Das Paradox des Realen in der Kunst

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1 There’s nothing behind it. Andy Warhol Nature is a product of art and discourse. Nelson Goodman Let the atrocious images haunt us. Susan Sontag Das Paradox des Realen in der Kunst Eine erste rationale Unterscheidung, die die Bestimmung von Merkmalen selbst von ihrer Nichtbestimmung trennt, die im Sprechen über das Reale dem Realen einen anderen Ort zuweist als der unter Konstruktverdacht stehenden Realität, ist jene zwischen dem Begrifflichen und dem Unbegrifflichen. Das also nur ex negativo benannte Reale würde unter Letzteres fallen, während es der durch die Benennungen codierte, Merkmale filternde Blick, die durch die Interessen der Gattung geprägten und durch die jeweiligen Konventionen des Sehens geschulten Augen wären, die einem Realismus die Möglichkeit geben, sie über seine zeit und stilgebundene Künstlichkeit zu täuschen. Ob jetzt aus einer kantischen Sicht die prinzipielle Unzugänglichkeit des Realen oder aus konstruktivistischer Sicht die Künstlichkeit jeder Wirklichkeit hervorgehoben wird, bei Anschauungen, die Beobachter, Betrachtungsweisen, Methoden oder Versuchsanordnungen ins Kalkül ziehen, wird das Reale oft als jener Bereich gehandelt, der sich den Symbolisierungen von Wissenschaft und Kunst entzieht, obwohl er den Grund für die Erkenntnisse, Entdeckungen und Erfindungen liefert, die in ihnen formuliert oder mit ihrer Hilfe ausgeführt werden. Zeuxis und Parrhasios Wie anthropozentrisch es in den Reflexionen und Theorien über Kunst weiterhin zugeht, illustriert das Einverständnis, mit dem die alte Anekdote aus der Antike über den Wettstreit in täuschender Mimesis zitiert wird. Denn immer noch wird jenem Künstler der Vorrang eingeräumt, der seinen Kontrahenten mit einem gemalten Schleier so zu täuschen vermochte, daß dieser ihn vom dahinter vermuteten Bild wegzuziehen suchte, statt ihn jenem zuzuerkennen, der sogar die Vögel mit seiner zweidimensionalen Illusion verführte. Auch wenn von einem analytischen, wissenschaftlichen Standpunkt aus der Blick der Vögel und die mit ihm gekoppelten kognitiven Fähigkeiten sich als einfachere Zusammenhänge und Mechanismen darstellen lassen als die menschlichen, so müßte sich, von einem synthetischen Standpunkt der Kunst aus gesehen, der entsprechende visuelle Symbolismus um einiges erweitern oder allgemeingültiger gestalten, daß ihm auch Tiere auf den Leim gehen. Eine Behandlung der Anekdote, die das Augenmerk stärker auf die Vögel richtet, findet sich bei Jacques Lacan, wenn er über die „natürliche Funktion der Täuschung und der Augentäuschung“ spricht: „Wenn die Vögel sich auf die von Zeuxis mit Pinselstrichen bearbeitete Fläche stürzten und so das Bild für Trauben ansahen, müssen wir bemerken, daß der Erfolg dieses Unternehmens durchaus nicht davon abhängt, daß die Trauben auf jene wundervolle Art wiedergegeben waren, wie wir sie etwa bei jenen Trauben beobachten können, die sich im Korb von Caravaggios Bacchus in den Uffizien befinden. Wären die

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 There’s  nothing  behind  it.  

Andy  Warhol    

Nature  is  a  product  of  art  and  discourse.  Nelson  Goodman  

 Let  the  atrocious  images  haunt  us.  

Susan  Sontag  

 

Das  Paradox  des  Realen  in  der  Kunst    Eine  erste  rationale  Unterscheidung,  die  die  Bestimmung  von  Merkmalen  selbst  von  ihrer  Nichtbestimmung  trennt,  die  im  Sprechen  über  das  Reale  dem  Realen  einen  anderen  Ort  zuweist  als  der  unter  Konstruktverdacht  stehenden  Realität,  ist  jene  zwischen  dem  Begrifflichen  und  dem  Unbegrifflichen.  Das  also  nur  ex  negativo  benannte  Reale  würde  unter  Letzteres  fallen,  während  es  der  durch  die  Benennungen  codierte,  Merkmale  filternde  Blick,  die  durch  die  Interessen  der  Gattung  geprägten  und  durch  die  jeweiligen  Konventionen  des  Sehens  geschulten  Augen  wären,  die  einem  Realismus  die  Möglichkeit  geben,  sie  über  seine  zeit-­‐  und  stilgebundene  Künstlichkeit  zu  täuschen.  Ob  jetzt  aus  einer  kantischen  Sicht  die  prinzipielle  Unzugänglichkeit  des  Realen  oder  aus  konstruktivistischer  Sicht  die  Künstlichkeit  jeder  Wirklichkeit  hervorgehoben  wird,  bei  Anschauungen,  die  Beobachter,  Betrachtungsweisen,  Methoden  oder  Versuchsanordnungen  ins  Kalkül  ziehen,  wird  das  Reale  oft  als  jener  Bereich  gehandelt,  der  sich  den  Symbolisierungen  von  Wissenschaft  und  Kunst  entzieht,  obwohl  er  den  Grund  für  die  Erkenntnisse,  Entdeckungen  und  Erfindungen  liefert,  die  in  ihnen  formuliert  oder  mit  ihrer  Hilfe  ausgeführt  werden.  

Zeuxis  und  Parrhasios  

Wie  anthropozentrisch  es  in  den  Reflexionen  und  Theorien  über  Kunst  weiterhin  zugeht,  illustriert  das  Einverständnis,  mit  dem  die  alte  Anekdote  aus  der  Antike  über  den  Wettstreit  in  täuschender  Mimesis  zitiert  wird.  Denn  immer  noch  wird  jenem  Künstler  der  Vorrang  eingeräumt,  der  seinen  Kontrahenten  mit  einem  gemalten  Schleier  so  zu  täuschen  vermochte,  daß  dieser  ihn  vom  dahinter  vermuteten  Bild  wegzuziehen  suchte,  statt  ihn  jenem  zuzuerkennen,  der  sogar  die  Vögel  mit  seiner  zweidimensionalen  Illusion  verführte.  Auch  wenn  von  einem  analytischen,  wissenschaftlichen  Standpunkt  aus  der  Blick  der  Vögel  und  die  mit  ihm  gekoppelten  kognitiven  Fähigkeiten  sich  als  einfachere  Zusammenhänge  und  Mechanismen  darstellen  lassen  als  die  menschlichen,  so  müßte  sich,  von  einem  synthetischen  Standpunkt  der  Kunst  aus  gesehen,  der  entsprechende  visuelle  Symbolismus  um  einiges  erweitern  oder  allgemeingültiger  gestalten,  daß  ihm  auch  Tiere  auf  den  Leim  gehen.  Eine  Behandlung  der  Anekdote,  die  das  Augenmerk  stärker  auf  die  Vögel  richtet,  findet  sich  bei  Jacques  Lacan,  wenn  er  über  die  „natürliche  Funktion  der  Täuschung  und  der  Augentäuschung“  spricht:  „Wenn  die  Vögel  sich  auf  die  von  Zeuxis  mit  Pinselstrichen  bearbeitete  Fläche  stürzten  und  so  das  Bild  für  Trauben  ansahen,  müssen  wir  bemerken,  daß  der  Erfolg  dieses  Unternehmens  durchaus  nicht  davon  abhängt,  daß  die  Trauben  auf  jene  wundervolle  Art  wiedergegeben  waren,  wie  wir  sie  etwa  bei  jenen  Trauben  beobachten  können,  die  sich  im  Korb  von  Caravaggios  Bacchus  in  den  Uffizien  befinden.  Wären  die  

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Trauben  von  der  Art  gewesen,  wäre  es  sogar  sehr  unwahrscheinlich,  daß  die  Vögel  sich  hätten  täuschen  lassen,  denn  wie  sollten  Vögel  in  solch  forcierter  Malweise  Trauben  erkennen?  Es  muß  da  in  dem,  was  für  die  Vögel  eine  Traubenbeute  darstellt,  etwas  sein,  das  reduzierter  ist,  das  dem  Zeichen  nähersteht.  Dagegen  zeigt  das  Beispiel  von  Parrhasios,  wenn  man  einen  Menschen  täuschen  will,  braucht  man  ihm  nur  das  Bild  eines  Vorhangs  vor  Augen  zu  halten,  das  heißt  das  Bild  von  etwas,  jenseits  dessen  er  zu  sehen  verlangt.“1  Interessant  ist,  wie  an  dieser  Stelle  Lacan  reduziert    mit  Zeichen  in  Verbindung  bringt,  damit  das  Dargestellte  auch  für  Vogelhirne  „von  Bedeutung“  sein  könne.  Plausibel  würde  doch  genauso  scheinen,  der  Zweidimensionalität  die  Fähigkeit  abzusprechen,  Vögel  zu  täuschen,  und  nur  dreidimensionalen  Nachbildungen  zuzutrauen,die  perfekte  Illusion  zu  erzeugen,  die  sogar  den  Blick  der  nach  Beute  suchenden  Tieraugen  anzieht.    

Brunelleschis  Spiegelexperiment  und  das  fixierte  Objektiv  

Die  historische  Bedingtheit  der  menschlichen  Wahrnehmung  erhellt  ein  anderes,  viel  zitiertes  Experiment  eines  Baumeisters  der  Renaissance,  Filippo  Brunelleschi,  um  1425,  das  -­‐  neben  Erwin  Panofsky  oder  in  jüngerer  Zeit  Jean-­‐Francois  Lyotard2  -­‐  Paul  Feyerabend  in  Wissenschaft  als  Kunst3  bringt.    

 

Brunelleschi  malt  die  Außenansicht  des  Baptisteriums  von  San  Giovanni  in  Florenz  und  nimmt  als  Hintergrund  einen  polierten  Spiegel.  In  die  Mitte  des  Bildes  bohrt  er  ein  kleines  Loch,  das  sich  für  den  bequemeren  Durchblick  mit  einem  Auge  zur  Rückseite  hin  weitet.  Das  Experiment  besteht  nun  darin,  daß  sich  eine  Betrachterin  oder  ein  Betrachter  an  den  Ort  begibt,  von  dem  aus  das  Bild  gemalt  worden  war,  nämlich  in  den  Eingang  des  florentinischen  Domes,  und  dort  in  bestimmter  Höhe  mit  einem  Auge  durch  das  Loch  in  der  Rückseite  des  Bildes  blickt,  während  in  einem  genau  berechneten  Abstand,  der  im  kleineren  Maßstab  des  Abbilds  der  Entfernung  des  Baptisteriums  vom  Betrachter  entspricht,  ein  Spiegel  gehalten  wird.  In  diesem  Spiegel  sieht  der  Betrachter  nicht  nur  das  reflektierte  gemalte  Baptisterium,  sondern  auch  den  doppelt  reflektierten  natürlichen  Himmel,  und  die  Wolken,  so  welche  am  Himmel  sind  und  der  Wind  sie  treibt,  ziehen  in  einer  doppelten  Spiegelung  in  die  selbe  Richtung  wie  jene,  die  sich  dem  Blick  bieten,  der  sich  direkt  auf  das  Baptisterium  richtet,  wenn  der  Spiegel  weggezogen  wird.  Brunelleschi  will  damit  beweisen,  daß  sich  das  Auge  so  täuschen  läßt,  daß  der  Betrachter  nicht  mehr  zwischen  Kunst  und  Wirklichkeit  zu  unterscheiden  vermag.  In  Della  pittura  liefert  Leon  Battista  Alberti  die  Theorie  nach,  die  bald                                                                                                                  1  Berlin  1996,  S.  118  ff.  2  Erwin  Panofsky,  Die  Perspektive  als  Symbolische  Form  in  Aufsätze  zu  Grundfragen  der  Kunstwissenschaft,  Berlin  1974,  Jean-­‐Francois  Lyotard,  Essays  zu  einer  affirmativen  Ästhetik,  S.79  3  Frankfurt  am  Main  1984,  S.17  ff.  

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ihre  ersten  Kritiker  findet.  „Von  Euklid  hatte  Alberti  das  Prinzip  übernommen:  ‚Wenn  der  Winkel  am  Auge  spitzer  wird,  dann  erscheint  das  gesehene  Ding  kleiner.‘  Dieses  Prinzip  spielte  später,  nach  Kepler  und  Descartes,  eine  wichtige  Rolle  in  der  abendländischen  Optik.  Modern  ausgedrückt  bedeutet  es  die  Gleichsetzung  von  Sehraum  und  physikalisch-­‐optischem  Raum.  […]  Der  Maler  malt  aber  nicht  für  Einäugige  mit  unbeweglich  festgeschraubtem  Kopf,  er  malt  für  Menschen,  die  sich  frei  vor  einem  Bilde  bewegen.  Soll  das  Bild  auch  für  solche  Beobachter  natürlich  und  nicht  verzerrt  erscheinen,  dann  muß  es  nach  anderen  Gesetzen  aufgebaut  werden.“4    

Mehr  noch  als  Brunelleschis  illusionistische  Abbildung  mit  doppelter  Spiegelung  gilt  die  Camera  obscura  als  paradigmatisches  Modell  sowohl  für  das  Auge,  für  ein  objektives  Sehen,  als  auch  für  die  Rolle,  die  das  Objektiv  in  der  Fotografie  spielt.  Wieder  ist  es  ein  kleines  Loch,  nur  projizieren  nicht  von  einem  Spiegelbild  ausgehende  Lichtwellen  durch  dieses  ein  Bild  in  das  Auge  des  Betrachters,  sondern  Licht  fällt  in  einen  hinter  dem  Loch  liegenden  dunklen  Raum,  auf  dessen  gegenüber  liegenden  Wand  ein  umgekehrtes  Bild  erscheint.  In  seinem  Aufsatz  Die  Modernisierung  des  Sehens  (1988)5  kritisiert  Jonathan  Crary  die  Auffassungen,  die  eine  kontinuierliche  Entwicklung  von  der  Camera  obscura  als  „zentraler  epistemologischer  Figur“  zur  Fotokamera  sehen  wollen.  Ähnlich  wie  Paul  Feyerabend  zielt  er  auf  die  Monokularität  des  zugrundeliegenden  Modells:  „Die  Öffnung  der  Kamera  korrespondierte  mit  einem  einzigen,  mathematisch  definierbaren  Punkt,  von  dem  aus  die  Welt  logisch  deduzierbar  und  repräsentierbar  war.  […]  Die  sinnliche  Wahrnehmung,  die  in  jeder  Hinisicht  vom  Körper  abhängig  war,  wurde  zugunsten  der  Repräsentationen  dieses  mechanischen,  monokularen  Apparats,  deren  Authentizität  jenseits  allen  Zweifels  verortet  wurde,  verworfen.  […]  Ein  monokulares  Modell  dagegen  schloß  das  schwierige  Problem  der  Versöhnung  der  ungleichen  und  darum  provisorischen,  tentativen  Bilder,  die  sich  jedem  der  beiden  Augen  bieten,  aus.“6  Crary  gelingt  es  zu  zeigen,  wie  im  19.  Jahrhundert  das  statische  Modell  der  geometrisierenden  Optik,  die  den  Betrachter  mit  einem  Blickpunkt  gleichsetzt,  durch  eine  Auffassung  ersetzt  wird,  die  Sehen  als  zeitgebundenes  Wechselspiel  von  Reizen  und  körperlichen  Prozessen  versteht.  Bestätigt  sieht  er  sich  auch  von  Michel  Foucault,  der  in  Die  Ordnung  der  Dinge  den  Bruch  zwischen  dem  18.  und  19.  Jahrhundert  ansetzt,  der  die  alten,  kategorisch  fixierten  Repräsentationssysteme  verabschiede,  und  mit  „archäologischen“  Freilegungen  in  Naturgeschichte,  allgemeiner  Grammatik  und  ökonomischem  Wertesystem  diese  historische  Dekonstruktion  der  enzyklopädischen  Erkenntnis  zu  demonstrieren  versucht.    

Repräsentation  und  Malcolm  Morleys  Raster  

Als  Abgesang  auf  die  Repräsentationssysteme  stellt  Foucault  in  Die  Ordnung  der  Dinge  der  wissenschaftsgeschichtlichen  Analyse  seine  hervorragende  Bildanalyse  von  Velazquez‘  Las  Meninas  (Die  Hoffräulein)  vorran.  Auch  wenn  dort  die  Wirklichkeit  der  Modelle,  wie  sie  Brunelleschis  Spiegelkonstruktion  und  die  Camera  obscura  ausnützen,  durch  die  Reflexivität  des  zweidimensionalen  symbolischen  Bildraums  ersetzt  wird,  klingt  etwas  von  den  Strukturen  der  Modelle  nach:  fast  als  eine  Inverse  der  Camera  hüllt  das  Licht,  „indem  es  die  Szene  überflutet  (sowohl  das  Zimmer,  als  auch  die  Leinwand,  das  auf  der  Leinwand  repräsentierte  Zimmer  und  das  Zimmer,  in  dem  die  Staffelei  aufgestellt  ist),  die  Personen  und  Betrachter  ein  und  zieht  sie  durch  den  Blick  des  Malers  zu  dem  Punkt,  wo  der  Maler  sie  

                                                                                                               4  ebd.  S.  23  5  In  Texte  zur  Theorie  der  Fotografie,  Stuttgart  2010,  S.  206  ff.  6  ebd.  S.  210  ff.  

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repräsentieren  wird.“7  Und  dort,  wo  sich  der  malende  Velazquez  befunden  hat  und  wir  als  Betrachter  uns  wiederfinden,  sitzt  in  der  angenommenen  Wirklichkeit  des  Bildes  das  vom  gemalten  Maler  zu  malende  Königspaar,  das  sich  im  gemalten  Spiegel  am  Ende  des  Bildraumes  undeutlich  zeigt.  Wenn  Thomas  Struth  für  eines  seiner  Museumsbilder,  Museo  del  Prado  7,  Madrid  2005,  den  Raum  vor  dem  Bild  fotografiert,  hat  sich  der  Blickwinkel  verschoben.  Velazquez‘  Bild  findet  sich  in  der  rechten  oberen  Ecke  der  Fotografie  wieder,  und  vor  den  Hoffräulein  stehen  Mädchen  in  Schuluniform,  in  Strümpfen  und  karierten  Röcken.  Ein  historisch  markierter  Bildraum  kommentiert  hier  einen  anderen  und  thematisiert  gleichzeitig  das  Verhältnis  zwischen  Fotografie  und  Malerei,  sowie  zwischen  Kunst  und  ihrer  (Nicht-­‐)Rezeption  im  Museum.  

Zu  einer  anderen  Form  von  Reflexivität  findet  Malcolm  Morley,  wenn  er  eine  Plakat-­‐Reproduktion  von  Jan  Vermeers  Malkunst  malend  reproduziert.  Während  auf  Struths  Foto  der  gemalte  Spiegel  immer  noch  sowohl  den  Bildraum  des  fotografierten  Bildes  als  auch  den  des  Fotos  erweitert,  spannt  Morley  eine  gerasterte  Reproduktion  des  Fotos  gleichsam  als  Farbfilter  zwischen  zwei  gemalte  Bilder.  Nicht  so  raffiniert  wie  bei  Velazquez,  wo  sich  die  Blicke  der  Betrachter  mit  dem  des  gemalten  Malers  treffen,  blicken  wir  bei  Vermeers  „Malkunst“  in  die  selbe  Richtung  wie  der  in  Rückenansicht  abgebildete  Maler  und  haben  freie  Sicht  auf  sein  Modell.  Daß  der  Bildraum  Vermeers  wie  bei  ihm  üblich  von  links  und  vom  Hintergrund  her  beleuchtet  ist,  während  bei  Velazquez  „Las  Meninas“  das  Bild  im  Vordergrund  und  von    rechts  einfällt,  zwingt  Vermeer,  anders  als  bei  Velazquez‘  dunklen  Andeutungen  der  an  den  Wänden  hängenden  Bilder,  die  Wandkarte  im  Hintergrund  genau  darzustellen,  sodaß  sie  als  topologische  Darstellung  der  Niederlande  vor  1581  bestimmbar  ist.  Statt  Velazquez‘  Rückseite  einer  Leinwand  zeugt  Vermeers  schwerer,  zurückgezogener  Vorhang  am  linken  Bildrand  von  einer  noch  ungebrochenen,  klassischen  Auffassung  von  Repräsentation  und  Realismus,  die  auf  dem  Tisch  liegende  Maske  symbolisiert  die  Mimesis.  Auch  hier  wird  also  ein  System  von  Repräsentationen  aufgefahren,  für  das  die  Landkarte  als  paradigmatisch  gelten  kann  und  das  Jean  Baudrillard  gleich  am  Anfang  seiner  Schrift  Agonie  des  Realen  verabschiedet.  Er  fängt  dort  mit  einer  Erzählung  von  Jorge  Luis  Borges  an,  nämlich  mit  der  von  der  Karte,  die  sich  mit  dem  von  ihr  abgebildeten  Gebiet  deckt,  um  zum  Schluß  zu  kommen:  „Heutzutage  funktioniert  die  Abstraktion  nicht  mehr  nach  dem  Muster  der  Karte,  des  Duplikats,  des  Spiegels  und  des  Begriffs.  Auch  bezieht  sich  die  Simulation  nicht  mehr  auf  ein  Territorium,  ein  referentielles  Wesen  oder  auf  eine  Substanz.  Vielmehr  bedient  sie  sich  verschiedener  Modelle  zur  Generierung  eines  Realen  ohne  Ursprung  oder  Realität,  d.h.  eines  Hyperrealen.  Das  Territorium  ist  der  Karte  nicht  mehr  vorgelagert,  auch  überlebt  es  sie  nicht  mehr.  Von  nun  an  ist  es  umgekehrt:  […]  Nicht  die  Karte,  sondern  Spuren  des  Realen  leben  hier  und  da  in  den  Wüsten  weiter,  nicht  in  den  Wüsten  des  REICHES,  sondern  in  unserer  Wüste,  in  der  Wüste  des  Realen  selbst.“8  Wie  eine  Baudrillard  zuvorkommende  Illustration  dieser  karthographischen  These  wirkt  es,  wenn  Malcolm  Morley  seine  Vorlage  rastert,  um  180  Grad  dreht,  um  beim  Malen  den  Gestalt  wahrnehmenden  Gesamteindruck  zu  stören,  um  Raster  um  Raster  die  von  ihnen  erfassten  Farbverhältnisse  zu  übertragen.  Allerdings  vergröbert  Morleys  flächiger  Auftrag  von  Acryl-­‐Farbe  die  Darstellung,  der  Vier-­‐Farben-­‐Druck  des  Plakats  wird  im  Gemälde  an  den  Rändern  der  Figuren  und  vor  allem  der  schwarzen  und  weißen  Platten  des  Atelier-­‐Bodens  sichtbar.  Jean  Claude  Lebenstzeijn  weist  

                                                                                                               7  Frankfurt  am  Main  1991,  S.34  8  Berlin  1978,  S.7  ff.  Wie  aktuell  die  Karte  als  Paradigma  immer  noch  ist,  siehe  auch  Band  202,  Mai-­‐Juni  2010,  des  „Fiktion  der  Kunst  der  Fiktion“  gewidmeten  Kunstforums,  S.  132:  „Das  Ganze  scheint  realer  als  seine  fiktiven  Teile:  Kartografische  Arbeiten  von  Wim  Delvoye,  Michael  Müller  und  Susanne  Weirich.“  

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darauf  hin,  daß  Morley  selbst  für  seine  Malerei  einen  anderen  Namen  als  Hyper-­‐  oder  Photo-­‐Realismus  bevorzugte:  „Post-­‐Pop?  Radical  Realism?  Sharp-­‐Focus  Realism?  Photographic  Realism?  Ektachromism?  In  France  and  other  countries,  ‘Hyperrealism’  became  the  catchword,  while  in  the  United  States  ‘Photo-­‐Realism’  took  hold.  Morley  didn’t  like  this  term  […].  He  chose  ‘Superrealism’  for  himself  (Mondrian  had  already  used  the  phrase  ‘Superrealist  art’  in  1930);  later,  perhaps  to  maintain  his  distance,  he  spoke  of  ‘fidelity  paintings’.”9    

Morleys  Gemälde  Race  Track,  die  Übertragung  eines  Posters  einer  südafrikanischen  Reisagentur  (1970),  zeigt  eine  Pferderennbahn.  Indem  er  die  Bildfläche  mit  dem  monotypie-­‐artig  aufgedruckten  X  konkretisiert  und  damit  gleichzeitig  das  gemalte  Zitat  der  Reproduktion  durchstreicht,  bricht  Morley  mit  der  eigenen  superrealistischen  Malweise.  Seine  Eingriffe  werden  in  dieser  Phase  immer  drastischer  und  finden  sowohl  auf  der  illusionistischen  Bildebene  statt,  indem  die  Vorlage  zerknittert  und  zerrissen  dargestellt  wird,  als  auch  auf  der  gegenständlichen  selbst,  indem  das  Bild  z.B.  von  einem  Küchenmesser  durchbohrt  wird  (Disaster,  1972-­‐4).  Performance  und  Collage,  bzw.  Assemblage,  lassen  offenbarer  werden,  was  die  akribische  Malerei  beim  Hyperrealismus,  die  Serienproduktionen  in  der  Pop-­‐Art  vergessen  lassen:  dass  mit  der  Vorlage  -­‐  Foto,  Poster,  Buchdeckel,  Suppendose  oder  BrilloBox  -­‐  das  Ready-­‐made  am  Ausgangspunkt  dieser  Kunstproduktionen  und  -­‐richtungen  steht.  

Fotografischer  Realismus  im  Zeichen  der  gekappten  Indexalität  

In  der  1972  in  Kassel  von  Harald  Szeemann  kuratierten  documenta  5  wurden  in  der  Neuen  Gallerie  im  Erdgeschoß  viele  Vertreter  der  von  den  Veranstaltern  Fotografischer  Realismus  genannten  Richtung,  wie  Jasper  Johns,  Richard  Artschwager,  Chuck  Close,  Gerhard  Richter,  Ralph  Goings,  Duane  Hanson,  Franz  Gertsch,  Malcolm  Morley  etc.  gezeigt  und  ihnen  damit  Geltung  verschafft.  Jean  Christophe  Ammann  nennt  im  Katalog  sechs  Kriterien,  die  diese  Richtung  auszeichnen:    

a) Wie  bei  Richter,  bildet  die  Vorlage  fast  immer  ein  Foto  oder  ein  Diapositiv.  b) Durch  die  Wahl  der  fotografischen,  auf  die  Bildunterlage  projizierten  Vorlage,  wird  

die  traditionelle  Komposition  ersetzt.  c) Das  handschriftliche  Merkmal  tritt  völlig  zurück.  d) Der  Bildgegenstand  wird  entsprechend  der  Vorlage  präzis  wiedergegeben.  e) Die  Motive  entstammen  prinzipiell  dem  Alltag  des  Künstlers  und  seiner  Umgebung.  f) Die  fotografische  Unterlage  ist  nicht  ein  Hilfsmittel,  sondern  die  bewusste  

Ausgangssituation  für  das  Bild  eines  Bildes  (in  der  in  diesem  Zusammenhang  extremen  Formulierung  Richters:  „Das  Foto  ist  nicht  Hilfsmittel  für  die  Malerei,  sondern  die  Malerei  Hilfsmitttel  für  ein  mit  den  Mitteln  der  Malerei  hergestelltes  Foto“).10  

So  mutig  und  sinnvoll  es  ist,  für  einen  Katalog  solche  Kriterien  zu  formulieren,  so  sicher  werden  sie  schon  wegen  des  Mediums,  in  dem  sie  formuliert  werden  müssen,  einer  eingehenden  Überprüfung  nicht  standhalten  können.  Denn  wie  präzis  zum  Beispiel  gibt  „präzis“  die  geforderte  Malweise  wieder?  Schon  Morleys  einer  direkten  Übersetzung  nahe  kommende  Rastermethode  zeigt  nicht  nur  die  mögliche  Bandbreite  von  Genauigkeit,  sondern  auch,  daß  sie  bei  gröberem  Pinselstrich  den  expressiven  Gestus  nicht  ausschließt;  

                                                                                                               9  ebd.  S.47  10  Kassel  1972,  Registerblatt  15  

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nicht  anders  verhält  es  sich  mit  den  Malweisen,  die  sich  der  Vorlagen  bemächtigen,  indem  diese  als  Lichtbild  direkt  auf  die  Leinwand  projiziert  werden.    

Die  Fixierung  auf  das  Foto  als  Vorlage  hat  unter  anderem  den  Vorteil,  daß  Fotografien  selbst  nicht  nur  historisch  einen  Einschnitt  in  die  Möglichkeiten  der  Darstellung  bedeuten,  sondern,  werden  sie  als  Zeichen  aufgefaßt,  einen  idealen  Gegenstand  für  die  Diskussion  über  den  Status  von  Abbild  und  Zeichen  bilden.  Charles  S.  Peirce  teilt  die  Zeichenklassen  ein  in  ikonische,  die  sich  durch  Ähnlichkeit,  indexalische,  die  sich  durch  Wirkzusammenhang  (wie  Rauch  auf  Feuer)  und  symbolische,  die  sich  durch  Konvention  auf  ihren  Referenten  beziehen.  Fotografien  werden  schon  bei  Peirce  der  indexalischen  Zeichenklasse  zugeschlagen.  Roland  Barthes  folgt  ihm  darin,  wenn  er  der  direkten  Einwirkungen  der  Lichtwellen  auf  die  chemische  Reaktionsfähigkeit  des  Fotopapiers  den  Vorrang  einräumt  vor  allen  Manipulationsmöglichkeiten  für  die  Fotografierenden,  sowohl  was  die  Entwicklung  in  der  Dunkelkammer  betrifft,  als  auch  hinsichtlich  Kameraeinstellung,  Objektiv,  Blickwinkel,  Lichteinfall,  Tiefenschärfe,  Blende  etc.  So  kommt  Barthes  zu  dem  Schluß,  daß  nicht  Kunst  oder  Kommunikation,  sondern  die  Referenz  das  Grundprinzip  der  Fotografie  sei.  Dass  die  Fotografie  im  Zeitalter  ihre  digitalen  Reproduzierbarkeit,  Verfügbarkeit  und  errechneter  Veränderbarkeit  ein  noch  weniger  vertrauenswürdiges  Medium  der  Dokumentation  darstellt  als  zur  Zeit  der  Retouchen,  ändert  nichts  an  der  Plausiblität  dieser  prinzipiellen  Sichtweise.  Wenn  Camera  obscura  und  Fotokamera  als  Modell  für  das  Auge  gegolten  hatten  -­‐  für  den  Physiologen  Helmholtz  stand  schon  damals  die  technische  Defizienz  (Blinder  Fleck,  Farbenzerstreuung,  Gefäßschatten  etc.)  des  Organs  gegenüber  den  Apparaten  fest  -­‐  so  wird  jetzt  die  auf  elektronischen  Impulsen  basierende  digitale  Codierung  und  Prozessierung  der  Bilder  als  Modell  für  das  Sehen  gehandelt,  ohne  sich  um  die  Unterschiede  in  Mächtigkeit  und  in  der  Organisation  zu  kümmern.  Die  digital  vermehrten  Möglichkeiten  der  Bildbearbeitung  sollten  den  Blick  eher  auf  die  Grenze  richten  lassen,  die  Roland  Barthes  zwischen  Kunst  und  Fotografie  zu  ziehen  versucht.  Seine  Reflexionen  in  Die  helle  Kammer  beziehen  sich  ja  auf  Errinnerungsfotografien  und  historische  Fotografien  und  sind  mit  „studium“  (Wissen)  und  „punctum“  (ansprechendes  Detail)  vor  allem  an  der  eigenen  Reaktion  auf  die  betrachteten  Fotografien  interessiert,  wobei  das  „punctum“  als  jene  Verkörperung  des  Realen  verstanden  werden  könnte,  die  sein  Interesse  am  Bild  zu  wecken  vermag,  während  für  Walter  Benjamin  in  Kleine  Geschichte  der  Photographie  es  das  Wissen  ist,  das  Fotografien  lesbar,  dechiffrierbar  und  sie  als  historischen  Index  erkennbar  macht.    

Die  Indexalität  als  neues  Kunstparadigma  zu  installieren,  versucht  die  amerikanische  Kunsttheoretikerin  Rosalind  E.  Krauss.  Sie  führt    Linguistik  und  Lacan  ins  Feld  und  will  sich  -­‐  wie  ihre  Mitstreiter  Hal  Foster  und  Benjamin  Buchloh  -­‐  gegen  das  formalistische  Modernismusverständnis  der  vorhergehenden  Theoretikergeneration  abgrenzen.  In  ihren  Untersuchungen  über  Indexalität  in  Notes  on  the  Index  I  +  II  geht  Krauss  von  der  Kunstfotografie  (Man  Ray)  aus  und  bringt  diese  als  physikalischen  Lichtabdruck  mit  Marcel  Duchamps  Ready-­‐mades  in  Verbindung,  die  für  sie  den  eigentlichen  Paradigmenwechsel  von  subjektiver,  von  expressiven  Zügen  nie  freien  Autorenkunst  zum  objektiven  Kunstwerk  darstellen.  Angesichts  der  Vielfalt  der  Kunst  der  Siebziger  Jahre  frägt  sie  sich:  “But  is  the  absence  of  a  collective  style  the  token  of  a  real  difference?  Or  is  there  not  something  else  for  which  all  these  terms  are  possible  manifestations?”11  Anlässlich  von  Airtime,  einer  Videoarbeit  von  Vito  Acconci  (1973),  die  ihn  im  Dialog  mit  seinem  Spiegelbild  zeigt,  das  er  manchmal  mit  „You“  anspricht,  kommt  sie  auf  Jakobsons  linguistische  Kategorie  des  Shifters  

                                                                                                               11  First  MIT  Press  paperback  edition,  1986,  S.  196  ff.  

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zu  sprechen,  zu  der  die  Personalpronomina  gehören,  die  nur  deshalb  Bedeutung  hätten,  weil  sie  diese  wechseln  können,  weil  sie  „leer“  seien  und  von  Sprechenden  wechselweise  apropriiert  werden  könnten.  Die  gleiche  Arbeit  gibt  Krauss  Gelegenheit,  Lacans  Spiegelstadium  ins  Spiel  zu  bringen,  in  das  Kleinkinder  zwischen  sechs  und  achtzehn  Monaten  eintreten  sollen.  Die  Identifikation  mit  etwas,  daß  in  einer  primären  Entfremdung  als  außerhalb  wahrgenommen  wird,  ist  nach  Lacan  die  Wurzel  des  Imaginären,  während  der  Spracherwerb  mit  präexistenten  Rahmenbedingungen  konfrontiert  und  damit  die  historische  Dimension  eröffne,  die  Grundlage  alles  Symbolischen.  Für  das  Erlernen  der  Bedeutung  des  Symbolischen  sei  bei  der  Konfrontation  des  Kleinkinds  mit  dem  eigenen  Spiegelbild  wichtig,  daß  eine  dritte  Person  anwesend  ist,  die  ihn  zur  Identifikation  anleitet,  sodaß  die  sogenannte  Triangulierung  stattfinden  könne,  die  die  Unterscheidung  zwischen  imaginär,  symbolisch  und  real  ermögliche,  denen  Bild,  Signifikant  und  Signifikat  entspreche.    

In  The  Return  of  the  Real  spricht  auch  Hal  Foster  von  einem  lacan‘schen  Shift,  eine  Verschiebung,  die  die  zeitgenössische  Kunst  auszeichne  und  sich  am  Werk  Cindy  Shermans  besonders  eindrücklich  zeigen  lasse.  Er  teilt  dieses  ein  gemäß  drei  Schemata,  die  Lacan  in  Die  vier  Grundbegriffe  der  Psychoanalyse    bringt.  Das  erste  Schema,  Objekt  /  Bild~Image  /  Geometralpunkt  soll  „in  drei  Termen  an  die  Optik  erinnern,  die  zur  Anwendung  kommt  bei  der  operativen  Montage,  bei  der  es  um  eine  umgekehrte  Anwendung  der  Perspektive  geht.“12    

 

Die  umgekehrte  Anwendung  besteht  nach  Lacans  bildlicher  Ausdrucksweise  darin,  daß  der  Betrachter  durch  das  Objekt  dem  Blick  ausgesetzt  und  zum  Bild  wird.  Dieser  Position  ordnet  Hal  Foster  das  Frühwerk  Cindy  Shermans  mit  den  Film-­‐Stills  zu:  „Im  frühen  Werk  von  1975-­‐82,  von  den  Standfotos  über  die  Hintergrundprojektionen  zu  den  Centerfolds  und  Farbtests,  beschwört  Sherman  das  Subjekt-­‐als-­‐Bild.  […]  Ihre  Subjekte  können  freilich  sehen,  aber  viel  eher  werden  sie  gesehen.“13  Das  zweite  Schema,  Licht  /  Schirm  /  Tableau,  läßt  nach  Lacan  das  Subjekt  am  Bildpunkt  das  Objekt  am  Lichtpunkt  wahrnehmen,  geschützt  durch  den  Schirm,  ohne  den  es  vom  Realen  berührt  und  geblendet  würde.  Der  Schirm  als  Fleck  deckt  in  Lacans  Illustration,  die  zwei  konzentrische  Kreise  zeigt,  das  Zentrum  ab.  Sich  auf  die  Phänomenologie  der  Wahrnehmung  Maurice  Merleau-­‐Pontys  berufend,  in  der  Lichtexperimente  mit  Blendeffekt  besprochen  werden,  bei  denen  ein  kleiner  Schirm  hilft,  das  vom  Lichtstrahl  verdeckte  Objekt  wieder  zu  sehen,  deklariert  Lacan:  „in  ihrem  Verhältnis  zum  Begehren  erscheint  die  Realität  nur  als  marginal.“14  Hier  sieht  Foster  Cindy  Shermans  mittleres  Werk  (1987-­‐90)  -­‐  Modefotos,  Märchenillustrationen,  kunstgeschichtliche  Portraits  

                                                                                                               12  Berlin  1987,  S.98  13  Rotterdam  1996,  S.80  ff.  14  ebd.  S.  115  

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und  Katastrophenbilder  -­‐  entsprechen.  Es  gelingt  ihm  nicht  wirklich,  die  zweite  Phase  (außer  zeitlich)  zur  ersten  hin  abzugrenzen,  auch  weil  unklar  bleibt,  was  unter  „moves  to  the  image-­‐screen,  to  its  repertoire  of  representations“  verstanden  werden  soll.    

 

Das  dritte  Schema  Lacans  legt  die  beiden  ersten  übereinander,  so  kommt  in  der  Mitte  Bild~image  und  Schirm  zu  liegen,  rechts  das  Subjekt  der  Vorstellung  und  links  der  Blick.  „Nur  das  Subjekt  –  das  menschliche  Subjekt,  das  Subjekt  des  Begehrens,  welches  das  Wesen  des  Menschen  ausmacht  –  unterliegt,  im  Gegensatz  zum  Tiere,  nicht  ganz  diesem  imaginären  Befangensein.  […]  In  dem  Maße,  wie  es  die  Funktion  des  Schirms  herauslöst  und  mit  ihr  spielt.  Tatsächlich  vermag  der  Mensch  mit  der  Maske  zu  spielen,  ist  er  doch  etwas,  über  dem  jenseits  der  Blick  ist.  Der  Schirm  ist  hier  Ort  der  Vermittlung.“15  Das  Spiel  mit  der  Maske  soll  den  Blick  abhalten,  so  wie  er  bei  Lacan  gedacht  wird,  nämlich  böse  und  gefährlich,  entsprechend  dem  begehrlichen,  gefräßigen  Auge.  Der  Schirm  soll,  wie  Lacan  sich  ausdrückt,  den  Blick  zähmen,  ihn  zwingen,  die  Waffen  niederzulegen.  Versagt  der  Ort  der  Vermittlung,  reißt  der  Schirm,  trete  das  Reale  als  Chaotisches,  Formloses  zutage.  Auch  Pop-­‐Art,  die  er  vom  Surrealismus  her  verstehen  will,  besonders  die  Serien  Andy  Warhols,  wie  die  Disaster-­‐Serie,  bringt  Hal  Foster  mit  Lacans  Trauma-­‐Theorie  und  Barthes  punctum  in  Verbindung.  Gerade  die  Silk-­‐Screens  sollen  hier  die  Rolle  spielen,  Lacans  Schirm  zu  durchbrechen.  In  den  Figuren  von  Duane  Hanson  oder  John  de  Andrea  sieht  er  den  Illusionismus  ihrer  Künstlichkeit  so  weit  getrieben,  daß  sie  das  Reale  berühren:  „This  art  does  intentionally  what  some  superrealist  art  did  inadvertently,  which  is  to  push  illusionism  to  the  point  of  the  real.  Here  illusionism  is  employed  not  to  cover  up  the  real  with  simulacral  surfaces  but  to  uncover  it  in  uncanny  things  …”  Dieser  Strategie  stellt  er  eine  andere  zur  Seite,  die  direkter  zum  Ziel  führen  soll:  “The  second  approach  runs  opposite  to  the  first  but  to  the  same  end:  it  rejects  illusionism,  indeed  any  sublimation  of  the  object-­‐gaze,  in  an  attempt  to  evoke  the  real  as  such.”16  Unter  die  zweite  fallen  nach  Foster  eben  die  Arbeiten  Cindy  Shermans.  Die  Gefahr  bzw.  das  Unvermeidliche,  daß  auch  hier  sich  Konventionen  und  damit  eine  Formensprache  bilden,  sieht  Hal  Foster  zwar,  besonders  hinsichtlich  eines  „coded  expressionism“,  aber  die  prinzipielle  Möglichkeit  einer  Entschleierung  des  Realen  wird  nicht  bezweifelt.    

Michael  Fried  sieht  in  Why  Photography  matters  as  Art  as  never  before  „a  vast  critical  literature  on  Sherman’s  work,  much  of  it  in  my  opinion  theoretically  overblown”  und  in  ihren  Filmstills  seinen  eigenen  schon  in  Art  and  Objecthood  entwickelten  Begriff  des  Antitheatralischen  in  der  Kunst  verwirklicht:  „that  by  her  own  account,  despite  the  fact  that  she  was  in  effect  ‘performing’  for  the  camera  […]  Sherman  at  the  same  time  felt  impelled  to  avoid  displays  of  emotion  and  by  implication  entire  scenes  that  might  strike  the  viewer  as  theatrical  in  the  pejorative  sense  of  the  term.”17  Wie  schon  der  Buchtitel  ankündigt  hat  Fried  anders  als  Barthes  weder  Probleme  damit,  Fotografien  als  Kunst,  die  gerahmt  als  „tableau“  

                                                                                                               15  ebd.  S.114  16  MIT  Press  1996,  S.  152  17  New  Haven  and  London  2008,  S.  7  

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an  die  Wand  gehängt  wird18,  gelten  zu  lassen  (er  stellt  ihnen  Gemälde  des  17.  und  18.  Jahrhunderts  gegenüber),  noch  damit,  sie  vom  Genre  Film  her  zu  interpretieren,  neben  Shermans  Stills  unter  anderen  durch  Arbeiten  Hiroshi  Sugimotos  oder  Jeff  Walls  motiviert  (letzterer  teilt  in  seinem  Catalogue  raisonné  die  Fotografien  in  „dokumentarische“  und  „cinematographische“  ein).  Durch  zunehmende  Präsenz  der  Kunstfotografie  sieht  Fried  viele  seiner  Themen  zum  Verhältnis  von  Realismus  und  Modernismus  neu  aufgeworfen.  Er  widmet  ein  ganzes  Kapitel  Barthes  punctum,  für  den  dieses  nur  im  Nichtgestellten  fotografischer  Szenen  zu  erwarten  ist.  Fried  will  seinen  „chief  critical  text  Art  and  Objecthood“  in  Übereinstimmung  mit  Barthes  „little  book“  sehen.  Er  bringt  das  punctum  mit  Marcel  Prousts  Sinnesempfindungen  in  Verbindung,  die  eine  intensive  Erinnerung  unwillkürlich  auslösen,  obwohl  oder  weil  Barthes  diese  Verwandtschaft  verneint,  der  beim  Ansehen  einer  Fotografie  nicht  durch  seine  Erinnerungen,  sondern  durch  die  Tatsache  gefesselt  werden  will,  daß  das,  was  er  sieht,  wirklich  existiert  hat.  Thomas  Demands  Fotografien  sieht  Fried  von  den  Intentionen  des  Künstlers  „gesättigt“.  Als  notwendige  Voraussetzung  dafür  gilt  ihm,  daß  die  Kunstwerke  nicht  die  von  Demand  hergestellten  Raummodelle  sondern  die  sie  abbildenden  Fotografien  sind.  Fixierung  der  Modelle  und  Lichtverhältnisse  auf  das  zweidimensionale  Fotopapier  scheint  Fried  zu  genügen,  daß  nichts  mehr  dem  Zufall  überlassen  ist.  Warum  nicht  Modelle  in  einer  Ausstellung  genauso  vom  Kontext  einer  Realwelt  gelöst  sein  können  (z.B.  durch  den  Maßstab,  den  Sockel  im  Museum  etc.)  und  nur  wegen  ihrer  Dreidimensionalität  der  Realwelt  näher  stehen  (was  Skulpturen  als  Kunst  Probleme  bereiten  würde)  ist  nicht  unbedingt  einsehbar.  

Sprachphilosophischer  Konventionalismus  im  Zeichen  des  Symbols  

Aus  sprachphilosophischer  Ecke  kommt  in  den  siebziger  Jahren  in  Amerika  eine  kritische  Kunsttheorie,  die  eher  der  Auffassung  entspringt,  dass  es  Kunst  prinzipiell  unmöglich  ist,  das  Reale  in  Erscheinung  treten  zu  lassen.  So  schreibt  Arthur  C.  Danto  in  After  the  End  of  Art:  „Die  Moderne  ging  zu  Ende,  als  das  von  Greenberg  erkannte  Dilemma  zwischen  Kunstwerken  und  bloßen  realen  Objekten  sich  nicht  mehr  in  visuellen  Begriffen  artikulieren  ließ  und  es  unabdingbar  wurde,  eine  materialistische  Ästhetik  zugunsten  einer  Ästhetik  der  Bedeutung  aufzugeben.  Und  dies  geschah,  so  wie  ich  es  sehe,  mit  dem  Erscheinen  des  Pop.“19  Danto  gesteht  zwar  der  Moderne  eine  materialistische  Ästhetik  zu,  nach  der  sich  etwa  ein  monochromes  Bild  als  Gegenstand  Bild  so  konkretisiert,  daß  es  nichts  mehr  als  sich  selbst  bedeutet,  und  die  so  im  Ready-­‐made  ihre  Vollendung  findet.  Doch  ohne  sich  mit  dem  mit  ihm  verbundenen  Freilegen  der  Definitionsmacht  von  Kunstbetrieb  und  Institutionen  auseinanderzusetzen,  sieht  er  damit  die  Grenze  zwischen  Kunst  und  Realität  überschritten,  bzw.  aufgelöst.  Darauf,  wie  die  Realität  Grenzen  zieht,  läßt  sich  Danto  nicht  ein,  doch  gerade  das  sollen  ja  die  Werke  unter  anderem  sichtbar  machen,  die  er  einer  materialistischen  Ästhetik  zuschlägt.    

Anders  verfährt  Nelson  Goodman  in  Languages  of  Art  mit  der  Ähnlichkeit.  Wenn  er  ihr  die  Funktion  abspricht,  mit  der  sich  Zeichen  auf  ihren  Referenten  beziehen  können,  wird  gleich  einer  ganzen  Zeichenklasse  Peirces  das  Existenzrecht  entzogen:  „Tatsache  ist,  daß  ein  Bild,  um  einen  Gegenstand  repräsentieren  zu  können,  ein  Symbol  für  ihn  sein,  für  ihn  stehen,  auf  ihn  Bezug  nehmen  muß;  und  daß  kein  Grad  von  Ähnlichkeit  hinreicht,  um  die  erforderliche  Beziehung  der  Bezugnahme  herzustellen.  […]  ‚Um  ein  getreues  Bild  herzustellen,  muß  man  

                                                                                                               18  Fried  greift  eine  These  des  französischen  Kunstkritikers  Jean-­‐Francois  Chevriers  auf,  der  damit  den  Anfang  der  Kunstfotografie  markiert  sieht.  19  München  2000,  S.  111  

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dem  Kopieren  des  Gegenstandes,  so  wie  er  ist,  möglichst  nahekommen.‘  Diese  einfältige  Anweisung  verwirrt  mich;  denn  der  Gegenstand  vor  mir  ist  ein  Mann,  ein  Schwarm  von  Atomen,  ein  Zellkomplex,  ein  Fiedler,  ein  Freund,  ein  Verrückter  und  vieles  mehr.  […]  Sind  dies  alles  Weisen,  in  denen  der  Gegenstand  ist,  dann  stellt  keine  die  Weise  dar,  in  der  der  Gegenstand  ist.  Ich  kann  sie  nicht  alle  zugleich  kopieren;  und  je  besser  es  mir  gelingen  würde,  desto  weniger  wäre  das  Ergebenis  ein  realistisches  Bild.“20  Reflexionen  über  die  Bezugsmöglichkeiten  von  Signifikanten  hinsichtlich  der  Trias  imaginär,  real,  symbolisch  müssen  sich  auf  dem  historisch  und  kulturell  vorgeprägten  Gebiet  des  Symbolischen  abspielen,  doch  Goodman  als  Sprachphilosoph  geht  eine  weitere  Beschränkung  ein:  er  läßt  von  den  Peirce‘schen  Zeichenklassen  Ikon,  Index  und  Symbol  nur  die  letzte  gelten,  wenn  er  allem  zugesteht,  durch  Konvention  anderes  bedeuten  zu  können,  wenn  er  also  nicht  nur  Kunstwerke  darauf  festschreibt,  bedeuten  zu  müssen,  sondern  die  Bedeutung  darauf,  durch  Definition  (Norm)  oder  Gewohnheit  zu  bedeuten.  Auffallend  ist  auch,  daß  mit  der  Fixierung  auf  sprachliche  Bedeutung  eine  Art  kategorischer  Essentialismus  einhergeht,  bei  Goodmans  Argumentation  spricht  ein  Wissen  um  das  Wesen  des  Wahrgenommenen  (Schwarm  von  Atomen,  Zellkomplex  …)  mit;  so  nimmt  von  Anfang  an  die  Diskussion  über  Abbild  und  Abgebildetes  eine  andere  Richtung,  als  wenn  von  phänomenologischen  Überlegungen  über  das  Kontinuum  von  Oberflächen  etc.  ausgegegangen  wird.    

Schon  Erwin  Panofsky  hatte  die  Linearperspektive  als  symbolisches  System  angesehen.  „Denn  die  Struktur  eines  unendlichen,  stetigen  und  homogenen  Raumes,  kurz  rein  mathematischen  Raumes,  ist  derjenigen  des  psychophysiologischen  geradezu  entgegengesetzt.“21  Goodman  macht  sich  über  die  Auffassung  lustig,  die  perspektivische  Darstellung  mit  perspektivischer  Wahrnehmung  gleichsetzt  und  die  Treue  der  Abbildung  mit  Lichtstrahlenbündel  begründen,  die  von  Bild  und  abgebildeten  Gegenstand  ausgehen  und  sich  völlig  gleichen.  Von  der  sprachlichen  Konotation  des  Wahrgenommen  kommt  er  auf  die  Denotation  des  Repräsentierten,  die  für  ihn  eben  auch  sprachlich,  d.h.  symbolisch-­‐konventionell  bzw.  definitorisch  fixiert  ist.  Im  Grad  der  Illusion,  bzw.  in  der  Wahrscheinlichkeit,  daß  man  die  Repräsentation  mit  dem  Repräsentierten  verwechsle,  sieht  Goodman  keine  Skalierungsmöglichkeit  für  den  Realismusanteil  des  Dargestellten.  Diese  Betrachtungsweise  hätte  zwar  den  Vorteil,  daß  auch  Gegenstände  der  Fiktion  (wie  Einhörner)  erfasst  würden,  doch  würden  damit  eher  Trickreichtum  und  Verbreitungsgrad  der  jeweiligen  Symbolsprache  getestet.  „Genau  hier  liegt,  denke  ich,  der  Prüfstein  für  Realismus:  nicht  in  der  Quantität  der  Information,  sondern  in  der  Leichtigkeit,  mit  der  sie  fließt.  Und  dies  hängt  davon  ab,  wie  stereotyp  der  Modus  der  Repräsentation  ist,  wie  gebräuchlich  die  Ettiketten  und  ihre  Verwendungen  geworden  sind.  Realismus  ist  relativ;  er  wird  durch  das  Repräsentationssystem  festgelegt,  das  für  eine  gegebene  Kultur  oder  Person  zu  einer  gegebenen  Zeit  die  Norm  ist.“22  Es  zeigt  sich  der  grundlegende  Unterschied  von  Goodmans  Ansatz  zu  dem  eines  Foucault:  kein  prinzipieller  Bruch  der  Moderne  mit  den  auf  Kategorien  beruhenden  Repräsentationssystemen  wird  angenommen,  sondern  nur  ein  kontinuierlicher  und  kulturabhängiger  Wechsel  der  Stile,  d.h.  auch  der  auf  Interessen  und  Gewohnheiten  beruhenden  Kategorien,  die  die  Referenten  als  solche  hervortreten  lassen.  Die  Rede  von  Konkretisierung,  sei  es  durch  nicht  repräsentierende  Abstraktion  oder  durch  Präsentation  des  Gegenstands  selbst,  wie  beim  Ready-­‐made,  muß  nach  dieser  Auffassung  als  unsinnig  

                                                                                                               20  Frankfurt  am  Main  1997,  S.17  ff.  21  vgl.  seinen  Aufsatz  Die  Perspektive  als  „sybolische  Form“  (1924/25),  in  Erwin  Panofsky,  Deutschsprachige  Aufsätze  II,  Berlin  1998,  hier  S.  666  22  ebd.  S.  45  

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gelten.  Was  dieser  Konkretisierung  bei  Goodman  vielleicht  am  nächsten  kommt,  ist  sein  Begriff  der  Exemplifikation,  für  den  als  Beispiele  z.B.  das  in  der  Farbe  rot  geschriebene  Wort  rot  oder  die  Stoffmuster  eines  Schneiders  stehen.  Auf  bestimmte  (aber  nicht  alle)  Eigenschaften  wird  Bezug  genommen  und  gleichzeitig  werden  sie  durch  das  Symbol  auch  gezeigt.  Exemplifikation  ist  in  der  Ausdrucksweise  Goodmans  Besitz  und  Bezugnahme.  Wichtig  ist,  daß  es  nicht  um  ein  vollständiges  Zeigen,  sondern  um  ein  Zeigen  bestimmter,  begriffsbildender  Eigenschaften  geht,  die  durch  die  Symbole  denotiert  werden  und  deren  logische  Zusammenhänge  auch  gezeigt  werden  können,  sei  es  durch  Notationssysteme  (Partituren,  Diagramme),  sei  es  durch  Karten,  wie  jenes  „Kunstwerk“  der  Bewohner  der  Marshall-­‐Inseln,  das  Goodman  als  Illustration  bringt,  bei  dem  die  Muscheln  für  Insel  stehen,  die  Bambusstäbe  für  Winde  und  Strömungen,  ganz  im  Sinne  seiner  konventionalistischen  Devise,  dass  eben  alles  alles  repräsentieren  könne.    

 

Auch  Bilder  und  Skulpturen  sind  in  diesem  Sinn  Notations-­‐  oder  Symbolsysteme,  nur  zeichnen  sie  sich  durch  besondere  Dichte  aus,  in  der  nicht  alles  repräsentiert  oder  denotiert,  und  die  selbst  Eigenschaften  wie  expressiv  aufweisen  kann.  So  kommen  Kritiker  wie  W.J.T.  Mitchell  zu  Feststellungen  wie,  „that  semiotics,  the  very  field  which  claims  to  be  a  ‘general  science  of  signs,’  encounters  special  difficulties  when  it  tries  to  describe  the  nature  of  images  and  the  difference  between  texts  and  images.”23    

In  den  Definitionen  von  Vokabular,  d.h.  zulässigen  Symbolreihen,  und  Umformungsregeln,  die  zu  formalen  Sprachen  und  den  Kalkülen  der  Mathematik  führen,  findet  nicht  nur  der  Konventionalismus  seine  schärfste  und  verbindlichste  Ausformulierung,  sondern  hat  sich  auch  ein  mathematisch  genauer,  logisch  konziser  Begriff  der  Abbildung,  der  Zuordnung  (Funktionen)  etabliert.  Im  Zusammenhang  von  Symbol  und  Ähnlichkeit  ist  interessant,  daß  logische  Zusammenhänge  oder  Formen  sich  nicht  auf  ein  Erscheinungsbild  beschränken  lassen  müssen.  Ernest  Nagel  und  James  R.  Newman  bringen  in  ihrer  Einführung  zum  Gödelschen  Beweis  das  Theorem  von  Pappus  und  seine  duale  Entsprechung,  um  den  Begriff  der  mathematischen  Abbildung  zu  verdeutlichen,  was  in  unserem  Zusammenhang  sehr  schön  zeigt,  daß  sich  Zusammenhänge,  die  sich  (durch  symbolische  Festlegung)  logisch  entsprechen,  im  Erscheinungsbild  unterscheiden.  

                                                                                                               23  Chicago  1986,  S.53  

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“(a)  zeigt  das  Theorem  von  Pappus:  Wenn  A,  B,  C  drei  beliebige  verschiedene  Punkte  auf  einer  Geraden  I  sind  und  A‘,  B‘,  C‘  irgend  drei  verschiedene  Punkte  auf  einer  Geraden  II,  dann  sind  die  drei  Punkte  R,  S,  T,  die  durch  die  Geradenpaare  A  B‘  und  A’B,  BC‘  und  B’C,  CA‘  und  C’A  bestimmt  werden,  kollinear  (d.  h.  sie  liegen  auf  einer  Geraden  III).  (b)  illustriert  das  zu  obigem  „duale“  Theorem:  Wenn  A,  B,  C  irgend  drei  verschiedene  Gerade  durch  einen  Punkt  I  und  A‘,  B‘,  C‘  irgend  drei  verschiedene  Gerade  durch  einen  Punkt  II  sind,  dann  gehen  die  drei  Geraden  R,  S,  T,  die  bestimmt  sind  durch  die  Schnittpunkte  der  Geraden  AB‘  und  A’B,  BC‘  und  B’C,  CA‘  und  C’A,  durch  einen  gemeinsamen  Punkt  III.  Die  beiden  Figuren  haben  dieselbe  logische  Form,  obwohl  sie  ganz  verschieden  in  Erscheinung  treten.“24  Die  formalen  Zusammenhänge  sind  für  ungeübte  Augen  nicht  so  leicht  zu  durchblicken,  aber  meine  einfache  These  ist  leicht  zu  durchschauen:  wenn  nämlich  nach  Goodmans  konventionalistischer  Devise  alles  für  alles  stehen  kann  (hier  eben  Punkte  für  Geraden  und  Gerade  für  Punkte),  so  sind  nur  noch  logische  Zusammenhänge  berücksichtigt  und  hat  das  deutlich  sichtbare  Folgen  für  Erscheinungsbild  und  Ähnlichkeit.  Nicht  nur  wegen  der  Onomatopoesien  sind  aber  der  Sprache  selbst  durch  die  Utopien  der  Dichter  und  die  Dialektik  der  stilinteressierten  Rhetoriker  Möglichkeiten  der  Bezugnahme  zugesprochen  worden,  die  der  spiegelnden  Abbildung  und  strukturellen  Ähnlichkeit,  einer  konkreten  Realisierung  dessen,  von  dem  die  Rede  ist,  näher  liegen,  als  die  Konventionalisten  wahrhaben  wollen.  Eindrucksvoll  hat  dies  Theodor  W.  Adorno  in  Negative  Dialektik  mit  seiner  Kritik  am  Nominalismus  formuliert:  „Die  permanente  Denunziation  der  Rhetorik  durch  den  Nominalismus,  für  den  der  Name  bar  der  letzten  Ähnlichkeit  ist  mit  dem,  was  er  sagt,  läßt  sich  indessen  nicht  ignorieren,  nicht  das  rhetorische  Moment  ungebrochen  dagegen  aufbieten.  Dialektik,  dem  Wortsinn  nach  Sprache  als  Organon  des  Denkens,  wäre  der  Versuch,  das  rheotorische  Moment  kritisch  zu  erretten:  Sache  und  Ausdruck  bis  zur  Indifferenz  einander  zu  nähern.  […]  Das  inspirierte  die  Phänomenologie,  als  sie,  wie  immer  naiv,  der  Wahrheit  in  der  Analyse  der  Worte  sich  versichern  wollte.  In  der  rheotorischen  

                                                                                                               24  München  2001,  S.67  

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Qualität  beseelt  Kultur,  die  Gesellschaft,  Tradition  den  Gedanken;  das  blank  Antirhetorische  ist  verbündet  mit  der  Barbarei,  in  welcher  das  bürgerliche  Denken  endet.“25  

 Das  fehlende  Kunstobjekt  im  simulierten  Museum  als  Hinweis  auf  ein  Buch    Das  Museum  sieht  Maurice  Blanchot  einerseits  als  den  Ort,  aus  dem  die  gesellschaftlichen  Funktionen  (in  Religion  und  Politik)  der  einzelnen  Kunstwerke  und  damit  das  Leben  vertrieben  worden  ist,  andererseits  auch  als  den  Ort,  der  eben  die  imaginäre  Rolle  spielen  kann,  die  Kunst  als  Fiktion  markiert.  Mit  dem  Fortschritt  der  Kenntnisse  und  damit  auch  der  Produktionsmittel  sieht  er,  wie  vor  ihm  Paul  Valéry  und  Walter  Benjamin,  einen  neuen  Kunstbegriff  heraufdämmern,  weil  Kunst  durch  die  Reproduktion  allgemein  verfügbar  werde:  „Um  es  in  aller  Schnelle  in  Erinnerung  zu  rufen,  das  imaginäre  MUSEUM  repräsentiert  als  erstes  folgendes  Faktum:  daß  wir  alle  Künste  aller  Kulturen  kennen,  die  sich  der  Kunst  gewidmet  haben.  Daß  wir  sie  praktisch  und  auf  bequeme  Weise  kennen,  nicht  aus  einem  idealen  Wissen,  das  nur  einigen  gehören  würde,  sondern  auf  eine  reale,  lebendige  und  universelle  Weise  (die  Reproduktionen).  […]  Durch  die  Reproduktion  verlieren  die  Kunstgegenstände  ihr  Skalenmaß,  die  Miniatur  wird  zum  Tafelbild,  das  Tafelbild,  von  sich  selbst  getrennt,  fragmentiert,  wird  zu  einem  anderen  Bild.  Fiktive  Künste?  Doch  die  Kunst  ist,  wie  es  scheint,  diese  Fiktion.“26  Wird  Reproduktion  unter  diesen  Aspekten  gesehen,  sind  auch  die  hyperrealistischen  Methoden  darin  inbegriffen.  Es  handelt  sich  um  eine  ganz  andere  Versprachlichung  der  Kunst,  nämlich  nicht  um  bedeutende  Kunstwerke  als  Sprache,  sondern  um  ein  intellektuelles  Sprachwerk  als  Kunst,  die  sich  verneint,  wenn  Marcel  Broodthaers  in  seinem  Kunstprojekt  Museum  als  Kunstobjekt  zu  René  Magritte  auf  das  Buch  Michel  Foucaults  Ceci  n’est  pas  une  pipe  hinweist,  mit  dem  Buch  als  Teil  der  objektivierbaren  Realität  einerseits  sein  Konzept  „Dies  ist  kein  Kunstwerk“  bzw.  dessen  Wurzel  vorführend,  andererseits  seine  Künstlerkarriere  fortführend,  die  er  1964  mit  der  Ausstellung  seiner  eigenen  in  Gips  gegossenen,  unlesbar  gemachten  Gedichtbände  Pense-­‐Bête  begonnen  hatte.  Die  Schrift  als  Teil  der  Sprache,  als  konventionelles  Bezugssystem  schien  verloren  zu  haben.  „This  new  form  of  objectification  occurred  when  he  embedded  the  remaining  copies  of  the  edition  in  a  plaster  base,  thus  adding  to  te  process  of  semantic  destruction  by  preventing  the  book  from  being  opened  and  read  at  all.  The  extent  to  which  the  semantic  and  lexical  dimension  of  poetry  is  annihilated  paradoxically  increases  the  plasticity  and  presence  of  the  artifact.“27  Der  Hinweis  auf  Foucaults  Buch  als  Museumsstück  zu  Magritte  gibt  dem  Buch  als  Objekt  seine  semantische  Dimension,  seine  Lesbarkeit  zurück,  fast  als  ob  Broodthaers  in  Bezug  auf  diesen  Maler  seinen  künstlerischen  Intitialakt  zugleich  zurücknehmen  wollte.  Er  versetzt  durch  seinen  Hinweis  auf  Foucaults  Buch  dieses  in  den  Raum  der  Objekte  und  fordert  gleichzeitig  auf,  es  zu  lesen.  In  Foucaults  Buch  selbst  geht  es  aber  genau  um  die  Differenz  von  Objekt,  Form  und  Benennung,  anhand  einer  Zeichnung  Magrittes,  die  sein  berühmtes  Bild  um  einen  Rahmen  und  eine  zweite,  im  Bildraum  schwebende  Pfeife  erweitert;  es  geht  also  um  die  verschränkten  Verhältnisse  von  Realität,  Abbild  und  Sprache.  „Wesentlich  ist,  daß  das  sprachliche  Zeichen  und  die  visuelle  Darstellung  niemals  mit  einem  Schlag  gegeben  sind.  Immer  werden  sie  durch  eine  Ordnung  hierarchisiert,  die  entweder  von  der  Form  zum  Diskurs  oder  vom  Diskurs  zur  Form  geht.  [1.  Prinzip  …]  Das  zweite  Prinzip,  das  

                                                                                                               25  Frankfurt  am  Main  1992,  S.65  ff.  26  Köln  2007,  S.  12  ff  27  Benjamin  H.  D.  Buchloh,  Open  Letters,  Industrial  Poem,  in  Broodthaers,  Writings,  Interviews,  Photographs,  MIT  Press,  Cambridge,  Masachusetts,  London  1987,  S.80  

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die  Malerei  lange  Zeit  beherrscht  hat,  behauptet  die  Äquivalenz  zwischen  der  Tatsache  der  Ähnlichkeit  und  der  Affirmation  eines  Repräsentationsbandes.  Sobald  eine  figürliche  Darstellung  einer  Sache  (oder  einer  anderen  Figur)  gleicht,  schleicht  sich  in  das  Spiel  der  Malerei  eine  selbstverständliche,  banale,  tausendfach  wiederholte,  jedoch  fast  immer  stillschweigende  Aussage  ein  […]:  ‚Das,  was  man  hier  sieht,  ist  das  da.‘  Auch  hier  tut  es  nicht  viel  zur  Sache,  in  welcher  Richtung  die  Repräsentationsbeziehung  verläuft:  ob  die  Malerei  auf  das  Sichtbare  verweist,  das  sie  umgibt,  oder  ob  sie  sich  allein  ein  Unsichtbares  schafft,  das  ihr  gleicht.  Wesentlich  ist,  daß  Ähnlichkeit  und  Affirmation  nicht  zu  trennen  sind.“28  Sind  die  Prinzipien,  die  kategorischen  Hierarchien  gebrochen,  kommen  die  Symbolsysteme  und  damit  auch  die  Bezugnahmen  miteinander  ins  Spiel,  werden  ambivalent,  denn  es  ist  nicht  mehr  klar,  was  von  wem  repräsentiert  wird.  In  der  Zeichnung  wird  der  Versuch,  über  die  Zeichnung  hinauszugehen  und  in  einer  Verwechslung  Bezugnahme  und  Identifikation  gleichzusetzen,  mit  der  Verneinung  thematisiert.  Die  Möglichkeiten  der  Denotationen  werden  von  Foucault  durchdekliniert,  indem  er  sie  innerhalb  der  Zeichnung  aus  Schrift  und  Bild  zirkulieren  läßt.  Mit  den  Serien  der  Popart  sieht  Foucault  seine  These  von  den  die  unterordnende  Bildsyntax  auflösenden  Bestrebungen  bestätigt.  Nicht  nur  die  Serien,  auch  die  aus  der  Syntax  des  Storyboards  herausgelöste,  des  narrativen  Zusammenhangs  beraubte  Ikonographie  der  Comics  scheint  diese  These  zu  verifizieren.  Die  Reproduktionen  der  Hyperrealisten  setzen  den  Schnitt  früher  an,  das  Spiel  beginnt  bei  den  Übertragungen  zwischen  Vorlage  und  Gemälde,  der  Status  der  Symbolsysteme  bleibt  unbestimmt.  Trotz  fotografischer  und  anderer  reproduzierbarer  Vorlagen  revidieren  sie  gleichsam,  anders  als  die  fotografierenden  Künstler,  die  technische  Reproduzierbarkeit,  als  ob  sich  dadurch  etwas  von  der  Aura  zurückgewinnen  ließe,  deren  Verlust  Walter  Benjamin  konstatiert,  als  handle  es  sich  um  einen  bewußten  Akt  gegen  die  simultane  Kollektivrezeption,  für  die  den  Gegenstand  zu  bieten  Benjamin  der  Malerei  die  Möglichkeit  abspricht.  Bild  wie  Zeichen  erscheinen  wie  gereinigt,  d.h.  isoliert,  von  ihren  Funktionen  gelöst,  während  serielle  Wiederholung  im  fast  kontemplativen  Akt  der  malerischen  Reproduktion  abgebrochen  wird.  Die  Vorlage  selbst,  zwischen  Fundstück  und  fotografischer  Indexalität  changierend,  läßt  offen,  ob  von  diesem  strukturalen  Transformationsraum  zwischen  Vorlage  und  hyperrealistischer  Abbildung  aus  noch  auf  etwas  außerhalb,  auf  ein  vorstrukturiertes  Reales  Bezug  genommmen  werden  kann.  Ein  hoffnungsvollerer  Jargon  würde  dieses,  sich  selbst  damit  mitbeschreibend,  an  den  unbesetzten  Leerstellen  der  Darstellungen  durchscheinen  sehen  wollen,  obwohl  gerade  diese  Stellen  es  sind,  die  für  die  Bildung  eines  Stils  zuständig  sein  sollen.                        

                                                                                                               28  München  1997,  S.  25  ff.  

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