Historie 34 5/18 6 Endstation für die „Lonesome Polecat ...

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Historie 34 5/18 6/18 Hier ist sie in noch gutem Zu- stand zu sehen. Die „Lonesome Polecat“ flog nun auf ca. 4000 m Höhe mit nur noch 160 km/h gen Sü- den. Über’m Oberwaldnerland drehte die Ma- schine ab: Angesichts der hohen und stark verschneiten Berner Oberländerberge ent- schied sich der Pilot, 1st Lt. Robert W. (Bob) Meyer, im Raume Brünig umzudrehen und doch - wie offenbar von den Schweizern er- wünscht - Kurs auf Dübendorf zu nehmen. Und so flog er über den Vierwaldstättersee (Urnersee), Goldau und Zug Richtung Baar. Der Bomber verlor weiter an Höhe. Im Lan- desinneren wurde der US-Bomber nun eskor- tiert von drei Schweizer Jagdflugzeugen der französischen Bauart Morane D-3801 (Lizenz- bau 1941 in CH bei F+W Emmen sowie Dornier Flugzeugwerke Altenrhein; zus. 207 Stk. gebaut, bis 1959 geflogen). Über Brun- nen, Oberwil, Zug und Inwil flog die „Fliegen- de Festung“ Richtung Baar. Unterdessen wur- de alles entbehrliche Gerät zur Gewichts- erleichterung über Bord geworfen. Beim An- flug des Bombers über den Kanton ertönten die Sirenen! Man kann ja nie wissen... Schon über Deutschland hatte man die Bomben im Notwurf gelöst und zudem 3 MG und das Funkgerät als Ballast abgeworfen. Beim Weiterflug - ab dem Urnersee - warf die Crew fast alles über Bord, was sonst noch nicht niet- und nagelfest war, wie etwa über Oberlunkhofen eine Splitterschutzweste oder über Inwil die „Düppel“ (Stanniolstreifen gg. Radar), Sauerstoffflaschen, usw. Endstation für die „Lonesome Polecat“ Es war über der Stadt Baar, wenige Meilen nördlich des Zugersees, als 1st Lt. Meyer sei- ner Besatzung den Befehl zum Fallschirmab- sprung gab. Das Flugzeug war noch rund 500 Fuß [150 m] über Grund, als die Besatzung abzuspringen begann - alle durch die Hecktür bis auf den zuletzt springenden Henshaw, der durch die offenen Luken des Bomben- schachtes sprang; der Pilot, 1st Lt. Robert (Bob) W. Meyer aus Minnesota, blieb an Bord. Der Schütze Sgt Jarrell F. Legg schrieb in einem kurz nach dem Kriege verfassten Be- richt: An der Schweizer Grenze wurden wir von Schweizer Jägern eskortiert. Sie forderten uns zur Landung auf, aber wir waren nicht in der Lage, das Flugzeug zu steuern. In 500 Fuss Höhe [= ca. 150 m] gab der Pilot den Befehl zum Aussteigen.“ Henshaw erinnert sich: „Ich war auf rund 500 Fuß, als ich neben den Bombenschachtluken stehend die Reiß- leine zog, meinen Fallschirm im Arm festhielt und sprang“, sagt Henshaw. „Der Schirm öff- nete sich erst kurz bevor ich den Boden be- rührte. Das war mein erster und mein letzter Fallschirmabsprung.“ Der rechte Seitenschütze, S/Sgt. Louis B. Liening, erzählte: „So wurde das Signal zum Absprung ge- Historie 34 Teil 2

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Hier ist sie in noch gutem Zu-stand zu sehen.

Die „Lonesome Polecat“ flog nun auf ca.4000 m Höhe mit nur noch 160 km/h gen Sü-den. Über’m Oberwaldnerland drehte die Ma-schine ab: Angesichts der hohen und starkverschneiten Berner Oberländerberge ent-schied sich der Pilot, 1st Lt. Robert W. (Bob)Meyer, im Raume Brünig umzudrehen unddoch - wie offenbar von den Schweizern er-wünscht - Kurs auf Dübendorf zu nehmen. Undso flog er über den Vierwaldstättersee(Urnersee), Goldau und Zug Richtung Baar.Der Bomber verlor weiter an Höhe. Im Lan-desinneren wurde der US-Bomber nun eskor-tiert von drei Schweizer Jagdflugzeugen derfranzösischen Bauart Morane D-3801 (Lizenz-bau 1941 in CH bei F+W Emmen sowieDornier Flugzeugwerke Altenrhein; zus. 207Stk. gebaut, bis 1959 geflogen). Über Brun-nen, Oberwil, Zug und Inwil flog die „Fliegen-de Festung“ Richtung Baar. Unterdessen wur-de alles entbehrliche Gerät zur Gewichts-erleichterung über Bord geworfen. Beim An-flug des Bombers über den Kanton ertöntendie Sirenen! Man kann ja nie wissen...

Schon über Deutschland hatte man dieBomben im Notwurf gelöst und zudem 3 MGund das Funkgerät als Ballast abgeworfen.Beim Weiterflug - ab dem Urnersee - warf dieCrew fast alles über Bord, was sonst noch nichtniet- und nagelfest war, wie etwa überOberlunkhofen eine Splitterschutzweste oderüber Inwil die „Düppel“ (Stanniolstreifen gg.Radar), Sauerstoffflaschen, usw.

Endstation für die „LonesomePolecat“

Es war über der Stadt Baar, wenige Meilennördlich des Zugersees, als 1st Lt. Meyer sei-ner Besatzung den Befehl zum Fallschirmab-sprung gab. Das Flugzeug war noch rund 500Fuß [150 m] über Grund, als die Besatzungabzuspringen begann - alle durch die Hecktürbis auf den zuletzt springenden Henshaw, derdurch die offenen Luken des Bomben-schachtes sprang; der Pilot, 1st Lt. Robert(Bob) W. Meyer aus Minnesota, blieb an Bord.

Der Schütze Sgt Jarrell F. Legg schrieb ineinem kurz nach dem Kriege verfassten Be-richt:

„An der Schweizer Grenze wurden wir vonSchweizer Jägern eskortiert. Sie forderten unszur Landung auf, aber wir waren nicht in derLage, das Flugzeug zu steuern. In 500 FussHöhe [= ca. 150 m] gab der Pilot den Befehlzum Aussteigen.“

Henshaw erinnert sich:„Ich war auf rund 500 Fuß, als ich neben

den Bombenschachtluken stehend die Reiß-leine zog, meinen Fallschirm im Arm festhieltund sprang“, sagt Henshaw. „Der Schirm öff-nete sich erst kurz bevor ich den Boden be-rührte. Das war mein erster und mein letzterFallschirmabsprung.“

Der rechte Seitenschütze, S/Sgt. Louis B.Liening, erzählte:

„So wurde das Signal zum Absprung ge-

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Die Plexiglasnase war infolge Beschußweg, wobei der Bombenschütze T/Sgt. CarlJ. Larsen am Fuß verletzt wurde. Dieses„Ersatzteil“ ist Marke „Martin Schaffner“.

geben, nur noch rund 1.000 Fuß [300 m] hochflogen wir über einem Tal und konnten ein paarDörfer und einen großen See ausmachen. AlleBordschützen sprangen aus der Hauptnotaus-stiegsluke und auch der Navigator. Der Co-Pilot hingegen sprang aus dem offenenBombenschacht. Mit dem Ziehen der Reißlei-ne warteten wir nicht lange, wir wußten, daßwir wenig Spielraum hatten und wir schon nachwenigen Pendelbewegungen am Boden an-kämen. Ich landete mitten auf der elektrifizier-ten Bahnstrecke und verpaßte dieHochspannungsdrähte der Oberleitung nur umein paar Zollbreit.“

Diese niedrige Absprunghöhe wurde einemder Männer zum Verhängnis. Jarrell vermerk-te in seinem Bericht, daß Navigator Williamsund Bombenschütze Larsen aus dem Funk-raum der Maschine hervorkamen, kurz nach-dem das Flugzeug Treffer erhalten hatte, unddaß es dem Navigator offensichtlich der Fall-schirm weggerissen hatte. Später wurde ihmeiner dieser viereckigen Brustfallschirme - ingutem Zustand - übergeben. Lt. Williams warsich anscheinend nicht darüber im Klaren, wieniedrig die Maschine flog, als er aus derSeitenluke sprang... Ironie des Schicksals:Williams hatte seinen Kameraden kurz vordem Absprung gesagt, sie würden sich amBoden wiedersehen, und sie gewarnt, ihre Fall-schirme nur ja nicht zu früh auszulösen...!

Doch Lt. Williams wartete zu lange: Nochbevor sich sein Fallschirm vollständig geöffnethatte, schlug er mitten in der Stadt Baar hartauf. Er war noch bei Bewußtsein, als ihn dieSchweizer fanden und unverzüglichs ins städ-tische Spital brachten, wo er jedoch wenig spä-ter seinen schweren Verletzungen erlag.

Jarrell F. Legg berichtete weiter, daß erselbst mitten auf einem Bahngleis landete,während er zwei seiner Kameraden in einemObstgarten niedergehen sah, einen in einemVorgarten, einen auf dem Dach eines Hausesund einen weiteren auf offenem Felde.

Die Männer an Bord der „Lonesome Polecat“,aufgeführt in der Reihenfolge ihres Fallschirm-absprunges, mit Landestellen in Baar:

Louis B. Liening in einem ObstgartenCarl J. Larsen in einem ObstgartenCharles W. Page in einem VorgartenJarrell F. Legg auf einem BahngleisElbert E. Mitchell auf einem HausJohn Miller Jr. auf einem HausJohn E. Wells in einem VorgartenRobert L. Williams Innenstadt Baar (tödli-

che Sprungverletzung)Boyd J. Henshaw auf offenem FeldRobert W. Meyer notgewassert auf Zuger-

see

Nasse NotlandungWährend sich der Rest der Besatzung mit

dem Fallschirm in Sicherheit brachte, war dererst 22-jährige Pilot ... Meyer nun ganz alleinean Bord seiner Maschine. Ab Baar ging derFlug über Steinhausen und Cham - hier be-gann auch noch der dritte Motor zu stottern -zurück Richtung Zugersee/Oberwil und nacheiner Kurve wiederum Richtung Zug Ort. EineLandung auf festem Boden war mit der be-schädigten Maschine ausgeschlossen. Alsowassern! Immer mehr näherte sich der Bom-ber der kleinen Stadt Zug am Ufer des gleich-namigen Sees. Mit nur noch zwei brauchba-ren Motoren gelang es ihm, vom bewohnten

Gebiet wegzukommen und die kaum nochlenkbare „Flying Fortress“ über den See zubringen. Dort gelang ihm gegen 13:00 Uhr einebravouröse Notwasserung - mit inzwischen nurnoch einem voll funktionstüchtigen Motor! - aufHöhe des ehem. Kantonsspitals. Die Maschi-ne schlitterte, durch die zwei noch drehendenPropeller eine große Wasserfontäne aufsprit-zend, auf das ufernah gelegene Theater-Casino zu; zuletzt drehte die Maschine nochab. Der Pilot überstand die Notwasserung fastunverletzt - er verlor lediglich eine Tags zuvorin England eingepflanzte Zahnkrone (sie wur-de ihm 14 Tage später ersetzt - ohne Betäu-bung!). Rasch kletterte Meyer durch das Co-Pilotenfenster aus dem Cockpit auf die Trag-fläche, pumpte die Schwimmweste auf undbegann Richtung Ufer zu schwimmen.

Sicher an LandZwei Fischer, die Gebrüder Norbert und

Werner Henggeler, nahmen den mutigen Pi-loten wenig später in ihr Ruderboot auf undbrachten in zur Unteraltstadt von Zug, wo sieihn unterhalb des damaligen Restaurants/Bäk-kerei „Taube“ an Land setzten. Dort hatte sichinzwischen eine große Zuschauermenge ver-sammelt und das spannende Geschehen auf-merksam mitverfolgt. Dabei auch SchweizerMilitär und Luftschutz. „Der Pilot hat übersganze Gesicht gestrahlt und den Leuten zu-gewinkt“, so der damals 8-jährige heutige Hi-storiker O. Rickenbacher.

Auch Schweizer Militär und Luftschutz er-wartete dort das Boot. Der Pilot Robert „Bob“

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Heute existieren nur noch Fragmente in Sammlungen in derSchweiz und den Niederlanden.

W. Meyer lachte übers blonde Gesicht undwinkte den Leuten zu. Anschließend wurde erdurch die beiden Stadtpolizisten zum Stadt-polizeiposten am Kolinplatz eskortiert. Hier gabman ihm trockene Kleider - den Trainingsan-zug des Stadtpolizisten Fritz Müller. Stadt-präsident Lusser organisierte Essen und Trin-ken vom nahe gelegenen Restaurant Aklin; dieServiertochter [Kellnerin] Rösli Bischof brachteEssen und Trinken und konnte, weil sie Eng-lisch sprach, erste Dolmetscherdienste leisten.Hernach kam dann noch die professionelleDolmetscherin Frl. Florence Iten dazu und halfbei der Befragung. Später wurde der Bomber-pilot von Stadtpolizist Fritz Müller per Taxi zuden übrigen gesunden Besatzungsmitgliedernins Hotel-Restaurant Lindenhof nach Baar ge-fahren; hier war das örtliche Platzkommandountergebracht. Nach Besuch im Spital/Asyl beiden zwei Verwundeten und der Leichenhalle,in der Robert Williams aufgebahrt war, wurdedie Crew nach Dübendorf bei Zürich gebracht.Pilot Meyer kam nach 14 Tagen kurze Zeitzurück nach Zug und dabei wurde die Zahn-krone, die bei der Landung brach, repariert.

Und so lag die „Lonesome Polecat“ nun aufdem Grund des Zugersees. Am 23. März 1944vollendete Oberst Karl Högger, Chef der Tech-nischen Abteilung der Schweizer Luftwaffe inDübendorf, einen Bericht für die SchweizerArmee, in dem er die dramatische Ankunft derB-17 in der Schweiz schilderte - einem voninsgesamt über 160 US-Flugzeugen, die wäh-rend des Krieges in mehr oder weniger gutemZustand hier ankamen. Er schrieb, daß dasFlugzeug auf eine Tiefe von etwa 40 m ge-sunken sei und daß man infolge eines Gut-achtens über die versuchte Bergung eineranderen B-17, die im Bodensee niedergegan-gen war (wohl die am 6. Sept. 1943 bruch-gelandete B-17F „Raunchy“ der 100th BombGroup) beschlossen habe, daß eine Bergungder Maschine mit den verfügbaren Mitteln nichtin Frage käme.

Natürlich berichtete weiland auch die Lo-kalpresse über das aufregende Geschehen:

„Amerikanischer Bomber im Zugersee not-gelandet - Besatzung gerettet“

„Am gestrigen Donnerstag kurz vor Mittaghörte man ein Flugzeug ziemlich langsam undnicht sehr hoch Richtung Westen fliegen. We-nige Minuten später genau um 12:15 Uhr er-tönten die Sirenen. Gegen 12:45 hörte manerneut das Flugzeug von Südwesten heran-kommen. Der Himmel war klar und blau undbald schon konnte man einen amerikanischenBomber ausmachen, begleitet von zwei klei-nen Schweizer Flugzeugen, das eine rechts

und das andere links des Bombers. Gewisswollten die Schweizer Flugzeuge das Grossezum Flugplatz Dübendorf lotsen. Doch der Pi-lot fuhr fort, mit dem Bomber gegen den Orteinzudrehen. Nach etwa einem halbenSchwenk glitzerte etwas in der Luft, wurde län-ger und länger, es öffnete sich und war nunals Fallschirm auszumachen. Es folgten einzweiter, ein dritter, ein vierter, ein fünfter, einsechster und ein siebter. Danach schien et-was wie eine schwarze Kugel aus dem Flug-zeug zu fallen. Erschrocken konnten die Leu-te sehen, dass es ein Mann war, dessen Fall-schirm nicht aufging. Erst etwa zehn Meterüber Grund öffnete er und dämpfte zum Glückein wenig den schweren Sturz. Ein neunterFallschirm sprang in die Luft, und so schweb-ten die acht Mann langsam der Erde entge-gen. Der erste Mann landete in einem Baum,der zweite nahe beim Sennwirt [? - i.d. Quelleschwer leserlich] mit dem dritten an seinerSeite. Ein anderer kam auf dem Dachfirst ei-ner Scheune zu sitzen, die der Familie Haus-hier [? - i.d. Quelle schwer leserlich] gehörte,und zertrümmerte dabei ein paar Dachziegeln.Alles in allem kamen die Männer recht gutherunter. Die Maschine befand sich noch im-mer in der Luft und ew war klar, dass der Pilotnach einem Platz zur Notlandung oder wohlauch zur Notwasserung Ausschau hielt. Erwasserte denn auch auf dem Zugersee. Be-vor das Flugzeug versankt, sah man den letz-ten Mann in den See springen. Da genug Ru-derboote in der Nähe waren, wurde er baldvon einem an Bord genommen.“

Und eine weitere Schweizer Quelle stelltgar noch philosophische Betrachtungen an:

„Lange bildete die Heldentat dieses jungenMenschen das Tagesge-spräch der Zuger. Waswäre geschehen, wennder Pilot mit seinen Ka-meraden im Fallschirmabgesprungen wäre?Die führerlose FliegendeFestung hätte leicht aufdie Häuser der Stadt Zugabstürzen können - eineKatastrophe, die Sie sichselber ausmalen kön-nen! Diese verantwor-tungsbewußte Hand-lungsweise, der Einsatzdes eigenen Lebens,stellt dem amerikani-schen Flieger ein glän-zendes Zeugnis aus.“

Einer kam nicht durch:Tod durch Absturz

Einer schaffte es nicht: 2nd Lt. Williams ausPittsburg (Indiana), der Navigator der„Lonesome Polecat“. Die Gründe dafür sindim Nachhinein nicht ganz klar: Entweder kamWilliams mit dem ungewohnten Ersatz-Fall-schirm nicht zurecht - seinen eigenen hatte ereingebüßt -, oder der Fallschirm war defekt,oder der Mann hatte die nur noch sehr gerin-ge Flughöhe falsch eingeschätzt und denSchirm zu spät ausgelöst (anders als bei denFallschirmjägern mußte an diesen Rettungs-fallschirmen die Reißleine von Hand gezogenwerden). Wie dem auch sei - Williams’ Fall-schirm öffnete sich erst kurz vor der Boden-berührung, als die Fallgeschwindigkeit nochgefährlich hoch war. Das kostete ihn das Le-ben: In der Nähe des Wiesentals in Baar, inder Neugasse, schlug er hart am Boden auf,wie Sgt. Jarrell F. Legg zu berichten wußte.Zwar war Williams noch bei Bewußtsein, alsihn Schweizer fanden und sofort ins städtischeSpital brachten, doch erlag er dort wenig spä-ter seinen schweren Verletzungen. Auch dieBemühungen des tüchtigen Arztes Dr. KarlStutz vermochten ihm nicht mehr zu helfen.

Hierzu eine Stimme aus der Lokalpressevom 17. März 1944:

„Ein Mann der Besatzung war schwer ver-wundet worden, wie es hiess, der Komman-dant des Bombers, ein 23-jähriger Leutnant.Er wurde direkt ins Spital gebracht, wo er ver-starb. Er war nicht allein durch den Sturz ver-letzt worden, sondern auch schon währenddes Bombenangriffes auf Augsburg.“

Auch verletzt... aber nicht tödlichNicht durch Sprungverletzungen,

sondern durch ihre schon im Luft-kampf gegen die Jäger erlittenenWunden waren zwei weitere Mitglie-der der Bomber-Crew nach ihremFallschirmabsprung krankenhaus-reif: Der Bombenschütze T/Sgt. CarlJ. Larsen (nicht allzu schwer, amFuß) und der Kugelturmschütze S/Sgt. Charles W. Page (sehr schwe-re Verwundung a.d. rechten Hüftesowie mehrere Splitter ins linkeSchienbein). Beide landeten zwarsicher mit dem Fallschirm, mußtenaber gleich danach ebenfalls imSpital/Asyl Baar ärztlich versorgtwerden. Dort bemühten sich Dr.Karl Stutz und die MenzingerSchwestern um sie.

Vor allem der schwerver-

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Technische Angaben zur Boeing B-17 G (Fliegende Festung)Besatzung: bis 11 Mann, 1 Pilot, 1 Hilfspilot, 1 Navigator, 1 Bomben-Schütze, 1

Funker und bis 6 MG SchützenAbmessungen: Länge 22,8 m; Spannweite 31,63 m; Höhe 5.85 m;

Flügelfl. 141.90 m2

Gewichte: Leergewicht 14 855 kg; max. Startgewicht 29 700 kgTriebwerke: 4 x 9 Zylinder Sternmotoren Curtiss Wright-Ciclone mit je 1 215 PSHöchstgeschwindigkeit 485 km/h,Marschgeschwindigkeit 296 km/hDienstgipfelhöhe: 11 920 mBewaffnung: 13 Browning-MGs, 7485 Patronen waren an BordBombenzuladung: bis zu 5 800 kg, 2 724 Kg = StandardbeladungMax. Reichweite: 6034 km (ohne Bomben); 3219 km bei 2722 kg Bombenzuladung,

1760 km mit HöchstlastTankinhalt: 9650 – 13626* (3600 US-Galonen) Liter Avgas 100/Flugbenzin (Fuel);

* = mit Zusatztanks im BombenschachtAnzahl gesamt: 12731 B-17, vor allem bei Boeing, aber auch bei Douglas und

Lookheed, (B-24 18442 Maschinen)Produktion in Spitzenzeiten bis zu 16 Maschinen pro TagZeitraum: 17. August 1942 erster Angriff von B-17 Bombern auf Rouen(F)

schwerster Luftangriff des gesamten Krieges der 8.US Luftflotte mit937 B-17 auf Berlin, am 3. Februar 1945

Erstflug Prototyp 28. Juli 1935, Serienmaschine B-17 B am 20. Oktober 1939;B-17 G am 21. Mai 1943

Heute: 44 B-17 sind noch erhalten, davon 14 flugfähigQuelle: Technische Angaben zur Boeing B 17 G /Vortrag 4.4.14 von Oskar Rickenbacher

kehrte Meyerauf seinen altenStützpunktG r e a tA s h f i e l d(GB) zu-rück. Nachdem Krieg warer Geschichtslehrerin den USA; er kam nie mehr zurück in dieSchweiz. Am 06.08.1996 starb er an den Fol-gen von Blutkrebs; am gleichen Tage wurdein Zug und Baar des Ereignises im Beisein vonCrew-Mitgliedern aus den USA gedacht, diezu Besuch in der Schweiz weilten.

SpannendeFluchtgeschichten

Die überlebenden Besat-zungsmitglieder der „Lone-

some Polecat“ wurden inter-niert - in Dübendorf, Davos und

später in Hotels in Wengen. Vie-le versuchten zu fliehen; einer

von ihnen (Bombenschütze Carl J. Larsen,lt. seiner Tochter) kam nach dem zweitenFluchtversuch ins berühmt-berüchtigte Inter-nierungslager Wauwilermoos. Als einem derganz wenigen gelang ihm die Flucht von dortund nach dem Krieg erhielt er als einziger sei-ner Besatzung den Kriegsgefangenenorden.(einen ausführlichen Artikel über dieses La-ger und die dort Internierten finden Sie in JET& PROP Nr. 2/2016, S. 16 ff.).

wundete Page wurde von Dr. Stutz und zweiSchwestern 14 Tage lang mit ungewöhlicherSorgfalt betreut, bis seine ernste Arterien-verletzung halbwegs verheilt war. Larsenwar besser weggekommen, er war beimAngriff der deutschen Jäger nur leicht ver-wundet worden (Fußschuß).

Heckschütze Jarrell F. Legg hierzu:„Carl Larsen und Charles Page wurden ver-

wundet und verbrachten die meiste Zeit in ei-nem Schweizer Krankenhaus, während mei-ner 11-monatigen Internierung in der Schweizbekam ich keinen von den beiden zu Gesicht.“

„Wilhelm Tell“: Ein übereifrigerSchweizer Schütze

Sgt. Jarrell F. Legg berichtet von einer ku-riosen Randbegebenheit, die böse hätte aus-gehen können, zum Glück aber nur tragiko-misch verlief:

„Als unsere Crew das Flugzeug über Baarverlassen hatte, beschossen die Schweizer dieBesatzung in dem Glauben, es seien feindli-che Fallschirmjäger!“

Um dem Schweizervolk die Ehre zu geben:Es waren nicht „die Schweizer“ und auch nicht„einige der Dorfbewohner“, die da einen Wil-helm-Tell-Komplex abreagierten, sondern nurein einzelner Mann, der offenbar von den un-gewohnten Ereignissen nervlich etwas über-fordert war... Vom 3. Obergeschoß des Re-staurants „Gotthard“ in Baar (neben demBahnhof gelegen) feuerte der übereifrigeLandesverteidiger mit seinem Karabiner dreiSchuß auf die Amerikaner ab. Er habe ge-meint, es sei eine Invasion deutscher Fall-schirmjäger, gab der Mann später zu Proto-koll. Zum Glück war der brave SchweizerSchütze kein Wilhelm Tell, und alle drei Schußgingen daneben - verletzt wurde Keiner.

Der Pilot der „LonesomePolecat“ - Kurzer Lebenslauf inKrieg und Frieden

Der 22-jährige Pilot Robert W. Meyer flogvor seinem Schweizer Abenteuer 18 Angriffegegen Deutschland. Die Ausbildung zum Pi-loten hatte 9 Monate gedauert. Nach seinerNotlandung war er zuerst in Davos interniert,danach wurde er in Wengen sogar Komman-dant des Internierungslagers und verhalf vie-len zur Flucht. Schließlich flüchtete er selbstEnde 1944 mit weiteren Amerikanern aus demInternierungslager Adelboden. Per Ruderbootüberquerten sie den Genfer See und erreich-ten das französische Annecy; dort gab es be-reits ein US-Kommando. Am 6. März 1945

Sher Karin Lar-sen Green ausTexas - Tochtervon Carl J. Larsen

- zu Besuch imB-17 Museum

in Utzenstorf.Rolf Zaugg zeigt

ihr zeitgenössi-sche Eintrittskar-

ten und Werbe-prospekte zur Bom-

berausstellung, dievon Martin Schaffner

ausgegeben wurden.

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Ein oder mehrere Streetart-Künstler sindhier über die B-17 hergefallen.

Denn viele Amerikaner wollten schnell wie-der in den Einsatz, anstatt den ganzen Kriegüber in der Sdhweiz zu bleiben - darunter auchBesatzungsangehörige der „LonesomePolecat“. Neben dem Bombenschützen CarlLarsen, gelang zwei weiteren US-SoldatenMitte Dezember die Flucht aus der Schweiz,wobei ihnen französische Résistance-Ange-hörige halfen, sich zu den alliierten Liniendurchzuschlagen. Solche Ausbruchsversuchevon US-Soldaten waren sorgfältig geplant,meist mit Unterstützung freundlich gesinnterSchweizer. Aufschlußreich ist in diesem Zu-sammenhang die Flucht zweier anderer Be-satzungsmitglieder der „Lonesome Polecat“,Copilot Jack Henshaw und Bordschütze Lou-is Liening.

Jack Henshaw wollte zurück zu seinerBombergruppe, seinen Einsatztörn vollendenund dann nach Hause. Obwohl praktisch je-des Internierungslager sein „Fluchthilfekom-mittee“ hatte, waren solche Ausbruchsversu-che erst in den Wochen nach der alliierten In-vasion wirklich erfolgreich, als die Deutschensich aus Mittel- und Südfrankreich zurückzie-hen mußten.

Henshaws Chance kam während seinesAufenthalts in der kleinen Stadt Wengen. Erwurde gebeten, drei Mannschafts- bzw. Unter-offizierdienstgrade mitzunehmen, und einerdavon war der rechte Seitenschütze der„Polecat“, Louis Liening. Mit gefälschten Päs-sen und in Uniform kauften die MännerEisenbahnfahrkarten nach Bern. Dort wurdensie nach vorbedachtem Plan in einen kahlenRaum eines Gebäudes geführt, wo ihnen eineKontaktperson schlechtsitzende Zivilkleidungüberreichte und wo sie die Nacht verbrach-ten. Am nächsten Morgen traf eine weitereKontaktperson mit dem Taxi ein.

„Wir wurden in einen Berner Park gefah-ren, um dort in ein Privatauto nach Fribourgumzusteigen“, erinnert sich Henshaw. „Dochdie Sache hatte einen Haken. Das Auto warnicht wie geplant zur Stelle und SchweizerSoldaten über den ganzen Platz verteilt. Ichsagte dem Fahrer, er solle ganz locker blei-ben, als seien wir Touristen. Wir winkten denLeuten zu, und nachdem wir den Park durch-quert hatten, fuhren wir wieder in die Stadt hin-

ein. Keiner folgte uns. Der Kontaktmann sag-te, wir müßten uns für ein paar Tage verstek-ken.“

Zwei Tage später fuhren die vier Flieger un-abhängig voneinander mit der Straßenbahnzum Berner Bahnhof. „Wir versammelten unsnicht, sondern blieben einzeln, aber in Sicht-weite voneinander stehen. Ein mir bekannterKontaktmann war da. Er hatte für jeden vonuns eine Fahrkarte nach Fribourg. Alle fünfbestiegen wir auf ein Zeichen des Kontaktman-nes hin den Zug. Wir gingen nicht gleichzeitig‘rein und setzten uns auch nicht zusammmen,blieben aber im gleichen Waggon“, erinnertsich Henshaw.

Nach ihrer Ankunft in Fribourg verließ derKontaktmann den Zug, und die vier Amerika-ner folgten ihm einzeln und bestiegen nach-einander ein wartendes Auto. Ins Haus einerüber sechzigjährigen Schweizerin gebracht,die versuchte die Amerikaner, sich wie zuHause fühlen zu lassen, überlegten sich die-se ihre nächsten Schritte, die sie bis nachFrankreich bringen sollten.

Noch am gleichen Abend traf ein weitererKontaktmann mit detaillierten Instruktionen ein.„Er sagte, daß wir bis zu einem französischenGrenzort an einem durchfurtbaren Fluß ge-bracht würden, etwa auf halbem Wege zwi-schen zwei Grenzschutzstationen. Wir würdenin der Nähe eines Ackers abgesetzt werden,wo wir uns in die Ackerfurchen in Deckunglegen sollten. Das Gelände fiel gegen den Flußzu ab, und wir konnten den Grenzweg über-blicken“, erzählte Henshaw.

„Wir hätten in Deckung zu liegen, bis zweiGrenzsschützer auf Fahrrädern erscheinenwürden. Kämen sie von rechts, hätten wir -sobald sie hinter der Anhöhe zu unserer Lin-ken verschwunden wären - noch 20 Minuten,um über das Grenzflüßchen nach Frankreichzu entkommen. Kämen sie von links, müßtenwir 10 Minuten waren, bis sie zurückkämenund zu unsere Linken verschwänden. Nachder Überquerung des Flusses Richtung Frank-reich müßten wir uns schnurstracks vom Flußentfernen. Nach etwa einer Meile kämen wiran eine Straße, auf der wir nach links abbie-gen sollten, um würden dann nach wenigenMeilen auf ein kleines französisches Dörfchen

stoßen. Dort wäre eine Gastwirtschaft, und derWirt würde für uns mit Truppenteilen der USArmy in Verbindung treten.“

Nachdem der Kontaktmann weg war, kamgegen Mitternacht die Hauswirtin zu den Ame-rikanern und teilte ihnen mit, es sei nun Zeitzum Aufbruch. „Sie brachte uns zu einem na-hen Auto, winkte uns herzlich zu und ging fort“,sagt Henshaw.

Diesmal lief alles wie geplant. Der Fahrersetzte die US-Flieger am Sturzacker ab, zwi-schen sanften Hügeln mit gemischtemBewuchs von Äckern und Wäldern. Sie konn-ten den Grenzweg neben dem Fluß sehen,nicht mehr als eine halbe Meile entfernt.

„Wir lagen gerade in den Ackerfurchen, alsdie beiden Grenzschützer von links auftauch-ten“, fährt er fort. „Sie verschwanden nachrechts und kehrten wenig später nach links fah-rend zurück. Dann hielten sie an und stiegenhalbwegs zwischen uns und dem Fluß ab. Sieschienen miteinander zu reden und heftig zugestikulieren und leuchteten mit ihren Taschen-lampen ringsum das Gelände ab. Ihre Licht-strahlen drangen aber nicht zu uns, und siewaren zu weit entfernt, um ihrer Unterredungfolgen zu können. Wenig später saßen sie wie-der auf ihren Fahrrädern und verschwandenüber den Hügel zu unserer Linken.

Ich flüsterte den Männern zu, zum Fluß zurennen, und gerade als ich in den Fluß stieg,

Vielen war der vor sich hin rottendeWeltkriegsveteran ein Dorn im Auge.

Engadiner Post 5.5.1970

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Eine Luftaufnahme von ihrem letzten Stand-ort, wo die „Lonesome Polecat“ auch ver-schrottet wurde.

hörte ich laute Rufe. Ich blickte die Straßeentlang, und dort kamen die Grenzschützer“,erklärt Henshaw. „Sie rissen ihre Gewehrehoch, ließen ihre Fahrräder fallen und began-nen auf uns zuzulaufen.

Aber sie kamen zu spät. In wohl wenigerals einer Minute waren wir auf dem französi-schen Ufer“.

Es war in der Nacht vom 28. November1944, als 2nd Lt. Jack Henshaw letztmals sei-nen Fuß auf Schweizer Boden gesetzt hatte.„Noch immer klingen mir die wütenden Rufeeines Grenzschützers im Ohr: ‘Halten Sie! Hal-ten Sie!’ Ich hielt an - aber erst ein paar Minu-ten später, in Frankreich, müde, durchgefroren,naß bis über die Ohren, in gestohlener Zivil-kleidung und ohne gültigen Personalausweis.“

Weniger Glück hatte Heckschütze Jarell F.Legg. Auf die nach dem Kriege gestellte Frage„Flüchteten Sie aus der Schweiz?“ gab er zurAntwort: „Nicht wirklich, könnte ich dazu sagen.Freilich unternahm ich am 9. Januar 1945 zu-sammen mit 4 Anderen einen Fluchtversuch.Wir wurden aber schon nach einem kurzenMarsch über den Berg (Wengen, das 2. Lagerneben Adelboden) von der Schweizer Armeegeschnappt und bis zum 13. Februar 1945 imLager Hunenberg interniert. Das war nun einrichtiges Internierungslager mit Stacheldraht,Wachtürmen, bewaffneten Wachmännern undscharfen Hunden. Wir hatten von Anfang anKontakt mit einigen Schweizern, dieangeblich mit der französischen Wi-derstandsbewegung in Verbindungstanden. Wir wurden den Eindrucknicht los, daß uns entweder diese Leu-te hereinlegten, oder daß bei der Be-ratschlagung unserer Fluchtpläne je-mand mitgehört hat.“

Von der Bergung bis zumbitteren Ende

Im Sommer 1952 gelang MartinSchaffner die Bergung der „FlyingFortress“ vom Grunde des Zugersees- ein Erfolg, den die „Fachleute“ derSchweizer Armee zuvor für unmöglicherklärt hatten...

Das Illustrierten-Bild einer ameri-kanischen Tankstelle mit einem Flug-zeug als Blickfang veranlaßteTankstellenbesitzer Schaffner zur ei-

genen Suche. Und so erhielt er auf Anfragevon der US Army in Frankfurt den Rat, es docheinmal mit dem „Bomber vom Zugersee“ zuversuchen. Nach zwei langen Jahren kamendlich auch grünes Licht von den zuständi-gen Schweizer Behörden. Mit viel Energie undImprovisationsgabe schaffte „Bomber-Schaff-ner“, wie man ihn von da an nannte, nach acht-wöchiger harter Arbeit am 25. August 1952 undvorübergehenden Rückschlägen schließlichdie Bergung der „Lonesome Polecat“, so derUS-Spitzname der damals rund 30 t schwe-ren Maschine (davon 15 t Resttreibstoff). Sie

wurde zunächst bei Zug Ort an Land gebrachtund sogleich der Öffentlichkeit zugänglich ge-macht - gegen Bezahlung, denn der gewiefteGeschäftsmann Schaffner hatte an alles ge-dacht.

In den 50er und 60er Jahren ging der Bom-ber auf „große Tour“ durch die Schweiz, alsJahrmarktsattraktion, die Schaffner eine Men-ge Eintrittsgelder einbrachte (sein erstes gu-tes Geschäft war bereits der Verkauf der ausdem Wrack abgepumpten 15.000 L hochwer-tigen Flugbenzins gewesen...). Nach Schaff-ners allzufrühem Tod im Jahre 1965 endetedie Maschine als Ausstellungsstück zunächstin St.Gallen und zuletzt in St.Moritz, doch wa-ren wohl weder die stolze Kantonshauptstadtnoch der vornehme Kurort ein sonderlich gu-

tes Pflaster für den Weltkriegs-veteranen: Nachdem die noblen Nach-barn ebenso wie die örtlichen Behör-den in beiden Städten der Attraktionbürokratische Steine in den Weg leg-ten und Schaffners Nachfolger nie-manden fanden, der die geforderten30.000 SFr Kaufpreis zahlen moch-te, wurde dieser einmalige Zeitzeugeim Jahre 1972 verschrottet - aus heu-tiger Sicht eine kaum verzeihlicheFehlentscheidung.

In fester Hand von„Bomber-Schaffner“

Der Vierzentnermann MartinSchaffner - selbst schon eine impo-sante Erscheinung - stellte nun dasFlugzeug für Geld aus, nachdem erzuvor bereits mit dem abgepumptenFlugbenzin ein beträchtliches Ge-

Auch in Farbe ein trauriges Bild.

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12 Maschinengewehre im Kaliber .50 =12.7 mm war die Standardbewaffnung beider B-17G. Hinzu kamen die Waffen derBesatzung, zum Beispiel: Colt A11A oderRevolver Colt/S&W M1917 Revolver, aberauch zum Teil Waffen aus privatem Besitz.

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... beim Trauerzug durch Baar: 2nd Lt.Williams wird zum Friedhof geleitet.In der Tat erfolgte die militärische Beiset-zung des unglücklichen Navigators, 2nd Lt.Robert L. Williams, am 20. März 1944 inBaar (Kt. Zug). Der Trauerzug nahm seinenWeg vom Spital/Asyl über die Langgassezum Protestantischen Friedhof in Baar. Vordem Sarg gingen Polnische Internierte, dieüberlebenden Besatzungsmitglieder tru-gen den Sarg; Schweizer Soldaten derRadfahrertruppen (sog. Gelbe Truppen) be-gleiteten den Trauerzug als Ehrengarde.Später erfolgte die Überführung auf denFriedhof Bern-Münsingen, wo insgesamt47 US-Amerikaner [nach anderer Quelle:57] beigesetzt wurden. Sie alle wurden spä-ter in die USA überführt, Robert W. Williamsnach Indianapolis (Indiana).

schäft gemacht hatte. Der „Bomber aus demZugersee“ wurde zur großen Attraktion. Aufdem Kiesplatz (von Kieshändler/Schiffs-besitzer Weber) in der Stadt Zug, unweit derLandestelle, wurde er hinter einer Sichtblen-de aus Stoffbahnen versteckt. Davor standenbald Gäste aus der ganzen Schweiz Schlan-ge. Schon am ersten Tag - einem Sonntag -erschienen über 10.000 Schaulustige (!), be-zahlten 1,10 SFr Eintritt (Kinder 55 Rappen)und lasen eifrig die im Preis inbegriffene 8-seitige Broschüre mit allerlei Einzelheiten zumBomber und den spannenden Bergungsarbei-ten. Besuchermassen, obwohl es regnete undder Schauplatz im Morast versank... und derclevere Schaffner stellte vier seiner Leute anden Ausgang, die für je 30 Rappen den Besu-chern die Schuhe putzten... Kein Wunder, daßdie Ausstellung ein Riesenerfolg wurde! Sogelang es, das große Loch in Schaffners Kas-se zu füllen: Irgenwie mußten ja die beträcht-lichen Bergungskosten wieder hereinkommen.Aus der ganzen Innerschweiz kamen Besu-cher, sogar per Bus aus Nachbarkantonen wieGlarus usw., alles richtig durchorganisiert.

Später stand der Bomber dann bei Schaff-ners Tankstelle Kollermühle zwischen Zug undCham (dort sah man später nur noch denMotor). Aus dem geplanten Umbau zur Tank-stelle bzw. zum tankstellennahen Schnell-restaurant wurde freilich nichts, da feuerpoli-zeiliche Bedenken dem entgegenstanden.

Auf „großer Tour“ durch dieSchweiz

Doch „Bomber-Schaffner“, wie er mittler-weile halb spöttisch, halb anerkennend ge-nannt wurde - er galt bald schon als Bergungs-spezialist für Flugzeuge wie für Binnenschiffe-, hatte mit der „Fliegenden Festung“ noch weitmehr vor!

Nach der Reparatur wurde der Name„Lonesome Polecat“ gut leserlich am Rumpf-bug angebracht und die Fliegende Festung1952-1957 in der ganzen Schweiz herumge-zeigt: Die große „Schweizer Bomber-Tour“ von1952-1971/72. Sie lief nach Zug-Stadt u.a. inCham (zw. Kollermühle und Alpenblick beiehem. Tankstelle Schaffner), Basel-Muster-messe (Kt. Basel-Stadt), Biel-Bözingen (Kt. ...;Mai-Juni 1953), Lausanne (Kt. Valais/Waadtland), Bümplitz (Kt. Bern), Suhr, Chur(Kt. Graubünden), St.Gallen-Winkeln (Kt.: dto.;Juni 1966-1970; aus dem hier geplanten Flug-zeug-Themenpark wurde aber nichts) undSt.Moritz.

Ab inkl. Lausanne kam eine weitere Attrak-tion ergänzend hinzu: Bergungstaucher Neu-mann, der in einem 3 x 5 x 6 m großen Glas-bassin vor aller Augen unter Wasser Blechtei-le zusammenschweißte: Immerhin war er frü-

her Taucher beim Schlachtschiff Tirpitz gewe-sen!

1970 wurde die Maschine an Herrn WilliHubmann, St.Moritz, verkauft. Der Rumpf derMaschine wurde im März 1970 ab St.Gallenper SBB nach Chur und ab dort per RHBTiefgangwagen nach St.Moritz transportiert.Die Flügel, die Motoren und weiteres Materialwurde per Lastwagen transportiert.

Erst nach dem Tode des geschäftstüchti-gen Schaffner wurde sie 1972 in St.Moritz ver-schrottet.

In St.Gallen -Ein Flugzeug-Themenpark?

Nach St.Gallen kam „Lonesome Polecat“per Lastwagen im Juni 1966 - gut 20 Jahrenach der Bergung. In etliche Teile zerlegt, ge-langte der Bomber von Suhr auf oft abgelege-nen Landstraßen nach dem Stadtteil „Bild“ inSt.Gallen-Winkeln. nachdem die Erben desinzwischen verstorbenen Martin Schaffner dieMaschine an einen Herisauer Geschäftsmannverkauft hatten: Der Unternehmer Norbert A.Gschwend, Inhaber der „Gloria TransparenteSt.Gallen“, hatte das Flugzeug dem bereitsgesundheitlich angeschlagenen Martin Schaff-ner für 20.000 SFr abgekauft. Gschwend wollteden Bomber offenbar zum Kernstück eineskleinen Luftfahrtmuseums oder Flugzeug-Themenparks machen - noch immer imunrestaurierten Zustand, ohne Plexiglas-Nase,ohne linke Flügelspitze und mit verbogenenPropellern. Die Pläne für diesen Freizeitparkzerschlugen sich dann allerdings.

Bürokratische HürdenDenn während die Kantonalbehörden den

Transport des Bombers noch ohne Umstän-de bewilligt hatten, genehmigten sie die Aus-stellung nur unter Auflagen: Der Bomber müs-se „vollständig gegen Einsicht von allen Sei-ten abgeschirmt werden, sei dies in Form ei-ner Abschrankung, die hoch genug ist, odermittels Zelt.“

Das neue AusstellungskonzeptDie „fliegende Festung“ lagerte unmontiert

knapp ein Jahr zwischen Zürcher undHerisauer Str.: Ein Haufen Altmetall, wie beider Baupolizei reklamiert wurde. 1967 batNorbert A. Gschwend die Baupolizei um dieBewilligung, das Ausstellungsgelände einzu-zäunen. Der Bomber stehe nun, rund 6 mhoch, auf seinem ausgefahrenen Fahrgestellund werde originalgetreu restauriert, damit je-der Besucher „diesen letzten grossen Zeugendes Zweiten Weltkrieges“ bestaunen könne.“Das gesamte Areal sei als Ausstellungsgelän-de konzipiert: „Es soll eine Attraktion für

St.Gallen werden und - man trifft zwei Fliegenmit einem Schlag - gleichzeitig verschwindendie traurigen, unansehnlichen Überbleibsel derehemaligen Kiesgrube, ein wahrer Schand-fleck.“ Stattdessen entstehe hier eine wahre„Parade-Einfahrt“. Der von den kantonalen Be-hörden geforderte hohe Zaun werde das Ge-lände nicht verunstalten, sondern verschönern.Diese „Abzäunung mit Werbefläche“ werdeetwas vom „Schönsten und Ansprechendsten“,was in der Schweiz überhaupt zu finden sei.Zudem könne man am Eingangstor für dieStadt werben, zum Beispiel „St.Gallen - dieMetropole der Ostschweiz; St.Gallen wünschtIhnen eine gute Heimfahrt; St.Gallen - die StadtVadians.“

Verkehrspolitik gg. ImagepflegeIm Dezember 1967 reichte die kantonale

Tiefbau- und Strassenverwaltung bei der städ-tischen Baupolizei eine Einsprache gegen dieUmzäunung des Ausstellungsgeländes ein. DieÜbersicht werde in unzulässigem Ausmaß be-hindert und die Verkehrssicherheit stark beein-trächtigt. Reklamen und Hinweise an der Ein-zäunung oder anderweitig angebracht, seienim Bereich des Verkehrsknotens Bild strikteabzulehnen. Zudem bestehe die feste Absicht,die Herisauer Strasse wegen des Baus der Au-tobahn zu verlegen. In diesem Zusammenhangmüsse der Zugang zum Areal überprüft und dieStraßenführung angepaßt werden.

Die Baupolizeikommission lehnte das Bau-gesuch hauptsächlich aus Verkehrssicher-heitsgründen und wegen der geplanten Verle-gung der Herisauer Strasse ab. Gegen die-sen Entscheid rekurrierte Norbert A.Gschwend beim Stadtrat, lieferte die in Aus-sicht gestellte Begründung jedoch nie nach.Im Juni 1968 schrieb der Stadtrat den Rekursdaher als hinfällig ab. Somit bestehe keine Ge-

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Bei der Ankunft und...

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nehmigung derStadt für die Auf-stellung eines Flug-zeuges an diesemOrt.

Die „fliegendeFestung“ wurdespäter nachSt.Moritz verkauft,der geplante Frei-zeit- und Vergnü-gungspark nie reali-siert - die Autobahn1987 eingeweiht.

Das Ende des„SchweizerBombers“Nach St.Moritz...

Nach Schaffners Tod, etwa1969/1970, wurde die „LonesomePolecat“ erneut zerlegt, diesmalzum Ausstellen in einer anderenSchweizer Stadt, dem bekanntenSkikurort St.Moritz.

Und so ging im Frühling1970 der alte Bomber er-neut auf Reisen - mit derBahn zunächst ab St.Gallen perSBB nach Chur und ab dort perRHB-Tiefgangwagen nachSt.Moritz-Bhf. Am 23.03.1970 erfolg-te der Transport ab Bahnhof RHBSt.Moritz nach St.Moritz-Bad.

[Engadiner Post 26.03.1970]

Die Lokalpresse vermeldetehierzu am 26.03.1970:

„Ein außergewöhnlicher Schwer-transport wird in den nächsten Tagen auf demSchienenweg das Engadin erreichen: ein ame-rikanischer Bomber! Das ist weder ein April-scherz, noch hat es etwas mit Sex zu tun, son-dern es handelt sich tatsächlich um eine sog.fliegende Festung aus dem letzten Weltkrieg.Seither wurde das Flugzeug von vielen tau-send Schaulustigen besucht.

Nun soll die mächtige Maschine, welcheeine Länge von ca. 23 m aufweist und übereine Flügelspannweite von 32 m verfügt, inSt.Moritz vorübergehend als Attraktion aufge-stellt und für die Besichtigung freigegebenwerden. Obwohl der Bomber durch den sei-nerzeitigen Aufprall auf dem Zugersee etwasgelitten hat, stellt das Innere (Cockpit, Bom-ber- und Mannschaftsraum etc.) eine Sehens-würdigkeit besonderer Art dar. Es sind auchnoch mehrere Maschinengewehre vorhanden.

Der Transport dieses gewaltigen Ungeheu-ers konnte erst nach Abklärung zahlreicherFragen durch SBB und RhB bewerkstelligtwerden. Die Maschine befindet sich gegen-

wärtig unterwegs, und es darf angenommenwerden, daß sie während des nächsten Som-mers von zahlreichen in- und ausländischenInteressenten besucht werden wird.“

Von 1970 bis 1971/72 war der Bomber ne-ben dem Hotel/Restaurant Sonne in St.Moritz-Bad ausgestellt (heute Hotelparkplatz), direktneben der Polo-Wiese. Der Bomber wurdedurch Jugendliche mit Farbe verschmiert, erwar unansehnlich. Später jedoch wurde er voll-ständig neu bemalt und instandgestellt, sogarder Spitzname „Lonesome Polecat“ (einsamerIltis) und ein neuer Holzpropeller wurden an-gebracht, damit 4 Propeller vorhanden waren.Die B-17G sah hernach sehr gut aus, fast wieneu. Auch wurde ein Zaun um das Flugzeugund ein Kassenhaus erstellt. Und auch hierwurde für die Besichtigung ein Eintritt verlangt.

...und auf den Schrottplatz!Doch die noble Umgebung bekam dem al-

ten Bomber schlecht. Er lag zu seinem Pechin allzu vornehmer Nachbarschaft, neben ei-ner Polo-Wiese mit Sicht RichtungChantarella, vor Luxusbungalows, deren Be-sitzer sich durch das Flugzeug gestört fühl-ten. Dessen neuen Eigentümern fehlte das En-gagement des allzu früh verstorbenen „Bom-ber-Schaffner“, ihnen ging’s nur noch um’sGeld: 30.000 SFr wollten sie für denWeltkriegsveteranen haben, eine Summe, dieniemand zahlen konnte oder wollte. Und sokam es, wie es unter diesen Umständen kom-men mußte: 1972 wurde der Bomber inSt.Moritz verschrottet. Ein unersetzlicher Ver-

Herzlicher Dank an Rolf Zaugg, B-17 Mu-seum, Utzenstorf, Schweiz, für die Bereit-stellung der originalen Unterlagen und dieBeschaffung der Bilder, ohne die der Arti-kel gar nicht möglich gewesen wäre.

lust, handelte es sich doch um eines der letz-ten Originalflugzeuge der legendären 8th AirForce!

Was blieb von alliiertenFlugzeugen in der Schweiz?

Überreste von abgestürzten amerika-nischen Flugzeugen gibt es aber nochzuhauf, meint Oskar Rickenbacher,

Schweizer Historiker und Bomber-Experte. Soauch in unserem Fall. Trotz Verschrottung blie-ben von der B-17G „Lonesome Polecat“ eini-ge Einzelteile erhalten: 1 Propeller in Widnau(CH, Kanton St.Gallen) sowie einige Teile inder Sammlung von Rolf Zaugg („L’Histoirec’est moi“) in der Zuger Burg,; weitere Bau-teile finden sich im Reichsmuseum(Rijksmuseum) in Amsterdam, imLuchtoorlogmuseum (Luftkriegs-Mus.) inLisserbrock/NL (Motoren), sowie angeblich inSchweizer Privatsammlungen (MG, Propelleru.a. Kleinteile). Und laut dem SchweizerSchriftsteller Jean-Pierre Thevoz soll ein Teileines MG-Turmes noch immer auf dem Bo-den des Zugersees liegen. Wenn’s wahr ist...

Viele weitere Bomberteile - wenn auch nichtvon der „Lonesome Polecat“ - finden sich imprivaten B-17-Museum von Rolf Zaugg inUtzenstorf (CH, Kanton Bern), wo 1945 dieB-17 „Battle Queen“ notgelandet war - auchsie wurde verschrottet. [*] - J.P.K. Lauer

[* vgl. u.a. JET & PROP Nr. 4/17 (Bericht z. Museum Bergi. Graubünden, CH), S. 12 ff.; JET & PROP 1/17, S. 16 ff.(Kriegsbericht B-17 ü.d. Schweiz); und vor allem der gr.Bericht zur B-17 „Little Chub“ i.d. Schweiz in JET &PROP 2/15, S. 50 ff. sowie in J&P 3/01 & 4/02]www.Warbird.ch

Diese Notiz wurdemit der Panzerwestean das Stadtarchivvon Zug übergeben.

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