Rural Areas and Tourism Branding Between Revitalization and Exoticization JJ 2009

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Ländliche Regionen und Tourismusvermarktung zwischen Revitalisierung oder Exotisierung: das Beispiel Echigo-Tsumari Rural Areas and Tourism Branding between Revitalization and Exoticization: e Case of Echigo-Tsumari Susanne Klien Since the international contemporary art festival Echigo-Tsumari Art Triennial has been held in the southern part of Niigata Prefecture by a Tōkyō-based commercial art gallery in cooperation with municipal and prefectural authorities as a regional revitalisation project, attracting numerous visitors to Echigo-Tsumari, which is most- ly known for its excellent rice, rather than as a tourist destination. In this qualita- tive study I analyze and compare tourist material issued by the organizing gallery, the prefectural revitalisation agency and the municipal tourist oce. In addition to primary sources such as brochures and posters, I also draw on insights from parti- cipant observation, especially interviews with involved actors from the local tourist bodies, triennial sta, residents and representatives from administration. e discus- sion of selected information material also serves as an opportunity to rethink new tendencies in rural tourism in Japan such as the emphasis on iyashi (relaxation) or familiar terms such as satoyama (coexistence of man with nature) or genfūkei (tradi- tional Japanese landscape) and general issues pertaining to the representation of rural areas in the national discourse.

Transcript of Rural Areas and Tourism Branding Between Revitalization and Exoticization JJ 2009

Ländliche Regionen und Tourismusvermarktung zwischen Revitalisierung oder Exotisierung:

das Beispiel Echigo-Tsumari

Rural Areas and Tourism Branding between Revitalization and Exoticization: !e Case of Echigo-Tsumari

Susanne Klien

Since !""" the international contemporary art festival Echigo-Tsumari Art Triennial has been held in the southern part of Niigata Prefecture by a T#ky#-based commercial art gallery in cooperation with municipal and prefectural authorities as a regional revitalisation project, attracting numerous visitors to Echigo-Tsumari, which is most-ly known for its excellent rice, rather than as a tourist destination. In this qualita-tive study I analyze and compare tourist material issued by the organizing gallery, the prefectural revitalisation agency and the municipal tourist o$ce. In addition to primary sources such as brochures and posters, I also draw on insights from parti-cipant observation, especially interviews with involved actors from the local tourist bodies, triennial sta%, residents and representatives from administration. &e discus-sion of selected information material also serves as an opportunity to rethink new tendencies in rural tourism in Japan such as the emphasis on iyashi (relaxation) or familiar terms such as satoyama (coexistence of man with nature) or genf'kei (tradi-tional Japanese landscape) and general issues pertaining to the representation of rural areas in the national discourse.

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! Einführung

Regionale Disparitäten in Japan und die damit verbundenen Probleme wie Ab-wanderung, Überalterung, wirtscha$liche Stagnation und letztlich die Au%ösung ganzer Dorfgemeinscha$en werden seit einigen Jahren zunehmend in den Medien thematisiert: So wurde etwa der Begri& genkai sh'raku (marginal village) als Be-zeichnung eines Ortes mit einem Anteil von mehr als '( ) der Gesamteinwohner-zahl über *' Jahre, in dem die Aufrechterhaltung des sozialen Gemeinscha$slebens aufgrund der hohen Anzahl an Haushalten mit betagten Einzelpersonen schwierig geworden ist, nach seiner Prägung durch den Revitalisierungsexperten Akira +no ",## zunächst in rein akademischen Diskursen verwendet; heute -ndet man den Terminus vor allem in Fernsehdokumentationen und journalistischen Texten. Die weite Verbreitung verwundert nicht angesichts der Tatsache, dass die rezenten de-mogra-schen und wirtscha$lichen Entwicklungen im ländlichen Japan die enorme Dringlichkeit des Problems vor Augen führen: Immer mehr dieser in ihrem Fortbe-stehen akut gefährdeten Gemeinden – nach Angaben des japanischen Ministeriums für innere Angelegenheiten und Kommunikation sollen in ganz Japan über *(.((( Orte in diese Kategorie fallen (O./01 !((#: ""2) – werden in den Regionen am japanischen Meer verzeichnet, während die urbanen Ballungsräume an der pazi--schen Seite, vor allem +saka, Nagoya, T3ky3 und Yokohama, aus allen Nähten zu platzen drohen. Die Konzentration von Bildung, Information, Arbeitsplätzen und Unterhaltung in den japanischen Metropolen führt zu einer derartigen Abwande-rung aus ländlichen Gebieten. So stieg der Anteil der japanischen Bevölkerung, die in T3ky3 lebt, zwischen ",*( und !((( von "*,4 ) auf !5,! ) an (F6789:;< !((#: 5).

Die japanische Regierung verfolgte seit der Nachkriegszeit o=ziell eine Politik der »ausgeglichenen regionalen Entwicklung«, und auch heute schießen immer wieder Ideen und Konzepte aus dem Boden, wie die peripheren Gebiete umstrukturiert werden könnten, um eine Revitalisierung und eine gleichmäßigere wirtscha$liche Entwicklung in Japan zu erreichen. Die Entwicklung einer »Di&erenzgesellscha$« (kakusa shakai) (C1/6>?@ !((4: !25–!24) lässt sich dennoch anhand zahlreicher sozioökonomischer Indikatoren aufzeigen, wie etwa Bevölkerungsdichte, Durch-schnittseinkommen, Internetverbreitung, Bildungsgrad und ähnliche für die jewei-lige Lokalität.

Das Ziel dieses Beitrags soll es sein, die Darstellung von ländlichen Regionen im nationalen japanischen Diskurs nachzuzeichnen und anhand eines aktuellen Fallbeispiels in der Präfektur Niigata die Repräsentation einer ausgeprägt länd-lichen Region zu untersuchen. Aus diesem Grund soll die »Echigo-Tsumari Art

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Triennale« vorgestellt werden, die seit !((( von einer T3ky3ter Galerie in Koope-ration mit kommunalen und präfekturalen Behörden mit dem Ziel der regionalen Revitalisierung durchgeführt wird. Dieses Fallbeispiel scheint deshalb geeignet, da die Organisation des Festivals von urbanen und ländlichen Akteuren gemeinsam durchgeführt wird und Schlüsselthemen der Revitalisierung wie Repräsentation, Perzeption und Kooperation konzentriert au$reten. Anhand von Informationsma-terial der veranstaltenden Galerie sowie der lokalen Tourismusstellen soll gezeigt werden, mit welchen Bildern urbane Besucher angesprochen werden, welche Kli-schees wir vor-nden und welche neuen Attraktionen anzuführen sind.

Was die Methodik betriA, beziehe ich mich auf primäre Quellen wie Informa-tionsbroschüren und Poster, verarbeite aber auch Sekundärliteratur und Erkennt-nisse aus teilnehmender Beobachtung in dieser Studie, insbesondere Interviews mit involvierten Akteuren aus der lokalen Tourismusbranche, Triennalepersonal, Bürgern, Beamten und Politikern.

! Die Verortung ländlicher Regionen im Japan der Nachkriegszeit und Gegenwart

!." Ländliche Regionen im nationalen japanischen Diskurs: Zwischen nostalgischer furusato-Verklärung und negativer Darstellung als Gebiet der Zurückgelassenen

Wie auch in vielen anderen Ländern schwankte die Positionierung ländlicher Ge-biete im japanischen (urban geprägten) Diskurs zwischen Verwerfung als Ort der Zurückgebliebenen, die im Wirtscha$swunder der Metropolen keinen Platz fan-den oder -nden wollten – in der gängigen Sprache des Modernisierungsmodells (K;66B ",#*: *(*) – und Idealisierung als Ursprung der japanischen Kultur, die in der ökonomisch ausgerichteten Nachkriegszeit verloren gegangen war. K;66B spricht von einer Oszillation urbaner Vorstellungen von ländlichen Dörfern zwi-schen »snobbish condescension and rhapsodizing sentimentality« (",#*: *(*). Die ländlichen Regionen verkörpern also einerseits die Antithese zur Moderne, ande-rerseits stehen sie für Authentizität. K;66B (",,(: *') brachte dieses Spannungsfeld vortreCich auf den Punkt: »Rural communities are caught between having a past and being a past.« Häu-g assoziierte Stichworte sindHäu-g assoziierte Stichworte sind furusato und genf'kei – also (geogra-sch unspezi-sche) geistige Heimat und japanische Urlandscha$. Die mit diesen Begri&en verbundene Nostalgie und deren gezielter Einsatz in nationalen Werbekampagnen wurden ausführlich behandelt. So untersuchte M?<D6B0 IEB

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(",##: 22–#*), wie urbane Diskurse das »marginale ländliche« Japan als Symbol der nationalen kulturellen Essenz und Authentizität positiv neu bewerteten. Auch zeig-ten Jennifer Robertson und Millie Creighton die Bedeutung von Werbekampagnen etwa der japanischen Eisenbahn für die Exotisierung ländlicher Destinationen (R1F;<:@10 ",,'; C<;DG9:10 ",,4).

Perioden der Rezession gingen o$ einher mit der Rückbesinnung auf immate-rielle Werte, wie auch seit der »verlorenen Dekade der ",,(er« wieder zu beob-achten ist. Der Konsum materieller Objekte weicht immateriellen Konzepten wie Heimatgefühl, Nostalgie, ländliche Ästhetik, (Dorf-)Gemeinscha$ und der damit assoziierten idealisierten Vorstellung menschlicher Werte, die in urbanen Lebens-formen keinen oder nicht ausreichend Platz zu haben scheinen – in anderen Wor-ten »Land« als positiv konnotierter Gegenpol zur Lebensweise in Metropolen, eine altbekannte Dichotomie, die schon R?B>10H WD66D?>@ (",42) in seinem Klassi-ker &e Country and the City ausführte. Bereits in den ",*(er-Jahren sprachen Poli-tiker und Bürokraten in Japan davon, dass nach Erreichen des Nachkriegsziels des Wirtscha$swachstums in einem ausgeprägt zentralistisch organisierten politischen System sich nun der Fokus der Maßnahmen von materiellen zu immateriellen, von »Dingen« (mono) zum »Geist« (kokoro), vom Zentrum in die Regionen (chih#) ver-lagern solle.

Nichtsdestotrotz sind viele der heute gebräuchlichen Termini für ländliche Gebiete nach wie vor negativ konnotiert. Während chi’iki relativ neutral ist und nichts weiter als »Region« bedeutet, hat das häu-g als Synonym gebrauchte chih# manchmal den Beiklang von Peripherie und Anachronismus, zuweilen auch im nostalgischen positiven Sinne (KI;10 ",,5: "). T@/:@/>D, T1./01 und Y?>?->1:1 (!((#: ") erläutern die Ambivalenz von chih# und führen drei mögliche Bedeutungen an: erstens, lokale Einheit im Sinne von Gegenpart zur nationalen Ebene; zweitens, eine bestimmte Region, ein Gebiet innerhalb eines Landes und drittens, ein Gebiet, das sich von urbanem Raum unterscheidet, also das Gegenteil von Großstadt, Zentrum darstellt. Am häu-gsten ist der Gebrauch im dritten Sinn

– dieser war wohl auch in den ",4(ern gemeint, als die »Ära des Lokalismus« (chih# no jidai) ausgerufen wurde und gleichmäßiges Wirtscha$swachstum in ganz Ja-pan als Ziel deklariert wurde. Allerdings besteht die allgemeine Annahme, dass es sich hierbei in erster Linie um politische Schlagwörter handelte (M110 !((!: !2#; R1F;<:@10 ",##: '(!). Inaka impliziert eine herablassende und bevormundende Haltung gegenüber dem ländlichen Japan, während furusato wie oben ausgeführt eine nostalgische Idealisierung beinhaltet und häu-g mit Schlagwörtern wie fureai (Begegnung) oder uruoi (emotionale Zufriedenheit) in Zusammenhang gebracht wird (R1F;<:@10 ",##, IEB ",,').

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Analog dazu werden auch viele der Termini, die den Prozess der Wachstumsan-kurbelung ländlicher Gebiete bezeichnen, selten wertfrei benutzt. Der Gebrauch des Ausdrucks chi’iki kasseika (regionale Revitalisierung) ist umstritten, da er bei manchen mit der Wiederbelebung stagnierender Provinzorte assoziiert wird. An-dere hingegen weisen auf die dynamische Konnotation von kasseika hin, die kai-hatsu (Entwicklung) bei weitem übertre&en (R?/@89 !((5). Als neutralere Alter-nativen werden chi’iki saisei (regionale Wiederbelebung), chi’iki okoshi und chi’iki shink# (regionale Wachstumsförderung) oder chi’iki zukuri (Regionalgestaltung) verwendet.

!.! De#nitionen von »regionaler Revitalisierung«

Der Begri& »regionale Revitalisierung« ist umstritten und präzise De-nitionen sind sogar selten in Material, das sich unmittelbar auf dieses Jema bezieht. Auch H?@9DK/>; (!((': "() beobachtet, dass der Ausdruck chi’iki kasseika gerne ver-wendet wird, aber nur wenige Studien vorliegen, die eine klare De-nition dessel-ben aufweisen, und stellt fest, dass selbst in der Gegenwart noch keine einheitliche Verwendung erfolgt. Allgemein existiert beim Gebrauch dieses Ausdrucks die vage Vorstellung, dass »die verschiedenen Funktionen einer stagnierenden lokalen Ge-sellscha$ wieder aktiv zu arbeiten beginnen« (H?@9DK/>; !((': "(). K/>?G?D (",,": "42) versteht den Begri& so, dass der Stabilisierung der ständig ansässigen Bevölkerung höchste Priorität beigemessen werden sollte. Andere Interpretationen unterscheiden soziale und wirtscha$liche Aspekte der Wiederbelebung. Im Allge-meinen wurde regionale Revitalisierung bisher in vier Schlüsselaufgaben unterglie-dert (O.?H? et al. !((*: "4):

die Förderung der Industrie,die Erleichterung der Ansiedlung und Niederlassung junger Einwohner in der Region und die Aktivierung der Ein%ussmöglichkeiten der Bürger,die Förderung einer Atmosphäre der Unabhängigkeit, um die Einwohner dazu anzuregen, auf ihre Region stolz zu sein,die Planung der Verbesserung der Infrastruktur des Alltags, im Bereich der Kultur und Bildung, der Information und des Verkehrsnetzwerks.

In anderen Worten setzt der Begri& der regionalen Revitalisierung die langfristige Niederlassung von Menschen in dieser Region voraus, und eine derartige Ansied-lung ist nur möglich bei Bestehen einer ausreichenden wirtscha$lichen Grundlage. Zur Scha&ung letzterer konzipierte der damalige Gouverneur der Präfektur +ita, Morihito Hiramatsu, ",4, seine Idee der »Ein-Dorf-ein Produkt-Bewegung« (isson

1.2.

3.

4.

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ippin und#), einer auf lokaler Ebene initiierten Revitalisierungsbewegung, bei der jede Ortscha$ ein lokalspezi-sches Produkt zur Vermarktung auswählen sollte.

Zur vagen De-nition des Ausdrucks »regionale Revitalisierung« kommt hinzu, dass bei vielen politischen Maßnahmepaketen der Regierung grundlegende Fragen unbeantwortet bleiben, etwa weshalb es zu einer Stagnation der ländlichen Gebiete gekommen und eine Revitalisierung überhaupt notwendig ist (H10>? !((4: v). Trotz zahlreicher administrativer Maßnahmen zur besseren Verteilung der natio-nalen Wirtscha$sproduktion und Bevölkerung scheint die Entwicklung vom Land weg in die Städte unauLaltsam. Auch wurde die Wahrnehmung der Verschärfung des Problems zunehmender regionaler Disparitäten in der ö&entlichen Meinung durch Meinungsumfragen des Kabinettsamtes zum Sozialbewusstsein der Bevölke-rung evident (F;6H91MM !((#: 2*).

!.$ Ländlicher Lifestyle als Alternative: Neue Formen des Tourismus

Tourismus als Mittel der Revitalisierung wirtscha$lich darniederliegender, aber mit kulturellen Ressourcen ausgestatteter Kleinstädte oder Orte in zum Teil entlegenen Regionen zu nutzen kam bereits Ende der ",*(er Jahre auf, man denke an Beispiele wie die ehemalige Burgstadt Yatsuomachi in der Präfektur Toyama oder Kurashi-ki in der Präfektur Okayama (N?.?:N !((#: ,'–"('). Zudem haben die zuneh-–"('). Zudem haben die zuneh-"('). Zudem haben die zuneh-mende Infragestellung herkömmlicher Lebens- und Arbeitsweisen einerseits und der Misserfolg des für die ",4(er- und #(er Jahre so typischen Ressorttourismus andererseits zur Entstehung neuer Bedürfnisse im Tourismus geführt; alternative Formen wie »green tourism«, »eco tourism« oder »regional tourism« (chi’iki kank#), »slow tourism« und viele andere mehr sind das Ergebnis dieser Entwicklungen. Ge-meinsam ist diesen neu entstandenen Arten von Tourismus die bewusste Nähe zur lokalen und regionalen Wirtscha$, Kultur und Geschichte, wobei gezielt eine Ge-genwelt zur schnellen, automatisierten, anonymen Lebensweise in den Metropolen gescha&en werden soll und der Fokus auf Lebensqualität und nach Möglichkeit persönlichem Kontakt mit der Lokalbevölkerung liegt. Ein weiterer Aspekt ist die Nachhaltigkeit, Umweltfreundlichkeit und der unmittelbare Nutzen dieser Formen von Tourismus für die Revitalisierung der lokalen Wirtscha$.

Laut japanischem Umweltministerium kam der Begri& »Ökotourismus« zum ersten Mal ",#! auf, als die IUCN (Internationale Union for Conservation of Nature) dieses Jema bei der 2. Konferenz für Weltnationalparks aufgri&. In Japan begann das Umweltministerium ",," eine Untersuchung zur Förderung von Ökotourismus. Anlässlich der Designierung der Gegend um Shirakami Sanchi und Yakushima als

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Weltnaturerbe durch die UNESCO im Jahre ",,2 begannen Unternehmer in diesen Gebieten Ökotouren anzubieten (S9D.?:? !((#: !"'). Merkmale von Ökotouris-mus sind: die Erfüllung der Bedürfnisse der Touristen, Vorteile als touristisches Unterfangen, Begünstigung der regionalen Revitalisierung und Kompatibilität mit der Erhaltung der natürlichen Umwelt und Kultur.

Unter »green tourism« wird laut Green Tourism Network Center folgendes verstanden: »Bewohner von städtischen Gebieten gehen Freizeitaktivitäten in naturbelassenen Gebieten mit Landwirtscha$, Bergen oder Fischerdörfern nach, wobei sie sich für eine gewisse Zeit dort auLalten und mit der Lokalbevölkerung in Kontakt treten und Natur und Kultur genießen« (J?O?0 G<;;0 T1/<D@> N;:-I1<. C;0:<; !((,, S9D.?:? !((#: !"'). T?.?:? (!((*: !) unterscheidet zwei Strömungen im japanischen »grünen Tourismus«: den von der Regierung oder Regierungsbehörden organisierten Tourismus und den auf private Initiative hin veranstalteten Tourismus mit relativ wenig Kontakt zur Verwaltung, wobei letz-terer noch verhältnismäßig schwach ausgeprägt, wenn auch im Ansteigen begrif-fen ist. Während in Regionen wie Hokkaid3 die genannten alternativen Formen von Tourismus weit verbreitet und akzeptiert sind, be-nden sich Ökotourismus und verwandte Formen in Echigo-Tsumari noch im Anfangsstadium. Es existieren zwar vereinzelte vom präfekturalen Revitalisierungsamt zugelassene Unterkün$e in Bauernhöfen, allerdings sind Informationen schwer zugänglich und liegen in der Tourismusinformationsstelle der Stadt nicht aus. Rein private Initiativen gibt es meines Wissens bis dato nicht.

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$ Fallbeispiel Echigo-Tsumari: Revitalisierungserfolg Kunsttriennale?

$." Geschichte und Hintergrund

AFF. ": Lage der Region Echigo-Tsumari

Quelle: Autorin.

Die Region Echigo-Tsumari be-ndet sich etwa zwei Stunden nordwestlich von T3ky3; trotz ihrer guten Verkehrsanbindung an das Netzwerk der japanischen Hochgeschwindigkeitszüge Shinkansen genießt sie nach wie vor einen niedrigen Bekanntheitsgrad als touristische Destination, insbesondere im Vergleich zur Nachbarpräfektur Nagano im Süden. Der nächste bekannte Ort ist Echigo-Yuzawa, das insbesondere in den ",4(er Jahren unter Wintersportlern populär wurde. Echi-go-Tsumari mit der Stadt T3kamachi (*!.('# Einwohner, laut Angaben des Statisti-schen Amtes des japanischen Ministeriums für innere Angelegenheiten und Kom-munikation, verö&entlicht auf der Homepage der Stadt T3kamachi) erstreckt sich über 4*.((( Quadratkilometer, eine Fläche, die größenmäßig etwa den !2 Bezirken T3ky3s entspricht, allerdings nur einen Bruchteil an deren Bewohnern aufweist; die aktuelle Zahl beläu$ sich auf 4#.((( mit abnehmender Tendenz. Während früher Landwirtscha$, insbesondere Reisanbau, und Kimonoproduktion die wichtigsten

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wirtscha$lichen Stützpfeiler waren, gibt es heute fast nur noch Nebenerwerbsbau-ern und die Textilindustrie stagniert seit mehreren Jahrzehnten.

Seit !((( -ndet nun die Echigo-Tsumari Art Triennale, ein Festival für zeitge-nössische Kunst, statt. Die Triennale wurde bisher von der Art Front Gallery (AFG), einer kommerziellen Kunstgalerie mit Sitz in T3ky3 und dem aus der Präfektur Niigata stammenden Direktor Fram Kitagawa in Kooperation mit der kommu-nalen Stelle zur Förderung der Triennale, die in der kommunalen Tourismusbe-hörde untergebracht ist, und dem präfekturalen Revitalisierungsamt gemeinsam ausgerichtet. O=zielles Ziel der Veranstaltung ist es, mithilfe von zeitgenössischer Kunst ein wirtscha$lich stagnierendes Gebiet zu revitalisieren. Die Idee basiert auf dem präfekturalen New Niigata Ris# Plan (Neuer Niigata Revitalisierungsplan), der folgende drei Ziele vorsieht: die Erhöhung der Besucherzahlen (kurz- und lang-fristig), eine verstärkte Informationspolitik und die regionale Revitalisierung. Das Festival wurde als Mittel gesehen, um die Umsetzung dieser Ziele zu ermöglichen.

Bisher weist die Triennale etwa 22( Kunstwerke auf, manche davon permanent, viele temporärer Natur. Den Großteil bilden Installationen in der Natur oder in aufgelassenen Schulen oder Privathäusern. Diese sogenannten akiya-Projekte ent-puppten sich als besonderer Erfolg und sollen ausgebaut werden. So wurden etwa in einem restaurierten ehemaligen Privathaus im Bergdorf GannyP Keramiken namha$er japanischer Töpfer gezeigt und ebenda ein Restaurant mit lokalen Ge-richten erö&net, das sich großer Popularität erfreut. Ein weiteres Erfolgswerk ist die Installation »Tanada« (Reisfeld) der ukrainischen Künstler Ilya und Emilia Ka-bakov. In einem Reisfeld wurden Figuren von arbeitenden Bauern errichtet, welche die einzelnen Arbeitsschritte im aufwendigen Nassreisbau demonstrieren, und die-se wurden mit poetischen Erläuterungen dazu versehen. Im Rahmen der Triennale kamen einerseits Berühmtheiten wie Marina Abramovic oder die erwähnten Ka-bakovs auf Einladung nach Echigo-Tsumari, andererseits wurde Nachwuchskünst-ler, deren Projektentwürfe ein strenges Auswahlverfahren durchlaufen hatten, die Möglichkeit gegeben, Low-Budget-Projekte gemeinsam mit der Lokalbevölkerung über einen relativ langen Zeitraum durchzuführen. Ein Beispiel für letztere Kate-gorie ist das »Seven Samurai Project« des britischen Kunstvereins Grizedale Arts im Bergdorf T3ge: Sieben britische Künstler hielten sich etwa einen Monat in T3ge auf, um als Ergebnis des intensiven täglichen Kontakts und Austausches mit den DorQewohnern konkrete Revitalisierungsvorschläge auszuarbeiten (K6D;0 !((,: #*). Das Team errichtete eine Homepage mit Informationen zum Dorf, Projekt und lokalen Produkten zum Verkauf, wie etwa Reis oder Strohsandalen. An dieser Kategorie der Nachwuchskünstlerprojekte beteiligten sich freiwillige Helfer, meist Kunststudenten, für freie Verp%egung und Unterkun$ und fungierten als essenti-

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elle Mittler zwischen den Einheimischen und Künstlern. Auf diese Weise konnte die zu Beginn der Projekte teils enorme Skepsis auf Seite der Lokalbevölkerung überwunden und in manchen Fällen in Unterstützung umgewandelt werden (K/-<;@?I? !((#: *5–*'). Bisher kamen insgesamt 4"(.((( Besucher, wobei viele – ins-–*'). Bisher kamen insgesamt 4"(.((( Besucher, wobei viele – ins-*'). Bisher kamen insgesamt 4"(.((( Besucher, wobei viele – ins-besondere jene aus T3ky3 – lediglich einen Tag blieben. Der ökonomische E&ekt für die regionale Wirtscha$ hielt sich daher bisher in Grenzen, aber soziale Aspekte können als Erfolg gewertet werden: die Förderung von Kommunikation zwischen der Lokalbevölkerung und Besuchern (K6D;0 !((,: #4) oder die Verbesserung des regionalen Images auf nationaler Ebene (N?G/>1 !((#: 2().

Die wichtigsten Prinzipien des Festivals sind ky#d# und die Einbindung des Menschen in die Natur (KD:?G?I? !((': "5–"4). Ersteres bezieht sich auf die–"4). Ersteres bezieht sich auf die"4). Ersteres bezieht sich auf die Idee des Engagements heterogener Akteure für ein gemeinsames Ziel, konkret die partnerscha$liche Kooperation zwischen Lokalbevölkerung und Künstlern bzw. Triennalepersonal zur Durchführung von Kunstprojekten. Der Ausdruck ky#d# (wörtlich »gemeinsames Arbeiten«) setzt ein Vertrauensverhältnis zwischen den Partnern voraus (S?@?.D !((,: !4"). Allerdings ist bisher umstritten, ob es sich bei dieser Zusammenarbeit tatsächlich um die Begegnung gleichberechtigter Akteure auf Vertrauensbasis handelt. In zahlreichen Interviews wiesen Informanten explizit oder implizit darauf hin, dass sich bei vielen Formen der Zusammenarbeit zwi-schen lokalen und nichtlokalen Personen häu-g ein top-down Verhaltensmuster beobachten lasse: Nichtlokale Akteure oder u-turner neigten dazu, die Initiative bei Kooperationen, aber auch allgemein bei Revitalisierungsprojekten aller Art, zu übernehmen. Diese Hinweise scheinen K0DG9:@ Einsicht aus seiner Studie von Wiederbelebungsbewegungen in Wakayama zu bestätigen, dass ganz im Gegensatz zur Rhetorik der regionalen Eigenständigkeit Revitalisierungsinitiativen häu-g von Heimkehrern ausgehen oder von o=zieller Seite bedeutend unterstützt werden (",,5: *25). Allerdings gibt es auch Beispiele relativ erfolgreicher Kooperationen in Revitalisierungsprojekten der Triennale, in denen lokale Personen, von denen man es nicht unbedingt erwartet hätte, eine essentielle Rolle bei der Weiterentwicklung des Projekts eingenommen haben. So herrscht weitgehende Übereinstimmung darin, dass das in Triennalematerial o$ als Erfolgsbeispiel präsentierte lokale Res-taurant im Bergdorf GannyP nur deshalb zustande kam, weil eine Mutter mehrerer Kinder mit charismatischem Weitblick und Optimismus in dem '-Häuser-Dorf die Mitbewohner und nichtlokale freiwillige Helfer zu Engagement inspiriert. Sie be-obachtet rückblickend, dass anlässlich der Triennale sie und die anderen DorQe-wohnern begonnen hätten, sich über Revitalisierungsoptionen für ihre Gemeinde Gedanken zu machen und über die Einheit ihres Dorfes hinaus über Perspektiven nachzudenken. Doch auch hier gibt es problematische Aspekte wie etwa den Man-

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gel an Möglichkeiten der Lokalbevölkerung, sich aufgrund hierarchischer Kons-tellationen aktiv in das Revitalisierungsprojekt einzubringen. So stammten die kulinarischen Kreationen für den saisonalen Menüplan – Gerichte wie etwa das beliebte Berggemüse-Hamburger-Menü – bisher von den urbanen Produzenten des Projekts mit Sitz in der Ginza in T3ky3. Zwar gab es gemeinsame Verkostungen mit den DorQewohnern, doch die endgültige Entscheidung über den Menüplan wurde von den Produzenten gefällt. Die bisherige Kooperation war so strukturiert, dass die Lokalbevölkerung für den alltäglichen Betrieb des Restaurants zuständig war, während Konzeptgestaltung und Finanzen in den Kompetenzbereich der ur-banen Produzenten -elen. Während man durchaus argumentieren könnte, dass die DorLausfrauen aufgrund ihres Mangels an Erfahrung in -nanztechnischen Fragen nicht optimal vorbereitet sind, ist hingegen der ganz im Gegensatz zur o=ziellen Rhetorik de facto praktizierte Ansatz, dass das Projektkonzept einseitig von T3ky3 aus entwickelt wird, wenig vielversprechend hinsichtlich eines nachhaltigen Revi-talisierungse&ekts, da auf diese Weise eine längerfristige Motivation der DorQe-völkerung am Projekt teilzunehmen, nicht gewährleistet werden kann. Bei einer Vielzahl von Triennaleprojekten ist zu beobachten, dass die Initiative von der orga-nisierenden Galerie und dem Künstler(team) ausgeht und die Vorschläge anschlie-ßend gemeinsam mit der Lokalbevölkerung umgesetzt werden. Auch auf den Fall der aktuellen Kooperation des 55-jährigen bildenden Künstlers und Universitäts-lektors Kei Nakamura mit Wohnsitz in Yokohama mit der lokalen Papierwerkstatt und dessen !#-jährigen Betreiber Mitsuhiro Yamamoto im Dorf Inubushi triA das zu. Beide Künstler einigten sich zu Beginn des Projekts auf eine Kooperation »in einem für beide annehmbaren Rahmen«. Das Ziel dieser Kooperation ist es, das lo-kale handgeschöp$e washi-Papier mit einem zeitgenössischen Design zu verbinden, um durch die Scha&ung einer lokalen »Marke« neue (urbane) Märkte zu erschlie-ßen und auf diese Weise zur lokalen Revitalisierung beizutragen. Das hierarchische Gefälle zugunsten des urbanen Künstlers, das sich hier ergeben hat, geht auf mehre-re Faktoren zurück: das Altersgefälle zwischen den beiden Projektpartnern, Wert-unterschiede, die das Ergebnis ihrer unterschiedlichen Sozialisierung in urbanen und ländlichen Milieus und ihrer Zugehörigkeit zur Berufsgruppe der bildenden Künstler und Handwerker sind, daraus resultierende divergierende Ansichten zur Funktion von washi, Qualität, zum Design und Umgang mit herkömmlichen Prozessen der Papierherstellung und nicht zuletzt unterschiedliche Haltungen zu Produktentwicklung und Absatz. Da sich die zu entwickelnde Designmarke an ei-nen urbanen Markt richtet, kommt es nicht überraschend, dass Nakamura eine führende Rolle in der Designgestaltung und Qualitätssicherung übernommen hat. Nakamura wir$ Yamamoto vor, nicht nach Plan arbeiten und vorgegebene Fristen

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einhalten zu können, während letzterer meint, dass ihn die Vermarktung seiner Papierprodukte nicht so sehr interessiere – stattdessen legt er mehr Wert auf die Bedeutung der menschlichen Interaktion im Dorf und wir$ dem Künstler man-gelndes Engagement bei der P%ege der Beziehungen mit den DorQewohnern vor. Diese Diskrepanz lässt sich einerseits so interpretieren, dass Nakamura vor allem den nichtlokalen urbanen Markt im Auge hat, um die lokale Revitalisierung zu erreichen, während Yamamotos Adressatengruppe in erster Linie die Lokalbevöl-kerung ist – andererseits sind die oben genannten Unterschiede wohl ausschlagge-bend.

Das zweite genannte Prinzip der Triennale strebt eine größere Verbundenheit des Menschen mit der Natur an bzw. das Wiedererwachen des Bewusstseins hier-für. Ein häu-g genannter Begri& ist in diesem Zusammenhang satoyama (wört-lich: Dorf und Berg), der die Berge meint, die eine menschliche Siedlung umgeben, und welcher die traditionelle ländliche Landscha$ Japans symbolisiert, die sich aus Jahrhunderten ihrer landwirtscha$lichen Nutzung ergeben hat. Auch hier ist die explizit urbane Perspektive der Triennale evident, können doch viele der Ein-wohner von Echigo-Tsumari mit dem Konzept wenig anfangen. Während dieser Schlüsselbegri& in Triennalematerial häu-g als Synonym für Natur per se steht, meint satoyama vielmehr die Koexistenz von Natur und Mensch, die unweiger-lich den Eingri& in die Natur mit sich bringt. Die angebliche ausgeprägte Vorliebe von Japanern für »Natur« geht einher mit einem deutlichen Unbehagen an völlig naturbelassenen Landscha$en – »Natur« entspricht vielmehr dem Anschein von Natur als Folge der menschlichen Intervention, also »kultivierter Natur« (A@R/D:9 und K?66?0H ",,4: "!–"2). Im von der T3ki3ter Galerie betriebenen kontempo-–"2). Im von der T3ki3ter Galerie betriebenen kontempo-"2). Im von der T3ki3ter Galerie betriebenen kontempo-rär gestylten Restaurant lokale Ingredienzen enthaltende, an den urbanen Gaumen adaptierte Häppchen einzunehmen und währenddessen die kabakovsche Installa-tion im Reisfeld zu begutachten, entspricht wohl der für viele japanische Städter als ideal empfundenen Art und Weise, mit »Natur« zu interagieren, und zwar aus-schließlich in Form ästhetischer Inspektion und visueller Konsumption aus sicherer Entfernung (K;66;<: ",,": 2(!; M110 !((!: !!,).

$.! Ausgewähltes Werbematerial für den Tourismus

In diesem Abschnitt sollen nun Poster und Teile von Broschüren zu Echigo-Tsu-mari vorgestellt und analysiert werden, da in derartigem Material dem potentiellen Besucher ein erstes Bild vermittelt wird, ein erster »Marker« nach M?8C?00;66 (",,,: "2) vorliegt, also einführende Informationen angeboten werden über die

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Destination. D?00 (",,*) stellte zudem fest, dass touristische Broschüren als ein essentieller und sehr sichtbarer Aspekt des Kommodi-kationsprozesses angesehen werden können. Fünf Beispiele von Bildmaterial sollen hier vorgestellt und erläu-tert werden; diesem Teil folgen Überlegungen zur Außenwahrnehmung und Selbst-darstellung von Echigo-Tsumari. Insgesamt wurden 5( Informationsbroschüren, Poster und ähnliche Dokumente gesichtet: * der Präfekturbehörde, !2 kommunale und "" von der Galerie herausgegebene Materialien.

$.!." »Finding Home«AFF. !: Poster Matsudai

Quelle: Kommunale Tourismusbehörde T!kamachi.

Dieses Bild stammt von der inneren Rückseite einer Informationsbroschüre für Touristen zu Matsudai, einer ehemaligen Burgstadt, die nun administrativ zu T3kamachi gehört. Das He$ wurde !((' von der Sektion für regionale Förderung in der Außenstelle des Bürgeramts von T3kamachi in Matsudai herausgegeben. Im Zentrum der Seite -nden sich die Zeilen »Ruhig vergehen die Tage – plötzlich ent-sann ich mich der Worte, die ich schon fast vergessen hatte«. Den Hintergrund des Textes schmücken Szenen von idyllischer Natur in Matsudai, malerische Reis-

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felder, Schneelandscha$en. Unberührte Natur wird als Hauptattraktion der Region präsentiert. In derselben Broschüre -nden wir an anderer Stelle Anspielungen auf Zeitlosigkeit:

»Mitten am Weg durchs Land stießen wir auf ein altes Bauernhaus, das so aus-sah wie früher. Dies ist das lokale Volkskundemuseum, das eine Reihe von All-tagsgegenständen und landwirtscha(lichen Geräten des Schneelands beherbergt. Wir wurden von einem seltsamen Gefühl überwältigt, als ob wir uns in eine Märchenwelt begeben hätten.«

Während die Kunstwerke der Triennale zweifelsohne eine Menge von Touristen angezogen haben, so zeigt dieses Beispiel jedoch, dass »Natur« als Attraktion in In-formationsbroschüren nach wie vor eine wichtige Rolle spielt. Die Vorstellung der imaginären (auf jeden Ort übertragbaren) geistigen Heimat oder furusato -ndet sich auch hier; der Mangel an lokalem Bezug und konkreten Hinweisen auf Orte

– es wird lediglich »Schneeland« erwähnt – mindert allerdings die Wirksamkeit des Bildes als Werbeträger für den Ort.

$.!.! »Landscha% Ihres Herzens«

Das nächste Bild lädt den Besucher dazu ein, in Kindheitserinnerungen zu schwel-gen: »Die Urlandscha$ Japans – ein Dorf mit Reisfeldern – hier werden Sie die Landscha$ Ihres Herzens -nden.« Die idyllische Szene einer malerischen Land-scha$ von Reisfeldern und in Nebelschwaden gehüllten Wäldern im Hintergrund appelliert an den Betrachter, in der Natur zu verweilen, sich Ruhe zu gönnen und den Anblick von Landscha$en zu genießen, die in den urbanen Ballungsgebieten Japans selten geworden sind. Die implizite Vorstellung des Besuchers, der in seine geistige Heimat zurückkehrt, wird durch das fast kitschig anmutende rosarote Licht des Sonnenuntergangs verstärkt, in das die Landscha$ getaucht ist. Die Phrase »Landscha$ Ihres Herzens« suggeriert emotionale Aspekte, Heilung, die über den physischen Aspekt hinausgeht und ist voll sentimentaler Nostalgie. Auch dieses Bild ist wenig lokalspezi-sch und könnte an vielen Orten Japans aufgenommen worden sein.

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AFF. 2: »Landscha( Ihres Herzens« Matsudai

Quelle: Sektion für regionale Förderung, Außenstelle des Bürgeramtes von T!kamachi in Matsudai.

Matsudai und Matsunoyama weisen die schönsten Stufenreisfelder der Gegend auf, die ein beliebtes Motiv für Freizeit- oder Pro-fotografen darstellen. Die Po-pularität der tanada ist ein relativ neues Phänomen; der britische Fotograf Johnny Hymas kam im April ",,' nach Matsunoyama, um Fotos für einen Bildband zu ma-chen. Als Ergebnis dieser externen Wertschätzung begann die Lokalbevölkerung, die Schönheit der Reisfelder zur Kenntnis zu nehmen, verwies in Informationsma-terial auf tanada als Sehenswürdigkeit und stellten Karten für Besucher zusammen, in denen die schönsten Reisfelder und Standorte verzeichnet waren. Dies kann als ein Beispiel einer Autorisierung und Validisierung eines lokalen Charakteristikums durch nichtlokale Akteure verstanden werden (B;0-A<D ",,!: !(').

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$.!.$ Präfekturales Informationsmaterial !&&'

Hierbei handelt es sich um ein Informationsblatt mit Angaben zu von der Präfektur anerkannten Ökofarmen und Unterkün$en in Bauernhöfen, welches im Februar !((4 herausgegeben wurde. Eine Reihe von Pensionen in Echigo-Tsumari werden vorgestellt, wo Besucher die Möglichkeit haben, Landwirtscha$ aus erster Hand zu erfahren (n#ka taiken minshuku). Das Blatt ist übersät mit Abbildungen von der üppigen Natur der Region in verschiedenen Jahreszeiten. Es heißt dazu:

In einem Gebiet, das gesegnet ist mit reicher Natur und geprägt ist von klaren jahreszeitlichen Veränderungen, können Sie auch traditionelle Feste und Gebräu-che miterleben; die Leute, die hier leben, sind voll menschlicher Wärme.

AFF. 5: Einladung nach Echigo-Tsumari

Quelle: Revitalisierungsamt der Präfektur Niigata, T!kamachi.

Au&allend an dieser Broschüre ist die Vielzahl der abgebildeten Personen; der Mensch steht im Mittelpunkt. Es soll o&ensichtlich eine Atmosphäre des unbe-schwerten, zufriedenen Landlebens vermittelt werden – Assoziationen mit einer dör%ichen Gemeinscha$, die noch von intensiver menschlicher Kommunikation

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geprägt ist, stellen sich beim Betrachter ein. Die Seite trägt die Überschri$ »Besu-chen Sie unsere Gegend Echigo-Tsumari!« und spricht den Betrachter folgender-maßen an:

Wir lieben diese Dörfer so sehr.Wir sind froh hier zu leben.Warum kommen Sie nicht auch zu uns?Gönnen Sie sich doch mal eine Verschnaufpause.Sie werden aus vollem Herzen lachen können.

Der Text ist in starkem Lokaldialekt verfasst, was das Gefühl des Bezugs zur Region verstärkt. Au&allend an diesem Material ist der Fokus auf die Menschen; die Seite ist übersät mit Abbildungen von Personen verschiedener Generationen. Diese Vielzahl von Persönlichkeiten verdichtet den Eindruck der starken zwischen-menschlichen Kommunikation, der menschlichen Wärme. Außerdem gewinnt der Betrachter den Eindruck, dass die Einwohner der Region ein zufriedenes und unbeschwertes Leben genießen; der Hintergrund der idyllischen Natur verstärkt dieses Bild. Auch hier wird ein heilender E&ekt der Natur und Begegnung mit den Menschen in Aussicht gestellt. Die Region wird als Gegenpol zum Leben in der Metropole konstituiert, indem urbane Elemente ausgeblendet werden, obwohl die Lebensweise der Landbevölkerung von jener der Stadtbevölkerung in vielerlei Hinsicht kaum zu unterscheiden ist (vgl. K;66B ",#4: "2). Eine der abgebildeten Personen, eine ältere Bäuerin, trägt etwa einen Strohhut, den Inbegri& des japa-nischen Landlebens. Auch dieses Bild hat allerdings keinen konkreten Lokalbezug und könnte vielen ländlichen Orten in Japan zugeordnet werden.

$.!.( Material der organisierenden Galerie AFG, !&&)

Dieses Poster wurde von AFG für die Triennale !((* angefertigt und setzt sich aus einer Vielzahl von farbigen Bildern zusammen, die großteils Werke des Festivals zeigen. Im Mittelpunkt des Bildes -nden wir folgende Zeilen:

Festival der großen Erde: Echigo-Tsumari Art Triennale !((*: Das allererste sa-toyama-Kunstfestival. Ihr Herz wird beben und Sie werden neue Energie -nden.

Auch hier ist die Natur ein wichtiger Bestandteil der Attraktivität der Destinati-on: leuchtend grünblaue Lotusblätter, die strahlend grünen Ähren der Reisfelder, die sich vom intensiv blauen Himmel abheben, prachtvolle Blumen in allen Farben. Im zentralen Teil des Posters sieht man Kinder beim Spielen im Freien – ein An-blick, der in japanischen Großstädten selten geworden ist; unten ist eine fantastisch bunt anmutende Großinstallation von Yayoi Kusama abgebildet. Der Betrachter

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wird an eine Märchenwelt erinnert, in der nicht nur Kinder nach Lust und Laune spielen können: So ist ein erwachsener Besucher zu sehen, der in einen weißen Kubus schaut. Rechts oben lächelt den Betrachter eine ältere Frau mit Strohhut und Strohkorb am Rücken entgegen – Symbole des romantisierten ländlichen Lebens. Links in der Mitte des Posters -nden wir eines der traditionellen Holzhäuser, das nun als »Dream House« (Yume no ie) mit Installationen von Marina Abramovic zahlreiche Besucher anzieht. Das ludische Element ist an mehreren Stellen des Pos-ters thematisiert.

AFF. ': Neue Energie durch Natur und Kunst

Quelle: Kommunale Stelle zur Förderung der Echigo-Tsumari Kunsttriennale.

Die vielen kleinen Einblicke in die Region versprechen auch hier Heilung vom Stress der Großstadt. Explizit wird dem Betrachter in Aussicht gestellt, dass ihm ein Besuch des Festivals und der Region Anregung bringen und Energie verleihen wird. Auch der untere Teil des Posters, der Informationen zur Verkehrsanbindung enthält und mit der Bemerkung versehen ist, dass die Region »erstaunlich nahe« ist, weist darauf hin, dass die Zielgruppe vor allem T3ky3ter sind. Während viele der Bilder vor allem in der oberen Häl$e des Posters lediglich idyllische Landscha$en

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beinhalten und wenig Ortsbezug haben, bieten Abbildungen von Kunstwerken die Möglichkeit der eindeutigen Zuordnung zu spezi-schen Orten in Echigo-Tsumari und stellen deshalb e&ektive Werbeträger für die Region dar.

$.!.* N+butai Satoyama Art Guide Map

AFF. *: N#butai Satoyama Art Guide Map

Quelle: Kommunale Stelle zur Förderung der Echigo-Tsumari Kunsttriennale.

Das letzte hier zu diskutierende Beispiel ist das Deckblatt einer kleinen Faltbro-schüre, die Informationen zu den Kunstwerken in der Nähe des N3butai – des Agrarian Culture Centers, dem Zentrum für landwirtscha$liche Kultur – enthält. Diese Einrichtung beherbergt die Büros der Mitarbeiter von AFG in Echigo-Tsu-mari und umfasst zudem Ausstellungsräume, das bereits erwähnte Restaurant und einen Souvenirshop. »N3butai« ist ein Wortspiel mit dem gleichlautenden Wort für N3-Bühne, wobei »n3« hier durch das homophone Schri$zeichen für »Landwirt-scha$« ersetzt wurde. Die Vorderseite der Broschüre zeigt eine von Kunstwerken durchsetzte ästhetisierte Landscha$ mit waldigen Bergen im Hintergrund. Unter dem Matsudai N3butai Logo eines arbeitenden Bauern mit Strohhut lesen wir fol-gende Zeilen: »Sobald man den Tunnel hinter sich gelassen hat, erscheint Matsudai. Man entfernt sich vom Lärm der Großstadt und begibt sich auf ein Kunstpicknick im Satoyama.«

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Die Erwähnung des Tunnels ist zum einen eine Anspielung auf die Anfangs-passage des berühmten Romans »Schneeland« (Yukiguni) des Nobelpreisträgers Yasunari Kawabata, in dem die Ankun$ des (urbanen) Erzählers im Schneeland minutiös geschildert wird und gleichzeitig durch die Betonung des Tunnelbildes die Konstruktion einer Grenze, einer anderen Welt, vorgenommen wird. Auch im Fall dieses Triennalematerials ist die Urbanität der (potentiellen) Besucher evident, da Echigo-Tsumari als Gegenpol zum Leben in der Metropole und dem dortigen Lebensstil dargestellt wird. Schlagworte wie »satoyama« oder »Picknick« weisen auf eine typisch urbane Sprache und Lebensweise hin. Auf der letzten Seite der Broschüre -ndet man die Botscha$: »Schau, höre, iss, berühre, rieche – eine Erfah-rung, die alle deine fünf Sinne überwältigen wird, erwartet dich.« Auch hier wird eine heilende Wirkung des Besuchs impliziert, dem Besucher die Neuorientierung seiner fünf Sinne in Aussicht gestellt, wobei Körper und Geist erfrischt werden. Die vorliegende Broschüre verbindet traditionelle Lebensformen (etwa die im Vorder-grund des Deckblatts abgebildete bäuerliche Gestalt, welche mithilfe eines Zugtiers das Reisfeld bearbeitet) mit zeitgenössischer Kunst, projiziert urbane Jemen auf eine konstruierte ländliche Landscha$. Die Abbildung konkreter Kunstwerke etwa von Ilya und Emilia Kabakov auf dem Deckblatt stellt auch in diesem Fall einen konkreten Lokalbezug her und verweist den Besucher gezielt auf spezi-sche un-verwechselbare Orte.

$.$ Diskussion und Zusammenfassung: Images und Klischees

In diesem Abschnitt sollen die wichtigsten Punkte der Darstellung von Echigo-Tsu-mari als touristische Destination zusammengefasst werden. Im Mittelpunkt allen vorgestellten Informationsmaterials steht die unberührte Natur als Hauptanzie-hungspunkt der Region. Auch wenn zeitgenössische Kunst für viele Besucher als Kernattraktion gelten mag, spielen Suggestionen unberührter, aber de facto kulti-vierter Natur in fast allen Abbildungen eine vordergründige Rolle. Diese Betonung von Natur geht einher mit Referenzen an eine »Zeitlosigkeit«. Immer wieder ist von einer »Märchenwelt« die Rede, der Betrachter -ndet sich in einer Parallelwelt zu seiner gewohnten urbanen Routine. Die Attraktionen der Region werden be-tont, indem die Unterschiede zu den Metropolen herausgestrichen werden, in einer Ausdrucksweise, die Städter anspricht. So sind im gesamten Material Elemente ur-banen Lebens am Land ausgeblendet; strikt traditionalistische agrarische Szenen lassen beim Betrachter entweder Nostalgie oder – bei jüngeren Besuchern – Faszi-nation mit dem Unbekannten auSommen.

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Während in vereinzelten Postern Bezug genommen wird auf die Rückkehr in die »geistige Heimat«, so steht im Großteil des von AFG konzipierten Materials die Be-gegnung mit dem Neuen im Vordergrund, wobei dem Leser oder Betrachter häu-g die Möglichkeit in Aussicht gestellt wird, sich selber wieder zu entdecken und zu frischer Kra$ zu gelangen. Auch werden Spiel und Spaß – klassische Elemente des Erlebnistourismus – in fast allen Broschüren dargestellt; allerdings liegt der Fo-kus im kommunalen Material eher auf Natur als auf Unterhaltung. Als weiterer immer wiederkehrende Aspekt ist die Verbindung zur Region, etwa in Form von Begegnungen mit der Lokalbevölkerung, zu nennen: Zwischenmenschliche Kom-munikation als ein gesellscha$licher Wert, der im urbanen Leben vielleicht zu kurz kommt. Dieser Aspekt und Verweise auf altbekannte Motive wie genf'kei herr-schen in Broschüren vor, die von kommunalen oder präfekturalen Stellen stammen. Ausgelassenheit, Unbekümmertheit, Kreativität – alles immaterielle Eigenscha$en, die im städtischen Alltag nicht oder nur marginal thematisiert werden – werden als Schlüsselbegri&e im Triennalematerial präsentiert. Die in den Broschüren an-gesprochenen Jemen wie satoyama, Selbst-ndung und Entspannung zeugen von einer explizit urbanen Perspektive. Das gesamte Material, unabhängig davon, wer es verfasst hat, ist an ein o&ensichtlich städtisches Publikum gerichtet.

Ein grundlegender Unterschied zwischen kommunalen und präfekturalen Quel-len und Material, das von der Galerie konzipiert wurde, ist der Ortsbezug. Ers-tere arbeiten meist mit idyllischen, aber vagen Bildern von originär japanischen Landscha$en und geistiger Heimat, die aus ganz Japan stammen könnten. Präfek-turales Material weist einen stärkeren Bezug zum realen Alltag der Bewohner auf, die vorgestellte Broschüre weist sogar Referenzen an konkrete landwirtscha$liche Arbeit auf. AFG-Material hingegen ist durch einen ausgeprägten Ortsbezug cha-rakterisiert, in dem auf den Postern konkrete Kunstwerke abgebildet sind, die spe-zi-schen Orten in Echigo-Tsumari zugewiesen werden können und einen hohen Wiedererkennungswert haben. In diesem Sinne kann der Triennale durchaus ein revitalisierendes Potential zugestanden werden, wenn auch die Nachhaltigkeit der Wirkung von der Akzeptanz durch die Lokalbevölkerung und der Konzeption und Umsetzung eigener Initiativen abhängen wird (vgl. K6D;0 !((,).

( Zusammenfassung und Ausblick

Die im vorangehenden Abschnitt analysierten Informationsbroschüren und Poster von kommunalen und präfekturalen Stellen sowie der veranstaltenden Galerie zei-gen eine Vielzahl von Ähnlichkeiten in der Darstellung Echigo-Tsumaris, machen allerdings auch grundlegende Unterschiede deutlich. So liegt der Schwerpunkt

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in der kommunalen Repräsentation vor allem auf der Forcierung des Elements »Entspannung«, wobei unter häu-ger Bezugnahme auf vertraute Schlagwörter wie satoyama, genf'kei oder furusato eine Parallelwelt konstruiert wird, die sich grundsätzlich vom urbanen Alltag unterscheidet. Das hier diskutierte präfektu-rale Material betont die Faktoren Mensch und zwischenmenschliche Kommunika-tion, wobei auch hier die »gute heile Welt« des Landlebens projiziert wird. Sowohl kommunale als auch präfekturale Quellen haben als gemeinsames Merkmal den Mangel an konkretem Ortsbezug. Die abgebildeten Landscha$en sind idyllisch, könnten aber in vielen ländlichen Regionen Japans entdeckt werden. Das von AFG herausgegebene Material zeichnet sich durch eine Kombination von altbekannten vagen aber suggestiven Konzepten, die auf die Suche nach der verlorenen geistigen Heimat hinweisen, und sehr konkreten Verweisen auf Kunstwerke an bestimmten Orten in Echigo-Tsumari aus. Dieser distinkte Lokalbezug macht das Revitalisie-rungspotential der Triennale aus.

Allen Materialien ist das ludische Element gemeinsam, auch wenn dieses im AFG-Material aktiver ausgeprägt ist als in lokalen Broschüren, in denen das Innehalten und Ausruhen, die Wiederentdeckung wahrer Emotionen im Vordergrund steht. Arbeit und Elemente aus dem Alltag sind in Triennalematerial kaum zu -nden, wenn doch, dann in stilisierter Form wie die Kabakovsche Ästhetisierung landwirt-scha$licher Tätigkeiten im Reisfeld. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die gängige Rhetorik einer konstruierten forciert ländlichen Fantasiewelt in explizit ur-banen Termini formuliert wird, die als Referenzen an die Routine und Lebensweise in T3ky3 verstanden werden können. Die bisher gängige Vorstellung von Land als Gegensatz zum urbanen Alltag geht einher mit Elementen aus eben diesem Alltag (etwa der Hinweis, wie nahe die Region gelegen ist, die häu-ge Visualisierung von Ruhe und Entspannung als Gegenteil des städtischen Lebens und organisierte ein-tägige Gruppenbustouren zur Besichtigung ausgewählter Kunstwerke) und wird in urbanen Interessen nahestehenden Bildern vermittelt.

Insgesamt weisen die kommunalen und präfekturalen Materialien auf ein ge-ringes Bewusstsein für die lokalspezi-schen Sehenswürdigkeiten hin und für das, was den Reiz an Echigo-Tsumari eigentlich ausmacht – sind in diesen Broschüren doch meist Landscha$en abgebildet, die keinen konkreten Ortsbezug haben. Aus eben diesem Mangel an Re%ektion zu den Besonderheiten der eigenen Region er-gibt sich, dass bisher zwar eine Präsentation von Echigo-Tsumari als Gegenwelt zum urbanen Alltag, aber keine Form von Selbstexotisierung durch die lokalen Stellen stattgefunden hat, denn eine solche würde die bewusste Akzeptanz und Adaption externer Darstellungen der Region voraussetzen.

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Danksagung

An dieser Stelle möchte ich allen Informanten in Echigo-Tsumari aufrichtig danken, die meine zahlreichen Fragen geduldig und freundlich beantworteten und mich auf unzählige Arten unterstützten, darunter Vertreter der kommunalen und präfektu-ralen Verwaltung, Bürger, Mitarbeiter der kommunalen Bibliothek in T3kamachi und der Direktor und Mitarbeiter von sowie Volontäre bei AFG. Herzlichen Dank möchte ich auch den Gutachtern dieses Beitrags für ihre konstruktiven Anregun-gen aussprechen.