Zeitschrift Führung + Organisation Wissenstransfer per Triadengespräch Eine Methode für Praktiker

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79. Jahrgang 6/2010 E 2253 November jDezember Zeitschrift Führung + Organisation

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79. Jahrgang

6/2010E 2253

November jDezember

Zeitschrift Führung + Organisation

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Wissenstransferper TriadengesprächEine Methode für Praktiker

Michael Dick/Maike Braun/Iris Eggers/Nikolaus Hildebrandt

Wenn vom Wissen als wettbewerbsrelevanter Ressource gesprochen wird, können ganz unter-schiedliche Formen des Wissens gemeint sein: das in der Ausbildung erworbene theoretischeWissen, das praktische, durch Erfahrung angeeignete Wissen, die als Informationen nieder-gelegten Verfahrensweisen oder die eingespielten Routinen in einer Organisation. Besondersdas an die Erfahrung gebundene Expertenwissen und die organisationalen Routinen sindschwer zu greifen. Diese aber sind für Organisationen, deren Technologien eine lange Lebens- ~dauer und hohe Sicherheitsanforderungen haben (Flugzeuge, Kraftwerke), besonders wichtig.Als Instrument zur Weitergabe des erfahrungsbasierten Wissens wurde in einem Energie-unternehmen das Triadengespräch eingesetzt und evaluiert.

Einleitung

Hochzuverlässigkeitsorganisationen (High Reliabi-lity Organizations, HR01) sind Organisationen, diebesonders hohe Anforderungen an die Betriebssi-cherheit ihrer Anlagen und Prozesse stellen, weilStörungen und Fehler hier katastrophale Auswir-kungen auf Mensch und Umwelt haben können. Umeine hohe Zuverlässigkeit gewährleisten zu kön-nen, investieren solche Unternehmen in dieAusbil-dung der Mitarbeiter. Die Ausbildung zum Schicht-

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leiter in einem konventionellen Kraft-werk dauert fünf bis sechs Jahre - zu-sätzlich zur bereits absolvierten Berufs-ausbildung. Neben dieser Ausbildungerwerben die Mitarbeiter ihre Kompe-tenz aber auch durch ihre langjährigeErfahrung im Arbeitsprozess.2

Das in diesem Beitrag vorgestellteUnternehmen aus der Energiewirt-schaft hat solche langen Ausbildungs-und Einarbeitungszeiten und sieht sich

Inhalt

• Einleitung

• Transfer von erfahrungsbasiertemWissen

• Fallstudie: Energieversorger

• Ergebnisse der Fallstudie

• Fazit• Zusammenfassung/Summary

zfo I 375

• Stärmeldungen• Schadensanalyse• Grundlagen

Thermodynamik:::;::~ ..\Produktion

• SystematisierungAusbildung

• Schichtkultur

• VerständnisAnforderungenund Abläufe AV

;:

Themenlandkarteausder Diagnose

• Know-how-Aufbau

• Anlage Materialnummer• Schadensanalyse

• Detailwissen überKomponenten

• Info über durchgeführteArbeiten

• Schadensanalyse

EI~ Bereich für Ingenieursdienstleistungen; EZ~ Bereich für Werkstattleistungen; AV ~ Arbeitsvorbereitung

Abb.2 Themenan wich-tigen Schnittstellen

Abb.3 TypischeErkenntnis-kategorien,zusammengefasstausden Erfahrungslandkar-ten der einzelnenMitarbeiter

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Technisches Know-how In jeder Organisations-einheit oder an jedem Standort gab es Mitarbeiter,die sich mit bestimmten Komponenten, z. B. Pum-pen, oder bestimmten Prozessen, z. B. der Ver-aschung, besonders gut auskannten. Auf der ande-ren Seite gab es Mitarbeiter, die ihr Know-how indiesem Bereich vertiefen wollten oder sollten.

Engpass-Situationen Mit der Steigerung der An-lageneffizienz traten bestimmte Situationen wiedas Anfahren eines Blocks nach einer Störung im-mer seltener auf. Gerade jüngere Mitarbeiter hattendeswegen kaum oder selten die Gelegenheit, sichauf diese Situation vorzubereiten.

Dehnung: Ab 8 mm Turbinen-l-I ...,schnellschutz drücken i

Feuerleitprogramm will >20 kgmindestens 10 kgiEbene I i

Bereichsübergreifende Kooperation Schnittstel-len führen häufig zu Reibungsverlusten. Die Opti-mierung von Prozessen über Bereichs- und Unter-nehmensgrenzen hinweg sowie überlappende Ver-antwortungen sind zwei typische Problembereiche.In den Triadengesprächen konnten Experten ihreErfahrung mit bestimmten Fremdfirmen oder Orga-nisationseinheiten weitergeben, kooperierendeBereiche konnten wechselseitig ihre Perspektiveund ihre Zugzwänge an hand konkreter Beispieleund Erfahrungen vermitteln .

Vorbereitung auf neue Aufgaben Einige Mitar-beiter standen vor einer Beförderung zum Schicht-leiter. Damit übernahmen sie nicht nur mehr fach-liche Verantwortung, sondern auch Verantwortungfür andere Mitarbeiter. In Triadengesprächen miterfahrenen Schichtleitern konnten sie sich auf ihreFührungsaufgaben vorbereiten.

Lokale Lösungen, die von planerischen Vorgabenabweichen Feinheiten und Vereinfachungen inimmer wiederkehrenden Verfahrensprozessen wer-den in einer anderen Reihenfolge oder leicht abge-wandelt gehandhabt, nach dem Motto: »Es gehtdoch einfacher«.

Deutlich wurde der signifikante Unterschied zwi-schen den Gesprächsinhalten und der sonst üb-lichen Vermittlung reinen Fachwissens. »Wenn je-mand die Inhaltstoffe der Kohle runterbeten kannoder wenn im Handbuch steht: >Vorsicht, das Feuerreagiert langsamer<, dann weiß er immer nochnicht, was er damit machen soll und weiß immernoch nicht, was das bedeutet. Aber wenn jemandsagt: >Nein, das ist ganz anders, und du hast dann

~-----"-il Dehnung

Wiederkehrende -----1übergeordnete Themen Volle Leitwarte

I I Wenig Gelegenheit,Anfahren zu üben

Kategorien-Auszüge-I DIN-A4·Seite zu Grenzwerten I

I Kraftwerkbericht von xy I

Möglichst viel vor dem eigentlichen,---------j Anfahren erledigen, möglichst viel

auf Automatik fahren

QuellenMöglichst ohne Gasfahren

Philosophien ---1 Überblick verschaffen I~ Speicher als Medium nutzen I

Aha-Effekte

,-------1 Saugzugregler funktioniertandersherum

----r~~-- ~ IEsgibt einen Knopf ganz linksfür das Belüftungsprogramm

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plötzlich ein ganz anderes Gefühl am Leitstand,und das ist dann plötzlich so ...<, dann ist das Fach-wissen, aber eben nicht ausschließlich. Das ist derKnackpunkt.« (Originalzitat einer Führungskraft imAusbild ungsbereich).

Nach einer Kategorisierung der Inhalte und einerAuswertung der Gespräche auf der Metaebene er-gab sich ein Bild der informellen Strukturen undProzesse. Beispielsweise wurde festgestellt, dassdie verschiedenen Schichten unterschiedliche Phi-losophien bezüglich der Fahrweise des Kraftwerk-blocks haben, und dass unterschiedliche Strategi-en der Aufgabenbearbeitung und Lösungswegeexistieren. Folgende Kategorien kamen typischer-weise zur Sprache:• Erfahrungswerte• »Aha!«-Effekte• Ansprechpartner und Quellen• Klärungsbedarf• Verfahrensweisen• »Sorgen und Ängste«.

Im Verlauf des Projekts entstand so eine Wissens-und Erfahrungslandkarte (Abb. 4)12, die mit jedemGespräch detaillierter wurde. Das Triadengesprächentfaltete eine diagnostische Funktion im Rahmeneiner kontinuierlichen Qualitätsförderung.

Nicht nur Wissensinhalte, sondern auch sozialeBedingungen im Umgang mitWissen wurden sicht-bar und spiegelten Aspekte der Unternehmenskul-tur wider. Abgrenzungen zwischen verschiedenenBereichen und Konflikte wurden ebenso sichtbarwie soziale Arrangements und Leitbilder, die eine

lösungsorientierte Zusammenarbeit fördern. Eswar eine sogenannte Clan-Struktur13 zu beobach-ten. Kennzeichen für eine Clan-Struktur sind dergroße Zusammenhalt der Mitglieder und die Beto-nung der gemeinsamen Werte und Traditionen: Je-der setzt sich für seine Schicht ein, o~~nesofort eineGegenleistung zu erwarten. Fehler werden »aufdem kleinen Dienstweg« bereinigt, statt sie syste-matisch anzugehen. Probleme werden innerhalbder Schicht geregelt. Die Hauptsache ist, dass dasgemeinsame Ziel erreicht wird (»Die Anlage brummtund ein Störfall wird vermieden«). Der Leistungs-beitrag des einzelnen Mitarbeiters ist dabei schwerzu beziffern. Die Kehrseite dieser Clan-Struktur ist,dass sich die Mitarbeiter einer Schicht gegenüberzentralen Vorgaben abschotten und jedem Ver-such, die eigene Arbeitsweise zu dokumentieren,ablehnend gegenüber stehen. Die Methode derTriadengespräche kommt dieser Kultur sehr entge-gen, denn sie ist mit wenig bürokratischem Auf-wand verbunden und stellt das Erzählen der per-sönlichen Erfahrung in den Mittelpunkt. Die Teil-nehmer haben ein hohes Maß an Kontrolle darüber,wem sie was erzählen, und innerhalb des Kreisesvon drei Personen lässt sich das nötige Vertrauenrelativ leicht aufbauen.

EvaluationEin Jahr danach wurde das Projekt anhand einesLeitfadens14 evaluiert. Insgesamt wurden 17 Mitar-beiterca. 45 bis 60 Minuten interviewt, die Gesprä-che wurden aufgezeichnet und transkribiert.

Als Leitstandsführer musst Du Dir einen Überblicküber die Anlage verschaffen, im Gegensatz zu außen.Die Augen ruhen nur noch auf den Monitoren.Jemand von außen denkt, man tut nichts.

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f-------ll Überblick verschaffen

Beim Rauffahren der Thermikauf Dehnung achtenl

f-------ll LeistungskennfeldFreigabengeschäft,,

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Stützfeuer u

Tagesgeschäft ~

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Rauchgas-Entschwefelungs· I I rA'lllm'eiksarnkeit und Handhabunganlage I I der Abwasserstraßen

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l~ Ausfall Block x

~mlastungl

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Kommunikation mit dem Lastverteiler

Die 80 Grad mischen sich imKnotenpunkt, z.B. 30 Grad und130 Grad. Beim Knotenpunktgibt es zwei Abzweigungen. Einegeht zu X, eine zu y.X hat eine vertragliche Sicherungder Temperatur auf 90 Grad.

Man muss eine Entscheidung treffen IWo steht Block 147Muss er eigentlich runterfahren, von Hand.Gasbeschränkung kostet Geld.Wenn du wirklich 250 MW hast,musst du xy runter fahren I

Abb. 4 AuszugausderErfahrungslandkarteeinesMitarbeiters

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Führungskräfte Ein Erfolgskriterium für die Me-thode war für die Führungskräfte, dass die Mitar-beiter die Triadengespräche akzeptierten. Diesenahmen die Gesprächssituation überwiegend posi-tiv wahr und waren größtenteils bereit, noch einmalan Triadengesprächen teilzunehmen. Einige Mitar-beiter hatten nicht nur Anregungen für weiter~The-menfelder und Anwendungsgebiete, sondern ent-wickelten selbst Ideen zur Einbettung und Nachbe-reitung derTriadengespräche.

Im Rückblick auf die Triadengespräche bekamdas Erfahrungswissen für die Führungskräfte einenanderen Stellenwert im Ausbildungssektor. Eswur-de als aktiv beeinflussbarer Teil wahrgenommen.Führungskräfte im operativen Bereich sahen in ei-ner methodisch unterstützten mündlichen Kommu-nikation einen Mehrwert gegenüber dem Zustanddes »Sich-Verlassens« aufvorgegebene Strukturenund Zuständigkeitsbereiche, auch wenn es eindeu-tige schriftliche Vorgaben gibt.

Über den fachlichen Ertrag des Erfahrungstrans-fers hinaus herrschte in der Führungsebene die Ein-schätzung, dass Triadengespräche dazu beitragenkönnen, die Unternehmenskultur zu verändern: DasBereichs- oder Abteilungsdenken der Mitarbeiterwird erweitert, sie verstehen mehr und mehr den Ge-samtzusammenhang. Dazu können die MitarbeiterEntscheidungen besser nachvollziehen und ihr Han-deln der jeweiligen Situation besser anpassen.1S

Experten Mitarbeiter, die als Experten am Tria-dengespräch teilgenommen hatten, werteten es alsAnerkennung und Bestätigung ihrer Person und ih-rer Kompetenz, dass sie ausgewählt wurden. Esmotivierte sie, dass sie ihr Wissen weitergebendurften, und sie registrierten, dass »ihr Wissen et-was wert ist, dass es wichtig ist« (Zitat aus dem In-terview). Einige Experten entwickelten auf der Ba-sis des Gesprächs ein Verständnis für die Anliegenund Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter insgesamt. Sienutzten diese Erkenntnisse, um weitere Schulungs-maßnahmen zu entwickeln.

Den Mitarbeitern war es wichtig, Zusammenhän-ge auch dort zu verstehen, wo es für ihre eigentli-chen Arbeitsabläufe nicht zwingend notwendigwar.16 Sie wollten »ein Gefühl kriegen, wo sie denKollegen abholen müssen« und wollten ein »Ver-ständnis für ihn und seine Arbeit bekommen«. Eini-gen Experten wurde während des Triadengesprächsdeutlich, dass es immer wiederkehrende Verfah-rensprozesse gibt, die vereinfacht werden können.

Novizen Die Novizen wurden in einigen Situatio-nen in ihrer Arbeitsweise bestätigt, »ihnen wurdeUnsicherheit genommen«. In anderen Situationenerfuhren sie ein Korrektiv oder entdeckten alterna-

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tive Arbeitsweisen und andere Sichtweisen auf dasKraftwerk. Die Triadengespräche gaben den forma-len Rahmen, die Struktur und die offizielle Legiti-mation, um »intensive Gespräche über weite The-men zu führen, die sonst gar nicht möglich gewe-sen wären«.

Die breite Akzeptanz der Methode bei den Mitar-beitern unterscheidet den untersuchten Ansatz vonanderen Vorgehensweisen im Wissensmanage-ment, die häufig im Sande verlaufen sind.17 Da beijenen Verfahren die Mitarbeiter die Kontrolle überihr Wissen und den Prozess, wie dieses vermitteltwird, frühzeitig aus der Hand geben, abstrahierensie ihr Wissen so sehr, dass die erfahrungsnahenInhalte verlorengehen. Bei den Triadengesprächenwird nicht die Sorge artikuliert, dass Wissen enteig-net wird. Dies könnte erklären, dass die Mitarbeiterihre Erfahrungen offen mitteilen.

Kritik Die hauptsächliche Kritik an den Triaden-gesprächen bezog sich auf die schwierige Erfolgs-kontrolle. Wesentliche Faktoren, wie implizites Wis-sen, situatives Handeln, Anerkennung, Wertschät-zung oder Fehlervermeidung sind schwer messbar.Außerdem befürchteten einige Mitarbeiter, die Tria-dengespräche sollten im Rahmen von Ausgaben-kürzungen anderes betriebliches Lernen ersetzen,z. B. dass ein Mitarbeiter über Monate und Jahrehinweg bei einem Kollegen mitläuft.

Ergebnisse der Fallstudie

Aus den Äußerungen der teilnehmenden Mitarbei-ter in Bezug auf die Triadengespräche lassen sichHinweise darauf ableiten, wie sich die Methode aufeine Organisation auswirkt. Das Verfahren ist ein-fach und lässt sich leicht in betriebliche Prozesseintegrieren. Es lässt sich an verschiedene Bedarfs-situationen, Anforderungen und Organisations-strukturen anpassen. Abgesehen vom Laien, derdie Rahmenbedingungen absichert, müssen diebeteiligten Mitarbeiter das Gespräch kaum vor-oder nachbereiten.

Damit sich das Potenzial der Triadengesprächevoll entfalten kann, müssen alle Interessengruppenund angestrebten Organisationsebenen einbezo-gen werden. Dazu muss an die aktuellen Ziele undProblemstellungen auf Organisations- und Abtei-lungsebene angeknüpft werden. Die daraus abzu-leitenden und mit der Intervention verknüpften Ab-sichten sollten offen kommuniziert werden, sodassein möglichst vertrauensvolles Umfeld besteht. Un-ter diesen Bedingungen sind Triadengespräche als»/ow-tech high-impact Instrument« (Instrument mitwenig technischem Einsatz und großer Wirkung)niedrigschwellig zu folgenden Zwecken geeignet:

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Förderung des WissensaustauschsIn Triadengesprächen sprechen die Beteiligtennicht nur über ihre Aufgaben und Funktionen, son-dern auch über ihr persönliches Erleben und Emp-finden. Im Mittelpunkt steht das Erzählen aus dereigenen Praxis, Wissen wird in seiner eingebette-ten Form, in seinen Bezügen zum praktischen Kon-text zum Ausdruck gebracht.18

Abbildung informeller StrukturenTriadengespräche bilden Wissen nicht nur als Be-griffe oder als Information ab, sondern sie machendie informelle Praxis sichtbar, rekonstruierbar undzum Gegenstand von Reflexion durch die Akteureselbst. So zeigte sich während der Durchführungdes Projekts, dass die Unternehmenssituation unddas Arbeitsumfeld sowohl detailliert als auch in derBreite thematisiert wurden. Die den einzelnen Mit-arbeiter umgebenden informellen Strukturen, dieKooperation und Produktivität fördern und hem-men, treten deutlicher hervor. Daraus sollte nunnicht der Anspruch abgeleitet werden, informelleStrukturen zu formalisieren oder gar zu reduzieren,denn sie sind wichtige Korrektive für eine zentralePlanung.19 Wenn informelle Strukturen durch Tria-dengespräche aber bewusster gen utzt werden kön-nen, stärken diese das Potenzial der Selbstorgani-sation, welche angesichts der zunehmenden Kom-plexität und Dynamik im betrieblichen Umfeld einewichtige Anpassungsstrategie ist.

Unterstützung von Change-ProzessenDie Weitergabe von implizitem, erfahrungsbasier-tem Wissen kann Impulse geben, um die Unter-nehmenskultur auf unterschiedlichen Ebenen zuverändern und eine Wissenskultur zu befördern.Ansatzpunkte hierfür sind das Sichtbarmachenvon informellen Strukturen und Kooperationen,die Abstimmung unterschiedlicher Bereiche oderProjekte auf gemeinsame Ziele und Bedeutungen,oder die Identifikation, Integration und Motivationvon Mitarbeitern. Auf diesem Weg ist es sinnvoll,Triadengespräche in Bereichen der Organisationzu implementieren, die der Methode gegenüberaufgeschlossen sind, und von hier aus über dieoperativen Erfolge Anschluss zu anderen Berei-chen zu finden (generating short-term wins andanchoring new approaches in the culture im Sin nedes Leading Change20).

Gemeinsame SinnkonstruktionDas Einbeziehen der Perspektive des Anderen imoffenen Akt des Erzählens öffnet Kontexte. In demsemantischen und sozialen Raum des Triadenge-sprächs werden defensive Routinen21 des berufli-chen Alltags umgangen. Vielmehr wird gemeinsam

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ein Konsens gesucht und hergestellt.Wichtig daran ist nicht nur das Ergebnisder Einigung, sondern auch der Weg, ei-ne gemeinsame Wirklichkeit herzust'el-len. Diese Form der Verständigung er-schöpft sich nicht darin, Konflikte undStörungen an Schnittstellen zu bewälti-gen, sondern erlaubt es, das eigene Han-deln in übergeordnete Prozesse zu integ-rieren. Durch das Erkennen und die Ent-wicklung gemeinsamer Ziele werdenIdentifikation und Teilhabe an sozialenKonstruktionsprozessen möglich. DerWissensaustausch im Triadengespräch findet alsProzess der gemeinsamen Wirklichkeitskonstrukti-on der Beteiligten statt.22 Esscheint, dass sich dar-in ein Bedürfnis der Beschäftigten in Organisatio-nen nach Integration, Teilhabe und Sinnstiftungspiegelt.

Leading Change

Leading Change ist der Titel eines Buches

von John P.Kotter, einem der international

renommiertesten Experten des Change-

Managements. In diesem Standardwerk

zeigt Kotter, wie man Wandlungsprozesse

in Unternehmen führt. Nach einer Analyse

der Gründe, warum viele Unternehmen den

Wandel nicht schaffen bzw. an Change·

Prozesse scheitern, entwickelt Kotter einen

Acht-Stufen-Plan, der hilft, pragmatisch

einen erfolgreichen Wandel zu gestalten.

Fazit

Die Reflexion und Konstitution einer gemeinsamenWirklichkeit lässt die Beteiligten Konsistenz (Zu-sammenhalt) und Kontinuität erfahren. In einer zu-nehmend mobilen Arbeitswelt, in einer dynami-schen und kom plexen Unternehmenspraxis ist dieseine stabilisierende Ressource. Das untersuchtePilotprojekt in einem Unternehmen der Energiever-sorgung hat dieses stabilisierende Potenzial derExplikation und des Austausches erfahrungsba-sierten Wissens für Organisationen mit hohem An-spruch an Zuverlässigkeit und Sicherheit und mitlanglebigen Technol0gien gezeigt. Triadengesprä-che sind damit nicht nur ein wirksames Instrumentdes Wissensaustauschs, sondern bei sorgfältigerImplementierung auch eine wertvolle Interventionder Organisationsentwicklung und Transformation.

Anmerkungen1 Roberts, K. H.: Some Characteristics of One Type of High

Reliability Organization.ln: Organization Science, 1.Jg.,1990, H. 2, 5.160-176,-

2 Gruber, H.: Erfahrung als Grundlage kompetentenHandeins. Bern 1999; Fischer, M.: Die EntwicklungvonArbeitsprozesswissen durch Lernen im Arbeitsprozess- theoretische Annahmen und empirische Befunde.In: Fischer, M./Rauner F. (Hrsg.): Lernfeld: Arbeits-prozess, Baden-Baden 2002, S. 53~86.

3 Derboven, W./Dick, M./Wehner, T.: Die Transformationvon Erfahrung und Wissen in Zirkeln. In: Fischer, M./Rauner F.: a. a. 0., S. 369-391; Porschen, 5.: Austauschimpliziten Erfahrungswissens: neue Perspektiven fürdas Wissensmanagement, Wiesbaden 2008.

4 Dick, M.: Triadengespräche als Methode der Wissens-transformation in Organisationen. In: Luif, V'/Thoma,G./Boothe, B. (Hrsg.): Beschreiben - Erschließen -

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Erläutern. Psychotherapieforschung als qualitativeWissenschaft, Lengerich 2006,5.141-166.Neuweg, G. H.: Könnerschaft und implizites Wissen.Zur lehr-Ierntheoretischen Bedeutung der Erkenntnis-und Wissenstheorie Michael Polanyis, Münster u. a.1999.

6 Dick, M./Wehner, T.: Partizipative Entwicklung vonWissensmanagement-Werkzeugen bei Airbus. In: Lüthy,W.;Voit, E./Wehner, T. (Hrsg.): Wissensmanagement-Praxis. Einführung, Handlungsfelder und Fallbeispiele,Zürich 2002, 5.129-152.

7 Böhle, F./Rose, H.: Technik und Erfahrung - Arbeit inhochautomatisierten Systemen, München 1992.

8 Blackler, F.:Knowledge, Knowledge Work and Organiza-tions: An Overview and Interpretation. In: OrganizationStudies, 16. jg., 1995, H.6,5.1021-1046; Wehner, T./Dick, M.: Die Umbewertung des Wissens in der betrieb-lichen Lebenswelt: Positionen der Arbeitspsychologieund betroffener Akteure. In: Schreyögg, G. (Hrsg.):Wissen in Unternehmen. Konzepte, Maßnahmen,Methoden, Berlin 2001, S. 89~117.

9 Energie für Deutschland 2009. Fakten, Perspektivenund Positionen im globalen Kontext. DeutschesNationales Komitee des Weltenergierats (DNK). http://www.worldenergy.org/dnk/publikationen/energie_fr_deutschland /2574.asp.

10 Dick, M., 2006, a. a. O.11 Schütze, F.:Zur linguistischen und soziologischen

Analyse von Erzählungen. In: Internationales jahrbuchfür Wissens- und Religionssoziologie, 10.jg.,1976,5.7-41; Schütze, F.:Biographieforschungund narratives Interview. In: Neue Praxis, 3.jg., 19835.283-293.

12 Dick, M.: Reflexionsmappen, Tutorien, Know-how-Landkarten: Methoden zur Explizierungvon Wissen.In: Wirtschaftspsychologie, 5.jg., 2003, 5.139-141;Mandl, H./Fischer, F.:Wissen sichtbar machen.Wissensmanagement mit Mapping-Techniken,Göttingen 2000.

13 Ouchi, W.G.: Markets, Bureaucracies and Clans.In: Administrative Science Quarterly, 25.jg., 1980,S.129~141.

14 Dick, M./Nebauer, K./Schrader, I<.:Triadengesprächeals Methode des Wissens- und Erfahrungstransfers:

Zusammenfassung

Die iVorliegende Fallstudie zeigt, dass die Methode derTriadengespräche ein wirkungsvolles Mittel ist, umden gezielten Erfahrungsaustausch in einem Unter-nehmen anzustoßen und zu verankern. Die Methodeist mit geringem Aufwand verbunden und kann flexibelan die jeweilige Situation des Unternehmens ange-passt werden. Über den direkten Erfahrungsaustauschwährend der Gespräche hinaus können die Ergebnissegenutzt werden, um weiteren Ausbildungsbedarf oderWissenslücken aufzudecken oder Themen in die Aus-bildung einzuspeisen. Das implizite Praxiswissen derExperten kann so systematisch genutzt und wenigererfahrenen Mitarbeitern zugänglich gemacht werden.Die Methode ist besonders geeignet für den Einsatz inVeränderungsprozessen .

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Die Evaluation einer Pilotanwendung. In: EmpirischeArbeitsforschung. Empirische Beiträge aus der Psycho-logie, Soziologie und Pädagogik der Arbeit, 2006,Nr. 01, verfügbar über:(http://www.empirische-arbeits·forschung.de (31.03.2010).

15 Bereichsleiter16 Experte für abteilungsübergreifendes Verstehen,

Schn ittstellenkom munikation.17 Dotter, M./Pätzold, R./Kumbruck, C./Dick, M.: Wissens·

gemeinschaften: Erfahrungen mit dem Einsatz des»Engineering Book of Knowledge (EBoK)«. In: Wirt-schafts psychologie, Sonderheft Wissensmanagement,5.jg., 2003, H.3,5.116-121; Schmidt, K.: Der Menschim Hintergrund? T-Com und Optimierung kunden-relevanter Prozesse durch Wissensmanagement,Dissertation: Univ. Magdeburg 2004; Schulze, A.:Unternehmenskulturelle Voraussetzungen zur Wissens-teilung / Corporate Cultural Prerequisites for KnowledgeSharing. Benchmarking-Studie/Benchmarking Study,Universität St.Gallen 2002; Wilkesmann, U./Rascher, 1.:Lässt sich Wissen durch Datenbanken managen?Möglichkeiten und Grenzen von elektronischen Daten·banken. In: zfo, 71.jg., 2002, H.6, 5.342-351.

18 Vg!. Fußnote 8.19 Waibel, M. c.: »Knick leicht durch Holm drücken«:

Lokales Wissen in der betrieblichen Lebenswelt,Universität Bremen 1997, Harburger Beiträge zurPsychologie und Soziologie der Arbeit, Sonderband 2;Wehner, T./Endres, E.: ZurWechselwirkungvon techni-schen Störungen und sozialen Bewältigungen - einselbstorganisationstheoretischer Ansatz. In: Zeitschriftfür Arbeits- und Organisationspsychologie, 2.jg., 1996,5.92-96.

20 Kotter j. P.: Leading Change, Boston 1999.21 Argyris, c.: Defensive Routinen. In: G. Fatzer (Hrsg.):

Organisationsentwicklung für die Zukunft. Ein Hand-buch, Köln 1999, 5.79-226.

22 Berger, P.L./Luckmann, T.: Die gesellschaftlicheKonstruktion der Wirklichkeit. EineTheorie der Wissens-soziologie, 16.Auf!., Frankfurt am Main 1999; Ulrich, D.:Erfahrungsgespräche in Triaden - Rekonstruktioneines sozialen Settings zurWissensteilung in einemIndu_striebetrieb. Universität Hamburg 2005.

Summary

This case study demonstrates that triad conversationsare an effective tool in initiating and establishing.know-how transfer within an organization. Triad con-versations require little preparation and can be adap-ted readily to the specific needs of the organization.Besides exchanging experience-based knowledge di-rectly during the interviews, the interviews can also beused todiagnose further need for training or gaps inthe existing knowledge base. Thus, the tacit know-ledge ofthe experts can be tapped systematically andmade accessible to their less experienced colleagues.Triad conversations are particularly weil suited forchange processes.

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Prof. Michael DickFachhochschule NordwestschweizHochschule für Angewandte Psychologie, Oltenmichael.d [email protected]

Dr. Maike Braun (PhD)Unternehmensberaterin, [email protected]

Iris EggersProjektarbeit, Beratung, Lü[email protected]

Dipt.-Psych. Nikolaus HildebrandtUnternehmensberater, Lüneburgwww.triadengespraeche.comnhi ld [email protected]