er ihr vorspielt, in sie verliebt zu sein. Als der Schwindel auffliegt, bricht Betty
22 Mit Ausnahme von Patricia Fernandez selbetverständlich, worauf ich später noch eingehen werde
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
14
zusammen, übergibt Betty dem Vorstand einen Bericht über den tatsächlichen Stand
von Ecomoda und kündigt. Während der Zusammenarbeit mit Doña Catalina beim
Schönheitswettbewerb in Cartagena durchläuft Betty eine innere und äuβere
Verwandlung und kehrt anschliessend auf das Bitten des Vorstands als Präsidentin zu
Ecomoda zurück, da dies die einzige Möglichkeit ist, die Firma vor dem drohenden
Ruin zu bewahren. Betty erhält die Chance, als Präsidentin die Firma durch eine
innovative Strategie neu auszurichten, was ihr groβen Erfolg einbringt. Armando
Mendoza, dem aufgeht, dass er sich bereits in „Betty la fea“ vor ihrer Verwandlung
verliebt hatte, kämpft um ihre Liebe, die er am Ende gewinnt.
4.2. Geschlechterkonstruktion in Yo soy Betty, la feaEinen ganz wesentlichen Unterschied zur traditionellen lateinamerikanischen
Telenovela (Méndez 2001) markiert die Gestaltung und Entwicklung der männlichen
und weiblichen Figuren, sprich die Konstruktionen von Geschlecht in „Yo soy Betty, la
fea“ (Gaitán 1999-2001). Wie ich es eingangs bereits angerissen hatte, halte sie für
einen auβergewöhnlichen und betrachtungswürdigen Aspekt, der uns Aufschluss
darüber geben kann, warum die Telenovela solch einen massenhaften Zuspruch erhielt.
Ich werde mich im Folgenden darauf konzentrieren, die Geschlechterkonstruktionen
und ihren Wandel innerhalb der Hauptmotive der Telenovela, Schönheit und Liebe,
herauszuarbeiten.
4.2.1 Das Motiv der Schönheit: eine neue ProtagonistinWie schon der Titel, Vorspann und Titellied der Telenovela es überaus klar und
unmissverständlich jeder Betrachtung vorweg nehmen, handelt es sich bei der
Protagonistin Betty nicht wie in den traditionellen Telenovelas um ein armes, aber
dennoch unheimlich schönes (und begehrenswertes) Mädchen (Guerra 2001), sondern
um „Betty, la fea“.
Die Figur der Beatrice Pinzon Solano verkörpert somit einen vollkommen neuen
Typus von weiblicher Protagonistin. Zwar leidet auch sie, und erfüllt damit
gewissermaβen die dramaturgische Notwendigkeit des Leidens (Guerra 2001), aus der
heraus sich der Grundkonflikt der Telenovela ableitet, doch ist dieses Leid im Falle von
Betty ein ganz reales, irdisches: ihre „Hässlichkeit“ und alle sich daraus entwickelnden
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
15
Konflikte. Wie (Méndez 2001) bemerkt, stellt Hässlichkeit kein neues Motiv der
Literatur dar – bekannt ist es aus dem Märchen „Das hässliche Entlein“ von Hans
Christian Anderson23 oder dem berühmten Melodrama „Cyrano de Bergerac“ von
Edmond Rostand24 - aber im Gegensatz zur koventionellen dramaturgischen Bedeutung
in den Telenovelas, wo Hässlichkeit ein eindeutiges Kennzeichen der Bösen und die
Schurken ist, charakterisiert sie in „Yo soy Betty, la fea“ unsere Protagonistin. Betty
entspricht in keiner Weise der unentdeckten Prinzessin, die von Geburt an (unerkannt)
adelig und damit der Eliten zugehörig ist, sondern ist eine ganz durchchnittliche Frau
aus der unteren Mittelklasse mit einem ganz realen Konflikt, dem Hauptkonflikt der
Telenovela. Bekannter Weise ist Hässlichkeit ebenso wie Schönheit eine
gesellschaftliche Konstruktion und unterliegt einem historischen Wandel 25. Im Falle
von Betty, la fea sieht sie so aus: Betty trägt eine groβe Brille, Zahnspangen, bewegt
sich unsicher und wenig elegant, hat eine schrille Lache, eine quakende und oft zittrige
Stimme, und trägt Mode und Frisur, die aus einer anderen Zeit zu stammen scheinen:
„La fealdad de Betty es primero que todo, el resultado de una imagen socialmente
construida. La imagen de Betty desafía los convencionalismos prevalecientes de la
moda de su época, pero también una apariencia construida a partir de unos valores y
actitudes convencionales. El problema con esos valores y actitudes es que ya pasaron
de moda.” (Méndez 2001: 27)
Mendez zufolge liegt der Ursprung von Bettys Hässlichkeit in diesem
Anachronismus, der ihrer Familie und deren Konventionen entspringt und sie zu einem
gewissen Grad Opfer ihrer eigenen Familie werden lässt (ebd. S.43). Dieser
Interpretation würde ich teilweise widersprechen. Zwar können wir als Ursprung von
Bettys eigenwilligem Stil diesen vollkommen veralteten Konventionalismus der Pinzon
Solanos ausfindig machen – Bettys Mode wirkt eher wie die einer Figur aus den 50er
Jahren was dem dem Alter ihrer Eltern entsprechen würde – aber Betty ist nicht das
Opfer ihrer Familie oder der Herrschaft ihres Vaters. Vielmehr geht Betty Hässlichkeit
und die Identifikation mit ihrem Äusseren aus ihren Beziehungen hervor, was ich im
Folgenden erklären möchte.
23 Andersen (2011 [1843])24 Rostand (1977 [1897])25 Vgl. Aafjes (2008) , vor allem Berry (2008)
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
16
4.2.2. Ort der Handlung: EcoModa, die Welt der Mode und der ModelsDie Diskrepanz zwischen der Protagonistin und ihrer Umgebung könnte nicht
gröβer sein, als Betty zu Beginn der Telenovela als Sekretärin des Präsidenten in der
Modefirma EcoModa zu arbeiten beginnt, also in ein Feld (Bourdieu 2007) eintritt, in
dem sie sich nicht auskennt und wie ein Fremdkörper erscheint. EcoModa ist Teil einer
Mode- und Schönheitsindustrie, einer rigorosen Welt (=ein Feld), in der Eleganz, Stil,
äuβeres Erscheinungsbild und Klasse im Sinne der Distinktion (ebd.) zählen, in denen
die Mode von Models – vor allem weiblichen – präsentiert wird, die allesamt den
körperlichen Ansprüchen der Designer entsprechen und damit das Schönheitsideal der
makellosen, jungen, attraktiven, schlanken Frau mit symetrischem Gesicht und langen
Beinen, schnalem Hüften und wohlgeformten Brüsten reproduzieren: „[...] se trata de
jovenes incorporadas plenamente al mundo de la moda, cuyos valores y actitudes, así
como su maner de vestir, de comportarse, sus perfumes y sus modales fuerin moleados
para que correspondieran exactamente a lo que exige la industria para cual trabajan.“
(Méndez 2001:12). Zu dieser Welt gehören u.a. Claudia Elena Vasquez, der Miss
Colombia von 1996, Adriana Arboleda, erfolgreiches Model aus Kolumbien und die
peruanischen Moderatorin Gisela Valcárcel, deren Gasstauftritte in der Telenovela einen
Teil der Realitätsnähe erzeugen. Betty ist dieser Welt als drastischer Gegensatz
gegenübergestellt: „Betty es en lo fundamental la antítesis de ese mundo. Aunque
trabaja para una empresa de modas, vive fuera de moda, no se preocupa por la
vestimenta, no se sabe maquillar.” (Méndez 2001: 13).
Auf der Grundlage des Motivs der Schönheit - und damit des Grundkonflikts der
Protagonistin - entwickelt der Drehbuchautor (Gaitán 1999-2001) einen Teil der
Figurenkonstellation und somit jene Beziehungen, innerhalb derer die Hässlichkeit von
Betty verschiedene Bedeutungen erlangt.
4.2.3. Weitere Figuren und ihre Beziehungen – die Front der Schönen undHässlichen
Auf ihren ersten Antagonisten trifft Betty in der Figur Daniel Valencias, Sohn
des bereits verstorbenen Mitbegründers von EcoModa Don Valencia, Bruder von
Marcela Valencia und ebenfalls Aktionist der Modefirma. Er wurde bei der Wahl des
neuen Präsidenten nach Verabschiedung von Don Roberto von seiner Schwester
überstimmt, wodurch die Präsidentschaft an Armando Mendoza fiel. Seine offene
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
17
Feindschaft und Rivalität gegenüber von Armando Mendoza übeträgt er auf dessen
Sekretärin Betty, die er bei jeder Gelegenheit wegen ihres Erscheinungsbildes beleidigt
und erdniedrigt, weil sie ihm mit ihren profunden Kenntnissen der Ökonomie und
Finanzen weit überlegen ist (Gaitán 1999-2001), ja er sieht sogar voraus, dass Betty die
nächste Präsidentin sein wird (ebd. Ep. 24‘11). Er intregiert gegen sie und sabotiert, wo
er kann. Betty steht ihm zunächst ängstlich gegenüber, überwindet aber mit
zunehmender Selbstsicherheit ihre Angst.
Einen weiteren Gegenspieler trifft Betty in dem Designer von Ecomoda Hugo
Lombardi: „a ésta no se acepta ni en el ascensor”, sagt er abfällig über Betty, als diese
tollpatschig gegen die geschlossene Tür des Aufzugs stösst. Er nennt sie nicht beim
Namen sondern abwertend „ésta“, wiederholt beschimpft er sie als „monstruo“ während
er sich selbst als „cátedra de moda“ bezeichnet. Hugo Lombardi verhält sich so, als ob
das äuβere Erscheinungsbildes Bettys eine Beleidigung für ihn wäre, ein „Angriff auf
seine Ästhetik“. In Bettys Beziehung mit dem Modeschöpfer, der gewissermaβen Werte
und Anspruch der Mode- und Schönheitsindustrie verkörpert und eine Stimme gibt,
drückt sich das Verhältnis der Modewelt zu den weniger privilegierten Frauen wie Betty
aus: Diskriminierung und Ausgrenzung. Betty begegnet diesen Erniedrigungen aus
einer gewissen Gewohnheit und Erfahrung heraus zunächst mit einer Haltung von
passiver Duldung und Unterordnung, was sich allerdings im Laufe der Telenovela
verändert.
Auch Daniel Valencias Schwester und Verlobte von Armando Mendoza,
Marcela Valencia, stellt eine Antagonistin Bettys dar. Sie wähnt in Betty eine
Verbündete von Armando Mendoza, von dem sie glaubt, dass er sie mit einer anderen
Frau betrügt. Zwar leugnet sie bis zum Schluss die Möglichkeit, dass Armando sich von
Betty, la fea angezogen fühlen könnte, dennoch beobachtet sie die zunehmende
Vertrautheit zwischen Armando und seiner Sekretärin mit Misstrauen. Betty gegenüber
markiert sie von Beginn an ihre Überlegenheit als Klassenunterschied : „Ella no tiene
clase“ (ebd. Ep. 17) und begegnet ihr mit Abneigung bis hin zu Feindseligkeit (Mendez
2001:64).
Zu den Antagonisten Bettys gehört schlieβlich auch Patricia Fernandez, „la
peliteñida“, die den Posten der zweiten Sekretärin von Armando aufgrund ihrer
Freundschaft mit Marcela bekommt. Sie ist hübsch, arrogant, integrant und Betty vor
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
18
allem in der Intelligenz unterlegen, spioniert für Daniel Valencia, sabotiert ebenso wie
dieser, präsentiert die Arbeit Bettys als ihre eigene, und kann ihr doch nie wirklichen
Schaden zufügen. Umso mehr beleidigt sie Betty und erniedrigt sie wegen ihres
Aussehens, was Betty allerdings mit zunehmendem Selbtbewuβtsein abwehrt.
All diese Antagonisten verbindet die Gemeinsamkeit, dass sie sich von Betty
und ihrer Kompetenz bedroht fühlen - denn tatsächlich ist Betty ihnen überlegen - und
sich deshalb dem ersten, zur Verfügung stehenden Mittel bedienen, das es ihnen
ermöglicht, Betty zu verspotten, zu erniedrigen und damit sich selbst aufzuwerten und
folglich ihre Überlegenheit zu markieren: Bettys Hässlichkeit.
Doch nicht alle Angehörige von EcoModa sind Betty gegenüber feindlich
gesinnt: Verbündete findet Betty in den Sekretärinnen der Geschäftsführung, in Berta,
Sandra, Ines, Sofia, Mariana und Aura Maria. Im Gegensatz zu den
Vorstandsangehörigen und Patricia Fernandez, beurteilen und verspotten sie Betty nicht
sondern heissen sie feierlich im „cuartel de las feas“, wie Hugo Lombradi sie getauft hat
(Gaitán 1999-2001), willkommen. Diese Beleidigung Hugo Lombardis eignen sie sich
selbstbewusst an und bezeichnen sich als : „feas pero unidas“ . In diesem Sinne stehen
die Sekretärinnen für eine ganze Reihe von Werten, die sich von denen der Modefirma
und ihrer Geschäftsführung und der sozialen Klasse, für die sie stehen, absetzten:
Freundschaft, Zusammenhalt und Solidarität. „[Somos] las del cuartel, las que estamos
entre la riqueza pero un milímetro de la pobreza” , beschreibt Aura Maria die
Angehörigen des Kartells (Gaitán 1999-2001) und verortet damit den Ursprung ihrer
Hässlichkeit. So stellt auch Mendez fest: “Las integrantes del cuartel de las feas no son
[...], mujeres feas, sino pobres. La fealdad a la que se refiere Hugo Lombardi no es
fisiologica, sino social. Toda mujer que no forme parte del circulo de los ricos y de los
poderosos, que no pueda gastar grandes sumas de dinero en ropa, perfume y
maquillaje, ni frecuente restaurantes caros y lugares exclusivos es por definición del
modisto de Ecomoda, fea.” (Méndez 2001: 71). Folglich ist die „Hässlichkeit“ der
Sekretärinnen, ihr Mangel an Schönheit im oben genannten Sinne und wie er in der
Modefirma Ecomoda existiert und allgemein anerkannt wird, eine Frage der Klasse.
Aus der Reihe der Antagonist_innen, die diesen Schönheitsbegriff Hugo Lombardis
erfüllen und dem „cuartel de las feas“ ergeben sich die Fronten der „Schönen“ und der
„Hässlichen“. Den Zusammenhang von Schönheit, Klasse und Geschlecht werde ich
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
19
nun unter Verwendung der in Kapitel drei eingeführten Theorien von Eva Illouz
erläutern.
4.2.4. Erotisches Kapital in Yo soy Betty, la fea Zunächst einmal möchte ich betonen, dass die Disrkiminierung, die Betty
erfährt, real ist, auch wenn sich hinter ihr verschiedene Konflikte und Motive ihrer
Antagonisten verbergen. Wie wir gleich in der ersten Episode erfahren, hat sie sich
bereits auf mehrere Posten beworben, ist allerdings immer wegen ihres Aussehens
abgelehnt worden. Diese Erfahrung bestätigt, was Eva Illouz als Soziologin in ihrer
Forschung belegt hat: nämlich dass eine ganz neue Form von Kapital, nicht nur das
kulturelle (Bildung) oder soziale (Freundschaften und Seilschaften) darüber bestimmt,
ob eine Frau – wie sie herausarbeitete sind es vor allem Frauen, die sich mit diesem
Kapital behaupten müssen –auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich sein kann: das erotische
Kapital.
Ganz offensichtlich fehlt es Betty und den anderen Sekretärinnen des Kartells an
erotischem Kapital, darüber hinaus aber auch an den entsprechenden ökonomischen
Ressourcen, sprich, ökonomischem Kapital, um dieses in erotisches Kapital
umzuwandeln. Auch wenn Bettys Fähigkeiten sie für Führungsposten qualifizieren, so
kann sie diese aufgrund eines Mangels an erotischem Kapital nicht aspirieren. Bettys
Ausgangsposition auf dem Arbeitsmarkt und dem Heiratsmarkt sind verheerend
schlecht, denn gerade von Frauen, die einen sozialen Aufstieg durch Arbeit anstreben,
wird in noch stärkerem Maβe verlangt, den Idealen von Schönheit, Eleganz und Klasse
zu entprechen (Vgl. Illouz 2011:108).
Den entscheidenden Hinweis auf die Rolle des Geschlechts bei der
Hervorbringung und Bewertung der neuen Kapitalsorte erhalten wir ebenfalls von
Illouz. Ihr zufolge unterscheiden sich Männer und Frauen nämlich massgeblich in der
Strategie zur Akkumulation von erotischem Kapital, und schliesslich auch in der
Bewertung, besser gesagt, der Möglichkeit den Wert des erotischen Kapitals
festzulegen. In der Telenovela sind diejenigen, die die Ausgrenzung des Cuartels de las
feas determinieren, vorrangig männlich. Den Standart des erotischen Kapitals vermittelt
nämlich Illouz zufolge die Mode-, Schönheits- und Werbeindutrie, im Falle von „Yo
soy Betty, la fea“, also EcoModa, allen voran Hugo Lombardi. Ihm folgen die
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
20
Angehörigen des Firmenvorstandes Daniel Valencia, Armando Mendoza und Mario
Calderon, die neben ihrer sozialen Klassenzugehörigkeit Illouz zufolge allesamt
„sexuelle Kapitalisten“ sind (ebd.). Zu diesen werden sie, indem sie die Strategie der
seriellen Sexualität verfolgen und sich darüber eine neue Dominanz über die Frauen auf
den sexuellen Feldern verschaffen. Das Kräfteverhältnis, in dem die Bewertung und der
Stellenwert von erotischem Kapital hervorgebracht wird, ist folglich - gemäss der
Analyse von Illouz - auch in der Telenovela dominiert von Männern.
Zwischenfazit: Auch in der Telenovela „Yo soy Betty, la fea“ exisiert zu Beginn
eine Geschlechterungleichheit, durch die die Möglichkeit und die Bedingung über
erotisches Kapital zu verfügen und es anzureichern bzw. umzuwandeln für Männer und
Frauen verschieden sind. Dadurch werden die Geschlechter als unterschiedlich
gekennzeichnet und reproduziert.
4.2.5. Die Liebe in Yo soy Betty, la fea Doch bei dieser anfänglichen Ungleichheit und Dominanz der Männer und der
Schönen bleibt es glücklicherweise nicht. Die Figuren und ihre Beziehungen erleben
eine Entwicklung, deren hauptsächlicher Motor, wie in den traditionellen Telenovelas,
die Liebe ist. Yo soy Betty la fea ist voll mit Diskursen über die Liebe, vor allem in
Hinicht auf die Unterscheidung der Geschlechter in der Liebe. Dieses Bewusstsein
teilen nicht nur die sexuellen Kapitalisten Calderon und Mendoza. Für erstgenannten ist
die Verlobung von Mendoza mit Marcela Valencia nichts weiter als eine Strategie zur
Sicherung der Präsidentschaft (Gaitán 1999-2001). Besonders aussagekräftig sind die
Worte Calderons, mit denen er kundtut, dass Frauen mehr lieben, umso mehr sie leiden:
„Las mujeres mientras mas sufran, más aman. Ellas, cuando lloran, viven, se sienten
realizadas como mujeres [...], no trabajan, no estudian, no comen, no duermen […], y
ahí en este momento, en esa avalancha de llanto, lo dicen, lo admiten: amo a este
desgraciado.” (Gaitán 1999-2001). Doch nicht nur mit Worten wird die Liebe von
Männer und Frauen in der Telenovela als verschieden gekennzeichnet – und damit die
Geschlechter in der Dimenion der Gefühle als verschieden konstruiert und reproduziert
– sondern auch in dem Erleben und Ausdrücken von Gefühlen.
Diese Unterscheidung sticht besonders bei der Figur der Protagonistin und ihrem
„principe azul“ Armando Mendoza hervor. Bettys Empfindungen und die Art und
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
21
Weise, wie sie ihre Liebe ausdrückt, können Illouz (2007b) zufolge als durch und durch
weiblich betrachtet werden. Einerseits gibt Betty sich Mendoza gegenüber als
schüchtern, unterwürfig, ja beinah hörig, aber auch altruistisch und führsorglich, in den
Beschreibungen ihrer Empfindungen andererseits spricht sie von bedingungloser
Hingabe, sie glaubt, dass sie die richtige Frau für Mendoza ist, aber nicht über die
Mittel verfügt, es ihm zu zeigen (Gaitán 1999-2001). Folglich verhält sie sich
unaufdringlich, schüchtern – aber immer präsent und gewillt, jedes Hindernis zu
überwinden, um Mendoza bei seinen Geschäften zu helfen. Diese Art der Darstellung
von Bettys Liebe führt zu einer Affirmation des Gemeinplatzes, dass Frauen bis zur
völligen Aufopferung lieben können, was Calderon und Mendoza ausnutzen, um sich
Bettys bedingungslose Loyalität zu sichern, als das Schicksaal von EcoModa in ihren
Händen liegt.
Armando Mendoza hingegen liebt auf eine völlig andere Art und Weise, was wir
nach der Theorie von Illouz als typisch männlich bewerten können. Seine Verlobung
mit Marcela Valencia beschlieβt er vor dem Hintergrund der Rivalität mit Daniel
Valencia um die Präsidentschaft, seine Liebe ihr gegenüber enhält demnach ein
strategisches Element. Er plant keine Liebe auf Lebenszeit, stattdessen ist sie
zweckbestimmt und nicht ausschliesslich. So stellt er zu Beginn der Telenovela Betty
als seine Sekretärin ein, damit sie ihm den Rücken freihalten kann für Verabredungen
mit weiteren Frauen, die er neben der Verbindung mit Marcela treffen möchte. Dies
macht ihn wie schon gesagt, zum sexuellen Kapitalisten, der seine Klasse und Macht
ausnutzt, um diese in erotische Erfahrungen zu tauschen, er verfügt demnach zunächt
über mehr Möglichkeiten, die Bedingungen zu definieren (gegebüber Marcela und
Betty) unter denen er geliebt wird. Teil seiner Hybris ist der Plan, Betty zu verführen,
um sie dadurch vollkommen zu manipulieren und die Firma erhalten zu können – auch
hierbei zeigt sich die Beurteilung von „weiblicher“ Liebe – Illouz zufolge im
Umkehrschlus die Liebe derjenigen, die weniger Möglichkeiten haben, die
Bedingungen zu definieren, woraufhin sie mehr leiden.
Bei der Ausführung des Planes beginnt Mendoza allmählich, sich in Betty zu
verlieben, jedoch ohne dass er sich dessen wirklich bewusst wäre, noch dass er es
zugeben könnte. Anders als Betty, die ihre tiefsten inneren Gefühle einem Tagebuch
anvertraut, drückt Mendoza seine wirklichen Gefühle nicht aus. Noch bevor er sich und
Betty eingestehen kann, dass er sich wirklich verliebt hat, entdeckt Betty den
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
22
Schwindel, verlässt die Firma und informiert den Vorstand über den tatsächlichen,
ruinösen Stand von EcoModa. Auf den Verlust seiner wirklichen Liebe reagiert
Mendoza nun aggressiv, verletzt und selbstzerstörerisch, er versucht, den Schmerz mit
Alkohol zu betäuben, ist unkontrolliert und orientierungslos. Auf diese Art su lieben,
bedeutet, sich permanent als „männlich“ zu konstruieren und Männlichkeit als
spezifisches emotionales System26 zu reproduzieren.
De facto bleiben die Geschlechterrollen von Betty und Armando bis zu ihrer
Versöhnung im vorletzten Kapitel in den traditionellen Schemata von „Männer lieben
so“ und „Frauen lieben anders“ verhaftet, von denen Illouz darlegt, dass sie in der
Realität existieren und die Geschlechter in der Dimension der Gefühle durch die
Sozialisation verschieden konstruieren und reproduzieren (Illouz 2007a, 2007b). Daraus
können wir ableiten, dass die Darstellung der Geschlechter im Bereich der Gefühle in
einem grossen Teil der Telenovela eine Affirmation der Zweigeschlechtlichkeit
repräsentiert.
Doch schlieβlich erfahren diese traditionellen Geschlechterrollen eine
Auflösung, denn am Ende ist es Betty, die die so genannten Bedingungen definiert,
unter denen Armando sie lieben darf. Ihren Höhepunkt findet diese Umkehrung
während der Versöhung von Betty und Armando im vorletzten Kapitel. Denn hier
weicht „Yo soy Betty, la fea“ ganz erheblich von den traditionellen Telenovela ab, in
denen der Protagonist am Ende seine Protagonistin in der Rolle des „principe azul“
beschützt und errettet und vor dem Bösen verteidigt. Ganz im Gegenteil: „Armando ya
no es nadie sin Betty. Necesita de ella para salvar su empresa, para poder dirigierla
exitosamente y para recuperar su seguridad y su autoestima. Su actitud invierte
radicalmente la relación hombre-mujer de la novela rosa, en donde el varón es siempre
proveedor, protector, padre y esposo de una mujer que lo ama.” (Méndez 2001:43)
So ist es nicht Armando, der Betty rettet, sondern Betty, die ihn und EcoModa vor dem
Ruin bewahren. Die Liebeserklärung Armandos anzunehmen und zu erwidern, ist allein
Bettys Entscheidung. Hinsichtlich der von Illouz konstatierten Dominanz der sexuellen
Felder und der Bedingungend der Liebe können wir in Betty la fea eine Umkehrung der
Gechlechterrollen erkennen.
26 Hirschauer (2013)) spricht von unterschiedlichen Systemen und Institutionen, die dieZweigeschlechtlichkeit hervorbringen. Dem möchte ich unter Berufung auf Illouz hinzufügen, dasss auchdie Gefühle eine zweigeschlechtliche Systematik aufweisen.
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
23
4.2.6. Der Triumph des cuartel de las feasBetty durchlebt ebenso wie Armando eine innere und äuβere Transformation.
Doch im Gegensatz zu Mendez (2001) möchte ich behaupten, dass den Anlass zu ihrem
Wandel nicht die Liebe liefert, sondern deren Negation, Bettys Erfahrung von Leid und
Enttäuschung, dem Leid, das zu einem dauerhaften Mangel an Selbtbewusstein führte
und in dem Betrug von Mendoza kulminierte. Aus diesem Leid heraus entwickelt Betty
die Bereitschaft und schlieβlich den Willen, um wie ein „Phönix aus der Asche“
(Mendez 2001:mm) aufzuerstehen, alte Strukturen und Verhaltenssmuster hinter sich
lassend.
Doch Bettys Transformation besteht nicht allein in ihrer Verschönerung noch
endet sie damit. Was Betty wiedergewinnt, ist ihr Selbstbewuβtsein, und zwar nicht wie
Armando aus der Liebe Bettys heraus, also in Abhängigkeit von einer anderen Person,
sondern aus sich selbst heraus und mit Unterstützung von Donia Catalina. Und
schliesslich erhält Betty die Chance, ihr Talent und Können unter Beweiss zu stellen.
Denn obwohl es für die einzelnen Mitglieder des Vorstands von EcoModa, unter ihnen,
Bettys Gegenpielerin und Gegenspieler Marcela und Daniel Valencia und Hugo
Lombardi, nicht in Frage kommt, ist die einzige Möglichkeit, EcoModa vor dem Ruin
zu bewahren, die Ernennung Bettys zur Präsidentin: “En Betty por el contrario, lo que
ocurre es una inversion de roles tradicionales en el que una mujer de una categoria
social económicamente inferior desplaza de sus posiciones gracias a su talento y a su
inteligencia a los propietarios y a los directores anteriores de una empresa productora
de ropa elegante [...].” (Méndez 2001:43) Dies stellt, wie Méndez zutreffen konstatiert,
eine vollkommene Umkehrung der Geschlechterrollen der traditionellen Telenovelas
dar.
“[…], en Yo soy Betty la fea se invierte la historia tradicional de la novela rosa en laque el "principe azul" se enamora de la joven bella, pero probre y la libera de supobreza llevándola de su mano por el reino de la opulencia y fetichismo de lamercancía. En la reina de las telenovelas latinoamericanas la protagonista no es por lomenos originalmente bella sino fea. Además, a quien se libera no es a la joven pobresino el rico ejecutivo. Pero no para llevarlo de la mano por el reino de la opulencia y elfetichismo de la mercancia, sino para liberarlo de la bancarrota, de su propiaineptitud, de la incapacidad de llevar solo la carga de una empresa que requiere eltalento financiero de una persona como Betty.” (Méndez 2001: 39)
In ihrer Position als Präsidentin ersinnt Betty eine neue Verkaufsstrategie, die
sich an die Mehrheit der Frauen, also gerade diejenigen, die nicht den Maβen der
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
24
Models entsprechen, richtet. Damit verändert Betty grundlegend die Spielregeln im Feld
der Mode, indem sie Schönheit demokratisiert und dem Schönheitsbegriff ein neues
Verständnis zugrundelegt.
Genau in dieser Veränderung liegt meiner Meinung nach das bemerkenswerte
und emanzipatorische Potential der Telenovela. Denn die neue Verkaufsstrategie
schenkt allen Frauen, auch den als weniger attraktiv geltenden, Beachtung und integriert
sie, statt sie wie bisher auszugrenzen, sie erfahren Anerkennung. Das neue
Schönheitsbild, das letzen Endes vermittelt, dass jeder Mensch schön sein kann – und in
seiner Eigenart per se schön ist und es verdient, fair behandelt zu werden – findet den
Höhepunkt seiner Darstellung im Triumpf des „cuartel de las feas“ bei der Präsentation
der neuen Kollektion, bei der Ines, Mariana, Aura Maria, Berta und Sofia selbst auf dem
Laufsteg und damit im Rampenlicht stehen – und somit das neue Schönheitsideal von
EcoModa verkörpern. Patricia Fernandez und Marcela Valencia hingegen gehen aus
dem Krieg der Schönen und Hässlichen als Verliererinnen hervor und verlassen die
Firma.
5. Fazit – Erfolg durch Identifikation und AnerkennungIbrahim Guerra zufolge ist die Identifikation “[...] el recurso más poderoso de la
telenovela.”(Guerra 2001:64–65). Der Groβteil der Bevölkerung Kolumbiens gehört der
unteren Mittelklasse an oder sogar bescheideneren Schichten. Wie die
Demokratisierung des Melodramas richten sich Telenovelas an genau diese armen
Bevölkerungsschichten, nicht nur, um ihnen das Märchen vom möglichen sozialen
Aufstieg zu erzählen, sondern auch um sie von ihrer eigenen Misere abzulenken (ebd.).
Doch wie Méndez (2001) feststellt, geht es in Betty la fea nicht um Ablenkung von der
eigenen Misere sondern um die Thematisierung und damit Anerkennung mit einem
ganz realen, die auf die Mehrheit der Bevölkerung zutreffenden Konflikt, dem Mangel
an Schönheit und (erotischem) Kapital. So formuliert die Telenovela eine Kritik am
uniformierten und unerreichbaren Schönheitsideal, der Diktatur der Mode- und
Schönheitsindustrie, die eine immer gröβere Diskrepanz zwischen der Mehrheit der
Personen (die immer dicker werden) und den immer dünneren Modells 27, die das
Schönheitsideal verkörpern, verursacht und zur Entfremdung der Menschen von sich
27 Aafjes (2008); Berry (2008); Hirschauer (2013)
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
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selbst führt28. Diesem Schönheitsideal stellt „Yo soy Betty, la fea“ eine neuartige
Protagonistin und ihre Verbündeten gegenüber, und schafft damit eine ganz besondere
Nähe zur Realität der alltäglichen Erfahrung der Zuschauer_innen: die der
Marginalisierung durch den Mangel an Schönheit und (erotischem) Kapital.
Neben dieser Anerkennung im Sinne sozialer Sichtbarkeit und der
Demokratisierung des Schönheitbegriffs stellt die Umkehrung der traditionellen
Geschlechterrollen eine weitere zentrale Besonderheit der Telenovela dar. Zwar findet
über weite Strecken der Telenovela eine Affirmation und damit Reproduktion der
Zweigeschlechtlichkeit vor allem im Bereich der Gefühle statt, doch diese wird am im
Laufe der Telenovela umgekehrt, traditionelle Geschlechterrollen werden subvertiert
und damit die binäre Gegensätzlichkeit aufgehoben. Den Schlüssel zum Erfolg der
neuen Protagonistin liefern Bildung, Intelligenz, Loyalität und harte Arbeit, durch die
am Ende Diskiminierung und Geschlechterungleichheit abgewendet werden können.
„Sin duda creo que es la mejor telenovela que hemos de ver en nuestra vida,
porque sin necesidad de cosas vulgares o exageraciones, sino con cosas sencillas y
cotidianas como es la mayoría de las veces en la vida real, logró atrapar el corazón”
schreibt eine Zuschauerin29 als Kommentar zur letzten Folge von Yo soy Betty la fea
stellvertretend für Millionen von begeiterten Zuschauer_innen weltweit.
28 Hirschauer (2013):156 „Idealbilder machen uns zu Mängelwesen.“29 Tita Lunatic, https://www.youtube.com/watch?v=wBzAvbhJMLQ
Geschlechterkonstruktionen, Liebe und Schönheit in der kolumbianischen Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
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