Religionen in vorgeschichtlicher Zeit - Resümee

22
Religionen in vorgeschichtlicher Zeit – Resümee und Inhaltsverzeichnis Ina Wunn

Transcript of Religionen in vorgeschichtlicher Zeit - Resümee

Religionen in vorgeschichtlicher Zeit – Resümee und

Inhaltsverzeichnis

Ina Wunn

Vorwort............................................................4Einleitung.........................................................61. Grundlagen und Methoden........................................11

1. Die Evolution der Religionen.................................111.1. Der wissenschaftsgeschichtliche Hintergrund..............121.2 Der evolutionistische Ansatz..............................22

2. Die Methode..................................................262.1. Der Lebensvollzug........................................262.2. Humanethologische Konstanten, Bilder und Symbole.........28

2.3. Religionssoziologische Grundlagen..........................332.4. Evolutionistisch-systematische Zusammenhänge.............362.5. Schlußfolgerungen........................................40

2. Entstehung von Religion im Paläolithikum und Mesolithikum......411. Die religiöse Befähigung des Vor- und Frühmenschen...........44

1.1. Die Religiosität von Sahelanthropus, Orrorin, Ardipithecus, Australopithecusund den ältesten Vertretern der Gattung Homo.................441.2. Die Religiosität von Homo erectus und verwandten Formen....53

2. Religiöse Praktiken im mittleren Paläolithikum...............652.1. Der Neandertaler.........................................652.2. Jagdmagie und Bärenkult..................................752.3. Anthropophagie...........................................902.4. Schädeldeponierungen.....................................982.5. Bestattungen und Totenkult..............................1032.6. Anfänge von Religiosität im Mittelpaläolithikum?........111

3. Das Jungpaläolithikum.......................................1133.1. Vorüberlegungen zur Frage einer jungpaläolithischen Religion 1173.2. Parietalkunst...........................................1173.3. Die bewegliche Kleinkunst...............................1363. 4. Deponierungen und Opferbräuche.........................1583.5. Jungpaläolithische Begräbnisse..........................1623.6. Die religiösen Vorstellungen im Jungpaläolithikum.......175

4. Das Mesolithikum............................................1784.1. Spuren religiösen Handelns in Siedlungen des Mesolithikums1814.2. Begräbnisse im Mesolithikum.............................1844.3. Die Kunst des Mesolithikums.............................1924.4. Religion im Mesolithikum................................199

3. Die Religionen des Neolithikums...............................2021. Das Neolithikum in Anatolien................................202

1.1. Das anatolische Frühneolithikum: Çatal Hüyük............2041.2. Spätneolithikum bis Chalkolithikum: Hacılar.............2331.3. Heiligtum und Ritual - die Felsbildnisse des Latmos.....2531.4. Religionsentwicklung im neolithischen Zentral- und Westanatolien.............................................................259

2. Das Neolithikum in Südosteuropa.............................2622.1. Der Übergang vom Mesolithikum zum Neolithikum: Lepenski Vir2632.2. Das Frühneolithikum (von etwa 7000 bis 5500 v.Chr.).....273

3. Das Neolithikum in Mitteleuropa.............................3163.1. Erste Ackerbauern in Mitteleuropa 5600 - 3300 v.Chr.....317

3.2. Das Jungneolithikum und Endneolithikum in Mittel- und Westeuropa(4000 - 2500 v.Chr.).........................................3643.3. Religionsentwicklung im Neolithikum Mittel- und Westeuropas413

4. Malta.......................................................4154.1. Die Ursprünge und Grundlagen maltesischer Kultur........4164.2. Wohnarchitektur und frühe Raumordnung...................4184.3. Begräbnisstätten und Tempelanlagen......................4204.4. Der Tempelkult..........................................4314.5. Kolossalstatuen und Statuetten..........................4354.5. Religion auf den maltesischen Inseln....................442

Resümee..........................................................446Literatur........................................................461Abbildungsnachweis...............................................494

Resümee

Mit der Hominisation in den Savannen Ostafrikas einige Millionen Jahre vor unserer Zeit bis zum chalkolithischen Maltaan der Schwelle zur Hochkultur andererseits ist nicht nur der zeitliche Rahmen umrissen, innerhalb dessen sich die Entwicklung religiösen Denkens und Handelns abgespielt hat. Gleichzeitig wurde auch die Erscheinungsvielfalt der frühesten Religionen deutlich, die eine Fülle der unterschiedlichsten Vorstellungen und Praktiken, angefangen von ersten Manipulationen an den Skeletten der Verstorbenen bis zur Vielfalt der Tempelanlagen, Gräberstätten, Ahnen- und Götterfiguren umfasst. Dabei erlaubt unser bisheriges Wissen umdas Denken und Fühlen des vor- und frühzeitlichen Menschen kaumeine Form der Darstellung seiner religiösen Welt, die vergleichbar einem Film im Zeitraffertempo eine lückenlose Entwicklungsreihe darböte. Vielmehr werden bestimmte zeitliche Ausschnitte oder archäologische Kulturen nur schlaglichtartig erhellt und müssen ungeachtet ihrer Besonderheiten und Individualität zur Herleitung allgemeiner Merkmale der Religioneiner Region oder Epoche herhalten. Ein solches Verfahren hat ohne Zweifel große Schwächen, und die berechtigte Kritik wird nicht ausbleiben. Damit befindet sich die Religionsvorgeschichte, wenn man den Forschungsgegenstand so benennen darf, in der gleichen Situation, in der sich die Paläontologie vor zweihundert Jahren sah, als der große GeorgesCuvier anhand der noch vereinzelten Fossilfunde seiner Zeit nicht nur das ehemalige Tier, seine Lebensweise und seine Umwelt rekonstruierte, sondern die neu beschriebene Form auch zu den rezenten Arten in Beziehung setzte und so einen zu seiner Zeit noch morphologisch verstandenen Stammbaum rekonstruierte. Den nachfolgenden Generationen blieb es überlassen, die fehlenden Zwischenglieder dieser ersten Entwicklungslinie aufzufinden und an ihren richtigen Platz im Stammbaum zu stellen, wobei dieser erste Stammbaumentwurf im Laufe der Zeit noch manche Umgestaltung erfuhr.1

Vergleichbar ist heute, wie gesagt, die Situation hinsichtlich der vorgeschichtlichen Religionen. Die Archäologie stellt die Fossilien, also die materielle Basis bereit, die Religionswissenschaft präpariert aus der Fülle des archäologischen Materials die interpretationsrelevanten Merkmale heraus, bewertet sie, fügt sie zu einem organischen, 1 Vgl. Rudwick 1997.

lebensfähigen Ganzen und stellt dieses Rekonstrukt an seinen richtigen Platz in einem Stammbaum der Religionen. Dass dieser Platz nur ein vorläufiger sein kann, versteht sich von selbst. Neue Erkenntnisse werden manche Religion in einem anderen Lichterscheinen lassen; vieles, das hier noch summarisch zusammengefasst wurde, wird Einzeldarstellungen erfordern und zu einem differenzierten Bild führen; manches wird sich auch schlicht als Fehldeutung entpuppen. Dennoch ist ein Anfang gemacht, eine grobe Entwicklungslinie mit ihren Verzweigungen vorgezeichnet, anhand derer sich die Entwicklung der verschiedenen steinzeitlichen Religionen in großen Zügen verfolgen lässt und die für spätere Präzisierungen das notwendige Gerüst bereitstellt.Zeichnen wir die entworfenen Entwicklungslinien einmal nach: ImUnterschied zu den Wenns und Abers der kritischen Diskussion, den offenen Fragen am Ende der jeweiligen Kapitel, soll abschließend ein Entwurf gewagt werden, der versucht, die Entwicklung der Religionen als organisches Geschehen zu begreifen. Dies setzt eine eindeutige Stellungnahme voraus: vonden unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten muss eine favorisiert werden, der nach Berücksichtigung aller Daten unterEinbeziehung der Vorläufer- und Nachfolgereligion die größte Wahrscheinlichkeit zukommt. Dabei bleibt der Ursprung der Religion, Forschungsziel großer Philologen, Anthropologen und Religionswissenschaftler von Hermann Usener über Edward Burnett Tylor bis zu Mircea Eliade, weiterhin im Dunkeln.2 Unsere Vorfahren, die Gruppe der Australopithecinen und ihre Verwandten, die vor sechs bis zwei Millionen Jahren die afrikanische Savanne bevölkerten und erfolgreich unterschiedlichste ökologische Nischen besetzten, haben uns nicht nur keinerlei Spuren möglicher religiöser Gefühle hinterlassen, ihre begrenzte Hirnschädelkapazität und die damit zusammenhängende Kephalisationskonstante schließen definitiv aus, dass der Vormensch über eine intellektuelle Leistungsfähigkeit verfügte, die ihn zu religiösen Gedanken undGefühlen befähigt hätte. Erst eine dynamischer verlaufende kulturelle Evolution, die ihren sichtbaren Niederschlag in der Herstellung erster einfacher Steinwerkzeuge fand, im Verein miteiner langsamen Veränderung im Sozialverhalten führte im Laufe vieler Jahrtausende zu einer progressiven Hirnentwicklung, die in den ersten Vertretern der Gattung Homo einen frühen Höhepunkt erreichte. So fortschrittlich Homo habilis, Homo

2 Vgl. Wessels 2003, 39 – 40.

ergaster, Homo erectus oder Homo heidelbergensis auch waren, sucht manauch hier vergeblich nach den Spuren religiös motivierten Handelns. Zwar zeigen die lithischen Kulturen der Vertreter derHomo-erectus-Gruppe bereits Formwillen und möglicherweise auch ein erstes ästhetisches Empfinden, auch belegen die eindeutigenSpuren einfacher Hütten ein fortschrittliches Sozialverhalten und der ursprüngliche Kleptoparasit entwickelte sich zum planenden Jäger, aber von keinem der H. erectus und verwandten Formen zugeschriebenen Siedlungsplätze gibt es Spuren, die sichals Hinweise auf wie auch immer geartete religiöse Aktivitäten deuten ließen. In diesem Zusammenhang stellten sich vor allem die immer wieder behaupteten kannibalischen Praktiken unserer Vorfahren als Fehldeutungen heraus, die sich eher einer bestimmten forschungsgeschichtlichen Situation und einem allgemeinen Paradigma verdankten, als den Spuren am Fundstück und Fundort selbst. Eine Reihe von Nachuntersuchungen, die in den letzten Jahren durchgeführt worden sind, konnte eindeutig belegen, dass Ritzungen und Verletzungen am Schädel oder postkranialen Skelett der Fundstücke auf Hyänenverbiss oder taphonomische Prozesse zurückzuführen sind. Anders liegen die Verhältnisse beim Neandertaler (200.000 – 35.000 v. h.), der Menschenform, die sich in Europa aus autochthonen erectus-Populationen entwickelte und das Bild des vorzeitlichen Menschen im europäischen Mittelpaläolithikum prägte. Zwar konnten auch hier an den Siedlungsplätzen der Neandertaler keine Anzeichen für religiöses Handeln gefunden werden – die Berichte über Spuren jagdmagischer Praktiken, konkret Bärenzeremoniell und Langknochenkult, hielten kritischen Nachuntersuchungen nicht stand – und auch für Schädeldeponierungen und Kannibalismus gibt es keine oder keineüberzeugenden Belege; dafür aber hat sich seit dem mittleren Paläolithikum der Umgang des Menschen mit dem Tod nachweislich und tiefgreifend verändert. Es erscheinen zum ersten Mal Bestattungen, und das nicht nur bei Homo neanderthalensis, sondernzur gleichen Zeit beim frühen Homo sapiens, der, aus Afrika vordringend, in Kleinasien auf die aus dem Norden einsickerndenNeandertaler stieß. Auch wenn diese Bestattungen kaum den Namenverdienen, denn manchmal hat man den Verstorbenen lediglich an einer Höhlenwand deponiert, ihn in eine vorhandene Vertiefung gelegt oder vielleicht auch eine flache Grube gegraben und den Toten mit Gesteinsschutt abgedeckt, zeigen diese einfachen Begräbnisse ohne Grabausbauten, Beigaben oder tradierte Bestattungssitten immerhin das Bestreben des frühen Menschen,

den Verstorbenen vor Verletzung oder Beschädigung durch wilde Tiere zu schützen, den Leichnam unversehrt zu erhalten oder in gewisser Weise zu konservieren. In einem solchen Zusammenhang finden auch die inzwischen sicher nachgewiesenen Manipulationenan Neandertalerskeletten eine sinnvolle Erklärung, ohne auf dasveraltete Deutungsstereotyp Kannibalismus zurückgreifen zu müssen: Der mit der Natur vertraute Jäger machte zwangsläufig die Beobachtung, dass ein sich selbst überlassener Kadaver in der Natur rasch angefressen und verschleppt wird, zerfällt und sich damit im Nichts auflöst. Anders ist es, wenn vor allem gereinigte Knochen, aber auch Leichname deponiert werden. Geschützt in einer Höhle, abgedeckt von einer Gesteinsschicht und im optimalen Falle befreit von verwesbaren Teilen, überdauern die Überreste der Verstorbenen die Jahre und zeigen auf diese Weise etwas wie erste Anzeichen einer partiellen Unsterblichkeit. Begräbnisse, aber auch das Mazerieren der Toten wären dann Anzeichen für das Bemühen, einen Teil des Toten auf Dauer oder zumindest für eine gewisse Zeitspanne den Nachlebenden zu erhalten. Zumindest belegen aber die Bestattungen, dass der Neandertaler und seine Zeitgenossen der sapiens-Spezies sich bereits mit dem Tod und seinen Folgen auseinandergesetzt haben müssen und gewisse Maßnahmen ergriffen, um die gedachten und gefühlten Folgen des Todes in erträgliche Bahnen zu lenken. Im Jungpaläolithikum (35.000 – 11.500 v. h.) setzte sich die hier skizzierte, einmal eingeschlagene Richtung der Religionsentwicklung, die bislang lediglich an Bestattungen festgemacht werden konnte, ohne sichtbare Brüche fort. Es wurdeweiter bestattet, und gleichzeitig nahm der Aufwand, den man mit den Begräbnissen trieb, signifikant zu. Jetzt gibt es Grabausbauten und regelrechte Grababdeckungen. Gleichzeitig verraten die bereits aus dem mittleren Paläolithikum vertrautenSchnittspuren an den Skeletten den Wunsch der Hinterbliebenen, den Leichnam wenigstens für einen gewissen Zeitraum vor einer Zerstörung zu schützen oder ihn durch Entfleischen gezielt für ein Jenseits zuzurichten. Auch ließ man dem Toten zumindest seinen persönlichen Besitz und hat ihn in einigen Fällen sicherlich mit regelrechten Beigaben für eine jenseitige Welt ausgestattet. Die Art dieser Ausrüstung läßt nun zum ersten Malauf konkrete Jenseitsvorstellungen schließen; eine jenseitige Welt, in der die Verstorbenen ihr bisheriges Jägerleben fortsetzen konnten. Die Zeichen ihres wirtschaftlichen und

gesellschaftlichen Erfolges in einer Jägergesellschaft sollten ihnen auch im Jenseits die gewohnte soziale Position sichern. Während die Begräbnisse eine sichere Basis für Aussagen über Tod- und Jenseitsvorstellungen des Jungpaläolithikers bieten, bleiben die Zeugnisse seines reichen Kunstschaffens widersprüchlich und geben Anlass zu unterschiedlichsten Interpretationen. Unter der Voraussetzung einer organischen Religionsentwicklung müssen die Zeugnisse der frühen Parietalkunst, die Höhlenmalereien, als spontane Aktionsmalereibegriffen werden. Im Sinne des Usenerschen „Vom Begreifen zum Begriff“ hat sich der frühe Homo sapiens seine Umwelt vertraut gemacht, indem er das, was sein Leben entscheidend ausmachte, auf die Höhlenwände gemalt, damit gebannt und sich bildlich undbegrifflich angeeignet hatte.3 Jagdmagische Praktiken waren mitdiesen Malereien noch nicht verbunden, ebensowenig wie die gehörnten chimärenhaften Wesen Schamanen darstellen. Wenn der Gedanke an ein entwickeltes Schamanentum auch zurückgewiesen werden muss, so kann jedoch nicht außer Zweifel stehen, dass aus verhaltensbiologischer Sicht die gehörnten Chimären möglicherweise als Vorläufer übermächtiger Wesen anzusehen sind. Gehörne demonstrieren Macht und Stärke; von der spontanenAktionsmalerei, die eine momentane Emotion umsetzt, entwickeltesich die Hörnerkrone als Zeichen der Macht, die etliche tausendJahre später tatsächlich ein übermächtiges Wesen kennzeichnete.Ähnlich verhält es sich mit den Frauendarstellungen. Als frühe Parietalkunst oder als Zeichnungen auf Gesteinsscherben sind sie sicherlich als spontane Aktionsmalerei, das Festhalten eines Augenblicks einzustufen. Wie das Wild gehören sie zum Eindrucksvollsten, was das eiszeitliche Lebensumfeld aufzuweisen hatte. Erst nach rund zehntausend Jahren religionsgeschichtlicher Entwicklung im Aurignacien hatte sich endlich aus der bloßen Faszination ein Mehr herauskristallisiert: Frauen, oder zumindest bestimmte und ganzkonkrete Frauen galten im Gravettien aufgrund ihrer sexuellen Macht (deutlich betonte Geschlechtsteile), ihrer sozialen Bedeutung und vielleicht auch wegen ihrer reproduktiven Fähigkeiten als Machtträger, deren Abbild in Form einer Figurine apotropäische Funktion zugeschrieben wurde. Daher wurden kleine Frauenfigürchen sowohl als Kleiderbesatz getragenals auch im Hause oder an numinosen Plätzen aufgestellt. Die Tierminiaturen könnten dagegen zu jagdmagischen Zwecken eingesetzt worden sein oder die Schutzgeister der Tiere 3 Vgl. Wessels 2003, 175 – 180.

darstellen; Vorstellungen, die sich problemlos in den Horizont einer Jägerkultur fügen. Im Verlaufe der weiteren religionsgeschichtlichen Entwicklung läßt sich vor allem bei den Frauendarstellungen seit dem Magdalénien eine zunehmende Stilisierung beobachten, die Spiegel eines geistesgeschichtlichen Wandels ist. Während die naturalistischen Frauendarstellungen noch die Kräfte ganz konkreter Frauen meinten, die im Bild ihre Schutzfunktion entfalteten, konnte man jetzt nach erfolgter begrifflicher Abstraktion auf einen Typus zurückgreifen, der gezielt die gewünschten schützenden Eigenschaften verkörperte und entfaltete. Hier entwickelte sich aus dem Träger verhaltensbiologischer Signale ein abstrakter Wirkungsträger, der möglicherweise bereits die Eigenschaften eines übermächtigen Wesen hatte und damit als Schutzgeist diente.Im Mesolithikum (ab 11.500), einem Zeitabschnitt, der sowohl inder archäologischen als auch in der religionswissenschaftlichenLiteratur im allgemeinen etwas stiefmütterlich behandelt wird, begegnet nicht etwa der immer wieder behauptete Verfall der Kultur, sondern der einmal eingeschlagene Weg zu mehr Abstraktion wurde konsequent weiterverfolgt. Es finden sich zwar keine vollplastischen, miniaturisierten Frauendarstellungen mehr; eine sorgfältige Sichtung der spärlichen Kunstgegenstände dieser menschheitsgeschichtlichen Epoche lässt jedoch vermuten, dass Kiesel mit abstrakten Zeichen zumindest teilweise als funktionalrituelle Nachfolger der Kleinplastiken angesehen werden dürfen. Überhaupt ist extreme Stilisierung eines der Charakteristika der mesolithischen Kunst. Dort, wo Beispiele der Parietalkunst überliefert sind, belegen sie ein völlig neues Erleben oder zumindest die Fähigkeit zu einer neuen Form der Darstellung: Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte wurden nun bildlichHandlungsabläufe und inhaltliche Zusammenhänge dargestellt, seien es Jagdzüge, feindliche Auseinandersetzungen oder tägliche Verrichtungen. Dies erlaubt zwar immer noch keinen unmittelbaren Einblick in den weltanschaulichen Hintergrund derZeit, ermöglicht jedoch Rückschlüsse auf ein neues Bewusstsein,das inzwischen mit Hilfe begrifflicher Systematisierungen zu generellen Aussagen in bildkünstlerischem Kontext gefunden hatte. Hinsichtlich der Ausleuchtung des religiösen Hintergrundes sieht sich der Religionswissenschaftler jedoch auf einige wenige Spuren verwiesen, insbesondere, weil sich ältere Schilderungen angeblicher Primitialopfer, z.B. in

Stellmoor, als Fehldeutungen entpuppt haben. Dafür belegen jedoch vereinzelte Maskenfunde, dass spätestens jetzt das Ritual Einzug in die Palette religiösen Handelns gehalten hatte. Das heißt, dass im Rahmen religiösen Handelns das Schicksal übermächtiger Gestalten, die möglicherweise den Status einer Dema hatten, im Ritual vergegenwärtigt wurde. An dieses religiöse Handeln dürften sich Vorstellungen von mythischen Ahnengestalten oder Kulturheroen geknüpft haben, aufderen Tätigkeit man die naturräumliche und soziale Ordnung zurückführte. Auf ein reiches religiöses Leben weisen überdies die Funde mesolithischer Kultstätten, die man vorzugsweise in unmittelbarer Nähe jüngerer, neolithischer Anlagen gefunden hat. Das Wissen um numinose Orte war demnach spätestens seit dem Mesolithikum verbreitet und wurde ohne deutliche Brüche an die nachfolgenden Generationen bis in jüngere und jüngste menschheitsgeschichtliche Epochen weitergegeben. Zum ersten Male, dies sei nur am Rande vermerkt, offenbart sich hier das Beharrungsvermögen religiöser Traditionen, die den Wandel in der ethnischen Bevölkerungsstruktur ebenso unbeschadet zu überstehen pflegen wie grundsätzliche Umgestaltungen des weltanschaulichen Horizonts oder der sozioökonomischen Existenzgrundlage der dort lebenden Menschen.Hinsichtlich der Bestattungsbräuche lässt sich zunächst ein Festhalten am Überlieferten feststellen: Das Mesolithikum brachnicht mit den Traditionen der Paläolithiker, noch führte es sofort umwälzende Neuerungen ein. Erst langsam entwickelten sich lokale Gebräuche, die belegen, daß dem Dasein nach dem physischen Tode eine zunehmend große Wichtigkeit beigemessen wurde. Neu war das Mitbestatten von Hunden ebenso wie Beisetzungen auf Gräberfeldern, eindeutige Grabbeigaben und Totenfeuer. Das Entfleischen, Mazerieren und Zurichten der Leichen, das seit dem Mittelpaläolithikum zu beobachten ist undimmer wieder Anlass zu Fehldeutungen bot, hatte einen ersten Höhepunkt, aber auch seine logische Konsequenz mit den Schädeldeponierungen im südwestdeutschen Raum erreicht. Praktiken wie diese machen deutlich, daß man glaubte, die besonderen Kräfte des Toten für die Hinterbliebenen erhalten und sich nutzbar machen zu können. Ein solches Totenbrauchtum belegt einerseits komplexe Seelenvorstellungen, aber erfordert andererseits auch die Durchführung komplizierter Rituale, die sicherstellen, dass die Kräfte des Verstorbenen in der richtigen Weise ihren Sitz im Schädel nehmen.

Den engen Zusammenhang zwischen Todesvorstellungen, Totenbrauchtum und übermächtigen Wesen verdeutlicht eine noch dem Mesolithikum zuzurechnende Kultur auf europäischem Boden, die jedoch bereits in mancher Hinsicht von den neolithischen Bräuchen und Vorstellungen der unmittelbaren Nachbarn beeinflusst scheint. Es handelt sich um die Lepenski-Vir-Kultur, die zwischen 6500 und 5500 v.Chr. am Donaulauf im Bereich des Eisernen Tors, an der Grenze zwischen Rumänien und Serbien, blühte. Das Siedlungsmuster zeichnet sich hier durch einen charakteristischen, trapezförmigen Grundriss seiner Behausungen aus – diese einzigartige architektonische Struktur lässt sich zurückführen auf Bestattungen, bei denen die Verstorbenen, auf dem Rücken liegend, mit angewinkelten und gespreizten Beinen beigesetzt wurden. Die Wohnhäuser der Siedlungen kopierten also Begräbnisplätze. Damit haben sich jedoch die Hinweise auf einen weltanschaulich engen Zusammenhang zwischen irdischer Welt und Unterwelt, in der die Toten weiterhin existent gedacht werden, noch nicht erschöpft. Als letzte Ruhestätte der Toten wählte man vorzugsweise die Wohnhäuser, in denen die Toten in unmittelbarer Nähe des Herdesbeigesetzt wurden. Neben dem Herd, der als der Eingang zur Unterwelt angesehen wurde, stellte man altarähnliche Opfertische sowie Gerölle mit näpfchenähnlicher Vertiefung auf,auf denen den Verstorbenen Gaben dargebracht wurden. Gleichartige Gerölle, die jedoch künstlerisch bearbeitet wordenwaren, ahmen die Züge menschlicher Totenschädel nach und sind damit als Grabstelen oder Ahnenfigur zu deuten, in denen man die Seele oder die Wirkungskräfte des Verstorbenen vergegenwärtigt dachte. Wieder andere Gerölle zeigen die Züge einer übermächtigen Gestalt, die nach absoluter Zeitrechnung zuerst in Anatolien auftrat: Es handelt sich um eine Frauenfigur in exhibitionistischer Stellung, die in der Religionswissenschaft als mythische Urmutter bekannt ist. DieseUrmutter, die sowohl mütterlich-beschützende als auch bedrohliche Aspekte zeigt, steht in Lepenski Vir eindeutig mit dem Herd und der Unterwelt in Beziehung.Die enge Verknüpfung von Tod und Religion zieht sich wie ein roter Faden durch die frühe Religionsgeschichte. In Anatolien, der Wiege der modernen, der neolithischen Religion, experimentierte man früh mit Hausbestattungen. Wenn man im Mittelpaläolithikum die Toten nicht dem endgültigen Verfall überlassen wollte und im Mesolithikum die Schädel deponierte, um der ihnen innewohnenden Wirkungskräfte nicht verlustig zu

gehen, dachte man im beginnenden Neolithikum die Toten weiterhin gegenwärtig, wenn auch in anderer Form. Voraussetzungwar ihre Beisetzung im Wohnhause selbst, sodass sie wie in Çayönü Tepesi4 ihre letzte Ruhestätte unter den Fußböden ihrer Häuser fanden.5 Während man zunächst primär bestattete, ist im Laufe der Jahrhunderte eine Tendenz zu Gunsten der Sekundärbestattung zu beobachten, die belegt, dass der Tod inzwischen als Übergang zwischen verschiedenen Seinsphasen empfunden wurde, der eine rituelle Gestaltung in Form von Übergangsritualen erforderte, wie vor allem die Wandgemälde im anatolischen Çatal Hüyük belegen. Der Vergegenwärtigung der Toten diente zunächst der Schädel, der in Çatal Hüyük, aber auch in anderen Ortschaften im Frühneolithikum gelegentlich im Hause aufbewahrt und dort zum Objekt der Verehrung gemacht wurde. Nur wenig später wurden die Schädel durch Statuetten ersetzt, die im Laufe der Jahrhunderte den Status regelrechter Ahnenfiguren erlangten, wie das Beispiel des anatolischen Hacılar belegt. Während sich die Religionsentwicklung bislang, also bis zum Beginn des Neolithikums, durch Einförmigkeit auszeichnete, sodass trotz lokaler Besonderheiten bis dahin von einer großen Religion gesprochen werden konnte, zeichnen sich jetzt mehr undmehr grundsätzliche Unterschiede ab, die zu einer verschiedenenReligionsentwicklung von Nordost- und Westanatolien und Europa einerseits, von Südostanatolien und Syrien andererseits führen.In der letztgenannten Region setzte sich zwar ebenfalls die intramurale Bestattung durch, jedoch erfolgten die Begräbnisse kollektiv in eigens errichteten Totenhäusern, aus denen sich zuletzt die Tempelanlagen Mesopotamiens entwickelten, die jedoch nicht mehr Gegenstand der hiesigen Betrachtungen sind. Charakteristisch für die religiöse Ikonographie des neolithischen Anatoliens, später auch Südosteuropas, sind die Auerochsen- und Rinderschädel, deren Vorkommen zunächst ritualfunktional an Bestattungen gebunden ist. Das Töten eines Rindes ist Teil des Bestattungsrituals und zunächst verhaltensbiologisch auf den universal menschlichen Trieb der Selbstdarstellung (der Familie) zurückzuführen. In religiöser Hinsicht sollte das sterbende Tier die dem Toten abhanden gekommene Lebenskraft ersetzen und ihm so eine Existenz in der Totenwelt ermöglichen. Das spätere Deponieren der Hornscheiden diente als Beleg für korrekt und großzügig ausgeführte

4 Vgl. Özdoğan 1999a, 35 - 63. 5 Vgl. Esin 1999, 126.

Totenrituale und damit ebenfalls der Selbstdarstellung, gleichzeitig aber der Gefahrenabwehr durch die apotropäische Wirkung des Kraft symbolisierenden Gehörns. Zu den beeindruckenden religiösen Bildwerken gehören in Çatal Hüyük die fast lebensgroßen Reliefs des sogenannten schampräsentierenden oder heraldischen Weibchens, das nach Kenntnis der Religionswissenschaft eine Art menschheitsgeschichtlicher Universalie darstellt und in seinem Verbreitungsgebiet stets als Bildnis der mythischen Urmutter anzusprechen ist. Größe und zentrale Stellung der lebensgroßen Gipsreliefs belegen die überragende Bedeutung dieser Figur in der religiösen Welt der Bewohner Çatal Hüyüks. Obwohl diese Urmutter nicht nur für viele Jahrhunderte bekannt blieb, sondern sich auch erfolgreich nach Europa und über Ostasien bisnach Amerika ausbreiten konnte, verlor sie in Anatolien doch imLaufe der Zeit ihre dominierende Stellung im Weltbild zu Gunsten neuerer mythischer Gestalten, unter ihnen eine Thronende in Raubkatzenbegleitung, die vermutlich nur eine andere Darstellungsform, vielleicht auch Erscheinungsform der Urmutter darstellte. Auch eine männliche Figur trat in Çatal Hüyük zum ersten Mal auf, hatte aber hier offensichtlich nur eine lokale Bedeutung. Während das Bild des anatolischen Frühneolithikums in religiöser Hinsicht ausschließlich von der Urmutter und den in Statuetten vergegenwärtigten Ahnen geprägt wurde, trat mit dem Spätneolithikum eine neue übermächtige Gestalt auf; eine in einer semianikonischen Stele vergegenwärtigt gedachte, götterähnliche Figur, die im Mittelpunkt häuslicher Kulte stand. Das religiöse Leben fand seinen Höhepunkt in der Feier von Ritualen, die nicht nur den Tod als Übergang in eine neue Existenzweise begleiteten, sondern auch andere Übergänge im Leben gestalteten. In diesem Zusammenhang kommt der Parietalkunst am westanatolischen Latmos eine besondere Bedeutung zu, die Stationen im Ablauf eines Initiationsrituals bildkünstlerisch dokumentiert. Die neue Religion der Neolithiker konnte sich, von Anatolien aus zusammen mit der Technik des Getreideanbaus vordringend, inweiten Teilen Europas etablieren. Die Sorge um die Toten und ihr Schicksal, die schon die Religion des paläolithischen und mesolithischen Europas geprägt hatte, hatte in Anatolien ihren Niederschlag in einem umfassenden Ritual gefunden; Ahnenfigurenhatten die deponierten Schädel ersetzt und ermöglichten nun eine Verehrung und Fürsorge, die weit über die bloßen

Schädeldeponierungen hinausging. Mit der Figur der mythischen Urmutter war eine übermächtige Gestalt gefunden, die die Macht-, Droh- und Schutzfunktion der alten, paläolithischen Frauenfigurinen auf sich vereinigte und sie dadurch an Potenz übertraf. Alles das deckte sich mit dem neuen Bedürfnis nach Territorialität, Kontinuität und Selbstdarstellung, das als eine Folge der Sesshaftwerdung mit dieser parallel ging. Nicht alle aus Anatolien stammenden Neuerungen wurden überall und gleich aufgenommen; manches erfuhr unter dem Einfluss lokaler Traditionen auch eine deutliche Veränderung in Anpassung an örtliche Bedürfnisse. So scheint die Gestalt der Urmutter in Südosteuropa zwar auch in ihrer ursprünglichen Form als heraldisches Weibchen, als sogenannte Krötendarstellung, noch bekannt gewesen zu sein, fiel aber in dieser drastischen Darstellungsweise im Laufe der Zeit auf den Status eines Schutzdämons oder einer minderen Gottheit unter vielen zurück, wie die zahlreich auftretenden schamweisenden Amulette und Figurinen nahelegen. Von größerer Bedeutung war sie als nun nicht mehr schamweisende Schützerin des Heimes und des Herdes, die sie in den frauengestaltigen Architekturmodellen geradezu verkörpert. Hier zeigt sich deutlich der Einfluss autochthoner Vorstellungen, die ihren Ursprung in Orten wie Lepenski Vir gehabt haben dürften. Männliche Pendants bleiben wie in Anatolien vorläufig die Ausnahme; die seltenen ichthyphallischen Statuetten oder isolierten Phalli sind Teil der allgegenwärtigen Schutz- und Abwehrzeichen, zu denen auch Scham- und Brustweisen zählen. Statuetten gehören mit zu den auffälligsten und häufigsten Fundstücken im osteuropäischen Neolithikum. Ihre Konzentration auf bestimmte Bereiche der Häuser – tischähnliche Plattformen oder die Herdstelle sind solche Orte – und der Vergleich mit Anatolien legen nahe, in diesen kleinen Kunstobjekten Ahnenfiguren zu sehen, die am häuslichen Altar oder am heiligenHerd kultisch verehrt wurden. Der Bestattung selbst und ihrer rituellen Gestaltung wurde, soweit feststellbar, jedoch keine besondere Aufmerksamkeit mehr zuteil. Es gab keinen einheitlichen Bestattungsbrauch mehr, regional unterschiedlicheund zum Teil sehr einfache Sitten dominierten; das Entsorgen des Kadavers im Umfassungsgraben der Ortschaft war keineswegs eine Ausnahme. Lediglich die Kremationen im nördlichen Griechenland zeigen mit ihrem relativen Beigabenreichtum und den Bemühungen um ein Vergegenwärtigen des Übergangs eine sorgfältige, festliche und aufwendige Gestaltung und scheinen

die Ausnahme darzustellen, die die Regel bestätigt. Damit hattesich jedoch im Bewusstsein eines Großteils der Bevölkerung ein entscheidender Wandel vollzogen: Der Tod war in Südosteuropa nicht das einschneidende Ereignis, der Übergang, den es zu gestalten galt. Vielmehr wurden nun die Ahnen wichtig, die der Existenz der Sippe Kontinuität und der Familie Legalität garantierten. Als Folge dieser neuen Auffassung spielte sich das religiöse Handeln vorwiegend in dem als heilig empfundenen häuslichen Bereich ab, wo man die Ahnen und die Herd-Göttin verehrte und ihnen Trankopfer darbrachte. Aber auch größere und öffentliche Feiern scheint es gegeben zu haben, z.B. wenn ein Haus neu gebaut worden war und rituell in den heiligen Kosmos eingegliedert werden musste, oder wenn es galt, Übergänge im Jahres- oder Lebenszyklus zu begleiten. Von den in diesem Zusammenhang erfolgreich vollzogenen Opferhandlungen legen sowohl die Bukranien Zeugnis ab, als auch die kleinen Tierfigurinen, deren charakteristische Markierungen im Halsbereich ihren Opferstatus verdeutlichen.Die spätneolithische Religion Südosteuropas ging ohne größere Brüche aus ihrer regionalen Vorläuferin hervor, ohne jedoch zu erstarren oder auf eigene Beiträge zu verzichten. Die Urmutter hatte sich vollständig zu einer Beschützerin des häuslichen Bereiches gewandelt und hatte sich so der wachsenden Bedeutung des Heimes und des Herdes angepasst, der mit seiner Ahnenverehrung weiterhin im Zentrum des religiösen Interesses stand. Allerdings zeichneten sich nun langsam Unterschiede zwischen kleineren, einfacheren und größeren, aufwendiger gestalteten Statuetten ab, von denen die einen die Ahnen, die anderen mythische Vorfahren und Sippengründer darstellen könnten, die möglicherweise bereits einen götterähnlichen Status hatten. Einige dieser götterähnlichen Gestalten, die nunauch männlich sein können, zeichnen sich durch Attribute aus, die in weit entfernten Regionen, z.B. in Westeuropa, wieder auftauchen, und damit den Gedanken nahelegen, dass es sich hiervielleicht um eine überregional bekannte männliche Gottheit handeln könnte, deren Entstehen sich europäischer, autochthonerTradition verdankt. In Mitteleuropa nahm die neolithische Religion, aus dem südöstlichen Europa vordringend und sukzessive autochthone Vorstellungen einbeziehend, ein deutlich eigenständiges Geprägean, das von der Religion der Linienbandkeramiker über die Megalithkultur bis zur Einzelgrabkultur jeweils

charakteristische Schwerpunkte setzen sollte. Die Kultur der Linienbandkeramik, älteste neolithische Kultur auf mitteleuropäischem Boden, unterscheidet sich bereits durch ihreWohnarchitektur signifikant von ihren südöstlichen Vorläufern. Die Langhäuser boten einer kompletten Großfamilie Raum und zeugen damit von einer anderen Sozialstruktur. Dabei blieb das Haus ein besonderer Bereich im weltanschaulichen Kosmos. Bauopfer in den Pfostenlöchern verraten, dass auch das bandkeramische Langhaus als templum, als heiliger Bezirk angesehen wurde, der nach dem Bau rituell in die Lebenswelt seiner Bewohner überführt werden musste. Die als Bauopfer verwendeten Silexklingen sind möglicherweise als Gabe an eine Wettergottheit zu verstehen, die das Haus auf magisch-religiöseWeise vor Blitzschlag und den Unbilden der Witterung schützen sollten. Weitere Opfer finden sich regelmäßig an oder unter derSchwelle des Hauses und belegen so die Bedeutung dieser Grenze zwischen feindlicher Außenwelt und dem heiligen Heim. Frauengestaltige Gefäße machen wahrscheinlich, dass die Sitte des heiligen, gemeinsamen Trunkes oder die Libation einen festen Platz im häuslichen Kult beanspruchte. Zum Hauskult gehörte auch in Mitteleuropa die Verehrung der Vorfahren, die im Hause gelegentlich in ihren deponierten Schädeln, aber auch in Figurinen vergegenwärtigt gedacht wurden. Zusätzlich scheinen Schädel und Figurinen in Zeremoniender Totenbefragung eine Rolle gespielt zu haben. Während die Ahnenverehrung, obwohl sicherlich Teil religiösen Handelns, im frühen Neolithikum Mitteleuropas nicht den Stellenwert wie in Südosteuropa gehabt zu haben scheint, spielten Bestattungen nunwieder, ähnlich wie im frühen Anatolien, die alles überragende Rolle. Sekundärbestattung und damit die Feier des Todes als Transformations- und Übergangsstadium war üblich. Zunächst musste der Tote auf einem Gräberfeld oder auch in der Siedlung inhumiert werden. Beigaben deckten in dieser Zeit des Übergangsden Bedarf des Verstorbenen an Gütern des täglichen Lebens. Dies legt den Gedanken nahe, daß der Tote in der Vorstellung seiner Zeitgenossen einen Weg in ein entfernt liegendes Totenreich zurückzulegen hatte. Eine letzte, am Grab gemeinsam mit dem Toten eingenommene Mahlzeit verabschiedete ihn würdig. Waren die organischen Überreste des Verstorbenen verwest und konnte man daher davon ausgehen, dass der Tote das Totenreich erreicht hatte, schloss sich der zweite Teil der Bestattungszeremonien an, in deren Verlauf der Tote an seine letzte Ruhestätte überführt wurde. Dies konnte ein Erdgrab

sein, war aber gelegentlich auch eine Höhle, die den Eingang zur Unterwelt darstellte. Dort herrschte seit Lepenski Vir eineGottheit, die Aspekte des Todes und der Fruchtbarkeit auf sich vereinigte. Ein weiteres Mahl und blutige Opfer begleiteten diese letzte Phase der Bestattung. Die zur Zeit der Linienbandkeramik ebenfalls üblichen Kremationen kürzten die Zeit des Übergangs sinnfällig ab und vervollständigen damit dasSpektrum der Bestattungssitten. Neben der Art und Weise der Gestaltung des Begräbnisses verdient der Ort der Beisetzung Erwähnung: Während zunächst Siedlungsbestattungen im Vordergrund standen und auch die häuslichen Schädeldeponierungen Signifikanz besaßen, setzte sich im Laufe der Jahrhunderte zunehmend die Bestattung auf Gräberfeldern durch, so als trete der Welt der Lebenden eine abgegrenzte und räumliche getrennte Totenwelt gegenüber, die die frühere räumliche Gemeinsamkeit von Lebenden und Verstorbenen beendete.Allerdings scheint diese Totenwelt der Welt der Lebenden immer noch ähnlich gedacht worden zu sein, denn auch dort hatte man Bedarf an den Gütern des täglichen Lebens, an Werkzeug und Statussymbolen. Mit der Stichbandkeramik wurde das religiöse Handeln um eine neue Facette in Gestalt der Kreisgrabenanlagen bereichert. Rituale wurden nun überlokal und kollektiv an heiligen Plätzen durchgeführt. Die Zugänge zu diesen Anlagen orientierten sich an den Himmelsrichtungen und an wichtigen astronomischen Eckdaten im Jahresverlauf, unter denen die Wintersonnenwende als besonders bedeutsam hervorsticht. Damit dienten die Kreisgrabenanlagen als sakrale Kalendarien zur zeitlichen Orientierung, mit deren Hilfe wichtige jahreszeitliche Daten ineiner von Ackerbauern dominierten Gesellschaft bestimmt werden konnten. Begräbnisse sowie Kultgegenstände machen deutlich, dass die kalendarischen Funktionen nur einen Aspekt der Anlagendarstellten, während religiöse Vorstellungen die Daten mit weltanschaulichen Spekulationen verbanden und möglicherweise inBeziehung zu einem mythischen Geschehen setzten. Die Ahnen spielten also im religiösen Kosmos Mitteleuropas eineentscheidende Rolle, aber auch andere übermächtige Gestalten behielten ihre altüberlieferte Bedeutung. Dazu zählte immer noch die aus Anatolien bekannte Urmutter, die als sogenannte Krötendarstellung auf der Keramik eine nicht unübliche Erscheinung ist, vor allem, wenn sich die Töpfereien funktionalmit dem Bestattungsritual in Verbindung bringen lassen – die Urmutter stand demnach immer noch in Verbindung mit dem Tod und

der Totenwelt. Auch ein weiterer traditionsreicher Weggefährte des Todes zeigte sich im Zusammenhang mit den bandkeramischen Bestattungen: Schädel oder Schädelteile von Auerochsen und Hausrindern sowie ihre künstlerischen Umsetzungen tauchten mit der Schamweisenden zusammen auf und legen den Schluss nahe, dass eine mythische Gestalt mit deutlichen Bezügen zur Totenwelt und einem begleitenden oder ihr heiligen Tier als Unterweltgöttin bekannt war. Allerdings läßt sich für den Bereich des Todes und der Unterwelt noch eine weitere Gestalt herausschälen, die mit dem Schwein und der Fruchtbarkeit der Felder in Zusammenhang zu bringen ist. Auch für das Haus war eine weibliche Dema zuständig, deren Existenz durch den Verweisauf frauengestaltige Krüge und Vasen im Hausinneren wahrscheinlich gemacht werden kann. Vage und blass bleiben dagegen männliche übermächtige Gestalten, die nur aus signifikanten Opfergaben wie den beim Hausbau geopferten Klingen abzuleiten sind. Hinzuweisen bleibt noch auf die seltenen Stabidole, die auf ein übermächtiges Wesen hindeuten, das die Verstorbenen in das Totenreich zu geleiten hatte. Da hier keine der üblichen apotropäischen Gesten wie z.B. bei den ebenfalls häufigen Amuletten beobachtet werden kann, kam diesenIdolen keine vordergründige, apotropäische Funktion zu; es musssich vielmehr um einen Totenbegleiter und Seelenführer handeln,der aus der Mythologie bekannt war.Die bandkeramischen Kulturen Mitteleuropas wurden durch den Formenkreis der Trichterbecherkultur mit ihren Verwandten abgelöst, in denen die Religionen einen völlig neuen Ausdruck fanden, der sich vor allem an den Bestattungen festmachen lässt. Zwar wurde auch weiterhin auf Siedlungsgelände sekundär oder in Erdgräbern primär bestattet, charakteristisch und neu für die Trichterbecherkultur und gleichzeitig für das westeuropäische Neolithikum waren jedoch Kollektivbestattungen,die ganz neue Grabformen erforderten. Die Grabstätten nahmen den Charakter von Totenhäusern an, die aus Holz oder aus Stein gebaut sein konnten. Grabhügel bedeckten die hausähnlichen Konstruktionen und dokumentierten damit sinnfällig, dass man die Totenhäuser als zur Unterwelt gehörig betrachtete. Der Kontakt zu den Toten wurde über die Bestattungszeremonie hinausaufrecht gehalten, indem man zu bestimmten Zeiten Feste im heiligen Bezirk der Grabstätten abhielt, die gemeinsame Mahlzeiten mit den Toten einschlossen. Die monumentale Dimension der Grabmale betont ihre Bedeutung in einem neuen gesellschaftlichen Kontext, in dem die sinnfällige

Dokumentation von Gebietsansprüchen und die Selbstdarstellung der Sippe in einer territorialen und sich stratifizierenden Gesellschaft die entscheidenden symbolischen Eckpunkte darstellten. In der Unterwelt der Grabstätten setzten die Totenihre gewohnte Existenz fort, in der man als Angehöriger der Totenwelt einerseits mächtiger als die Nachlebenden war und deren Dasein somit entscheidend beeinflussen konnte, in der manjedoch auch von der Fürsorge der Hinterbliebenen abhing, die diese tellurische Existenz durch Gaben materiell abzusichern hatten. In dieser Unterwelt herrschte eine Dolmengöttin, religionsgeschichtlich eine Nachfolgerin der bandkeramischen Höhlengöttin, deren Abbild mit den charakteristischen Drohaugengleichzeitig vor den Gefährdungen im Jenseits schützen sollte. Diese Dolmengöttin wurde gelegentlich, besonders in Westeuropa,in einer Stele vergegenwärtigt gedacht und auf diese Weise semianikonisch zur Darstellung gebracht; meist sind es aber dieisolierten Bilder ihrer Kennzeichen und Attribute, die auf ihreAnwesenheit hindeuten; dazu zählen die drohstarrenden Augen, eine Reihe von Halsbändern oder ein Paar weiblicher Brüste. DerBogen vom Tod zur Fruchtbarkeit wurde sinnbildlich nicht nur durch die nährenden Brüste, sondern auch durch die Darstellung von Rind und Pflug verdeutlicht, die mit der Dolmengöttin in ebenso enger Beziehung standen wie die Rinderschädel mit der Höhlengöttin der Bandkeramiker.Neben dieser Totengöttin lässt sich auch die bereits bekannte Schützerin von Heim und Familie wiederfinden, der die Libationen und Trinkzeremonien im Inneren des Hauses galten. Der chthonische Ursprung dieser Göttin, einer Nachfolgerin der Herd-Göttin Lepenski Virs, wird an Opfergruben deutlich, die sich an zentraler Stelle im Hausinneren fanden. Während diese weiblichen, übermächtigen Gestalten auf eine lange Geschichte zurückblicken konnten, stellen Hinweise auf die Existenz männlicher Gottheiten eine Neuerung dar, die vermutlich mit derveränderten Stellung des Mannes als Krieger in einer notwendig territorialen Gesellschaft in Zusammenhang zu bringen ist. Hierist zunächst ein Heros oder vielleicht auch Gott mit Krummschwert zu nennen, der zum ersten Mal in der zweiten Hälfte des ungarischen Neolithikums begegnete. Auf einen ähnlich kriegerischen Hintergrund verweisen die Streitäxte, dienicht nur als Waffe genutzt wurden, sondern darüber hinaus wichtige Statussymbole – auch im Zusammenhang mit Bestattungen – darstellten. Die Streitaxt ist Kennzeichen einer weiteren Gottheit, die deutlich phallische Bezüge zeigt und die eine

frühe Wettergottheit darstellen könnte. Hinweise auf die Existenz dieser Gottheit fanden sich einmal in Form von Bauopfern in den Fundamenten der Wohnhäuser, wo aufrecht stehende Axtschneiden vor Blitzschlag schützen sollten, aber auch in megalithischen Grabmalen, wo sie auf den befruchtenden und lebensspendenden Aspekt dieser Gottheit verweisen. Das männliche Pantheon wird ergänzt durch einen autochthonen Hirsch- und Sonnengott, der in anthropomorpher Gestalt von einem Hirschgeweih gekrönt dargestellt wurde und der offensichtlich mit dem Sonnenlauf in Verbindung stand. Die Ausrichtung der Grabstätten vorzugsweise in Richtung Wintersonnenwende legt nahe, in dieser Gottheit eine Fruchtbarkeits- und Frühlingsgottheit zu sehen, mit der das Wiedererstehen der Natur und die Hoffnung auf die Wiedergeburt des Menschen ursächlich verknüpft wurde. Die Zeichen und Symbole der genannten Gottheiten, die in der einen oder anderen Weise mit dem Schicksal des Verstorbenen assoziiert wurden, fanden sich nicht nur in den Grabmalen der Trichterbecherkultur, sondern hatten sich darüber hinaus auch in der westeuropäischen Megalithkultur durchsetzen und bis in die Schnurkeramik- und Einzelgrabkultur erhalten können, wo diegenannten übermächtigen Gestalten weiterhin als Herren der tellurischen Welt fungierten. Einen charakteristischen Wandel erfuhr der Umgang mit den Verstorbenen jedoch in der Kugelamphorenkultur, in der den zu machtvollen Ahnen mutierten Toten Opfer in einer Größenordnung dargebracht wurden, die das bisher gekannte Maß bei weitem überschritten (Rinderbestattungen) und nur im Zusammenhang mit einem umfassenden, Tote wie Lebende gleichermaßen verpflichtenden System des Gabentausches verstanden werden können. Das gleiche Prinzip des „do ut des“ schloss nun die Götter mit ein, die nunnicht mehr im Ritual vergegenwärtigt, sondern kultisch verehrt wurden. Regelrechte Kultanlagen mit altarähnlichen Opfersteinen, aber auch Quellen, Feuchtgebiete oder herausragende Punkte in der Landschaft waren an der zeitlichen Grenze zur Bronzezeit die heiligen Orte, an denen die Verehrungder Gottheiten einschließlich blutiger Opfer stattfand. Aus gleichen Quellen schöpfend, ist die Religionsentwicklung auf der Mittelmeerinsel Malta und ihren Schwesterninseln zu ganz eigenen Formen gelangt, die sich ihrer zeitweiligen Isolation verdanken. Zu Beginn dieses religiösen Entwicklungsprozesses lassen sich einige inzwischen altbekannteSitten und Gebräuche zusammen mit den altüberlieferten

übermächtigen Gestalten ausmachen, die bereits in Mitteleuropa begegneten. Einfache Totenfürsorge und -verehrung machten auch auf Malta zunächst einen Großteil des religiösen Brauchtums aus. Die Toten wurden in der Frühzeit der archäologisch dokumentierten Siedlungsgeschichte der Insel in natürlichen Höhlen beigesetzt und so dem Machtkreis einer Unterweltsgottheit anvertraut. Schamweisende Figurinen, Amulette und charakteristische Muster auf der Keramik belegen, dass die Idee einer Urmutter mit zerstörenden und regenerativenKräften ihren Weg auch auf die maltesischen Inseln gefunden hatte. Das unterirdisch zu lokalisierende Reich der Toten mit seiner Herrscherin, seinen Mächten und Kräften blieb für die Bewohner der maltesischen Inseln die alle religiösen Vorstellungen dominierende Idee, die sich letztlich zu einer umfassenden, komplexen Religion mit Toten- und Tempelkult auswuchs. Zunächst wurden allerdings nur Vertiefungen und Spalten, die natürlichen Zugänge zur Unterwelt, so erweitert, dass sie Raum für kollektive Begräbnisse boten. Erst später gestaltete man diese unterirdischen Grabstätten aufwendig aus, um den Verstorbenen eine würdige Heimstatt bieten und um den Tod in angemessener Weise rituell begleiten zu können. Die notwendige Verehrung der Ahnen wurde oberirdisch vollzogen, jedoch nicht wie in Südosteuropa in einem häuslichen Kult, sondern eher wie in der Stichbandkeramik an gesonderten Plätzenund im Kollektiv. Allerdings durften die sinnfälligen Bezüge zur Totenwelt nicht fehlen: Die Orte der Ahnenverehrung wiederholten die architektonischen Strukturen der unterirdischen Begräbnishöhlen und fanden so zu den rundovalen,später kleeblattförmigen Umrissen, die die Tempelbauten Maltas auszeichnen. In späterer Zeit, nachdem die Tempel mit ihren Durchgängen, Nischen und Schwellen eine aufwendige Ausgestaltung erfahren hatten, übertrug man diese Elemente wiederum auf die Grabarchitektur und stattete die unterirdischen Höhlensysteme mit den baulichen Elementen der Tempeln aus, so dass die überirdischen Tempelanlagen Spiegel der Totenwelt, die Hypogäen Spiegel der Tempel darstellen. Die Versorgung der Verstorbenen erfolgte zunächst über Löcher und Vertiefungen im Boden, dann aber auch mit Hilfe grabgestaltigerTabernakel oder Altarhohlformen in den überirdischen Tempelanlagen, wo denen die Ahnen für die Dauer der Kulthandlungen ihren Sitz in den teilweise großformatigen Idolen nahmen und so die ihnen dargebrachten Opfergaben entgegennehmen konnten.

Als Herrscherin über die Unterwelt lässt sich auch auf Malta wieder die Dolmengöttin ausmachen, deren Existenz wie in West- und Mitteleuropa allerdings entgegen der landläufigen Annahme nur angedeutet wurde. Als Belege für diese Auffassung fanden sich miniaturisierte Menhire, aber auch die bereits aus Kontinentaleuropa bekannten Augendarstellungen. Die sehr viel bekannteren Kultidole in Form fettleibiger anthropomorpher Gestalten stellen dagegen nicht etwa die Dolmengöttin und auch keine Göttin der Fruchtbarkeit dar, sondern sind Variationen der bereits altbekannten Ahnenfiguren, die sich in der Spätzeitder maltesischen Kultur zu Kolossalstatuen auswuchsen.Unter den Grabbeigaben fallen miniaturisierte Axtschneiden mit Amulettfunktion auf; mögliche Bezüge zu der aus Westeuropa bekannten Wettergottheit bleiben jedoch wegen des Fehlens weiterer Indizien unklar. Auch Spekulationen über eine möglicheastronomische Bedeutung der Tempelanlagen, die dann möglicherweise mit Spekulationen über das Schicksal der Toten in Verbindung mit einer astralen Gottheit erlaubt hätten, habensich nicht bestätigt. Vielmehr sind die Achsen der ältesten Tempelanlagen so ausgerichtet, dass sie in Richtung des geographischen Ursprungs der maltesischen Bevölkerung, nach Sizilien, weisen. Hier, in der mythischen und tatsächlichen Heimat der Vorfahren, könnte das Reich gelegen haben, in das die Seelen der Verstorbenen zuletzt zurückkehrten.Mit der abschließenden Darstellung der Religion Maltas ist das Postulat, die sich verzweigenden Äste einer organischen Religionsentwicklung nachzeichnen zu wollen, in Ansätzen eingelöst worden. Wie vorausgesagt, schritt diese Entwicklung keineswegs vom Primitiven zum Anspruchsvollen, vom Einfachen zum Komplexen. Vielmehr haben unsere kulturellen Vorfahren, dieNeandertaler, mit ihrer Sorge um das Schicksal ihrer Verstorbenen in Sachen Religion und Jenseitsglaube einen Weg eingeschlagen, der die religiösen Vorstellungen der folgenden Jahrtausende bestimmte und sich zu einer erstaunlichen Formenvielfalt entfaltete, die in den Tempeln Maltas einen Höhepunkt erreichte, wie er ähnlich nur in den Totenstädten Ägyptens eine Parallele findet. Aus der Totenfürsorge und den dann mit den Toten assoziierten tellurischen Wesenentwickelte sich die Vielfalt der prähistorischen Religionen, auf denen dann erst die Religionen der geschichtlichen Zeit aufbauen und ihren Siegeszug antreten konnten.