NIETZSCHE UND DIE FRÜHROMANTISCHE SCHULE Wenn man den Begriff des Kritikers im engeren Sinne nimmt,...

38
ERNST BEHLER NIETZSCHE UND DIE FRÜHROMANTISCHE SCHULE Wenn man den Begriff des Kritikers im engeren Sinne nimmt, nämlich als Polemiker oder Opponenten, wie dies Nietzsches aggressiver Denkstil nahezulegen scheint, dann habe ich mit dem Thema „Nietzsche und die früh- romantische Schule" zu dieser Konferenz über „Nietzsche als Kritiker seines Jahrhunderts" nicht viel beizutragen. Denn in Nietzsche ist kaum ein Anta- gonismus gegen die Repräsentanten dieser Schule wahrnehmbar. Mit ihnen ist der Kreis der Schriftsteller angesprochen, der sich wenige Jahre vor der Jahr- hundertwende, genauer: von 1795—1800 um die Zeitschrift Athenäum bildete und hauptsächlich die Brüder Schlegel und Novalis, im weiteren Sinne auch Wackenroder, Tieck oder sogar Schleiermacher umfaßte, mit dessen Stellung in der protestantischen Theologie Nietzsche vertraut war. Wenn sich Nietz- sche aber gelegentlich gegen Schleiermacher wendet und diesen als „Schleier- Macher" verulkt, 1 dann richtet er sich nicht gegen den jungen Mitarbeiter des Athenäums und den Autor der Reden über die Religion, sondern den späten Theologen der Glaubenslehre. Nietzsches Spott über den „deutschen Jüngling", der sich in der Vaterschaft Fichtes wähnt, 2 ist nicht auf diese Früh- romantiker gemünzt, sondern erweist sich bei näherem Zusehen als Persiflage der sogenannten Romantik der „dreißiger und vierziger Jahre", genauer ge- sprochen der Bewegung des Jungen Deutschland, die Nietzsche mit „Feuer- bachs Wort von der ,gesuiiden Sinnlichkeit*" in Verbindung brachte, das ihm durch Wagner bekannt war. 3 Nimmt man den Begriff des Kritikers jedoch im klassischen Sinne als Beurteiler und Richter, der das Wahre vom Falschen zu scheiden bemüht ist, dann ist mein Thema freilich von hohem Anspruch, und zwar sowohl für die 1 EH, Der Fall Wagner, Aph. 3. Wenn nicht anders angegeben, wird Nietzsche nach der fol- genden Ausgabe zitiert: Nietzsche Werke. Kritische Gesamtausgabe. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Mpntinari. Angeführte Textstellen sind in der Orthographie geringfügig modernisiert, ohne jedoch das Lautbild zu verändern. Bei den von Nietzsche selbst veröffentlichten Werken erfolgen die Stellennachweise mit Angabe des betr. Werkes und Aphorismus. Verweisungen auf den Nachlaß und Briefwechsel erfolgen mit Angabe der Abteilung und der Band- und Seitenzahl der KG. 2 WS, Aph. 216. 3 GM, Was bedeuten asketische Ideale, Aph. 3; NW, Wagner als Apostel der Keuschheit, Aph. 3. Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of Vienna Angemeldet Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

Transcript of NIETZSCHE UND DIE FRÜHROMANTISCHE SCHULE Wenn man den Begriff des Kritikers im engeren Sinne nimmt,...

ERNST BEHLER

NIETZSCHE UND DIE FRÜHROMANTISCHE SCHULE

Wenn man den Begriff des Kritikers im engeren Sinne nimmt, nämlichals Polemiker oder Opponenten, wie dies Nietzsches aggressiver Denkstilnahezulegen scheint, dann habe ich mit dem Thema „Nietzsche und die früh-romantische Schule" zu dieser Konferenz über „Nietzsche als Kritiker seinesJahrhunderts" nicht viel beizutragen. Denn in Nietzsche ist kaum ein Anta-gonismus gegen die Repräsentanten dieser Schule wahrnehmbar. Mit ihnen istder Kreis der Schriftsteller angesprochen, der sich wenige Jahre vor der Jahr-hundertwende, genauer: von 1795—1800 um die Zeitschrift Athenäum bildeteund hauptsächlich die Brüder Schlegel und Novalis, im weiteren Sinne auchWackenroder, Tieck oder sogar Schleiermacher umfaßte, mit dessen Stellungin der protestantischen Theologie Nietzsche vertraut war. Wenn sich Nietz-sche aber gelegentlich gegen Schleiermacher wendet und diesen als „Schleier-Macher" verulkt,1 dann richtet er sich nicht gegen den jungen Mitarbeiterdes Athenäums und den Autor der Reden über die Religion, sondern denspäten Theologen der Glaubenslehre. Nietzsches Spott über den „deutschenJüngling", der sich in der Vaterschaft Fichtes wähnt,2 ist nicht auf diese Früh-romantiker gemünzt, sondern erweist sich bei näherem Zusehen als Persiflageder sogenannten Romantik der „dreißiger und vierziger Jahre", genauer ge-sprochen der Bewegung des Jungen Deutschland, die Nietzsche mit „Feuer-bachs Wort von der ,gesuiiden Sinnlichkeit*" in Verbindung brachte, das ihmdurch Wagner bekannt war.3

Nimmt man den Begriff des Kritikers jedoch im klassischen Sinne alsBeurteiler und Richter, der das Wahre vom Falschen zu scheiden bemüht ist,dann ist mein Thema freilich von hohem Anspruch, und zwar sowohl für die

1 EH, Der Fall Wagner, Aph. 3. Wenn nicht anders angegeben, wird Nietzsche nach der fol-genden Ausgabe zitiert: Nietzsche Werke. Kritische Gesamtausgabe. Herausgegeben vonGiorgio Colli und Mazzino Mpntinari. Angeführte Textstellen sind in der Orthographiegeringfügig modernisiert, ohne jedoch das Lautbild zu verändern. Bei den von Nietzscheselbst veröffentlichten Werken erfolgen die Stellennachweise mit Angabe des betr. Werkesund Aphorismus. Verweisungen auf den Nachlaß und Briefwechsel erfolgen mit Angabe derAbteilung und der Band- und Seitenzahl der KG.

2 WS, Aph. 216.3 GM, Was bedeuten asketische Ideale, Aph. 3; NW, Wagner als Apostel der Keuschheit,

Aph. 3.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

60 Ernst Behler

Deutung der Frühromantiker als auch bestimmter Aspekte Nietzsches selbst—Aspekte, welche das monotone dionysische „Jasagen" ergänzen und raffi-niertere Nuancen in Erscheinung treten lassen. Nietzsches Beziehung zudieser Gruppe wird dann nämlich zum Anlaß, im Vergleich, d. h. in wechsel-seitiger Spiegelung, den Typ einer Geistigkeit zu verdeutlichen, wie er Ende des18. Jahrhunderts in der romantischen Schule wohl erstmals in Erscheinung tratund beinahe ein Jährhundert später von Nietzsche auf üngemein zugespitzteund verfeinerte Weise erneuert wurde. Dabei handelt es sich um die für Philoso-phie und Dichtung gleicherweise bedeutende Mentalität eines künstlerischenDenkens, das sich im Medium unendlichen Reflektierens selbst zu erfassensucht und damit die Menschheit zu einer neuen Stufe der Selbstbestimmungführen will. In prophetischer, ja messianischer Haltung sahen sich die Früh-romantiker, wie Nietzsche, vor die Schwelle eines neuen Jahrhundertsgestellt, das sie emphatisch als eine neue Epoche der Humanität, als ein neuesZeitalter im Prozeß der mündig werdenden Menschheit zu antizipieren such-ten.4

Gemeinsame Merkmale

Zahlreiche Assoziationen setzen sich in Bewegung, wenn man Nietz-sches Beziehung zu den Vertretern der frühromantischen Schule in Betrachtzieht. Man denkt an den parallelen Versuch zur Wiederbelebung der Antikeim modernen Zeitalter, den Kult des Mythischen und die Suche nach derneuen Mythologie. Unwillkürlich richten sich die Gedanken auf die Vergötte-rung der Kunst, die Devise des „Part pour Part", die Verachtung bürgerlicher„Bildungsphilisterei", oder das Zerbrechen der Prosa in fragmentarisch-apho-ristischen Stil als das entsprechende Medium für das in unendlicher Reflexionbefangene Denken, das — nach Schlegels Wort — „diese Reflexion immerwieder potenzieren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln verviel-fachen" möchte.5

Prominente Stimmen lassen sich anführen, welche die VerwandtschaftNietzsches mit den Frühromantikern bezeugen. Thomas Mann sah den BezugNietzsches zu diesen Denkern im Medium Richard Wagners, besonders indessen Oper Tristan und Isolde, die nach Mann, mehr noch als Schopenhauer,

4 Zum futuristischen Zeitalterbegriff der Frühromantiker vgl. Ernst Behler, Die Auffassung derRevolution in der deutschen Frühromantik, in: Essays on European Literature. In Honor ofLiselotte Dieckmann, St. Louis 1972, S. 191-215, bes. S. 214-215. Nietzsches Auffassungbekundet sich am deutlichsten in den Aph. 42—44 der Sektion Der freie Geist aus JGB.

5 Athenäumsfragment 116 in: Kritische Friedrich Schlegel Ausgabe. Herausgegeben von ErnstBehler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner (im folgenden „KA")Bd. 2, S. 182-183.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

Nietzsche und die Frühromantische Schule 61

dem „inbrunstvollen Hektiker Novalis" und dessen Hymnen an die Nacht,ferner einem „Büchlein von üblem Leumund", nämlich Friedrich SchlegelsLucinde verpflichtet war6 — und zwar in der Erfahrung von Dekadenz undTodessehnsucht, die sich in Form und Schönheit transformieren. Für WalterBenjamin bestand in der Technik der unendlichen Reflexion das Motiv, dasNietzsches Denken mit dem der Frühromantiker verband.7 Ricarda Huchund Walter Rehm haben neben vielen anderen Historikern bemerkt, daßFriedrich Schlegel das Phänomen des Dionysischen lange vor Nietzsche in derAntike entdeckt habe. Charles Andler und Rene Wellek wiesen auf entschei-dende Anregungen hin, die Nietzsche für seine Konzeption der Antike auseiner bestimmten Tradition der klassischen Altertumswissenschaft erhielt,' diesich in Deutschland im Anschluß an die Brüder Schlegel entwickelt hatte.Henry Hatfield bezeichnete den Zarathustra als Nachkömmling der Roman-tik, wobei er zweifellos an die Frühromantik und die dort vorherrschendeSuche nach einer neuen Mythologie dachte. Darüber hinaus ist die Verwandt-schaft von Nietzsches Denkstil mit der romantischen Ironie verschiedentlichbetont worden.8

Dies sind nur einige Beispiele aus einer langen Reihe von Hinweisen auf„Vorklänge" der Philosophie Nietzsches in der deutschen Frühromantik.9Selbst ein eingefleischter Nietzschehasser wie Georg Lukäcs würde in einemVergleich Nietzsches mit den Frühromantikern nichts Ungewöhnliches er-blickt haben. Lukäcs hat ja selbst derartige Beziehungen unaufhörlich betont,sogar ein umfangreiches Buch darüber geschrieben — freilich nicht, umNietzsches Verwurzelung im klassisch-romantischen Humanismus nachzu-weisen, sondern um damit Indizien für seine These von der „Zerstörung derVernunft" zu erstellen, d. h. für das Abirren des deutschen Denkens, wieLukäcs meint, in den Sumpf des Irrationalismus, des Faschismus.10

Frappierende Übereinstimmungen in Äußerungen Nietzches und derFrühromantiker lassen sich anführen, die oft bis in Nuancen der Formulie-

6 Thomas Mann, Adel des Geistes. Versuche zum Problem der Humanität, Frankfurt 1967,S. 380-381.

7 Walter Benjamin, Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik, Berlin 1920 (alsDissertation der Universität Bern gedruckt).

8 Ricarda Huch, Die Romantik, 2 Bde. (Leipzig 1924), Bd. l, S. 81-116; Walter Rehm,Griechentum und Goethezeit, 4. Aufl. Bern-München 1968, 255-270; Charles Andler,Nietzsche. Sa vie et sä pensee, 6 Bde., Paris 1920-1931, Bd. 2, S. 220ff.; Rene Wellek,A History of Modern Criticism, Bd. 4, New Haven-London 1965, S. 342; Henry Hatfield,Clashing Myths in German Literature. From Heine to Rilke, Cambridge/Mass. 1974, S. 96;Ernst Behler, ^Nietzsches Auffassung der Ironie", in: Nietzsche-Studien 4 (1975), 1—35.

9 Eva Limmer, Vorklänge der Philosophie Nietzsches bei dem jungen Friedrich Schlegel, Leip-zig (Diss.) 1925.

10 Vor allem in Georg Lukäcs, Die Zerstörung der Vernunft, Berlin 1954, jetzt in Georg LukäcsWerke, Bd. 9, Neuwied 1962. Vgl. ferner Georg Lukäcs, Skizze einer Geschichte der neuerendeutschen Literatur, Neuwied 1963, S. 64-87.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

62 Ernst Behler

rung hineinreichen. Novalis hatte zum Beispiel den Akt des Philosophierensim Gleichnis der Flamme gezeichnet, die sich selbst verzehrt, sich dabei abergleichzeitig erneuert und über sich hinaus wächst. Nietzsche erneuerte diesBild, als er sich selbst in einem bekannten Gedicht als ungesättigte Flammedarstellte, die alles von ihr Erfaßte ins Licht versetzt, das von ihr Preisge-gebene aber als Kohle zurückläßt.11 Friedrich Schlegels Lebensdevise, die er ineinem Brief an Novalis bekundete, nämlich sich „aus eignem Herzen undKopfe" ein Haus erbauen zu wollen, ist in dem Motto zur zweiten Auflageder Fröhlichen Wissenschaft auf selbstgewisse Weise ausgedrückt, wo es heißt:

„Ich wohne in meinem eignen HausHab niemandem nie nichts nachgemacht."12

Ähnlich könnte Schlegels bekanntes Wort über den Historiker als „rückwärtsgekehrten Propheten"13 als Motto für Nietzsches Abhandlung Vom Nutzenund Nachteil der Historie für das Leben gedient haben. Thomas Mannglaubte, den Titel der Fröhlichen Wissenschaft in Schlegels Lucinde vorgebil-det zu finden.14 Schlegels Athenäumsfragment, das den Kritiker als „Leser,der wiederkäut" definiert, der „also mehr als einen Mägen haben" sollte,klingt in der Vorrede zur Genealogie der Moral an, in der sich Nietzsche fürseine Aphorismen Leser wünscht, die „das Lesen als Kunst zu üben" gelernthaben, wozu aber vor allem die Eigenschaft der Kuh, nämlich das „Wieder-käuen" erforderlich sei.15 Für Novalis hob alle lebendige Moralität damit an,„daß ich aus Tugend gegen die Tugend handle", während für Nietzsche unserganzes Tun nur Moralität ist, „welche sich gegen ihre bisherige Form wen-det".16 Nietzsches Verdikt über Schiller als „Moraltrompeter von Säckingen"ist in zahlreichen Äußerungen der Frühromantiker gegen Schiller vorge-bildet.17 Seine Bemerkung über „Kants Philosophie der Hintertüren" und„Schleichwege zur Theologie" erinnert an Friedrich Schlegels Feststellung,daß Kant das höhere Wissen aus der Vordertür seines philosophischenPalastes zunächst herausgestoßen, dann aber durch die „Hintertür" unter der„falschen Maske des Glaubens und der Religion" wieder hereingelassen

11 Novalis Schriften. Herausgegeben von Richard Samuel. Zweite, nach den Handschriften er-gänzte, erweiterte und verbesserte Auflage (im folgenden „Sehr.") Bd. 2, S. 556, Nr. 134.- FW, Scherz, List und Rache, Nr. 62,"

12 Friedrich Schlegel und Novalis. Biographie einer Romantikerfreundschaft. Herausgegebenvon Max Preitz, Darmstadt 1957, S. 43.

13 KA, Bd. 2, S. 176, Nr. 80.14 Adel des Geistes, S. 381. Vgl. auch KA, Bd. 18, S. 293, Nr. 1175.15 KA, Bd. 2, S. 149, Nr. 27. - GM, Vorrede, Aph. 8.16 Sehr., Bd. 2, S. 556, Nr. 134. - GAXIII, S. 125, Nr. 282,17 KA, Bd. 2, S. X. — GD, Streifzüge eines Unzeitgemäßen, Aph. 1.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

Nietzsche und die Frühromantische Schule 63

habe.18 Der Satz aus der Jacobi-Rezension: „Der elastische Punkt, von demJacobis Philosophie ausging, war nicht ein objektiver Imperativ, sondern einindividueller Optativ",19 könnte direkt von Nietzsche stammen. In einem invieler Hinsicht interessanten Fragment hatte Schlegel gesagt: „Ein recht freierund gebildeter Mensch müßte sich selbst nach Belieben philosophisch oderphilologisch, kritisch oder poetisch, historisch oder rhetorisch, antik odermodern stimmen können, ganz willkürlich, wie man ein Instrument stimmt,zu jeder Zeit, und in jedem Grade". Wie in einer Parodie dieses Fragmentsspricht Nietzsche in Jenseits von Gut und Böse von der Historie als der„Vorratskammer der Kostüme", dem „Wechsel der Stil-Maskeraden", wassich freilich bei ihm mit der Einsicht verbindet, „daß uns ,nichts steht'".„Unnütz", meint er, „sich romantisch oder klassisch oder christlich oderflorentinisch oder barokko oder »national' vorzuführen... es , kleidet nicht'!"20

Das Verzeichnis dieser überraschenden Parallelen ließe sich beliebig ver-längern und mit Begriffen wie „logisches Gewissen", der Einheit vonPhilosophie und Kunst oder Grammatik, Pantheismus als Nihilismus, Dop-pelgänger, Übermensch, großer Mittag, neue Mythologie, Philosophie desLebens, oder der Verflochtenheit von Lust und Schmerz ausführen.21 DerAltphilologe Karl Joel hat 1905 ein umfangreiches Buch über Nietzsche unddie Romantik verfaßt, das größtenteils aus solchen Zusammenstellungen be-steht.

Wie interessant derartige Parallelen auch sind: in dieser bloß äußerlichenNebeneinanderstellung bleiben sie an der Oberfläche, sie wirken bestenfallssensationell und lassen noch lange keine denkerische Verbindung zwischenNietzsche und der Frühromantik erkennen. Diese kann erst durch einenVergleich der sich hier begegnenden denkerischen Positionen erwiesen wer-den. Man wird auch sofort zugestehen müssen, daß manche Übereinstim-mungen wie die im Bild des wiederkäuenden Kritikers, im Gleichnis der sichverzehrenden und erneuernden Flamme* oder im Begriff der fröhlichenWissenschaft sich aus älteren Überlieferungen herleiten. Wir wissen z. B., daßdie Konzeption der fröhlichen Wissenschaft im Topos des „gai saber" derspanischen und französischen Troubadoure vorgebildet ist und dort die fürNietzsche und die Frühromantiker ähnliche Bedeutung einer kunstmäßigen,artistischen Erkenntnisauffassung hat. Walter Kaufmann hat darüber hinauscharakteristische Konfigurationen dieses Begriffs bei Nietzsche aus EmersonsDenken nachgewiesen.22 Goethes Gedicht Selige Sehnsucht zeichnet mit dem

18 KA, Bd. 8, S. 442, 588; Bd. 10, S. 438. - GD, Streifzüge eines Unzeitgemäßen, Aph. 16.19 KA, Bd. 2, S. 69.20 KA, Bd. 2, S. 154, Nr. 55. - JGB, Aph. 223.21 KA, Bd. 10, S. 528-529; KA, Bd. 18, S. 179, Nt 635; S. 193, Nr. 797.22 Friedrich Nietzsche, The Gay Science, translated, with commentary, by Walter Kaufmann,

New York 1974, S. 7-13 (Translators Introduction).

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

64 Ernst Behler

Motto des „Stirb und Werde" ein Bild der Flamme, das dem von Novalis undNietzsche analog ist. ; r

Die Frühromantische Schule und Nietzsches Romantikbild

Der stärkste Einwand, der sich gegen derartige Beziehungssetfcungenerhebt, besteht neben der methodologischen Ungesichertheit solcher Ver-gleiche aber gewiß in den wilden Diskriminierungen, in denen sichNietzsche unablässig gegen die Romantik erging* in seiner Geißelung derRomantik als Symptom niedergehenden Lebens, womit sich bei ihm einemphatischer Preis der Klassik als eines für ihn absoluten Weites verband.Bekanntlich sah sich Nietzsche in einem Feldzug gegen die Romantik be-griffen, den er als eine der entscheidendsten Aufgaben seines Zeitalters be-trachtete. In scharfer Zuspitzung dieser Opposition rechnete Nietzsche seinen„Kampf gegen die Romantik" sogar unter seine „fünf Neins" und erblicktein der Romantik die Feindschaft gegen alles von ihm Bevorzugte, nämlich !!J!j„die Feindschaft gegen die Renaissance . . . gegen das antike Wertideal; gegen J;die dominierende Geistigkeit; gegen den klassischen Geschmack, den ein-fachen, den strengen, den großen Stil·*.23 Man kann vielleicht sagen, daß esihm darum ging, die Romantik aus dem europäischen Bewußtsein auszu-löschen und die Uhr der Geschichte zurückzustellen — zunächst auf das Zeit-alter der Aufklärung, dann auf die Renaissance und schließlich auf die Epocheder dionysischen Klassik. jj

Gewiß ließe sich hier erwidern, daß Nietzsches Verhältnis zur Romantik |viel komplexer war, daß die Romantik für ihn — ähnlich wie für Heine — !etwas darstellte, von dem er sich wie von einem süßen Gift verzweifelt los- fzureißen suchte, ohne dies jedoch völlig bewerkstelligen zu können.24 Von jhier aus betrachtet erschiene dann Nietzsches „Kampf gegen die Romantik" j ; jund sein nachdrückliches Bekenntnis zur Klassik wie eine gegen die eigenen }j|Inklinationen vertretene Selbstbehauptung, vor allem wenn man seine ein-drucksvollen Analysen von Krankheit und Dekadenz ins Auge faßt. In derTat, liest man Nietzsches Feststellungen über seine Loslösung von der Roman-·tik genauer, dann erheben sich bald Zweifel an der Verbindlichkeit dieser

23 KGW VIII 2, S. 119-120, Nr. 10 [2]. Vgl. Peter Heller, Von den ersten und den letztenDingen. Studien und Kommentar zu einer Aphorismenreihe von Friedrich Nietzsche (Mono-graphien und Texte zur Nietzsche Forschung, Bd. 1), Berlin 1972, S. 299^-319 undErnst Behler, „Nietzsche'* Chdllenge to Romantic Humanism", in: Canadian Review ofComparative Literature 4 (1977), im Druck.

24 Vor allem in der Epoche von Menschliches, Allzumenschliches. Vgl. besonders die nachträg-lichen Vorreden zu diesem Werk sowie die aus demselben Jahr (1886) stammenden nach-träglichen Vorreden zu GT und FW.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

Nietzsche und die Frühromantische Schule 65

antiromantischen Attitüde, und der Eindruck entsteht, daß er sehr wohl umdie romantischen Züge seiner Natur wußte, aber sich dagegen auflehnte undwehrte. Die „antiromantiscbe Selbstbehandlung" und Kur der Selbstwiederher-stellung aus der Epoche von Menschliches, Allzumenschliches veranlaßte ihn zuder Bemerkung: „Mißtrauisch gegen mich, nahm ich, nicht ohne Ingrimm,dergestalt Partei gegen mich und für alles, was gerade mir wehe tat und hartfiel". Aber er fragte sich auch: „Was tun, um diese größte Entbehrung aus-zuhalten?" Ja, in bezug auf die antiromantisch gefärbte Betonung der klassi-schen Stärke und Fülle meinte Nietzsche sogar: „Einem feineren Auge undMitgefühl wird es trotzdem nicht entgehen, was vielleicht den Reiz dieserSchriften ausmacht, — daß hier ein Leidender und Entbehrender redet, wieals ob er nicht ein Leidender und Entbehrender sei".25

Meiner Ansicht nach stellen sich diese komplizierten Interpretations-probleme in bezug auf den Vordergrund und die hintergründige Bedeutungder Aussage in Nietzsches Verhältnis zur frühromantischen Schule aber garnicht. Ich bin vielmehr der Auffassung, daß er die Frühromantiker gar nichtmit dem Schmähwort Romantik bezeichnet hat, daß diese frühe Sonderformder deutschen Romantik in Nietzsches Bild der Romantik eigentlich nichteinbegriffen war, ja aus seinem besonderen Blickwinkel überhaupt nicht indiesen Rahmen paßte.26

Sieht man sich Nietzsches historisches Bild der Romantik daraufhin ein-mal kurz an, dann kennzeichnet sich dieses durch eine breite europäische,keineswegs auf Deutschland beschränkte Betrachtungsweise. Nach seiner Auf-fassung steht an ihrem Anfang Rousseau, jene „Moral-Tarantel", die nochKant gebissen hat und mit dem der große Entscheidungskampf des 18. Jahr-hunderts zwischen Vernunft und Gefühl zugunsten der „Leidenschaft" unddes „Sensualismus im Geistigen" entschieden wurde.27 Von dieser „Roman-tik a la Rousseau" setzt sich diese Bewegung in Nietzsches Sicht dann inrascher Folge über die ihm buntscheckig erscheinenden Romantiker „in demersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts in Deutschland", in die Romantik der„dreißiger Jahre" und von dort sogar bis zu George Sand und Delacroixfort.28 Wenn in diesem meist ohne Namen konzipierten Panorama der25 MA II, Vorr., Aph. 2, 4, 3, 5.26 Elrud Kunne-Ibsch, Die Stellung Nietzsches in der Entwicklung der modernen Literatur-

Wissenschaft^ Assen 1972, S. 174, 180; Karl Joel, Nietzsche und die Romantik, Jena-Leipzig1905, S. 158-159.

27 M, Vorr., Aph. 3; KGW VIII 2, S. 111, Nr. 9 [184]; S. 122, Nr. 10 [5]; S. 67, Nr. 9 [116];S. 76, Nr. 9 [131]; S. 189, Nr. 10 [116]; S. 373-374, Nr. 11 [312].

28 DS, Aph. 2. Zu Nietzsches Bild von der Romantik vgl. vor allem Elrud Kunne-Ibsch,Die Stellung Nietzsches in der Entwicklung der modernen Literaturwissenschaft, S. 166—192.Ferner Norbert Langer, Das Problem der Romantik bei Nietzsche, Münster 1929; IngeborgBeithan, Friedrich Nietzsche als Umwerter der deutschen Literatur, Heidelberg 1933; W. D.Williams, Nietzsche and the French, Oxford 1952.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

66 Ernst Hehler

Romantik gelegentlich Autoren und Künstler genannt werden, dann trittneben den beiden Hauptrepräsentanten, Schopenhauer rund Richard Wagner,vor allem Victor Hugo in Erscheinung. England bleibt beinahe unberück-sichtigt, weil es in Nietzsches musikalische und pessimistische Konzeptionder Romantik nicht paßt. Autoren wie Shelley, Stendhal, Leopardi, Heine,Emerson, die wir als eminente Repräsentanten der Romantik auffassen,wurden von Nietzsche offenbar nicht als Romantiker angesehen. Byron wirdvon ihm sogar mit Triumph als Kronzeuge gegen das „falsche System" derRomantik angeführt.29 Auffallend in diesem Bild ist auch die Sonderstellung,die Nietzsche — wie vor ihm Heine und nach ihm Georg Brandes30 — derfranzösischen Romantik einräumt als dem „Sitz der geistigsten und raffinier-testen Kultur Europas", als einer „Hingebung an die ,Form% für welche dasWort Vart pour , neben tausend arideren, erfunden ist".31

Bei der deutschen Ausprägung der Romantik dachte Nietzsche aberhauptsächlich an das, was wir gewöhnlich als Spätromantik bezeichnen, alsoan Repräsentanten, deren Bemühung seinen Worten nach dahin ging, „ältereprimitive Empfindungen und namentlich das Christentum, die Volksseele,Volkssage, Volkssprache, die Mittelalterlichkeit, die orientalische Ästhetik,das Indertum zu Ehren bringen".32 Dieser Tatbestand kommt in den pro-minentesten Aphorismen, die Nietzsche der deutschen Literaturgeschichte ge-widmet hat, klar zum Ausdruck. Er erwähnt darin, daß Deutschland durchdie romantische „Entfesselung" zwar in den Genuß der „Poesien aller Völker"gebracht wurde, indem „alles an verborgenen Stellen Aufgewachsene, Ur-wüchsige, Wildblühende, Wunderlich-Schöne und Riesenhaft-Unregel- "*mäßige, vom Volksliede an bis zum ,großen Barbaren* Shakespeare hinauf" ]wiederentdeckt wurde, diese „hereinbrechende Flut von Poesien aller Stile" !aber „allmählich das Erdreich hinwegschwemmen" ließ und die Dichter zu„experimentierenden Nachahmern" machte.33 Es klingt fast wie die Variation ?

eines satirischen Abschnittes aus Heines Romantischer Schule, wennNietzsche die „ganze Bewegung der Romantik" aus dem Motiv der „Toten- jErweckungen" zu verstehen sucht, d. h. als Bemühung auffaßt, die Ver-

29 MAI, Aph. 221.30 Heinrich Heine, Die romantische Schule, in: Sämtliche Werke. Herausgegeben von Ernst

Elster, Bd. 5, S. 216-217, 346. Vgl. hierzu Reinhoid Grimm, Zur Vorgeschichte desBegriffs ,Neuromantik'9 in: Das Nachlehen der Romantik in der modernen deutschenLiteratur, Heidelberg 1969, S. 32ff. Georg Brandes, Die romantische Schule in Deutschlandund Die romantische Schule in Frankreich, Bde. 2 und 5 von Die Hauptströmungen derLiteratur des neunzehnten Jahrhunderts, 6 Bde., Charlottenburg 1900.

31 JGB, Aph. 254. Diese Bevorzugung wird aber gelegentlich wieder zurückgenommen: WA,Aph. 8.

32 M, Aph. 197.33 MAI, Aph. 221.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

Nietzsche und die Frühromantische Schule 67

gangenheit wieder zum Leben zu rufen.34 Auch die „Beschäftigung mit demdeutschen Märchen", das von Gelehrten „alten Weibern" abgelauscht wurde,gehört in diesen Zusammenhang. „Die ganze deutsche Romantik war eineGelehrtenbewegung", sagt Nietzsche, „man wollte gern ins Naive zurück,und wußte, daß mans so gar nicht war".35 Auch in diesen Skizzen operiert ermeist ohne Namen. Dieser Umstand tritt eindrucksvoll in einem Aphorismusder Nachlaßschriften zutage, in dem Nietzsche im Kpntrast zur Romantikstarke Tendenzen in der Dichtung des 19. Jahrhunderts herausarbeitet, denbiedermeierhaften Stifter und Gottfried Keller als „Zeichen von mehr Stärke,innerem Wohlsein" anführt — aber aus dem Stegreif keinen Romantiker alsKontrast zu nennen weiß und diese Lücke mit Gedankenstrichen ausfüllt.36

Aus dem Angeführten geht wohl zur Genüge hervor, daß dies Bild derdeutschen Romantik zwar spätromantische Tendenzen erfaßt, aber wenigmit den Repräsentanten der frühromantischen Schule zu tun hat. Offenbarhat Nietzsche die Frühromantiker, wie auch Hölderlin, gar nicht als Roman-tiker angesehen, und wenn er sie gelegentlich erwähnt, scheint ihm ihre Ver-bindung mit der romantischen Bewegung nicht zum Bewußtsein gekommenzu sein. Man wird auch sofort zugestehen müssen, daß es sich bei dieser erstenromantischen Schule mit ihrem revolutionären Messianismus der Kunst undder Humanität um eine Sonderform der Romantik gehandelt hat, die zudemnur während weniger Jahre, eigentlich nur während des kurzen Zeitraumsvon 1795-1800 bestand.

Dieser Eindruck bestätigt sich, wenn man versucht, Nietzsches gene-rellen, typologischen Begriff der Romantik auf die Geisteshaltung der Früh-romantiker zu beziehen. Meiner Ansicht nach setzt sich Nietzsches allge-meine Konzeption der Romantik aus drei Attributen zusammen, die in derRomantikauffassung des 19. Jahrhunderts vorherrschend geworden sind,ja noch lange darüber hinaus, beinahe bis in unsere Zeit das Verständnisder Romantik beeinträchtigt haben. Das erste dieser Kennzeichen besteht inder Gleichsetzung der Romantik mit Krankheit, Verfall und leitet sich voneinem häufig zitierten Goethewort von 1826 her, das lautet: „Das Klassischenenne ich das Gesunde, und das Romantische das Kranke."37 Der Prototypfür diese sich zersetzende, kranke und dekadente Form der Romantik ist dertodessehnsüchtige Novalis gewesen, den nicht nur Goethe in verschiedenenStellungnahmen, sondern auch Hegel in der Phänomenologie des Geistes und

34 M, Aph. 159. - Heinrich Heine, Die romantische Schule, 353-355.35 KTA 10, S. 124-125, Nr. 287.36 KGW VIII 2, .S. 120, Nr. 10 [2].37 J. P. Eckermann, Gespräche mit Goethe, Leipzig 1925, S. 263—264. Auch in Maximen und

Reflexionen: Jubiläumsausgabe, Bd. 38, S. 283.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

68 Ernst Hehler

Heine in der Romantischen Schule so gezeichnet zu haben.38 Nietzsche hat dieseGleichsetzung von Romantik und Krankheit übernominen und mit der ihmeigenen Vehemenz in seinen Gegenüberstellungen von Klassik und Romantikbis zum äußersten gesteigert.39 Er kannte z. B. Goethes Briefwechsel mitZelter,40 wie auch wahrscheinlich die Darstellungen Hegels und Heines. Inseinem Portrait der an der Verarmung des Lebens Leidenden ist aber erstaun-licherweise nicht Novalis das Modell — im Gegenteil: Bei der Zergliederungreligiöser Phänomene und dem Aufweis des Zusammenwirkens von Wollustund Selbstquälerei im religiösen Erlebnis zitiert er Novalis als „eine derAutoritäten in Fragen der Heiligkeit" und meint, daß dieser „das ganzeGeheimnis einmal mit naiver Freude" ausspreche, nämlich: „Es ist wunder-bar genug, daß nicht längst die Assoziation von Wollust, Religion undGrausamkeit die Menschen aufmerksam auf ihre innige Verwandtschaft undgemeinschaftliche Tendenz gemacht hat".41

Das zweite Merkmal in diesem Klischeebegriff der Romantik ist mit derAuffassung der Romantik als Zersetzung der Vernunft gegeben, wie sie Hegelin seiner Bestimmung des Romantikers als freischwebender, bindungsloserund unverantwortlicher Subjektivität entwickelte. Bekanntlich hat der jungeFriedrich Schlegel, der Theoretiker der romantischen Ironie und Autor derLucinde, für dies Bild der Romantik Modell gestanden.42 Die These, daß sichdie Romantik „gegen Vernunft, Aufklärung, Geschmack, achtzehntes Jahr-hundert" aufgelehnt habe, ist ebenfalls ein vorherrschendes Kennzeichen inNietzsches Romantikbild, das er freilich nicht mit Schlegel, sondern mitRousseau und dessen Nachfolgern illustrierte.43 Das ,jSchweben" derSchlegelschen Ironie und dessen unendliche Selbstbespiegelung in der Re-flexion ist vielmehr ein zentrales Motiv in Nietzsches eigenem Denken ge-wesen und bestimmt sein „Verlangen nach immer neuer Distanzerweiterunginnerhalb der Seele selbst, die Herausbildung immer höherer, seltenerer,fernerer, weitgespannterer, umfänglicherer Zustände".44 Dieser Bezug zur

38 Zu Goethe vgl. Hans-Joachim Mahl, Goethes Urteil über Novalis, in: Jb. des FreienDeutschen Hochstifts 1967, 130-270. Hegel, Jubiläumsausgabe, Bd. 19, 644 (unter demTitel der „schönen Seele", ähnlich in der Phänomenologie des Geistes; Bd. 2, S. 484);Heine, Die romantische Schule, S. 302—306.

39 Besonders in FW, Aph. 370.40 Vgl. Walter Kaufmann, Nietzsche. Philosopher, Psychologist, Antichrist, 3. Aufl. New York

1968, S. 380. Der Aphorismus 3 aus Der Fall Wagner ist wahrscheinlich ein auf Wagnerbezogener Reflex aus Goethes Brief an Zelter vom 20. Oktober 1831: Gedenkausgabe vonErnst Beutler, Bd. 21, S. 1012-1015.

41 MA I, Aph. 142.42 Jubiläumsausgabe, Bd. 7, 217, 222-223; Bd. 12, S. 100-103; Bd. 19, S. 642. Vgl. hierzu

Ernst Behler, Friedrich Schlegel und Hegel, in: Hegel-Studien 2 (1963), S. 203-250.43 KGW VIII2, S. 76, Nr. 9 [132]; S. 85, Nr. 9 [146]; S. 112-113, Nr. 9 [184]; S. 119, Nr. 10 [2].44 JGB, Aph. 257.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

Nietzsche und die Frühromantische Schule 69

romantischen Ironie bekundet sich auch in Nietzsches Kunstideal, wie es ineinem der wenigen Aphorismen zu diesem Thema bestimmt ist, nämlich als„eine spöttische, leichte, flüchtige, göttlich unbehelligte, göttlich künstlicheKunst . . . eine Kunst für Künstler, nur für Künstler! . . . Eine übermütige,schwebende, tanzende, spottende, kindische und selige Kunst".45

Das dritte Ingredienz in diesem Romantikbild leitet sich von HeinrichHeines These her, es habe sich bei der Romantik ausschließlich um eine ander Vergangenheit orientierte Bewegung gehandelt, die in katholischen Kleri-kalismus und fortschrittsfeindlicher Reaktion versunken sei, wobei die zen-tralen Aufgaben der Zeit und der Zukunft verspielt wurden.46 Die von Heinebetonten reaktionären Tendenzen der Romantik werden von Nietzsche als„Haß gegen Jetztzeit'", als „wütende Entschlossenheit gegen alles was, jetzt* ist" gedeutet, und das den Romantikern vorgeworfene christliche Endebestimmt Nietzsche als das übliche „Romantiker-Finale", nämlich als„Bruch, Zusammenbruch, Rückkehr und Niedersturz vor einem alten Glau-ben, vor dem alten Gotte".47 Der Prototyp für diesen Zusammenbruch ist beiNietzsche aber nicht, wie es in der kritischen Literatur des 19. Jahrhundertsgang und gäbe war, der zum Katholizismus konvertierte Friedrich Schlegel,sondern — Richard Wagner. Mit Erstaunen liest man in Menschliches, Allzu-menschliches einen Keine Natur macht Sprünge betitelten Aphorismus, derSchlegelinterpreten wie Josef Körner und Günther Müller direkt zum Mottohätte dienen können, als sie sich gegen die Tendenz auflehnten, SchlegelsLebenstage mit Beginn seiner Konversion neu zu zählen. Es heißt dort:„Wenn der Mensch sich noch so stark fortentwickelt und aus einem Gegen-satz in den ändern überzuspringen scheint: bei genaueren Beobachtungenwird man doch die Verzahnungen auffinden, wo das neue Gebäude aus demälteren herauswächst. Dies ist die Aufgabe des Biographen: er muß nach demGrundsatz.über das Leben denken, daß keine Natur Sprünge macht".4?

Insgesamt betrachtet scheint Nietzsche den Vertretern der frührömanti-schen Schule gegenüber eine für die damalige Zeit ungewöhnlich positiveHaltung eingenommen zu haben, was um so erstaunlicher ist, als damals dieantiromantische Kampagne zum Siedepunkt gelangt war. In Nietzsches Bildder deutschen Literatur scheint sich bereits jene Linie von Lessing zu Goethe,Schiller, den Friihromantikern, Heine, ja bis zu ihm selbst abzuzeichnen, die

45 FW, Vorrede, Aph. 4; FW, Aph. 107.46 Die romantische Schule, S. 217. Heine entwickelte diese Sehweise der Romantik im An-

schluß an deren „Großinquisitor" Johann Heinrich Voß: VgL Ernst Behler, KritischeGedanken zum Begriff der europäischen Romantik, in: Die Europäische Romantik, Frank-furt 1972, S. 7-43, bes. S. 23-26.

47 GT, Versuch einer Selbstkritik, Aph. 7.48 WS, Aph. 198.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

70 Ernst Hehler

später von einigen Historikern unter Einbeziehung Thomas Manns in dieseReihe auch klar ausgesprochen wurde.49 . ' f

Nietzsches Bekanntschaft mit der Frühromantik

Bevor ein Vergleich der Denkweisen Nietzsches und der Frühromantikerversucht werden soll, muß zunächst die notorische Frage der Literaturkritikbeantwortet werden, was Nietzsche denn tatsächlich von den Repräsentantender frühromantischen Schule gewußt hat. Der Umstand, daß er sich in seinenSchriften und Briefen nur selten auf die Frühromantiker bezieht, legt denEindruck nahe, daß er mit diesen Autoren kaum vertraut war. Aber bereitsCharles Andler vertrat die Auffassung: „II faut rompre avec cette apprehen-sion".50

Dabei ist zunächst an Nietzsches frühe Ausbildung auf Schulpforta zudenken, jener Eliteschule in der klassischen Altertumskunde und den Huma-niora, auf der auch der Name Schlegel in hohem Ansehen stand.51 Während infrüheren Jahren dort das Deutsche zugunsten der klassischen Fächer fastvöllig vernachlässigt wurde, bildete das Studium der neueren deutschenLiteratur zur Zeit Nietzsches einen bedeutenden Bestandteil im Curriculumvon Schulpforta. Nietzsches Lehrer in der deutschen Literaturwissenschaftwar der Autor der damals umfassendsten Geschichte der deutschen National-literatur, August Koberstein, der gleichzeitig als einer der bedeutendstenHistoriographen der romantischen Schule gilt, der Novalis besonders zugetanwar, die von Schiller verspottete „Gräkomanie" Friedrich Schlegels ver-teidigte und persönliches Interesse an Nietzsches Ausbildung nahm.52 Derjunge Nietzsche beschäftigte sich damals eingehend mit der neueren deut-schen Literatur und studierte u. a. Gervinus und Hettner, d. h. Literatur-historiker, die sich ebenfalls um die Erforschung der romantischen Schuleverdient gemacht haben.53 In Schulpforta befaßte sich Nietzsche auch mitFichte und neigte, wie die Frühromantiker, zu einer artistischen Auslegung

49 Z.B. H. Lehnen, Heine, Schiller·, Nietzsche und der junge Thomas Mann, in: Neophil.48 (1964), S. 51-56; Hannah Spencer, Heine and Nietzsche, in: Heine-Jahrbuch 11 (1972),126—161; Diana Behler, Lessing's Legacy to the Romantic Concept of the Poet-Priest, in:Lessing Yearbook 4 (1972), S. 67-93.

50 Charles Andler, Nietzsche. Sa vie et sä pensee, Bd. 2, S. 220.51 Karl Joel, Nietzsche und die Romantik, S. 347.52 Ebd. — Charles Andler, Bd. 2, S. 50. Siehe August Koberstein, Geschichte der deutschen

Nationalliteratur, Bd. 4, Leipzig 1873, S. 440, 734ff. - Vgl. Reiner Bohley, Über dieLandesschule zur Pforte, in: Nietzsche-Studien 5 (1976), S. 306.

53 Norbert Langer, Das Problem der Romantik bei Nietzsche, S. 22.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

Nietzsche und die Frühromanüsche Schule 71

Ficht es, weil er, wie man bemerkt hat, für den Idealismus Fichtes zu„romantisch" war.54

Während der Schulferien bei einem Verwandten in Jena, der dort Ober-bürgermeister war, kam der junge Nietzsche in das Zentrum des Romantiker-kreises, wo er sich nicht nur die „Wohnungen berühmter Männer** ansah,sondern in der Bibliothek des Onkels auch — weit vor der Entdeckung durchdie Forschung — die Werke des Novalis studierte, von dem er meinte, daß„dessen philosophische Gedanken mich interessieren".55 Später vertiefteNietzsche dies Studium und wußte u* a. auch vom „Haß des Novalis gegenGoethe*% den er als einen Widerwillen gegen alles auslegte, was „zu gesund,zu robust, campagnardise" war.56 Ob Nietzsche den 1865 von WilhelmDUthey noch mitten in der antiromantischen Reaktion verfaßten Novalis-aufsatz kannte, muß fraglich bleiben. Doch ist bezeugt, daß sich Nietzscheder Lektüre von Rudolf Hayms 1870 erschienenem Werk Die romantischeSchule widmete und daraus den von Tieck stammenden Begriff des „Bil-dungsphilisters" entlehnt haben soll.57

Mit Beginn seines akademischen Studiums geriet Nietzsche unter denEinfluß von Friedrich Ritschi, seinem Lehrer in den klassischen Altertums-wissenschaften, der in Bonn noch mit August Wilhelm Schlegel in regemakademischen Verkehr gestanden hatte.58 Nietzsche besuchte Schlegels Grabim Herbst 1864.59 Ritschi bekannte sich offen zu Friedrich Schlegel undCreuzer, und von seiner Konzeption der griechischen Literatur hat man ge-sagt: „das ist das Programm Friedrich Schlegels".60 Im weiteren Verlaufdieses Studiums entwickelte sich in Leipzig Nietzsches Freundschaft mitErwin Rohde, und er begegnete mit ihm einem Mann, „der die deutschenRomantiker als seine Geistesverwandten fühlte und würdigte".61

Während der Basler Vorlesungstätigkeit setzte sich Nietzsche eingehendmit den altertumswissenschaftlichen Arbeiten der Brüder Schlegel ausein-ander, wie zahlreiche Bemerkungen in der Einleitung zu den Vorlesungenüber Sophocles Oedipus Rex von 1870, in dem Vortrag über Das griechische

54 Alois Riehl, Friedrich Nietzsche, Stuttgart 1897, S. 159f.ss SA III, S. 69.56 MusA XVII, S. 367.57 Karl Joel, Nietzsche und die Romantik, S. 352, Nr. 40.58 Otto Ribbeck, Friedrich Wilhelm Ritschi. Ein Beitrag zur Geschichte der Philologie, 2 Bde.,

Leipzig 1879, Bd. 2, S. 13-14, 72, 476-477. - Briefe von und an August WilhelmSchlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner, 2 Bde., Zürich-Leipzig-Wien 1930,Bd. l, S. 540, Bd. 2, S. 247, 340.

59 KGB I 2, S. 15.60 Ernst Howald, Friedrich Nietzsche und die klassische Philologie, Gotha 1920, S. 3. Vgl.

Friedrich Ritschi, Opuscula Philologica, Bd.* 5 (Leipzig 1879), S. 152-153.61 Karl Joel, Nietzsche und die Romantik, S. 71; Charles Andler, Nietzsche, Bd. 2, S. 220.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

72 Ernst Behler

Musikdrama von 1870 und auch in der Geburt der Tragödie von 1871 bezeu-gen.62 Nachdem Nietzsche in diesem zuletzt genanntenrWerk die SchlegelscheDeutung des tragischen Chors als „idealischer Zuschauer" zunächst wegenihrer „germanischen Voreingenommenheit für alles, was ,idealischc ist",abgelehnt hatte, suchte er das Schlegelsche Wort „in einem tieferen Sinne" zuerschließen.63 Dabei entwickelte er mit der Interpretation des Chors als„Selbstbespiegelung des dionysischen Menschen" eine Theorie, die, wie nochzu zeigen sein wird, näher an den wirklichen Sinn der von August WilhelmSchlegel, vor allem aber von dessen Bruder vertretenen Auffassung desChores herankam. In seinen Vorlesungen über die griechische Literatur von1874—1876 wies Nietzsche die von Friedrich Schlegel entwickelte Ansichteiner natürlichen Evolution der griechischen Gattungeil zurück, weil für ihndie Geschichte irrational, unvorhersehbar war.64 Dabei handelt es sich umeine Auseinandersetzung, die, wie ebenfalls noch zu zeigen sein wird, fürNietzsches Verhältnis zum frühromäritischen Denken zentral ist. NietzschesVorarbeiten zu seinem ersten größeren Werk, der Geburt der Tragödie,zeigen nach den Berichten der Editoren der Müsarionausgabe, „wie tiefNietzsche das griechische Problem nahm und wie weit er schon frühzeitig !über eine rein philologisch-wissenschaftliche Behandlung des griechischenAltertums hinausstrebte." Dabei nahm er sich besonders das Wort FriedrichSchlegels zu Herzen: „Jeder hat noch in den Alten gefunden, was er brauchteund wünschte; vorzüglich sich selbst".65

Die Philosophie der Tragödie

In bezug auf die Gemeinsamkeiten im Griechenlandbild Nietzsches undder Frühromantiker denkt man gewöhnlich daran — und es gibt eine aus-führliche Literatur darüber —, daß Friedrich Schlegel Nietzsches dionysischeSeh weise der griechischen Welt vorweggenommen habe und beinahe ein Jahr-hundert vor Nietzsche Konzeptionen über den orgiastischen Untergrund der

62 MusA II, S. 249, 253, 273 (Einleitung zu den Vorlesungen über Sophocles Oedipus Rex,1870). - KGW III 2, S. 15-16 (Das griechische Musikdrama}. - GT, Aph. 7und 8.

63 GT, Aph. 7 und 8.64 GA XVIII, S. 1-198, bes. S. 169. Vgl. Rene Wellek, A History of Modem Criticism, Bd. 4,

S. 599.65 Friedrich Schlegel, KA, Bd. 2, S. 189 (Athenäumsfragment 151). MusA III, S. 393.

Dieser Bericht der Editoren wurde mir von Mazzino Montinari bestätigt, der michzudem darauf hinwies, daß Nietzsche sich einer eingehenden Lektüre des BriefwechselsSchiller-Körner widmete, in dem Friedrich Schlegels Arbeiten zur griechischen Literaturkritisch erörtert sind. Albert Levy, Stirner et Nietzsche, 1909, verzeichnet im Appendix,S. 93—113 die Werke, die sich Nietzsche aus der Basler Bibliothek für die Geburt derTragödie auslieh.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

Nietzsche und die Frühromantische Schule 73

griechischen Schönheit entwickelte, für die Nietzsche später berühmt wurdeund die einen Einsturz des Winckelmannschen Griechenlandbildes mit sichbrachten. In dieser These steckt ein wahrer Kern, aber die äußerliche, an derOberfläche bleibende Nachforschung kann sich nur auf wenige paralleleZitate stützen, wobei zudem berücksichtigt werden muß, daß die Konzeptiondes Dionysischen als ekstatische Schöpferkraft und rauschhafte Auflösung desIndividuums eine weitreichende Vorgeschichte in der deutschen Literatur hat,die Hamann, Herder, Hölderlin, Novalis, vor allem aber Schelling, Creuzer undBachofen umgreift — um nur die wichtigsten Namen zu nennen.66

Die Besonderheit der Schlegelschen Auffassung des Dionysischen gegen-über Nietzsche besteht zunächst darin, daß Schlegel die Besessenheit undindividuelle Entgrenzung des Dichters aus der Platonischen Inspirations-theorie über den göttlichen Wahnsinn herleitete. Die Regung der dichteri-schen Natur ging für Schlegel aus der „Ahndung des Unendlichen", dem „le-bendigen Bild unbegreiflicher Allmacht" hervor, das den Menschen zuerstmit „wildem Entsetzen" erfüllt und wie betäubt niederwirft, dann aber zuOrgiasmus und festlicher Raserei anreizt. Dieser ekstatische Überschuß wirdjedoch durch eine gegenwirkende, selbstkritische und begrenzende Kraft inForm und Gestalt gebracht.67 Wollte man diese beiden aufeinanderwirkendenKräfte von aufschäumendem Enthusiasmus und selbstkritischer Skepsis mitden Namen Dionysos und Apollo bezeichnen, dann wären diese im klassi-schen Sinn von Leier und Pfeil, Mythos und Kritik, Inspiration und Zucht zuverstehen — und könnten ebenfalls als die Pole gedeutet werden, zwischendenen sich die romantische Ironie bewegt.68 Das Auftreten dieses komplexenKunsttriebes setzte Schlegel aber erst spät, als „entschieden nachhomerisch"an. Er sah damit eine ganz „neue Bildungsstufe", einen „Schritt in eine neueWelt" gegeben.69

In seiner ästhetischen Ausdeutung des Dionysosmythos lehnte Nietzscheeine derartige „Begrifflichkeit" aber ab und suchte demgegenüber zu dentiefsten und ursprünglichsten Stufen der griechischen Religion vorzudringen,den „tiefsinnigen Geheimlehren" der griechischen Kunst, wie sie — deut-licher als im Begriff — in den Gestalten der Götterlehre zum Ausdruckkommen.70 Ohne freilich genauer zu erklären, wie die Apollinische Traum-welt der Bühne und Handlung mit der dionysischen Welt des Satyrchorseigentlich zusammenkommen, projezierte er oder visionierte er, wie man66 Eine Zusammenfassung gibt Max L. Baeumer, Das Dionysische—Entwicklung eines literari-

schen Klischees, in: Colloquia Germanica 3 (1967), S. 253—262.«7 KA, Bd. l, S. 399-403.68 Vgl. Ernst Behler, Klassische Ironie — Romantische Ironie -Tragische Ironie. Zum Ur-

sprung dieser Begriffe (Darmstadt 1972), 65-98. Zu Leier und Pfeil, S. 73-74.69 KA, Bd. 1,5.411.70 GT, Aph. l, 17.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

74 Ernst Hehler

gesagt hat,71 das Symbol der schwellenden und zeugenden Naturkraft,Dionysos, in die Genesis der griechischen Tragödie hinein. Dabei gestand erspäter freilich zu, daß der Name Dionysos aus „Mangel" und nicht „ohneeinige Freiheit" gewählt wurde, sogar mit einem „Fragezeichen" zu versehensei.72 Dies ist aber im wesentlichen Nietzsches ästhetische Ausdeutung desDionysosmythos: die großen Gestalten der griechischen Bühne, Prometheusund ödipus z. B., sind nur Masken des Dionysos und stellen in einer Vielheitvon Gestalten individuelle Objektivationen jenes Urseins des Lebens dar, mitdem sie im tragischen Zerbrechen wieder eins werden.73

Wir halten uns hier nicht damit auf, daß Nietzsche nur wenige Gestaltender griechischen Bühne für seine Interpretation der Tragödie zu nennenweiß — eine Interpretation, die heutzutage in den Vereinigten Staaten vorallem von Gerald Eise heftig kritisiert wird.74 Schlegel war, jedenfalls in seinerFrühzeit, ein zu guter Philologe, um sich auf eine derart problematische Bahnzu begeben. Dies ist vielleicht der tiefgreifendste Unterschied in Schlegels undNietzsches Sehweise der griechischen Kulturgeschichte: Für Nietzsche be-greift die Humanität der Griechen auch eine Grausamkeit mit ein, welche diemoderne Humanität „in Angst" versetzen muß. Vor der homerischen Weltliegen „Nacht und Grauen", die „Erzeugnisse einer an das Gräßliche ge-wöhnten Phantasie"j der „Abgrund einer grauenhaften Wildheit".75 Erstnachdem dies „Titanenreich" gestürzt und die „Ungetüme" getötet sind,kann uns das Schöne in der Kunst begegnen, das durch „lustvolle Illusionenüber eine schreckliche Tiefe der Weltbetrachtung" Sieger geworden ist.76

Nietzsches Satz: „Der Weg zu den Anfängen führt überall zu der Bar-barei,"77 wäre von Schlegel keineswegs unterschrieben worden.

Die Deutung des Tragischen selbst aber und die Analyse unserer Freudeam Tragischen haben Nietzsche und Schlegel aus ganz ähnlichen Prinzipienentwickelt. Beide sahen sich mit dem Bewußtsein der Einzigkeit als Vertretereines völlig neuen Tragödienverständnisses, das der gesamten Tragödienauf-

71 Gerald F. Eise, The Origin and Early Form of Greek Tragedy, Cambridge/Mass. 1965,S. 10.

72- GT, Versuch einer Selbstkritik, Aph. 5, 3.73 GT, Aph." 10, 8, 16.74 Gerald F. Eise, The Origin and Early Form of Greek Tragedy, Cambridge/Mass. 1965. j

Vgl. auch Walter Kaufmann, Tragedy and Philosophy. New York 1969, S. 191-193, ·228—233. Bereits Ulrich von Wilamowitz-Moellendorf fragte in Zukunftsphilologie, Berlin1872, S. 23: „Wer ist darin [den Choephoren], wer ist in Schutzflehenden, Eumeniden,Persern, wer ist in Ajos, Elektra, Philokletes tragischer Avatara des Dionysos Zagreus?"(Nachdruck in: Der Streit um Nietzsches Geburt der Tragödie. Zusammengestellt und ein-geleitet von Karlfried Gründer, Hildesheim 1969, S. 46).

75 KGW III 2, S. 277-279.76 GT, Aph. 3.77 KGW III 2, S. 301.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

Nietzsche und die Frühromantische Schule 75

fassung von Aristoteles bis Lessing schnurstracks entgegenstand und die dortallein auf das Formale gerichtete Deutung der Tragödie überwand. DaßNietzsche beanspruchte, „den Begriff , tragisch', die endliche Erkenntnisdarüber, was die Psychologie der Tragödie ist", gefunden zu haben, istbekannt und ebenso, daß er diese Erkenntnis als ein Überwinden der seitAristoteles über die Natur der Tragödie herrschenden Mißverständnisseauffaßte.78 Ähnlich war Schlegel der Meinung, daß man im Verständnis derTragödie „seit dem Aristoteles noch nicht weitergekommen" sei und dieser„auf Jahrtausende der Quell aller grundstürzenden Mißverständnisse" dieserGattung war.79

Der metaphysische Trost der Tragödie bestand für Nietzsche eben nichtdarin, „vom Schrecken und Mitleiden loszukommen", nicht darin, „sich voneinem gefährlichen Affekt durch eine vehemente Entladung zu reinigen",sondern „über Schrecken und Mitleiden hinaus, die ewige Lust des Werdensselbst zu sein."80 In diesem Sinne hat er in der Geburt der Tragödie dasDionysische als „wonnevolle Entzückung" gezeichnet, als „das Jasagen zumLeben selbst noch in seinen fremdesten und härtesten Problemen", das „ausdem innersten Grunde des Menschen" beim tragischen Zerschellen seinerIndividualität emporsteigt und in dessen „Steigerung das Subjektive zuvölliger Selbstvergessenheit hinschwindet." „Wir glauben an das ewigeLeben, so ruft die Tragödie" für Nietzsche, und diese überzeugt uns, daß„unter dem Wirbel der Erscheinungen", „bei dem fortwährenden Untergangder Erscheinungen", das ,,ewige Leben unzerstörbar weiterfließt."81

Ähnlich haben Friedrich Schlegel und im Anschluß an ihn August Wil-helm Schlegel die metaphysische Freude am Tragischen empfunden. DieTrennung von Mensch und Sein und der tragische Zwiespalt zwischenMensch und Schicksal führt für August Wilhelm Schlegel zu der erlösendenErfahrung, daß im Verhältnis der Unendlichkeit des Lebens „das irdischeDasein für nichts zu achten sei, daß alles Leiden dafür erduldet" werdenmüsse.82 Für Friedrich Schlegel transformiert sich der zerreißende, ent-setzende Eindruck von der Macht des Schicksals in die Erfahrung von der„Würde und Heiligkeit des Lebens, und von der Einheit der in unendlichvielen Gestalten geheimnisvollen Urkraft, die alles erzeuge und ernähre."83

78 EH, Die Geburt der Tragödie, Aph. 3; GD, Was ich den Alten verdanke. Aph. 5; GT,Aph. 2r 22, 24.

7* KA, Bd. l, S. 449, 464.80 EH, Die Geburt der Tragödie, Aph. 3; GD, Was ich den Alten verdanke, Aph. 5.81 GT, Aph. l, 16, 4, 18.82 August Wilhelm von Schlegels Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur. 3. Ausg.

von Eduard Böcking, 2 Bde., Leipzig 1846, Bd. l, S. 75-76.83 KA, Bd. l, S. 549.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

76 Ernst Hehler

Gewiß läßt sich diese Sehweise des Tragischen auf die proteische diony-sische Naturkraft der alten religiösen Kulte beziehen. Wir wissen aber, daßsie, wenigstens im Falle der Brüder Schlegel, modernen Ursprungs ist und sichvon Kants Idee des Erhabenen herleitet, bei dem das ursprüngliche Entsetzenvor der Allgewalt der Natur sich allmählich in Lust auflöst.84 Ferner spiegelnsich hier idealistische Konzeptionen über die Unendlichkeit der Natur unddie Menschheit wieder. In einer mehr philosophischen Bestimmung dieserdionysischen Urkfaft des Lebens hat sich Nietzsche auch der romantisch-idealistischen Anschauungsweise bedient und das dionysische Ursein als einenGott bezeichnet, „der im Bauen wie im Zerstören, im Guten wie imSchlimmen, seiner gleichen Lust und Selbstherrlichkeit innewerden will, dersich, Welten schaffend, von der Not der Fülle und Überfülle, vom Leiden derin ihm gedrängten Gegensätze löst."85

Weitere wichtige Parallelen in der Deutung des dionysischen Charaktersder griechischen Welt sind mit den Themen des tragischen Chors und derlyrischen Dichtkunst gegeben. „Ich schmeichle mir zu wissen," schriebFriedrich Schlegel am 23. Dezember 1795 an seinen Bruder, „was der griechi-sche Chor ist, welches von denen, die geschrieben haben, niemand gewußthat. Eine Kenntnis, die über die Tragödie und die Poesie überhaupt unend-liche Aussicht gibt, und die schwersten Knoten löst".86 Schlegel sah dentragischen Chor mit einem Wort als gemeinsame Stimme der Menschheit, inder sich die Vision des Dichters inkarnieit hat.87 Damit stand er NietzschesBestimmung des Chors als „eigentliches Urdrama" und „übermächtigesEinheitsgefühl", in dem die „Klüfte zwischen Mensch und Mensch" weichenund wir ,,an das Herz der Natur" zurückgeführt werden,88 beträchtlich nahe.Doch räumte er dem Dichter eine größere Funktion ein.

Diese Bedeutung des dichterischen Ich fand Schlegel bereits in derlyrischen Dichtung der Griechen, vor allem in Pindars Wort: „Ich, dereinzelne, fürs Gemeinsame" vorgebildet, von dem er sagte: „In Pindarusredet nicht der Dichter, der einzelne Mensch, sondern durch ihn die Stimmedes Volks: nicht sein Ich, seine Eigenheit ist sein Gegenstand . . . sondern dieöffentliche Sache, der Zustand des Volks, — ent-

84 Es handelt sich um die „Analytik des Erhabenen" aus der Kritik der Urteilskraft in KantsWerke, Akademie-Textausgabe, Bd. 5, S. 244-265. KA, Bd. L S. 312-313, 410. Vgl.hierzu Ernst Behler, Kant vu par le groupe de Coppet. La formation de l'imagestaelienne de Kant, in: Le Groupe de Coppet. Actes du Second Colloque de Coppet (imDruck).

85 GT, Versuch einer Selbstkritik, Aph. 5.86 Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm, Berlin 1890, S. 248.87 KA, Bd. l, S. 594. August Wilhelm Schlegels Vorlesungen über dramatische Kunst und

Literatur, Bd. l, S. 76.88 GT, Aph. 7.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

Nietzsche und die Frühromantische Schule 77

hält in wenigen Worten den wichtigsten Begriff einer lyrischen Dichtart".89

Nietzsche hat das Zergehen des lyrischen Ich in den dionysischen Künstler,dessen Stimme „aus dem Abgrunde des Seins" ertönt, der „bewegenderMittelpunkt der Welt", ,,gleichsam Medium geworden" ist, mit Archilochusexemplifiziert.90 Aber für beide, für Schlegel wie für Nietzsche, ist das Klage-lied der Danae von Simonides das eindrucksvollste Beispiel einer derartigenüberindividuellen Lyrik in der Gattung des Klagegesanges gewesen.91 Auchdarin stimmten Schlegel und Nietzsche überein, daß, nachdem die griechischeTragödie ihren Gipfel mit Sophokles erreicht hatte, ihr Niedergang mitEuripides erfolgte, und zwar nicht nur wegen des von nun an vorherrschen-den rationalistischen Elementes, der „schachspielartigen Gattung des Schau-spiels", sondern vor allem, wie Schlegel sagt, wegen der Auflösung des „voll-endeten Einklanges und des angemessenen Verhältnisses zwischen dem Chor-gesang und der dramatischen Handlung".92

Eine weitere Verfolgung dieser Gemeinsamkeiten würde freilich zu sehrins Detail führen und könnte auf befriedigende Weise nur in besonde-ren Untersuchungen geleistet werden. Von Wichtigkeit wäre z.B. ein Ver-gleich der Sehweise der modernen Tragödie, deren Höhepunkt Schlegel, wieNietzsche, in Shakespeares ,Hamlet* erblickte, den Schlegel als ein „wie aufder Folterbank nach entgegengesetzten Seiten auseinandergerissenes Gemüt"bezeichnete, während Nietzsche die Hamletlehre als „Einblick in die grauen-hafte Wahrheit" deutete, die jedes zum Handeln antreibende Motiv erstickt.93

Die metaphysische Botschaft der alten Tragödie ist hier freilich verloren ge-gangen. Das Kennzeichen der modernen Tragödie ist „Maximum der Ver-zweiflung."94 Nachdem der Mythus vernichtet war, ist für beide Denker diePoesie aus ihrem natürlichen Boden verdrängt und „nunmehr heimatlos" ge-worden.95

Die Wiedererweckung der Antike im modernen Zeitalter

Doch verlohnt es sich in diesem Zusammenhang, wenigstens noch einigeWorte über die Gesamtsicht der griechischen Welt zu sagen, wie sie in Schle-gel und Nietzsche zutage tritt und von ihnen auf die eigene Zeit bezogenwurde. Neben dem mythischen Ursprung der griechischen Dichtung, in dem

89 KA, Bd. 11, S. 246.90 GT, Aph. 5.91 KA, Bd. 11, S. 359, Nr. 714; Bd. l, S. 617.92 GT, Aph. 11 - KA, Bd. 11, S. 298, Nr. 178.93 KA, Bd. l, S. 246-248. - GT, Aph. 7, 17.94 KA, Bd. l, S. 248.95 GT, Aph. 17.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

78 Ernst Behler

sich „Überlieferung und Dichtung gatten", und dem musikalischen, rhyth-mischen und dithyrambischen Charakter dieser Kunstwelt96 ist dabei dieZusammenschau von Dichtung, Historie, Theorie, Philosophie, Kritik undStaatsleben zu einem lebendigen Kulturganzen ein entscheidendes gemein-sames Merkmal. Kunst-, Sitten- und Staatslehre waren bei den Griechen fürSchlegel „so innigst verflochten, daß ihre Kenntnis sich nicht trennen läßt".Überhaupt war ihm „die griechische Bildung ein Ganzes, in welchem es un-möglich ist, einen einzelnen Teil stückweise vollkommen richtig zu erken-nen".97 Um auch die Unterschiede nicht außer Acht zu lassen, läßt sichsagen, daß bei diesem Bestreben, „den Geist des Ganzen zu fassen",Nietzsche größeren Nachdruck auf die Philosophie, vor allem auf dieRepräsentanten der vorsokratischen Epoche legte, wogegen Schlegel, nebenPlato, mehr an der dichterischen Welt der Griechen interessiert war und diePräsokratiker im Zusammenhang seiner Dichtungsgeschichte als Vertreter derdidaktischen Gattung behandelte. Doch war er sich selbstverständlich darüberim klaren, daß deren Zweck Wahrheit und Wissenschaft war und sie nachdem Wort des Plutarch die Poesie nur wie einen Wagen entlehnten, um nichtzu Fuß einherschleichen zu müssen.98

Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang noch, wieSchlegel und Nietzsche das Verhältnis der Griechen zu ihrer eigenen Zeitgesehen haben. Bekanntlich haben beide über die griechische Bildungswelt inBegriffen absoluter Vorbildlichkeit gedacht. Schlegel sah die Griechen als„Menschen höhern Stils". Er betrachtete die „Griechheit" als ein „Bild voll-endeter Menschheit" und bezeichnete ihre Literatur als „Maximum undKanon" der Poesie, als „eine vollkommene und gesetzgebende Anschau-ung".99 „Niemals", sagte Rudolf Haym, „auch nicht in den verwandtenÄußerungen Humboldts, Schillers und F. A. Wolfs, sind die Griechen, ihreBildung und ihre Poesie methodischer ins Unbedingte erhoben worden."100

Auf ähnliche Weise betonte Nietzsche „die unsägliche Einfachheit und iWürde des Hellenischen" und meinte, daß die Philologie das klassische Alter- ·turn mit dem Anspruch und der Absicht aufgestellt habe, um der „Gegenwart jden Spiegel des Klassischen und Ewiggültigen entgegenzuhalten".101 \

Mit der Wiedererweckung und dem Wiederaufleben der Antike verban- jden sich für Schlegel und Nietzsche die höchsten Erwartungen für die eigene j

96 KA, Bd. l, S. 332-333, 351-352.97 KA, Bd. l, S. 206.98 KA, Bd. l, S. 553.99 KA, Bd. l, S. 275, 278, 287, 637. Vgl. Ernst Behler, Friedrich Schlegel (Rowohlts Bildmono-

graphien 123), Hamburg 1966, S. 33-34,100 Rudolf Haym, Die romantische Schule, 2. Aufl., Berlin 1906, S. 190,101 Werke in drei Bänden, Bd'. 3, S. 157-159.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

Nietzsche und die Frühromantische Schule 79

Zeit.102 Freilich ist dabei nicht an eine bloße Wiederholung der von denGriechen erreichten Errungenschaften zu denken. Die wahre Nachahmungder Griechen, wie Schlegel sie verstand, bezieht sich nicht auf den besonderenBuchstaben» sondern den Geist der „reinen Griechheit".103 Sie bedeutet Wett-streit, jene von Nietzsche betonte „agonale" Haltung oder das „Gefühl vonder Notwendigkeit des Wettkampfes",104 womit in die Wiedererweckungder Antike im modernen Zeitalter jener Spannungsbezug tritt, der für dasDenken Schlegels und Nietzsches gleicherweise charakteristisch ist.

Ernst Robert Curtius sagte: „Die klassische Philologie des 19. Jahrhun-derts hat den echten und kühnen Humanismus eines Friedrich Schlegel undeines Nietzsche nicht ertragen".105 Mögliche Einflüsse, die von Schlegel aufNietzsches Geburt der Tragödie ausgegangen sind, können sich sogar in derGesamtkonzeption des Werkes zeigen, das sich, wie Friedrich SchlegelsAufsatz Über das Studium der griechischen Poesie von 1795,106 schon baldvon seinem eigentlichen Gegenstand abwendet, den Niedergang der europä-ischen Kultur im Zeitalter des „theoretischen Optimismus" schildert, dannaber, aus den Quellen des deutschen Wesens, eine „neue Daseinsform" ent-stehen sieht, „über deren Inhalt wir uns nur aus hellenischen Analogienahndend unterrichten können".107 Ähnlich hatte Friedrich Schlegel in seinemersten größeren Werk argumentiert und mit der Wiederverbindung des deut-schen und griechischen Geistes eine „ästhetische Revolution" bewirkenwollen, die das „höchste Ziel jeder möglichen Poesie, das Größte was von derKunst gefordert werden" kann, zur Erfüllung brachte. Nachdem das „höchsteSchöne" mit Sophokles in Erscheinung getreten war, hatte sich die euro-päische Kunstgeschichte unter dem Einfluß „dirigierender Begriffe" des Ver-standes auf die falsche Bahn begeben und war schließlich in der „höchstenästhetischen Erschlaffung" versunken, von der Schlegel meinte: „Tieferkönnen wir nun nicht sinken".108 Aber ähnlich wie Nietzsche in Kant und Scho-penhauer die Vorboten einer Wiedergeburt sah, kündigte sich auch für Schle-gel im kulturellen Tiefstand der Zeit ein dialektischer Umschlag an, durch dender objektive Gehalt der Griechen „in der ästhetischen Bildung der Moder-nen herrschend werden könnte".109 Daß der „dauernde Liebesbund zwischender deutschen und der griechischen Kultur" für den deutschen Geist „nureine Rückkehr zu sich selbst, ein seliges Sichwiederfinden zu bedeuten habe",

102 KA, Bd. l, S. 356-357. - GT, Aph. 19, 20.103 KA, Bd. l, S. 343, 346-347.104 KGWIII2, Sr 281-282.105 Humanismus. Herausgegeben von Hans Oppermann, Darmstadt 1970, S. 168.106 KA, Bd. l, S. 217-367.107 GT, Aph. 19.108 KA, Bd. l, S. 236-237, 263.109 KA, Bd. 1,5.269-271.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

80 Ernst Behler

steht nicht in Schlegels Studiumsaufsatz, sondern in Nietzsches Geburt derTragödie, wo auch, wie bei Schlegel, aus dieser Annäherung die Folgerunggezogen wird: „jetzt endlich darf er, nach seiner Heimkehr zum Urquellseines Wesens, vor allen Völkern kühn und frei, ohne das Gängelband einerromantischen Zivilisation, einherzuschreiten wagen: wenn er nur von einemVolke unentwegt zu lernen versteht . . . von den Griechen".110 Aber ähnlichwie Nietzsche die Geburt der Tragödie wegen der darin enthaltenen„Deutschtümelei" in dem rückblickenden Versuch einer Selbstkritik ein „un-mögliches Buch" nannte, d. h. „schlecht geschrieben, schwerfällig, peinlich,bilderwütig und bilderwirrig, gefühlsarm, hier und da verzuckert", so be-zeichnete Schlegel seinen Aufsatz Über das Studium der griechischen Poesieschon zwei Jahre nach seiner Fertigstellung als einen „rnanirierten Hymnus inProsa" und fand „das Schlechteste daran" in seinem „gänzlichen Mangel derunentbehrlichen Ironie".11*

Der gemeinsame Denkstil

Bereits in diesen Frühschriften Friedrich Schlegels zur griechischen Litera-tur läßt sich das Motiv erkennen, das der von dieser Schule erstrebten „ästhe-tischen Revolution" zugrundelag. Das große Ziel dieser Gruppe bestand janicht, wie vielfach angenommen wird, in einer einseitigen Propagierung undBevorzugung der sogenannten „romantischen" Periode der europäischenLiteratur, sondern in dem Versuch, zwischen den beiden sich antithetischgegenüberstehenden Ästhetiken von Klassik und Romantik dialektisch zuvermitteln. Das Vorhandensein von zwei autonomen, genuin nebeneinander-bestehenden Literaturtraditionen sollte zur Anerkennung gebracht und einsich über diese Traditionen erhebendes Bewußtsein erzeugt werden — ein Be-wußtsein, wenn man will, das Nietzsches „Zugänglichkeit zu anscheinendgetrennten Welten", seiner „doppelten Reihe von Erfahrungen" ent-spricht.112 Aus der „absoluten Verschiedenheit des Antiken und Modernen"suchte Friedrich Schlegel d.as „absolute Maximum der Kunst", das höchsteZiel jeder möglichen Poesie", durch wechselseitige Annäherung dieser Polezu erringen.113 Auf ähnliche Weise bestimmte August Wilhelm Schlegelspäter das Programm der Schule als Aufgabe, zwischen der ,,großen allge-

110 GT, Aph. 19, 20.111 GT, Versuch einer Selbstkritik, Aph. 3. - KA, Bd. 2, S. 147-148, Nr. 7.112 EH, Warum ich so weise bin, Aph. 3. Zum dialektischen Charakter des „romantischen"

Geschichtsbewußtseins vgl. Ernst Behler, The Origins of the Romantic Literary Theory,in: Colloquia Germanica 1/2 (1968), S. 109-126.

113 KA, Bd. l, S. 255.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

Nietzsche und die Frühromantische Schule 81

meinen Antinomie des antiken und modernen Geschmacks" zu vermitteln,diese „Antinomie der Kunst" zu lösen, und zum Bewußtsein zu bringen,„daß entgegengesetzte Dinge in gleicher Dignität stehen, gleiche Rechtehaben", wie auch „unser ganzes Dasein auf dem Wechsel sich beständiglösender und erneuernder Widersprüche beruht".114

Dies Bewußtsein, zwischen unauflöslichen Gegensätzen zu stehen, istgrundlegend für das Denken der Frühromantiker gewesen. Diese Haltung hatbekanntlich ihre prominenteste Form in der romantischen Ironie gefunden,die von Schlegel als „Form des Paradoxen", als ein Bewußtsein des „unend-lich vollen Chaos" bezeichnet wurde.115

Wir wissen, daß dieses sich selbst spiegelnde und wiederspiegelnde Den-ken oder das sich im „Denken und Gegendenken" vollziehende Philoso-phieren der Frühromantiker artistische Umbildungen der Fichteschen Refle-xionsmethode sind.116 Fichtes Versuch, mit reinem Denken, oder demDenken des Denkens, zur Selbsterkenntnis zu kommen, wurde von Novalisals „eine ganz neue Art zu denken" bezeichnet.117 Friedrich Schlegel erschiendiese Reflexion im Vergleich zur Französischen Revolution sogar als eine„größere, schnellere, umfassendere Revolution", indem hier „der Mensch sichselber entdeckt hat".118 Freilich vollzog sich diese Rezeption des FichteschenDenkens bei den Frühromantikern nicht ohne beträchtliche Modifikationen.Fichtes Bestreben, mit der Methode des reinen Selbstdenkens die Kategorienin ihrem ganzen Umfang zu deduzieren und diesen Prozeß bis zum voll-endeten Selbstbewußtsein des Denkens zu führen, wurde als bloßer „Buch-stabe" seiner Philosophie oder, wie Novalis sagte, als ein „furchtbares Ge-winde von Abstraktion" abgetan.11* Als der wahre „Geist" dieses Denkenswurde lediglich das Grundmodell der Fichteschen Reflexion akzeptiert, d. h.das ständige Alternieren von Bejahen und Verneinen, von überschwenglichemHeraustreten aus sich selbst und selbstkritischer Rückkehr in sich selbst, vonEnthusiasmus und Skepsis. Schlegel definierte diesen Rhythmus als einenbeständigen Wechsel von „Selbstschöpfung" und „Selbstvernichtung", wobeier unter der „Selbstvernichtung" das kritische Infragestellen seiner selbst ver-

114 A. W. Schlegel, Über schöne Literatur und Kunst. Herausgegeben von Jakob Minor(Deutsche Literaturdenkmale 17-19; 3 Bde. Heilbronn 1884, Bd. !, S. 22.

115 KA, Bd. 2, S. 153, Nr. 48; S. 263, Nr. 69,116 Dies wurde, freilich mit negativer Akzentsetzung, zuerst von Hegel betont: Jubiläums-

ausgabe, Bd. 19, S. 641—646. Vgl. hierzu Otto Pöggeler, Hegels Kritik der Romantik (Ab-handlungen zur Philosophie, Psychologie und Pädagogik 4), Bonn 1956 und Ernst Behler,Die Geschichte des Bewußtseins. Zur Vorgeschichte eines Hegeischen Themas, in: Hegel-Studien 7 (1972), S. 175-182 und bes, KA, Bd. 8, S. LIII-LXIX.

117 Sehr., Bd. 2, S. 524, Nr. 11.118 KA, Bd. 3, S. 96.119 Friedrich Schlegel und Novalis, S. 97.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

82 Ernst Hehler

stand.120 Schlegel und Novalis waren ferner der Auffassung, daß sich Fichtezu einseitig auf die Logik verlegt hatte. Sie beanspruchten demgegenüber einegrößere Freiheit der Reflexion, indem sie diese auch in anderen „Reflexions-medien", in Kunst, Bildung und Gesellschaft und vor allem in der Dichtungpraktizierten. Ein weiterer entscheidender Schritt in dieser artistischen Um-bildung der Fichteschen Reflexionsmethode bestand darin, daß sich Schlegelund Novalis bereitwillig in den grenzenlosen Gang des Denkens einließenund die Reflexion als unendlich anerkannten. Fichte hatte den unendlichenProzeß, der in seinem Denken durchaus angelegt ist, im vollendeten Selbst-bewußtsein einzuhalten gesucht, uni das Abgleiten in die von Hegel so be-nannte „schlechte Unendlichkeit" zu vermeiden.121 Für Schlegel konnte sichdagegen einem solchen Denken von Natur aus keine Grenze stellen. Vielmehrwar die Reflexion für ihn der ständigen „Potenzierüng fähig", sie war ihm„unermeßlich — ewig *- unbedingt, d. h. unendlich". Auf ähnliche Weise sahNovalis in dem unaufhaltsamen Fortgang der Reflexion den „Anfang einerwahren Selbstdurchdringung des Geistes, die nie endigt".122

So entstand gegen Ende des 18. Jahrhunderts in dieser Schule erstmalsdas, was Walter Benjamin als „unendliche Reflexion" bezeichnet hat123 —eine Reflexion, bei der das Denken im Selbstbewußtsein unaufhaltsam übersich selbst reflektiert und in der Unendlichkeit seiner Potenzenreihen zuimmer höherer Selbsterfassung zu gelangen strebt. Die in dieser Reflexionerfahrenen Gegensätze und Widersprüche sollten nicht in einer Synthese auf-gehoben werden, sondern den Stachel für die Bewegung des Geistes bilden,der sich in einem „Schweben" zwischen den Antinomien und einem ständi-gen Wechsel zwischen den Antithesen entfaltet und reicher wird. In derkünstvollen Darstellung seiner selbst sollte dies grenzenlose Denken Einheitund Zusammenhang finden — in einer Darstellung freilich, die nicht in einemWurf gelingt, sondern notwendigerweise fragmentarisch ansetzt und in immergrößeren Kreisen über sich hinauswächst. Dies war es, was Schlegel undNovalis unter „Fichtisieren" verstanden, oder was Novalis meinte, als ersagte, daß „der Erfinder . . . vielleicht nicht der fertigste und sinnreichsteKünstler auf seinem Instrument" sein möge. Er sah es als wahrscheinlich an,„daß es Menschen gibt und geben wird, die weit besser fichtisieren werdenals Fichte", vor allem, „wenn man das Fichtisieren erst artistisch zu treibenbeginnt". Dann könnten „wunderbare Kunstwerke" entstehen.124

120 Z.B.: KA, Bd. 2, S. 149, Nr. 28; S. 151, Nr. 37; S. 172, Nr. 51; KA, Bd. 19,S. 767—768 (Registernachweise).

121 Vgl. zu dieser Fichterezeption KA, Bd. 8, S. LIII-LXIX.122 KA, Bd. 18, S. 468, Nr. 356. - Sehr., Bd. 2, S. 525-526, Nr. 13.123 Walter Benjamin, Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik, Berlin 1920.124 Sehr., Bd. 2, S. 524, Nr. 11.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

Nietzsche und die Frühromantische Schule 83

Schlegel und Novalis haben dieses künstlerische Denken auch in Ge-stalten zu illustrieren versucht und dabei interessante Modelle neuer Geistig-keit gezeichnet. Für Novalis repräsentiert sich dieser Denktyp in dem, was erden „echten Gelehrten", den „vollständig gebildeten Menschen" nannte.Alles, was dieser sagt, so führt Novalis sein Portrait aus, „muß einartistisches, technisches, wissenschaftliches Produkt oder eine solche Opera-tion sein. Er spricht in Epigrammen, er agiert in einem Schauspiele, er istDialogist, er trägt Abhandlungen und Wissenschaften vor — er erzählt Anek-doten, Geschichten, Märchen, Romane, er empfindet poetisch; wenn erzeichnet, so zeichnet er als Künstler, so als Musiker; sein Leben ist einRoman — so sieht und hört er auch alles — so liest er".12S Friedrich Schlegelgefiel sich darin, Denktypen mit mathematischen Symbolen zu umschreiben.Für ihn gab es Denker, „bei denen alles kreisförmig ist" — Spinoza etwa;„andre, die nur im Schema der Triplizität kostruieren können", wobei ervielleicht Fichte vor Augen hatte, wir aber unmittelbar an Hegel denken.Auch ellipsenartige Autoren — etwa Nikolaus von Kues oder GiordanoBruno — glaubte er anführen zu können und schließlich Philosophen der Pa-rabeln und „krummen Linien, die mit sichtbarer Stetigkeit und Gesetzmäßig-keit forteilend immer nur im Bruchstück erscheinen können, weil ihr einesZentrum in der Unendlichkeit liegt". Im Ausgang von diesen Modellenentwickelte er einen Begriff von „höherer Kunst und Form" der Philosophie,von dem die gewöhnlichen philosophischen Werke auch „nirgends die leisesteAhnung" zeigen.126

Ich habe in einem anderen Zusammenhang darzustellen versucht,127 daßSchlegel und Novalis mit dieser Kunst der Reflexion eine Vision gehabthaben, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts von Nietzsche in die Tat umge-setzt wurde, den Thomas Mann mit klarem Blick für den Zusammenhang desDenkerischen mit dem Künstlerischen einen „Erkenntnislyriker" nannte.128

Natürlich vollzog sich das Wiederaufleben dieser denkerischen Haltung inNietzsche nicht ohne beträchtliche Modifikationen. Die Pole, zwischendenen Nietzsches Denken alternierte, waren nicht mehr der romantischeDualismus von Enthusiasmus und Skepsis, sondern der intensivierte Gegen-satz von Vitalität und Dekadenz. Das „Goldaufblitzen am Bauch derSchlange Vita" war die sehnsüchtige Vision eines selbst tief Leidenden, derwußte: „Bei einer Eidechse wächst ein Finger nach, der ihr verlorenging:

125 Sehr., Bd. 3, S. 339, Nr. 470.126 KA, Bd. 2, S. 415, 413-414. Vgl. hierzu KA, Bd. 8, S. XXXVII-LIL127 Die Kunst der Reflexion. Das frühromantische Denken im Hinblick auf Nietzsche, in:

Untersuchungen zur Literatur als Geschichte. Festschrift für Benno von Wiese, Berlin1973, S. 219-248.

128 Gesammelte Werke in zwölf Bänden, Bd. 10, S. 18,

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

84 Ernst Behler

nicht so beim Menschen".129 Schlegels „Selbstvemichtung" verdichtete sichzur „gegen sich selbst gewendeten Grausamkeit", sogar zum „Genuß ameigenen Leiden, am eigenen Sich-Leiden-Machen", deren „gefährliche Schau-der" für Nietzsche noch jeden Akt der Erkenntnis bestimmen.130 Die gegensich selbst gerichtete Skepsis der Frühromantiker griff in die intimstenBereiche des Seelischen über und äußerte sich in dem für Nietzsche charakteri-stischen Phänomen der Scham. Die romantische Ironie wurde bei Nietzschezur Maske, mit der er seine „Hintergründe" zu verbergen suchte.131 Und der„wahre Gelehrte" des Novalis, bzw. der von Friedrich Schlegel gezeichnetePhilosoph der Parabeln und krummen Linien veränderte sich in NietzschesPorträts neuer Geistigkeit zu den „Artisten des Lebens", die „zu erfahren, zuernst, zu lustig, zu gebrannt, zu tief" geworden sind, als daß sie glaubten,daß „Wahrheit noch Wahrheit bleibt, wenn man ihr die Schleier abzieht" unddie deshalb gelernt haben, „etwas Kunst" in ihre „Gefühle zu legen undlieber noch mit dem Künstlichen den Versuch zu wagen".132 Trotz diesertiefgreifenden Nuancierungen scheint es aber, daß Nietzsche mit kühnenImpulsen das Denken der Reflexion weiterführte, mit dem Schlegel undNovalis das 19. Jahrhundert einleiten wollten.

Auch darin scheint Nietzsche dem Denken der Frühromantiker ver-wandt zu sein, daß er aus der wie eine Schraube ohne Ende wirkendenReflexion herauswollte und in einem neuen Mythos innere Ruhe und Selbst-gewißheit erstrebte. Es fehlt uns „an einem Mittelpunkte, wie es die Mytho-logie für die Alten war", hatte Schlegel in seiner Rede über die Mythologievon 1800 gesagt, und gleichzeitig festgestellt, „daß die Menschheit aus allenKräften ringt, ihr Zentrum zu finden".133 Während die messianische Hu-manitätsreligion der Erhebung der Menschheit über sich selbst, welcheSchlegel und Novalis entwickelten, aber bereits an das Ende der romantischenSchule heranführt, war das Mythenschaffen des Zarathustra für Nietzschenur eine vorübergehende Phase. Nachdem er diesen „jasagenden Teil" seinerAufgabe erfüllt hatte, kam wieder „die neinsagende, neintuende Hälfte an dieReihe", d. h. die Schraube der Reflexion setzte sich wieder in Bewegung, unddie Mythologie des Zarathustra erschien als „Erholung", „Verschwendung",als schöner Müßiggang.134

129 JGB, Aph. 278. EH, Warum ich so weise bin, Aph. 1: „Von der Kranken-Optik aus nachgesünderen Begriffen und Werten, und wiederum umgekehrt aus der Fülle und Selbst-gewißheit des reichen Lebens hinuntersehn in die heimliche Arbeit des Decadence-Instinkts — das war meine längste Übung, meine eigentliche Erfahrung, wenn irgendworinwurde ich darin Meister."

130 JGB, Aph. 229, 40.131 Ernst Behler, Nietzsches Auffassung der Ironie, S. 13—20.132 FW> Vorrede, Aph. 4; JGB, Aph. 31.133 KA, Bd. 2, S. 312. 134 EH> jenseits VQn Gut und Böse, Aph. l, 2.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

Nietzsche und die Frühromantische Schule 85

Dies sind nicht die einzigen Unterschiede, die bei dieser wechselseitigenSpiegelung in Erscheinung treten. Die vielleicht grundlegendste Differenz be-steht in der Tatsache, daß bei den Frühromantikern immer noch einSchimmer von Hoffnung auf eine Wiedervereinigung mit dem Absoluten vor-handen ist, wie deutlich auch in der Ironie die Entfremdung des Menschenanerkannt wurde. Freilich war auch bei ihnen diese Nabelschnur zum Abso-luten bereits recht dünn geworden, wenn Schlegel von seinem ästhetischenIdeal sagte, daß es „ewig nur werden, nie vollendet sein kann", oder wennNovalis die Frage stellte: „inwiefern erreichen wir das Ideal nie?", und daraufantwortete: „Insofern es sich selbst vernichten würde".135 Doch klingt inSchlegels Ironie immer noch eine „Ahndung des Ganzen" mit, und diefuturistische Idee der progressiven Universalpoesie verbindet sich beiNovalis mit der Vision einer schönen Zukunft, der „schönen Zeit" einer zu-künftigen Literatur, da „man nichts mehr lesen wird als die schöne Kompo-sition — als die literarischen Kunstwerke".136

Nietzsche hat mit klarem Blick die dialektisch-historische Versöhnungs-technik als den eigentlichen Trick des deutschen Idealismus angesehen, derfür ihn darin bestand, „einen Pantheismus auszudenken, bei dem das Böseder Irrtum und das Leid nicht als Argumente gegen Göttlichkeit empfundenwerden".137 Für ihn war der „Gesamtcharakter der Welt . . . dagegen in alle| Ewigkeit Chaos". Eine „Welt der Wahrheit" anzunehmen, „der man mit

Hilfe unsrer viereckigen kleinen Menschenvernunft letztgültig beizukommenvermöchte", bezeichnete er als „Plumpheit und Naivität, gesetzt daß es keineGeisteskrankheit, kein Idiotismus ist".138 Will man die Welt schon als imFlusse und als etwas Werdendes denken, dann für Nietzsche nur „als eine sichimmer neu verschiebende Falschheit, die sich niemals der Wahrheit nähert:denn - es gibt keine ,Wahrheit4".139

Diese grundverschiedenen Sehweisen scheinen auch von Konsequenz fürden ästhetischen Form- und Gestaltungswillen gewesen zu sein, wie er sichbei Nietzsche und den Frühromantikern zeigt. Die Annahme ist sicher nichtvon der Hand zu weisen, daß Schlegels Philosophieren in Parabeln und„krummen Linien", deren „eines Zentrum in der Unendlichkeit liegt", oderNovalis' Erwartung der „schönen Zeit", da man nichts mehr lesen wird „alsdie literarischen Kunstwerke", den Frühromantikern die Berechtigung gege-ben hat, ihr Denken in jenen oft rohen und unausgestalteten Fragmentenauszudrücken, von denen doch nur einige wenige den Anspruch erheben

135 KA, Bd. 2, S. 183, Nr. 116. - Sehr., Bd. 2, S. 259, Nr. 508.136 Sehr., Bd. 3, S. 276-277, Nr. 210.137 SA III, S. 496.138 FW, Aph. 109, 373.139 KGW VIII l, S. 112, Nr. 2 [108].

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

86 Ernst Behler

können, zu „Gemmen" geschnitten oder zu „kleinen Kunstwerken" gestaltetzu sein, wie es ihre Kunsttheorie erforderte. Das ^Hrd vor allem deutlich,wenn man diese Fragmente mit den geschliffenen Aphorismen Nietzschesvergleicht, der uns lehrte, wie Gottfried Beim gesagt hat, eine HandbreitProsa wie eine Statue zu meißeln.140 Tatsächlich betonte Novalis, und mitihm Schlegel, auch den bloß „transitorischen Wert" dieser Fragmente, die er„Spielmarken" nannte,141 während sich Nietzsche angesichts der Sinnlosig-keit und des Nihilismus zum kunstvollen Gestalten aufgerufen sah und eine„ästhetische Rechtfertigung" suchte. Nietzsche führt uns, um noch einmalBenn zu zitieren, „in das gedanklich Raffinierte . . . er führte die Vorstellungder Artistik in Deutschland ein . . . er sagte: Die Delikatesse in allen fünfKunstsinnen, die Finger für Nuancen, die psychologische Morbidität, derErnst des Mis-en-Scene . . . und er krönte dies mit drei rätselhaften Worten:Olymp des Scheins".142

Diese Beobachtungen können den fundamentalen Unterschied zwischenFragment und Aphorismus verdeutlichen, bei denen es sich eben nicht umgleichartige literarische Gattungen handelt, sondern um grundverschiedeneFormen, denen auch fundamental verschiedene philosophische Konzeptionenzugrundeliegen. Während nämlich der Aphorismus ein abgegrenztes, in sichbeschlossenes, kurzes Prosawerk darstellt, ist das Fragment ein abgebroche-nes Bruchstück aus einem größeren Ganzen. „Überhaupt hängen die ver-dammten Dinger so zusammen," hatte Schlegel über seine Fragmente ge-sagt.143

Gehen wir bei der Herausarbeitung solch scharfer Unterschiede abernicht zu weit? Wird hier mit einem Wort nicht zu viel „Selbstvernichtung"getrieben? Waren Nietzsches Aphorismen z. B. von den Fragmenten derFrühromantiker wirklich durch ihre strenge Abgeschlossenheit unterschie-den? Oder waren sie nicht vielmehr, wie es in der Vorrede zur Genealogieder Moral heißt, „verwandt und bezüglich allesamt untereinander", Pro-dukte eines Baumes, der stolz seine Früchte trägt?144 Sah Nietzsche seine„geliebten und gemalten Gedanken" nicht ebenfalls in dem elegischen Epilogzu Jenseits von Gut und Böse als bereits im Zustande des Verwelkens undVerblühens an?145 Wollte er tatsächlich „bei einem Nein, bei einer Negation,bei einem Willen zum Nein" stehen bleiben, oder nicht vielmehr hindurch

140 Gottfried Benn, Essays, Reden, Vorträge, S. 542.141 Sehr., Bd. 4, S. 270-271.142 G. Benn, Ebd.143 Karl Konrad Polheim, Studien zu Friedrich Schlegels poetischen Begriffen, in: DVJ 35

(1961), S. 363.144 GM, Vorrede, Aph. 2.145 JGB, Aph. 296.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

Nietzsche und die Frühromantische Schule 87

durch diesen Willen zu seinem Gegenteil?146 Wie verhält sich die vorhinzitierte Ablehnung der romantisch-idealistischen Zukunftserwartung zuNietzsches beinahe flehentlichen Anrufungen an die „kommenden Philo-sophen", an „ihr Philosophen der Zukunft", zu seinem eigenen Vorspiel einerPhilosophie der Zukunft,147 — oder gar zu seiner Erwartung des „KommenGottes", den kein Bild und Gleichnis zu beschreiben vermag, jenes „unbe-kannten Gottes", dem. er in der Totaldialektik seines Denkens wenigsten eineStelle frei hielt?148

Hegel hat wiederholt gesagt, daß Mensch nicht Mensch wäre, hätte ernicht „das Zerreißen jener ursprünglichen paradiesischen Einheit" erlebt, daswir uns im Bild des Sündenfalles symbolisieren.149 Vielleicht läßt sich als Ab-schluß dieses Vergleiches sagen, daß der Mensch nicht Mensch wäre, wenn ihnnicht die Hoffnung auf das leitete, was Novalis als „schöne Zukunft"bezeichnete. Und vielleicht sind diese vielen Fragen und Vielleichts einakzeptabler Abschluß für eine Untersuchung, die selbst noch im Prozeß istund die doch schließlich eine Diskussion einleiten soll.

146 KGW VIII 3, S. 288, Nr. 16 [32].147 JGB, Aph. 42-44 und der Untertitel zu diesem Werk.148 Ernst Behler, Nietzsches Wort vom Tod Gottes, in: Herkommen und Erneuerung. Essays

für Oskar Seidlin, Tübingen 1976, S. 256-267.149 Jubiläumsausgabe, Bd. 10, S. 163.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

·' r

Diskussion

Müller-Lauter: Sie haben ausgeführt, daß Fichte die Bewegung der„schlechten Unendlichkeit" vermieden habe. Nun ist ihm von Hegel schön1802 gerade diese Bewegung vorgehalten worden. In der Bestimmung desMenschen arbeitet Fichte in der Tat mit der Vorstellung der „schlechtenUnendlichkeit", also mit dem, was nach Hegel ein typisches Produkt derReflexionsphilosophie ist.

Bebler: Ohne Zweifel. Hegel drückt das meines Wissens so aus: FichtesPhilosophie wird eigentlich nur immer, sie ist nie. Es war zwar die AbsichtFichtes, den unendlichen Prozeß der Reflexion im vollendeten Selbstbewußt-sein zum Abschluß zu bringen, und den unendlichen Prozeß, wenn ich ihnrecht verstehe, nur für das praktische Handeln gelten zu lassen. Aber es istnicht zu bestreiten, daß die Unendlichkeit der Reflexion bei Fichte angelegt istund insofern ist die von Ihnen hervorgehobene Kritik Hegels gerechtfertigt.

Müller-Lauter: Die ihren wesentlichen Anhalt im dritten Buch derBestimmung des Menschen findet. Noch eine Bemerkung dazu. Sie betrifft dieAufnahme des Ich-Begriffs Fichtes als schöpferisches Ich, die gerade im.,Fichtisieren' zum Zuge kommt. Es ist ja in der Tat das besondere Geschickder ersten Fichte-Rezeption gewesen, daß man das absolute Ich Fichtes als die.Absolutheit eines empirischen Ichs aufgefaßt hat und insofern Subjektivitätdes Schöpfertums mit dieser Vorstellung der Absolutheit eines empirischenIch verknüpfen konnte. Während Fichte selbst schon kurz nach dem Erschei-nen der ersten Fassung der Wissenschaftslehre zum Beispiel in, einem Briefvon 1795 an Jacöbi deutlich gemacht hat: das ist gar nicht das empirische Ich,wovon ich spreche, sondern wenn man da schon einen entsprechendenBegriff suche, dann könne man unter bestimmten Voraussetzungen denGottes dafür einsetzen. Jacöbi hat sich bekanntlich davon nicht beeindruckenlassen und hat 1799 in seinem bekannten Sendschreiben dann den Begriff desNihilismus aufgenommen, und ihn gegen Fichte gewendet. Von daher ist erspäter auch auf die romantische Literatur angewandt worden.

Behler: Die Frage lautet wohl: Haben die Frühromantiker das absoluteIch Fichtes mit dem empirischen Ich verwechselt? Oder wie Heine es satirischausdrückt: der große Haufen dachte, das Ich, das da philosophiert, „sei dasIch von Johann Gottlieb Fichte", wobei sich die Frauen fragten: „Glaubt er

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

Diskussion 89

nicht wenigstens an die Existenz seiner Frau?" Ich glaube, die Frühroman-tiker kann man von diesem Vorwurf der Verwechslung des absoluten und desempirischen Ich freisprechen. Wie läßt sich dies aber damit in Einklangbringen, daß bei den Frühromantikern sich doch Iche ironisch betätigen undunendlich reflektieren? Sie verstanden sich dabei als Teile eines größerenGanzen, in dem jedes Ich nur ein Bruchstück von einem großen Ich darstellt,und dieses große Ich als das Ich der Menschheit aufgefaßt wurde. Wenn Sievorhin das absolute Ich mit dem Begriff Gott in Beziehung brachten, danndrückt Schlegel dies so aus: in der Idee der Menschheit ist Gott Menschgeworden. Es handelt sich hierbei um einen Humanitätspantheismus. Invielen Fragmenten sagen Schlegel wie auch Novalis: ich bin nur ein Stück vonmir selbst, also ein Bruchstück aus dieser umfassenden Konzeption derMenschheit. Sie sahen sich an der Schwelle eines neuen Zeitalters stehen, dassie heraufführen wollten, in der die Menschheit vollkommen zu ihrer Auto-nomie gelangt. Mit einem Wort waren die Romantiker der Auffassung, daßdas einzelne Ich relativ aufzufassen ist gegenüber dem umfassenden Gesamt-ich der Humanität.

Ulmer: Sie sagten, daß die positive Einstellung zum Dionysischen imGrunde schon ,modernc gewesen ist zu Schlegels Zeit und daß sie ihreWurzel in dem von Kant in der Kritik der Urteilskraft entwickelten Begriffdes Erhabenen hatte. Nun ist Kants Verständnis des Erhabenen zweifellos auseiner Negation der gesamten sinnlichen Welt erwachsen, die ihrerseits ihrenGrund in seiner ursprünglichen Erfahrung der menschlichen Freiheit undderen Verhältnis zum Unbedingten hatte. Dagegen gründet die positive Beur-teilung des Dionysischen sowohl bei Schlegel wie vor allem auch beiNietzsche in einer ganz anderen Haltung. Bei Nietzsche ist die Bejahungdieser Welt, des Sinnlichen, gerade das Positive, während für Kant diepositive Erfahrung des Erhabenen darin bestand, daß der Mensch sich überdie gesamte sinnliche Welt erhoben fühlte.

Behler: Ja, ich weiß, daß sich im Kantischen Begriff des Erhabenen einnegatives Verhältnis zur Natur bekundet, das überhaupt charakteristisch fürKant ist. Diese Gegensetzung von Freiheit und Natur läßt sich beim ganzfrühen Schlegel, ebenso wie bei Schiller, auch feststellen. Ich glaube aber, daßSchlegel schon 1795/97 mit seiner Schrift Über das Studium der griechischenPoesie den Durchbruch zu einem neuen pantheistischen Naturgefühl voll-zieht, welches seinen höchsten Ausdruck dann in Schellings Idealrealismusund in der Identitätsphilosophie findet. Aber nicht nur darin unterscheidet sichdie romantische Ausdeutung des Begriffs des Erhabenen von der Kants. Wiebekannt, beschränkte Kant die Erfahrung des Erhabenen auf die Natur; sie

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

90 Ernst Behler

auf die Kunst zu beziehen, lehnte er ab. Aber eben dies taten zuerst Schillerund dann, im Anschluß an ihn, die Brüder Schlegel, indem sie einfach KantsAusführungen über den Eindruck des Erhabenen auf den Menschen in ihrerDeutung der Tragödie paraphrasierten. August Wilhelm Schlegel hat Kantdann sogar vorgeworfen, daß er seine große Entdeckung des Erhabenen ver-spielt habe, indem er sie auf die Natur begrenzte und nicht auf das Gebietanwandte, wo sie am fruchtbarsten war, nämlich auf die Tragödie.

Ulmer: Ich gehe noch einmal von der Frage nach der unendlichen Re-flexion aus. Sie sind der Meinung, daß auch Nietzsche diese Reflexion, wennauch in besonderer Weise, in seinem Werk vollzogen hat. Sie führten Nietz-sches Zarathustra an. Dort habe er sich gleichsam zum Mythischen gewandt,später aber habe er wieder den negativen Teil seiner Aufgabe auf sich genom-men, nämlich die psychologische Reflexion der Aufdeckung der Wurzeln derbisherigen Ideale. Stimmt das aber mit dem Sachgehalt überein? Trotz seinerForm ist der Zarathustra durchaus ein Reflexions werk, in dem Nietzsche dasdarstellt, worauf es ihm eigentlich ankommt. Und umgekehrt erschöpfen sichdie späteren Schriften nicht in der Negation. Nietzsche geht in ihnen inseinen Aussagen über das Leben und über die Grundlagen der Werte durch- ™aus über seine Position im Zarathustra hinaus. Ich sehe den Einschnitt also inder Form, in der Sache würde ich ihn aber nicht so beurteilen wie Sie.

Behler: Nehmen wir das Thema des Zusammenhanges von Lust undSchmerz. Das läßt sich natürlich reflexiv behandeln. Zum Beispiel in der Kri-tik des theoretischen Optimismus oder an anderen Stellen, die wir aus Nietz-sches Werk heranziehen können. Aber vergleichen wir damit die folgendePassage aus ZarathustraIV: „Sagtet ihr jemals Ja zu Einer Lust? Qh, meineFreunde, so sagtet ihr Ja auch zu allem Wehe. Alle Dinge sind verkettet, ver-fädelt, verliebt — wolltet ihr jemals Ein Mal Zwei Mal, spracht ihr Jemals ,dugefällst mir, Glück! Husch! Augenblick!' so wolltet ihr Alles zurück! — Allesvon neuem, Alles ewig, Alles verkettet, verfädelt, verliebt, Oh so liebtet ihrdie Welt — Ihr Ewigen, liebt sie auf ewig und allezeit: und auch zum Wehsprecht ihr: vergeh, aber komm zurück! Denn alle Lust will — Ewigkeit!"Das ist doch offensichtlich etwas ganz anderes, ist nicht mehr Reflexionsstil.

Ulmer: Da sind wir uns einig. Der Gedanke selbst aber ist nicht anders,als er sonst in der Weise der Reflexion ausgesprochen wird.

Behler: Ich wollte auch eine Parallele aufweisen zwischen dem Mythen-schaffen des Zarathustra — wenn man es so nennen darf — und dem roman-tischen Suchen nach einer neuen Mythologie.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

Diskussion 91

Ulmer: Würden Sie den Zarathustra als Versuch deuten, einen Mythoszu schaffen? Da bin ich mir nicht ganz im klaren: ich glaube, es ist mehr eineFrage der Form der Mitteilung, des Ansprechens der Menschen.

Gründer: Wenn es kein Mythos ist, den Nietzsche mit dem Zarathustrahat schaffen wollen, was ist es dann? Jedenfalls hat der Zarathustra als einMythos oder als ein Quasi-Mythos gewirkt — z.B. auf Paul Mongre (hinterwelchem Pseudonym sich übrigens der Mathematiker Felix Hansdorff ver-birgt, der Erfinder der Mengenlehre).

Kaufmann: Nimmt man den Terminus ,Mythos' im strengen Sinn, dannhandelt es sich bei dem Zarathustra ganz gewiß nicht um einen Mythos. ImZarathustra steht das Kritische, das Negative, darüber hinaus das Karikie-rende, das Parodistische ganz stark im Vordergrund. Wenn man sagt, daßman im Zarathustra Mythisches findet, dann könnte man ebensogut und mitmehr Recht sagen: der ganze vierte Teil des Zarathustra ist ein Antimythos,in dem der Mythos selbst, soweit es sich um einen handelt, lächerlich ge-macht wird. Ich glaube gar nicht, daß ich mit Ihnen, Herr Hehler, darinernstlich nicht übereinstimme.

Nun aber zu etwas anderem: Ich habe zwei Fragen an Sie. Erstens: Stim-men Sie mir zu, daß es sich bei manchem, was Nietzsche mit Friedrich Schle-gel gemeinsam hat, um Schwächen handelt? Zum Beispiel bei der negativenEinschätzung des Euripides. Da macht Nietzsche — leider — etwas nach, wo-mit schon Schlegel Karriere gemacht und wogegen sich Goethe sehr starkausgesprochen hatte. Die andere Frage ist die, ob Sie vielleicht auch zustim-men würden, daß doch bei Schlegel und bei Novalis, die Sie beide viel besserkennen als ich, es nicht zu einer so einheitlichen Philosophie gekommen ist,wie es meiner Ansicht nach — und hier stimmen vielleicht nicht alle Herrenim Raum mit mir überein -*- bei Nietzsche der Fall ist, bei dem schließlicheine Spätphilosophie herauskommt, die sehr zusammenhängt, viel mehr alsdas bei Fr. Schlegel und Novalis der Fall ist.

Behler: Ich stimme in beiden Fragen mit Ihnen überein und möchte dieseGedanken noch etwas ausführen. Zunächst zur negativen Einschätzung desEuripides. Sie ist ein nachhaltiges romantisches Vorurteil geworden und hatdie Erforschung der klassischen Literatur, insbesondere der klassischen Tra-gödie,, lange beeinträchtigt. Es ist überraschend, wie sie sich fortgepflanzt hat.Und das ist nicht das einzige, was hier bedenklich ist. Die Tragödienauffas-sung, wie sie der frühe Friedrich Schlegel in bezug auf die klassische Tragödieentwickelt hat, läßt sich durchaus nicht auf alle alten Tragödien anwenden.Darüber hinaus operieren Schlegel wie Nietzsche auch in bezug auf die mo-

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

92 Ernst Behler

derne Tragödie mit einer Schablone, indem da Hamlet als Prototyp, alsGipfel der Verzweiflung herausgegriffen wird. Dies ist &ne Typologisierungder modernen Tragödie, die sich sofort als unzureichend erweist, wenn sichdie Einzelfälle nicht mehr auf sie beziehen lassen.

Nun zu der Frage, ob Friedrich Schlegel und Novalis eine einheitlichePhilosophie wie Friedrich Nietzsche entwickelt haben. Novalis starb be-kanntlich 1801. Bei ihm zeigen sich nur die Ansätze zu einer sich reflexiv auf-bauenden und herausbildenden Philosophie. Bei Friedrich Schlegel findetdiese Denkmethode 1802 mit seiner Übersiedlung nach Paris ihr Ende. Da-mals sagte er der Ironie und seinem Publikum ein „kritisches Lebewohl" undwollte sich von nun an der Geschichte, der Literaturgeschichte und Kritik derPhilosophie widmen; vier Jahre später war er auf dein Weg zum Katholizis-mus. Dann hat er freilich eine sehr ausgeführte, voluminöse Philosophie ent-wickelt, aber diese ist grundlegend verschieden von dem, was er in seiner frü-heren Zeit gewollt hatte.

Heller: Ich habe drei Fragen. Erstens: Wurde das ,Elementc Schleier-macher erwähnt, das habe ich nicht so richtig gehört? Mir scheint Schleier-macher zur Frühromantik zu gehören. Der spätere Nietzsche, der ,tougher*— härter — wird, sagt: die Philosophen (und nicht nur die Theologen) sindalle Schleier-Macher. Da schwingt die Ablehnung der etwas undezidiertenStellung in Sachen der Religion mit, die die Romantiker ja mit unseren Klas-sikern teilen. Und von daher ist vielleicht verständlich, daß Nietzsche, auchschon der frühe Nietzsche, in seinem dezidierten Schopenhauerischen Atheis-mus sich nicht mit den Romantikern verwechseln lassen will, weil die eigenelieh alle noch eine Quasireligiosität, einen Pantheismus, vertreten, — jeden-falls keine Atheisten sind.

Zum anderen, was mich immer wieder wundert, ist das VerschweigenFriedrich Schlegels durch Nietzsche, den er doch sehr gut gekannt habenmuß, von dem er doch viel — ich will nicht sagen gestohlen, aber doch ent-lehnt und gewiß auch bewußt entlehnt hat. Es wundert mich, wie gesagt, daßer Friedrich Schlegel keinen Kredit zu geben scheint.

Außerdem hätte ich auch noch gern gewußt, ob es irgendeine bewußteBezugnahme Nietzsches zu der hermeneutischen Tradition F.A.Wolfs ge-geben hat, jener Methodik des Verstehens von Texten, die ja auch eine , Erfin-dung*, eine Leistung der Romantik ist.

Behler: Zunächst einmal zu Schleiermacher. Hier habe ich mein Manu-skript für den Vortrag gekürzt. In meinem Manuskript steht über Schleier-macher: „mit dessen Stellung in der protestantischen Theologie Nietzschevertraut war. Wenn sich Nietzsche aber gelegentlich gegen Schleiermacher

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

Diskussion 93

wendet und diesen als ,Schleier-Macher* verulkt, dann richtet er sich nichtgegen den jungen Mitarbeiter des Athenäums und den Autor .der Reden überdie Religion, sondern den späten Theologen der Glaubenslehre." Der jungeAutor der Reden über die Religion leugnet nicht nur die Transzendenz, son-dern auch die Persönlichkeit Gottes. Das Werk ist stark spinozistisch gefärbtund hat dem jungen Theologen enorme Schwierigkeiten mit seinen Kirchen-behörden eingebracht. Wenn Sie die erste Auflage mit der späteren , ortho-doxeren* Auflage der Reden über die Religion vergleichen, dann bemerken Siedeutlich, daß beträchtliche Unterschiede bestehen. Ich glaube also, daßNietzsche von dieser frühen Position Schleiermachers entweder nichts gewußthat oder sich nicht darauf bezieht.

Zum Verschweigen Friedrich Schlegels: Nietzsche hat ihm keinen Kreditgegeben, sagen Sie. Ich weiß nicht, ob er das mußte. Ich habe wirklich nichtden geringsten Hinweis darauf, und ich warte natürlich mit Spannung auf dasErscheinen der vollständigen Nachlaßbände, um festzustellen, ob in Nietz-sches Aufzeichnungen etwas über Fr. Schlegel vorhanden ist. Das einzige,was ich anführen konnte, waren Hinweise der Editoren der Musarion-Aus-gabe und Vorarbeiten zur Geburt der Tragödie, die bisher nicht veröffentlichtworden sind. Die Editoren sagen, Nietzsche hätte sich ausführliche Auszügeaus Schlegels Schriften gemacht und auch den Aphorismus zitiert, jeder habenoch im Altertum gefunden, was er suchte und wollte, vorzüglich sich selbst.Ich weiß wirklich nicht, ob es sich bei den sonstigen Übereinstimmungen umParallelen handelt, die aus der Geistesverwandtschaft herrühren, ob hiersozusagen etwas in der Luft gelegen hat, oder ob Nietzsche als junger Schülerin Schulpforte von Koberstein so gut in das Denken Schlegels eingeführtwurde, daß er ihn gar nicht mehr zu lesen brauchte.

Gründer: Koberstein war ein Freund von Tieck.

Behler: Ich habe es im Vortrag nicht erwähnt, weil ich es nur aus zweiterHand habe, daß sich Nietzsche das 1870 erschienene Buch Die romantischeSchule von R. Häym ausgeliehen hat und daraus den Begriff des Bildungs-philisters entnahm, der von Tieck geprägt worden sein soll. Das habe ich hierauch nicht vorgetragen, weil der Begriff des Bildungsphilisters meiner Ansichtnach schon bei Goethe nachweisbar ist.

Nun zur hermeneutischen Tradition: Da fällt mir direkt die gleichartigeHochschätzung F. A.Wolfs durch Friedrich Schlegel und Nietzsche ein. F. A.Wolf war vielleicht der von Schlegel am meisten bewunderte kritische Philo-loge seiner Zeit. Nun hat Wolf in seiner Homeruntefsuchung bekanntlich dieIndividualität, die Persönlichkeit Homers aufgehoben. Wenn Sie sich dieNietzscheschen Auffassungen über Homer ansehen, stellen Sie fest, daß er

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

94 Ernst Hehler

ebenfalls von Anerkennung für Wolfs Homerdeutung erfüllt ist und darineine gewaltige Tat der Philologie erblickte. '

Pestalozzi: Noch etwas zu der Diskussion jZarathustra: Reflexion oderMythos*. Sie haben sehr schön die Beziehung Nietzsches zur frühroman-tischen Ironiereflexion herausgestellt. Nun steht in der Frühromantik nebender Reflexion das Gefühl; und die Lyrik — der Ausdruck jetzt im weitestenSinne genommen —, hat die Funktion der Evokation des Ziels, auf das sichdann die unendliche Reflexion zubewegt. Nun scheint mir, der Zarathustrareflektiere einerseits durchaus auf die Reflexion, indem in ihm das Redeneiner Figur anvertraut wird. Zugleich aber wird im Zarathustra die Reflexionlyrisiert. Es ist die Frage, ob die Funktion dieser Lyrik dieselbe ist wie beiden Frühromantikern. Ich würde meinen, sie stehe im Zarathustra in Zusam-menhang mit der Reflexion nun auch auf das Reflektieren. Bei den Früh-romantikern ist die Reflexion etwas Autonomes, bei Nietzsche wird im Zara-thustra dagegen die Autonomie der Reflexion bestritten, indem sie in Abhän-gigkeit vom Leib gesehen wird. So wird etwa in Von den Verächtern des Lei-bes die große Vernunft des Leibes der kleinen Vernunft des ,Geistes* ent-gegengesetzt. Die Reflexion wird reduziert auf eine Funktion des Leibes, unddie Lyrisierung hat nun, wie ich meine, im Zarathustra die Bedeutung einerSprache des „Leibes". Es handelt sich mehr um ein Hintereinander: die Lyrikevoziert nicht wie bei den Frühromantikern das Ziel, auf das die Reflexionzugeht, sondern im Zarathustra evoziert die Lyrik den Bereich, der gewisser-maßen , unter* der Reflexion liegt und sich ihrer bedient.

Hehler: Wenn ich Sie recht verstehe, ist die romantische Lyrik in ihrerevokativen Tendenz auf ein Ziel hingerichtet und damit immer noch im Be-reich der als absolut aufgefaßten Reflexion, Das scheint mir eine einleuch-tende Interpretation zu sein, obwohl ich das nie so gesehen habe. Könntenwir konkrete Beispiele anführen? Denken Sie an die Hymnen an die Nacht?

Pestalozzi: An die Hymnen an die Nacht, oder auch an gewisse lyrischePartien in der Lucinde, oder auch an die Reflexionskomödien von Tieck.

Behler: Ihre Beispiele sind in der Tat überzeugend und ich stimme IhrenBemerkungen zu.

Janz: Wir befinden uns in einer gewissen Aporie bezüglich der formalenEinordnung des Zarathustra. Wir befinden uns damit in der guten Gesell-schaft des Autors selber, der die Frage stellte: wohin gehört dieser Zara-thustra eigentlich? Wir hören darauf auch von ihm: der Zarathustra sei eine

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

Diskussion 95

Symphonie. In diesem Zusammenhang wäre natürlich sein Symphoniebegriffzu klären. Es kann nicht der Begriff der klassischen Symphonie sein.Oberflächlich gesehen hat der Zarathustra eine langsame Einleitung, und dievier Hauptteile könnte man den vier Sätzen der klassischen Symphonie analogsetzen: Aber Nietzsche gebraucht den Hinweis auf die Symphonie bereitsnach Vollendung des ersten Teils, dann-wiederholt er ihn sehr energisch nachdem dritten Teil, nach dem vierten Teil dagegen nicht mehr. Es kann sich alsonicht auf das Formschema der klassischen viersätzigen Symphonie beziehen.Bei detaillierter Betrachtung des Zarathustra kann man die Spuren des Auf-baus einer musikalischen Architektur von zwei Themen verfolgen: Exposi-tion, Thema eins: ,Ubermenschf, Thema zwei: ,Ewige Wiederkunft', diegegeneinander durchgeführt werden. Im Formaufbau sehen wir das Prinzipder wachsenden Glieder angewandt. Teil für Teil nimmt zu, in der Erstaus-gabe genau um 16 Seiten, also jeweils um einen Bogen, genau berechnet neh-men dementsprechend auch die einzelnen Redepartien zu. Die Redepartiender einzelnen Teile stehen in schönen Proportionen, wie wir sie zum Beispielbei Analysen von Bachschen Werken auffinden können. Ich möchte hier aufdie enorme musikalische Komponente bei Nietzsche nur hinweisen: wie erbeim Bau seiner Werke sehr oft in einem Maße in musikalischen Formen denkt,daß man nur als Musikwissenschaftler seine Werke analysieren kann. DasSymphonische soll bei Nietzsche in künstlerischer Form etwas ausdrücken,das rational nicht mehr faßbar ist. Er sagt von der Musik, daß sie da eintretenmöge, wo das Wort des Philosophen nicht mehr hinreicht. Da setzt er selberdie Musik ein, und in diesem Sinne, so glaube ich, sind zum Teil auch Aus-drucksweise und Bau seines Zarathustra zu verstehen. Es geht Nietzschedabei darum, Dinge ahnbar oder erlebbar zu machen, für die er die Form desWortes nicht mehr fand. Zarathustra ist nicht der einzige Fall, wo Nietzschezu künstlerischer Gestaltung greift, weil er mit einem Problem nicht fertigwird. Der erste signifikante Fall ist seine symphonische Dichtung Ermana-rich: Er hat in Schulpforte die Aufgabe, über den alten Gotenkönig Erma-narich eine historische Ausarbeitung zu machen. Und da stellt er zuerst eineKomposition her und sagt dazu, er habe das Thema erst in Musik fassenmüssen, weil er noch nicht einmal zum Gedicht, noch nicht einmal zur dra-matischen Form die Distanz hatte. Erst danach kommt ein Gedicht, und dannkommt die Schularbeit — das ist leider später von seiner Schwester umgekehrtdargestellt worden. Die ganze Problematik um Ariadne, die er immer wiederversucht, in künstlerische Form zu fassen, gehört auch hierher.

Heller: Musizieren mit Gedanken — der Ausdruck ist von Novalis —,das ist ein Genre, das Nietzsche mit Novalis teilt, und das er im größten Stil

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05

96 Ernst Hehler

entwickelt. Wir finden auch hier eine Gemeinsamkeit zwischen den Früh-romantikern und Nietzsche. . '

Djuric: Mir scheint, daß Sie, Herr Behler, Nietzsche allzusehr mit einerprophetischen, messianischen Haltung in Verbindung bringen, daß Sie seinDenken zu stark auf die Hoffnung auf die Zukunft hin ausrichten und daß Sieauf diese Weise eine andere Orientierung seines Denkens beiseite lassen, inder Nietzsche sich aus dieser Grundkonzeption der Neuzeit, also nicht nurder Frühromantik, herausziehen will und in der er versucht, die Lebensfüllein der Gegenwart zu verankern. Obwohl es viele Stellen bei Nietzsche gibt,in denen er jene Hoffnungsphilosophie weitertreibt und sich zu ihr bekennt,so meine ich doch, daß er an diesen Stellen eigentlich sich selbst nicht rechtverstanden hat. Wesentlicher für Nietzsche sind andere Motive, denken wirnur an die dritte Verwandlung des Geistes, um ein Beispiel zu nennen* \

I;

Behler: Ich glaube, ich habe die messianische, prophetische oder futu- |!ristische Haltung Nietzsches sehr vorsichtig zum Ausdruck gebracht. Sie er- j!innern sich vielleicht daran, daß ich meinen Abschluß in rhetorische Fragen jgekleidet habe. Dadurch ist meiner Ansicht nach eine Überbetonung des 'zukunftsbezogenen Denkens Nietzsches vermieden worden. Um aber nunohne Fragezeichen zu sprechen, so glaube ich, daß die Zukunftsbezogenheitein wesentliches Element in seinem Denken ist. Denken Sie daran, daß dasWerk Jenseits von Gut und Böse den Untertitel trägt: Vorspiel einer Philo-sophie der Zukunft. Die abschließenden Aphorismen des zweiten Haupt-stücks Der freie Geist wenden sich ständig an, plädieren für, flehen beinaheum den Philosophen der Zukunft. Dies alles ließe sich als weitere Parallelenzwischen den Romantikern und Friedrich Nietzsche anführen.

Bereitgestellt von | Vienna University Library / University of ViennaAngemeldet

Heruntergeladen am | 12.11.14 14:05