… nach Jahr und Tag – Bemerkungen über die Trundholm-Scheiben.

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Praehistorische Zeitschrift 85. Band 2010, Heft 2 , S. 207-242

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Praehistorische Zeitschrift

85. Band 2010, Heft 2 , S. 207-242

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… nach Jahr und Tag – Bemerkungen über die Trundholm-Scheiben

von Christoph Sommerfeld, Mönkeberg

Dänemark; Nordische Bronzezeit; Sonnenscheibe von Trundholm; Nordischer Stil; Astronomie; Meton-Zyklus; Schöpfungsmythos.Danemark; âge du Bronze nordique; disque solaire de Trundholm; style nordique; astronomie; cycle de Méton; mythe de la création.Denmark; Nordic Bronze Age; sun disc of Trundholm; Nordic style; astronomy; Metonic cycle; creation myth.

Der ‚Sonnenwagen von Trundholm‘ besticht durch außergewöhnliche Ästhetik. Vorder- und Rückseite der Trundholm-Scheibe offenbaren durch das Fluidum ihrer Leuchtkraft und mit ihrem verschiedenartigen Dekor jeweils ein eigenes Kon-zept – Sonne und Mond. Die Analyse dieser filigranen Ornamente belegt, dass die bronzezeitlichen Menschen profunde as-tronomische Kenntnisse der Himmelsmechanik von Sonne und Mond besaßen. Vorder- und Rückseite der Scheibe fügensich zu einem Gesamtbild, das bereits den Metonschen Zyklus enthält. Die in der Ornamentik beider Seiten verschlüsselteMathematik ist von großer Potenz und Schönheit.

Die Trundholm-Scheibe wird damit zum Schlüssel für das Verständnis des Nordischen Stils und des darin verankertenSchöpfungsmythos.

Le „char solaire de Trundholm“ séduit par son esthétique exceptionnelle. La face et le revers du disque, par leur luminositéfluide et leur décor distinct, révèlent chacun une idée propre – le soleil et la lune. L’analyse des décors en filigrane démontreque l’homme de l’âge du Bronze avait des connaissances astronomiques poussées des mouvements solaires et lunaires. Laface et le revers du disque créent un tableau d’ensemble intégrant déjà le cycle de Méton. Les mathématiques qui sousten-dent le décor des deux côtés sont également très élégantes et de haut niveau.

Le disque de Trundholm est ainsi la clé pour la compréhension du style nordique et du mythe de la création qui y est ancré.

The Trundholm sun chariot is characterized by extraordinary aesthetics. The front and the back side of the Trundholm discrepresent through their difference in brilliance and decoration a separate concept – the Sun and the Moon. The analysis ofthese exquisite decorations demonstrates that the Bronze Age people had profound astronomical knowledge of the move-ments of these heavenly bodies. Taken together, the front and the back side of the disc form a complete picture, one whichalready contains the Metonic cycle. The mathematics of the ornamentation on both sides is also of great potency and beauty.

The Trundholm disc is thus the key to understanding the Nordic style and its underlying creation myth.

‚Sonne und Mond‘ – die Scheiben von Trundholm

Der Trundholm-Wagen wurde im Jahre 1902 aufgefun-den. Die ‚goldene Vorderseite‘ der Doppelscheibe stellt daswohl am häufigsten reproduzierte Motiv der NordischenBronzezeit dar. Der ‚bronzenen Rückseite‘ wird erst injüngster Zeit gebührende Beachtung entgegengebracht. Ab-bildungen der Rückseite waren bisher spärlich. Die weni-gen Wiedergaben sind entweder unvollständig oder starkschematisiert1. Keine gibt jedoch den Charakter der Rück-

1 Müller 1921, 16 Abb. 58,b. Dieselbe Abbildung auch bei Bro-holm 1943, Abb. 39; Aner/Kersten 1976, 64 Taf. 138.

seite hinreichend wieder. Erst die großformatigen Foto-abbildungen J. Liptáks im Begleitband zur Sonderausstel-lung ‚Der geschmiedete Himmel‘2 ermöglichten einehinreichende Digitalisierung beider Seiten der Trundholm-Scheibe (Abb. 1).

Die ‚Sonnenscheibe‘ von Trundholm3 setzt sich aus zweigewölbten Bronzescheiben zusammen, die durch einen imÜberfangguss angebrachten Rahmen zusammengefasstsind. Während die eine Seite mit einer dünnen Goldfolieüberzogen ist, die das Dekor der Unterlage wiedergibt, ist

2 Meller 2004, nach S. 56.3 Aner/Kersten 1976, 63ff. (mit einschlägiger Literatur).

PZ, 85. Band, S. 207–242 DOI 10.1515/PZ.2010.012© Walter de Gruyter 2010

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die andere Seite – die Rückseite – nebst ihrem Ornament inihrem bronzenen Erscheinungsbild belassen worden.

Allein das Fluidum der Leuchtkraft beider Seiten – unab-hängig vom unterlegten Dekor – ist geeignet, unterschiedli-che Leitgedanken auszudrücken. Dieses umso mehr, weilder ‚Sonnenwagen von Trundholm‘ als ‚religiös-didakti-sches Vehikel‘ konzipiert ist4, bei dem beide Seiten derScheibe das Wesentliche augenfällig wiedergeben: Sonneund Mond.

Das filigrane Dekor beider Seiten ist aus der Distanzkaum zu erkennen und selbst aus der Nähe nicht ohne wei-teres zu verifizieren. Es tritt vorsätzlich hinter der Aus-druckskraft der Farbgebung zurück; aber es wiederholt –wie wir weiter unten sehen werden – die Aussage der Farb-wirkung auf einer tieferen, rationaleren Ebene. Das Zusam-menspiel von Farb- und Dekorsprache ist unaufdringlichfeinsinnig und setzt konsequent die Absicht um, unter-schiedliche Wesensmerkmale zu vereinen.

Das Dekor

Ziel dieses Abschnittes ist es, die Ornamentik beiderSeiten der Trundholm-Scheibe kurz darzulegen. Es gilt,Übereinstimmungen und Unterschiede herauszustellen. Beinäherer Betrachtung offenbaren sich auf Vorder- und Rück-seite unterschiedliche Konzepte.

4 Kaul 1998, 30ff.; ders. 2004.

ÜbereinstimmungenDie Zonengliederung beider Seiten durch konzentrisch

angeordnete Ringe mit Strich- und Dreiecksfüllung ist fastidentisch (Abb. 2,a–c; 3). Auch die Füllung der inneren Zo-nen mit jeweils acht Kreisgruppen um eine größere, zentraleKreisgruppe ist nahezu übereinstimmend (Abb. 2,1). Legtman Vorder- und Rückseite übereinander, erkennt man einenur leichte Verschiebung der Zonengliederungen zueinan-der. Die Mittelpunkte beider Seiten sind nicht genau de-ckungsgleich. Das ist unwesentlich und mag durch die Zu-sammenfügung beider Scheiben durch den Rahmen bedingtsein (Abb. 4).

Unterschiede (Abb. 5)Der hinlänglich bekannte äußere Strahlenkranz auf der

Goldseite ist auf der Bronzeseite als Zone berücksichtigt(Abb. 2,d; 3), jedoch nicht analog dekoriert. Auch die An-zahl der Kreisgruppen in den äußeren Ringzonen ist unter-schiedlich. Auf der Vorderseite sind es 27 Kreisgruppen, aufder Rückseite 25. Außerdem ist die Gestaltung der mittle-ren Ringzonen – einmal Schlingband, einmal Spiralband –divergierend.

Äußere RingzonenAuf einer flächen- und umfangmäßig nahezu identischen

Kreisbahn sind einmal 25, einmal 27 konzentrische Kreis-gruppen platziert worden. Betrachtet man die Kreisgruppender jeweils äußeren Zonen (Abb. 2,3) für sich, stellt manfest, dass sie, was Ringanzahl und Querrippung betrifft,gleich ausgeführt sind. Allerdings ist der äußere Umfangeiniger – nicht aller – Kreisgruppen auf der Rückseite leichtgrößer als der der Vorderseite – wohl um die optische Aus-gewogenheit im Abstand der Kreisgruppen zueinander zu

Abb. 1. Die Trundholm-Scheiben. Schematisiert, mit Bezifferung einzelner Dekorelemente

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Abb. 3. Die Trundholm-Scheiben. Gleiche Zonengliederung – gleiche Inhalte

Abb. 2. Die Trundholm-Scheiben. Benennung der Ringzonen

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Abb. 5. Die Trundholm-Scheiben. Divergierende Dekorelemente

Abb. 4. Die Trundholm-Scheiben. Gleiche Zonengliederung übereinander gelegt

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wahren. Immerhin verursachen zwei absente Kreisgruppenauf der Rückseite mit 8,32 % des Kreisbogens eine merkli-che Lücke, die es auszufüllen gilt. Augenfällig wird der Un-terschied weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick,selbst dann nicht, wenn die Kreisgruppen graphisch hervor-gehoben werden (Abb. 6). Bei der filigranen Ausführungsind Einzelheiten des Dekors nur aus unmittelbarer Nähewahrnehmbar. Man muss die Anzahl der Kreisgruppenschon nachzählen, um den Unterschied festzustellen. Wa-rum hat man nicht die gleiche Anzahl von Kreisgruppen wiean der Vorderseite angebracht? Warum nicht gleich derenMatrize oder wenigstens Teile davon verwendet, wie es die

fast identische Zonengliederung beider Seiten nahelegt?Warum hat man sich die Mühe gemacht, die äußere Kreis-bahn auf der Grundlage von 25 Kreisgruppen neu zu gestal-ten? Warum erscheinen einmal 27, einmal 25 Kreisgruppen?Die Antwort ist: Die Vorgabe verlangte auf der Vorder-seite 27, auf der Rückseite 25 Kreisgruppen!

Kreis-/SpiralgruppenÜber die interne Gestaltung der Kreis-/Spiralgruppen der

einzelnen Ringzonen von Vorder- und Rückseite durch un-terschiedliche Anzahl gestaffelter Kreise und Leiterbänderinformiert Abb. 7.

Abb. 6. Die Trundholm-Scheiben. Ansichten der Scheiben mit variierender Anzahl der Kreisgruppen

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Die Konzepte

Es deutet sich an, dass wir mit beiden Seiten der Trund-holm-Scheibe auch zwei Konzepte fassen. Deutlicher wirddieses, wenn wir die Zentralmotive beider Seiten betrach-ten. Auf der Vorderseite ist es das fortlaufende Schlingband,das sich um 16 konzentrische Kreisgruppen windet undjeweils zwei davon zu insgesamt acht Paaren gruppiert(Abb. 8, oben). Auf der Rückseite ist es die fortlaufendeWendespirale, die sich zwanzigfach ein- und aufrollt undauf diese Weise zehn mit einer Art Bügel verbundene Spiral-paare bildet (Abb. 8, unten).

Schlingbandmotiv der Vorderseite

Das im Inneren genoppte Schlingband führt im gleichmä-ßigen Schwung um die Kreisgruppen. Zwei Schlingen bün-deln jeweils ein Paar Kreisgruppen. In den äußeren Kontu-ren wird es von einem schmalen Linienkranz begleitet, deran der Umschlingung der Kreisgruppen und zwischen ihnenaussetzt. Die Bahn des unendlichen Schlingbandes zeichnetein fortwährendes, gleichmäßiges Auf und Nieder. 16-malwird dieser Zyklus dargestellt.

Spiralmotiv der Rückseite

Jeweils zwei Wendespiralen sind mit einem bogenförmi-gen Schwellband verbunden. Ihre größte Schwellung besit-zen die Bögen an den Tangenten zu den Kreislinien der nachaußen bzw. innen anschließenden Zonengliederung. DieBögen verjüngen sich zu den Spiralwenden hin und sind imInneren genoppt. Diese Noppung geht in die Linien der Spi-ralen über. In der Mitte wenden die Spiralen und gehenschließlich wieder im Bogen des genoppten Schwellbandesauf. Auf diese Weise werden zehn Spiralpaare gebündelt.Die jeweils äußeren Konturen der Schwellbögen werdenvon einem Linienkranz begleitet, der die Wendespiralenweitgehend mit einschließt. In wenigen Ausnahmefällen be-schränkt sich dieser Linienkranz lediglich auf die Beglei-tung der genoppten Partie eines Schwellbogens. Die Bahnder unendlichen Wendespiralen und Schwellbögen zeichneteine fortwährende Einkehr und Auskehr, gefolgt von eineman- und abschwellenden Übergang, um erneut ein- und aus-zukehren. 20-mal wird dieser Zyklus dargestellt.

Das Doppelgestirn

Wir erfassen auf beiden Seiten zwei unterschiedliche Bild-elemente, verschiedene sinnbildliche Ausdrücke. Es sindausgesprochen schöne, klassische Motive, geradezu Leit-gedanken. Man würde der Trundholm-Scheibe wohl nichtgerecht, täte man diese Unterschiede als bloße Spielart oderAbwandlung des so genannten „Großen Stils“ mit seinemgängigen Ornamentrepertoire aus Schleifenbändern undSpiralen ab. Wir dürfen davon ausgehen, dass die Dekoreeine in jeder Beziehung durchdachte ‚Bezeichnung‘ – imdoppelten Sinne des Wortes – darstellen; es werden klugdurchdachte und klug arrangierte Konzepte vermittelt.

Setzen wir die Erscheinungen des Lichtwechsels alsgrundlegendes Mysterium voraus, so repräsentiert die gold-belegte Vorderseite der Trundholm-Scheibe zweifelsfreidie Sonne und deren Lichterscheinungen im Tages- wieauch im Jahresrhythmus. Das gleichmäßig geschwungeneAuf und Ab des Schlingbandes könnte die fortwährendeBahn des Sonnenlaufs versinnbildlichen. Das Hauptmotivder Rückseite aber hat deutlich lunaren Charakter. DasEin- und Auskehren der Wendespirale auf der mattglänzen-den bronzenen Seite könnte den fortwährenden Wandelder Mondgestalt symbolisieren. Beide Motive wiederholensich in einem vorsätzlich bestimmten, sinnfälligen (Zahlen-)Rhythmus im unendlichen Zyklus.

Die klaren Konzepte von Vorder- und Rückseite erschlie-ßen sich dem damaligen wie dem heutigen Betrachter auf denersten Blick durch das Fluidum ihrer Leuchtkraft: die glän-zende Strahlkraft der Sonne, der matte Glanz des Mondes.

Wenn Sonne und Mond auf den Trundholm-Scheibenaugenscheinlich wahrnehmbar sind, liegt es nahe, auch imdezenten Dekor nach Hinweisen für Sonne und Mond zusuchen, zumal unterschiedliche Zahlenbezüge zwischenVorder- und Rückseite offenbar geworden sind. Gibt dasDekor eventuell die Leitgedanken ein zweites Mal wieder?

Abb. 7. Die Trundholm-Scheiben. Kreisgruppen.Interne Gestaltung, schematisiert (vgl. Abb. 2)

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Möglicherweise in einem durchdachten und raffinierten Ar-rangement sehr ähnlicher Musterelemente5?

Es ist einen Versuch wert, astronomische Bezüge vonSonne und Mond zu überprüfen, nachdem sich schon durchdie Betrachtung der Scheiben unterschiedliche Konzepte fürbeiden Seiten andeuten, die nicht ohne weiteres von derHand zu weisen sind. Schließlich war es der ‚Sonnenwagen‘von Trundholm, dessen besondere Ästhetik zum Bild desreinen Sonnenkultes in der Bronzezeit maßgeblich beigetra-gen hat und dieses Bild bis heute noch prägt.

Die Zahlenkompositionen

Begeben wir uns also auf die Suche nach astronomischenBezügen zwischen Sonne und Mond auf dem Dekor derTrundholm-Scheiben und einer Reihe anderer Bronzen mitscheibenförmigem Schaubild, um die Trundholm-Scheibenim größeren Zusammenhang bewerten zu können. DasThema bringt es mit sich, dass Rechenoperationen ange-führt werden, die für rein archäologische Beiträge unge-wöhnlich sind. Für manchen mathematisch bewandten Le-ser wird die Herleitung von Formeln ermüdend sein.Diejenigen, bei denen der Mathematikunterricht schon län-ger zurückliegt, sind vielleicht dankbar für die sich hier bie-

5 Die Wendespiralen der Rückseite ähneln auf den ersten Blickden aus konzentrischen Kreisen bestehenden übrigen Kreis-gruppen von Vorder- und Rückseite. Vgl. Randsborg/Christen-sen 2006, 63.

tende Auffrischung ihrer Arithmetik-Kenntnisse. Dabeilässt es sich nicht immer vermeiden, dass im Interesse derVerständlichkeit des nicht unkomplizierten Themas Formu-lierungen gewählt werden, die dem einen oder anderenschulmeisterlich erscheinen mögen. Wir haben uns für dieseForm der Darstellung entschieden, um sowohl den Sachver-halt, als auch die mathematischen Belege verständlich prä-sentieren zu können; dazu gehört auch die Einbeziehungdes Lesers durch das Pronomen ‚wir‘.

Man könnte den mathematischen Sachverhalt – statt ihnausführlich zu verbalisieren – auch auf wenigen Seiten mitmathematischen Formeln darlegen. Dies würde aber demNovum des Ganzen nicht gerecht werden. Der Bezug zumarchäologischen Befund soll erhalten bleiben.

Sofern wir ‚Sonne und Mond‘ vermuten, begeben wir unsauf das Terrain der sog. ‚Astro-Archäologie‘, die seit derAuffindung der Himmelsscheibe von Nebra enormen Auf-wind erfahren hat. Zwei einschlägige Kongresse seien hiererwähnt6. Vielfach geht es in den bislang veröffentlichten

6 Acta Praehist. et Arch. 40, 2008. – Astronomische Orientie-rung und Kalender in der Vorgeschichte. Vorträge internatio-nales Kolloquium 09.–11. 11. 2006 im Museum für Vor- u.Frühgeschichte, Berlin. – Zum ‚Sonnenwagen‘ von Trundholmäußern sich R. Hansen u. Ch. Rink in diesem Band, 106ff. DieAutoren postulieren aus einer Anzahl ausgesuchter Dekorele-mente beider Seiten einen „bronzezeitlichen Pseudosaros“ zurVorhersage von Finsternissen, der gegenüber dem tatsächlichenSaros-Zyklus um 2 Lunationen abweicht. Die Zahlenaufstel-lungen sind nicht konsistent durchgeführt und gehen überdies

Abb. 8. Die Trundholm-Scheiben. Die Konzepte

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Beiträgen um den Nachweis eines Kalendersystems in derBronzezeit.

K. Randsborg formulierte jüngst, dass der Sonnenwagenvon Trundholm eigentlich „Sonnen und Mond-Wagen“ ge-nannt werden sollte7. Er spricht von der ‚goldenen Tagseite‘und der ‚bronzenen Nachtseite‘, deren jeweilige mittlereKerndekore (Schlingband- und Wendespiral-Paare) Sonneund Mond symbolisieren8. Mit seiner bahnbrechenden Stu-die über Kalendereigenschaften des Dekors des NordischenStils hat K. Randsborg ein Tor geöffnet, das uns Einblickein eine unvermutete Welt ermöglicht: Im Gegensatz zurherkömmlichen Annahme steht demnach die Sonne nichtallein im Mittelpunkt des bronzezeitlichen Götterhimmels.Vielmehr sind es Sonne und Mond, die sich kraft astrono-misch relevanter Zahlenbezüge im Nordischen Dekor bele-gen lassen9.

Die Sonne bestimmt den Tag und das Jahr, der Mond denMonat. 29½ Sonnen-Tage machen einen Mond-Monat aus.Ausgehend von dieser Beziehung unternimmt K. Randsborgden Versuch, Kalendermerkmale im Dekor verschiedenerBronzen nachzuweisen und findet sie. Den konzentrischangeordneten Zonen auf den Objekten werden Faktorenzugewiesen, z.B. 1 für Zone 1, 2 für Zone 2 usw. Mit diesenFaktoren werden die ornamentalen Einheiten (Kreisgrup-pen/Spiralen) der jeweiligen Kreiszonen multipliziert unddann die Produkte der Kreiszonen addiert. Die derart er-haltenen Werte ergeben mitunter auf einigen herausgehobe-nen Bronzen Tagesanzahlen, die gut mit einer bestimmtenAnzahl von Monaten korrespondieren. Die errechnetenWerte könnten auch Teiler einer größeren Zeitspanne dar-stellen, in der Sonne und Mond übereinstimmen. K. Rands-borg deutet den Meton-Zyklus an10.

Bei der Trundholm-Tagesseite ergeben:9×1+16×2+27×3=122 entsprechend 4 solaren Monaten(à < 30,5 Tage). Auf der Nachtseite passt es besser:1×1+8×2+20×3+25×4=177 entsprechend 6 lunaren Mona-ten (à 29,5 Tage)11.

Statthaft ist es zu addieren, zu multiplizieren, Verhält-nisse (Teiler) zu bilden und zu analysieren. Um aber nichtbeliebig zu werden, muss dies in einer konsistenten Formerfolgen. Es wäre beispielsweise nicht konsistent, unter-schiedliche Arithmetik auf Vorder- und Rückseite anzuwen-den. K. Randsborg sieht dies ebenso. Wenn auch bei derSpannbreite der vorausgesetzten monatlichen Zeiteinheitengewisse Vorbehalte bestehen, deutet sich doch an, dass zu-

von einer falschen Ringanzahl der konzentrischen Kreisgrup-pen in den „umschlungenen“ Zonen aus (vgl. hier: Abb. 7).Der Griff nach den Sternen. Internationales Symposium in:Halle (Saale) vom 16.–21. 02. 2005. Tagungen des Landesmu-seums für Vorgeschichte, Halle, Bd. 02 (noch nicht erschienen).Hier hat Verfasser die Gedanken zu den Konzepten beider Sei-ten der Trundholm-Scheibe vorgetragen.

7 Randsborg/Christensen 2006, 74.8 Ebd. 63.9 Ebd. 100. Ausführliche Herleitung der kalendarischen Matrix

ebd. 62ff.; 99ff.10 Ebd. 63; 87.11 Ebd. 100f.; 121.

mindest auf kultischen Gegenständen und außergewöhn-lichen Gürtelscheiben Zyklen von Sonne und Mond arith-metisch ausgedrückt werden. Dies ist neu und aufregendund offenbart im Kern eine ‚Wissenschaft‘ im NordischenKreis, die sich nicht allein auf Beobachtungen der Gestirnebeschränkt, sondern diese Beobachtungen zu bündeln undmitzuteilen versteht. K. Randsborg vermag es, diesem Sach-verhalt mit unverwechselbaren sprachlichen Mitteln Aus-druck zu verleihen12.

Unser methodischer Ansatz ähnelt dem von K. Rands-borg. Es geht dabei um die Arithmetik mit den Dekorele-menten in den akzentuierten Zonen der Bronzen. Auf diesesPrinzip sind letztlich alle ‚Kalenderforscher‘ (s. Anm. 6) an-gewiesen. Allerdings war der Ausgangspunkt ein anderer,nämlich die Beschäftigung mit dem Zierband von Roga,Lkr. Mecklenburg-Strelitz13 (Abb. 9) – ebenfalls ein Alt-fund.

Kernstück des Bronzebandes ist die ‚Pferdeszene‘, die alsprächtigste Darstellung des nordischen Sonnenpferdes derjüngeren Bronzezeit gilt. In ihr offenbart sich der Licht-wechsel als grundlegendes Mysterium der bronzezeitlichenReligion.

Das Faszinosum des Zierbandes besteht in der raffiniertenVerquickung von Zonen mit szenischen Darstellungen undZonen einfacher, gestaffelter Zählreihen (Strichreihen). DerAufbau des Zierbandes ist dem der ringzonen-gegliedertenScheiben ähnlich. Nur sind die ‚Zählzonen‘ nicht ringförmigkonzentrisch gestaffelt, sondern als Band aneinandergefügtbzw. gegenübergestellt. Die bildlichen Szenen lassen sich in-terpretieren und geben das Thema vor. Gleichzeitig bestehendie szenischen Darstellungen selbst aus Zählreihen (Strich-reihen), die in Kombination und Verschmelzung mit denausschließlichen Zählreihen ein Geflecht von Zahlenrhyth-men ergeben, die einen eindeutigen Bezug zu astronomi-schen Kenntnissen der Himmelsmechanik von Sonne undMond beinhalten. Das Zierband von Roga bringt die Dar-stellung eines geschlossenen Vorganges zum Ausdruck. Einsolcher ist auf dem Band offensichtlich wiedergegeben undin seinen Grundzügen, seinem Wesenskern zu erfassen. DasZierband teilt spätbronzezeitliches Gedankengut mit und –was wichtiger ist – Denkweisen; es verrät uns wohl mehr alssein Urheber vielleicht preisgeben wollte14.

Nachdem der Grundgedanke der Zonenarithmetik aufdem ‚Zierband von Roga‘ erkannt war, konnte er mit Erfolgauf die Ring-Zonengliederung einschlägiger Scheiben undauf die Trundholm-Scheiben übertragen werden.

12 Ebd. 88. Jüngst hat K. Randsborg die Untersuchungen von2006 noch einmal in Kurzform niedergelegt: K. Randsborg,Spirals! Calendars in the Bronze Age in Denmark. In: Scandi-navian Society for Prehistoric Art (Hrsg.), Adoranten (Tanum-shede 2009) 60–70.

13 In: E. Sprockhoff, Das bronzene Zierband von Kronshagen beiKiel. Offa 14, 1955, 4–120. Das Zierband von Roga ist Be-standteil eines Depots mit mehreren Frauengarnituren. Das De-pot wurde bereits 1841 am Rande eines Teiches aufgefunden.

14 Die Studie „Das Zierband von Roga – eine (Er)-Zählung aufBlech“ ist in fortgeschrittener Vorbereitung.

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Der Kern der Trundholm-Mathematik15

Dieser Abschnitt soll in die Zahlenkompositionen einfüh-ren. Wir interpretieren die Scheiben vorerst mit dezimalerArithmetik. Das ist mathematisch legitim, solange Unärkodie-rung unterstellt wird; das heißt, eine Kreisgruppe steht für eineMenge, und jede Kreisgruppe stellt die gleiche Menge dar.

Nimmt man die Anzahl der Dekorelemente (Kreisgruppen/Wendespiralen, Abb. 1) der einzelnen Ringzonen (Abb. 2)von Vorder- und Rückseite der Trundholm-Scheiben als na-türliche Rechenzahlen in der Arithmetik (Zusammenzählen,Abziehen, Vervielfachen, Teilen), und wendet man für Vor-der- und Rückseite jeweils dieselben rechnerischen Operatio-nen an, erhält man erst einmal schlichte Zahlen.

Wir bilden aus den Zonenwerten das einfache Produkt.

Trundholm-Vorderseite8 × 16 × 27 = 3456 – die Anzahl der Kreisgruppen16 der

Ringzonen 1–3 werden miteinander multipliziert.

15 An dieser Stelle möchte ich meinem Bruder Matthias Sommer-feld für seine umfangreiche Unterstützung und zeitintensive Be-ratung in mathematischen Dingen bei der Anfertigung dieserStudie danken.

16 Die großen, zentralen Kreisgruppen beider Scheiben (jeweils in-nere Ringzone 1, s. Abb. 2 u. 7), um die sich acht kleinereKreisgruppen kreisförmig anordnen, werden bei dieser Rech-nung nicht berücksichtigt. Ausführlich dazu weiter unten,Anm. 43. Mathematisch korrekt ist aber auch: 1 × 8 × 16 × 27= 3456; 1 × 8 × 20 × 25 = 4000.

Trundholm-Rückseite8 × 20 × 25 = 4000 – die Anzahl der Spiral-/Kreisgrup-

pen17 der Ringzonen 1–3 werden miteinander multipliziert.

Die Produktwerte 3456 und 4000 ergeben für uns hiernoch keinen Sinn. Da wir aber in ihnen relevante Werte fürSonnen- und Mondzyklus vermuten, unterstellen wir ein-mal, dass es sich dabei um das Produkt einer intendiert an-gestrebten Anzahl von Tagen handelt: das Tagesprodukt.

Bereits die ‚nackten‘ Zahlen 1, 8, 8(16), 27 auf der Vor-derseite und 1, 8, 10(20), 25 auf der Rückseite sind Zahlenvon hoher „Potenz“. Man entdeckt die Kubikzahlen 8(2^3) und 27 (3^3) und die Quadratzahlen 16 (4^2 oder2^4). 10 bzw. 20 sind Summen von Potenzen (1^2 + 3^2bzw. 2^2 + 4^2).

Es ist daher nicht verwunderlich, dass auch die Rechen-operationen mit den Grundzahlen zu mathematischen Aus-drücken führen, die sich als Summen von Potenzen oderAneinanderreihungen von Summen gleicher Zahlen oder

17 Über die Ähnlichkeit der Wendespiralen der Rückseite mit denKreisgruppen s. Anm. 5. Die formale Ähnlichkeit des Wende-spiral-Motivs mit dem der Kreisgruppe deutet die Gleichwer-tigkeit beider Motive an. Dazu auch der Abschnitt – Die Kon-zepte. Hier wird deutlich, wie überragend allein schon dasgraphische Konzept ist: miteinander in Form des ‚laufendenHundes‘ verbundene Wendespiralen versinnbildlichen die fort-währende Ein- und Auskehr der Mondgestalt in einem immer-währenden, fortlaufenden und geschlossenen Zyklus.

Abb. 9. Das Zierband von Roga

216 Christoph Sommerfeld

Primzahlen wie 5 + 5 + 5 + 5 + 5 = 25 oder 3 + 3 + 3 + 3 + 3+ 3 + 3 + 3 + 3 = 27 darstellen lassen.

Die Trundholm-Scheiben weisen auf ein Denken ihrerSchöpfer in Potenzen und Rechenoperationen mit Potenzenund Summen von gleichen Zahlen hin18. Die errechneten‚Tagesprodukte‘ ließen sich also auch ausdrücken wie:

Memoriert man diese Reihungen lautmalerisch, vermeintman den Schamanen murmeln zu hören: … 3 + 3 + 3 + …Mit einer Taktfrequenz unterlegt, eignen sie sich für Musikund Tanzschritte. Aus mnemotechnischer Sicht sind auchTonfolgen geeignet19.

Die außergewöhnliche Ästhetik des Trundholm-Wagensmit seinen beiden Scheiben, die Sonne und Mond repräsen-tieren, spiegelt sich auch in der Schönheit der darauf hinter-legten Mathematik wider. Wir werden auf die Trundholm-Scheiben noch ausführlich zurückkommen.

Scheiben

Im folgenden Abschnitt erweitern wir das Spektrum derpotentiell ‚Mathematik‘ enthaltenen Bronzen im formalenund größtenteils auch zeitlich engen Umfeld der Trund-holm-Scheiben. Als Ausgangsbasis für die Analyse der aufden Trundholm-Scheiben hinterlegten Mathematik dienendie von K. Randsborg vorgestellten ‚außergewöhnlichenGürtelscheiben‘, ergänzt durch andere Gürtelscheiben undHängebecken; durch Bronzen also, die auf ihrer scheiben-förmigen Schauseite zonal gegliederte Akkumulationen vonDekorelementen aufzeigen. Diese Aufstellung (Tab. 1) er-hebt keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit undRepräsentativität. Es handelt sich um eine Sammlung drei-und vier-zoniger Objekte (Kassemosehøj zeigt realiter dreiZonen. In zwei der Zonen treten jeweils zwei ‚Symbole‘ auf;Erklärung im dazugehörigen Text). Scheibenobjekte mit le-diglich zwei Zonen sind hier nicht berücksichtigt; gleich-wohl gehören sie in den nämlichen Kontext20.

Enthalten die Tagesprodukte vielleicht Teile einer Peri-odizität, die sich aus der Himmelsmechanik von Sonne undMond ergeben? Wir prüfen dieses einmal ganz unbeküm-mert und dividieren die Tagesprodukte durch die uns heutebekannten Dezimalwerte der Zyklen von Sonne und Mond(Kasten 1).

18 Vgl. Randsborg/Christensen 2006, 63. Zur ‚Mathematik‘ inder Bronzezeit 86ff.

19 Verfasser dankt auch Torsten Schunke, Halle/S, dessen kriti-sche und ideenreiche Diskussionsbeiträge in den Anfängen derBeschäftigung mit der ‚Trundholm-Mathematik‘ hilfreich undermutigend waren.

20 Randsborg/Christensen 2006, 105ff.

3456 = 27 × 2 × 2 × 2 × 2 × 2 × 2 × 2 27 × 2^7

4000 = 25 × 5 × 2 × 2 × 2 × 2 × 2 25 × 5 × 2^5

Tatsächlich werden wir fündig:„Skåne“ („Schonen“), S, Per. II (Abb. 10,1).Die Gürtelscheibe weist vier Ringzonen auf. Die äußeren

drei Ringzonen sind mit miteinander verbundenen Wende-spiralen (‚laufende Hunde‘) gefüllt. Die Anzahl der Spiralender einzelnen Zonen beträgt von innen nach außen: 8, 15und 21. Die zentrale Zone um den kräftigen Mitteldornzeigt ein 9-zackiges Sternenmuster.

Multipliziert man die ‚Einheiten‘ aller vier Zonen mitei-nander, erhält man das Produkt: 9 × 8 × 15 × 21 = 22680.22680/29,53 = 768. Das ‚Tagesprodukt‘ von Skåne bein-haltet also 768 Lunationen, das sind genau 64 Mondjahre(8 × 8 MJ).

Ein anderes Beispiel:Källstorp, Schonen, S, Per. II.Die Gürtelscheibe weist vier Ringzonen auf. Die äußeren

drei Ringzonen sind mit miteinander verbundenen Wende-spiralen (‚laufende Hunde‘) gefüllt. Die Anzahl der Spiralender einzelnen Zonen beträgt von innen nach außen 9, 15und 21. Die zentrale Zone um den kräftigen Mitteldornzeigt ein 9-zackiges Sternenmuster.

Multipliziert man die ‚Einheiten‘ aller vier Zonen mitei-nander, erhält man das Produkt: 9 × 9 × 15 × 21 = 25515.

Dieser Wert als ‚Tagesmenge‘ genommen entspricht tag-genau 864 Lunationen oder 72 Mondjahren.

Ohne die zentrale Zone mit dem 9-zackigen Sternenmus-ter erhält man das Produkt: 9 × 15 × 21 = 2835.

Dieser Wert als ‚Tagesmenge‘ genommen entspricht tag-genau 96 Lunationen oder 8 Mondjahren.

Die taggenauen Werte von Skåne und Källstorp legennahe, dass die ‚Designer‘ der Gürtelscheiben den oben ge-nannten Wert für eine Lunation (29,53) genau kannten.Haben sie in Lunationen ‚gedacht‘?

Dass die genaue Länge eines Mondumlaufes (bspw. vonVollmond zu Vollmond) bekannt war, dürfen wir vorausset-zen, aber dass eine Lunation in Dezimalzahlen ausgedrücktwurde, erscheint doch sehr dubios. Der Bronzezeitlerkannte Dezimalbrüche? Wir werden diese Frage klären!

Diese erste Beobachtung veranlasst uns, die Arithmetikim Dekor von Skåne noch einmal näher zu untersuchen.

Das Tagesprodukt von Skåne enthält zunächst nahezu768 ganze Lunationen (768,0325). Wir stellen uns jetzt dieFrage, wie viele weitere Lunationen in 768 enthalten sind.Daher teilen wir 768 erneut durch 29,53 und erhalten fastgenau 26 (26,00745). Dieses Ergebnis überrascht.

Wir machen uns klar, was wir eigentlich getan haben:Das Tagesprodukt zweimal durch 29,53 zu teilen – wir er-

29,53 Tage = Lunation, Mondumlauf Lu

354,36 Tage = Mondjahr = 12 Lunationen MJ

365,24 Tage = Sonnenjahr SJ

Tagesprodukt TP

Ganzzahl GZ

… nach Jahr und Tag – Bemerkungen über die Trundholm-Scheiben 217

Tab. 1 – Tabellarische Übersicht über die in die Untersuchung einbezogenen Bronzen mit scheibenförmiger Schauseite und kreiszonalerGliederung und dem sich aus der Multiplikation der jeweiligen Zonenelemente ergebenden Tagesprodukt. (Nachweis der Fundorte im

Anhang III; * = Zustandekommen der Zonenbelegung in lfd. Text)

Fundort Zone 1 Zone 2 Zone 3 Zone 4 Zone 5 Tagesprodukt

Hohenwestedt, Lkr. Rendsburg-Eckernförde* 9 10 21 1890

Vellinge (B), Odense Amt 10 14 20 2800

Trundholm (Vorderseite), Holbæk Amt 8 16 27 3456

Thorsted, Ringkøbing Amt 13 15 18 3510

Trundholm (Rückseite), Holbæk Amt 8 20 25 4000

Stockhult, Schonen 12 14 24 4032

Frankerup (B), Sorø Amt 12 18 20 4320

Vellinge (A), Odense Amt 13 17 21 4641

Jægersborg Hegn/Rundforbi, København Amt 11 17 25 4675

Vranum, Viborg Amt 11 18 24 4752

Frankerup (A), Sorø Amt 13 17 22 4862

Hesselagergård, Svendborg Amt 11 17 26 4862

Fjelsted, Odense Amt 14 18 20 5040

Skagen/Råbjerg, Hjørring Amt 10 19 27 5130

Sværdborg (B), Præstø Amt 13 18 23 5382

Svenstrup (A), Sørø Amt 11 19 28 5852

Gammel-Tappernøje, Præstø Amt 11 19 29 6061

Skydebjerg Lunger, Odense Amt 12 19 27 6156

Lykkebjerggård/Vallekilde, Holbæk Amt 12 18 30 6480

Lavø (B), Frederiksborg Amt 14 20 24 6720

Jægersborg, København Amt 15 20 23 6900

Unbekannter Fundort, Dänemark 12 21 28 7056

Højby, Holbæk Amt 14 20 26 7280

Rye, Holbæk Amt 18 18 23 7452

Hesselager, Svendborg Amt 14 21 28 8232

Yggesbo, Hallstorp, Smaland 14 21 28 8232

Kratholmgård, Odense Amt 13 21 31 8463

Hverrehus, Viborg Amt 12 24 30 8640

Vognserup, Holbæk Amt 14 23 31 9982

Sønderhå, Thisted Amt 17 22 28 10472

„Skåne“ (‚Schonen‘) 9 8 15 21 22680

Källstorp, Schonen 9 9 15 21 25515

Langstrup, Frederiksborg Amt 15 22 26 32 274560

Sværdborg (A), Præstø Amt 13 23 29 38 329498

Svenstrup (B), Sørø Amt 17 23 30 35 410550

Kassemosehøj, København Amt* 6 13 13 29 42 1234054

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1235052
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218 Christoph Sommerfeld

Abb. 10. Der Nordische Stil – Gürtelscheibe, Gürteldose, Hängebecken. 1 – „Skåne“/„Schonen“, S;2 – Kassemosehøj, Amt Kopenhagen, DK; 3 – Hademarschen, Lkr. Rendsburg-Eckernförde, D. 1–3 ohne Maßstab

… nach Jahr und Tag – Bemerkungen über die Trundholm-Scheiben 219

innern uns an den Mathematikunterricht zu Quartanerzei-ten – bedeutet, durch 29,53 zum Quadrat zu teilen oder29,532. Jetzt liegt es nahe, den Wert von 29,532 zu ermit-teln. Er ergibt sich zu 872,0209. Der ganzzahlige Anteil872 ist damit eine gute Annäherung an 29,532.

Mit anderen Worten: Das Tagesprodukt von Skåne22680 wurde durch eine Ganzzahl geteilt; der Dezimal-bruch 29,53 wurde in eine Ganzzahl verwandelt. Das müs-sen wir auch verlangen, weil das Tagesprodukt ein Produktganzer Zahlen ist. Damit ist das Tagesprodukt 22680 ≈ 26× 872 (22672).

Der lunare Faktor 29,53 (Mondzyklus) ist in der Ganz-zahl 872 mit guter Annäherung ausgedrückt.

Jetzt erweitern wir die Untersuchung des Tagesproduktes22680 auf die Sonne. Wir gehen genauso vor, wie eben beider Untersuchung mit dem Mondzyklus und quadrieren dieLänge eines Sonnenjahres: 365,242 = 133400,25.

Die Nachkommastelle 0,25 ist gegenüber dem hohen Ge-samtwert zu vernachlässigen. Daher ist 133400 eine guteganzzahlige Annäherung an das Sonnenjahr zum Quadrat.Entsprechend ist 1334 der Hundertste Teil des Sonnenjah-res (SJ) zum Quadrat oder als einfache Formel ausgedrückt:

1334 =SJ2

100, in der die Länge eines Sonnenjahres

(unsere heutige Dezimalzahl 365,24) in einer Ganzzahl ver-schlüsselt ist.

Wir nennen ‚1334‘ in diesem Zusammenhang hier ‚Son-nenzahl‘ und werden sie in Kürze wieder treffen.

Jetzt prüfen wir, ob 1334 ebenfalls ganzzahlig im Tages-produkt enthalten ist und erzielen wieder einen ganzzahli-gen Wert:

22680/1334 = 17 (17,001499) oder 1334 × 17 ≈ Tages-produkt (22678).

Der solare Faktor 365,24 (Sonnenzyklus) ist in der Ganz-zahl 1334 mit guter Annäherung ausgedrückt.

Wir halten fest, dass auf der Gürtelscheibe von SkåneFaktoren der Zyklen von Sonne und Mond verschlüsselt alsGanzzahl auftreten. Dieses Ergebnis reizt zu weiteren Un-tersuchungen.

Primus inter pares

Tab. 1 enthält fünf Gürtelscheiben mit jeweils vier Kreis-zonen. Bei der Besprechung von Skåne und Källstorp habenwir gesehen, dass deren innere Zonen mit einem Sternen-muster belegt sind. Die anderen Gürtelscheiben weisen inallen vier Zonen ausschließlich Wendespiralen auf. Es sinddie größten und prächtigsten aller Gürtelscheiben, jeweilsmit einem kräftigen Mitteldorn. Das Dekor dieser Scheibenist brillant. Ihre Wirkung erzielen sie durch die Schlichtheitihrer Zonengliederung und die gleichmäßige Aufteilung derWendespiralen auf die Kreisbahnen, deren Größenstaffelungvon Kreisbahn zu Kreisbahn ausgewogene Proportionenaufweisen; alles wirkt überaus harmonisch. Bei drei-zoni-gen Scheiben sind die Zonengliederungen häufig ungleich-mäßig gemustert und wirken dadurch überladen. Die Grö-

ßenstaffelung ihrer Spiralen fällt zuweilen plump aus; daslässt sie verspielter und unruhiger erscheinen als die vier-zo-nigen Bronzen.

Wir wählen zunächst Sværdborg.Sværdborg (A), Præstø Amt, DK, Per. II.Die Gürtelscheibe weist vier Ringzonen auf, deren Dekor

aus miteinander verbundenen Wendespiralen (‚laufendeHunde‘) besteht. Die Anzahl der Spiralen der einzelnen Zo-nen beträgt von innen nach außen 13, 23, 29, 38.

Multipliziert man die ‚Einheiten‘ aller vier Zonen mit-einander, erhält man das Produkt: 13 × 23 × 29 × 38 =329498.

Wir überprüfen nun das Tagesprodukt mit den aus Skånegewonnenen Ganzzahlen für Faktoren der Zyklen vonMond (872) und Sonne (1334).

Teilt man das Tagesprodukt 329498 durch 872, erhältman 377,86. Dieses ist ein Wert, der nichts weiter aussagt,als dass im Tagesprodukt von Sværdborg 377,86 Mal eineLunation zum Quadrat (29,532) enthalten ist. Momentankönnen wir mit diesem Wert nichts anfangen.

Jetzt teilen wir das Tagesprodukt durch den als ‚Son-nenzahl‘ erkannten Wert 1334 und erhalten die Zahl 247.329498/1334 = 247. Dies ist eine erstaunliche Gleichung.Das Produkt aus den Ganzzahlen (echte Ganzzahlen) ent-spricht genau dem Tagesprodukt. 1334 × 247 = 329498.

Wir haben uns inzwischen an die Ausdrücke Tagespro-dukt, Lunation, Sonnenjahr, Mondjahr gewöhnt und wer-den diese im Folgenden gemäß der oben stehenden Über-sicht (Kasten 1) abkürzen.

Es ist jetzt möglich, aus der Gleichung von Sværdborg dieLänge des Sonnenjahres zu errechnen:

= 247; wir ersetzen in der Gleichung 1334 durch

den uns inzwischen bekannten Term

= 247; = 247; SJ = = 365,23964

Verstehen wir auch die Zahl 247?Ausgehend von der etwas komplizierteren Gleichung:(Herkunft dieser Gleichung s. Anhang IB)

= erhalten wir: 12 × 3 Lu2 × 10 = 247

Lösen wir diese Gleichung nach Lunation auf, ergibt sich:

Lu = = 29,530685

Da MJ = 12 × Lu ist, erhält man aus der Formel für dieLunation:

MJ = = 354,36824

Wir erkennen, dass die Zahl 247 in einem direkten, wennauch etwas komplizierten Zusammenhang zu den astrono-mischen Werten für den Mond steht.

TP1334

SJ2

100

TPSJ2

100

TP × 100SJ2

TP × 100247

MJ3

2473

Lu10

2473

123 × 10

2473

120

220 Christoph Sommerfeld

Die komplex erscheinenden Gleichungen sagen nichtsweiter aus als: MJ × MJ × 12 × 10 = 247 × 247 × 247oder: Lu × Lu × 12 × 12 × 12 × 10 = 247 × 247 × 247

Wir nennen ‚247‘ in diesem Zusammenhang hier ‚Mond-zahl‘.

Entsprechend der Errechnung des Sonnenjahres berech-nen wir jetzt die Länge der Lunation:

= 1334; wir ersetzen in der Gleichung 247 durch den

oben genannten Term 12 × 3 Lu2 × 10

= 1334; wir lösen diese Gleichung nach Lu

auf: Lu = ; Lu = 29,530687

247 lässt sich auch linear mit dem Mondjahr in Zusam-menhang bringen: In guter Näherung ist MJ = 247 × 33/23.Stand dieser Ausdruck für die Bronzezeitler für das Mond-jahr?

Die über die Gleichung von Sværdborg erzielten Werte fürSonnenjahr, Mondjahr und Lunation haben eine sehr geringeAbweichung von den heute bekannten exakten Werten.

Es ist deutlich geworden, dass das Tagesprodukt vonSværdborg das Produkt des ‚Sonnenanteils‘ 1334 und des‚Mondanteils‘ 247 ist.

Warum hat der ‚Scheibeningenieur‘ die Zonenbelegung13, 23, 29, 38 gewählt, wenn er 1334 × 247 ausdrückenwollte? Wäre nicht die Zonenbelegung mit den Primfakto-ren der beiden ‚astronomischen Kennzahlen‘ nämlich mit13, 19, 2, 23, 29 [13 × 19 = 247; 2 × 23 × 29 = 1334] logi-scher? Hier kommt die Ästhetik ins Spiel. Oben erwähntenwir bereits, dass die vier-zonigen Gürtelscheiben ihre bril-lante Wirkung erzielen durch die ausgewogene Proportio-nierung der Kreisbahnen, der Größenstaffelung der Wende-spiralen von innerer Kreisbahn zu äußerer Kreisbahn,einhergehend mit dem sorgfältig bemessenen gleichmäßi-gen Abstand der Spiralen innerhalb einer Kreisbahn. Einsolch perfektes Design zu kreieren, bedarf einer konstruk-tiven Vorbereitung. Auch eine noch so geschickte Handvermag das nicht auf Anhieb. Wenn wir jetzt noch eine bril-lante ‚Mathematik‘ im Dekor der Scheiben entdecken, dür-fen wir vielleicht sogar von einer Berechnung desselben aus-gehen. Wie dem auch sei, zur Altbronzezeit herrschte eineästhetische Norm, zur Mittelbronzezeit löst sich die engeVorgabe des Dekors allmählich auf, und im ‚barocken Stil‘der jung- und spätbronzezeitlichen Hängebecken sind dieformvollendeten Vorläufer kaum mehr wieder zu erkennen.Aber auch die zuletzt Genannten weisen im Dekor weiter-hin astronomische Bezüge von Sonne und Mond auf, wiewir noch sehen werden.

Eine Zonenbelegung mit den Primfaktoren der beiden‚astronomischen Kennzahlen‘ 13, 19, 2, 23, 29 hätte dasperfekt ausgewogene Dekorkonstrukt beträchtlich aus demGleichgewicht gebracht und wurde sicherlich aus eben die-sem Grunde nicht ausgeführt.

TP247

TP12 × 3 Lu2 × 10

TP3

13343 × 123 × 10

Wir müssen noch einmal ganz deutlich machen, was dieSværdborg-Scheibe eigentlich in ihrem Dekor beinhaltet: Esist die Verschlüsselung der grundlegenden Kennzahlen desbronzezeitlichen ‚Astronomen‘ für die Zyklen von Sonneund Mond in Reinform: 1334 und 247. In diesen beidenZahlen werden seine empirischen Erkenntnisse gebündelt.Die Sværdborg-Scheibe ist die in Bronze gegossene ‚Mani-festation‘ dieser entscheidenden Zahlen.

Noch deutlicher wird dies durch ein kleines Gedankenex-periment. Der Sonnenanteil der Scheibe ist 1334, derMondanteil ist 247. In Gedanken zerlegen wir die Scheibein eine Sonnen- und in eine Mondscheibe. Die Sonnen-scheibe hätte die Zonenbelegung: 2, 23, 29. Die Mond-scheibe hätte die Zonenbelegung: 1, 13, 19.

Aus den beiden fiktiv erhaltenen Scheiben ‚basteln‘ wiruns nun eine Doppelscheibe (à la Trundholm) und habendamit ein pures Konstrukt aus Sonnen-Vorderseite undMond-Rückseite. Da die Zonenwerte dieser fiktiven Schei-ben Primzahlen sind, lässt sich auch durch Umarrangierenkeine andere Gestaltung erreichen. Damit wäre das Prinzip‚Sonne und Mond‘ auf den kleinsten und klarsten Punkt ge-bracht.

‚Sværdborg‘ ist somit die Kernscheibe für den Dualismusvon Sonne und Mond im brillanten Design. Ein exaktes Ab-bild der Sonnen- und Mond-Parameter. Exakter und strin-genter sind diese Fakten nicht darzustellen. Die Aussagevon Sværdborg besteht darin, die beiden ‚Kennwerte‘ dar-zustellen, was besagt, dass die Zyklen von Sonne und Mondsehr genau bekannt sind. In anderen Scheiben wird dieseAussage ebenfalls getroffen, aber nie in solcher Reinform.Eine andere Aussage – wie bspw. in Skåne oder Källstorp,wo ganzzahlige Lunationen und Mondjahre anzeigen, dassdie astronomischen Kenntnisse profund sind – will ‚Sværd-borg‘ nicht treffen außer: 1334 und 247.

Hiermit endet der Versuch des ‚reverse engineering‘ derScheibe von Sværdborg.

Zahlen, Zählen, Rechnen

Um die bisher erzielten Befunde, die sich anhand einigerexemplarisch vorgeführter Scheiben aufzeigen lassen, imgrößeren Zusammenhang einordnen zu können, folgt einkurzer Exkurs in die Mathematik.

Frühe Kulturen benutzten unterschiedliche Zahlen- undRechensysteme: So kannten die Ägypter ein Dezimalsystemohne Positionssystem, die Chinesen nutzten ein dezimalesStäbchensystem. In Babylon wurde ein Positionssystem aufder Basis 60 verwendet, die Azteken/Maya rechneten miteinem Positionssystem auf der Basis 20. Den Indern wirddie Herausbildung des dezimalen Positionssystems zuge-sprochen, inklusive der Einführung der Null (0). Dies ge-schah allerdings erst im 6. Jahrhundert nach Christus21.

Wir wissen nicht, wie die Menschen in der BronzezeitMittel- und Nordeuropas rechneten. Dies ist im Zusam-

21 Aus H. Wußing, 6000 Jahre Mathematik (Berlin, Heidelberg2009).

… nach Jahr und Tag – Bemerkungen über die Trundholm-Scheiben 221

menhang dieses Artikels auch nicht zwingend erforderlich.Jedes Element auf den Scheibenzonen wird gleich gewertet.Wir nutzen somit hier die Unärkodierung. Selbst wenn dieMenschen der Bronzezeit ein Zahlensystem auf einer ande-ren Basis als der 10 benutzt hätten, wären die Ergebnissedieser Arbeit gültig, da Zahlensysteme, die auf einer ande-ren Basis beruhen, auf das Dezimalsystem umgerechnetwerden können.

Nach dem in den vorigen Abschnitten Gesagten dürfenwir annehmen, dass unsere Bronzezeitler keine Dezimal-brüche verwendeten. Wie kann man nun einen Dezimal-bruch wie 29,53, den wir heutigen Anwender des dezimalenPositionssystems sofort verstehen, auch anders ausdrücken,wenn wir ausschließlich mit Ganzzahlen rechnen?

ZahlenverhältnisseMond: Bei der Beobachtung des Mondes müssen die

Menschen bald erkannt haben, dass eine Lunation nicht ge-nau 29 Tage dauert, sondern 29 Tage und noch etwas mehr.Wie konnten sie vorgehen? Es mussten ganze Lunationengezählt werden und ebenfalls die vergangenen Tage, bis zudem Tag, an dem beobachtet wird, dass eine ganze Luna-tion und gleichzeitig ein ganzer Tag verstrichen sind. EinBeispiel: Sie stellten fest, dass in 2392 Tagen genau 81 Mond-zyklen vollendet waren. Dadurch beträgt die Dauer einesMondzyklus’ 2392/81 Tage und ist als Dezimalbruch aus-gedrückt gerundet 29,5309 Tage. Diese Rundung auf vierNachkommastellen wird in diesem Abschnitt für alle Rech-nungen beibehalten. Andere Zahlenverhältnisse zwischenganzen Tagen und ganzen Lunationen führen zu ähnlichenErgebnissen.

Schauen wir uns folgendes Beispiel einer Annäherung andie Lunation an: 5^6/23^2 ergibt 29,5369. Hier wird dieLunation durch das Verhältnis von Potenzen ausgedrückt.Im Abschnitt – Der Kern der Trundholm-Mathematik –wird schon festgestellt, dass auf den Scheiben häufig Zah-len verwendet werden, die eine Vorliebe der Konstrukteure

für den Gebrauch von Potenzen erkennen lässt. So wäre (5× 5 × 5 × 5 × 5 × 5)/(23 × 23) eine auch mnemotechnisch gutgeeignete Annäherung an die Dauer der Lunation. Ein wei-teres Beispiel für eine gute Annäherung unter Verwendungvon Potenzen ist (34/11)^3 = 29,5297.

Weitere Annäherungen durch VerhältniszahlenSonne, – Sonne/Lunation: Für das Sonnenjahr könnte das

Verhältnis (172/9)^2 = 365,2346 dienen. Das Mittel derQuadrierung führt im Falle des Sonnenjahres aber zu einerhöheren Genauigkeit (365,242 = 133400, s.o.). Mit(37/16)^3 =12,3665 gibt es auch eine recht gute Annähe-rung an das Verhältnis von Sonnenjahr zur Lunation.

Andere RechenoperationenGute Annäherungen an Dezimalbrüche ergeben sich auch

ohne die Verwendung von Verhältniszahlen. Wir haben einsolches Beispiel bereits anhand unseres Fundmaterials ken-nen gelernt: Quadriert man 29,53, erhält man 872,0209.Damit ist 872, also der Ganzzahl-Anteil des Quadrats einegute Annäherung an Lunation × Lunation. Der Wert für dieLunation ergibt sich aus der Wurzel aus 872 gerundet zu29,5296. Wir können hier offen lassen, ob unsere Bronze-zeitler den modernen mathematischen Begriff ‚Wurzel‘kannten oder ein anderes Wort verwendeten. Es genügt dieErkenntnis: Lunation × Lunation ist 872; oder hier verein-facht formuliert: Mond mal Mond ist 872.

Das Mittel der Quadrierung war schon im Falle des Son-nenjahres bei der Analyse der Scheiben von Skåne undSværdborg erfolgreich eingesetzt worden.

Dieser kleine Ausflug in die Mathematik zeigt, dass dieAngabe von Zahlenverhältnissen ausreicht, Dezimalbrücheauszudrücken, auch wenn kein Positionssystem auf Dezi-mal- oder anderer Basis zur Verfügung steht. Als weiteresMittel ist die Potenzierung, hier insbesondere die Quadrie-rung geeignet.

Abb. 11. Die Schilde vom Bullenheimer Berg

222 Christoph Sommerfeld

Die Schilde vom Bullenheimer Berg

Bevor wir uns erneut den zonengegliederten Scheiben desNordischen Kreises zuwenden, machen wir eine Exkursionnach Bayern, um anhand eines überragenden Goldfundeseinen weiteren Mosaikstein für die Bedeutung und Machtder astronomischen Kennzahlen aufzusammeln.

Der Goldornat vom Bullenheimer Berg22 beinhaltet u.a.zwei lang-ovale Schilde (Abb. 11), die beide ursprünglichan der Rückseite durch ein stabiles Bronzeblech verstärktwaren. Sie werden als Brustbleche interpretiert. An den En-den der Goldbleche befinden sich je ein Paar Befestigungs-löcher. Die beiden Goldbleche – wie auch die zum Ornatgehörenden sechs Goldblechbuckel – sind mit gepunztenKreisgruppen versehen. Der Kreisornamentik nach wurdeder Ornat im Kontext des Sonnenkultes getragen. Wie auchimmer die Darbietungsweise der Goldschilde gewesen seinmag, sie verlief sicherlich in der Absicht, vorbedachte In-halte plakativ vorzuführen.

Betrachten wir nun die Schilde23 genauer.Der untere Schild (in Abb. 11) ist achsensymmetrisch mit

vertikal ausgerichteten Reihen von Kreisgruppen gefüllt.Von der Mitte ausgehend folgen nach rechts und linksKreisgruppen-Reihen im Rhythmus: 2 × 4, 3 × 3, 2 × 2, 2 ×1. Die Anzahl der vertikal positionierten Kreisgruppennimmt also von der Mitte aus, gemäß der schmaler werden-den Form des lang-ovalen Schildes, gleichmäßig ab. Das ge-samte Ensemble der Kreisgruppen wird von zwei Strichli-nien und einer dazwischen liegenden Punktlinie umrandet.Insgesamt beinhaltet dieser Schild 46 Kreisgruppen; odervon der Mitte ausgehend 2 × 23 = 46 Kreisgruppen.

Der obere Schild (in Abb. 11) ist vertikal und horizontaldurch Strich- bzw. Punktlinien in Zonen gegliedert. Diemittlere Zone wird beidseitig durch eine vertikale doppelteStrichlinie begrenzt; sie ist zusätzlich durch zwei horizon-tale Punktlinien unterteilt. So ergeben sich drei Felder, indenen jeweils sechs Kreisgruppen horizontal aneinanderge-reiht sind: 3 × 6 = 18. Links und rechts der Mittelzone fol-gen die Endzonen.

Die rechte Endzone ist gleichfalls in drei Felder unterteilt,diesmal durch vertikale Punktlinien. In den sich derartergebenden Feldern sind Kreisgruppen vertikal gereiht imRhythmus: 3, 2, 1 = 6 Kreisgruppen. Den Abschluss derrechten Zone bilden drei kurze horizontale Punktlinien, diedie endstehende einzelne Kreisgruppe einklammern.

Die Gliederung der linken Endzone des Schildes ist diegleiche wie die der rechten Endzone. Allerdings ist die Bele-gung der Felder mit vertikal gereihten Kreisgruppen eineandere: 2, 2, 1 = 5 Kreisgruppen. Hier ist also eine Kreis-gruppe weniger anzutreffen als auf ihrem rechten Gegen-stück. Statt drei sind hier nur zwei Kreisgruppen im Nach-barfeld zur Mittelzone aufgebracht.

22 Bullenheimer Berg, Lkr. Neustadt a.d. Aisch-Bad Windsheim/Lkr. Kitzingen, D; (Ha A/B). Gebhard 2003, 150ff.; 308.

23 Der Begriff ‚der Schild‘ wird hier im Sinne von schildern,beschreiben, darstellen angewandt; ursprünglich: ‚im Schildeführen‘.

Das gesamte Ensemble der Kreisgruppen wird von einerPunktlinie umrandet. Insgesamt beinhaltet dieser Schild29 Kreisgruppen.

Warum wurde dieser Schild nicht ebenfalls symmetrischmit Kreisgruppen belegt, wie es die spiegelgleiche Gliede-rung durch Punkt- und Strichlinien nahe legt? Platz für eineweitere Kreisgruppe wäre in dem betreffenden Feld vorhan-den gewesen. Liegt ein Versehen des Toreuten vor?

Nein. Die Anzahl der Kreisgruppen auf beiden Schilden –46 und 29 – ist klar beabsichtigt und wohl überlegt, denn29 × 46 = 1334 – eine Zahl, die wir mittlerweile kennen.1334 ist die sehr genaue ganzzahlige Annäherung an denzehnten Teil eines Sonnenjahres zum Quadrat. Hiermithat der Bronzezeitler, dem wir die Kenntnis von Dezimal-brüchen (in diesem Fall 36,524) absprechen, einen Parame-ter für die Länge des Sonnenjahres als Ganzzahl zur Hand.Wie wir bereits gesehen haben und im Weiteren noch sehenwerden, hat die Kennzahl 1334 grundlegende Bedeutungim astro-mathematischen Zusammenhang der zonengeglie-derten Zierscheiben. Sie ist die mächtigste, die potenteste(durchaus auch im mathematischen Sinne) Zahl dieserAstro-Mathematik.

Die Primfaktoren 2, 23, 29 – zu einem Merkspruch ge-bündelt – könnten bedeutet haben: 2 × 23 × 29 = 1334 istSonnenjahr mal Sonnenjahr; verkürzt: Sonne mal Sonne;verkürzt: Sonnenzahl ist 1334.

Die Goldschilde des Ornates vom Bullenheimer Berg ver-schlüsseln diesen Merkspruch. Für den Eingeweihten ist dieZahlenkombination verständlich und aussagekräftig. 1334ist die Zahl seiner (Er-)kenntnis über die Sonne, die Kenn-zahl für ‚Sonne‘. Der gemeine Gläubige, der die Schilde amOrnat seines Priesters sieht, verbindet mit der Leuchtkraftdes Goldes und der Kreisornamentik die Macht der zu ver-ehrenden Sonne24.

R. Gebhard fasst treffend zusammen25: „Der Funktions-zusammenhang des Ornats vom Bullenheimer Berg wirdverständlich, wenn man die Struktur der Siedlung be-trachtet. Der Bullenheimer Berg hat die Funktion einesurnenfelderzeitlichen Zentralortes mit Elementen eindeutigstädtischen Charakters: Anwesenheit von Herrschaft,Anwesenheit eines Kultzentrums, Bevölkerungskonzentra-tion mit Gemeinschaftswerken (Umwehrung), Vorhanden-sein eines Zentrums der Bronzemetallurgie, strukturierteAgrarproduktion im Umland. Vor dem Hintergrund dieserGesamtsituation erscheint das Vorkommen eines Prunkor-nates eine vage Vorstellung zu vermitteln, wie die zugrun-dezulegende soziale Ordnung durch entsprechende Zere-monien aufrechterhalten wurde“. Zurück in den Norden26.

24 Auch K. Randsborg vermutet die Kenntnis und extraordinäreHinterlegung von „‚secret Numbers‘, known only to a veryfew“ (Randsborg/Christiansen 2006, 78; bes. 100).

25 Gebhard 2003, 152.26 Äquivalente zu den Schilden vom Bullenheimer Berg – mit der

Aussage ‚1334‘ – liegen offenbar auch in Form zweier Goldfi-beln aus Harridslev und Voltofte, DK, vor, die gleichfalls kei-nen gewöhnlichen Garnituren entstammen dürften. Das Dekorihrer Platten, in Zonen arrangiert, weist 2 × 23 = 46 ‚Mondsi-

… nach Jahr und Tag – Bemerkungen über die Trundholm-Scheiben 223

Die Königsklasse

Weiter oben ist gezeigt worden, dass sich einige astrono-mische Kennzahlen durch Zahlenverhältnisse und Potenzenausdrücken. In den Scheiben von Skåne und Sværdborgwurde insbesondere die Potenzierung – hier in Form derQuadrierung – zur Verschlüsselung uns als Dezimalbrüchevertrauter Werte für die Dauer des Sonnenjahres angewen-det. Im Folgenden wollen wir weitere zonengegliederteScheiben auf die Kennzahlen 1334 und 247 und andere as-tronomisch sinnvolle Teiler untersuchen.

Frankerup (A), Sorø Amt, DK, Per. II.Die Gürtelscheibe weist drei Ringzonen auf, deren Dekor

aus miteinander verbundenen Wendespiralen (‚laufendeHunde‘) besteht. Die Anzahl der Spiralen der einzelnen Zo-nen beträgt von innen nach außen: 13, 17, 22. Multipliziertman die ‚Einheiten‘ der drei Zonen miteinander, erhält mandas Produkt:

13 × 17 × 22 = 4862

Dasselbe Produkt liefert auch die Gürtelscheibe vonHesselagergård, Svendborg Amt, DK; Per. II.Die Gürtelscheibe weist drei Ringzonen auf, deren Dekor

aus miteinander verbundenen Wendespiralen (‚laufendeHunde‘) besteht. Die Anzahl der Spiralen der einzelnen Zo-nen beträgt von innen nach außen: 11, 17, 26.

Multipliziert man die ‚Einheiten‘ der drei Zonen mitei-nander, erhält man das Produkt:

11 × 17 × 26 = 4862Die folgende Gleichung drückt eine Rechenoperation

aus, die das Tagesprodukt im lunisolaren Bezug als sinn-volle Zeitspanne wiedergibt:

= = 600 Lu =̂ 50 MJ

oder in Worten: Das Tagesprodukt mit sich selbst malge-nommen und durch die ‚Sonnenzahl‘ 1334 geteilt, ergibteine Anzahl von Tagen, die fast exakt 600 Lunationen(600,082) entsprechen, die wiederum 50 (50,0068) Mond-jahre ergeben.

TP2 ergibt einen Wert im Millionenbereich (23639044).Wir fragen selbstkritisch: Ist unser Erklärungsversuch nichtreichlich überzogen? Keineswegs, denn durch die Quadrie-rung des Tagesproduktes gelingt es, die Zahl 2953 fast per-fekt als Verhältniszahl von 2953 zu Hundert = 29,53 = Luauszudrücken.

TP2/1334 = 17720,422 und ist damit eine sehr gute Nä-herung an 17718; und 17718 Tage sind genau 600 Lunatio-

nen. Anders ausgedrückt: Lu = , kürzt man diesen

cheln‘ eingeschlossen in einem Sichelmondmotiv, bzw. 2 × 23 =46 Kreisgruppen eingeschlossen in das Vogelbarkenmotiv auf,kombiniert mit weiteren Symbolen (Kaul 2003, 46 Abb. 15–16).Mehr zu den Goldfibeln in der Studie: Das Zierband von Roga,s. Anm. 14.

TP2

1334TP2

SJ2

100

17718600

Wert durch 6, erhält man , und damit exakt den heu-

tigen Dezimalwert für eine Lunation.Wir verstehen jetzt besser, warum die ‚Scheibeninge-

nieure‘ von Hesselagergård und Frankerup die Quadrie-rung des Tagesproduktes vorgesehen haben.

Wir halten fest, dass dasselbe Tagesprodukt auf zweiScheiben mit unterschiedlichen Zonenfaktoren erzieltwurde. Genießt die Zeitspanne – 50 Mondjahre – die das Ta-gesprodukt taggenau verschlüsselt, besondere Beachtung?

Svenstrup (B), Sørø Amt, DK, Per. II.Die Gürtelscheibe weist vier Ringzonen auf, deren Dekor

aus miteinander verbundenen Wendespiralen (‚laufendeHunde‘) besteht. Die Anzahl der Spiralen der einzelnen Zo-nen beträgt von innen nach außen: 17, 23, 30, 35.

Multipliziert man die ‚Einheiten‘ der vier Zonen mitei-nander, erhält man das Produkt:

17 × 23 × 30 × 35 = 410550

Dieser Wert als ‚Tagesmenge‘ genommen führt mit Hilfeder folgenden Formel zur Errechnung eines Sonnenjahres:

= 2307

Machen wir diese Gleichung transparent: Die uns hin-länglich bekannte Zahl 1334 taucht hier in Form des hun-dertsten Teils wieder auf. Das Tagesprodukt zwei mal durchden hundertsten Teil der ‚Sonnenzahl‘ 1334 geteilt, ergibtmit guter Näherung die Ganzzahl 2307. 13,342 ist also2307 mal (2307,0361) im Tagesprodukt vertreten.

Ersetzen wir in der Ausgangsgleichung 13,342 durch4

, erhalten wir: = 2307. Stellen wir die Glei-

chung nach SJ um, ergibt SJ = . Nach dieser

Formel beläuft sich der Wert des Sonnenjahres auf365,24108 Tage.

Das Tagesprodukt enthält auch einen Bezug zum Mond:

= 75550. Stellen wir die Formel nach Lu um, erhalten

wir Lu =2

Der Wert der Lunation ergibt sich zu 29,52998 Tagen.Damit wird auch auf der Gürtelscheibe von Svenstrup ge-

zeigt, dass ihre Urheber genaue Kenntnisse der Länge desSonnen- und des Mondjahres hatten.

Langstrup, Frederiksborg Amt, DK; Per. II.Die Gürtelscheibe weist vier Ringzonen auf, deren Dekor

aus miteinander verbundenen Wendespiralen (‚laufendeHunde‘) besteht. Die Anzahl der Spiralen der einzelnen Zo-nen beträgt von innen nach außen: 15, 22, 26, 32.

Multipliziert man die ‚Einheiten‘ aller vier Zonen mitei-nander, erhält man das Produkt:

15 × 22 × 26 × 32 = 274560.

2953100

TP13,342

SJ100

TPSJ 4

1004 TP × 1004

2307

TPLu

TP75550

224 Christoph Sommerfeld

Dieser Wert als ‚Tagesmenge‘ genommen führt mit Hilfeder folgenden Formel zur Errechnung einer Lunation:

=50525. Stellen wir die Formel nach Lu um, erhalten

wir Lu =2

Der Wert der Lunation ergibt sich zu 29,529893 Tagen.Das Tagesprodukt enthält auch einen Bezug zur Sonne:

= 38410. Stellen wir die Formel nach SJ um, erhalten

wir SJ =3

Der Wert des Sonnenjahres ergibt sich zu 365,24045 Ta-gen.

Auch auf der Gürtelscheibe von Svenstrup wird gezeigt,dass ihre Urheber genaue Kenntnisse der Länge des Sonnen-und des Mondjahres hatten.

Mit der Gürteldose von Kassemosehøj machen wir zeit-lich einen Sprung in die mittlere Bronzezeit.

Kassemosehøj, København Amt, DK; Per. III (spät),(Abb. 10,2).

Die Schauseite der Gürteldose ist in drei Zonen geglie-dert, die die ‚Zählelemente‘ enthalten. Die Zonengliede-rung besteht aus breiten, punktgefüllten Bändern – die derinneren Zone, die das Sternenmuster auf dem rundlich aus-geführten Buckel umgrenzt, aus konzentrisch angeordnetenKreislinien. Es ist das nämliche Sternenmuster, wie esschon auf einigen Gürtelscheiben der älteren Bronzezeit mitstrengem, ‚klassischem Dekor‘ auftritt (s. bspw. Skåne,Abb. 10,1). Das Motiv des zentralen Sternenmusters wirdin der mittleren Zone durch die ringförmige Akkumulationvon gestaffelten Halbkreisen (leicht oval) erneut aufgenom-men. Diesen nach außen gerichteten Halbkreisen sitzenKreiselemente mit betontem Mittelpunkt an den jeweiligenEnden auf. Beide, Kreisbuckel und zackenbildende Halb-kreise des ‚Sterns‘, sind durch eine umlaufende Punktliniegerändert. Sie sind damit förmlich miteinander vereint. Inder äußeren Zone folgen den konzentrisch gestaffeltenKreissymbolen stark geränderte Halbkreise (oval ge-streckt), die mit der Öffnung der Abschlussborte aufsitzen.

Wir haben es demnach auf der Schauseite der Gürtel-dose mit zwei Symbolen (Kreis und Halbkreis) zu tun,die mehrfach entgegengesetzt gestaltet und arrangiert sind(gestaffelt, einfach; randlich betont, schlicht; kombiniert,getrennt). Es handelt sich offensichtlich um gleichwer-tige Gegenüberstellungen, besser Nebeneinanderstellungenzweier bedeutsamer Symbole, von denen das eine sogarin der Lage ist, durch Akkumulation ein neues Gebilde zuschaffen, den Stern.

Kreis(-buckel) und Halbkreise sowie deren doppelte odergestaffelte Varianten gehören zum allgemeinen Symbolgutder jung- und spätbronzezeitlichen Ikonographie. Sie sindgängige ‚Kürzel‘ für Sonne und Mond27.

27 Wir finden sie zuhauf auf Bronzen: Rasiermessern, Ringver-schlüssen, Hängebecken, Gürtelbuckeln, Messern, Nippzangen,Schwertern, Lanzenspitzen, Zierbändern (die folgenden Bemer-

TPLu

TP50525

TPSJ3

TP38410

Die relevanten Zahlen sind folgende28:Innere Zone: (Stern) 6; mittlere Zone: (Halbkreis) 13,

(Kreis) 13; äußere Zone: (Kreis) 29, (Halbkreis) 42.

6 × 13 × 13 × 29 × 42 = 1235052

Die folgende Gleichung drückt eine Rechenoperationaus, durch die das Tagesprodukt im lunisolaren Bezug

kungen fußen auf einer Datenbank mit weit über 400 jung- undspätbronzezeitlichen ikonographischen Bildträgern aus Däne-mark und der Norddeutschen Tiefebene – darunter sämtliche inAbb. vorliegenden Stücke, die F. Kaul 1998 analysiert. Die Bild-träger wurden in ihre bildlichen Bestandteile aufgegliedert.Quantitäten der ikonographischen ‚Kürzel‘ und Symbolgruppensowie deren Kombinationen lassen sich statistisch hinterfragen).Kreis und Halbkreis in ihren vielen Spielarten treten sowohl al-leine als auch gemeinsam auf. Es zeigt sich mit aller Deutlich-keit, dass es sich um zwei verschiedene Motive handelt. Halb-kreis ist nicht Kreis und beide Formen werden in ihrer Stellungstringent unterschieden. Besonders häufig sind sie als Ladungder Schiffe auf Rasiermessern vertreten. Die Kreisformschwebt, der Halbkreis liegt stets an Bord auf. Diese Stellungensind regelhaft. In seltenen Fällen sitzt der Halbkreis unter demKiel auf Höhe der Wasserlinie.Der Kreis(-buckel) als Symbol der Sonne bedarf hier keinerweiteren Erläuterung (Kaul 1998, 195ff.). Im aufsitzendenHalbkreis und seinen Varianten erkennen wir das Symbol desMondes in der jüngeren Bronzezeit. Damit stehen wir im Ge-gensatz zu F. Kaul, dem es schwierig erscheint, „in der Erzäh-lung des kosmologischen Grundmythos Platz für den Mond zufinden. Sollte sich ein Mond auf den Rasiermessern befinden,so konnte der Code, der eine Unterscheidung zwischen Sonneund Mond ermöglichen würde, bislang nicht geknackt werden.Es ist wahrscheinlicher, dass sich die Kunst der Rasiermessernicht auf Monddarstellungen erstreckte“ (ders. 2003, 46). AufRasiermessern ist der aufsitzende Halbkreis ebenso stetig ver-treten wie der Kreis, meist in Reihung (Halbkreis und seine Va-rianten sind anzahlmäßig sogar drei mal so häufig anzutreffenwie der volle, schwebende Kreis). Den Bezug zur Nacht, zumDunklen bieten die Darstellungen allenthalben: An Bord aufsit-zende Halbkreise sind gern die Ladung des von rechts nachlinks fahrenden Nachtschiffes, sie kommen häufiger auch zu-sammen mit den Helferwesen Fisch und Vogel beim Umladendes Lichts am Abend und am Morgen vor, ebenso in der Ver-bindung oder gar als Verschmelzung mit der Nachtschlange(vgl. ders. 1998 passim, bes. 247).Aus dem Umstand, dass Kreis und Halbkreis häufig auch zusam-men auf ein und demselben Gegenstand auftreten und auch dannin ihrer Stellung zueinander klar definiert sind, dürfen wir ablei-ten, dass es sich um zwei eigenständige Symbole mit jeweilseigenständigen Begriffsinhalten handelt. Besonders klar wirddieser Sachverhalt bei den Bronzen, die auf beiden Seiten bildli-che Darstellungen aufweisen. Sie zeigen wechselseitig – gewisser-maßen antithetisch – sowohl das Sonnensymbol Kreis, wie denhalben Kreis als Mondsymbol (z.B. Hundt 1997, Taf. 104, 13).Es scheint nicht stimmig, eine ganze Motivgruppe wie denHalbkreis, „die hinsichtlich der Anzahl und des Erscheinenseinen beträchtlichen Teil des Ornamentes auf den bronzenenObjekten der Spätbronzezeit ausmacht“, auf „eine dekorativeUrsache“ zurückzuführen oder gar als „Lückenfüller“ zu be-zeichnen (vgl. Kaul 1998, 247).

28 Da wir strikt die Unärkodierung benutzen – d.h., ein Zeichensteht für eine Menge, und jedes Zeichen stellt die gleiche Mengedar – spielt es keine Rolle, dass wir es mit zwei graphisch un-terschiedlichen Musterformen zu tun haben.

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… nach Jahr und Tag – Bemerkungen über die Trundholm-Scheiben 225

hochgradig Sinn macht als Ausdruck für taggenau 235 Lu-nationen, entsprechend 19 Sonnenjahren:

= Meton-Zyklus

In anderen Worten: Die enge ikonographische Verknüp-fung von Sonnen- und Mondsymbol (Kreis und Halbkreis)auf der Schauseite der ‚Gürteldose von Kassemosehøj‘ führtzur recht genauen Tagesanzahl für den Meton-Zyklus, indem das Tagesprodukt zweifach durch das Hundertstel der‚astronomischen Kennzahl‘ 1334 geteilt wird. Der Meton-Zyklus29 steht für die Anzahl der Tage, in der sich Sonneund Mond in selber Gestalt wieder am selben Ort gegen-über den Sternen befinden.

Machen wir diese Gleichung transparent: Das Tagespro-dukt 1235052 enthält mit guter Näherung 5000 (5000,21)mal den Wert 247. In der Summe des doppelten Tagespro-duktes drückt sich die elementare Zusammensetzung durchden Wert 247 anschaulich aus (2470104). 247 ist im zwei-fachen Tagesprodukt ca. 10000 mal (1002) vertreten.

Im Zähler (TP) der Gleichung finden wir also die ‚Kenn-zahl für den Mond‘ 247 einwirkend ausgedrückt.

Im Nenner der Gleichung erfassen wir den hundertstenTeil von 1334, der ‚Kennzahl für die Sonne‘.

Mit Hilfe dieser beiden Kennzahlen wird die Tagesmengedes Meton-Zyklus’ auf der Schauseite der Gürteldose dar-gestellt.

Wir können jetzt die obige Gleichung umstellen, um denDezimalbruch im Nenner zu eliminieren und erhalten:

= Meton-Zyklus =̂ 6940 (6940,225).

Im Dekor der Gürteldose von Kassemosehøj werden dieikonographischen ‚Kürzel‘ für Sonne und Mond (Kreis undHalbkreis) in Form von Kreiszonen miteinander kombiniert.Die Multiplikation dieser Zonenelemente ergibt einen Wert,dessen mathematischer Kern in Kombination mit den astro-nomischen Kennzahlen für Sonne und Mond (1334 und247), die ‚Königsklasse‘ der astronomischen Kombinationzwischen Sonne und Mond bildet – den Meton-Zyklus. Gehtes grandioser? Ein abschließender Blick auf die Schauseiteder Gürteldose (Abb. 10,2) hinterlässt mit diesem Wissen fastden Eindruck eines Räderwerkes, in dem – Sonne, Mond und

29 Der griechische Astronom Meton lebte im 5. vorchristlichenJahrhundert in Athen. Der nach ihm benannte Zyklus besagt:Nach Ablauf von 19 Jahren mit 6940 Tagen sind 235 synodischeMonate (Lunationen) verstrichen und Sonne und Mond habenwieder die Ausgangsstellung am Himmel erreicht. Der Meton-Zyklus braucht hier nicht gesondert dargestellt zu werden. Mankann sich darüber in jedem gängigen astronomischen Handbuchinformieren. Das astronomische Prinzip des Meton-Zyklus’ warbereits bei den Babyloniern Grundlage ihres Mondkalenders.Die genauen heutigen Durchschnittswerte betragen:Erdumlauf: 1 Sonnenjahr = 365,24219 Tage; 19 Sonnenjahre =6939,60162 Tage.Mondumlauf: 1 Mondmonat = 29,53059 Tage; 235 Mond-monate = 6939,688415 Tage.Differenz: 0,08679 Tage = 2 Stunden, 5 Minuten in 19 Jahren.

TP13,342

TP × 100^213342

Sterne – die allumfassende Erkenntnis über die Himmels-mechanik ausdrücken. Wir blicken auf eine Himmelsscheibe.

Anschließend noch ein kurzer Blick auf ein jungbronze-zeitliches Hängebecken.

Hohenwestedt, Lkr. Rendsburg-Eckernförde, D; Per. IV(Abb. 10,3).

Um den Mittelpunkt des Hängebeckens – einer Kreis-gruppe aus 4 konzentrisch gestaffelten Ringen, die voneinem Strahlenkranz umgeben wird – sind 7 gestaffelteHalbkreise gruppiert, die mit ihrem offenen Teil an strich-gefüllten Zonenringen aufsitzen. Dieses Ensemble bildet dieinnere Zone. Nach außen schließt sich ein 9-zackiges Ster-nenmuster an. Der ‚Stern‘ wird durch die ringförmigeAkkumulation von breitgesäumten Halbkreisen gebildet.Zwischen seinen Zacken schweben 9 punktgesäumte Kreis-gruppen. In deutlichem Abstand dazu folgen 14 gestaffelteHalbkreise mit Strahlenkranz, die wiederum auf einempunktgefüllten Saum aufsitzen, der die Abschlussborte derSchauseite des Beckens bildet.

Schwebende Kreisgruppen und aufsitzende gestaffelteHalbkreise stehen ikonographisch für Sonne und Mond(s.o.). Man hat den Eindruck, dass der 9-zackige Sternen-ring beide Zonen miteinander verbindet.

Das Dekor der Hohenwestedter Bronze hat in der Kon-stellation und Abfolge seiner ikonographischen ‚Kürzel‘,deren Gestaltung (Strich- und Punktsäumung), in der Ge-samtgliederung sowie in der sternbildenden Akkumulationvon Halbkreisen unverkennbare Parallelen zur Gürteldosevon Kassemosehøj (Abb. 10,2). Dies ist der Grund, warumdas Hängebecken hier vorgeführt wird. Es stellt sich dieFrage: Erstrecken sich die äußeren Ähnlichkeiten im Dekorauch auf darin hinterlegte astronomische Werte?

Zählt man die Symbole für sich, erhält man: 10 Kreis-gruppen, 21 Halbkreisgruppen und 9 Zacken des Sternes.Diese miteinander multipliziert ergeben den Wert 1890.

10 × 21 × 9 = 1890Dieser Wert als ‚Tagesmenge‘ genommen, entspricht tag-

genau 64 Lunationen (8 × 8).Wir erhalten den Wert von 64 Lunationen, indem wir

die Anzahl der unterschiedenen ikonographischen ‚Kürzel‘miteinander multiplizieren. Dieses Vorgehen weicht vondem ab, das wir bei den älteren Scheiben angewandt ha-ben – nämlich die konsistente Multiplikation der Anzahlder Zonenelemente. Mit dieser Methode aber erreichen wirin Hohenwestedt keine stimmigen astronomischen Bezüge(7 × 9 × 9 × 14 = 7938).

Da wir aber sicher sind – oben wurde es bereits angedeu-tet, dass das spätbronzezeitliche (Per. V) Zierband vonRoga eindeutige astronomische Hinweise verrät, die denender Gürtelscheiben ebenbürtig sind – besteht die Möglich-keit, dass auch das Dekor des Hängebeckens von Hohen-westedt einen solchen Sachverhalt beinhaltet; allerdings inForm einer abgewandelten Methodik.

Die stilistische Entwicklung (vgl. Abb. 10) von den strin-gent gegliederten Gürtelscheiben des ‚klassischen‘ Stils zum‚barocken‘ Stil der jung- und spätbronzezeitlichen Hänge-

226 Christoph Sommerfeld

becken – die Gürteldose von Kassemosehøj stellt den Über-gang dar – geht vielleicht auch einher mit verändertenastro-mathematischen Darstellungs- und Vorgehensweisen,denn im späten Stil ist die Zonengliederung formal aufge-hoben30. Dies soll hier aber nicht weiter vertieft werden.

Wir haben bei den fünf alt- und mittelbronzezeitlichenScheiben-Objekten, die in diesem Abschnitt besprochen wur-den, feststellen können, dass das jeweilige Tagesprodukt mit-tels einfacher Grundrechnungsarten (malnehmen; teilen; mitsich selbst malnehmen; wurzelziehen) Ergebnisse offenbart,die stimmige Zyklen von Sonne und Mond bzw. deren Ver-schmelzung widerspiegeln. Dieses war zu erwarten, denn wirhaben Ganzzahlen, die diese Zyklen im Kern enthalten, hi-neingesteckt. Trotzdem sitzen wir keinem Zirkelschluss auf,denn die Tagesprodukte sind ja durch das Dekor der Zonen-gliederungen vorgegeben – immer nach demselben Schemader Zonenelemente-Multiplikation. Längst nicht jedes theo-retisch mögliche Tagesprodukt, das sich aus einer graphischeinigermaßen ausgewogenen Zonengliederung ergebenkann, führt zu stimmigen Ergebnissen. Nein, das Tagespro-dukt beeinflusst und bestimmt das Resultat. Nur ein Tages-produkt, erzielt durch die von vornherein durchdachte undbezweckte Anzahl von Zonenelementen, drückt die vorsätz-liche Sonne-Mond-Beziehung aus, sofern diese beabsichtigtist. Und in der Tat offenbaren längst nicht alle zonengeglie-derten Scheiben aus dem Nordischen Fundgut ihren astrono-mischen Hintergrund so schnörkellos wie die Vorgeführten.

Auf dem Prinzip der Zonengliederung beruhen letztlichsämtliche Versuche, himmelskundliche Zusammenhänge beibronzezeitlichen Objekten abzuleiten, die man – nicht un-begründet – bei Ausnahmestücken vermuten darf. Die Hin-terfragung des ungewöhnlichen Gepräges dieser Stücke istberechtigt. Nicht immer jedoch führt die Analyse der An-zahl der Dekorelemente und der Auffälligkeiten der sich inden akzentuierten Zonen ausdrückenden Zahlen- undZählkompositionen zu einem schlüssigen Resultat31.

30 Einen Überblick über die Entwicklung des Nordischen Stils be-züglich der Gürtel-Bronzen bietet z.B.: K. W. Struve, Die Bron-zezeit (Periode I–III/Die jüngere Bronzezeit). In: O. Klose(Hrsg.), Geschichte Schleswig-Holsteins 2, Lfg. 1/2 (Neumüns-ter 1971/1979).

31 Dies gibt Anlass zu einer kleinen Polemik: Bronzen (Scheiben,Schilde, Amphoren, Goldhüte, Zierbänder etc.), die aufgrundihrer Ornamentik, der Zählbarkeit einzelner Dekorelemente,ihrer Ikonographie, ihrer Einzigartigkeit etc. auffallen, übeneinen großen Reiz aus. Sie legen nahe, dass sie etwas mitzutei-len haben. Es muss doch herauszubekommen sein, was mit demoffensichtlich methodischen Arrangement der Verzierungen,Muster, Ornamente und Zonengliederungen ausgedrückt wer-den sollte. Die Versuchung besteht darin, einen Gedanken odergar komplexe Gedankenvorgänge aus vorgeschichtlicher Zeitnachzuvollziehen. Dieser Anreiz kann zur Obsession werden.Schnell stößt man an Grenzen der interpretatorischen Belast-barkeit. Meist geht das Konzept nicht ohne Hilfskonstruktio-nen auf, Ausnahmen werden postuliert, Verstrickungen in dieTiefen des Konjunktivs nehmen zu, am Ende spielen Glaubenund Intuition eine ungebührliche Rolle.Natürlich sind unseren Bemühungen Grenzen gesetzt. Was er-warten wir Kalender-Nachdenker oder besser Kalender-Nach-entdecker eigentlich? Nicht mehr und nicht weniger als eine

So hat sich auch eine Anzahl von Scheibenobjekten unse-res Untersuchungsmaterials (Tab. 1) bisher nicht befriedi-gend erschlossen.

schlüssige, nachvollziehbare und auch handhabbare Anleitungzum Umgang mit kalendarischen Daten. Wir erwarten luniso-lare Synchronisation, möglichst mit exakten Schaltungen übermehrere Jahrzehnte, gern Berechnung von Sonnen- und Mond-finsternissen inklusive, und das alles mit ästhetischem An-spruch. Ist das nicht etwas viel verlangt?Dass kalendarische Eckdaten in vorgeschichtlicher Zeit wenigs-tens einer ‚wissenschaftlichen‘ Elite bekannt waren, steht außerZweifel. Wir gehen heute – zu Recht – von profunden Kenntnis-sen aus. Das Wissen um die Jahreseckdaten und deren Berechen-barkeit, um Zyklen und Stellung von Sonne und Mond, sindselbstredende Annahmen. Wie aber diese komplexen Sachver-halte darstellen, wenn keine Schrift und kein Zahlensystem zurVerfügung stehen?Man versuche einmal, all die Beobachtungen, Prämissen, Folge-rungen, Zuweisungen, Ansprüche etc., die man an einem Objektfestgestellt zu haben glaubt, bildlich ornamental darzustellen,ohne auf tabellarische Zahlenkolonnen zurückzugreifen. Es darfbezweifelt werden, dass eine selbsterklärende Sinnübertragungder eigenen Ansprüche gelingen würde. Uns ist die Schlichtheit –oder besser – die redliche Einfältigkeit, die so eine Umbildungvoraussetzt, abhanden gekommen. Es mangelt uns an der Fähig-keit zu einer ‚hölzernen Mathematik‘, einer Mathematik, dienicht auf die dritte Nachkommastelle ausgerichtet ist, sondernauf die Kern-Erkenntnisse der astronomischen Beobachtung vonSonne und Mond. Wir bewundern die Kenntnisse, denen wir‚hinter die Schliche gekommen zu sein‘ glauben, aber ist es nichteher unsere eigene Spitzfindigkeit, die wir bewundern?Auch auf die Gefahr hin, heftigen Widerspruch zu ernten: Einebäuerliche Gesellschaft braucht keinen fortwährenden Kalender.Was sie benötigt, ist eine kleinteilige Einteilung des Jahres, dieihr der Mond in seiner Regelmäßigkeit ausreichend bietet. Diemeisten Gegenstände, die wegen ihrer potentiellen kalendari-schen Inhalte zur Diskussion stehen, werden – und das sicherlichzu Recht – im kultisch-/religiösen Zusammenhang gesehen.Wenn wir eines wissen, dann doch das, was den Kern der bron-zezeitlichen Religion ausmacht: das Mysterium des Lichtwech-sels. Eine Religion aber, sofern sie auf der Maxime des Licht-wechsels beruht, braucht himmelsmechanische Kenntnisse fürdie beweglichen Festtage, denn diese richten sich nach Sonneund Mond. Und alles, was wir in den ornamentalen Zählzusam-menhängen zu erwarten haben, ist die Bekundung: Siehe, ichhabe Dich (Sonne/Mond/Licht) erkannt, kenne Deine Regelhaf-tigkeit, weiß um Deinen Lauf, ewigen Wandel, erkenne an undfüge mich. Schlicht, kindlich, treuherzig. Um diese Maxime aus-zurücken, bedarf es keines profanen fortwährenden Kalenders;es genügt die Bekundung, ja die Andeutung, des Wissens über dieSynchronisation von Sonne und Mond. Und genau das begegnetuns sporadisch immer wieder in unterschiedlichen Ausprägun-gen in den ‚Kalender-Objekten‘ – nicht die Manifestation eineswie auch immer gearteten Kalendariums, dessen Regelung wirnicht verstehen können, weil es nicht dargestellt wird. Die ein-heitliche Ausdrucksweise – als Signum des Bekenntnisses –ist formal durch die stereotypische, nur in Nuancen abgewan-delte Ornamentik gegeben. Sicherlich sind die Objektgruppen –Goldhüte, Schilde, Amphoren, Gürtelscheiben, Hängebecken,Zierbänder – einem Einvernehmen unterworfen, die detaillierteAusführung des einzelnen Gegenstandes aber beruht auf indivi-dueller Gestaltung. Es sind jeweils Gelegenheitsbildungen aussich heraus, nach Vermögen ausgeführt und eingebunden in dieerkannten und anerkannten Gesetzmäßigkeiten des Lichtwech-sels. Gültigkeit, Verständnis und Nachvollziehbarkeit sind be-schränkt, gesellschaftlichem und regionalem Milieu unterwor-fen.

… nach Jahr und Tag – Bemerkungen über die Trundholm-Scheiben 227

Wir haben die astronomischen Bezüge lediglich nacheiner Methode untersucht, nämlich die der Multiplikationder Zonenelemente. Da nicht alle Scheibenobjekte zum sel-ben Zeitpunkt und von demselben Urheber gefertigt wur-den, ist es denkbar, dass zu verschiedenen Zeiten verschie-dene Konstruktionsprinzipien angewandt wurden. Daserwähnte Beispiel ‚Hohenwestedt‘ deutet diesen Umstandan. Wie bereits erwähnt, hat K. Randsborg bspw. die Zonendurch Faktoren unterschiedlich gewichtet, die ornamenta-len Einheiten der jeweiligen Kreiszonen mit den Faktorenmultipliziert und dann die Summe der Produkte gebildet.Verfasser hat dieses ebenfalls bei den Trundholm-Scheibenversucht, ohne zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen. Es istauch die Kombination von Multiplikation und Addition/Subtraktion vorstellbar32. Auch könnten die Differenzender Zonen-Elemente zu sinnvollen astronomischen Verhält-niszahlen führen.

Verfasser hat sich aus guten Gründen einer Selbstbe-schränkung unterworfen. Es wurden lediglich solche Teilerfür das Tagesprodukt berücksichtigt, die in direktem Bezugzu astronomischen Werten stehen wie SJ, MJ, Lu und denDerivaten wie 1334 oder 247 oder 872. Es wurde daraufverzichtet, aus einzelnen Zahlen, die auf den Scheiben ab-zulesen sind, astronomische Bezüge zu errechnen, obwohldies mathematisch möglich wäre. Dazu ausführlich im An-hang IV.

Was aber bezwecken die im Dekor der Scheiben hinter-legten astronomischen Andeutungen? Bevor wir versuchen,uns einer Antwort auf diese Frage zu nähern, fassen wir zu-sammen.

Interim-Zusammenfassung

Am Beispiel der Gürtelscheibe von ‚Sværdborg‘ haben wireindeutig gesehen, dass präzise astronomische Daten ineiner zonal strukturierten Bronze-Scheibe verschlüsselt wer-den können, nämlich die Darstellung der genauen Kenntnisder Zyklen von Sonne und Mond. Nicht immer hatten die‚Ingenieure‘ der älterbronzezeitlichen Scheiben die gleicheIntention wie in ‚Sværdborg‘, und nicht immer liegen dieDinge so klar wie in ‚Sværdborg‘. Den besprochenen Schei-ben-Objekten ist aber gemeinsam, dass sie die Kenntnis dergenauen Zyklen von Sonne und Mond vermitteln.

Die Vermittlung dieser Kenntnis findet statt in Formeiner im Dekor der Scheiben unterlegten Zahl. Diese Zahl

32 Zur Spätbronzezeit bietet das Fundgut Hängebecken, bei de-nen das Dekor der Schauseiten durch sauber gekerbte Schnur-linien in Zonen untergliedert wird. Die Zonen enthalten alter-nierend Kreisgruppen sowie Reihungen kleiner Buckel. Diekleinen Buckel sind sauber arrangiert und zählbar. Ihre Anzahlenthält möglicherweise in Kombination mit einer addierendenMethodik gleichfalls Zonenbelegungen, die unseren Faktorenbei der multiplikatorischen Methodik entsprechen. Eine Ana-lyse solcher Hängebecken wurde nicht vorgenommen. S. auchAbschnitt – Der Scheibeningenieur. Bsp.: Vester Doense, Ål-borg Amt, DK, Per. V (Randsborg/Christensen 2006, 78; 80Fig. 34); Lübtheen, Lkr. Ludwigslust, D, Per. V (Hundt 1997,Taf. 45,1).

ist das Produkt aus den Faktoren, die in Gestalt ikonogra-phischer Kürzel (zumeist das Motiv des ‚laufenden Hun-des‘) in den einzelnen Kreiszonen der Scheibe hinterlegtsind. Dieses Produkt setzten wir mit Tagen gleich. Folglichunterstellen wir, dass auf der betreffenden Scheibe eine kon-krete Anzahl von Tagen ausgedrückt wird.

In den Beispielen Skåne, Källstorp, Frankerup, Hessela-gergård, Svenstrup und Langstrup geht es erkennbar umdie Darstellung konkreter Mondperiodizitäten, in Sven-strup und Langstrup zusätzlich noch um die des Sonnen-zyklus’. Die mittelbronzezeitliche Gürteldose von Kasse-mosehøj bündelt das gesamte Wissen im ‚Meton-Zyklus‘ –in einer Periodizität, der Sonne und Mond gemeinsam un-terliegen.

Es werden keine Dezimalbrüche benötigt, denn die Dezi-malbrüche enthaltenden astronomischen Zyklen von Sonneund Mond werden in Ganzzahlen ausgedrückt:

Der solare Zyklus (365,24) ist in der Ganzzahl 1334 mitguter Annäherung ausgedrückt.

Der lunare Zyklus (354,36) ist in der Ganzzahl 247 mitguter Annäherung ausgedrückt.

Der lunare Zyklus (29,53) ist zudem in der Ganzzahl 872mit guter Annäherung ausgedrückt.

Es werden auch Verhältnisse aus Ganzzahlen eingesetzt,um astronomische Größen auszudrücken.

Der lunare Zyklus (29,53) kann auch als Wurzel einerLunation ausgedrückt werden. Das Ganzzahl-Verhältnis125/23 bspw. entspricht dem Wert für die Wurzel einer Lu-nation mit guter Annäherung.

Die Ganzzahlen 1334 und 247 werden aufgrund ihrerBedeutung als ‚Kennzahlen‘ für Sonne und Mond bezeich-net; zumindest die ‚Kennzahl‘ 1334 findet ihren Widerhallauch im archäologischen Fundgut als Gold-Bestandteilevon Ornaten.

Rechenoperationen mit den ‚Kennzahlen‘ führen häufigzu mathematischen Ausdrücken, die sich als Summen vonPotenzen oder als Aneinanderreihungen von Summen glei-cher Zahlen darstellen lassen, was zu mnemotechnisch ge-eigneten Rhythmen führen kann.

Der Scheibeningenieur

Dieser Abschnitt fasst unsere Vorgehensweise bei derastro-mathematischen Untersuchung der Bronze-Scheibenzusammen. Bei der Analyse der Scheiben sind wir wie folgtvorgegangen: Wir haben das Tagesprodukt durch einen as-tronomisch sinnvollen Teiler dividiert (Bsp.: 1334, 247, Lu,MJ, SJ). Dabei suchten wir nach ganzzahligen Ergebnissen,weil die Zonen und damit auch das Tagesprodukt nur mitganzzahligen Werten belegt sind. Wir ersetzten dann denTeiler durch einen bekannten astronomischen Term. Bsp.A: Teiler = 1334, dann ist die astronomische Gleichung1334 = SJ^2/100. Durch Umstellung der daraus resultieren-den Gleichung lässt sich das Sonnenjahr (SJ) errechnen.Bsp. B: Teiler ist Lu, dann stellt der Teiler bereits den astro-nomischen Term dar, im Sinne von Lu = 29,53. Die nachfol-gende Auflistung fasst diese Vorgehensweise zusammen:

228 Christoph Sommerfeld

Nun stellen wir Überlegungen an, wie der Bronzezeitler,der keine Dezimalbrüche kennt, gedanklich vorgegangensein könnte, wenn er die Absicht hatte, das Wissen über dieZyklen von Sonne und Mond auf einer zonengeliedertenScheibe darzustellen.

Er möchte bspw. seine genauen Kenntnisse über dieDauer einer Lunation mitteilen (für uns der Wert 29,53).Die erste Möglichkeit besteht darin, ein ganzzahliges Viel-faches zu wählen. In unserem Beispiel wären die Ganzzah-len 2953 (100 × 29,53) oder 872 (29,532) geeignet.

Wenn die Methode der Zonen-Multiplikation gewähltwird, dann muss der ganzzahlige Wert in ganzzahlige Fak-toren zerlegt werden können. Das ist im genannten Beispiel2953 nicht möglich, da 2953 eine Primzahl ist und keineganzzahligen Teiler besitzt. Eine weitere Möglichkeit wäre,auf Genauigkeit zu verzichten und eventuell eine Annähe-rung an den exakten astronomischen Wert zu suchen. Bei-spiel: 2952 = 8 × 9 × 41 oder auch 2954 = 2 × 7 × 211. Zu-mindest das letztgenannte Produkt 2954 liefert eine sehrunharmonische Zonenbelegung, ist konstruktiv kaummachbar und genügte sicher nicht den ästhetischen Ansprü-chen der Zeit. In unserem Fall bleibt dem Konstrukteureigentlich nur das Arbeiten mit der Quadrierung bzw. derUmkehrung des Quadrierens, dem Radizieren. Da dieScheibenkonstrukteure in Potenzen dachten, ist es wahr-scheinlich, dass sie auch die Umkehrung, das Radizierenkannten.

Beispiel Quadrierung: Die Zahl 872 (=29,532) hat dieFaktoren 8 × 109, wobei 109 als Primzahl nicht weiterganzzahlig zerlegbar ist. Die 109 ist wiederum aus ästheti-schen Gründen nicht geboten. In diesem Falle müsste derKonstrukteur wieder zum Hilfsmittel der Ungenauigkeitgreifen, indem er bspw. 108 statt 109 wählt.

Beispiel Radizierung: Der Wert der Quadratwurzel derLunation (29,53) beträgt auf drei Nachkommastellen ge-rundet 5,434. Für diesen Dezimalbruch gibt es mit demGanzzahlen-Verhältnis 125/23 eine gute ganzzahlige Annä-herung. Der Wert 125 ist zerlegbar in 5 × 25. Auch der Wert23 ist für eine Zonenbelegung gut geeignet.

Unser Ingenieur will nun diese Werte auf einer Scheibeverschlüsseln. Er hat außerdem die darüber hinausgehendeAbsicht, ein Tagesprodukt von 4000 zu erzielen. Dazu er-

mittelt er, wie häufig das Verhältnis in 4000 enthal-

ten ist. Das Ergebnis ist exakt die Ganzzahl 736. Er zerlegt

Allgemeiner Fall

TP teilen durch astronomischrelevanten Wert

Beispiele: 1334, 247, Wurzel(872)

ganzzahlige Quotienten suchen auch gute Annäherung

Teiler ersetzen durch astronomischenTerm

astronomischen Wert in Gleichungermitteln

5 × 2523

736 in weitere Faktoren und findet: 4 × 8 × 23 = 736. Aus

den Faktoren für 736 und ergibt sich folgende Glei-

chung = 4000. Wird die 23 aus dem

Bruch gekürzt, verbleibt: 4 × 8 × 5 × 25 = 4000. Jetzt wirddie 4 mit der 5 multipliziert und die Gleichung lautet: 8 ×20 × 25 = 4000.

Auf diese Art und Weise ist der DezimalbruchLunation=5,434 ganzzahlig auf einer Scheibe mit harmo-

nischer Zonenbelegung darstellbar.Diese fiktive Scheibe wird uns im folgenden Abschnitt er-

neut begegnen.

Der Primus Ohnegleichen

Pferd und Fuhre des Trundholm-Gespanns werden allge-mein in die späte Per. II oder frühe Per. III datiert. Seine Er-schaffer konnten demnach auf großes astronomisches Wis-sen zurückgreifen und sich bei ihrem Vorhaben aufmathematische Fähigkeiten, die wir schon bei den Gürtel-scheiben des ‚Großen Stils‘ (Per. II) nachgewiesen haben,stützen und diese fortsetzen.

Die in diesem Abschnitt behandelten Formeln und ma-thematischen Ausdrücke dienen in erster Linie dazu, dasKonstrukt ‚Trundholm-Scheiben‘ transparent zu machen.Wir wollen versuchen, den ‚astro-mathematischen Kern‘ zuerfassen. Es genügt nicht, zu behaupten, das Scheibenpaarstelle Sonne und Mond dar. Um eine kompakte Darstellungzu erreichen, gehen wir zur zeilengerechten Schreibart ma-thematischer Bezüge über. Der Leser möge sich von den un-terlegten Formeln nicht abschrecken lassen. Ihm wird emp-fohlen, hier auf die Kürzel SJ, MJ, Lu in den Formeln zuachten. Diese Kürzel zeigen auf einen Blick an, welches derbeiden in Frage stehenden Gestirne (Sonne oder Mond) inden Formeln involviert ist. Dies gilt auch für die astronomi-schen Kennzahlen 1334 und 247, in denen ‚Sonne‘ bzw.‚Mond‘ stecken. Die verwendeten Formeln lassen sich dannin einem zweiten Lesegang nachvollziehen.

Selbstverständlich behaupten wir nicht, dass die bronze-zeitlichen ‚Ingenieure‘ nach diesen Gleichungen vorgegan-gen sind.

Die Kardinalzahlen

Wir betrachten zunächst die Einzelzahlen der Zone 3 bei-der Scheiben (Abb. 2).

Auf der Vorderseite finden wir in Zone 3 die 27, auf derRückseite die 25.

Betrachten wir die 27.Sie liefert eine Beziehung zur Sonne über die Gleichung:27=193/SJ^(1/3) oder SJ=(193/27)^3. Diese Näherungs-

gleichung (Herkunft vgl. Anhang IA) liefert gerundet denWert 365,242 Tage für die Dauer des Sonnenjahres.

5 × 2523

4 × 8 × 23 × 5 × 2523

… nach Jahr und Tag – Bemerkungen über die Trundholm-Scheiben 229

Es erscheint daher folgerichtig, dass wir die 27 auf der vi-suell erkannten Sonnenseite finden.

Betrachten wir die 25.Sie liefert eine Beziehung zum Mond über die Gleichung:25=Wurzel(Lu)*4,6 oder mit ganzen Zahlen 25=Wur-

zel(Lu)*23/5. Diese Näherungsgleichung liefert gerundetden Wert 29,537 Tage für die Dauer der Lunation.

Es erscheint daher folgerichtig, dass wir die 25 auf der vi-suell erkannten Mondseite finden.

Wir nennen die Zahlen 27 und 25 wegen ihres astro-ma-thematischen Hintergrundes, der mit der visuellen Ein-schätzung der Trundholm-Scheiben einhergeht, hier ‚Kardi-nalzahlen‘.

Die Belegung der Zonen

Wir betrachten jetzt die Zonenbelegungen. Wir versu-chen, die Zonenbelegungen der Trundholm-Scheiben zuverstehen.

Vorderseite: 8 × 16 × 27 = 3456Aus unserer Tabelle ‚ganzzahlige Vielfache‘ (vgl. Anhang

IA) der Wurzel eines Mondjahres entnehmen wir 17*Wur-zel(MJ)=320 (genau: 320,015687) oder (17/10)*Wur-zel(MJ)=32. Die 32 stellt also den Mondanteil dar. Wir stel-len fest, dass der ganzzahlige Rest 4*27 verbleibt, wenn wirdas Tagesprodukt (3456) durch 32 dividieren. Wegen derGleichung 27*Wurzel(SJ)=516 (ebenfalls gewonnen ausder oben genannten Tabelle) erkennen wir, dass der Restder Sonnenanteil des Tagesproduktes ist. Die Vorderseitescheint also, mathematisch gesehen, eine Kombination ausSonnenanteil und Mondanteil zu sein.

Rückseite: 8 × 20 × 25 = 4000Wir wenden den Teiler 32 auf die Rückseite an. Es ver-

bleibt der Rest 5*25. Aus unserer Tabelle entnehmen wirweiterhin: 25/Wurzel(Lu)=4,6 (genau 4,60053443) oder25/Wurzel(Lu)=23/5. Mit dem fünften Teil dieser Glei-chung erhalten wir 5/Wurzel(Lu)=23/25.

Damit setzt sich das Tagesprodukt der Rückseite ausdrei Mondanteilen zusammen. Die Rückseite scheint also,mathematisch gesehen, eine reine Mondscheibe zu sein.Dies entspricht voll der visuellen Einschätzung der Rück-seite.

Verfasser behauptet nicht, dass die Scheiben nach diesenNäherungsgleichungen konstruiert worden sind. Es gehthier darum, zu erkennen, wie die Zonenbelegungen in Be-zug auf Sonnen- und Mondanteile zusammengesetzt seinkönnten.

Die Kombination der Scheiben

Wir haben bis hierhin die Scheiben des Trundholm-En-sembles wie die anderen (Gürtel-) Scheiben als Einzelschei-ben betrachtet. Wir wollen nun untersuchen, ob die Kom-

bination der beiden Scheiben zusätzliche Erkenntnissezulässt.

Wir werfen zunächst einen Blick auf einige von Verfasserempirisch gefundene Näherungsgleichungen mit den ‚Kar-dinalzahlen‘ von Vorder- und Rückseite:

Mit 27=(SJ^2*25*20)/(100^2*247) (s. Anhang IB) ha-ben wir eine Formel, die es erlaubt, die 27 als Verhältnis-zahl zwischen Sonnen- und Mondparametern – in der 247steckt der Mond – zu interpretieren.

Mit 25=(27*100^2*247)/(SJ^2*20) (s. Anhang IB) ha-ben wir eine Formel, die es erlaubt, die 25 als Verhältnis-zahl zwischen Mond- und Sonnenparametern – in der 247steckt der Mond – zu interpretieren.

Wir erkennen, dass die Zahlen 27 und 25 nicht wie imAbschnitt – Die Kardinalzahlen – noch vermutet, reine Son-nen- oder Mondzahlen sind. Sie sind ambivalent. Sie sindMittler zwischen Sonne und Mond.

Dividiert man die erste Gleichung durch 25, erhält man

27/25=(SJ^2*20)/(100^2*247)33.

Der Quotient 27/25 ist nach dieser Formel hervorragendgeeignet, das Verhältnis zwischen Sonnen- und Mondjahrzu beschreiben – wenn auch das Mondjahr hier in Formder Zahl 247 auftritt34. Ersetzt man in dieser Gleichung247 durch den Näherungswert MJ=33*247/23, erhältman 27/25=(SJ^2/MJ)*(20*33)/(100^2*23) oder reduziert27/25=(SJ^2/MJ)*(2/697).

Man erkennt, dass der Quotient 27/25 das Verhältnisvon Sonnenjahr zu Mondjahr beschreibt. Sonnenjahr undMondjahr stehen dabei in einem quadratisch-linearen Ver-hältnis.

Die in diesem Abschnitt bisher aufgeführten Gleichungensollen die Macht und Potenz zeigen, die den Zahlen 27 und25 und ihrem Verhältnis 27/25 innewohnen. Ob die Ideen-geber der Trundholm-Scheiben diese Gleichungen kannten,bleibt dahingestellt.

27/25 ist auch das Verhältnis eines synodischen Mondzy-klus’ (29,53 Tage) zu einer siderischen Periode (27,32 Tage),also: 29,53/27,32≈27/25=1,08.

Der Meton-Zyklus

Wir betrachten die Tagesprodukte jetzt unter einem an-deren Gesichtspunkt. Wir führen dazu folgende Rechen-schritte auf der Vorderseite durch:

33 Diese Näherungsgleichung nach SJ^2 aufgelöst liefert den Wert133380, der Fehler gegenüber dem richtigen Wert 133400 be-trägt 0,015 %.

34 Den Zusammenhang zwischen Mondjahr und 247 liefert:12*(Lu^2*10)^(1/3)=247 oder einfacher: MJ=33/23*247.

230 Christoph Sommerfeld

Wir erkennen, dass im dritten Rechenschritt die6939 Tage des Meton-Zyklus’ erreicht werden35.

Führt man diese Rechnungen mit der Anzahl der jeweili-gen Kreis-/Spiralgruppen der Rückseite durch, erhält mandie Summe 8025.

Die Zahl 6939 der Vorderseite entspricht in Tagen derDarstellung von 235 Lunationen (Mondumläufen) oder19 Sonnen-Jahren. Dies ist der übergeordnete Zyklus, demdie Zyklen von Sonne und Mond unterworfen sind.

Die Zahl 8025 der Rückseite entspricht in Tagen der Dar-stellung von annähernd36 272 Lunationen oder 22 Jahren.

Haben wir einen Hinweis für die Berechtigung dieser Re-chenschritte? Dazu folgende Überlegungen: Das Tagespro-dukt beider Seiten drückt klar und unmissverständlich dieVerschmelzung beider Himmelskörper aus (s.u. Abschnitt –Die Kennzahlen 1334 und 247 –). Die Tagesprodukte wur-den aus eben diesem Grunde gewählt. Im Trundholm-De-kor sollen aber noch weitere Aussagen verschlüsselt werden(Meton-Zyklus). Die dafür notwendigen Rechenschritte(Verdoppelung des Tagesproduktes und Hinzufügen derKardinalzahl) sind in der ‚Zeichensprache‘ der Ornamentikvielleicht sogar angedeutet.

Die betreffenden Zonen 2 und 3 sind diejenigen Zonen,die divergierende Dekorelemente beinhalten (Abb. 5).

In Zone 2 (Zone der ‚Paarbildung‘) könnte die paarigeUmschlingung der Kreis- und Spiralgruppen (Abb. 5 u. 8)als ‚Rechenanweisung‘ für die Verdoppelung sinnbildlichschlau hinterlegt worden sein. ‚Paar‘ bedeutet im übertrage-nen Sinne ‚zweimal‘ (x 2); zwei Stück (einem anderengleich) sind ein Paar.

In Zone 3 (Zone der ‚Kardinalzahlen‘) könnte die Sepa-ratstellung der gleichförmigen Kreisgruppen (Abb. 5 u. 7)

35 S. Anm. 29.36 Die Differenz beträgt 7 Tage. Der korrekte Wert 8032 (Tage)

für 272 Lunationen ist mittels der zugrunde gelegten ganzzah-ligen Faktoren nicht zu erzielen. 8025 ist schon die engst mög-liche Annäherung an den tatsächlichen Wert. Dazu unten aus-führlicher.

Vorderseite

1. 8 × 16 × 27 = 3456 – die Anzahl der Kreisgruppen derRingzonen 1–3 werden miteinandermultipliziert zum Tagesprodukt

2. 2 × 3456 = 6912 – das Produkt wird verdoppelt

3. 6912 + 27 = 6939 – die ‚Kardinalzahl‘ [27] der Ring-zone 3 wird zu diesem Wert hinzuge-zogen

Rückseite

1. 8 × 20 × 25 = 4000

2. 2 × 4000 = 8000

3. 8000 + 25 = 8025

6939/29,53 = 234,9813 ≈ 235 6939/365,242 = 18,998 ≈ 19

8025/29,53 = 271,7575 ≈ 272 8025/365,242 = 21,971 ≈ 22

die Anweisung im Sinne von ‚füge hinzu‘ beinhalten. Dieoben erwähnte Bedeutung der Kardinalzahlen für Sonneund Mond erfährt eine ‚zusätzliche‘ Auswirkung.

Der Meton-Zyklus – oben im Zusammenhang mit derGürtelscheibe von Kassemosehøj als ‚Königsklasse‘ der as-tronomischen Kombination von Sonne und Mond beschrie-ben – ist auf der goldenen Vorderseite des Trundholm-Dis-kus hinterlegt. Wir ziehen den Hut vor den bronzezeitlichenAstronomen und machen den Versuch, ihnen über dieSchulter zu schauen.

Die Beobachtung des Meton-Zyklus’ am Himmel

Während die Sonne in beständiger Gestalt (sehen wir ein-mal von den Finsternissen ab) im unveränderlichen Turnusihre Bahn zieht, scheint die Bahn des Mondes für den gele-gentlichen Beobachter schwer erfassbar oder – um in deraktuellen Terminologie zu bleiben – schwer berechenbar zusein. Doch dem ist nicht so. Sowohl Gestalt als auch Bahndes Mondes verlaufen zyklisch. Der synodische Monat gibtdie Dauer (29,53 Sonnentage) an, in der sich die Lichtge-stalt des Mondes wiederholt (z.B. Vollmond zu Vollmond).Der siderische Monat gibt die Dauer (27,32 Sonnentage)an, in der der Mond gegenüber den Sternen wieder dieselbePosition am Himmel einnimmt. Die Zyklen von Gestalt undStellung des Mondes lassen sich durch einfache Beobach-tung auch ohne astronomische Gerätschaften und kompli-zierte Mathematik feststellen. Erforscht man nun, nachwelcher Zeitspanne der Mond in derselben Gestalt wiederam selben Ort erscheint, hat man den Meton-Zyklus.

In einer Gesellschaft, von der wir annehmen, dass siekeine Dezimalbrüche kannte, ist der einzige Weg, synchro-nisierte Ereignisse zwischen zwei unterschiedlichen Peri-oden zu verstehen, die Rückkehr, die Wiederholung desZyklus’ abzuwarten und zu beobachten, wann die Teilkom-ponenten ein ganzzahliges Vielfaches ergeben. Und genaudas scheint in der ‚Trundholm-Mathematik‘ hinterlegt wor-den zu sein.

Zählt man die Anzahl der synodischen Wiederkehr unddie der siderischen Wiederkehr des Mondes, die am engstenmit der Länge eines Sonnenjahres korrespondieren, erhältman die Werte, die in der tabellarischen Auflistung (An-hang II, Tab. 1) farblich hervorgehoben sind.

Wir beginnen unsere Beobachtungen mit einem Voll-mond. Die Frage lautet: Wievielmal sehe ich den Vollmondinnerhalb eines Sonnenjahres, und wievielmal ist er im sel-ben Zeitraum an der Ausgangsstelle sichtbar gewesen? Ichbeobachte im ersten Jahr 12 Vollmonde und 13-mal dieWiederkehr des Mondes zur Ausgangsposition. Dieser Zeit-raum entspricht etwas mehr als einem Mondjahr und istetwa 11 Tage kürzer als das Sonnenjahr. Die Gesamtzahlder synodischen und siderischen Umläufe merke ich mir:25.

Im zweiten Jahr der Beobachtung – nach weiteren 12 sy-nodischen Umläufen und 13 siderischen Umläufen (wie-derum etwa ein Mondjahr) – ist der Mond zwar wieder inder Region am Himmel, die der Ausgangsposition nahe

… nach Jahr und Tag – Bemerkungen über die Trundholm-Scheiben 231

kommt, aber eben nur annähernd an der Stelle. Ich mussnoch eine weitere synodische Periode, einschließlich einersiderischen Periode, abwarten. Erst dann ist der Vollmondwieder annähernd am Ausgangspunkt – ein so genannterMondsprung37. Nach dieser Zeitspanne – 13 synodischeMonate, 14 siderische Monate – ist das dritte Beobach-tungsjahr schon etwa 8 Tage alt. Wieder merke ich mir dieGesamtzahl der verstrichenen synodischen und siderischenUmläufe. Dieses Mal 27.

Es kommt darauf an, die Anzahl synodischer und sideri-scher Zyklen zu ermitteln, in denen der Vollmond mög-lichst nahe am Ausgangspunkt steht und die gleichzeitigmöglichst eng mit der Spanne eines Sonnenjahres überein-stimmen. Nach Ablauf des dritten Beobachtungsjahres istdies wiederum nach 12 Lunationen und 13 siderischen Po-sitionssprüngen der Fall. Ich merke mir: 25. Inzwischensind seit Beginn der Beobachtungen 37 Vollmonde gezähltund 40-mal war der Mond am Ausgangspunkt gegenüberden Sternen. Nach 19 Jahren Beobachtung habe ich235 Vollmonde gezählt und 254-mal die Rückkehr desMondes zur Ausgangsposition. Und nun endlich hat derMond wieder dieselbe Vollmond-Gestalt und steht an der-selben Stelle wie am Anfang meiner Beobachtungen. DerZyklus beginnt von neuem38.

Nach einigen 19 Jahren der Beobachtung des Zyklus’wird man festgestellt haben, dass die Summen der jähr-lichen Umläufe sich immer im selben Rhythmus wiederho-len: 25, 27, 25, 25, 27 … etc. (s. Abb. 12 u. Anhang II, Tab.

37 Nicht zu verwechseln mit dem ‚Mondsprung‘ (saltus lunae) beider Berechnung des christlichen Osterfestes.

38 Das geschilderte Beobachtungsverfahren hat der Mitverfasserdes Buches A. Murphy (u. R. Moore), Island of the Setting Sun.In Search of Ireland’s Ancient Astronomers (2009) auf seinernicht mit dauerhafter URL ausgestatteten Internetseite be-schrieben.

1). Dies ist ein fester Kanon. Er ist stimmig und korrekt be-obachtet, wenn die Differenz der Summe der siderischenund der synodischen Zählung dem jeweils laufenden Beob-achtungsjahr entspricht (z.B. 8. Jahr: 107 [sid. Umläufe] –99 [syn. Umläufe] = 8; vgl. Anhang II, Tab. 1).

Die Differenz zwischen 19 Sonnenjahren und 19 Mond-jahren beträgt genau 7 Lunationen (19 × 12) + 7 = 235.Sieben Mal muss demnach eine Lunation innerhalb des19-Jahre-Zyklus’ hinzugefügt werden. Die Hinzufügungeneiner zusätzlichen 13. Lunation (Mondsprung) verteilensich im Rhythmus der roten 27er-Segmente der Abb. 12.Für die siderischen Umläufe gilt entsprechend: (19 × 13) + 7= 254.

Bei diesen Mondbeobachtungen kommt man ohne dieZählung der einzelnen Tage des Meton-Zyklus’ aus. Esreicht die Zählung von 12 Vollmonden und 11 Tagen für dieBestimmung der Länge eines Sonnenjahres. Der bronzezeit-liche Mensch denkt und zählt im Mondzyklus. Die genaueAnzahl von verstrichenen Tagen ist nicht so wichtig, denn esist augenfällig, wann der nächste Vollmond sein wird39.

Vielleicht hat man auch die den Zyklen immanenten Un-terzyklen bereits erkannt. Die Anzahl der jeweiligen Um-läufe verdoppelt sich im 3. und 6. Jahr sowie im 8. und16. Jahr (vgl. Anhang II, Tab. 1).

Interessant sind die Werte für das 3. Beobachtungsjahr(37 synodische, 40 siderische Umläufe). 37 Lunationen stel-len den kleinsten Zeitraum dar, in dem Sonnen- und Mond-lauf erstmals recht eng in Einklang gebracht werden kön-nen; nämlich nach 12 + 12 + 13 Mond-Monaten, ungefähr3 Sonnenjahren. 37 ist auch die Differenz der Lunationenvon Rückseite und Vorderseite der Trundholm-Doppel-scheibe (272 – 235 = 37; entsprechend: 22 – 19 Sonnenjah-ren = 3). Dies könnte ein Grund für die Darstellung von 272

39 Vgl. Hansen/Rink in: Acta Praehist. et Arch. 40, 2008, 110.

Abb. 12. Der Rhythmus der Kardinalzahlen. Beginnend mit dem schraffierten 25-Segmentim Uhrzeigersinn wiederholt sich die Anzahl von 25 bzw. 27 synodischer und siderischer

Mondumläufe – eng an das Sonnenjahr gebunden – alle 19 Jahre im selben Rhythmus

232 Christoph Sommerfeld

bzw. 235 Lunationen auf den Scheiben sein (s. auch weiterunten, Abschnitt – Die Kennzahlen 1334 und 247 –. TP derRückseite/1334 = 3).

Warum in den äußeren Ringzonen 27 bzw. 25 Elementedargestellt werden, wird aus dem oben gesagten klar. Dieausschlaggebenden ‚Kardinalzahlen‘ bilden in der mathe-matischen Kombination der Scheiben den kalendarischenKern. Das Verhältnis der Kardinalzahlen zueinander ist27/25 (dezimal = 1,08). Dieses Zahlenverhältnis ist auchdas Verhältnis vom synodischen zum siderischen Mondum-lauf und diese wiederum sind Unterzyklen von Sonnen- undMondjahr.

Um das vielleicht angestrebte Verhältnis von 235 zu272 Lunationen zu erreichen, müssten genau genommendie Tagesmengen 6939 und 8032 dargestellt werden. Dochdiese Werte sind ganzzahlig bei konsistenter Rechnungbeidseitig nicht zu erzielen. Nur auf der Vorderseite ist derexakte Wert für die Tage des Meton-Zyklus’ darstellbar.Der genaue Wert für 272 Lunationen (8032) für die Rück-seite ist mit dem unterlegten Zahlengeflecht nur fast er-reicht, es fehlen 7 Tage. Nochmals: Eine genauere Annähe-rung ist mit dem unterlegten Zahlengeflecht beidseitig nichtmöglich. Mehr noch: Die im Dekor der Trundholm-Schei-ben unterlegten Zahlen sind bereits optimal gewählt. Keineandere ganzzahlige Zahlenzusammenstellung erreicht de-ren Genauigkeit und Harmonie.

Wenn im letzten Rechenschritt durch einfaches Hinzufü-gen der Kardinalzahlen das Endergebnis erzielt wird, istdies wie die extravagante Schleife an einer eleganten Unter-schrift. Es hebt die Kardinalzahlen 27/25 noch einmal her-vor, unterstreicht deren Bedeutung als Erkenntniszahlen fürdas Verhältnis der synodisch/siderischen Mondumläufe.Die folgende Gleichung sei als Zahlenspielerei im Zusam-menhang mit dem Meton-Zyklus erwähnt.

Lu × Lu × 8 – Wurzel(1334) = Meton-Zyklus

Mit Lu=29,53 ergibt diese Gleichung den Wert 6939,64und damit die annähernd perfekte Angabe der Tage für denMeton-Zyklus.

Die Formel beinhaltet eine Kombination aus Lunationund Sonnenjahr, denn in der 1334 steckt die ‚Sonne‘. DieFormel lässt sich auch als Gleichung durch Ganzzahlen aus-drücken:

8 × 872 – 767/21 = 6939. (Lu × Lu = 872; Wurzel(1334)= 36,523964 oder als ganzzahliger Näherungsbruch:767/21 (s. Tab., Anhang IC)).

Die Formel unterstreicht noch einmal das Denken undZählen in Lunationen. Der verbleibende Rest – ein Sonnen-faktor – wird abgezogen. Mit den Trundholm-Scheiben hatdiese Gleichung allerdings nur die Zahl 8 gemein; dies istdie Zonenbelegung der Zone 1 auf beiden Scheiben.

Handelt es sich bei dieser Formel um einen kuriosen Zu-fall40 im Sonne-Mond-Geschehen?

40 Eine ganz ähnliche Formel – als ‚Sinnspruch‘ für den Meton-Zy-klus – ist auf dem Zierband von Roga ‚ablesbar‘ (s. Anm. 14).

Die Kennzahlen 1334 und 24741

Wir schließen jetzt den Bogen von der Entdeckung der‚Kennzahlen‘ 1334 und 247 für die Zyklen von Sonne undMond (Abschnitt – Primus inter pares –), indem wir dieseTeiler auf die Tagesprodukte der beiden Trundholm-Schei-ben anwenden. Diese Methodik haben wir auch schon beiden Gürtelbronzen angewendet.

VorderseiteWir prüfen den Teiler 247 und finden für die Vorderseite3456/247=13,9919028.Der Quotient liegt sehr nahe an der Ganzzahl 14. Rech-

nen wir mit dieser Ganzzahl 14, erhalten wir für die Luna-tion den Wert 29,505 nach der Gleichung:

Lu = , die wir bereits oben bei der Analyse

von ‚Sværdborg‘ kennen gelernt haben.

Rechnen wir das Tagesprodukt zurück: 14*247=3458und wir erhalten eine sehr gute Annäherung an das tatsäch-liche Tagesprodukt.

Für die Rückseite liefert der Teiler 247 keine gute Annä-herung an eine Ganzzahl.

Rückseite42

Wir prüfen den Teiler 1334 und finden für die Rückseite4000/1334=2,99850075.Der Quotient liegt sehr nahe an der Ganzzahl 3. Wir kön-

nen daraus den Wert für das Sonnenjahr errechnen und er-

halten 365,148 nach der Gleichung: SJ = , die

wir bereits oben bei der Analyse von ‚Sværdborg‘ kennengelernt haben. Wieder rechnen wir das Tagesprodukt zu-rück: 3*1334=4002 und wir erhalten eine sehr gute Annä-herung an das tatsächliche Tagesprodukt. Für die Vorder-seite liefert der Teiler 1334 keine gute Annäherung an eineGanzzahl.

Beide Werte liegen um den Wert 2 über dem tatsächlichenTagesprodukt.

14*247=3458 (3456)3*1334=4002 (4000).

Hatten die Erbauer einen Ausgleich durch die beiden zen-tralen Kreisgruppen, die bei der Berechnung des Tagespro-duktes nicht berücksichtigt werden43, vorgesehen – im

41 Im Anhang IV (– Weitere Berechnungen an den Trundholm-Scheiben –) werden die Teiler 1334*247 sowie 1334/247 und10*1334/247 und ihre mögliche Problematik untersucht.

42 Dieses ist im Übrigen die ‚fiktive‘ Scheibe, die wir unserenScheibeningenieur im gleichnamigen Abschnitt haben konstru-ieren lassen.

43 S. Anm. 16. Die ‚Zentralen Kreisgruppen‘ werden hier als ‚Fo-kus‘ des Gesamtgebildes des Trundholm-Diskus gesehen, indem alle Zahlen kulminieren – größer als alle anderen, aberohne eigene ‚mathematische Potenz‘. Sie entsprechen den teilserheblichen Mitteldornen bei den Gürtelscheiben.

TP3

143 × 123 × 10

TP × 1003

… nach Jahr und Tag – Bemerkungen über die Trundholm-Scheiben 233

Sinne von: Füge zu beiden Tagesprodukten 2 hinzu? Wirlassen das an dieser Stelle offen.

Wir sind etwas überrascht. Oben hatten wir die Vorder-seite visuell (Abschnitt – Die Konzepte –) als Sonnenscheibeund mathematisch (Abschnitt – Die Kardinalzahlen – f.) alseine Sonnenscheibe mit Mondanteilen identifiziert. DieRückseite schien eine reine Mondscheibe zu sein. Die Rech-nungen offenbaren jetzt das Gegenteil: Die Rückseite isteine Sonnenscheibe, die Vorderseite ist eine Mondscheibe.

Tagesprodukt-Vorderseite: 14 mal Mondzahl (247)Tagesprodukt-Rückseite: 3 mal Sonnenzahl (1334)

Der ‚Fokus‘ der Gürtelscheiben besteht aus einem kräftigen,senkrecht empor stehenden Dorn, der für die Errechnung derTagesprodukte ebenfalls keine Bedeutung hat. Neben der äs-thetischen Wirkung dürfte der Dorn der Gürtelscheiben auchaus tektonischen und gusstechnischen Gründen (hier sitzt derGusstrichter an) herausgebildet worden sein. Dorn und ‚Re-chenzonen‘ sind regelhaft durch ringförmige Zonengliederun-gen abgesetzt. Die betreffenden Zonengliederungen beinhaltenzumeist Leiterbänder. Leiterbänder weist auch die Innengliede-rung der zentralen Kreisgruppen in Trundholm auf (Abb. 7). InSkåne (Abb. 10.1) und Källstorp setzt unmittelbar an der Basisdes steilen Dornes das Sternenmuster an, das in die Rechenope-rationen eingebunden wird. Stern und Dorn besitzen keine Zo-nentrennung.Die zentralen Kreisgruppen der Trundholm-Scheiben besetzendie Position, die der Dorn an den Gürtelscheiben einnimmt.Wären sie als Dorn ausgeführt worden, hätte dies die Ästhetikdes Trundholm-Gebildes erheblich gestört.Hier drängt sich die Frage auf, warum die zentralen – größerals alle anderen gestalteten – Kreisgruppen beider Seiten derTrundholm-Scheiben nicht in die Rechenoperationen einbezo-gen werden. Dieser Konflikt kann nur über den Nachweis derSinnfälligkeit dieses Elementes in der auf den Scheiben hinter-legten Mathematik gelöst werden.Umfangreiche Analysen unter Einbezug und Weglassung des inFrage stehenden Zählelementes haben ergeben, dass es nurSinn macht, es einzubeziehen, wenn der ‚Ingenieur‘ der Schei-ben beabsichtigt hätte, auf beiden Seiten die gleiche Mengedarzustellen. Hierzu mehr im Abschnitt – Zurück zu den Wur-zeln –. Auch K. Randsborg legt systematische Alternativrech-nungen vor (Randsborg/Christensen 2006, 63; 101ff.). DieWerte, die man durch Weglassen der ‚Zentralen Kreisgruppen‘erhält, sind mathematisch wesentlich komplexer – wie wir ge-sehen haben – als die, die man bei Berücksichtigung erhält. Sospricht alles für die Weglassung der ‚Zentralen Kreisgruppen‘bei den arithmetischen Operationen. Es wurden auch umfang-reiche Analysen unter Berücksichtigung der unterschiedlichenKreisanzahl der konzentrisch gestaffelten Kreiselemente(Abb. 7) durchgeführt. Doch dieses Abrücken von der Unärko-dierung, auf die wir uns festgelegt haben, führte zu keinenplausiblen Zahlenverhältnissen.Dass die zentralen Kreisgruppen von einem Ring aus acht klei-neren Kreisgruppen umlagert werden und den derart ver-ursachten ‚horror vacui‘ im Zentrum der Scheiben gewisser-maßen ausfüllen, unterstützt die Annahme, dass es sich ummathematisch ‚neutrale‘ Stellvertreter der Dorne an Gürtel-scheiben handelt.Zu den zentralen Kreisgruppen bemerkt K. Randsborg: „Inci-dentally, the central ornament of the central decorative zone onthe disc of the Sun-chariot – almost a small Sun in itself – ismirrored in the two ‚shining‘ eyes of the horse.“ Randsborg/Christensen 2006, 68.

Wir wollten das mathematische Konstrukt im Dekor derTrundholm-Scheiben transparent machen. Hier die Ergeb-nisse in Stichworten:

A) Die ‚Kardinalzahlen‘ 27 und 25 gehen mit der visuel-len Einschätzung der jeweiligen Seite einher. Die Vorder-seite ist eine Sonnenscheibe; die Rückseite ist eine Mond-scheibe.

B) Die Zonenbelegung besagt, dass die Vorderseite eineKombination aus Sonne und Mond ist; die Rückseite isteine reine Mondscheibe.

C) In der Kombination beider Scheiben zeigt sich, dassdie ‚Kardinalzahlen‘ ambivalent sind. Sie sind Mittler zwi-schen Sonne und Mond. Ihr Verhältnis zueinander ent-spricht dem Verhältnis des synodischen zum siderischenZyklus. Als Folge davon ist der Meton-Zyklus ableitbar.

D) Die ‚Kennzahlen‘ für Sonne und Mond – 1334 und247 – als Teiler eingesetzt, drehen die Verhältnisse um. Ausder Vorderseite wird eine Mondscheibe; aus der Rückseitewird eine Sonnenscheibe.

Im Dekor der Scheiben wird eine multiple Botschaft ver-schlüsselt. Es sei dahingestellt, ob sich die Urheber allerAspekte um die erwähnten Näherungsformeln bewusst wa-ren (Abschnitte: – Die Belegung der Zonen – und – DieKombination der Scheiben –).

Die Verschmelzung von Sonne und Mond auf beidenScheiben ist komplett. Wie können wir die Ambivalenz vonVorderseite und Rückseite interpretieren?

Nächtliche Sonne – täglicher Mond

Die Schöpfer des Trundholm-Diskus haben offenbar aus-drücken wollen, dass die Vorderseite sowohl eine Sonnen-als auch eine Mondscheibe ist – und umgekehrt – dass dieRückseite sowohl eine Mond- als auch eine Sonnenscheibeist. Die Vorderseite bildet die Sonne und den Mond ab. DieRückseite bildet den Mond und die Sonne ab. Es findet eineVereinigung statt. Diese geht weit über die inhaltliche Aus-sage des Meton-Zyklus’ hinaus, die lediglich die übergeord-nete Periodizität ausdrückt, der Sonne und Mond gemein-sam unterliegen.

Von der Erde aus gesehen erscheint dem Menschen dervolle Mond so groß wie die Sonne. Der Mensch nimmtbeide Gestirne in annähernd gleicher Größe wahr, weil –durch einen kosmischen Zufall bedingt – Entfernung undGröße von Sonne und Mond in einem reziproken Verhält-nis stehen. Bei einer totalen Sonnenfinsternis, wenn derMond die Sonne gänzlich überdeckt, zeigt sich dieses Grö-ßenverhältnis auf spektakuläre Weise. Alles dieses mag zurgedanklichen Verknüpfung beider Gestirne und ihrer Mys-tifikation beigetragen haben.

Für diese Mystifikation – auf die Trundholm-Rückseitebezogen – werden in der jüngeren einschlägigen LiteraturMetaphern herangezogen: „Nachtsonne“, „Reise derSonne bei Nacht im erloschenen, nicht strahlenden Zu-stand“, „Wanderung der Sonne durch die unheimliche Un-

234 Christoph Sommerfeld

terwelt während der Nacht“44, „nächtliche und unsichtbareReise der Sonne“45, „stumpfe, nicht sichtbare, aber dochvorhandene Sonne während der Nacht“46.

In unserer Vorstellungswelt von der des Bronzezeitlers –das drücken die Umschreibungen aus – ist der Mond die‚nächtliche Sonne‘.

Der Mond als ‚nächtliche Sonne‘ ist kein Folgerungsfeh-ler. Die Redefigur wirkt nur etwas hölzern, weil sie unseremmodernen Wissen von zwei unterschiedlichen kosmischenKörpern entgegensteht.

Sonne und Mond gelten dem Nordischen Bronzezeitlerals Erscheinungsbild eines und desselben in seinem Rhyth-mus nach Jahr und Tag erkannten, zum Gott erhobenenHimmelskörpers. Dieser zeigt sich in Form des Dimorphis-mus – dem Auftreten zweier verschieden gestalteter Formenbei einer Art. Die zur Einheit gewordene Zweiheit verkör-pert entgegengesetzte und gleichzeitig einander gleichge-stellte Seinsbereiche: Tag und Nacht, Sonne und Mond –das Mysterium des Lichtwechsels.

Man versuche sich folgendes vorzustellen: Es gibt dieSonne nicht und auch nicht den Mond (in unseren Köpfen).Wohl sehen wir beide kosmischen Körper am Himmel.Aber sie besitzen für uns keine Eigennamen. Wir nehmensie wahr als ein Wesen, dessen Rhythmen von Lauf und Ge-stalt wir ergründen und erkennen. Beide zusammen heißensie (bspw.) „Bubbob“47.

In dieser ‚Kopfakrobatik‘ steckt der Schlüssel zum Ver-ständnis des Nordischen Götterglaubens. Sonne und Mondwerden als eine Wesenheit empfunden. Wir können diesenGedanken jetzt mathematisch nachvollziehen. Folgerichtigist der Mond die ‚nächtliche Sonne‘ und die Sonne ist der‚tägliche Mond‘. Beide sind eins48. Die Mathematik sagtdieses unmissverständlich aus.

44 Kaul 2003, 36; 39; ders. 2004, 56.45 Ders. 1998, 34 äußert sich zum lunaren Hintergrund der Rück-

seite (transkribiert aus dem Englischen): „Der Sonnenwagen istso konzipiert, dass er für Rituale verwendet werden konnte, diemit beiden – Tag und Nacht – in Verbindung stehen. Mankönnte annehmen, dass die dunkle, nicht goldbedeckte Seitedie weniger hell leuchtende Mondreise über den Himmel re-präsentiere. Aber wenn wir der religiösen ‚Logik‘ folgen, stellenwir fest, dass dies kaum der Fall sein kann, weil der sichtbareWeg des Mondes wie der der Sonne immer von links nachrechts führt. Im Übrigen scheint es begründet zu sein, dasses derselbe himmlische Körper ist, der auf beiden Seiten derScheibe erscheint, weil es – natürlich – ein und dieselbe Scheibeist. Nur die nächtliche und unsichtbare Reise der Sonne kanneine Erklärung für die Fahrt des Wagens nach links liefern“.

46 B. Hänsel: http://www.elfenbeinturm.net/archiv/2003/04.html47 ‚Bubbob‘ ist ein Phantasiename für beide Himmelskörper in

einem. Er klingt onomatopoetisch und birgt in seinen Vokalendie Symbole von Mond und Sonne – Halbkreis und Kreis (s.Anm. 27).Verfasser hat diese Gedanken bereits auf dem Hallenser Kon-gress – Griff nach den Sternen (Anm. 6) geäußert, ohne damalsdie geringste Vorstellung von der mathematischen Potenz derZahlenrhythmen im Dekor der Trundholm-Scheiben gehabt zuhaben.

48 Dieses ist mehr als ein Wortspiel. Der Mond ist – über das Jahrgesehen – am Tage erheblich länger zu beobachten als bei

Das Trundholm-Gespann ist die unübertreffliche Verkör-perung dieses Verständnisses – der Primus Ohnegleichen.

Zurück zu den Wurzeln

Die ‚Verschmelzung‘ von Sonne und Mond wird auchdurch folgende mathematische Betrachtungen von Vorder-und Rückseite unterstützt:

SonnenjahrAddiert man zu den ‚Kardinalzahlen‘ beider Seiten 1 und

dividiert das Ergebnis durch 2, erhält man:

(25 + 1)/2 = 13 und(27 + 1)/2 = 14.

Geht man von der oben abgeleiteten Verschmelzung vonVorder- und Rückseite aus, so ist diese Rechenoperation be-rechtigt. Beide Scheiben stellen als Kombination etwasGanzes dar, eine Scheibe nur etwas Halbes (zu unterschei-den vom mathematischen Begriff ‚die Hälfte‘). Der Sum-mand 1 wird durch das zentrale Element in den Scheiben-mitten repräsentiert (Abb. 7 u. Anm. 43).

Durch Addition der Quadrate beider Terme ergibt sich:

((25+1)/2)^2 + ((27+1)/2)^2 = 365

oder 13^2 + 14^2 = 365.

Die Summe der Quadrate der Hälfte der um den Sum-manden 1 erhöhten Kardinalzahlen beider Einzelscheibengibt das Sonnenjahr als Ganzzahl wieder. Vereinfacht aus-gedrückt: Vorderseite + Rückseite = 1 Sonnenjahr.

Es handelt sich wieder um einen Ausdruck, der sich ausder Summe von Potenzen zusammensetzt und mnemotech-nisch geeignet ist (Abschnitt – Der Kern der Trundholm-Mathematik). Ebenfalls nimmt die Gleichung die Zählungvon 13 synodischen und 14 siderischen Abfolgen (= 27;Mondsprung) bei der geschilderten Beobachtung des Me-ton-Zyklus’ auf (Abb. 12 und Anhang II, Tab. 1).

MondjahrSubtrahiert man von den Kardinalzahlen beider Seiten 1

und dividiert das Ergebnis durch 2, erhält man:

(25 – 1)/2 = 12 und(27 – 1)/2 = 13.

Das Mondjahr kann dargestellt werden durch:

Nacht. Wir sehen am Tage also häufig die ‚nächtliche Sonne‘(wahrer Mond) und die ‚tägliche Sonne‘ (wahre Sonne) gemein-sam. In der Ruhezeit der Nacht vereinigen sie sich, denn Sonneund Mond gehören zusammen. In den Dämmerungen gehenTag und Nacht ineinander über. Dieses sind die Spannen, in de-nen sich die Vereinigung bzw. die Trennung vollzieht.

… nach Jahr und Tag – Bemerkungen über die Trundholm-Scheiben 235

12^2 + 13^2 + 12 + 13 + 8 + 8 = 354.

Dies ist die Summe aus den Quadraten der Hälfte der um1 verminderten Kardinalzahlen und aus der Hälfte der um 1verminderten Kardinalzahlen und der Summe der Elementebeider Scheiben in Zone 149.

Wir fassen diesen Sachverhalt in eine übersichtlichere Form:

12^2 + 13^2 ist die Summe der quadrierten Elemente,abgeleitet aus den Kardinalzahlen 25 und 27.

12 + 13 ist die Summe der nicht quadrierten Elemente,abgeleitet aus den Kardinalzahlen 25 und 27.

8 + 8 ist die Summe der Elemente in Zone 1 beider Seiten.

Es handelt sich wieder um einen Ausdruck, der sich ausPotenzen und Summen zusammensetzt und mnemotech-nisch geeignet ist. Ebenfalls nimmt die Gleichung die Zäh-lung von 12 synodischen und 13 siderischen Abfolgen (=25) bei der geschilderten Beobachtung des Meton-Zyklus’auf (Abb. 12 und Anhang II, Tab. 1).

Diese Übersicht ist unter dem Aspekt mnemotechnischerUmsetzung in Tonfolgen angeführt (vgl. oben – Der Kernder Trundholm-Mathematik –).

PaarbildungOhne Berücksichtigung der Paarbildung beträgt die

Summe aller Elemente auf der Vorderseite 52, auf der Rück-seite 54. (1 + 8 + 16 + 27 = 52; 1 + 8 + 20 + 25 = 54)50.

Berücksichtigt man die Paarbildung, ergibt sich auf bei-den Seiten als Summe aller Elemente derselbe Wert: 44. (1 +8 + 8 + 27 = 44; 1 + 8 + 10 + 25 = 44).

Über die Paarbildung werden beide Scheiben ‚gleich‘ ge-wertet. Schlingband und Schwellband, die die Kreisgruppenbzw. die Wendespiralen in den Zonen 2 paarig bündeln

49 Ein Satzungetüm, aber so klingt es, wenn man mathematischeGleichungen verbalisiert.

50 Dieses wurde schon von K. Randsborg festgestellt und mit 52 so-laren Wochen, denen 54 lunare Wochen entsprechen, in Zusam-menhang gebracht (Randsborg/Christensen 2006, 68; 101).

Das Sonnenjahr kann dargestellt werden durch:13^2 + 14^2 = 365oder:13 × 13 + 14 × 14oder:13 + 13 + 13 + 13 + 13 + 13 + 13 + 13 + 13 + 13 + 13 + 13 + 13 +14 + 14 + 14 + 14 + 14 + 14 + 14 + 14 + 14 + 14 + 14 + 14 + 14 + 14

Das Mondjahr kann dargestellt werden durch:12^2 + 13^2 + 12 + 13 + 8 + 8 = 354oder:12 × 12 + 13 × 13 + 12 + 13 + 8 + 8oder:12 + 12 + 12 + 12 + 12 + 12 + 12 + 12 + 12 + 12 + 12 + 12 +13 + 13 + 13 + 13 + 13 + 13 + 13 + 13 + 13 + 13 + 13 + 13 + 13+12 + 13 + 8 + 8

(Abschnitt – Die Konzepte –; Abb. 8), erweisen sich alssinnreiche und zugleich stilvolle gestalterische Motive.

Wir fassen vereinfacht zusammen: Die Addition von Ele-menten beider Seiten des Trundholm-Diskus ergibt sowohldie Zahl 365 (Repräsentation des Sonnenjahres als Ganz-zahl) als auch die Zahl 354 (Repräsentation des Mondjah-res als Ganzzahl). Erneut zeigt sich die Doppelscheibe alsMond-Sonne-Einheit. Das gestalterische Motiv der Paarbil-dung dient dazu, die Gleichwertigkeit beider Scheiben aus-zudrücken.

Wir verneigen uns ein weiteres Mal vor dem großartigenGebilde des Trundholm-Wagens und seinen Erbauern. DasKonstrukt ist ein wahres Meisterwerk multipler Aussagen.

Summa summarum

Was verbirgt sich in den im Dekor des Nordischen Stilshinterlegten astro-mathematischen Bezügen? Die Mittei-lungen sind die Bekundung der sehr genauen Kenntnisse derDauer von Sonnenjahr und Mondjahr und deren zyklischerBeständigkeit. Nicht mehr und nicht weniger. Diese Kennt-nisse werden in immer wieder abgewandelten Sinngebun-gen kundgetan – in Form der ‚Hinterlegung‘ taggenauerVerschlüsselung sinnvoller Anzahlen von Mondumläufenbis hin zum Meton-Zyklus, der übergeordneten Periodizitätbeider. Im Meton-Zyklus schließt sich der Kreis. Seine Dar-stellung drückt die Gotteserkenntnis aus.

Diese Hinterlegungen sind das Resultat genauer Beob-achtungen der Gestirne. Die Ursprünge dieser Beobachtun-gen darf man sicherlich schon in der Steinzeit vermuten.Zur Bronzezeit gelingt es nun, den Kern dieser ‚Wissen-schaft‘ zu bündeln und mitzuteilen. Dieses Wissen könnenwir in den Gürtelbronzen nachvollziehen und sogar mathe-matisch belegen. Wie und wo auch immer der Ausgangs-punkt gewesen sein mag: Die den ‚Mitteilungen‘ innewoh-nende Kraft und ihre Bedeutung strahlen aus. Siebeeinflussen die Ornamentik einer ganzen Epoche. Das De-korelement ‚Kreisbuckel‘ mit seinen Spielarten beherrschtnicht nur die Ornamentik des Nordischen Kreises. Dortaber erfährt das ‚Bekenntnis‘ in Gestalt des Trundholm-Ge-spanns seine höchste Vollendung: „Ich habe meinen Gotterkannt. Ich anerkenne seine Gestalt, ich anerkenne seinenWeg, ich anerkenne sein Gleichmaß. Ich füge mich.“

Es gibt Berufenere als Verfasser, dieses Credo – gewonnenaus dem Mysterium des Lichtwechsels – theologisch auszu-legen.

Nachklang

Der erweiterte ‚Kosmos‘, der sich uns erschlossen hat,regt an zu erweiterten Fragestellungen und erneuten Hin-terfragungen alter Quellen.

Die ‚Ships on Bronzes‘51, durch die F. Kaul den ‚Mythosvon der Reise der Sonne‘ neuerlich erschlossen hat, legen

51 Kaul, 1998; ders. 2003.

236 Christoph Sommerfeld

dar, dass eine gute Chance besteht, sich dem Schöpfungs-mythos des Nordischen Bronzezeitlers über die Ikonogra-phie zu nähern. Die Bildersprache der Spätbronzezeit lehrtuns eindringlich, dass diese schlicht und gradlinig aufzu-fassen ist. Was auf den Rasiermessern und deren Derivatendargestellt wird, ist unverfälscht und körperhaft – ein ge-treues Abbild der Vorstellungswelt. Kühl und abstrakt da-gegen erscheint das Trundholm-Gespann mit seinem Schei-benpaar. Das Gesamtgebilde führt das nämliche Thema wiedie Rasiermesser vor. Im Dekor der Scheiben aber ist die in-haltliche Formel bis zur Unkenntlichkeit verschlüsselt undnur dem Eingeweihten verständlich.

Für die Spätbronzezeit besitzen wir mit den ‚Goldhü-ten‘52 im ‚paneuropäischen‘ Zusammenhang eindrucksvolleZeugnisse des Wissens um den Lauf der Gestirne. Wir dür-fen davon ausgehen, dass – wie auf den Scheibenobjektendes Nordischen Kreises – auch auf den Goldhüten die sehrgenaue Kenntnis der Himmelsmechanik von Sonne undMond verschlüsselt dargestellt wird und wiederum nur Ein-geweihten erschließbar gewesen ist. Denn eines ist klar, dasgenaue Wissen um die Zyklen von Sonne und Mond ist zurSpätbronzezeit nicht verloren gegangen. Es umfasst nachwie vor die ‚Gotteserkenntnis‘. Die Schilde vom Bullenhei-mer Berg deuten dieses an. Möglicherweise können neuearithmetische Ansätze dazu beitragen, den ‚Code‘ der Gold-hüte aufzuschlüsseln.

In diesem Zusammenhang müssen auch die sog. ‚Sichel-marken‘53 erwähnt werden. Träger dieser Marken sind dieBronze-Sicheln. Es ist ein auffälliger Befund, dass die bron-zene Sichel erst zu Beginn der Urnenfelderzeit erscheint,dann allerdings vehement und europaweit. Hortfunde sinddas Medium der Sicheln. Die Initiation der Sichel vollziehtsich im Hintergrund von Massenfunden. Das Symbolgut‚Sichel‘ löst das Symbolgut ‚Beil‘ in den Horten ab. In Mit-teldeutschland sind Knopfsicheln vom Typus Franklebenmit Sichelmarken versehen. Strichförmige und zeichenför-mige Markierungen bilden ein System, das einer stringentangewandten Syntax unterliegt. Es handelt sich wohl umein kombiniertes Zähl- und Begriffssystem, welches aus-schließlich mit der Bronzesichel in Beziehung steht. Viel-leicht reflektiert das Markensystem Bedeutungsinhalte undDarbringungsmotive der Sichel, die in den Horten als ‚Gabean die Götter‘ verstanden werden muss. Das Gestaltungs-motiv der Bronzesichel findet seine Entsprechung in der‚Gestaltheiligkeit‘ des Sichelmondes am Himmel. Die Syste-matik und Funktion der Sichelmarken gilt es, im Hinblickauf arithmetische Aufschlüsse zu überdenken.

52 Einen Überblick mit ausführlicher Literatur bietet W. Menghin2003, 221ff. Ders. in: Acta Praehist. et Arch. 40, 2008,157–169.

53 Sommerfeld 1994, bes. 207ff. – Zu den Markierungen aufZungensicheln siehe: B. Wanzek, Zur Syntax der Musterauf Griffzungensicheln im bronzezeitlichen Südosteuropa.http://www.archaeology.ro/bwan.htm; C. Jahn, Bronzezeit-liche Zeichensysteme – dargestellt am Beispiel der europäi-schen Zungensicheln. Diss. FU Berlin.

Neue Erkenntnisse erlauben es, alte Quellen erneut zuhinterfragen. Suchen wir nach historischen Quellen, dieeinen Olympischen Gott mit dem 19-jährigen Sonne-MondRhythmus in Verbindung bringen, werden wir bei Diodorfündig. Des bequemen Zugangs halber sei hier das betref-fende Kapitel zitiert54. Diese Textpassage ist häufig ange-führt und dabei lebhaft strapaziert worden, um das Landder Hyperboreer zu lokalisieren.

Verfasser ist sich dieser Problematik bewusst. Dennoch seies gestattet, anhand des Diodor Zitates, einige Denkanreizeim Zusammenhang mit behandelten himmelskundlichen Be-obachtungen anzuführen – nicht zuletzt um nach der vielenMathematik ein phantasievolles Ende zu finden.

54 Diodor: 2. Buch, Kapitel 47 – Hyperboräer. LangenscheidtscheBibliothek sämtlicher griechischer und römischer Klassiker,Bd. 29. Diodor. Diodor’s von Sicilien Geschichts-Bibliothek2. Buch (Stuttgart 1867), 62ff. (übersetzt von A. Wahrmund):„47. Da wir nun schon die gegen Norden liegenden TheileAsiens erwähnt haben, so halten wir es nicht für unpassend, dieSagen von den Hyperboreern zu erzählen. – Von denen, wel-che die alte Sagengeschichte verzeichnet haben, berichten näm-lich Hekatäos [… 89)] und einige andere, dass in der Gegendjenseits des Keltenlandes eine Insel im Ocean liege, nicht klei-ner als Sizilien. – Dieselbe liege gegen Norden hin und werdevon den Hyperboreern (Übernördlichen) bewohnt, die so ge-nannt würden, weil sie noch jenseits des Striches wohnen, vonwo der Boreas (Nordwind) herbläst. Die Insel habe guten Bo-den und sei fruchtbar, und das Klima so günstig, daß jährlichzwei Ernten stattfinden. – Auf dieser Insel soll Leto geborensein, weshalb denn auch Apollo vor allen Göttern am meistendort verehrt werde, und die Einwohner seien gleichsam alsPriester des Apollo zu betrachten, weil dieser Gott Jahr ausJahr ein Tag für Tag von ihnen mit Lobgesang gepriesen undganz ausnehmend verehrt werde. Auch ein herrlicher Haindes Apollo sei auf dieser Insel und ein berühmter Tempel, mitvielen Weihegeschenken geschmückt und von kugelrunder Ge-stalt [… 90)]. – Selbst eine diesem Gott geweihte Stadt gebe esdaselbst, und die Mehrzahl ihrer Einwohner seien Zitherspielerund säßen immer im Tempel, mit Zitherspiel und Gesang denGott lobpreisend und seine Thaten verherrlichend. – Diese Hy-perboreer sollen eine besondere Sprache haben und den Helle-nen sehr freundlich gesinnt sein, insbesondere aber den Athe-nern und Deliern [… 91)], und dies Wohlwollen soll schon ausalter Zeit herstammen. – Auch seien einige Hellenen in dasLand der Hyperboreer gekommen und hätten daselbst kostbareWeihegeschenke zurückgelassen mit hellenischen Aufschrif-ten. – Desgleichen sei auch vor alter Zeit ein Hyperboreer desNamens Abaris nach Hellas gekommen [… 92)] und habeFreundschaft und Verwandtschaft mit den Deliern erneuert. –Von jener Insel soll der Mond nur in einer sehr geringen Entfer-nung von der Erde erscheinen und ganz deutlich sichtbareErhöhungen wie die Erde zeigen. – Immer nach je neunzehnJahren soll der Gott selber die Insel besuchen, in welchem Zeit-raum auch die Gestirne immer wieder in dieselbe Stellungzurückkehren, weshalb denn auch bei den Helenen ein neun-zehnjähriger Zeitraum das Jahr des Meton genannt werde[… 93)]. – Wenn der Gott aber daselbst erscheine, so spiele undtanze er alle Nächte hindurch von der Frühlingsnachtgleiche anbis zum Frühaufgang der Plejaden, indem er seiner eigenen Sie-gesthaten sich im Liede erfreut. Die Könige jener Stadt, zu-gleich auch die Aufseher des heiligen Haines, sollen Boreadenheißen, als Nachkommen des Boreas [… 94)], und unter ihnenvererbe sich die Herrschaft von Geschlecht zu Geschlecht.“

… nach Jahr und Tag – Bemerkungen über die Trundholm-Scheiben 237

Wenn es bei Diodor heißt „… von jener Insel soll derMond nur in einer sehr geringen Entfernung von der Erdeerscheinen und ganz deutlich sichtbare Erhöhungen wie dieErde zeigen …“, dann heißt das nichts anderes, als dass dieEinwohner den Mond sehr genau beobachtet haben.

Betrachten wir die ‚Verwandtschaftsverhältnisse‘ desGottes des Lichtes – Apollon –, stellen wir fest, dass seineZwillingsschwester – Artemis – die Mondgöttin ist. Der Va-ter ist Zeus, die Mutter ist dessen Geliebte Leto, eine gebür-tige Hyperboreerin. Deshalb zieht es Apollon alle 19 Jahrewieder in die Heimat seiner Mutter zurück.

Und wir ahnen, wo Abaris begraben liegt …

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Abbildungsnachweis

Abb. 1–8, 12: Verfasser; Abb. 9: Foto J. Lipták, München; Abb. 10,1:Randsborg/Christensen 2006, 76, Fig. 31; 10,2: Randsborg/Christensen 2006, 82, Fig. 3; 10,3: Schwantes 1939, Taf. 52,Abb. 562; Abb. 11: Montage nach Gebhard 2003, Abb. 2.

Dr. Christoph Sommerfeld, An den Eichen 48, 24248 Mönkeberg

238 Christoph Sommerfeld

Anhang I

I. Herkunft der Näherungsgleichungen

A) Ganzahlige VielfacheMan erstellt – dies gelingt am Computer leicht mit einem

Tabellenkalkulationsprogramm – eine Tabelle für die astro-nomischen Größen Lu, MJ, SJ, SJ/Lu. Es werden jeweils dieWerte für die Quadratwurzel, Kubikwurzel und den Kehr-wert der Quadratwurzel errechnet. Im nächsten Schritt er-mittelt man ganzzahlige Vielfache dieser Werte, man wähltzum Beispiel den Bereich 1 bis 30. In dieser Tabelle suchtman nun diejenigen Werte der Vielfachen, die möglichst nahean einer Ganzzahl liegen. Wir verzichten hier auf die platz-raubende tabellarische Darstellung; dafür drei Beispiele:

Man findet 9*Wurzel(SJ) = 172,001279.Dann ist 172/9 eine gute Annäherung an Wurzel(SJ).

Man findet 11*Kubikwurzel(Lu) = 34,000124.Dann ist 34/11 eine sehr gute Annäherung an Kubikwur-

zel(Lu).

Man findet 27*Kubikwurzel(SJ) = 193.Dann ist 193/27 eine sehr gute Annäherung an Kubik-

wurzel(SJ).Zur Ergänzung: 27 = 193/SJ^(1/3) oder SJ = (193/27)^3.

Man kann diese Gleichung auf der Trundholm-Vorderseiteentdecken, wenn man die Zonenbelegung wie folgtschreibt: 27 + 8 + 8 + 8 + 1. (Zone 3 + Zone 2 [Paarbildung]+ Zone 1 + zentrale Kreisgruppe). Quadriert man die Sum-manden außer der 27 und bildet die Summe, erhält man193. 8^2 + 8^2 + 8^2 + 1^2 = 193. 193/27 = SJ^(1/3).

B) NäherungsgleichungenZusätzlich fand Verf. empirisch einige weitere Nähe-

rungsformeln für wichtige astronomische Kennzahlen.Beispiele:

MJ^3/247^3 = Lu/10

Die Gleichung liefert eine Beziehung zwischen MJ/Luund der „Mondzahl“ 247. Nach dieser Näherungsglei-

chung hat Lu den Wert 29,529. Ersetzt man in dieser Glei-chung das MJ durch 12*Lu, erhält man:

247^3 = Lu^2*10*12^3oderLu = Wurzel(247^3/(10*12^3))

Die Näherunsgleichung

SJ = Wurzel((MJ^3)/1334))*2

stellt eine Beziehung zwischen SJ und MJ unter Verwen-dung der „Sonnenzahl“ 1334 her.

Nach dieser Gleichung hat SJ den Wert 365,2743.

Die Näherungsgleichung

(2/10)*MJ^3 = 27*247*1334

beschreibt den Zusammenhang zwischen MJ und SJ undumfasst die „Mondzahl“ 247 und die „Sonnenzahl“ 1334.

Für die Zahlen 25 und 27 (‚Kardinalzahlen‘ auf den Trund-holm-Scheiben) fanden sich folgende Näherungsformeln:

MJ^3/1334^2 = 25 (genauer Wert gerundet: 25,0062)MJ^3*2/(10*247*1334) = 27 (genauer Wert gerundet:

27,0092).

C) Ersatz der Potenzausdrücke durch Näherungsbrücheoder Ganzzahlen

In nachfolgender Tabelle wird gezeigt, durch welcheNäherungsbrüche (Zahlenverhältnisse) oder Ganzzahleneinige im Text verwendete mathematische Terme ersetztwerden können (Spalte Näherung). In der Spalte ‚Wert‘ istder Dezimalbruch aufgeführt. Die Spalte ‚Wert Näherung‘erlaubt den Vergleich mit dem exakten Wert (Spalte ‚Wert‘).Aus der Spalte ‚% Abw. vom Wert‘ lässt sich die prozen-tuale Abweichung ablesen. In den beiden letzten Zeilen derTabelle erkennt man, dass sich die Genauigkeit einer Nähe-rung erhöhen kann, wenn man höhere Ganzzahlen für dieZahlenverhältnisse wählt (320 : 51 statt 69 : 11).

Ersatz der Potenzausdrücke durch Näherungsbrüche oder Ganzzahlen

Term Wert Näherung Wert Näherung % Abw. vom Wert

(10*Lu^2)^1/3) 20,58301377 247/12 20,5833333 0,001552546

Lu^(1/3) 3,090920363 34/11 3,09090909 -0,000364676

Wurzel(SJ) 19,11125323 172/9 19,1111111 -0,000743637

Wurzel(1334) 36,52396474 767/21 36,5238095 -0,000424958

Wurzel(Lu) 5,434151268 125/23 5,43478261 0,011618024

SJ^(1/3) 7,148135527 193/27 7,14814815 0,000176565

SJ^2 133400,2576 133400 133400 -0,000193103

Lu^2 872,0209 872 872 -0,002396732

MJ^2 125571,0096 125571 125571 -7,64508E-06

247^(1/3) 6,274305357 69/11 6,27272727 -0,025151544

247^(1/3) 6,274305357 320/51 6,2745098 0,003258472

… nach Jahr und Tag – Bemerkungen über die Trundholm-Scheiben 239

Anhang II

Tab. 1. Die synodischen und siderischen Umläufe sind korrekt beobachtet, wenn die Differenz der Summe der siderischen und dersynodischen Zählung dem jeweils laufenden Beobachtungsjahr entspricht.

365,242 29,53 27,32

lfd. Tage Sonnenjahr synod. Tage synod. Umläufe sider. Tage sider. Umläufe Umläufe/Jahr Diff./Tage sid. – syn.

0,000 Beginn 0,00 0 0,00 0 0,00

12 13 25

365,242 1 354,37 12 355,18 13 0,81

13 14 27

730,484 2 738,26 25 737,68 27 -0,58

12 13 25

1095,727 3 1092,63 37 1092,87 40 0,23

12 13 25

1460,969 4 1447,00 49 1448,05 53 1,05

13 14 27

1826,211 5 1830,90 62 1830,55 67 -0,35

12 13 25

2191,453 6 2185,26 74 2185,73 80 0,47

13 14 27

2556,695 7 2569,16 87 2568,24 94 -0,93

12 13 25

2921,938 8 2923,53 99 2923,42 107 -0,11

12 13 25

3287,180 9 3277,90 111 3278,60 120 0,70

13 14 27

3652,422 10 3661,79 124 3661,10 134 -0,69

12 13 25

4017,664 11 4016,16 136 4016,28 147 0,12

12 13 25

4382,906 12 4370,53 148 4371,47 160 0,94

13 14 27

4748,149 13 4754,42 161 4753,97 174 -0,46

12 13 25

5113,391 14 5108,79 173 5109,15 187 0,36

12 13 25

5478,633 15 5463,16 185 5464,33 200 1,17

13 14 27

5843,875 16 5847,06 198 5846,84 214 -0,22

12 13 25

6209,117 17 6201,42 210 6202,02 227 0,59

13 14 27

6574,360 18 6585,32 223 6584,52 241 -0,80

12 13 25

6939,602 19 6939,69 235 6939,70 254 0,01

240 Christoph Sommerfeld

Anhang III

Nachweis der Scheibenobjekte

Kartierung der dänischen Bronzen: Randsborg/Christensen 2006, 77, Fig. 32.

Fundort Literatur (AK*) Zonenangabe nachR/C* 2006, Seite:

Fjelsted, Odense Amt AK III 1917 108

Frankerup (A), Sorø Amt AK II 1173 108

Frankerup (B), Sorø Amt AK II 1173 108

Gammel-Tappernøje, Præstø Amt AK II 1266) 104

Hesselager, Svendborg Amt AK III 2014a 108

Hesselagergård, Svendborg Amt AK III 2011b 105

Hohenwestedt, Lkr. Rendsburg-Eckernförde Schwantes 1939, Taf. 52 Abb. 562 (Hademarschen) unsere Abb. 10.3

Højby, Holbæk Amt AK II 845 103

Hverrehus, Viborg Amt Broholm 1943f./Vol. I, Grave 728 105; Abb. S. 73, Fig. 30

Jægersborg Hegn/Rundforbi, København Amt AK I 426 103

Jægersborg, København Amt AK I 371 103

Källstorp, Schonen (Oldeberg 1974, Nr. 420) ebd.

Kassemosehøj, København Amt AK I 532 79; Abb. S. 82, Fig. 33;(unsere Abb.10.2)

Kratholmgård, Odense Amt AK III 1846b 104

Langstrup, Frederiksborg Amt AK I 201) (Fig. 29) 102; Abb. S. 70 u. S. 71, Fig.29

Lavø (B), Frederiksborg Amt AK I 53 102

Lykkebjerggård/Vallekilde, Holbæk Amt AK II 884 103

Rye, Holbæk Amt AK II 669 103

Skagen/Råbjerg, Hjørring Amt National Museum Mdcccxxi 108

„Skåne“ (Schonen) Montelius 1917, No. 954 105; Abb. S. 76, Fig. 31(unsere Abb. 10.1)

Skydebjerg Lunger, Odense Amt AK III 1781 104

Sønderhå, Thisted Amt AK XI 5039A 105

Stockhult, Schonen Oldeberg 1974, Nr. 463 ebd.

Sværdborg (A), Præstø Amt AK II 1295 104

Sværdborg (B), Præstø Amt AK II 1295 108

Svenstrup (A), Sørø Amt AK II 1160 104

Svenstrup (B), Sørø Amt AK II 1160 104

Thorsted, Ringkøbing Amt AK X 4762 109

Trundholm (Rückseite), Holbæk Amt AK II 867 100

Trundholm (Vorderseite), Holbæk Amt AK II 867 100

Unbekannter Fundort/Dänemark National Museum B 2652 107

Vellinge (A), Odense Amt AK III 1868 108

Vellinge (B), Odense Amt AK III 1868 108

Vognserup, Holbæk Amt AK II 1043i 103

Vranum, Viborg Amt Broholm 1943f./Vol. I, Grab 695 109

Yggesbo, Hallstorp, Smaland Oldeberg 1974, Nr. 1775; ders. 1976, Abb. Nr. 3275 ebd.

*AK = Aner/Kersten,Bd., Nr. *Randsborg/Christensen 2006

… nach Jahr und Tag – Bemerkungen über die Trundholm-Scheiben 241

Anhang IV

Weitere Berechnungen an den Trundholm-Scheiben

‚Sonne-Mond-Teiler‘ (1334*10/247)Nachdem in dieser Studie immer wieder die Bedeutung

der ‚Kennzahlen‘ 1334 und 247 herausgearbeitet wurde,zuletzt im Abschnitt – Die Kennzahlen 1334 und 247 –,liegt es nahe, auch das Produkt oder den Quotienten derbeiden Kennzahlen als Teiler für das Tagesprodukt zu un-tersuchen.

Produkt: Wie bereits erwähnt, ist der Teiler 1334*247 imTagesprodukt der Sværdborg-Scheibe genau ein mal vertre-ten. Alle anderen Scheiben enthalten das Produkt der Kenn-zahlen nicht ganzzahlig.

Quotient: Den Quotienten nennen wir

‚Sonne-Mond-Teiler‘. Aus optischen Gründen wird der Tei-ler an dieser Stelle als Bruch dargestellt.

Der Quotient liefert bei vielen Scheiben, die in die Unter-suchung einbezogen wurden, ganzzahlige Ergebnisse, inzwei Fällen eine gute ganzzahlige Annäherung. Eine Über-sicht gibt nachfolgende Tabelle:

*in ‚Källstorp‘ liefert der Teiler 1334/247 die Ganzzahl 4725.

Bei der Trundholm-Vorderseite finden wir mit dem Wert64 ((247*3456)/(1334*10) = 64) eine besonders schöneFormel: 8 × 8 × Sonne-Mond-Teiler = 3456.

In Worten ausgedrückt: Zone 1 mal Zone 2 (8 Paare) mal‚Sonne-Mond-Teiler‘ = Tagesprodukt.

Anwendung des Sonne-Mond-Teilers (1334*10/247)

Fundort Tages-produkt

Zonen-belegung

Ergebnis

Frankerup A 4862 13, 17, 22 90,037037

Frankerup B 4320 12, 18, 20 80

Hohen-westedt

1890 9, 10, 21 35

Hesselager-gård

4862 11, 17, 26 90,037037

Hverrehus 8640 12, 24, 30 160

Källstorp * 25515 9, 9, 15, 21 472,5

Lykkebjerg-gård

6480 12, 18, 30 120

Rye 7452 18, 18, 23 138

Skagen/Råbjerg

5130 10, 19, 27 95

Skåne 22680 9, 8, 15, 21 420

SkydebjergLunger

6156 12, 19, 27 114

Thorstedt 3510 13, 15, 18 65

TrundholmVS

3456 8, 16, 27 64

Vranum 4752 11, 18, 24 88

1334 × 10247

Der Teiler 1334*10/247 ist ein legitimer Teiler, da er die„Sonnenzahl“ und die „Mondzahl“ in Reinform enthält.Dennoch birgt er eine gewisse Problematik. Sein Wertbeträgt in guter ganzzahliger Annäherung 54 (genau54,0080972). Die Zahl 54 lässt sich in die Faktoren 2*27und 9*6 zerlegen. Die Zahlen 27 und 9 finden wir alsZonenbelegung direkt oder als Produkt auf mehrerenScheiben.

Beispiele:– Trundholm-Vorderseite enthält 27. Hier ist die Zahl

27 in Zone 3 direkt enthalten.– Rye (Zonenbelegung 18, 18, 23) enthält die 27 in Form

von 3*9, bezogen aus der zweimaligen Zonenbelegung mit18. (3*6*2*9*23 = TP; stellt man diese Gleichung um, er-hält man: 3*6*2*9 = 27*12. Durch Kürzung der 12 erhältman: 27 = 3*9).

Frage: Haben wir jetzt die Berechtigung zu der Aussage:In den genannten Tagesprodukten sind jeweils Sonne undMond verschlüsselt?

Bevor diese Frage beantwortet wird, kommen wir nocheinmal zurück auf die Scheibe von Svaerdborg. Am Endedes Abschnitts – Primus inter pares – hatten wir das ‚Re-verse Engineering‘ dieser Scheibe für beendet erklärt.

Jetzt vertiefen wir es.Es kann leicht gezeigt werden, dass wir auch für die Zah-

len 23 und 29 (die Faktoren der Sonnenzahl 1334 =2*23*29) und für die Zahlen 13 und 19 (die Faktoren derMondzahl 247 = 13*19) in vielen Scheiben ganzzahlige Er-gebnisse erhalten, wenn wir die Tagesprodukte durch dieseZahlen dividieren.

Für die Svaerdborg-Scheibe können wir aus den Einzel-zahlen 23 und 29 den Wert für Sonnenjahr, aus den Zahlen13 und 19 den Wert für die Dauer einer Lunation errech-nen. Dies gilt entsprechend für andere Scheiben, deren Ta-gesprodukt dividiert durch diese Zahlen ganzzahlige Ergeb-nisse liefern.

In letzter Konsequenz hieße dieses, dass man in eine Ein-zelzahl astronomische Bezüge hineinsteckt. Verf. hält diesesVorgehen aber für gefährlich und sieht darin die Gefahr,den Bogen zu überspannen. Die Grenzen einer legitimenmathematischen Interpretation werden erreicht.

Nach dieser Überlegung sehen wir davon ab, bei den inobiger Tabelle aufgeführten Scheiben, anzunehmen, dassSonne-Mond-Parameter in ihnen verschlüsselt sind. Folg-ten wir nämlich dieser Versuchung, begäben wir uns in dieGefahr, beliebig zu werden. Wir können auf diese Weisenahezu in jedes konzentrische Objekt mit Symbol- oderZahlenbelegung (z.B. eine Dartscheibe) lunisolare Bezüge„hineinrechnen“.

Wir haben in dieser Studie insgesamt gute Argumenteaufgezeigt, die belegen, dass in den Untersuchungsobjektenlunisolare Bezüge codiert sind und befinden uns somit nicht

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242 Christoph Sommerfeld

im luftleeren Raum. Dennoch hat Verf. nur solche Rech-nungen akzeptiert, bei denen direkt Sonnen- und Mondpa-rameter wie SJ, MJ, Lu sowie deren Derivate wie SJ^2,Lu^2, Wurzel(Lu) und 247 eingesetzt wurden. Er hat ausden hier angeführten Gründen vorsätzlich darauf verzich-tet, aus einzelnen Zahlen, die auf den Scheiben-Zonen ab-zulesen sind, astronomische Bezüge zu errechnen.

Wurzel(Lu) = 125/23

Tagesprodukt – Vorderseite = 636*Wurzel(Lu) = 3456Tagesprodukt – Rückseite = 736*Wurzel(Lu) = 4000

Dividiert man die Tagesprodukte der Vorder- und derRückseite durch Wurzel(Lu), erhält man mit guter Annähe-rung einen ganzzahligen Wert.

Für die Vorderseite erhalten wir:3456/Wurzel(Lu) = 636 (genau 635,977879)Mit Lu = (3456/636)^2 ergibt sich der Wert für Lu zu ge-

rundet 29,528.

Für die Rückseite erhalten wir:4000/Wurzel(Lu) = 736 (genau 736,085509)Mit Lu = (4000/736)^2 ergibt sich der Wert für Lu zu ge-

rundet 29,537.

Die Tatsache, dass die beiden Scheiben nahezu ganzzah-lige Vielfache der Wurzel einer Lunation enthalten, lässtbeide als Mondscheiben erscheinen.

Der Term 12*Lu^2/Wurzel(TP)

Berechnet man für das Tagessprodukt der Trundholm-Vorderseite den Ausdruck:

12*Lu^2/Wurzel(TP), erhält man den ganzzahligen Wert178 (genau:178,000521).

Das führt zu der Gleichung 12*Lu^2/Wurzel(3456) =178.

Da die Wurzel aus 178 den Wert 13,34 (genau:13,341664) hat, könnte man auch schreiben:

12*Lu^2/Wurzel(3456) = 13,34^2 = SJ^2/100^2oder12*100^2*Lu^2/SJ^2 = Wurzel(TP).

Das heißt, im Tagesprodukt der Vorderseite sind Lu/MJund SJ verschlüsselt. Man könnte daraus die Werte fürLu/MJ und SJ errechnen.

Der Term liefert auch für die Scheiben von Lykkebjerg-gård mit 130 (genau:129,993201) und Langstrup mit 20(genau: 19,9705261) nahezu Ganzzahlen. Die Scheiben zei-gen danach Kenntnis von Lu/MJ und SJ.