Komplikation nach arthroskopischer Rotatorenmanschettennaht

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Arthroskopie Leitthema Arthroskopie 2020 · 33:176–182 https://doi.org/10.1007/s00142-020-00372-4 Online publiziert: 4. Mai 2020 © Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 F. Gröger · E. Buess Orthopädische Praxis „Shouldercare“, Bern, Schweiz „Failure to heal“: Komplikation nach arthroskopischer Rotatorenmanschettennaht Ein Behandlungsalgorithmus Die arthroskopische Rotatorenman- schettennaht (RMN) gilt heute als Gold- standard zur Versorgung von Rota- torenmanschetten(RM)-Läsionen und stellt eine der häufigsten Operationen an der Schulter dar. Die Gesamt-Kom- plikationsrate beträgt etwa 10 % [9]. Unterschieden werden muss zwischen intraoperativen Komplikationen, wie z.B. Instrumentenbruch, Extravasation, Gefäß- und Nervenverletzungen, sowie anästhesiologischen Zwischenfällen und Tab. 1 Gründe für das Versagen einer Ro- tatorenmanschetten(RM)-Rekonstruktion Chirurgi- sche Komplika- tionen Deltamuskelinsuffizienz Infekt (1,9 % bei mini-open; 0,4 % bei Arthroskopie) Fremdkörperreaktion Postoperative Steife (5–10 %) „Captured shoulder“ (RM ver- klebt am Akromion; [23]) Neurologische Probleme (sen- sorische Neuropathie oder CRPS nach Plexusblockade bei 0,4 %; [1]) Diagnosti- sche Irrtümer Neuropathie des N. suprasca- pularis Os acromiale Zervikale Radikulopathie Technische Fehler Nichterkennen der Risskonfigu- ration Überspannen der Naht Falsche Ankerposition Trauma Sturz Aggressive Physiotherapie „Failure to heal“ Häufige Ursache, multifaktoriell CRPS komplexes regionales Schmerzsyn- drom postoperativen Komplikationen. Hierzu zählen Infektionen, Fremdkörperreak- tionen, postoperative Steifigkeit und nicht geheilte Sehnen bzw. Redefekte. In . Tab. 1 ist eine Übersicht und Ein- teilung der möglichen Komplikationen nach RMN in Anlehnung an George et al. dargestellt ([9]; . Tab. 1). „Failure to heal“ umschreibt die mit Abstand häufigste Komplikation und be- inhaltet die nur unscharf abgrenzbaren Begriffe Reruptur, Redefekt oder unvoll- ständige Heilung. In der Literatur schwanken die Anga- ben zur Häufigkeit von Rerupturen von 7,6 bis 45% [7, 8, 13, 16, 19], in älte- ren Arbeiten sogar bis 94%. Es existiert umfangreiche Literatur über die Behand- lungsmöglichkeiten von Rerupturen [5, 810, 14, 17, 18, 25], ein Goldstandard hat sich jedoch bis heute nicht etablieren können. Nach wie vor verbleiben viele Tab. 2 Typische Versagensmodi nach Re- pair-Technik Alle „Failure in continuity“ Single-row Laterale Reruptur (oder „failure to heal“) am Footprint Double- row Subakromiales Knotenim- pingement (gelegentlich mit Erosion an der Akromionunter- fläche) Lokaler Riss beim medialen Anker (Durchschneiden der Fäden, „Medial cuff failure“) Suture- bridge „Medial cuff failure“ (mit in- taktem Sehnengewebe am Footprint) Lateraler Fixationsverlust der Suture-bridge Entscheidungen in der Präferenz und Ex- pertise des Operateurs. Ziel des Artikels ist es, einen Überblick über Risikofakto- ren und Formen der RM-Reruptur, die Diagnostik, das therapeutische Vorgehen sowie das postoperative Management zu geben. Reruptur der Rotatoren- manschette Risikofaktoren und Formen Kommt es zum Versagen einer RMN, liegen meist multifaktorielle Faktoren zugrunde. Zahlreiche Arbeiten konnten zeigen, dass die initiale Größe der RM- Läsion einen entscheidenden Risikofak- tor für eine Reruptur darstellt [11, 15, 17, 19, 21]. Das Risiko für eine Reruptur bei kleinen bis mittelgroßen RM-Läsio- nen liegt bei 5–10%, dieses steigt bei Tab. 3 Klassifikation von Rotatorenman- schetten(RM)-Rerupturen nach Sugaya. (Nach [24]) Typ I Intakte RM mit suffizienter Sehnen- dicke Typ II Suffiziente Sehnendicke mit parti- eller Mehranreicherung in den T2- und PD-gewichteten Schichten Typ III Insuffiziente Sehnendicke, d. h. weniger als die Hälfte der normalen Sehnendicke, keine Diskontinuität Typ IV Präsenz einer kleinen Diskontinui- tät in 1–2 Schichten in der Sehne Typ V Präsenz einer großen Diskontinui- tät in mehr als 2 Schichten in der Sehne 176 Arthroskopie 3 · 2020

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ArthroskopieLeitthema

Arthroskopie 2020 · 33:176–182https://doi.org/10.1007/s00142-020-00372-4Online publiziert: 4. Mai 2020© Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil vonSpringer Nature 2020

F. Gröger · E. BuessOrthopädische Praxis „Shouldercare“, Bern, Schweiz

„Failure to heal“: Komplikationnach arthroskopischerRotatorenmanschettennahtEin Behandlungsalgorithmus

Die arthroskopische Rotatorenman-schettennaht (RMN) gilt heute als Gold-standard zur Versorgung von Rota-torenmanschetten(RM)-Läsionen undstellt eine der häufigsten Operationenan der Schulter dar. Die Gesamt-Kom-plikationsrate beträgt etwa 10% [9].Unterschieden werden muss zwischenintraoperativen Komplikationen, wiez.B. Instrumentenbruch, Extravasation,Gefäß- und Nervenverletzungen, sowieanästhesiologischen Zwischenfällen und

Tab. 1 Gründe für das Versagen einer Ro-tatorenmanschetten(RM)-Rekonstruktion

Chirurgi-scheKomplika-tionen

Deltamuskelinsuffizienz

Infekt (1,9% bei mini-open;0,4% bei Arthroskopie)

Fremdkörperreaktion

Postoperative Steife (5–10%)

„Captured shoulder“ (RM ver-klebt am Akromion; [23])

Neurologische Probleme (sen-sorische Neuropathie oderCRPS nach Plexusblockade bei0,4%; [1])

Diagnosti-scheIrrtümer

Neuropathie des N. suprasca-pularis

Os acromiale

Zervikale Radikulopathie

TechnischeFehler

Nichterkennen der Risskonfigu-ration

Überspannen der Naht

Falsche Ankerposition

Trauma Sturz

Aggressive Physiotherapie

„Failure toheal“

Häufige Ursache, multifaktoriell

CRPS komplexes regionales Schmerzsyn-drom

postoperativen Komplikationen. Hierzuzählen Infektionen, Fremdkörperreak-tionen, postoperative Steifigkeit undnicht geheilte Sehnen bzw. Redefekte.In . Tab. 1 ist eine Übersicht und Ein-teilung der möglichen Komplikationennach RMN in Anlehnung an Georgeet al. dargestellt ([9]; . Tab. 1).

„Failure to heal“ umschreibt die mitAbstand häufigste Komplikation und be-inhaltet die nur unscharf abgrenzbarenBegriffe Reruptur, Redefekt oder unvoll-ständige Heilung.

In der Literatur schwanken die Anga-ben zur Häufigkeit von Rerupturen von7,6 bis 45% [7, 8, 13, 16, 19], in älte-ren Arbeiten sogar bis 94%. Es existiertumfangreiche Literatur über die Behand-lungsmöglichkeiten von Rerupturen [5,8–10, 14, 17, 18, 25], ein Goldstandardhat sich jedoch bis heute nicht etablierenkönnen. Nach wie vor verbleiben viele

Tab. 2 Typische Versagensmodi nach Re-pair-Technik

Alle „Failure in continuity“

Single-row Laterale Reruptur (oder „failureto heal“) am Footprint

Double-row

Subakromiales Knotenim-pingement (gelegentlichmitErosion an der Akromionunter-fläche)

Lokaler Riss beimmedialenAnker (Durchschneiden derFäden, „Medial cuff failure“)

Suture-bridge

„Medial cuff failure“ (mit in-taktem Sehnengewebe amFootprint)

Lateraler Fixationsverlust derSuture-bridge

Entscheidungen inderPräferenzundEx-pertise des Operateurs. Ziel des Artikelsist es, einen Überblick über Risikofakto-ren und Formen der RM-Reruptur, dieDiagnostik, das therapeutischeVorgehensowie das postoperative Management zugeben.

Reruptur der Rotatoren-manschette

Risikofaktoren und Formen

Kommt es zum Versagen einer RMN,liegen meist multifaktorielle Faktorenzugrunde. Zahlreiche Arbeiten konntenzeigen, dass die initiale Größe der RM-Läsion einen entscheidenden Risikofak-tor für eine Reruptur darstellt [11, 15,17, 19, 21]. Das Risiko für eine Rerupturbei kleinen bis mittelgroßen RM-Läsio-nen liegt bei 5–10%, dieses steigt bei

Tab. 3 Klassifikation von Rotatorenman-schetten(RM)-Rerupturen nach Sugaya.(Nach [24])

Typ I Intakte RMmit suffizienter Sehnen-dicke

Typ II Suffiziente Sehnendicke mit parti-eller Mehranreicherung in den T2-und PD-gewichteten Schichten

Typ III Insuffiziente Sehnendicke, d.h.weniger als die Hälfte der normalenSehnendicke, keine Diskontinuität

Typ IV Präsenz einer kleinen Diskontinui-tät in 1–2 Schichten in der Sehne

Typ V Präsenz einer großen Diskontinui-tät in mehr als 2 Schichten in derSehne

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kleine RMRe-Ruptur

konserva�ver Therapieversuch

posi�ves Ansprechen

kein Ansprechen

weiter konserva�ve

Therapie

große RMRe-Ruptur

Revision

güns�ge Faktoren in MRT

und Röntgen

Technik I Technik II

ungüns�ge Faktoren in MRT

und Röntgen

konserva�ver Therapieversuch

keine Omarthrose + intakter SSC +

par�ell intakter ISPOmarthrose

SuperioreKapselrekonstruk�on

InverseSchulterprothese

Abb. 18 Eigener Therapiealgorithmus. SSC Subskapularis, ISP Infraspinatus

Abb. 28 Rechte Schulter, Ansicht von late-ral. Technik I: Platzieren vonMargin-conver-gence-Nähten. NachAnfrischen von Sehne undFootprint werden 2 resorbierbare (PDS)Quer-nähte durchgestochen

großen bis Massenrupturen auf bis zu50% [6, 20]. Ebenfalls großen Einflusshat das Alter des Patienten oder indirektdas Ausmaß der Sehnendegenerationund Muskelatrophie [3, 8, 9, 11, 15, 19].Weitere Faktoren, die das Ergebnis einerRMN negativ beeinflussen können, sindDiabetes mellitus, Nikotinabusus, Os-teoporose und nicht zuletzt die operativeErfahrung undTechnik desOrthopäden.

In den letzten Jahren wurde vonvielen Operateuren ein Wechsel in derVerfahrenstechnik vom Single-row(SR)-zum Double-row(DR)- oder Suture-

Abb. 38 Rechte Schulter, Ansicht von lateral.Technik I: laterale dreieckförmige Abspannungüber einen knotenlosenAnker. NachKnotenderQuernähte erfolgt das laterale, dreiecksförmigeAbspannenmit einer nichtresorbierbarenNahtund einem knotenlosenAnker

bridge(SB)-Repair vollzogen. SB-Re-pairs zeigen bei guter Sehnenqualitätund ausreichend langem Sehnenstumpfein besseres funktionelles Outcome [16].Brown et al. konnten in ihrer Metaana-lyse aber keine Überlegenheit des DR-Repairs gegenüber dem SR-Repair be-züglich der Rerupturrate nachweisen[2]. Den Gesetzen der Physik folgend,versagt eine Rekonstruktion an derschwächsten Stelle. Während es beimSR-Repair typischerweise an der Kno-chen-Sehnen-Schnittstelle zur Rupturkommt, zeigen SB-Repairs öfter ein Ver-

sagen am muskulotendinösen Übergang[8], bedingt durch eine übermäßigeSpannung der Fäden der medialen An-kerreihe [16]. In der Literatur hat sichhier der Begriff des „medial cuff failure“durchgesetzt. Zusammengefasst kannfestgehalten werden, dass jede Nahttech-nik ihren typischen Versagensmodusaufweist (. Tab. 2).

Uneinigkeit besteht bezüglich desZeitpunkts des Auftretens von Reruptu-ren: Während Kim et al. [15] zeigten,dass sich die meisten Rerupturen inner-halb der ersten 3 Monate postoperativmanifestieren, trat bei Ianotti et al. [12]dieHälfte erst zwischen 3 und 6Monatenauf.

Anamnese, klinisches Assessmentund Patientenaufklärung

Hinweisend auf eine Reruptur sindpersistierender postoperativer Schmerzund/oder Schwäche. Typischerweise kla-gen die Patienten über laterale Schulter-schmerzen mit Nachtschmerzhaftigkeit.Ventrale Schmerzen können auf einebegleitende Bizepssehnen- oder Sub-skapularis(SSC)-Pathologie, superioreSchmerzenaufdasVorliegeneines symp-

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tomatischen Akromioklavikular(AC)-Gelenks hinweisen. Schmerzen über derSkapula deuten auf eine Kompressions-neuropathie des N. suprascapularis odereine Pathologie der Halswirbelsäule hin.Differenzialdiagnosen wie Knorpelschä-den, Frozen Shoulder, CRPS, CapturedShoulder oder ein postoperativer Infektsollten als Schmerztrigger ausgeschlos-sen werden.

» Das Vorliegen einerPseudoparese deutet auf eineReruptur hin

In der klinischenUntersuchungwird im-mer der aktive und passive Bewegungs-umfang erhoben. Das Vorliegen einerPseudoparese deutet auf eine Rerupturhin, eine Schultersteife hingegen auf dasVorliegen einer Frozen Shoulder (Kapsu-litis) oder Captured Shoulder. ImWeite-renwerdendieStandardtests zurPrüfungder RM und Bizepssehne durchgeführtund das AC-Gelenk getestet. Essenziellist auch die orthopädische Beurteilungder beiden benachbarten Körperregio-nen wie Ellenbogen und Halswirbelsäu-le sowie ein kurzer neurologischer Statusder oberen Extremität.

Im Fall einer geplanten Revision wirdder Patienten über die verlängerte post-operative Immobilisation und das etwadoppeltsohoheKomplikationsrisikover-glichen mit der Indexoperation infor-miert. Insbesonderewirddas erhöhteRe-rupturrisiko erwähnt, wiewohl bekann-terweise ein „structural failure“ nicht un-bedingt ein„clinical failure“bedeutet [10,17, 25]. Eine Pseudoparese kann nur in40–50% der Fälle behoben werden [18],die Schmerzsituation verbessert sich je-doch fast immer deutlich.

Bildgebung

Bei Verdacht auf eine RM-Reruptur wer-den ein Röntgen in 2 Ebenen und eineMRT durchgeführt. Auch die Sonogra-phie stellt inderHanddesgeübtenUnter-suchers eine kostengünstige, zuverlässigeMethode zur Beurteilung der Integritätder RM dar [9, 11]. Im Röntgen könnenbei röntgendichten Ankern die Ankerla-ge, die glenohumerale Zentrierung und

Zusammenfassung · Abstract

Arthroskopie 2020 · 33:176–182 https://doi.org/10.1007/s00142-020-00372-4© Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

F. Gröger · E. Buess

„Failure to heal“: Komplikation nach arthroskopischerRotatorenmanschettennaht. Ein Behandlungsalgorithmus

Zusammenfassung„Failure to heal“ umschreibt die unscharfabgrenzbaren Begriffe Reruptur derRotatorenmanschette (RM), Redefekt oderunvollständige Heilung und tritt – je nachRisikofaktoren – als häufigste Komplikationder arthroskopischen RM-Naht bei bis zu50% der Patienten auf. Die Rerupturrate istklar abhängig von der Rissgröße und der(altersabhängigen) Qualität der Muskel-Sehnen-Einheit. Wenn die konservativeTherapie ausgeschöpft ist, kann prinzipiellerfolgversprechend operativ revidiertwerden. Bei einer unvollständigen Heilungkommt eine einfache, sanfte Revisionstechnik

mit kräftigem resorbierbarem Fadenmaterialund Nachspannen der Sehne in Betracht. Beigrößeren Redefekten oder einem „medialcuff failure“ wird eine komplexere Suture-bridge-Technik mit Patch-Augmentationverwendet. Bei irreparablen Rerupturen gerätdie SCR („superior capsular reconstruction“)als neues, hochkomplexes, aber prinzipiellerfolgversprechendes Verfahren ins Blickfeld.

SchlüsselwörterSchultergelenk · Reruptur · Komplikationen ·Revision · Patch

Failure to heal: complication after arthroscopic rotator cuff repair.A treatment algorithm

AbstractFailure to heal includes terms like rerupture ofthe rotator cuff, retear or incomplete healingand is the most frequent complication of anarthroscopic rotator cuff repair in up to 50%of patients, depending on the risk factors. Theretear rate is clearly correlated with the size ofthe tear and the (age-dependent) quality ofthe muscle-tendon unit. When conservativetreatment fails, arthroscopic revision surgerycan be successful. In cases of incompletehealing a gentle revision technique withstrong absorbable suture material and

tensioning of the tendon can be considered;for larger retears or in the presence ofa medial cuff failure, a more complex suturebridge technique with patch augmentation isused. For irreparable cuff retears a superiorcapsular reconstruction (SCR) as a novel,highly complex but promising procedure, canbe considered.

KeywordsShoulder joint · Rerupture · Complications ·Revision · Patch

dieakromiohumeraleDistanz(AHD)be-urteiltwerden.DieMRT liefert detaillier-te Informationen zur Integrität der RMund den Begleitpathologien. Am deut-lichsten zu sehen sind Rerupturen in denT2- und PD(„proton density“)-gewich-teten Schichten [16]. An dieser Stelle seidarauf hingewiesen, dass nur etwa 10%aller postoperativenMRT-Untersuchun-gen normale Sehnen zeigen [18]. Ein-wachsendeGefäße führenzuvermehrter,eine Fibrose hingegen zu verminderterSignalanreicherung.

In der eigenen Praxis hat sich eineNativ-MRT (Kurzprotokoll) bei per-sistierenden postoperativen Schmerzenzwischendem3.und6.Monatalsnichtin-vasive, kostengünstige Alternative zur

Arthro-MRT bewährt. Die Beurteilungder Sehnenintegrität erfolgt gemäß derKlassifikationvonSugaya ([24];. Tab. 3).Hingewiesen sei in diesem Zusammen-hang auf das Phänomen des „delayedbiological healing“. Dieses beschreibt ei-ne gewisse Dynamik mit dem Potenzialzur Verbesserung des Sugaya-Stadiumsim Verlauf [15].

Neben dem diagnostischen Wert vonRöntgen und MRT sind auch prognosti-scheAussagen imHinblick aufdenErfolgeiner eventuellen Reoperation möglich.Eine AHD >7mm stellt wohl den bestenIndikator dar, welcher für eine potenziellerfolgreiche Revision spricht. Eine AHD<7mm, Muskelverfettung> Gouttallier-Stadium II und ein kurzer Sehnenstumpf

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Abb. 49 RechteSchulter, Ansichtvon lateral. Tech-nik I: schematischeDarstellung

gelten als prognostisch ungünstige Fak-toren [18].

Therapeutisches Vorgehen undBehandlungsalgorithmus

Ein Goldstandard zur Behandlung derRM-Reruptur hat sich bis heute nichtetabliert. Die Fragen ob, wann und mitwelcher Strategie operiert werden soll,obliegt der Erfahrung und Präferenz desOperateurs. George et al. [9] empfehlen,die Entscheidung zurRevision inAbhän-gigkeit von patientenspezifischen Fakto-renwie Größe der Reruptur,Muskelatro-phie, fettiger Infiltration und Chronizitätdes Risses individuell abzuwägen. Im ei-genen Vorgehen hat sich der in . Abb. 1dargestellte Algorithmus bewährt.

Konservatives ManagementIm Fall eines konservativen Vorgehenswird dem Patienten Physiotherapie zurSchulterzentrierung, Muskelaufbau undFörderung von Kompensationsmecha-nismen verordnet. Neben der Physiothe-rapie empfiehlt sich eine medikamentösanalgetische und entzündungshemmen-de Therapie. Fallweise werden thera-peutische Steroid-Infiltrationen durch-geführt.

Operatives VorgehenEin Revisionseingriff der RM ist auf-grund der schlechteren Gewebequali-tät, Vernarbungen, verbliebener Hard-

ware und der Patientenerwartungenanspruchsvoller als die Indexoperati-on [9]. Im eigenen Setting wird derintubierte Patient in Beach-chair-Po-sition gelagert. Ein Interskalenusblockerlaubt ein besseres intraoperatives Blut-druckmonitoring und postoperativesSchmerzmanagement. Während der di-agnostischen Arthroskopie wird nachBegleitpathologien gesucht, welche inbis zu 45% der Fälle nachweisbar sind[4]. Die AGA-Multizenterstudie zeigt,dass in 29% der Fälle versorgungspflich-tige SSC-Läsionen vorliegen [10]. DieBizepssehne wird bei kleinsten Patho-logien tenotomiert oder tenodesiert.Im Weiteren wird immer die dorsaleRotatorenmanschette über das antero-superiore Portal visualisiert, um eineDelamination der Infraspinatussehne zudetektieren, welche in bis zu 82% derFälle beobachtet wird [7]. Anschließenderfolgen eine subakromiale Bursekto-mie, die notwendigen Sehnenreleases(Release des Lig. coracohumerale, pe-riglenoidaler Release, subakromialerRelease bis zur Spina scapulae) und dieFootprint-Präparation mit Mikrofraktu-rierung. Dies soll zur Anreicherung vonmesenchymalen Stammzellen führenund die Rerupturrate verringern [13].

Einfache (sanfte) Revisionstechnik(Technik I)Ziel dieser Technik ist es, die geheiltenAnteile des vorgängigen RM-Repairs zu

erhalten [4]. Die Indikation wird gestelltbei:4 inkompletter Heilung, d.h. kein

Defekt aber insuffiziente Sehnendicke(Sugaya Typ III),

4 Unterflächenpartialläsionen,4 „cut through“ der medialen Anker-

reihe,4 Knochenzysten durch Mikrobewe-

gungen der Anker,4 „lateral failure“.

Das Vorgehen ist wie folgt: Ausgelo-ckerte oder freiliegende Fäden werdenentfernt. Der Footprint wird débridiertund mikrofrakturiert. Subakromial wirddie RM mit dem Tasthaken evaluiert.An der klinisch und MR-tomographischdünnsten Stelle wird die RM im Fa-serverlauf bis zum Footprint inzidiert.Am Apex werden Margin-convergence-PDS-Nähte mit der Spectrum-Hohlna-del platziert (. Abb. 2). Abschließenderfolgt eine laterale dreiecksförmigeAbspannung mit nichtresorbierbaremNahtmaterial über einen knotenlosenAnker (. Abb. 3 und 4).

Komplexe Revisionstechnik(Technik II)ImFall einesklassischen„medialcufffail-ure“, aber auch bei Rerupturen am Foot-print wird wenn immermöglich ein DR-oder SB-Repair angestrebt. Nach intraar-tikulärer und subakromialer Präparationwird zunächst die Rupturkonfigurationbeurteilt.PartiellgeheilteAspektederRMwerden im späteren Repair berücksich-tigt und geschont. Gelockertes Nahtma-terial und Anker werden entfernt. In Ab-hängigkeit von Spannungsverhältnissenund Sehnenamplitude erfolgt eine leichteMedialisation des Footprints. Im nächs-ten Schritt werden 2–3 Margin-conver-gence-PDS-Fäden im Apex des Defektsvorgelegt. Damit gelingt eine deutlicheReduktion des initial großen Defekts. Jenach Defektgröße werden 1–2 Anker indermedialen Reihe platziert. Um die oft-mals bestehende Delamination des tie-fen posterosuperioren Blatts zu adressie-ren, wird ein Fadenpaar in Matratzen-nahttechnik mit dem Cleverhook nachposterior durchgestochen. Die übrigenFadenpaare werden nach dem Prinzip„margin convergence to bone“ durch die

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Leitthema

Abb. 59 Rechte Schulter,Ansicht von lateral. Tech-nik II: schematischeDarstel-lung. a Zentraler DefektmitvorgelegtenQuernähtenamApex und lateral ange-frischte Facette des Foot-printsmit einemdreifacharmierten Anker.b Kno-ten aller Fäden und Einzugdes Patches. (Aus [5],mitfreundlicherGenehmigungvon Elsevier).

Abb. 68 Rechte Schulter, Ansicht von lateral.Technik II: vorbereiteter Patch für den Einzugnach subakromial

anterioren und posterioren Sehnenrän-der transportiert. Die mediale Nahtreihesollte dabei nicht näher als 3–4mm ammuskulotendinösen Übergang sein, umeine Überspannung zu vermeiden [16].Nach dem Knoten werden alle Fäden im

Abb. 78 Rechte Schulter, Ansicht von lateral.Technik II: Endresultat. Entfalteter Patch überdem Suture-bridge-Repair, die Fixation erfolgtohne zusätzliche Anker

Sinne einer Suture-bridge mit zwei wei-teren Ankern gekreuzt nach lateral ab-gespannt (. Abb. 5b).

Technik II+ additive Verstärkungdes Repairs mit synthetischemPatchBei stark ausgedünnten, degenerativenSehnen ist eine Patch-Augmentationsinnvoll. Hierfür wird ein absorbierba-res, biologisches Patch (BioFiber, Tor-nier) verwendet (. Abb. 6 und 7). Seineretikuläre Struktur soll ein zelluläres Ein-wachsen begünstigen; der Abbau erfolgtlangsam über den Krebszyklus inner-halb von 13 Monaten. Eine detaillierteBeschreibung der Technik inkl. Videofindet sich bei Buess et al. [5].

Nachbehandlung

Manche Autoren propagieren eine ver-längerte Immobilisation [9, 22]. Im eige-nen Setting wird ein 3-phasiges Reha-bilitationsprotokoll verwendet. Abhän-gig vom Operationsverfahren (Technik I

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oder II) wird die Schulter für 4–6 bzw.8 Wochen in 15° Abduktion immobili-siert. Durch den Physiotherapeuten wer-den die Patienten in der Durchführungeines Heimprogramms mit Pendelübun-gen und Skapulazentrierung instruiert.Im Fall eines SSC-Repairs wird die Au-ßenrotation auf 0° limitiert. Anschlie-ßend beginnt eine 6-wöchige Remobi-lisationsphase mit aktiv-assistiven, be-lastungsfreien Bewegungsübungen unterphysiotherapeutischer Anleitung. Nach10 bzw. 14Wochenwirdmit demMuske-laufbau begonnen. Die Rehabilitations-fortschritte werden nach 4 Wochen und3 Monaten in der Sprechstunde kontrol-liert. Im Rahmen der 3-Monats-Kontrol-le wird das Operationsergebnis sonogra-phisch dokumentiert und in Einzelfällenein MRT-Kurzprotokoll durchgeführt.

Ergebnisse

Die eigene Erfahrung und mehrere Fall-serien in der Literatur zeigen, dass diePatienten von einer Revisionsoperati-on profitieren mit deutlich verbesserterFunktion und signifikanter Verringe-rung der Schmerzen [4, 17]. Allerdingsist diese Verbesserung wesentlich gerin-ger als bei nicht voroperierten Schulternund die erneute Rerupturrate ca. 2-mal höher [18]. Die möglicherweiseweltweit größte Serie (n= 100, Multi-centerdesign) konnte kürzlich am AGA-Kongress in Mannheim vorgestellt wer-den [10]. Einige wesentliche Punktedieser Studie seien hier erwähnt: DerConstant Score, der Oxford ShoulderScore und der Subjective Shoulder Value(SSV) verbesserten sich hochsignifikant.Es fand sich eine Rerupturrate in derMRT von 52% nach 2 Jahren bei aller-dings deutlich kleinerer Rupturgröße.Eine Korrelation zwischen Sehneninte-grität und klinischem Ergebnis ließ sichnicht nachweisen. Die folgenden Fak-toren korrelierten hingegen mit einemschlechteren SSV: offene Voroperati-on, SSC-Beteiligung und Reruptur ammuskulotendinösen Übergang.

Fazit für die Praxis

4 Bei der Revisionschirurgie der Ro-tatorenmanschette (RM) müssen

auch andere Schmerzursachen wieBizepssehne, Akromioklavikular-Ge-lenk, Gelenkknorpel, Kapsulitis undNeuropathie des N. suprascapularisidentifiziert und behandelt werden.

4 Bei der Interpretation der Magne-tresonanztomogammbefunde istVorsicht geboten, da sich die RMauch nach 6–12 Monaten noch in derHeilungsphase befindet und Area-le mit Signalanstieg eine Rerupturvortäuschen können!

4 Rerupturen sind oft kleiner als derursprüngliche Defekt – geheilteSehnenareale sind zu erhalten.

4 Auf die Delamination der Sehnen(in ca. 80% der Fälle) soll geachtetwerden. Das tiefe Blatt der Infra-spinatussehne sollte in den Repairintegriert werden.

4 Der Gebrauch von kräftigen, resor-bierbaren PDS-Fäden wird empfoh-len, um ein Knotenimpingementund Durchschneiden der Fäden zuvermeiden.

4 Die Knochenmarkstimulation erfolgtroutinemäßig.

4 Frühmobilisation kann die Sehnen-einheilung ungünstig beeinflussen,daher ist in komplexen Fällen eine re-lative Immobilisation von 8 Wochenzu empfehlen.

Korrespondenzadresse

Dr. med. F. GrögerOrthopädische Praxis „Shouldercare“Riedweg 5, 3012 Bern, [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. F. Gröger undE. Buess geben an,dass kein Interessenkonflikt besteht.

Für diesenBeitragwurden vondenAutoren keineStudien anMenschenoder Tierendurchgeführt.Für die aufgeführten Studiengelten die jeweils dortangegebenen ethischenRichtlinien.

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Arthroskopie 3 · 2020 181

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