With Lennart Güntzel, ["The Expulsion of the Jews from France (1287-1306) and England (1290)".]...

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Die Vertreibungen der Juden aus Frankreich (1287- 1306) und England (1290). Kulturbereiche zwischen Kontinuität und Umbrüchen Einleitung Nahmen Juden und Christen des hohen und späten Mittelalters Krisen unterschiedlich war? Entwickelten beide gesellschaftlichen Gruppen Erklärungen und Narrative bezüglich bestimmter Ereignisse, die in wesentlichen Punkten voneinander abwichen? Lassen sich im Rahmen des Zusammenlebens von Juden und Christen des 13. Jahrhunderts Kulturbereiche identifizieren, die als Handlungsräume faßbar werden, in denen sich anfänglicher Konsens zwischen beiden Gruppen in einen ausgeprägten Dissens verwandelte? Zur Untersuchungen der gebotenen Fragestellungen bieten sich die Vertreibungen der Juden aus England und Frankreich an der Wende zum 14. Jahrhundert in besonderem Maße an. So repräsentiert die schrittweise Vertreibung der Juden aus beiden Ländern nicht nur den Höhepunkt des zu einem krisenhaften Verhältnis veränderten Miteinanders von Juden und Christen, sondern auch dessen Ende. Damit die zu erwartenden, unterschiedlichen Perspektiven, ob nun als innerjüdische oder als eine von 'außen' angelegte nichtjüdisch/christliche Perspektive, faßbar werden, wurden zunächst die hebräischen und lateinischen Quellen nicht in einer Gesamtschau, sondern getrennt untersucht. In den meisten Fällen ließen sich zwei sich unterscheidende Narrative erkennen, die zuweilen eine völlig unterschiedliche Einschätzung von Ereignissen, aber auch vom allgemeinen Verhältnis von Christen und Juden in den verschiedenen Lebensbereichen nahelegen. In diesen Bereichen, hier als 'Kulturbereiche' bezeichnet, fanden Annäherungs-, aber auch Abgrenzungsprozesse statt. So konnte von Christen und Juden im Westen Europas gerade in den Kulturbereichen 'Recht', 'Wirtschaft', 'Herrschaft' und 'Religion' eine Nähe zueinander wahrgenommen werden, aber auch das Zerbrechen eines funktionierenden Verhältnisses und Miteinanders. Dennoch mussten Juden und Christen nicht unbedingt dieselben Kulturräume als Orte gelingenden oder nicht gelingenden Miteinanders bezeichnen. Die Einschätzungen konnten hier mitunter konträr verlaufen. Überblick über die Vertreibungen der Juden aus den Königreichen England und Frankreich Seit den 1280er Jahren bis 1306 erlebten die Königreiche England und Frankreich umfassende Vertreibungen der jüdischen Bevölkerung. [1] Schon zuvor war es in diesen Gebieten zu Ausweisungen gekommen, so etwa 1182 in den französischen Kronlanden durch Philipp II. August (1180-1223) oder 1239 in der Bretagne durch Herzog Johann I. (1221-1286). [2] Doch blieben dies regional und zeitlich begrenzte Ereignisse, die nur eine geringe Zahl von Juden betrafen und keinen exemplarischen Charakter hatten, andere Herrschaftsträger also nicht beeinflussten. Ein Umschwung zeigte sich in dem Vertreibungsversuch, den König Ludwig IX. von Frankreich (1226-1270) vom sechsten Kreuzzug aus im Jahre 1254 anordnete. In der Begründung finden sich die Argumente, die später im genannten Zeitraum immer wieder auftauchen: Kampf gegen den Wucher und Beleidigung des christlichen Glaubens durch die Juden. Die jüdische Zinsleihe hatten auch schon andere Herrscher, vor allem Ludwig VIII. von Frankreich, bekämpfen wollen,

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Die Vertreibungen der Juden aus Frankreich (1287-1306) und England (1290) Kulturbereiche zwischen Kontinuitaumlt und Umbruumlchen

Einleitung

Nahmen Juden und Christen des hohen und spaumlten Mittelalters Krisen unterschiedlich war Entwickelten

beide gesellschaftlichen Gruppen Erklaumlrungen und Narrative bezuumlglich bestimmter Ereignisse die in

wesentlichen Punkten voneinander abwichen Lassen sich im Rahmen des Zusammenlebens von Juden

und Christen des 13 Jahrhunderts Kulturbereiche identifizieren die als Handlungsraumlume faszligbar werden in

denen sich anfaumlnglicher Konsens zwischen beiden Gruppen in einen ausgepraumlgten Dissens verwandelte

Zur Untersuchungen der gebotenen Fragestellungen bieten sich die Vertreibungen der Juden aus England

und Frankreich an der Wende zum 14 Jahrhundert in besonderem Maszlige an So repraumlsentiert die

schrittweise Vertreibung der Juden aus beiden Laumlndern nicht nur den Houmlhepunkt des zu einem krisenhaften

Verhaumlltnis veraumlnderten Miteinanders von Juden und Christen sondern auch dessen Ende Damit die zu

erwartenden unterschiedlichen Perspektiven ob nun als innerjuumldische oder als eine von auszligen angelegte

nichtjuumldischchristliche Perspektive faszligbar werden wurden zunaumlchst die hebraumlischen und lateinischen

Quellen nicht in einer Gesamtschau sondern getrennt untersucht In den meisten Faumlllen lieszligen sich zwei

sich unterscheidende Narrative erkennen die zuweilen eine voumlllig unterschiedliche Einschaumltzung von

Ereignissen aber auch vom allgemeinen Verhaumlltnis von Christen und Juden in den verschiedenen

Lebensbereichen nahelegen In diesen Bereichen hier als Kulturbereiche bezeichnet fanden

Annaumlherungs- aber auch Abgrenzungsprozesse statt So konnte von Christen und Juden im Westen

Europas gerade in den Kulturbereichen Recht Wirtschaft Herrschaft und Religion eine Naumlhe

zueinander wahrgenommen werden aber auch das Zerbrechen eines funktionierenden Verhaumlltnisses und

Miteinanders Dennoch mussten Juden und Christen nicht unbedingt dieselben Kulturraumlume als Orte

gelingenden oder nicht gelingenden Miteinanders bezeichnen Die Einschaumltzungen konnten hier mitunter

kontraumlr verlaufen

Uumlberblick uumlber die Vertreibungen der Juden aus den Koumlnigreichen England und Frankreich

Seit den 1280er Jahren bis 1306 erlebten die Koumlnigreiche England und Frankreich umfassende

Vertreibungen der juumldischen Bevoumllkerung[1]

Schon zuvor war es in diesen Gebieten zu Ausweisungen

gekommen so etwa 1182 in den franzoumlsischen Kronlanden durch Philipp II August (1180-1223) oder 1239

in der Bretagne durch Herzog Johann I (1221-1286)[2]

Doch blieben dies regional und zeitlich begrenzte

Ereignisse die nur eine geringe Zahl von Juden betrafen und keinen exemplarischen Charakter hatten

andere Herrschaftstraumlger also nicht beeinflussten Ein Umschwung zeigte sich in dem Vertreibungsversuch

den Koumlnig Ludwig IX von Frankreich (1226-1270) vom sechsten Kreuzzug aus im Jahre 1254 anordnete In

der Begruumlndung finden sich die Argumente die spaumlter im genannten Zeitraum immer wieder auftauchen

Kampf gegen den Wucher und Beleidigung des christlichen Glaubens durch die Juden Die juumldische

Zinsleihe hatten auch schon andere Herrscher vor allem Ludwig VIII von Frankreich bekaumlmpfen wollen

eine Vertreibung der Juden war aber vorher nicht angedroht worden[3]

Das Vorhaben der Vertreibung von

1254 wurde nicht durchgefuumlhrt und hatte daher auch keine unmittelbaren Konsequenzen fuumlr die Juden

Doch kann bereits allein die Intention Ludwigs IX der in seiner Zeit als vorbildlicher christlicher Koumlnig galt

und bereits 20 Jahre nach seinem Tod heilig gesprochen wurde als wegweisend fuumlr andere Herrscher

gesehen werden[4]

Die Kette der Vertreibungen die schlieszliglich ganz England und Frankreich umfassten

begann 1287 in der Gascogne die zu dieser Zeit vom englischen Koumlnig beherrscht wurde Die meisten

Juden zogen nach Navarra ins Languedoc und Poitou Erstmalig erhielt mit Edward I ein Koumlnig eine

finanzielle Zuwendung von Adeligen und Klerus fuumlr eine Ausweisung[5]

Im Jahre 1289 vertrieb Karl II von

Anjou (1254-1309) alle Juden aus seinen Grafschaften Maine und Anjou In seiner ausfuumlhrlichen

Begruumlndung erklaumlrte er die Vertreibung der Juden mit deren gottlosem Wucher Beleidigungen des

christlichen Glaubens und sexuellem Verkehr von juumldischen Maumlnnern mit christlichen Frauen Um sein

Redlichkeit zu unterstreichen lieszlig er aumlhnlich wie Ludwig IX dies beabsichtigt hatte alle christlichen

Geldleiher vertreiben Auch er erhielt eine Abgabe von Klerus und Adel fuumlr die Vertreibung[6]

In England

wurden die Juden schon seit dem Regierungsantritt Edwards I mit feindlichen Maszlignahmen konfrontiert

Aufgrund der sich in jener Zeit verstaumlrkenden Kritik am Wucher verbot Koumlnig Edward I den englischen

Juden im Jahre 1275 die Zinsleihe in der die Juden primaumlr taumltig waren Dieses sbquoStatutum de Judeismorsquo

forderte von den Juden auf den Wucher zu verzichten und sich statt dessen anderen Berufen etwa dem

Handel oder dem Handwerk zuzuwenden[7]

In den Jahren 127879 kam es zu einem weiteren Einschnitt im

Leben der englischen Juden Sie wurden zusammen mit einigen Christen der Muumlnzbeschneidung

beschuldigt Der Prozess gegen die Juden fand groszliges Aufsehen auch bei Juden in anderen Laumlndern wie

wir spaumlter noch sehen werden Es wurden vier Christen und 267 Juden verurteilt und hingerichtet[8]

Kurz

vor der Ausweisung im Jahr 1287 forderte Koumlnig Edward zum letzten Mal eine Sondersteuer von 12000

Pfund Sterling von den Juden und lieszlig zur Durchsetzung seiner Forderungen Massenverhaftungen

durchfuumlhren Die finanziellen Kraumlfte der Juden waren aber so erschoumlpft dass sie lediglich 4023 Pfund

aufbringen konnten 1290 kam es schlieszliglich zur Vertreibung der Juden aus England Edward I bezog sich

in seinem Vertreibungsedikt direkt auf das sbquoStatutum de Judeismorsquo das den Juden 1275 die Geldleihe

gegen Zinsen verboten hatte von den Juden jedoch nicht beachtet worden sei[9]

Verschiedene

Chronikeintraumlge zu den Vertreibungen von 1290 die sehr unterschiedliche Begruumlndungen anfuumlhren

zeigen dass man in England den Rechtfertigungen Edwards I nicht vorbehaltlos glaubte[10]

Als Folge der

Vertreibungen aus der Gascogne Maine und Anjou kam es in der Grafschaft Poitou zu einem massiven

Zuzug juumldischer Fluumlchtlinge Im Jahre 1291 baten die oumlrtlichen Gemeinden Philipp IV darum diese Juden

ausweisen zu duumlrfen[11]

Koumlnig Philipp IV gestattete ihre Ausweisung war er doch selbst im gleichen Jahr

mit den aus England in die franzoumlsische Krondomaumlne geflohenen Juden so verfahren[12]

Nach Intervention

durch reiche Juden nahm er das Edikt jedoch zuruumlck so dass nur wenige Juden aus einigen Orten

vertrieben wurden[13]

Aus der Grafschaft Nevers wurden die Juden 1294 ausgewiesen[14]

Die meisten

dieser Juden zogen nach Paris[15]

Die Pariser Judengemeinde hatte sich ebenso wie etwa die von

Carcassonne oder Toulouse in den letzten Jahren enorm vergroumlszligert Wenige Staumldte mussten nun die

Juden aufnehmen die vorher uumlber ganz Frankreich verteilt gewesen waren Problematisch war auch dass

es sich nicht um wohlhabende sondern um verarmte Juden handelte die ihren Besitz bei den

Vertreibungen verloren hatten Fuumlr die Herrscher also nun insbesondere Philipp IV waren sie von

geringem Wert weshalb dieser auch 1291 zunaumlchst nur die englischen Juden und die Juden aus der

Gascogne vertreiben lieszlig[16]

Schlieszliglich kam es 1306 auch in dem vom franzoumlsischen Koumlnig beherrschten

Gebiet zum Ende der juumldischen Siedlung Philipp IV nutzte mit der Vertreibung die Moumlglichkeit sich als

christlicher Koumlnig zu profilieren und gleichzeitig an enorme Geldwerte und Immobilien zu gelangen[17]

Die Vertreibungen der Juden Englands und Frankreichs aus nichtjuumldischer Sicht

England

Es existieren einige interessante Quellen die in der Beschreibung der Ursache fuumlr die Vertreibung stark

differieren Die wichtigste und aufschlussreichste Quelle ist das offizielle Vertreibungsedikt Koumlnig Edwards

I mit dessen Analyse nun begonnen werden soll Die Argumentation des Koumlnigs ist im Kulturbereich Recht

zu verorten Die Juden haumltten ein Gesetz gebrochen als Konsequenz muumlssten sie das Land verlassen

Tatsaumlchlich ist die Wucherdiskussion in erster Linie religioumls aufzufassen mit groszligen Konsequenzen fuumlr

andere Kulturbereiche wie Wirtschaft und Herrschaft[18]

Im Vertreibungsedikt erinnert der Koumlnig daran dass

den Juden im Jahre 1275 die Zinsleihe verboten worden war und stellt dann fest dass sie eine Alternative

gefunden haumltten um das Verbot zu umgehen und weiterhin Geld gegen Zinsen an Christen zu verleihen

Daher beschloss der Koumlnig nun zur Ehre Christi alle Juden aus seinem Koumlnigreich zu vertreiben Die

ausstehenden Schulden sollten natuumlrlich ohne Zinsen an den Koumlnig zuruumlckgezahlt werden Ebenso

beanspruchte Edward die zuruumlckgelassenen Immobilien als sein Eigentum[19]

In der Quelle wird allerdings

auf die Motive den Wucher zu verbieten nicht eingegangen Die Annalen von Waverley erwaumlhnen die

offiziellen Begruumlndungen Edwards mit keinem Wort Dort heiszligt es vielmehr die Juden die schon seit

Generationen sicher in verschiedenen Staumldten und Doumlrfern gewohnt haumltten seien nun durch einen

Beschluss Koumlnig Edwards vertrieben worden der von der Koumlniginmutter Eleonore veranlasst worden sei[20]

In dem kurz gehaltenen Eintrag der Annalen von Waverley erscheint die Koumlniginmutter also als Ausloumlser in

der Vertreibung sie wurde auf ihr Betreiben wegen persoumlnlicher Animositaumlten den Juden gegenuumlber

durchgefuumlhrt Wesentlich ausfuumlhrlicher berichten die Annalen von Dunstable eine in den 1290ern im

Augustinerkloster von Dunstable verfasste Chronik uumlber die Vertreibung[21]

Erster Grund seien die

wiederholten nicht naumlher charakterisierten Beleidigungen die die Juden gegenuumlber dem christlichen

Glauben begangen haumltten Weiter wird erwaumlhnt dass viele Juden denen vom Koumlnig sicheres Geleit

zugestanden worden waumlre auf ihrer Reise Gewalttaten zum Opfer gefallen seien Die Taumlter dieser

Uumlbergriffe seien gehaumlngt worden[22]

Alle Schichten der Bevoumllkerung so die Annalen waren uumlber die

Vertreibung erfreut die Barone und die Kirche dankten dem Koumlnig mit umfangreichen Geldzahlungen Zwei

Gruumlnde werden in den Annalen von Dunstable genannt Zum einen nicht naumlher ausgefuumlhrte bdquoBlasphemienldquo

der Juden was auf Probleme im religioumlsen Bereich hinweist Zum anderen erscheinen die Geldzahlungen

der Barone und des Klerus Die Annalen berichten zwar diese seien nachtraumlglich als eine Art bdquospontaner

Ausdruck der Freudeldquo erfolgt doch darf man wohl annehmen dass sie schon vor der Vertreibung

vereinbart wurden und als bdquoMotivationshilfeldquo fuumlr die Entscheidung des Koumlnigs zu verstehen sind Hier ist zu

fragen welches Interesse die Barone und der Klerus an der Ausweisung der Juden hatten Wiederum sind

religioumlse und wirtschaftliche Gruumlnde denkbar Fuumlr den Klerus koumlnnte noch der Konversionsskandal um

Robert von Reading nachgewirkt haben Dieser Dominikanermoumlnch war 1275 zum juumldischen Glauben

konvertiert und hatte so die Anfeindungen die bereits vorhanden waren[23]

noch verstaumlrkt[24]

Der Adel

hingegen koumlnnte sowohl ein Interesse an Laumlndereien die den Juden als Pfaumlnder uumlberlassen worden waren

und nun wieder frei wurden gehabt als auch die Konkurrenz moumlglicher juumldischer Konkurrenten im Handel

gefuumlrchtet haben[25]

Daneben uumlberrascht die eingeschobene Geschichte von Uumlberfaumlllen denen einige

Juden bei der Ausreise zum Opfer fielen[26]

Anscheinend wurden die Juden jedenfalls von diesem

christlichen Chronisten nicht als rechtlos angesehen daher die Betonung dass die Uumlbeltaumlter gehaumlngt

wurden Die Juden zu vertreiben war eine Sache aber rechtlos wurden sie nicht Sie standen offenbar noch

unter dem Schutz englischer Gesetze Dies verweist indirekt wieder auf das Vertreibungsedikt Edwards I

Auch dort wird primaumlr rechtlich argumentiert sodass der Eindruck entsteht dass sich auch der Koumlnig an

einem rechtlichen Rahmen orientieren wollte In der Reimchronik Pierre de Langtofts steht die Vertreibung

der Juden in einem weiteren allgemeinen Kontext Langtoft ein Augustinermoumlnch aus Yorkshire berichtet

zu 1289 wie Edward nach vier Jahren Aufenthalt in der Gascogne wieder nach England zuruumlckkehrte und

das Land in schlechtem Zustand vorfand Es kam zu Untersuchungen und Prozessen bei deren Ende unter

anderem der Oberste Richter Thomas de Weyland ins Exil nach Frankreich gehen musste und seine

Mittaumlter in den Tower geworfen wurden oder eine Geldstrafe zahlen mussten[27]

Die Vertreibung der Juden

erscheint bei Langtoft in diesem Kontext Der Koumlnig houmlrte sich die Beschwerden der Barone und des Adels

an beriet sich mit dem Parlament stellte Untersuchungen an und kam daraufhin zu dem Entschluss die

Juden auszuweisen Dafuumlr erhielt er von bdquoKlerikern und Laienldquo eine festgesetzte Summe als Hilfe[28]

Die

Juden so Langtoft gingen in die franzoumlsischen Kronlande und in die Picardie alle ihre

Hinterlassenschaften also die Schuldscheine und Immobilien behielt der Koumlnig fuumlr sich[29]

Diese Quelle

bietet die meisten Informationen uumlber die Vertreibungen Sie werden als Teil eines umfassenden

Reformprozesses dargestellt der stattfand als Edward nach vier Jahren Aufenthalt in der Gascogne ndash wo

er wie schon berichtet 1287 die dortigen Juden vertrieben hatte ndash nach England zuruumlckkehrte Was den

Juden vorgeworfen wurde wird nicht genannt aber der Bericht kommt der offiziellen Begruumlndung Edwards

am naumlchsten Die Geldzahlungen fuumlr die Vertreibung als Ausgleich fuumlr den Koumlnig die schon in den Annalen

von Dunstable genannt wurden werden hier nun konkretisiert Sie waren Teil der Abmachung zwischen

Adel Klerus und Koumlnig und wurden vorher ausgehandelt Die Vertreibung ist in diesem Kontext als

politische Aktion dargestellt die in den Bericht uumlber eine allgemeine Reformierung des Landes eingebettet

ist Was laumlsst sich aus den Chronikberichten schlieszligen Erstens ist deutlich dass viele verschiedene

Geruumlchte uumlber die Juden das Koumlnigshaus und die Ursachen fuumlr die Vertreibung kursierten Den Gruumlnden

die im Erlass des Koumlnigs aufgefuumlhrt wurden glaubte man anscheinend nicht vorbehaltlos Dies koumlnnte die

sehr unterschiedlichen Chronikberichte erklaumlren Auch wurden die Juden nicht als rechtlos betrachtet

Mehrmals wird erwaumlhnt dass der Koumlnig ihnen sicheres Geleit versprach einmal berichtet wie einige

englische Christen wegen Piraterie gehaumlngt wurden Schlieszliglich faumlllt auf dass die Muumlnzfaumllschung zehn

Jahre zuvor offenbar in der christlichen Perspektive im Zusammenhang mit der Ausweisung keinerlei Rolle

gespielt hat

Frankreich

Die Gruumlnde fuumlr die Vertreibung der Juden aus Frankreich 1306 durch Koumlnig Philipp IV sind nicht ohne

weiteres durch zeitgenoumlssische Uumlberlieferung zu erfahren Weder ist das Vertreibungsmandat uumlberliefert

noch nennen die Chronisten die uumlber das Ereignis berichten Gruumlnde fuumlr die Ausweisung Offensichtlich

gab es in der chronikalen Uumlberlieferung ein geringeres Interesse daran die Motive Philipps IV zu

hinterfragen Die zentrale Quelle fuumlr die Wahrnehmung und Begruumlndung der Vertreibung der franzoumlsischen

Juden entstand nicht im franzoumlsischen Gebiet sondern aus der fernen Steiermark In der von Ottokar von

der Steiermark dort bis 1321 geschriebenen Oumlsterreichischen Reimchronik wird beschrieben dass Albrecht

I von Habsburg einen Anspruch auf die franzoumlsischen Juden erhoben habe Dieser wurde so Ottokar von

Beratern Philipps IV gepruumlft und fuumlr rechtmaumlszligig erklaumlrt woraufhin der franzoumlsische Koumlnig voller Zorn die

Juden die ihm nun keinerlei Vorteile mehr bringen konnten aus seinem Koumlnigreich vertrieb[30]

Diese

einzige Quelle die etwas uumlber die Beweggruumlnde Philipps IV aussagen kann wurde als Geschichte der

Oumlsterreichischen Lande verfasst und stellt die Macht Albrechts I als unverhaumlltnismaumlszligig groszlig gegenuumlber

dem franzoumlsischen Koumlnig dar Es scheint undenkbar dass es tatsaumlchlich Verhandlungen zwischen den

beiden Herrschern um die franzoumlsischen Juden gegeben hat Die Chronik ist aber trotzdem interessant fuumlr

die Fragestellung zeigt sie doch dass ein Ereignis wie die Vertreibung der Juden aus Frankreich auch in

so weit entfernten Gebieten wie der Steiermark wahrgenommen wurde Weitere Nachrichten finden sich in

der von verschiedenen Autoren bis 1324 verfassten Vita des Papstes Clemens V (1305-1314) Dort heiszligt

es beispielsweise dass die Juden die sich nicht taufen lassen wollten das Land verlassen mussten wobei

viele auf der Reise starben Die Besitztuumlmer der Juden wurden vom Koumlnig beschlagnahmt[31]

Offensichtlich

wurden am Tag der Verkuumlndung der Ausweisung diverse Juden gefangen genommen so wird es

zumindest in der Vita Clemens V von Bernard Gui[32]

sowie der Fortsetzung der Chronik Wilhelms von

Nangis[33]

berichtet Uumlber Beweggruumlnde des Koumlnigs die Juden auszuweisen wird jedoch nichts gesagt

Resumee

Die genannten Chronisten liefern eine Fuumllle von Hinweisen auf Kulturbereiche deren Kompatibilitaumlt

zwischen Juden und Christen nicht mehr gewaumlhrleistet war und die im Zusammenspiel fuumlr die Ausweisung

der Juden verantwortlich sein koumlnnen In England und Frankreich herrschte in Bezug auf religioumlse Fragen

eine negative Atmosphaumlre zwischen Juden und Christen Intellektuell-theologisch zeigt sich diese primaumlr an

der Wucher- und der Talmuddiskussion Daneben waren die Juden immer haumlufiger mit Ritualmord- und

Hostienschaumlndungsvorwuumlrfen konfrontiert oder wurden aus nicht naumlher genannten Gruumlnden Opfer von

Gewalttaten Im Falle Englands berichtet die fortgefuumlhrte Chronik des Florence of Worcester fuumlr 1264 dass

Barone mit den Londoner Buumlrgern die Juden beraubten und einige umbrachten[34]

Im Jahre 1272 schenkte

der Koumlnig den Bruumldern der Poenitentia die Londoner Synagoge[35]

Zu 1279 berichtet die Chronik dass

einige Juden in der Naumlhe von Northampton ein christliches Kind gekreuzigt haumltten[36]

Schon erwaumlhnt wurde

der Konversionsfall des Robert von Reading der sich 1275 ereignete Aumlhnlich stellte sich die Situation in

Frankreich dar In der Champagne in Troyes wurden beispielsweise 13 Juden im Jahre 1288 wegen

Mordvorwuumlrfen hingerichtet[37]

1290 kam es in Paris zu einem Hostienschaumlndungsprozess der mit dem

Tod des Angeklagten endete[38]

Dieser angespannte religioumlse Diskurs wirkte sich auch auf den

Herrschaftsbereich aus Edward I soll als junger Mann tief beeindruckt von der Ritualmordaffaumlre um Hugh

von Lincoln im Jahre 1255 gewesen sein in deren Zusammenhang 19 Juden hingerichtet worden waren[39]

Daneben konnten sich die Herrscher nicht dem vorherrschenden Wucherdiskurs entziehen der sie als

Mitschuldige am suumlndhaften Wucher markierte da sie einen Nutzen aus dem juumldischen Wuchergeschaumlft

zogen Gerade Philipp IV der eine machtbewusste Politik auch gegenuumlber dem Papst verfolgte hatte sich

auch an seinem Groszligvater Ludwig IX und dessen bdquovorbildhafterldquo Politik in Bezug auf den Umgang mit den

Juden und dem Wucher zu messen Im wirtschaftlichen Zusammenleben aumlnderten sich ebenfalls die

Praumlmissen fuumlr den Umgang von Juden und Christen Das sbquoStatutum de Judeismorsquo markiert einen

Wendepunkt im Wirtschaftsleben Englands Es ist unklar in wie weit sich die Juden in von christlichen

bdquoMonopolenldquo dominierten Berufen etablieren konnten[40]

Mit der schwierigen wirtschaftlichen Situation der

Juden die durch das sbquoStatutum de Judeismorsquo geschaffen wurde kann moumlglicherweise der

Muumlnzbeschneidungsskandal von 1279 erklaumlrt werden in dem 267 Juden und einige Christen verurteilt und

hingerichtet wurden[41]

Daneben fuumlhrten sie will man dem Vertreibungsedikt Edwards I Glauben schenken

ihre Geldleihgeschaumlfte mit Zinsnahme im Verborgenen weiter Die Klagen der Barone und des Klerus die in

einigen Chroniken erwaumlhnt werden koumlnnten sich auf diese illegalen Taumltigkeiten beziehen Offensichtlich ist

es das Hauptargument Edwards in seinem Vertreibungsedikt Es ist deutlich geworden dass nicht nur einer

dieser Aspekte ausschlaggebend fuumlr die Ausweisungen der Juden war Vielmehr spielten viele Faktoren

zusammen in mehreren Kulturbereichen war das Miteinander gestoumlrt was schlieszliglich zur Vertreibung der

Juden fuumlhrte Zudem zeigte sich auch wie eng kaum von einander trennbar sich die Kulturbereiche -in

diesem Fall Recht Wirtschaft Herrschaft und Religion- darstellen

Die Vertreibung der Juden in den hebraumlischer Quellen

England

Die Vielschichtigkeit der Uumlberlieferung zur Vertreibung der Juden aus England lieszlige zunaumlchst eine ebenso

reiche Tradition in den hebraumlischen Quellen erwarten Allerdings ist das Gegenteil der Fall Die bekannte

Uumlberlieferung kennt keinen zeitgenoumlssischen hebraumlischen Eintrag zur Vertreibung der Juden weder in

einer hebraumlischen Chronik noch in direkten hebraumlischen verfaszligten Selbstzeugnissen englischer Juden

Dennoch sind aus dem weiteren Umfeld genauer gesagt aus Deutschland und Suumldfrankreich zeitnahe

Reaktionen auf die Geschehnisse in England uumlberliefert die zumindest einige Hinweise zur Einschaumltzung

der Ereignisse und ihrer Ursachen im innerjuumldischen Kontext liefern koumlnnen Zunaumlchst ist aus einem

Responsum des Meir ben Baruch von Rothenburg (gest 1293) eine diesbezuumlgliche Aumluszligerung uumlberliefert

Dort heiszligt es

bdquoWas die Muumlnzbeschneider betrifft so hacke ihnen wegen ihrer Vergehen die Hand ab

Wieviel Blut wurde wegen der Muumlnzenbeschneider vergossen Sie waren es die unsere Bruumlder

die Bewohner von Frankreich und der Insel (=England) ins Verderben stuumlrztenldquo[42]

Allerdings bleibt eine Datierung dieses Ausspruches schwierig Meir hat zur Zeit der Ausweisung der

Juden aus England noch gelebt Die Form der Uumlberlieferung gibt allerdings keinen Hinweis der

darauf schlieszligen laumlszligt daszlig das Responsum zur Zeit verfaszligt wurde als sich Meir nach 1286 bis zu

seinem Tode bereits in Gefangenschaft aufhielt Letzteres haumltte zumindest wahrscheinlich werden

lassen daszlig Meir sich auf die Ausweisung der Juden bezog So kann der Ausdruck bdquoins Verderben

stuumlrzenldquo auch lediglich den eigentlichen Prozeszlig zum Muumlnzenbeschneidungsvorwurf 1279 und die

Folgen ndash die Hinrichtung von etwas weniger als 300 Juden[43]

Allerdings weist die Aumluszligerung Meirs die

Muumlnzbeschneider haumltten das Elend der Juden in Frankreich und England heraufbeschworen

wiederum in eine andere Richtung Der groszlige Prozeszlig fand in England nicht in Frankreich statt Erste

Vertreibungen von Juden ereigneten sich jedoch zunaumlchst auf dem franzoumlsischen Festland

(Gasgogne 1287)[44]

nicht in England Es spricht somit vieles dafuumlr daszlig Meir gerade auf jene

Vertreibung anzuspielen scheint und in diesem Zusammenhang den Muumlnzbeschneidungsvorwurf als

Ausloumlser fuumlr die Verfolgungen der Juden in England und Frankreich ansah Die Vertreibung der Juden

im Jahre 1306 aus den direkt den franzoumlsischen Koumlnig unterstellten Territorien konnte Meir nicht

gemeint haben Zu dieser Zeit war Meir ben Baruch schon zehn Jahre nicht mehr am Leben

Ein in den Quellen eindeutiger zu fassender Hinweis zur innerjuumldischen Einschaumltzung der Ereignisse

ist uns im Rahmen eines Vorfalls innerhalb einer suumldfranzoumlsisch-provenccedilalischen Gemeinde

uumlberliefert In der Stadt Manosque hatten nach 1290 innerhalb der juumldischen Gemeinde vertriebene

Juden aus England Aufnahme gefunden Allerdings blieben die englischen Juden als eigene Gruppe

auch waumlhrend der naumlchsten 50 Jahre wahrnehmbar was sich offenbar auch in innerjuumldischen

bdquolandsmannschaftlichenldquo Spannungen niederschlug So kam es im Jahre 1338 zwischen dem

einheimischen Juden Aronetus und dem zugezogenen Juden Creysonus von Chartres zu heftigen

Auseinandersetzungen bei denen Aronetus dem Chreysonus zurief bdquoIhr anderen wart die Englaumlnder

die ihr Land verlassen mussten weil ihr die Muumlnzen beschnitten habtldquo[45]

Selbstredend wollte der

ehemalige Fluumlchtling diese Behauptung nicht auf sich sitzen lassen und strebte den Prozeszlig an

Allerdings macht diese Auseinandersetzung auch klar daszlig die Verquickung des

Muumlnzbeschneidungsprozesses mit der Tatsache der Vertreibung in innerjuumldischen Kontext keine

unuumlbliche Argumentation gewesen sein wird

Hatte sich bereits im 14 Jahrhundert dieses Erklaumlrungsmuster als Begruumlndung der Vertreibung im

innerjuumldischen Gedaumlchtnis durchgesetzt Zumindest sollte diese Begruumlndung auch in den

hebraumlischen Chroniken des fruumlhen 16 Jahrhunderts eine entscheidende Rolle einnehmen Folgende

Darstellungen sind durch sephardische Chronisten des 16 Jahrhunderts bekannt Im Shevet

Yehudah[46]

des Shlomo Ibn Verga[47]

(Erstdruck 1550) einer hebraumlischen Chronik die die juumldische

Geschichte als eine Kette von Leiden klassifiziert werden die Ereignisse in England in folgenden

Erzaumlhlrahmen eingeordnet Nach kurzer Einfuumlhrung in die englischen Verhaumlltnisse wird eine

geforderte Bekehrung zum Christentum erwaumlhnt die aus den Quellen des 13 Jahrhunderts nicht

verifiziert werden kann Nach der Zuruumlckweisung dieses Bekehrungsversuchs wird den Juden

vorgeworfen daszlig sie Muumlnzen beschnitten haumltten Dieser wirtschaftliche Betrug fuumlhrte schlieszliglich

durch den Einfluszlig der Dominikaner zur Ausweisung der Juden[48]

Zwei Abschnitte spaumlter wird von

einer Bekehrung zum Judentum eines englischen Dominikaners berichtet was zweifellos die

Geschichte des im 13 Jahrhundert zum Judentum uumlbergetretenen Robert Reading wiedergibt Dem

Chronisten erscheint diese Episode Anlaszlig genug eine Reihe von Anfeindungen auch von Seiten der

Koumlnigin anzufuumlhren die in ihrer Summe schlieszliglich zur Vertreibung der Juden aus dem englischen

Koumlnigreich fuumlhrten[49]

In der Chronik des Yosef ha-Kohen[50]

Emeq ha-Bachah[51]

aus dem Jahre

1558 finden wir dasselbe Material in veraumlnderter Weise angeordnet Ein Vertreter des Predigerordens

verliebt sich in ein juumldisches Maumldchen tritt zum Judentum uumlber und heiratet es Die Dominikaner

beschuldigen vor dem Koumlnig daraufhin die Juden die Muumlnzen zu beschneiden um die Schande des

Glaubensabfalls ihres ehemaligen Mitbruders abzuwenden[52]

Auch in anderen Werken juumldischer

Chronistik aus dem 16 Jahrhundert findet die Episode des zum Judentum konvertierenden

Dominikaners Erwaumlhnung[53]

Obwohl die Chroniken des 16 Jahrhunderts als Belege fuumlr das Geschehen des 13 Jahrhunderts

nicht herangezogen werden koumlnnen so repraumlsentieren sie dennoch eine Tendenz der innerjuumldischen

Wahrnehmung die sich bereits im 13 wie im 14 Jahrhundert ankuumlndigte Hatte noch die christlicher

Uumlberlieferungstradition als Grund fuumlr die Vertreibungen vor allem die theologische Komponente der

Auseinandersetzung betont aber auch die Intervention anderer Herrschaftstraumlger angefuumlhrt so

bildete sich unter den Juden ein voumlllig anderes Erklaumlrungsmuster heraus In den juumldischen

Traditionsstraumlngen wurden die theologische Argumentation nicht rezipiert Dies gilt vor allem fuumlr das

groszlige Feld des Wuchervorwurfs der im Ausweisungsedikt 1290 zum Hauptargument werden sollte

Innerhalb der hebraumlischen Uumlberlieferung muszligten die Ursachen der Vertreibung konkreter fassbar

gemacht werden Zwei Narrative boten sich an die der juumldischen Traditionsbildung schluumlssig

erschienen Hierzu gehoumlrt der historisch gesicherte Prozeszlig zum Muumlnzbeschneidungsvorwurf der in

zeitnahen Dokumenten als gerechtfertigt[54]

in den Traditionen des 16 Jahrhunderts als Verleumdung

angesehen wurde[55]

Demgegenuumlber scheint dieser Prozess fuumlr die Begruumlndung der Ausweisung von

Seiten der christlichen Herrschaftstraumlger keine explizite Rolle gespielt zu haben Die Einbeziehung der

Geschehnisse um den zum Judentum konvertierten Dominikaner nehmen vor allem in den spaumlten

juumldischen Traditionen einen groszligen Stellenwert ein ohne daszlig sie innerhalb des christlichen Kontextes

fuumlr die Begruumlndung der Vertreibung irgend eine Rolle gespielt haumltten So bleiben Christen wie Juden

sich nur in der Tatsache einig dass Ihr Verhaumlltnis zueinander immer groumlszligeren Erschuumltterungen

unterworfen war Die Ursachen dieser Zerwuumlrfnisse konnten dabei durchaus unterschiedlichen

Kontexten zugeordnet werden

Frankreich[56]

Auch die Vertreibung der franzoumlsischen Juden hat in der hebraumlischen Uumlberlieferung nur wenig Spuren

hinterlassen Kein Text ist bekannt der sich ausschlieszliglich auf die Ereignisse der Vertreibung

beziehen wuumlrde Wie im englischen Fall zeugen nur verstreute Bemerkungen im Werk einzelner

juumldischer Gelehrter uumlber eine Resonanz innerhalb der juumldischen Gemeinschaft Eines dieser

Zeugnisse ist aus der Hand des Abba Mari ben Moshe von Lunel uumlberliefert einem Gelehrten der um

1300 vor allem in den polemischen Auseinandersetzungen um die Rezeption des Schriften des

Maimonides und der Frage nach dem Stellenwert philosophischer Studien in Erscheinung getreten

war[57]

In einem Brief[58]

schreibt er

Im Jahre 5066 (1306) der Zaumlhlung dies ist das Jahr welches die Suumlnde hervorgebracht hat[59]

verbreitete sich die Verfolgung (Gezerah) des Koumlnigs von Frankreich (Tzarfat) uumlber alle Juden in

allen Landen seines Koumlnigreiches aus sie aus ihren Haumlusern zu holen und ihnen all ihren Besitz

abzunehmen Alle sollten an einem bestimmten Tag festgesetzt werden jung und alt Frauen und

Kinder und diese sollte am Freitag am zehnten des Monats Aw (22 Juli 1306) geschehen und

man vertrieb sie aus dem Land Die Juden die in der Stadt Montpellier lebten wurden im Jahre

5067 im Monat Marcheshwan vertrieben (10 Okt-7 Nov 1306) Einige von ihnen begaben sich in

die Stadt Perpignan da sie sich des Sieges des Koumlnigs von Mallorca sicher waren dass er ihnen

aus der Hand des Koumlnigs den Aufenthalt und die Versorgung gewaumlhren wuumlrde Wieder andere

zogen weiter in die Provence hellip Und ich nachdem ich mich in die Provence ins Exil begeben

hatte in die Stadt Arles fuhr von dort fort und begab mich von dort in ein zweites Exil in die Stadt

Perpignan Ich kam dort an am ersten des Monats Shwat dem vierten Monat unseres Exils (5 Jan

1307)[60]

Abba Mari beschreibt als Zeitzeuge den politischen Kontext der Vertreibung der Juden im

Suumlden des franzoumlsischen Koumlnigreiches Die Beschreibung bleibt an sein eigenes Schicksal

gebunden Die Ausweisung der Juden umfasst auch das Languedoc das ebenfalls Teil des

direkten Herrschaftsbereichs des franzoumlsischen Koumlnigs Philipp des Schoumlnen geworden war Die

Vertriebenen wandten sich nun benachbarten nichtfranzoumlsischen Herrschaften zu der

Provence die zur Zeit der Vertreibung noch ein Teil des roumlmisch-deutschen Reiches war sowie

den Besitzungen des Koumlnigs von Mallorca zu denen Perpignan und teilweise auch Montpellier

zaumlhlten[61]

Zunaumlchst hatte der Koumlnig von Mallorca die Vertreibung der Juden aus Montpellier in

Opposition zum franzoumlsischen Koumlnig abgelehnt[62]

Die Juden hofften wie Abba Mari betont

dass dieser Widerstand von Dauer sein koumlnnte wurden jedoch enttaumluscht Im Februar 1309

willigte nach langen Verhandlungen auch der mallorquinische Koumlnig ein der Vertreibung der

Juden zuzustimmen[63]

In Territorien in denen er uneingeschraumlnkt seine Herrschaft ausuumlben

konnte wie etwa in Perpignan war den Juden der Aufenthalt weiterhin erlaubt so dass dorthin

wie in die Provence die Juden der Stadt Montpellier weiterzogen Abba Mari beschreibt die

lokalen politischen Zusammenhaumlnge der Vertreibungen der am Mittelmeer gelegenen

Territorien Er hebt dabei den Einfluss des franzoumlsischen Koumlnigs auf Herrschaftstraumlger

auszligerhalb seines Koumlnigreiches hervor nennt jedoch keinen Grund der das Verhalten des

franzoumlsischen Koumlnigs erklaumlrt haumltte Warum die franzoumlsischen Juden ihr Stammland verlassen

mussten wird nicht diskutiert

Ein weiterer Autor des fruumlhen 14 Jahrhunderts Eshtori ha-Parchi[64]

beschreibt in seinem Werk

Kaftor wa-Ferach kurz seine am eigenen Leib erfahrene Vertreibung der Juden aus dem

Suumlden des franzoumlsischen Koumlnigreichs

bdquoAuch erinnere ich mich an das Datum der Zerstoumlrung des kleinen Heiligtums naumlmlich die

Zerstoumlrung der Lehrhaumluser und Synagogen in Tzarfat (Nordfrankreich) und teilweise auch in der

Prowentzah (Suumldfrankreich hier Languedoc)[65]

Ich floh vom Schlachtfeld hellip im Jahre 5066 und

zwar am 10 Aw (22 Juli 1306)ldquo[66]

Eshtori ha-Parchi der sich schlieszliglich im Jahre 1313 im Lande Israel niederliess nennt

keine Begruumlndung der Ereignisse Die Bezeichnung der Vertreibung als Zerstoumlrung des

kleinen Heiligtums macht dem Leser deutlich welche Bedeutung den franzoumlsischen

Gelehrtenzentren vom Autor zugesprochen wurde die in dieser Ruumlckschau als

unwiederbringlich verloren betrachtet werden Eine weitere zeitnahe Notiz zur Vertreibung

der franzoumlsischen Juden laumlsst sich im Tora-Kommentar des Gelehrten R Lewi ben

Gershom (Ralbag) (1288-1344) finden Der Gelehrte der unter seinen nichtjuumldischen

Zeitgenossen auch unter der Bezeichnung Maestre Leo de Bagnol oder auch Magister

Leo Hebraeus bekannt war[67]

schreibt zum Wochenabschnitt Bechukotei (Lev 26 3 -

27 34)

Und wenn es in der Schrift heiszligt sbquoIhr geht unter den Voumllkern zugrunde und das Land euerer

Feinde friszligt euch aufrsquo (Lev 26 38) bezog sich dies auf die groszligen Noumlte unseres Volkes in denen

viele umgekommen sind eingeschlossen das Hinschlachten einiger in den heiligen Gemeinden

und die Vertreibung der Juden aus dem Lande Zarfat Doppelt so viele starben an Hunger und

Pestilenz als beim Auszug aus Aumlgypten[68]

Interessanterweise erwaumlhnt Levi ben Gershom als erster Autor Todesopfer die

innerhalb der juumldischen Gemeinschaft als Folge der Vertreibung zu beklagen waren

Fast ein Jahrhundert spaumlter wohl in der ersten Haumllfte des 15 Jahrhunderts

beschreibt der in Spanien wohl in Tortosa lebende Mattityahu haYizhari ein

Nachkomme einer aus Suumldfrankreich stammenden Familie[69]

die Vertreibung der

Juden mit folgenden Worten

Es sprach Mattityahu Sohn des Moshe Sohn des Weisen Mattiyahu ha-Yizhari sein Andenken

sei zu Segen Viele Noumlte haben uns ereilt seit wir aus dem verheiszligenen Land vertrieben wurden

hellip tausende und zehntausende Juden hatten sich in Frankreich niedergelassen hellip und meine

Vorfahren siedelten in der Stadt Narbonne einer groszligen Stadt Gottes bis Verfehlungen zur

Vertreibung fuumlhrten Einige starben als Maumlrtyrer andere wurde uumlber die ganze Erde zerstreut und

das ganze Land Zarfat lag entbloumlszligt da [70]

Auch bei Levi ben Gershom steht die Zerstoumlrung der groszligen juumldischen Zentren

im Vordergrund Ein Grund fuumlr deren Untergang wird nicht eroumlrtert Ein

aumlhnliches Bild findet sich bei einem weiteren juumldischen Gelehrten aus dem

Beginn des 14 Jahrhunderts In seinem um das Jahr 1321 abgeschlossenen

Werk Even Bochan bemerkt der in Arles geborene juumldische Philosoph

Kalonymos ben Kalonymos (geb 1286)[71]

Als der Herrscher von der Stimmung erfasst wurde mein Volk ins Exil zu fuumlhren vor siebzehn

Jahren uumlberwand er sie in seinem Grimm und vertrieb sie mit starker Hand aus seinem Land

uumlberfuumlhrte sie in Staumldte nackt und mittellos die in ihren Palaumlsten viele Schaumltze von Gold besaszligen

um die Altehrwuumlrdigen ihrer Generation und ihre Prinzen zu vernichten und auszuloumlschen[72]

Die Erwaumlhnung der Enteignung der Juden durch die franzoumlsische Krone

verweist auf den tatsaumlchlichen Verlauf der Ausweisung und auf ihre

fiskalischen Motive[73]

Die auch vom Autor betonten finanziellen

Interessen des Herrschers werden jedoch nicht diskutiert Uumlberhaupt

bleiben die wenigen weiteren zeitgenoumlssischen Bemerkungen zur

Vertreibung sehr skizzenhaft und auch eng mit der Biographie ihrer

Verfasser verknuumlpft So schreibt R Menachem ha-Meiri (Vidal Salamon

Mayr) (geb 1249) der wenige Jahre nach der Vertreibung verstarb[74]

in

seiner Einleitung zur Auslegung des Traktates Avot

als Gott mich vom meinem Vaterhaus fortbrachte machte er meine Soumlhne zu Fluumlchtlingen und

meine Toumlchter fuumlhrte er in Gefangenschaft[75]

Die letzten bekannten Bemerkungen zur Vertreibung aus der

Generation der Zeitzeugen stammen aus der Feder des Dichters

und Philosophen Jedajah ben Abraham haPenini[76]

der in den

Staumldten Beacuteziers Montpellier und Perpignan lebte und um 1325

verstarb In einem Brief an den katalanischen Gelehrten Schlomo

Ibn Adret betonte der Autor wie sehr doch die Juden der Provence

ihre Tuumlren weit fuumlr die Exilierten geoumlffnet haumltten und viel dazu

beigetragen haumltten die Fluumlchtlinge aufzunehmen[77]

Auch in einem

Gedicht schloss der Autor Anspielungen zur Vertreibung der

franzoumlsischen Juden mit ein[78]

Hebraumlische Zeugnisse zur Vertreibung aus dem Norden des

franzoumlsischen Herrschaftsgebietes konnten bisher nicht

nachgewiesen werden Die hier aufgefuumlhrten hebraumlischen Quellen

zur Vertreibung der Juden aus den Herrschaftsgebieten des

franzoumlsischen Koumlnigs stammen ausschlieszliglich von Personen die

durch die Zerstoumlrung der juumldischen Zentren im suumldlichen Frankreich

betroffen waren Diese Uumlberlieferungen wurden schlieszliglich von der

hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts aufgenommen und in

ihre als Zyklen von Leiden und Verfolgung gestalteten Werken

eingearbeitet Itzchaq Abarbanel (gest vor 1550) scheint dabei der

entscheidende Protagonist bei der Schoumlpfung eines die Vertreibung

von 1306 beschreibenden juumldischen Narratives gewesen zu sein

auch wenn er sich nach seinen eigenen Angaben lediglich auf

Itzchak Profiat Duran genannt Efodi einen juumldisch-katalanischen

Autor des spaumlten 14 Jahrhunderts bezog So schreibt Abarbanel

bdquoIm Jahre 5066 (1306) der Zaumlhlung war die Vertreibung aus Frankreich Koumlnig Philipp war ein

grausamer und verfluchter Feind der alle Juden aus seinem Koumlnigreich vertrieb all ihren Besitz

enteignete und sie mittellos des Landes verwies Es gab dort viele groszlige Gemeinden doppelt so

viele (Juden) wie aus Aumlgypten auszogen hellip Und es war eine Zeit der groszligen Not fuumlr Israel hellip es

war im Monat Aw (13 Juli 1306-11 August 1306) und es war eine allumfassende Vertreibung hellipall

dies findet sich in der Schrift bdquoSichron ha-Shmadotldquo die von allen Zerstoumlrung berichtet die sich seit

der Zerstoumlrung des Tempels in Israel ereignet haben aufgeschrieben und redigiert von Efodildquo[79]

Der Autor weiszlig zu berichten unter welchem Koumlnig und in welchem Monat und Jahr die Vertreibung

stattfand Auf die Mittellosigkeit der juumldischen Fluumlchtlinge wird explizit hingewiesen die auf die

Auspluumlnderung durch den Koumlnig zuruumlckgefuumlhrt wird Auch eine Vorstellung von der Zahl der Exilierten

spiegelt sich im Text wider

Shlomo Ibn Verga uumlbernimmt den Text fast woumlrtlich fuumlr seine Chronik Shevet Yehudah und erweitert ihn

lediglich um die nicht belegbare Geschichte der Konversion der Gemeinde von Toulouse[80]

Ihm

folgen Samuel Usque[81]

und Yosef ha-Kohen[82]

So bieten die Erzaumlhltraditionen des 16

Jahrhunderts lediglich ein Geruumlst von Fakten die den Handlungsablauf der Vertreibung mit wenigen

Worten beschreiben Eine Begruumlndung der Vertreibung wird nicht genannt So entspricht die

Erzaumlhlarmut des Textes zur Vertreibung aus Frankreich innerhalb der hebraumlischen Chronistik des

16 Jahrhunderts der allgemeinen Quellenarmut der hebraumlischen Uumlberlieferungstradition zu diesem

Ereignis

Beziehung der Juden zum Herrscher

Anhand der Untersuchung von herrschaftlichen Bindungen der Juden soll im Folgenden verdeutlicht

werden wie sich ein ehemals funktionierendes Miteinander zu einem Zerbrechen eben dieses

Miteinanders mit dem Resultat der Vertreibung veraumlnderte Dazu werden die Herrschaftsstrukturen

mit ihren Veraumlnderungen zwischen dem Koumlnig beziehungsweise anderen christlichen

Herrschaftstraumlgern und den Juden in England und Frankreich analysiert In England siedelten sich

im Zuge der normannischen Eroberungen nach 1066 die ersten aus Frankreich stammenden Juden

an[83]

Seit dieser Zeit wurden sie in Dokumenten haumlufig als bdquoJuden des Koumlnigsldquo[84]

bezeichnet

Diesen exklusiven Anspruch konnte der Koumlnig bis zur Vertreibung durchsetzen auch wenn es

vereinzelt andere Herrschaftstraumlger gab die Macht uumlber Juden erlangten[85]

Die Juden waren dem

Koumlnig direkt unterstellt sie mussten ihm jede Geldforderung erfuumlllen im Gegenzug durften sie nach

ihrem Gesetz leben und ihren Wohnsitz frei waumlhlen[86]

Ein Privileg Richards I von 1190 erwaumlhnt

auszligerdem unter anderem das Recht der Juden auf Landbesitz und zollfreien Handel mit Wein[87]

Belastend fuumlr das Leben der Juden von England war das hohe Maszlig an Verwaltung das die

englischen Koumlnige geschaffen hatten um die Steuern effizient eintreiben zu koumlnnen Anlaumlsslich der

Kroumlnung Richards I im Jahre 1189 war es ausgehend von London zu Massakern an Juden in ganz

England gekommen Da die koumlnigliche Verwaltung nicht nachvollziehen konnte welche

Schuldscheine durch die Verfolgung vernichtet worden waren wurde als Reaktion 1194 ein

Archivsystem (archae) eingefuumlhrt das von nun an alle Geldgeschaumlfte sowie alle Juden mit ihrer

Finanzkraft verzeichnete[88]

Unter Heinrich III (1216-1272) aumlnderte sich der rechtliche Status der

Juden Im Jahr 1253 erlieszlig der Koumlnig ein Mandat das den Juden unter anderem verbot neue

Synagogen zu errichten christliche Bedienstete oder sexuelle Kontakte mit Christen zu haben und

Kirchen zu betreten Wichtigster Punkt war jedoch dass Juden nun ihren Wohnort nicht mehr frei

waumlhlen sondern nur noch dort leben durften wo bereits Juden ansaumlssig waren[89]

Viele der hier

formulierten Mandate waren im IV Laterankonzil von 1215 als verbindliche Verbote fuumlr die Juden in

der christlichen Welt festgelegt worden und fanden nun ihre Umsetzung Daneben stieg die

Besteuerung seit den 1240er Jahren stetig an wodurch die Finanzkraft der Juden bereits deutlich

geschwaumlcht wurde[90]

Im Falle Edwards I zeigte sich schlieszliglich dass die starke Bindung der Juden

an den Koumlnig die den Juden in fruumlheren Jahren zunaumlchst Unabhaumlngigkeit und Wohlstand gebracht

hatte nun ihren Ruin und schlieszliglich ihre Vertreibung bewirkte Der Koumlnig hatte bei Maszlignahmen die

die Juden betrafen kaum Widerspruch zu befuumlrchten zu eindeutig definiert war seine Machstellung

den Juden gegenuumlber In Frankreich unterstanden die Juden dem Herrn ihres jeweiligen Gebiets

der Koumlnig von Frankreich herrschte also nur in der Krondomaumlne uumlber die Juden des Koumlnigreiches[91]

Die Juden waren an ihr angestammtes Territorium gebunden und durften dieses nur mit der

Erlaubnis ihres Landesherrn verlassen Dieses Prinzip reicht bis in die Zeit von Philipp II August

(1180-1223) zuruumlck und wurde seit der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne 1198 in

verschiedenen Vereinbarungen mit anderen franzoumlsischen Territorialherren vertraglich fixiert[92]

Schon bei der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne kam es zu Irritationen da Philipp II

die 1182 vertriebenen Juden nach wie vor als bdquoseine Judenldquo ansah diese Auffassung aber

beispielsweise von Graf Theobald III von Campagne nicht geteilt wurde Er fuumlrchtete Steuerausfaumllle

und war der Meinung dass Juden die sich 1182 in der Champagne niedergelassen hatten nicht

mehr die Juden des Koumlnigs seien[93]

Auch andere Landesherren weigerten sich dem Wegzug ihrer

Juden in die Krondomaumlne zuzustimmen[94]

Auch erste Schritte eines buumlrokratischen Umgangs mit

den Geldgeschaumlften der Juden waren 1198 durch Philipp II August vorgenommen worden

moumlglicherweise beeinflusst durch die archae die in England 1194 unter Koumlnig Richard I eingerichtet

worden waren um die Geldgeschaumlfte und die Finanzkraft der Juden zu dokumentieren In jedem Ort

der Krondomaumlne gab es spezielle Beamte die die Kreditvertraumlge der Juden siegelten und so

kontrollierten wem die Juden welche Betraumlge an Geld liehen[95]

Auch den Juden konnte dieses

Verfahren als Sicherheit fuumlr ihre Geschaumlfte dienen Unter Ludwig VIII (1223-1226) kam es zum

ersten Eingriff in die Geldgeschaumlfte der Juden im franzoumlsischen Gebiet 1223 erlieszlig der Koumlnig

zusammen mit diversen Landesherren ein Statut in dem festgelegt wurde dass die Ruumlckzahlung

aller Schulden bei Juden an insgesamt neun Terminen an die koumlnigliche beziehungsweise

landesherrliche Schatzkammer erfolgen sollte Die Praxis des Siegelns von Urkunden uumlber

Darlehensvergaben wurde abgeschafft Erneut wurde festgehalten dass keiner der Herrscher Juden

eines anderen Herrschers bei sich aufnehmen duumlrfe wobei es bei diesem Punkt wieder zu

Unstimmigkeiten mit dem Grafen der Champagne kam der die Erklaumlrung nicht unterschrieb[96]

Bereits die ersten Jahre der Regierungszeit Ludwigs IX (1226-1270) brachten fuumlr die Juden weitere

Beschwerlichkeiten und erste direkte Aktionen gegen den Wucher Im Jahr 1227 kam es zu einer

erneuten Aneignung der ausstehenden Schulden bei Juden 1228 erging ein Mandat in dem Ludwig

IX befahl bei kuumlnftigen Geldgeschaumlften auf Zinsen zu verzichten Auszligerdem erklaumlrte der Koumlnig bei

Geldgeschaumlften die seit der Schuldentilgung ein Jahr zuvor geschlossen wurden alle Zinsen fuumlr

unguumlltig[97]

Auch die generelle Rechtsstellung der Juden wurde schon fruumlh in der Regierungszeit

Ludwigs IX definiert wobei es bei der alten Regelung blieb Im Statut von Melun hielten der Koumlnig

und die Landesherren daran fest dass die Juden tamquam proprii servi an das jeweilige Territorium

gebunden waren Christliche Schuldner wurden dazu aufgerufen ihre Schulden bei Juden zu

bezahlen nicht aber die Zinsen[98]

Die 1240er Jahre waren in Frankreich gepraumlgt vom Pariser

Talmudprozess in dem der Talmud als ketzerische Schrift verurteilt und danach oumlffentlich verbrannt

wurde[99]

Dies fuumlhrte unter anderem zu einer verstaumlrkten Auswanderung juumldischer Eliten aus

Nordfrankreich[100]

Insgesamt aumlnderte sich der rechtliche Status unter Ludwig IX nicht aber fruumlher

als die Herrscher in England nahm Ludwig IX der 1290 heilig gesprochen wurde den Kampf gegen

den Wucher auf Einige Aktionen Koumlnig Philipps IV (1285-1314) waumlhrend seiner ersten

Regierungsjahre in Bezug auf die Juden muumlssen vor dem Hintergrund der Vertreibungen gesehen

werden die sich in Regionen auszligerhalb der Krondomaumlne ereigneten so beispielsweise die

Ausweisung der juumldischen Fluumlchtlinge durch Philipp IV im Jahre 1291[101]

Daneben ist eine

konsequente Linie den Juden gegenuumlber nicht zu erkennen 1285 erneuerte er beispielsweise ein

Privileg zum Schutz von Synagogen und Friedhoumlfen zugleich bestaumltigte er die Pflicht der Juden ein

spezielles Abzeichen an ihrer Kleidung zu tragen[102]

Beides sind Zeichen dafuumlr dass der Koumlnig zu

dieser Zeit nicht daran dachte die Juden auszuweisen sondern das Leben der Juden rechtlich zu

definieren Vorrangiges Ziel Philipps IV war es zunaumlchst seine Oberherrschaft uumlber die Juden im

Suumlden zu sichern wo diese nicht von allen Baronen anerkannt wurde Die Herrschaft in der

Champagne hatte er sich durch Heirat bereits gesichert Dort in Troyes kam es 1288 zu einer

Mordanklage in deren Folge 13 Juden hingerichtet wurden wobei der Koumlnig ihre Besitztuumlmer

einzog[103]

Groumlszligeren Einfluss auf den Koumlnig scheint die Hostienschaumlndungbeschuldigung 1290 in

Paris gehabt zu haben Philipp IV warnte die Juden vor weiteren Hostienschaumlndungen und

spendete ein Haus neben der Kirche die zum Gedenken an den Fall errichtet worden war[104]

Wie

sein Groszligvater Ludwig IX setzte Philipp IV den Kampf gegen den Wucher fort verbot ihn 1299 und

1303 daneben wurde auch das Verbot des Neubaus von Synagogen sowie des Talmuds bei diesen

Gelegenheiten erneuert[105]

In einer konzentrierten und laumlnger vorbereiteten Aktion lieszlig Philipp IV

dann die Juden (oder jedenfalls die Familienvorstaumlnde) vermutlich am 22 Juli 1306 festsetzen Dies

diente dazu eine genaue Aufstellung der Judenguumlter vorzunehmen und um sich die ausstehenden

Schuldscheine zu sichern Gleichzeitig bedeutete es das Ende der juumldischen Siedlung in Frankreich

bis zu ihrer Wiederzulassung unter Ludwig X im Jahr 1315

Sowohl bei der Vertreibung aus England als auch der aus Frankreich zeigt sich die Gefahr die die

Abhaumlngigkeit der Juden vom Herrscher barg Vor allem in England hatte die privilegierte Position fuumlr

Wohlstand und ein groszliges Maszlig an innerer Autonomie etwa in der Rechtssprechnung oder in bezug

auf die Freizuumlgigkeit gesorgt[106]

Sie schuumltzte die Juden jedoch nicht immer vor Gealtakten wie den

seit der Mitte des 12 Jahrhunderts immer wieder vorkommenden Ritualmordvorwuumlrfen In

Frankreich verschlechterten sich ihre Lebensumstaumlnde mit der Ausbreitung der Krondomaumlne War

es 1182 noch ein geringes Problem fuumlr die Juden eine neue Heimat zu finden und von anderen

franzoumlsischen Landesherren wohlwollend aufgenommen zu werden war dies 1306 nicht mehr

moumlglich Die Herrscher nahmen die theologischen Diskurse uumlber den Wucher oder den Talmud auf

und wurden des weiteren beeinflusst durch antijuumldische Blut- und Hostienschaumlndungsvorwuumlrfe

Auch wirtschaftliche Uumlberlegungen haben eine Rolle gespielt ebenso mag es eine Dynamik

gegeben haben angestoszligen durch die weiteren Vertreibungen in dieser Umbruchszeit in der sich

jeder Herrscher damit profilieren wollte und konnte die Juden zu vertreiben

Die allgemeine Verurteilung des Wuchers

Obwohl gerade in der hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts verstaumlrkt die finanziellen Interessen vor

allem des franzoumlsischen Koumlnigs als Motiv der Vertreibung hervorgehoben wurde folgte die zeitnahe

Argumentation einer innerjuumldischen Perspektive anderen Erklaumlrungsmustern So gilt es zumindest

im Falle der Vertreibung aus England festzuhalten dass sich unter den Juden die Vorstellung

verbreitete das Fehlverhalten einzelner Juden haumltte die Ausweisung von 1290 wie auch andere

Vertreibungen mit verursacht Doch laumlsst sich im Wuchervorwurf gegenuumlber den Juden - dem

durchgaumlngigen Argument der Vertreibungen im 13 Jahrhundert - nicht etwa eine vordergruumlndige

falsche Praxis des Geldverleihs als ausloumlsendes Moment vermuten wie dies gelegentlich auch von

christlicher Seite von den Zeitgenossen vertreten wurde[107]

Vielmehr begann sich seit dem 12

Jahrhundert unter christlichen Gelehrten und weltlichen Herrschern ein theologisches Verstaumlndnis

bezuumlglich des Wuchers durchzusetzen das der wirtschaftlichen Taumltigkeit der Geldleihe auch in den

Haumlnden der Juden keine geduldeten Nische zuzuweisen bereit war[108]

Wucher wurde nun nicht

mehr als Suumlnde gegen den Naumlchsten aus mangelndem Mitgefuumlhl betrachtet und als turpe lucrum

(schaumlndlicher Profit) definiert sondern als Suumlnde gegen die iustitia[109]

Gemaumlszlig dieser Vorstellung

waren alle Wuchergewinne Diebesgut und muszligten zuruumlckgegeben werden Viel schwerer wog die

Feststellung daszlig sich die nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger durch ihre Besteuerung der Juden am

Wuchergewinn der Juden beteiligten und sich darum der gleichen Suumlnden schuldig machten[110]

Somit wurde auf demselben Wege der fuumlrstliche oder koumlnigliche Judenschutz die Legitimation

entzogen Die voumlllige Unterbindung des juumldischen Geldhandels schien darum fuumlr die meisten

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger der einzig richtige Weg wie dies bereits die im Namen Koumlnig

Ludwigs IX verkuumlndete ordenance von Melun 1230 forderte[111]

Als letzte Konsequenz blieb die

Ausweisung der Juden aus immer mehr Herrschaften des franzoumlsischen Koumlnigreiches und

schlieszliglich der Kronlande Das Zerbrechen des Miteinanders von Juden und Christen innerhalb des

franzoumlsischen Koumlnigreiches sowie die schrittweise Aufloumlsung bzw Zerschlagung des

jahrhundertealten juumldischen Siedlungsnetzes muszlig auf die juumldischen Gemeinschaften der

benachbarten Regionen so z B in den Rheinlanden verstoumlrend und beaumlngstigend gewirkt haben

Der dieser Vertreibung zugrundeliegende theologische Diskurs zu Geldhandel und Wucher und die

daraus resultierenden Folgen fuumlr die eigene juumldischen Existenz scheint jedoch nur einen geringen

Einfluszlig auf die Wahrnehmung ihrer eigenen Situation gehabt zu haben Im Zuge der Vertreibung der

franzoumlsischen Juden im Sommer und Herbst 1306 waren juumldische Fluumlchtlinge in die deutschen

Rheinlande gelangt[112]

Wohl wenige Monate spaumlter trafen in Worms die Delegierten des dortigen

Gemeindebezirkes die Vertreter der die Wormser Gemeinde und der sie umgebenden juumldischen

Niederlassungen auf einer Versammlung zusammen Auf diesem juumldischen Landtag sollte eine

Rechtssatzung eine Takkanah verabschiedet werden die die Praxis der juumldischen Geldleihe im

Einzugsgebiet der Gemeinde Worms sowie das Verhalten gegenuumlber hochverschuldeten Kunden

neu regelte[113]

In der Zusammenkunft der Haumlupter des Volkes im bdquoLand Wormsldquo im Jahr 67 des sechsten Jahrtausends

(10 Sept 1306 - 28 Augutst 1307) weil sich wegen unserer groszliger Verfehlungen die Noumlte der

Soumlhne unseres Volkes vermehrten durchforschten wir unsere Taten und fanden dass seit einiger

Zeit ein Schwert die Seele der Elenden und Reinen auffraszlig weil sie Vermoumlgen vermehrt hatten

durch Zins und Zinseszins von den Fuumlrsten der Nichtjuden Diese schuldeten ein Riesenvermoumlgen

den Familienvorstaumlnden Sie schmiedeten Raumlnke sich auf die Juden zu stuumlrzen und sie zu

uumlberfallen um sich von ihren Schulden zu befreien Wir haben beschlossen dass man keine

Erhoumlhung hinzufuumlgen darf und jedem Mann und jeder Frau nicht gestattet werden soll irgend einem

Nichtjuden einem einzelnen Schuldner mehr als 100 Pfund Hallisch zu leihen Und wenn der

Zeitpunkt der Schuldruumlckzahlung gekommen ist soll es nicht mehr gestattet sein die Zinsschuld der

Schuldsumme zuzuschlagen sondern man soll aus der Hand des Schuldners die ganze Schuld

einziehen Und wenn man nicht die ganze Schuld von ihm einziehen kann soll man sich nicht

hindern lassen wenigstens den Zins einzuziehen Nur soll man den Schuldner nicht mit List

uumlbervorteilen Und wenn es nicht gelingt irgend etwas einzuziehen dann soll man dies dem Rat

seiner Gemeinde mitteilen und nach deren Geheiszlig soll man handeln Was das Schuldgeschaumlft der

fuumlrstlichen Schuldner betrifft deren Schulden sich schon vermehrt haben und die niemand mehr

begleichen kann Die Glaumlubiger sollen sich huumlten sie mit hohen Zinsen zu belasten denn es sind

Komplotte zu befuumlrchten was Gott verhuumlten moumlge Schon einige Personen haben sich

zusammengeschlossen und dies gerade nicht bei den Fuumlrsten sondern bei den Klerikern und den

Buumlrgern [114]

Offenkundig standen den Delegierten die befuumlrchteten Konsequenzen der Geldleihe deutlich vor

Augen Wohl ebenso eingeschuumlchtert durch die in Frankreich vollzogene Vertreibung der Juden

wurden von seiten der Juden eigene Verfehlungen aber auch unguumlnstige Machtkonstellation

beobachtet die im Falle der franzoumlsischen Juden zu deren Untergang gefuumlhrt hatten Die

Beziehungen von Juden und Christen steckten auch in den Rheinlanden in den eingangs genannten

Bereichen von Wirtschaft Herrschaft und Religion in einer tieferen Krise Die auf dem

Versammlung von Worms beschlossenen Gegenmaszlignahmen blieben auf die juumldischen Teilnehmer

beschraumlnkt Zuruumlckhaltung gegenuumlber den christlichen Kunden Demut gegenuumlber Gott und das

Flehen um sein Erbarmen was mit guten Werken unterstuumltzt werden soll Eine direkte Verhandlung

mit den christlichen Herrschaftstraumlgern war nicht mehr vorgesehen Das gegenseitige Vertrauen

zwischen Juden und Christen war verschwunden in einer Zeit in der nicht mehr Koexistenz sondern

vor allem von Seiten der Juden die Sorge um die eigene Zukunft das eigene Handeln bestimmte

Zusammenfassung

Die Vertreibung der Juden aus England hatte innerhalb des juumldischen Kontextes noch zu Ansaumltzen der

Selbstreflexion gefuumlhrt die einen konkreten Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Vertretern

der juumldischen Seite und den politischen Entscheidungen der nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger

gegenuumlber der eigenen Gruppe erkennen mochten Dennoch waumlhnte man sich weiterhin in einem

rechtlich voumlllig abgesicherten Verhaumlltnis zur christlichen Umwelt Man war sich eines besonderen

Status innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft bewuszligt der in den Augen der Juden in

keiner Weise gefaumlhrdet schien Noch in der zweiten Haumllfte des 13 Jahrhunderts definierte Meir ben

Baruch (gest 1293) die Stellung der Juden im Reich als die eines freien Landbewohners der sein

Land nicht aber seine persoumlnliche Freiheit verloren hat [115]

Er sei darum nicht wie die Nichtjuden

den Fuumlrsten unterworfen und zu Steuerzahlungen verpflichtet Diese Konstruktionen erinnern stark

an die noch im 12 Jahrhundert in Frankreich vertretenen Rechtsauffassungen eines Itzchaq ben

Shmuel von Dampierre (gest ca 1185)[116]

der ebenfalls die Freiheit der Juden im Vergleich zu den

Nichtjuden hervorhebt ihre voumlllige Bewegungsfreiheit im Gegensatz zu an die Scholle gebundenen

Nichtjuden betont und die Juden ebenfalls aus der Rechtspraxis herausnimmt die dem

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger gestattet bei Abwanderung von Personen deren beweglichen

Besitz einzuziehen[117]

Nach juumldischer Auffassung folgten die Interaktionen zwischen Juden und

Christen nach Regeln die von beiden Seiten anerkannt waren Das jedoch sich dies Regelwerk zu

ungunsten der Juden verhaumlndert haben mochte daszlig die eigene Bewegungsfreiheit inzwischen mehr

und mehr eingeschraumlnkt wurde die besonderen Steuergesetzgebung seit den Aumluszligerungen des

Itzchak von Dampiegravere sich erheblich veraumlndern hatte und damit nach daszlig Verhaumlltnis zur christlichen

Umwelt nun erheblichen Umwaumlltzungen unterworfen war wurde wie die Aumluszligerung Meirs nahelegt

weder reflektiert noch einigermaszligen registriert

Das Verhalten der franzoumlsischen Juden Angesichts ihrer Vertreibung ist darum keinesfalls verwunderlich In

den wenigen juumldischen Selbstzeugnisse zur Vertreibung der franzoumlsischen Juden finden sich keine

Spuren die auf einen Prozess der Selbstreflexion schlieszligen lassen Die Frage der Motivation zur

Vertreibung der Juden wird soweit dies die Quellen erkennen lassen nicht diskutiert Der

offenkundige theologische Diskurs zur Unrechtmaumlszligigkeit des auf Zinsen geleisteten Geldverleihs

dem die juumldischen Gemeinschaft im franzoumlsischen Koumlnigreich letztlich zum Opfer fiel wird

nirgendwo rezipiert Man koumlnnte den Eindruck gewinnen dass sich den franzoumlsischen Juden die

Gefaumlhrlichkeit der Diskussion um den Wucher zu keinem Zeitpunkt erschloss Auch in den

konstruierten Narrativen der folgenden Generationen steht die auch fuumlr den einzelnen Juden

folgenreiche finanzielle Auspluumlnderung durch die franzoumlsische Krone im Vordergrund Allerdings

zeigt die Quelle aus dem rheinischen Kontext dass zumindest nach der Vertreibung aus dem

franzoumlsischen Koumlnigreich im Jahre 1306 unter den rheinischen Juden bestimmte Formen der

Geldleihe als Element der Selbstgefaumlhrdung wahrgenommen wurde Dabei macht die Uumlberlieferung

der Wormser Versammlung auch deutlich das die Zerruumlttung des Verhaumlltnisses von Juden und

Christen auch von juumldischer Seite nicht mehr geleugnet werden konnte Dass es sich dabei nicht nur

um eine wirtschaftliche Auseinandersetzung sondern zunaumlchst um einen christlichen theologischen

Diskurs handelte der sich gaumlnzlich juumldischem Handeln entzog scheint den Protagonisten der

Wormser Gemeinde nicht zugaumlnglich gewesen sein Ohne zu erkennen dass die Geldleihe und

somit die eigene wirtschaftliche Existenz gaumlnzlich in Frage gestellt werden koumlnnte versuchten die

Vertreter der Wormser Versammlung durch einzelne Maszlignahmen die Beziehungen zur christlichen

Umgebung zu entlassten um Gefahren von der eigenen Gemeinschaft abzuwenden Auf diese

Weise wurden die Juden im Westen Europas mehr und mehr wirtschaftlichen und theologischen

Dynamiken ausgesetzt die sich jenseits der juumldischen Wahrnehmung auszuformen begannen und

schlieszliglich in die Verdraumlngung der Juden muumlnden sollten die in der Vertreibung von England und

Frankreich ihren Anfang nahm

Rainer Barzen Lennart Guumlntzel

1 uarr Vgl zu Frankreich Chazan Jewry (1973) 154-207 Jordan Monarchy (1998) 177-261 Zu

England Hyams Jews (1996) 173-192 Mentgen Vertreibungen (1997) 11-53 Mundill England

(1998)

2 uarr Chazan Jewry (1973) 63-100 Ders Church (1980) 312f Jordan Monarchy (1998) 23-38

3 uarr Zur Geschichte der Juden unter Ludwig IX vgl Chazan Jewry (1973) 100-153

4 uarr Die Vorbildfunktion Ludwigs IX vor allem in Hinblick auf den Kampf gegen den Wucher erwaumlhnt

Cluse Zusammenhang (1999)135ndash163

5 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

6 uarr Chazan Church (1980) 313-317

7 uarr Florentii Wigorniensis 214f

8 uarr Ebd 212

9 uarr Chazan Church (1980) 317-319

10 uarr Aufstellung der Chroniken bei Abrahams Expulsion (1895) 449f

11 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

12 uarr Ordonnances 317

13 uarr Jordan nennt als Beispiel die Ortschaft Niort die ihre Juden vertreiben konnte Jordan Monarchy

(1998) 183

14 uarr Ebd 184f

15 uarr Ebd 184

16 uarr Ebd 183f

17 uarr Zu den Motiven Philipps IV siehe Mentgen Vertreibungen (1997) 46-49 Schwarzfuchs

Expulsion (1967) 485f

18 uarr Uumlber den generellen Wucherdiskurs siehe unten Kapitel V2

19 uarr Close Rolls Edward I 109

20 uarr Annales de Waverleia 409 ldquo(hellip) Judaeorum (hellip) quae per diversas urbes et castra regionis

Anglicanae per retroacta tempora habitabat confidenter procurante domina Alienora matre dicti

regis Angliae jussa est per edictum regium (hellip)rdquo

21 uarr Annales de Dunstaplia 361-362bdquo (hellip) propter blasphemias quas Judaei saepe faciebant fidei

Christianae statuit rex ut omnes Judaei cum semine suo et substancia ab Anglia pellerentur (hellip)rdquo

22 uarr Ebd bdquo(hellip) et concessit eis rex salvum conductum In ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt

submersi per vim et fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

23 uarr Zum Verhaumlltnis von Dominikanern und Juden zu dieser Zeit vgl Cohen Friars (1982) sowie

Ders Letters (1999)

24 uarr Florentii Wigoriensis 214

25 uarr Uumlber ein moumlgliches Interesse des Adels an der Vertreibung der Juden siehe Mentgen

Vertreibungen (1997) 27-30

26 uarr Annales de Dunstaplia 361-362 bdquoIn ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt submersi per vim et

fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

27 uarr Pierre de Langtoft II 186 bdquoThomas de Wilaund en baunk primer nomeacute par agarde de la court le

regne ad forjoreacute et en la terre de France sanz repairer aleacute Ses compayons ses clercs sunt pris e

meneacute a la thour de Loundres delivreacutes par moneacuteldquo

28 uarr Ebd 188 bdquoPur le quinzme dener al rays en ayeldquo

29 uarr Ebd bdquoOre sunt alez en France e en Pykardye Tutes lur dettes e lur manauntye Sunt salves al

ray dunt fere sa curtaysyeldquo

30 uarr Oumlsterreichische Reimchronik Verse 91239-91777 1186-1192ldquo die dritten vorderungdie an den

Franzois junctet der kunic Albrehter jach die Juden ze rehtgehocircren daz ricircche an und ander nieman

()ldquo Zu dieser Quelle vgl Ziwes Studien (1995) 33f Anm 16

31 uarr Prima Vita Clementis V 5

32 uarr Quarta Vita Clementis V 62bdquo Anno Domini MCCCVJ in festo sancte Marie Magdalene de

mandato et ordinatione regis Francie fuerunt capti omnes Judei ubique in regno Francie quasi

imperceptibiler una die et confiscata sunt bona ipsorum quecumque potuerunt inveniri fueruntque

a regno expulsi ulterius minime reversurirdquo Vgl auch Sexta Vita Clementis V 92-93bdquo Et etiam in

isto anno in die sancte Marie Magdalene omnes Judei de regno Francie congediati [congregati]

fuerunt et eorum bona omnia extiterunt confiscatardquo

33 uarr Continuatio Guilelmi de Nangis 59 bdquoMense Augusto Rex Philippus omnes Judaeos de Regno

Franciae penitus amp omnino fecit expelli certum regressionis terminum sub poena mortis praesigens

eisdemrdquo

34 uarr Florentii Wigoriensis 192 ldquoBarones cum Londoniensibus Judaismum Londoniae spoliaverunt

multis Judaeis interfectisldquo Siehe auch Mundill England (1998) 41

35 uarr Florentii Wigoriensis 210ldquo Rex die Sancte Calixti synagogam Judaeorum in villa Londoniensi

fratribus de Poenitentia contulit Jesu Christi ()ldquo

36 uarr Ebd 222bdquoApud Norhamtonam () puer quidam a Judaeis crucifixus estrdquo

37 uarr BennerReverchon Juden (2003) 181

38 uarr Rubin Tales (1999) 40-48

39 uarr Mentgen Vertreibungen (1997) 42-44

40 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 64f sieht den Muumlnzbeschneidungsskandal als Folge der Verarmung

der Juden Eine andere Meinung vertritt Mundill England (1998) 195-198 der vor allem auf eine

erfolgreiche Rolle der Juden im Wollhandel verweist

41 uarr Florentii Wigoriensis 221ldquo Rex omnes Judaeos et quosdam Christianos de retonsura aut alia

monetae falsatione convictos fecit suspensi Unde Londoniae CCLX et VII Judaei mortis judicium

subierunt Quidam autem relegati quidam etiam eorum perpetuo sunt carceri adjudicati et quidam

in Anglia remanseruntrdquo Vgl auch Mundill England (1998) 67f sowie uumlber die Zahl der Opfer weiter

oben Anmerkung 36

42 uarr Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 S 20

43 uarr Nach der chronikalischen Uumlberlieferung waren es 267 bzw 269 hingerichtete Juden Eine

Auswertung der auszligerchronikalischen Quellen ergab die Zahl von 298 erhaumlngten Juden Rokeacuteach

Monex I (198890) 98

44 uarr Jordan Monarchy (1989) 182f

45 uarr rdquoVos autre fuistis Engles qui exiverunt de terra eorum quia rotundabatis monetamrdquo in

Shatzmiller Schlomo Ibn Verga (1988) 355 Ders Solidariteacute (1986) 423

46 uarr Shlomo Ibn Verga Shevet Yehudah Teil I (hebr) Teil II (dt Uumlbersetzung)(Edit Wiener) Shevet

Yehudah (Edit Shochat)

47 uarr Zu Leben und Werk Shlomo Ibn Vergas Baer Hearot (1934) 152-179

48 uarr Shevet Yehudah Nr 18 (hebr S 42-43 dt Uumlbers S 84-85) Shevet Yehudah (Edit Shochat)

S 66

49 uarr Shevet Yehudah Nr 20 (hebr 43-45 dt Uumlbers 86-89)

50 uarr Zu Yosef ha-Kohen und seinem Werk Loeb Josef Hacohen (1888) XVI 28-56 211-235 XVII

74-95 247-271

51 uarr Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (dt

Uumlbersetzung Wiener)

52 uarr Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) 38-39 (Edit Wiener) 41-42

53 uarr Usque Nachum Israel III (1908) XI-XIII Auch bei Gedalyah Ibn Yachjah Shalshelet ha-

Kabbalah (nach Graetz Geschichte VII (1897) 429 weitere Quellen Graetz ebd 426-430)

54 uarr Siehe Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 20a

55 uarr ldquoSie [die Dominikaner] brachten sogar Muumlnzsorten herbei die sie selbst zuhause beschnitten

hattenldquo Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) S 38 (Edit Wiener) 41

56 uarr Fuumlr vielerlei Hinweise zur hebraumlischen Uumlberlieferung der Vertreibung der franzoumlsischen Juden sei

Dr Abraham David Jerusalem herzlich gedankt

57 uarr Schwarzfuchs History (2001) 269-274 Ben-Shalom Communication (1991) 171-225

58 uarr Abba Mari ben Mose von Lunel Sefer Minchat Qenaot Nr 120 in Shlomo Ibn Adret Tshuvot II

835-836

59 uarr BT Berachot 70a Gemeint ist hier die Philosophie griechischer Tradition die von Abba Mari

besonders bekaumlmpft wurde Shlomo Ibn Adret Teshuvot Bd 2 835 Anmerkung zu Zeile 1 Abba

Mari brachte die Vertreibung der suumldfranzoumlsischen Juden mit deren Hinwendung zur griechischen

Philosophie in Verbindung Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 832 Anmerkung zu Zeile 8

60 uarr Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 835-836 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001) 273

61 uarr Jordan French Monarchy (1989) 195196

62 uarr Saige Juifs (1881) 92

63 uarr Jordan French Monarchy (1989) 205 Saige Juifs (1881) 101-102 308-319 324-325

64 uarr Zu Leben und Werk sowie zu seinem Aufenhalt im Lande Israel siehe Schwarzfuchs History

261 Elbaum Estori ha-Parhi S 918f

65 uarr Zur Bedeutung des hebraumlischen Begriffes Prowentzah der neben der heutigen Provence auch

das Languedoc miteinschloss siehe Gross Gallia Judaica (1887) 489 In diesem Sinne entspricht

Prowentzah der roumlmischen Provincia Narbonnensis In Kontext der Vertreibung der Juden im

Jahre 1306 kann nur das Languedoc gemeint sein

66 uarr Eshtori haParchi Kaftor waFerach 218

67 uarr Schwarzfuchs History (2001) 276-278 Dahan Gersonide (1991)

68 uarr Levi ben Gershom Pirush al ha-Torah

69 uarr Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 153-154

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

eine Vertreibung der Juden war aber vorher nicht angedroht worden[3]

Das Vorhaben der Vertreibung von

1254 wurde nicht durchgefuumlhrt und hatte daher auch keine unmittelbaren Konsequenzen fuumlr die Juden

Doch kann bereits allein die Intention Ludwigs IX der in seiner Zeit als vorbildlicher christlicher Koumlnig galt

und bereits 20 Jahre nach seinem Tod heilig gesprochen wurde als wegweisend fuumlr andere Herrscher

gesehen werden[4]

Die Kette der Vertreibungen die schlieszliglich ganz England und Frankreich umfassten

begann 1287 in der Gascogne die zu dieser Zeit vom englischen Koumlnig beherrscht wurde Die meisten

Juden zogen nach Navarra ins Languedoc und Poitou Erstmalig erhielt mit Edward I ein Koumlnig eine

finanzielle Zuwendung von Adeligen und Klerus fuumlr eine Ausweisung[5]

Im Jahre 1289 vertrieb Karl II von

Anjou (1254-1309) alle Juden aus seinen Grafschaften Maine und Anjou In seiner ausfuumlhrlichen

Begruumlndung erklaumlrte er die Vertreibung der Juden mit deren gottlosem Wucher Beleidigungen des

christlichen Glaubens und sexuellem Verkehr von juumldischen Maumlnnern mit christlichen Frauen Um sein

Redlichkeit zu unterstreichen lieszlig er aumlhnlich wie Ludwig IX dies beabsichtigt hatte alle christlichen

Geldleiher vertreiben Auch er erhielt eine Abgabe von Klerus und Adel fuumlr die Vertreibung[6]

In England

wurden die Juden schon seit dem Regierungsantritt Edwards I mit feindlichen Maszlignahmen konfrontiert

Aufgrund der sich in jener Zeit verstaumlrkenden Kritik am Wucher verbot Koumlnig Edward I den englischen

Juden im Jahre 1275 die Zinsleihe in der die Juden primaumlr taumltig waren Dieses sbquoStatutum de Judeismorsquo

forderte von den Juden auf den Wucher zu verzichten und sich statt dessen anderen Berufen etwa dem

Handel oder dem Handwerk zuzuwenden[7]

In den Jahren 127879 kam es zu einem weiteren Einschnitt im

Leben der englischen Juden Sie wurden zusammen mit einigen Christen der Muumlnzbeschneidung

beschuldigt Der Prozess gegen die Juden fand groszliges Aufsehen auch bei Juden in anderen Laumlndern wie

wir spaumlter noch sehen werden Es wurden vier Christen und 267 Juden verurteilt und hingerichtet[8]

Kurz

vor der Ausweisung im Jahr 1287 forderte Koumlnig Edward zum letzten Mal eine Sondersteuer von 12000

Pfund Sterling von den Juden und lieszlig zur Durchsetzung seiner Forderungen Massenverhaftungen

durchfuumlhren Die finanziellen Kraumlfte der Juden waren aber so erschoumlpft dass sie lediglich 4023 Pfund

aufbringen konnten 1290 kam es schlieszliglich zur Vertreibung der Juden aus England Edward I bezog sich

in seinem Vertreibungsedikt direkt auf das sbquoStatutum de Judeismorsquo das den Juden 1275 die Geldleihe

gegen Zinsen verboten hatte von den Juden jedoch nicht beachtet worden sei[9]

Verschiedene

Chronikeintraumlge zu den Vertreibungen von 1290 die sehr unterschiedliche Begruumlndungen anfuumlhren

zeigen dass man in England den Rechtfertigungen Edwards I nicht vorbehaltlos glaubte[10]

Als Folge der

Vertreibungen aus der Gascogne Maine und Anjou kam es in der Grafschaft Poitou zu einem massiven

Zuzug juumldischer Fluumlchtlinge Im Jahre 1291 baten die oumlrtlichen Gemeinden Philipp IV darum diese Juden

ausweisen zu duumlrfen[11]

Koumlnig Philipp IV gestattete ihre Ausweisung war er doch selbst im gleichen Jahr

mit den aus England in die franzoumlsische Krondomaumlne geflohenen Juden so verfahren[12]

Nach Intervention

durch reiche Juden nahm er das Edikt jedoch zuruumlck so dass nur wenige Juden aus einigen Orten

vertrieben wurden[13]

Aus der Grafschaft Nevers wurden die Juden 1294 ausgewiesen[14]

Die meisten

dieser Juden zogen nach Paris[15]

Die Pariser Judengemeinde hatte sich ebenso wie etwa die von

Carcassonne oder Toulouse in den letzten Jahren enorm vergroumlszligert Wenige Staumldte mussten nun die

Juden aufnehmen die vorher uumlber ganz Frankreich verteilt gewesen waren Problematisch war auch dass

es sich nicht um wohlhabende sondern um verarmte Juden handelte die ihren Besitz bei den

Vertreibungen verloren hatten Fuumlr die Herrscher also nun insbesondere Philipp IV waren sie von

geringem Wert weshalb dieser auch 1291 zunaumlchst nur die englischen Juden und die Juden aus der

Gascogne vertreiben lieszlig[16]

Schlieszliglich kam es 1306 auch in dem vom franzoumlsischen Koumlnig beherrschten

Gebiet zum Ende der juumldischen Siedlung Philipp IV nutzte mit der Vertreibung die Moumlglichkeit sich als

christlicher Koumlnig zu profilieren und gleichzeitig an enorme Geldwerte und Immobilien zu gelangen[17]

Die Vertreibungen der Juden Englands und Frankreichs aus nichtjuumldischer Sicht

England

Es existieren einige interessante Quellen die in der Beschreibung der Ursache fuumlr die Vertreibung stark

differieren Die wichtigste und aufschlussreichste Quelle ist das offizielle Vertreibungsedikt Koumlnig Edwards

I mit dessen Analyse nun begonnen werden soll Die Argumentation des Koumlnigs ist im Kulturbereich Recht

zu verorten Die Juden haumltten ein Gesetz gebrochen als Konsequenz muumlssten sie das Land verlassen

Tatsaumlchlich ist die Wucherdiskussion in erster Linie religioumls aufzufassen mit groszligen Konsequenzen fuumlr

andere Kulturbereiche wie Wirtschaft und Herrschaft[18]

Im Vertreibungsedikt erinnert der Koumlnig daran dass

den Juden im Jahre 1275 die Zinsleihe verboten worden war und stellt dann fest dass sie eine Alternative

gefunden haumltten um das Verbot zu umgehen und weiterhin Geld gegen Zinsen an Christen zu verleihen

Daher beschloss der Koumlnig nun zur Ehre Christi alle Juden aus seinem Koumlnigreich zu vertreiben Die

ausstehenden Schulden sollten natuumlrlich ohne Zinsen an den Koumlnig zuruumlckgezahlt werden Ebenso

beanspruchte Edward die zuruumlckgelassenen Immobilien als sein Eigentum[19]

In der Quelle wird allerdings

auf die Motive den Wucher zu verbieten nicht eingegangen Die Annalen von Waverley erwaumlhnen die

offiziellen Begruumlndungen Edwards mit keinem Wort Dort heiszligt es vielmehr die Juden die schon seit

Generationen sicher in verschiedenen Staumldten und Doumlrfern gewohnt haumltten seien nun durch einen

Beschluss Koumlnig Edwards vertrieben worden der von der Koumlniginmutter Eleonore veranlasst worden sei[20]

In dem kurz gehaltenen Eintrag der Annalen von Waverley erscheint die Koumlniginmutter also als Ausloumlser in

der Vertreibung sie wurde auf ihr Betreiben wegen persoumlnlicher Animositaumlten den Juden gegenuumlber

durchgefuumlhrt Wesentlich ausfuumlhrlicher berichten die Annalen von Dunstable eine in den 1290ern im

Augustinerkloster von Dunstable verfasste Chronik uumlber die Vertreibung[21]

Erster Grund seien die

wiederholten nicht naumlher charakterisierten Beleidigungen die die Juden gegenuumlber dem christlichen

Glauben begangen haumltten Weiter wird erwaumlhnt dass viele Juden denen vom Koumlnig sicheres Geleit

zugestanden worden waumlre auf ihrer Reise Gewalttaten zum Opfer gefallen seien Die Taumlter dieser

Uumlbergriffe seien gehaumlngt worden[22]

Alle Schichten der Bevoumllkerung so die Annalen waren uumlber die

Vertreibung erfreut die Barone und die Kirche dankten dem Koumlnig mit umfangreichen Geldzahlungen Zwei

Gruumlnde werden in den Annalen von Dunstable genannt Zum einen nicht naumlher ausgefuumlhrte bdquoBlasphemienldquo

der Juden was auf Probleme im religioumlsen Bereich hinweist Zum anderen erscheinen die Geldzahlungen

der Barone und des Klerus Die Annalen berichten zwar diese seien nachtraumlglich als eine Art bdquospontaner

Ausdruck der Freudeldquo erfolgt doch darf man wohl annehmen dass sie schon vor der Vertreibung

vereinbart wurden und als bdquoMotivationshilfeldquo fuumlr die Entscheidung des Koumlnigs zu verstehen sind Hier ist zu

fragen welches Interesse die Barone und der Klerus an der Ausweisung der Juden hatten Wiederum sind

religioumlse und wirtschaftliche Gruumlnde denkbar Fuumlr den Klerus koumlnnte noch der Konversionsskandal um

Robert von Reading nachgewirkt haben Dieser Dominikanermoumlnch war 1275 zum juumldischen Glauben

konvertiert und hatte so die Anfeindungen die bereits vorhanden waren[23]

noch verstaumlrkt[24]

Der Adel

hingegen koumlnnte sowohl ein Interesse an Laumlndereien die den Juden als Pfaumlnder uumlberlassen worden waren

und nun wieder frei wurden gehabt als auch die Konkurrenz moumlglicher juumldischer Konkurrenten im Handel

gefuumlrchtet haben[25]

Daneben uumlberrascht die eingeschobene Geschichte von Uumlberfaumlllen denen einige

Juden bei der Ausreise zum Opfer fielen[26]

Anscheinend wurden die Juden jedenfalls von diesem

christlichen Chronisten nicht als rechtlos angesehen daher die Betonung dass die Uumlbeltaumlter gehaumlngt

wurden Die Juden zu vertreiben war eine Sache aber rechtlos wurden sie nicht Sie standen offenbar noch

unter dem Schutz englischer Gesetze Dies verweist indirekt wieder auf das Vertreibungsedikt Edwards I

Auch dort wird primaumlr rechtlich argumentiert sodass der Eindruck entsteht dass sich auch der Koumlnig an

einem rechtlichen Rahmen orientieren wollte In der Reimchronik Pierre de Langtofts steht die Vertreibung

der Juden in einem weiteren allgemeinen Kontext Langtoft ein Augustinermoumlnch aus Yorkshire berichtet

zu 1289 wie Edward nach vier Jahren Aufenthalt in der Gascogne wieder nach England zuruumlckkehrte und

das Land in schlechtem Zustand vorfand Es kam zu Untersuchungen und Prozessen bei deren Ende unter

anderem der Oberste Richter Thomas de Weyland ins Exil nach Frankreich gehen musste und seine

Mittaumlter in den Tower geworfen wurden oder eine Geldstrafe zahlen mussten[27]

Die Vertreibung der Juden

erscheint bei Langtoft in diesem Kontext Der Koumlnig houmlrte sich die Beschwerden der Barone und des Adels

an beriet sich mit dem Parlament stellte Untersuchungen an und kam daraufhin zu dem Entschluss die

Juden auszuweisen Dafuumlr erhielt er von bdquoKlerikern und Laienldquo eine festgesetzte Summe als Hilfe[28]

Die

Juden so Langtoft gingen in die franzoumlsischen Kronlande und in die Picardie alle ihre

Hinterlassenschaften also die Schuldscheine und Immobilien behielt der Koumlnig fuumlr sich[29]

Diese Quelle

bietet die meisten Informationen uumlber die Vertreibungen Sie werden als Teil eines umfassenden

Reformprozesses dargestellt der stattfand als Edward nach vier Jahren Aufenthalt in der Gascogne ndash wo

er wie schon berichtet 1287 die dortigen Juden vertrieben hatte ndash nach England zuruumlckkehrte Was den

Juden vorgeworfen wurde wird nicht genannt aber der Bericht kommt der offiziellen Begruumlndung Edwards

am naumlchsten Die Geldzahlungen fuumlr die Vertreibung als Ausgleich fuumlr den Koumlnig die schon in den Annalen

von Dunstable genannt wurden werden hier nun konkretisiert Sie waren Teil der Abmachung zwischen

Adel Klerus und Koumlnig und wurden vorher ausgehandelt Die Vertreibung ist in diesem Kontext als

politische Aktion dargestellt die in den Bericht uumlber eine allgemeine Reformierung des Landes eingebettet

ist Was laumlsst sich aus den Chronikberichten schlieszligen Erstens ist deutlich dass viele verschiedene

Geruumlchte uumlber die Juden das Koumlnigshaus und die Ursachen fuumlr die Vertreibung kursierten Den Gruumlnden

die im Erlass des Koumlnigs aufgefuumlhrt wurden glaubte man anscheinend nicht vorbehaltlos Dies koumlnnte die

sehr unterschiedlichen Chronikberichte erklaumlren Auch wurden die Juden nicht als rechtlos betrachtet

Mehrmals wird erwaumlhnt dass der Koumlnig ihnen sicheres Geleit versprach einmal berichtet wie einige

englische Christen wegen Piraterie gehaumlngt wurden Schlieszliglich faumlllt auf dass die Muumlnzfaumllschung zehn

Jahre zuvor offenbar in der christlichen Perspektive im Zusammenhang mit der Ausweisung keinerlei Rolle

gespielt hat

Frankreich

Die Gruumlnde fuumlr die Vertreibung der Juden aus Frankreich 1306 durch Koumlnig Philipp IV sind nicht ohne

weiteres durch zeitgenoumlssische Uumlberlieferung zu erfahren Weder ist das Vertreibungsmandat uumlberliefert

noch nennen die Chronisten die uumlber das Ereignis berichten Gruumlnde fuumlr die Ausweisung Offensichtlich

gab es in der chronikalen Uumlberlieferung ein geringeres Interesse daran die Motive Philipps IV zu

hinterfragen Die zentrale Quelle fuumlr die Wahrnehmung und Begruumlndung der Vertreibung der franzoumlsischen

Juden entstand nicht im franzoumlsischen Gebiet sondern aus der fernen Steiermark In der von Ottokar von

der Steiermark dort bis 1321 geschriebenen Oumlsterreichischen Reimchronik wird beschrieben dass Albrecht

I von Habsburg einen Anspruch auf die franzoumlsischen Juden erhoben habe Dieser wurde so Ottokar von

Beratern Philipps IV gepruumlft und fuumlr rechtmaumlszligig erklaumlrt woraufhin der franzoumlsische Koumlnig voller Zorn die

Juden die ihm nun keinerlei Vorteile mehr bringen konnten aus seinem Koumlnigreich vertrieb[30]

Diese

einzige Quelle die etwas uumlber die Beweggruumlnde Philipps IV aussagen kann wurde als Geschichte der

Oumlsterreichischen Lande verfasst und stellt die Macht Albrechts I als unverhaumlltnismaumlszligig groszlig gegenuumlber

dem franzoumlsischen Koumlnig dar Es scheint undenkbar dass es tatsaumlchlich Verhandlungen zwischen den

beiden Herrschern um die franzoumlsischen Juden gegeben hat Die Chronik ist aber trotzdem interessant fuumlr

die Fragestellung zeigt sie doch dass ein Ereignis wie die Vertreibung der Juden aus Frankreich auch in

so weit entfernten Gebieten wie der Steiermark wahrgenommen wurde Weitere Nachrichten finden sich in

der von verschiedenen Autoren bis 1324 verfassten Vita des Papstes Clemens V (1305-1314) Dort heiszligt

es beispielsweise dass die Juden die sich nicht taufen lassen wollten das Land verlassen mussten wobei

viele auf der Reise starben Die Besitztuumlmer der Juden wurden vom Koumlnig beschlagnahmt[31]

Offensichtlich

wurden am Tag der Verkuumlndung der Ausweisung diverse Juden gefangen genommen so wird es

zumindest in der Vita Clemens V von Bernard Gui[32]

sowie der Fortsetzung der Chronik Wilhelms von

Nangis[33]

berichtet Uumlber Beweggruumlnde des Koumlnigs die Juden auszuweisen wird jedoch nichts gesagt

Resumee

Die genannten Chronisten liefern eine Fuumllle von Hinweisen auf Kulturbereiche deren Kompatibilitaumlt

zwischen Juden und Christen nicht mehr gewaumlhrleistet war und die im Zusammenspiel fuumlr die Ausweisung

der Juden verantwortlich sein koumlnnen In England und Frankreich herrschte in Bezug auf religioumlse Fragen

eine negative Atmosphaumlre zwischen Juden und Christen Intellektuell-theologisch zeigt sich diese primaumlr an

der Wucher- und der Talmuddiskussion Daneben waren die Juden immer haumlufiger mit Ritualmord- und

Hostienschaumlndungsvorwuumlrfen konfrontiert oder wurden aus nicht naumlher genannten Gruumlnden Opfer von

Gewalttaten Im Falle Englands berichtet die fortgefuumlhrte Chronik des Florence of Worcester fuumlr 1264 dass

Barone mit den Londoner Buumlrgern die Juden beraubten und einige umbrachten[34]

Im Jahre 1272 schenkte

der Koumlnig den Bruumldern der Poenitentia die Londoner Synagoge[35]

Zu 1279 berichtet die Chronik dass

einige Juden in der Naumlhe von Northampton ein christliches Kind gekreuzigt haumltten[36]

Schon erwaumlhnt wurde

der Konversionsfall des Robert von Reading der sich 1275 ereignete Aumlhnlich stellte sich die Situation in

Frankreich dar In der Champagne in Troyes wurden beispielsweise 13 Juden im Jahre 1288 wegen

Mordvorwuumlrfen hingerichtet[37]

1290 kam es in Paris zu einem Hostienschaumlndungsprozess der mit dem

Tod des Angeklagten endete[38]

Dieser angespannte religioumlse Diskurs wirkte sich auch auf den

Herrschaftsbereich aus Edward I soll als junger Mann tief beeindruckt von der Ritualmordaffaumlre um Hugh

von Lincoln im Jahre 1255 gewesen sein in deren Zusammenhang 19 Juden hingerichtet worden waren[39]

Daneben konnten sich die Herrscher nicht dem vorherrschenden Wucherdiskurs entziehen der sie als

Mitschuldige am suumlndhaften Wucher markierte da sie einen Nutzen aus dem juumldischen Wuchergeschaumlft

zogen Gerade Philipp IV der eine machtbewusste Politik auch gegenuumlber dem Papst verfolgte hatte sich

auch an seinem Groszligvater Ludwig IX und dessen bdquovorbildhafterldquo Politik in Bezug auf den Umgang mit den

Juden und dem Wucher zu messen Im wirtschaftlichen Zusammenleben aumlnderten sich ebenfalls die

Praumlmissen fuumlr den Umgang von Juden und Christen Das sbquoStatutum de Judeismorsquo markiert einen

Wendepunkt im Wirtschaftsleben Englands Es ist unklar in wie weit sich die Juden in von christlichen

bdquoMonopolenldquo dominierten Berufen etablieren konnten[40]

Mit der schwierigen wirtschaftlichen Situation der

Juden die durch das sbquoStatutum de Judeismorsquo geschaffen wurde kann moumlglicherweise der

Muumlnzbeschneidungsskandal von 1279 erklaumlrt werden in dem 267 Juden und einige Christen verurteilt und

hingerichtet wurden[41]

Daneben fuumlhrten sie will man dem Vertreibungsedikt Edwards I Glauben schenken

ihre Geldleihgeschaumlfte mit Zinsnahme im Verborgenen weiter Die Klagen der Barone und des Klerus die in

einigen Chroniken erwaumlhnt werden koumlnnten sich auf diese illegalen Taumltigkeiten beziehen Offensichtlich ist

es das Hauptargument Edwards in seinem Vertreibungsedikt Es ist deutlich geworden dass nicht nur einer

dieser Aspekte ausschlaggebend fuumlr die Ausweisungen der Juden war Vielmehr spielten viele Faktoren

zusammen in mehreren Kulturbereichen war das Miteinander gestoumlrt was schlieszliglich zur Vertreibung der

Juden fuumlhrte Zudem zeigte sich auch wie eng kaum von einander trennbar sich die Kulturbereiche -in

diesem Fall Recht Wirtschaft Herrschaft und Religion- darstellen

Die Vertreibung der Juden in den hebraumlischer Quellen

England

Die Vielschichtigkeit der Uumlberlieferung zur Vertreibung der Juden aus England lieszlige zunaumlchst eine ebenso

reiche Tradition in den hebraumlischen Quellen erwarten Allerdings ist das Gegenteil der Fall Die bekannte

Uumlberlieferung kennt keinen zeitgenoumlssischen hebraumlischen Eintrag zur Vertreibung der Juden weder in

einer hebraumlischen Chronik noch in direkten hebraumlischen verfaszligten Selbstzeugnissen englischer Juden

Dennoch sind aus dem weiteren Umfeld genauer gesagt aus Deutschland und Suumldfrankreich zeitnahe

Reaktionen auf die Geschehnisse in England uumlberliefert die zumindest einige Hinweise zur Einschaumltzung

der Ereignisse und ihrer Ursachen im innerjuumldischen Kontext liefern koumlnnen Zunaumlchst ist aus einem

Responsum des Meir ben Baruch von Rothenburg (gest 1293) eine diesbezuumlgliche Aumluszligerung uumlberliefert

Dort heiszligt es

bdquoWas die Muumlnzbeschneider betrifft so hacke ihnen wegen ihrer Vergehen die Hand ab

Wieviel Blut wurde wegen der Muumlnzenbeschneider vergossen Sie waren es die unsere Bruumlder

die Bewohner von Frankreich und der Insel (=England) ins Verderben stuumlrztenldquo[42]

Allerdings bleibt eine Datierung dieses Ausspruches schwierig Meir hat zur Zeit der Ausweisung der

Juden aus England noch gelebt Die Form der Uumlberlieferung gibt allerdings keinen Hinweis der

darauf schlieszligen laumlszligt daszlig das Responsum zur Zeit verfaszligt wurde als sich Meir nach 1286 bis zu

seinem Tode bereits in Gefangenschaft aufhielt Letzteres haumltte zumindest wahrscheinlich werden

lassen daszlig Meir sich auf die Ausweisung der Juden bezog So kann der Ausdruck bdquoins Verderben

stuumlrzenldquo auch lediglich den eigentlichen Prozeszlig zum Muumlnzenbeschneidungsvorwurf 1279 und die

Folgen ndash die Hinrichtung von etwas weniger als 300 Juden[43]

Allerdings weist die Aumluszligerung Meirs die

Muumlnzbeschneider haumltten das Elend der Juden in Frankreich und England heraufbeschworen

wiederum in eine andere Richtung Der groszlige Prozeszlig fand in England nicht in Frankreich statt Erste

Vertreibungen von Juden ereigneten sich jedoch zunaumlchst auf dem franzoumlsischen Festland

(Gasgogne 1287)[44]

nicht in England Es spricht somit vieles dafuumlr daszlig Meir gerade auf jene

Vertreibung anzuspielen scheint und in diesem Zusammenhang den Muumlnzbeschneidungsvorwurf als

Ausloumlser fuumlr die Verfolgungen der Juden in England und Frankreich ansah Die Vertreibung der Juden

im Jahre 1306 aus den direkt den franzoumlsischen Koumlnig unterstellten Territorien konnte Meir nicht

gemeint haben Zu dieser Zeit war Meir ben Baruch schon zehn Jahre nicht mehr am Leben

Ein in den Quellen eindeutiger zu fassender Hinweis zur innerjuumldischen Einschaumltzung der Ereignisse

ist uns im Rahmen eines Vorfalls innerhalb einer suumldfranzoumlsisch-provenccedilalischen Gemeinde

uumlberliefert In der Stadt Manosque hatten nach 1290 innerhalb der juumldischen Gemeinde vertriebene

Juden aus England Aufnahme gefunden Allerdings blieben die englischen Juden als eigene Gruppe

auch waumlhrend der naumlchsten 50 Jahre wahrnehmbar was sich offenbar auch in innerjuumldischen

bdquolandsmannschaftlichenldquo Spannungen niederschlug So kam es im Jahre 1338 zwischen dem

einheimischen Juden Aronetus und dem zugezogenen Juden Creysonus von Chartres zu heftigen

Auseinandersetzungen bei denen Aronetus dem Chreysonus zurief bdquoIhr anderen wart die Englaumlnder

die ihr Land verlassen mussten weil ihr die Muumlnzen beschnitten habtldquo[45]

Selbstredend wollte der

ehemalige Fluumlchtling diese Behauptung nicht auf sich sitzen lassen und strebte den Prozeszlig an

Allerdings macht diese Auseinandersetzung auch klar daszlig die Verquickung des

Muumlnzbeschneidungsprozesses mit der Tatsache der Vertreibung in innerjuumldischen Kontext keine

unuumlbliche Argumentation gewesen sein wird

Hatte sich bereits im 14 Jahrhundert dieses Erklaumlrungsmuster als Begruumlndung der Vertreibung im

innerjuumldischen Gedaumlchtnis durchgesetzt Zumindest sollte diese Begruumlndung auch in den

hebraumlischen Chroniken des fruumlhen 16 Jahrhunderts eine entscheidende Rolle einnehmen Folgende

Darstellungen sind durch sephardische Chronisten des 16 Jahrhunderts bekannt Im Shevet

Yehudah[46]

des Shlomo Ibn Verga[47]

(Erstdruck 1550) einer hebraumlischen Chronik die die juumldische

Geschichte als eine Kette von Leiden klassifiziert werden die Ereignisse in England in folgenden

Erzaumlhlrahmen eingeordnet Nach kurzer Einfuumlhrung in die englischen Verhaumlltnisse wird eine

geforderte Bekehrung zum Christentum erwaumlhnt die aus den Quellen des 13 Jahrhunderts nicht

verifiziert werden kann Nach der Zuruumlckweisung dieses Bekehrungsversuchs wird den Juden

vorgeworfen daszlig sie Muumlnzen beschnitten haumltten Dieser wirtschaftliche Betrug fuumlhrte schlieszliglich

durch den Einfluszlig der Dominikaner zur Ausweisung der Juden[48]

Zwei Abschnitte spaumlter wird von

einer Bekehrung zum Judentum eines englischen Dominikaners berichtet was zweifellos die

Geschichte des im 13 Jahrhundert zum Judentum uumlbergetretenen Robert Reading wiedergibt Dem

Chronisten erscheint diese Episode Anlaszlig genug eine Reihe von Anfeindungen auch von Seiten der

Koumlnigin anzufuumlhren die in ihrer Summe schlieszliglich zur Vertreibung der Juden aus dem englischen

Koumlnigreich fuumlhrten[49]

In der Chronik des Yosef ha-Kohen[50]

Emeq ha-Bachah[51]

aus dem Jahre

1558 finden wir dasselbe Material in veraumlnderter Weise angeordnet Ein Vertreter des Predigerordens

verliebt sich in ein juumldisches Maumldchen tritt zum Judentum uumlber und heiratet es Die Dominikaner

beschuldigen vor dem Koumlnig daraufhin die Juden die Muumlnzen zu beschneiden um die Schande des

Glaubensabfalls ihres ehemaligen Mitbruders abzuwenden[52]

Auch in anderen Werken juumldischer

Chronistik aus dem 16 Jahrhundert findet die Episode des zum Judentum konvertierenden

Dominikaners Erwaumlhnung[53]

Obwohl die Chroniken des 16 Jahrhunderts als Belege fuumlr das Geschehen des 13 Jahrhunderts

nicht herangezogen werden koumlnnen so repraumlsentieren sie dennoch eine Tendenz der innerjuumldischen

Wahrnehmung die sich bereits im 13 wie im 14 Jahrhundert ankuumlndigte Hatte noch die christlicher

Uumlberlieferungstradition als Grund fuumlr die Vertreibungen vor allem die theologische Komponente der

Auseinandersetzung betont aber auch die Intervention anderer Herrschaftstraumlger angefuumlhrt so

bildete sich unter den Juden ein voumlllig anderes Erklaumlrungsmuster heraus In den juumldischen

Traditionsstraumlngen wurden die theologische Argumentation nicht rezipiert Dies gilt vor allem fuumlr das

groszlige Feld des Wuchervorwurfs der im Ausweisungsedikt 1290 zum Hauptargument werden sollte

Innerhalb der hebraumlischen Uumlberlieferung muszligten die Ursachen der Vertreibung konkreter fassbar

gemacht werden Zwei Narrative boten sich an die der juumldischen Traditionsbildung schluumlssig

erschienen Hierzu gehoumlrt der historisch gesicherte Prozeszlig zum Muumlnzbeschneidungsvorwurf der in

zeitnahen Dokumenten als gerechtfertigt[54]

in den Traditionen des 16 Jahrhunderts als Verleumdung

angesehen wurde[55]

Demgegenuumlber scheint dieser Prozess fuumlr die Begruumlndung der Ausweisung von

Seiten der christlichen Herrschaftstraumlger keine explizite Rolle gespielt zu haben Die Einbeziehung der

Geschehnisse um den zum Judentum konvertierten Dominikaner nehmen vor allem in den spaumlten

juumldischen Traditionen einen groszligen Stellenwert ein ohne daszlig sie innerhalb des christlichen Kontextes

fuumlr die Begruumlndung der Vertreibung irgend eine Rolle gespielt haumltten So bleiben Christen wie Juden

sich nur in der Tatsache einig dass Ihr Verhaumlltnis zueinander immer groumlszligeren Erschuumltterungen

unterworfen war Die Ursachen dieser Zerwuumlrfnisse konnten dabei durchaus unterschiedlichen

Kontexten zugeordnet werden

Frankreich[56]

Auch die Vertreibung der franzoumlsischen Juden hat in der hebraumlischen Uumlberlieferung nur wenig Spuren

hinterlassen Kein Text ist bekannt der sich ausschlieszliglich auf die Ereignisse der Vertreibung

beziehen wuumlrde Wie im englischen Fall zeugen nur verstreute Bemerkungen im Werk einzelner

juumldischer Gelehrter uumlber eine Resonanz innerhalb der juumldischen Gemeinschaft Eines dieser

Zeugnisse ist aus der Hand des Abba Mari ben Moshe von Lunel uumlberliefert einem Gelehrten der um

1300 vor allem in den polemischen Auseinandersetzungen um die Rezeption des Schriften des

Maimonides und der Frage nach dem Stellenwert philosophischer Studien in Erscheinung getreten

war[57]

In einem Brief[58]

schreibt er

Im Jahre 5066 (1306) der Zaumlhlung dies ist das Jahr welches die Suumlnde hervorgebracht hat[59]

verbreitete sich die Verfolgung (Gezerah) des Koumlnigs von Frankreich (Tzarfat) uumlber alle Juden in

allen Landen seines Koumlnigreiches aus sie aus ihren Haumlusern zu holen und ihnen all ihren Besitz

abzunehmen Alle sollten an einem bestimmten Tag festgesetzt werden jung und alt Frauen und

Kinder und diese sollte am Freitag am zehnten des Monats Aw (22 Juli 1306) geschehen und

man vertrieb sie aus dem Land Die Juden die in der Stadt Montpellier lebten wurden im Jahre

5067 im Monat Marcheshwan vertrieben (10 Okt-7 Nov 1306) Einige von ihnen begaben sich in

die Stadt Perpignan da sie sich des Sieges des Koumlnigs von Mallorca sicher waren dass er ihnen

aus der Hand des Koumlnigs den Aufenthalt und die Versorgung gewaumlhren wuumlrde Wieder andere

zogen weiter in die Provence hellip Und ich nachdem ich mich in die Provence ins Exil begeben

hatte in die Stadt Arles fuhr von dort fort und begab mich von dort in ein zweites Exil in die Stadt

Perpignan Ich kam dort an am ersten des Monats Shwat dem vierten Monat unseres Exils (5 Jan

1307)[60]

Abba Mari beschreibt als Zeitzeuge den politischen Kontext der Vertreibung der Juden im

Suumlden des franzoumlsischen Koumlnigreiches Die Beschreibung bleibt an sein eigenes Schicksal

gebunden Die Ausweisung der Juden umfasst auch das Languedoc das ebenfalls Teil des

direkten Herrschaftsbereichs des franzoumlsischen Koumlnigs Philipp des Schoumlnen geworden war Die

Vertriebenen wandten sich nun benachbarten nichtfranzoumlsischen Herrschaften zu der

Provence die zur Zeit der Vertreibung noch ein Teil des roumlmisch-deutschen Reiches war sowie

den Besitzungen des Koumlnigs von Mallorca zu denen Perpignan und teilweise auch Montpellier

zaumlhlten[61]

Zunaumlchst hatte der Koumlnig von Mallorca die Vertreibung der Juden aus Montpellier in

Opposition zum franzoumlsischen Koumlnig abgelehnt[62]

Die Juden hofften wie Abba Mari betont

dass dieser Widerstand von Dauer sein koumlnnte wurden jedoch enttaumluscht Im Februar 1309

willigte nach langen Verhandlungen auch der mallorquinische Koumlnig ein der Vertreibung der

Juden zuzustimmen[63]

In Territorien in denen er uneingeschraumlnkt seine Herrschaft ausuumlben

konnte wie etwa in Perpignan war den Juden der Aufenthalt weiterhin erlaubt so dass dorthin

wie in die Provence die Juden der Stadt Montpellier weiterzogen Abba Mari beschreibt die

lokalen politischen Zusammenhaumlnge der Vertreibungen der am Mittelmeer gelegenen

Territorien Er hebt dabei den Einfluss des franzoumlsischen Koumlnigs auf Herrschaftstraumlger

auszligerhalb seines Koumlnigreiches hervor nennt jedoch keinen Grund der das Verhalten des

franzoumlsischen Koumlnigs erklaumlrt haumltte Warum die franzoumlsischen Juden ihr Stammland verlassen

mussten wird nicht diskutiert

Ein weiterer Autor des fruumlhen 14 Jahrhunderts Eshtori ha-Parchi[64]

beschreibt in seinem Werk

Kaftor wa-Ferach kurz seine am eigenen Leib erfahrene Vertreibung der Juden aus dem

Suumlden des franzoumlsischen Koumlnigreichs

bdquoAuch erinnere ich mich an das Datum der Zerstoumlrung des kleinen Heiligtums naumlmlich die

Zerstoumlrung der Lehrhaumluser und Synagogen in Tzarfat (Nordfrankreich) und teilweise auch in der

Prowentzah (Suumldfrankreich hier Languedoc)[65]

Ich floh vom Schlachtfeld hellip im Jahre 5066 und

zwar am 10 Aw (22 Juli 1306)ldquo[66]

Eshtori ha-Parchi der sich schlieszliglich im Jahre 1313 im Lande Israel niederliess nennt

keine Begruumlndung der Ereignisse Die Bezeichnung der Vertreibung als Zerstoumlrung des

kleinen Heiligtums macht dem Leser deutlich welche Bedeutung den franzoumlsischen

Gelehrtenzentren vom Autor zugesprochen wurde die in dieser Ruumlckschau als

unwiederbringlich verloren betrachtet werden Eine weitere zeitnahe Notiz zur Vertreibung

der franzoumlsischen Juden laumlsst sich im Tora-Kommentar des Gelehrten R Lewi ben

Gershom (Ralbag) (1288-1344) finden Der Gelehrte der unter seinen nichtjuumldischen

Zeitgenossen auch unter der Bezeichnung Maestre Leo de Bagnol oder auch Magister

Leo Hebraeus bekannt war[67]

schreibt zum Wochenabschnitt Bechukotei (Lev 26 3 -

27 34)

Und wenn es in der Schrift heiszligt sbquoIhr geht unter den Voumllkern zugrunde und das Land euerer

Feinde friszligt euch aufrsquo (Lev 26 38) bezog sich dies auf die groszligen Noumlte unseres Volkes in denen

viele umgekommen sind eingeschlossen das Hinschlachten einiger in den heiligen Gemeinden

und die Vertreibung der Juden aus dem Lande Zarfat Doppelt so viele starben an Hunger und

Pestilenz als beim Auszug aus Aumlgypten[68]

Interessanterweise erwaumlhnt Levi ben Gershom als erster Autor Todesopfer die

innerhalb der juumldischen Gemeinschaft als Folge der Vertreibung zu beklagen waren

Fast ein Jahrhundert spaumlter wohl in der ersten Haumllfte des 15 Jahrhunderts

beschreibt der in Spanien wohl in Tortosa lebende Mattityahu haYizhari ein

Nachkomme einer aus Suumldfrankreich stammenden Familie[69]

die Vertreibung der

Juden mit folgenden Worten

Es sprach Mattityahu Sohn des Moshe Sohn des Weisen Mattiyahu ha-Yizhari sein Andenken

sei zu Segen Viele Noumlte haben uns ereilt seit wir aus dem verheiszligenen Land vertrieben wurden

hellip tausende und zehntausende Juden hatten sich in Frankreich niedergelassen hellip und meine

Vorfahren siedelten in der Stadt Narbonne einer groszligen Stadt Gottes bis Verfehlungen zur

Vertreibung fuumlhrten Einige starben als Maumlrtyrer andere wurde uumlber die ganze Erde zerstreut und

das ganze Land Zarfat lag entbloumlszligt da [70]

Auch bei Levi ben Gershom steht die Zerstoumlrung der groszligen juumldischen Zentren

im Vordergrund Ein Grund fuumlr deren Untergang wird nicht eroumlrtert Ein

aumlhnliches Bild findet sich bei einem weiteren juumldischen Gelehrten aus dem

Beginn des 14 Jahrhunderts In seinem um das Jahr 1321 abgeschlossenen

Werk Even Bochan bemerkt der in Arles geborene juumldische Philosoph

Kalonymos ben Kalonymos (geb 1286)[71]

Als der Herrscher von der Stimmung erfasst wurde mein Volk ins Exil zu fuumlhren vor siebzehn

Jahren uumlberwand er sie in seinem Grimm und vertrieb sie mit starker Hand aus seinem Land

uumlberfuumlhrte sie in Staumldte nackt und mittellos die in ihren Palaumlsten viele Schaumltze von Gold besaszligen

um die Altehrwuumlrdigen ihrer Generation und ihre Prinzen zu vernichten und auszuloumlschen[72]

Die Erwaumlhnung der Enteignung der Juden durch die franzoumlsische Krone

verweist auf den tatsaumlchlichen Verlauf der Ausweisung und auf ihre

fiskalischen Motive[73]

Die auch vom Autor betonten finanziellen

Interessen des Herrschers werden jedoch nicht diskutiert Uumlberhaupt

bleiben die wenigen weiteren zeitgenoumlssischen Bemerkungen zur

Vertreibung sehr skizzenhaft und auch eng mit der Biographie ihrer

Verfasser verknuumlpft So schreibt R Menachem ha-Meiri (Vidal Salamon

Mayr) (geb 1249) der wenige Jahre nach der Vertreibung verstarb[74]

in

seiner Einleitung zur Auslegung des Traktates Avot

als Gott mich vom meinem Vaterhaus fortbrachte machte er meine Soumlhne zu Fluumlchtlingen und

meine Toumlchter fuumlhrte er in Gefangenschaft[75]

Die letzten bekannten Bemerkungen zur Vertreibung aus der

Generation der Zeitzeugen stammen aus der Feder des Dichters

und Philosophen Jedajah ben Abraham haPenini[76]

der in den

Staumldten Beacuteziers Montpellier und Perpignan lebte und um 1325

verstarb In einem Brief an den katalanischen Gelehrten Schlomo

Ibn Adret betonte der Autor wie sehr doch die Juden der Provence

ihre Tuumlren weit fuumlr die Exilierten geoumlffnet haumltten und viel dazu

beigetragen haumltten die Fluumlchtlinge aufzunehmen[77]

Auch in einem

Gedicht schloss der Autor Anspielungen zur Vertreibung der

franzoumlsischen Juden mit ein[78]

Hebraumlische Zeugnisse zur Vertreibung aus dem Norden des

franzoumlsischen Herrschaftsgebietes konnten bisher nicht

nachgewiesen werden Die hier aufgefuumlhrten hebraumlischen Quellen

zur Vertreibung der Juden aus den Herrschaftsgebieten des

franzoumlsischen Koumlnigs stammen ausschlieszliglich von Personen die

durch die Zerstoumlrung der juumldischen Zentren im suumldlichen Frankreich

betroffen waren Diese Uumlberlieferungen wurden schlieszliglich von der

hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts aufgenommen und in

ihre als Zyklen von Leiden und Verfolgung gestalteten Werken

eingearbeitet Itzchaq Abarbanel (gest vor 1550) scheint dabei der

entscheidende Protagonist bei der Schoumlpfung eines die Vertreibung

von 1306 beschreibenden juumldischen Narratives gewesen zu sein

auch wenn er sich nach seinen eigenen Angaben lediglich auf

Itzchak Profiat Duran genannt Efodi einen juumldisch-katalanischen

Autor des spaumlten 14 Jahrhunderts bezog So schreibt Abarbanel

bdquoIm Jahre 5066 (1306) der Zaumlhlung war die Vertreibung aus Frankreich Koumlnig Philipp war ein

grausamer und verfluchter Feind der alle Juden aus seinem Koumlnigreich vertrieb all ihren Besitz

enteignete und sie mittellos des Landes verwies Es gab dort viele groszlige Gemeinden doppelt so

viele (Juden) wie aus Aumlgypten auszogen hellip Und es war eine Zeit der groszligen Not fuumlr Israel hellip es

war im Monat Aw (13 Juli 1306-11 August 1306) und es war eine allumfassende Vertreibung hellipall

dies findet sich in der Schrift bdquoSichron ha-Shmadotldquo die von allen Zerstoumlrung berichtet die sich seit

der Zerstoumlrung des Tempels in Israel ereignet haben aufgeschrieben und redigiert von Efodildquo[79]

Der Autor weiszlig zu berichten unter welchem Koumlnig und in welchem Monat und Jahr die Vertreibung

stattfand Auf die Mittellosigkeit der juumldischen Fluumlchtlinge wird explizit hingewiesen die auf die

Auspluumlnderung durch den Koumlnig zuruumlckgefuumlhrt wird Auch eine Vorstellung von der Zahl der Exilierten

spiegelt sich im Text wider

Shlomo Ibn Verga uumlbernimmt den Text fast woumlrtlich fuumlr seine Chronik Shevet Yehudah und erweitert ihn

lediglich um die nicht belegbare Geschichte der Konversion der Gemeinde von Toulouse[80]

Ihm

folgen Samuel Usque[81]

und Yosef ha-Kohen[82]

So bieten die Erzaumlhltraditionen des 16

Jahrhunderts lediglich ein Geruumlst von Fakten die den Handlungsablauf der Vertreibung mit wenigen

Worten beschreiben Eine Begruumlndung der Vertreibung wird nicht genannt So entspricht die

Erzaumlhlarmut des Textes zur Vertreibung aus Frankreich innerhalb der hebraumlischen Chronistik des

16 Jahrhunderts der allgemeinen Quellenarmut der hebraumlischen Uumlberlieferungstradition zu diesem

Ereignis

Beziehung der Juden zum Herrscher

Anhand der Untersuchung von herrschaftlichen Bindungen der Juden soll im Folgenden verdeutlicht

werden wie sich ein ehemals funktionierendes Miteinander zu einem Zerbrechen eben dieses

Miteinanders mit dem Resultat der Vertreibung veraumlnderte Dazu werden die Herrschaftsstrukturen

mit ihren Veraumlnderungen zwischen dem Koumlnig beziehungsweise anderen christlichen

Herrschaftstraumlgern und den Juden in England und Frankreich analysiert In England siedelten sich

im Zuge der normannischen Eroberungen nach 1066 die ersten aus Frankreich stammenden Juden

an[83]

Seit dieser Zeit wurden sie in Dokumenten haumlufig als bdquoJuden des Koumlnigsldquo[84]

bezeichnet

Diesen exklusiven Anspruch konnte der Koumlnig bis zur Vertreibung durchsetzen auch wenn es

vereinzelt andere Herrschaftstraumlger gab die Macht uumlber Juden erlangten[85]

Die Juden waren dem

Koumlnig direkt unterstellt sie mussten ihm jede Geldforderung erfuumlllen im Gegenzug durften sie nach

ihrem Gesetz leben und ihren Wohnsitz frei waumlhlen[86]

Ein Privileg Richards I von 1190 erwaumlhnt

auszligerdem unter anderem das Recht der Juden auf Landbesitz und zollfreien Handel mit Wein[87]

Belastend fuumlr das Leben der Juden von England war das hohe Maszlig an Verwaltung das die

englischen Koumlnige geschaffen hatten um die Steuern effizient eintreiben zu koumlnnen Anlaumlsslich der

Kroumlnung Richards I im Jahre 1189 war es ausgehend von London zu Massakern an Juden in ganz

England gekommen Da die koumlnigliche Verwaltung nicht nachvollziehen konnte welche

Schuldscheine durch die Verfolgung vernichtet worden waren wurde als Reaktion 1194 ein

Archivsystem (archae) eingefuumlhrt das von nun an alle Geldgeschaumlfte sowie alle Juden mit ihrer

Finanzkraft verzeichnete[88]

Unter Heinrich III (1216-1272) aumlnderte sich der rechtliche Status der

Juden Im Jahr 1253 erlieszlig der Koumlnig ein Mandat das den Juden unter anderem verbot neue

Synagogen zu errichten christliche Bedienstete oder sexuelle Kontakte mit Christen zu haben und

Kirchen zu betreten Wichtigster Punkt war jedoch dass Juden nun ihren Wohnort nicht mehr frei

waumlhlen sondern nur noch dort leben durften wo bereits Juden ansaumlssig waren[89]

Viele der hier

formulierten Mandate waren im IV Laterankonzil von 1215 als verbindliche Verbote fuumlr die Juden in

der christlichen Welt festgelegt worden und fanden nun ihre Umsetzung Daneben stieg die

Besteuerung seit den 1240er Jahren stetig an wodurch die Finanzkraft der Juden bereits deutlich

geschwaumlcht wurde[90]

Im Falle Edwards I zeigte sich schlieszliglich dass die starke Bindung der Juden

an den Koumlnig die den Juden in fruumlheren Jahren zunaumlchst Unabhaumlngigkeit und Wohlstand gebracht

hatte nun ihren Ruin und schlieszliglich ihre Vertreibung bewirkte Der Koumlnig hatte bei Maszlignahmen die

die Juden betrafen kaum Widerspruch zu befuumlrchten zu eindeutig definiert war seine Machstellung

den Juden gegenuumlber In Frankreich unterstanden die Juden dem Herrn ihres jeweiligen Gebiets

der Koumlnig von Frankreich herrschte also nur in der Krondomaumlne uumlber die Juden des Koumlnigreiches[91]

Die Juden waren an ihr angestammtes Territorium gebunden und durften dieses nur mit der

Erlaubnis ihres Landesherrn verlassen Dieses Prinzip reicht bis in die Zeit von Philipp II August

(1180-1223) zuruumlck und wurde seit der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne 1198 in

verschiedenen Vereinbarungen mit anderen franzoumlsischen Territorialherren vertraglich fixiert[92]

Schon bei der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne kam es zu Irritationen da Philipp II

die 1182 vertriebenen Juden nach wie vor als bdquoseine Judenldquo ansah diese Auffassung aber

beispielsweise von Graf Theobald III von Campagne nicht geteilt wurde Er fuumlrchtete Steuerausfaumllle

und war der Meinung dass Juden die sich 1182 in der Champagne niedergelassen hatten nicht

mehr die Juden des Koumlnigs seien[93]

Auch andere Landesherren weigerten sich dem Wegzug ihrer

Juden in die Krondomaumlne zuzustimmen[94]

Auch erste Schritte eines buumlrokratischen Umgangs mit

den Geldgeschaumlften der Juden waren 1198 durch Philipp II August vorgenommen worden

moumlglicherweise beeinflusst durch die archae die in England 1194 unter Koumlnig Richard I eingerichtet

worden waren um die Geldgeschaumlfte und die Finanzkraft der Juden zu dokumentieren In jedem Ort

der Krondomaumlne gab es spezielle Beamte die die Kreditvertraumlge der Juden siegelten und so

kontrollierten wem die Juden welche Betraumlge an Geld liehen[95]

Auch den Juden konnte dieses

Verfahren als Sicherheit fuumlr ihre Geschaumlfte dienen Unter Ludwig VIII (1223-1226) kam es zum

ersten Eingriff in die Geldgeschaumlfte der Juden im franzoumlsischen Gebiet 1223 erlieszlig der Koumlnig

zusammen mit diversen Landesherren ein Statut in dem festgelegt wurde dass die Ruumlckzahlung

aller Schulden bei Juden an insgesamt neun Terminen an die koumlnigliche beziehungsweise

landesherrliche Schatzkammer erfolgen sollte Die Praxis des Siegelns von Urkunden uumlber

Darlehensvergaben wurde abgeschafft Erneut wurde festgehalten dass keiner der Herrscher Juden

eines anderen Herrschers bei sich aufnehmen duumlrfe wobei es bei diesem Punkt wieder zu

Unstimmigkeiten mit dem Grafen der Champagne kam der die Erklaumlrung nicht unterschrieb[96]

Bereits die ersten Jahre der Regierungszeit Ludwigs IX (1226-1270) brachten fuumlr die Juden weitere

Beschwerlichkeiten und erste direkte Aktionen gegen den Wucher Im Jahr 1227 kam es zu einer

erneuten Aneignung der ausstehenden Schulden bei Juden 1228 erging ein Mandat in dem Ludwig

IX befahl bei kuumlnftigen Geldgeschaumlften auf Zinsen zu verzichten Auszligerdem erklaumlrte der Koumlnig bei

Geldgeschaumlften die seit der Schuldentilgung ein Jahr zuvor geschlossen wurden alle Zinsen fuumlr

unguumlltig[97]

Auch die generelle Rechtsstellung der Juden wurde schon fruumlh in der Regierungszeit

Ludwigs IX definiert wobei es bei der alten Regelung blieb Im Statut von Melun hielten der Koumlnig

und die Landesherren daran fest dass die Juden tamquam proprii servi an das jeweilige Territorium

gebunden waren Christliche Schuldner wurden dazu aufgerufen ihre Schulden bei Juden zu

bezahlen nicht aber die Zinsen[98]

Die 1240er Jahre waren in Frankreich gepraumlgt vom Pariser

Talmudprozess in dem der Talmud als ketzerische Schrift verurteilt und danach oumlffentlich verbrannt

wurde[99]

Dies fuumlhrte unter anderem zu einer verstaumlrkten Auswanderung juumldischer Eliten aus

Nordfrankreich[100]

Insgesamt aumlnderte sich der rechtliche Status unter Ludwig IX nicht aber fruumlher

als die Herrscher in England nahm Ludwig IX der 1290 heilig gesprochen wurde den Kampf gegen

den Wucher auf Einige Aktionen Koumlnig Philipps IV (1285-1314) waumlhrend seiner ersten

Regierungsjahre in Bezug auf die Juden muumlssen vor dem Hintergrund der Vertreibungen gesehen

werden die sich in Regionen auszligerhalb der Krondomaumlne ereigneten so beispielsweise die

Ausweisung der juumldischen Fluumlchtlinge durch Philipp IV im Jahre 1291[101]

Daneben ist eine

konsequente Linie den Juden gegenuumlber nicht zu erkennen 1285 erneuerte er beispielsweise ein

Privileg zum Schutz von Synagogen und Friedhoumlfen zugleich bestaumltigte er die Pflicht der Juden ein

spezielles Abzeichen an ihrer Kleidung zu tragen[102]

Beides sind Zeichen dafuumlr dass der Koumlnig zu

dieser Zeit nicht daran dachte die Juden auszuweisen sondern das Leben der Juden rechtlich zu

definieren Vorrangiges Ziel Philipps IV war es zunaumlchst seine Oberherrschaft uumlber die Juden im

Suumlden zu sichern wo diese nicht von allen Baronen anerkannt wurde Die Herrschaft in der

Champagne hatte er sich durch Heirat bereits gesichert Dort in Troyes kam es 1288 zu einer

Mordanklage in deren Folge 13 Juden hingerichtet wurden wobei der Koumlnig ihre Besitztuumlmer

einzog[103]

Groumlszligeren Einfluss auf den Koumlnig scheint die Hostienschaumlndungbeschuldigung 1290 in

Paris gehabt zu haben Philipp IV warnte die Juden vor weiteren Hostienschaumlndungen und

spendete ein Haus neben der Kirche die zum Gedenken an den Fall errichtet worden war[104]

Wie

sein Groszligvater Ludwig IX setzte Philipp IV den Kampf gegen den Wucher fort verbot ihn 1299 und

1303 daneben wurde auch das Verbot des Neubaus von Synagogen sowie des Talmuds bei diesen

Gelegenheiten erneuert[105]

In einer konzentrierten und laumlnger vorbereiteten Aktion lieszlig Philipp IV

dann die Juden (oder jedenfalls die Familienvorstaumlnde) vermutlich am 22 Juli 1306 festsetzen Dies

diente dazu eine genaue Aufstellung der Judenguumlter vorzunehmen und um sich die ausstehenden

Schuldscheine zu sichern Gleichzeitig bedeutete es das Ende der juumldischen Siedlung in Frankreich

bis zu ihrer Wiederzulassung unter Ludwig X im Jahr 1315

Sowohl bei der Vertreibung aus England als auch der aus Frankreich zeigt sich die Gefahr die die

Abhaumlngigkeit der Juden vom Herrscher barg Vor allem in England hatte die privilegierte Position fuumlr

Wohlstand und ein groszliges Maszlig an innerer Autonomie etwa in der Rechtssprechnung oder in bezug

auf die Freizuumlgigkeit gesorgt[106]

Sie schuumltzte die Juden jedoch nicht immer vor Gealtakten wie den

seit der Mitte des 12 Jahrhunderts immer wieder vorkommenden Ritualmordvorwuumlrfen In

Frankreich verschlechterten sich ihre Lebensumstaumlnde mit der Ausbreitung der Krondomaumlne War

es 1182 noch ein geringes Problem fuumlr die Juden eine neue Heimat zu finden und von anderen

franzoumlsischen Landesherren wohlwollend aufgenommen zu werden war dies 1306 nicht mehr

moumlglich Die Herrscher nahmen die theologischen Diskurse uumlber den Wucher oder den Talmud auf

und wurden des weiteren beeinflusst durch antijuumldische Blut- und Hostienschaumlndungsvorwuumlrfe

Auch wirtschaftliche Uumlberlegungen haben eine Rolle gespielt ebenso mag es eine Dynamik

gegeben haben angestoszligen durch die weiteren Vertreibungen in dieser Umbruchszeit in der sich

jeder Herrscher damit profilieren wollte und konnte die Juden zu vertreiben

Die allgemeine Verurteilung des Wuchers

Obwohl gerade in der hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts verstaumlrkt die finanziellen Interessen vor

allem des franzoumlsischen Koumlnigs als Motiv der Vertreibung hervorgehoben wurde folgte die zeitnahe

Argumentation einer innerjuumldischen Perspektive anderen Erklaumlrungsmustern So gilt es zumindest

im Falle der Vertreibung aus England festzuhalten dass sich unter den Juden die Vorstellung

verbreitete das Fehlverhalten einzelner Juden haumltte die Ausweisung von 1290 wie auch andere

Vertreibungen mit verursacht Doch laumlsst sich im Wuchervorwurf gegenuumlber den Juden - dem

durchgaumlngigen Argument der Vertreibungen im 13 Jahrhundert - nicht etwa eine vordergruumlndige

falsche Praxis des Geldverleihs als ausloumlsendes Moment vermuten wie dies gelegentlich auch von

christlicher Seite von den Zeitgenossen vertreten wurde[107]

Vielmehr begann sich seit dem 12

Jahrhundert unter christlichen Gelehrten und weltlichen Herrschern ein theologisches Verstaumlndnis

bezuumlglich des Wuchers durchzusetzen das der wirtschaftlichen Taumltigkeit der Geldleihe auch in den

Haumlnden der Juden keine geduldeten Nische zuzuweisen bereit war[108]

Wucher wurde nun nicht

mehr als Suumlnde gegen den Naumlchsten aus mangelndem Mitgefuumlhl betrachtet und als turpe lucrum

(schaumlndlicher Profit) definiert sondern als Suumlnde gegen die iustitia[109]

Gemaumlszlig dieser Vorstellung

waren alle Wuchergewinne Diebesgut und muszligten zuruumlckgegeben werden Viel schwerer wog die

Feststellung daszlig sich die nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger durch ihre Besteuerung der Juden am

Wuchergewinn der Juden beteiligten und sich darum der gleichen Suumlnden schuldig machten[110]

Somit wurde auf demselben Wege der fuumlrstliche oder koumlnigliche Judenschutz die Legitimation

entzogen Die voumlllige Unterbindung des juumldischen Geldhandels schien darum fuumlr die meisten

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger der einzig richtige Weg wie dies bereits die im Namen Koumlnig

Ludwigs IX verkuumlndete ordenance von Melun 1230 forderte[111]

Als letzte Konsequenz blieb die

Ausweisung der Juden aus immer mehr Herrschaften des franzoumlsischen Koumlnigreiches und

schlieszliglich der Kronlande Das Zerbrechen des Miteinanders von Juden und Christen innerhalb des

franzoumlsischen Koumlnigreiches sowie die schrittweise Aufloumlsung bzw Zerschlagung des

jahrhundertealten juumldischen Siedlungsnetzes muszlig auf die juumldischen Gemeinschaften der

benachbarten Regionen so z B in den Rheinlanden verstoumlrend und beaumlngstigend gewirkt haben

Der dieser Vertreibung zugrundeliegende theologische Diskurs zu Geldhandel und Wucher und die

daraus resultierenden Folgen fuumlr die eigene juumldischen Existenz scheint jedoch nur einen geringen

Einfluszlig auf die Wahrnehmung ihrer eigenen Situation gehabt zu haben Im Zuge der Vertreibung der

franzoumlsischen Juden im Sommer und Herbst 1306 waren juumldische Fluumlchtlinge in die deutschen

Rheinlande gelangt[112]

Wohl wenige Monate spaumlter trafen in Worms die Delegierten des dortigen

Gemeindebezirkes die Vertreter der die Wormser Gemeinde und der sie umgebenden juumldischen

Niederlassungen auf einer Versammlung zusammen Auf diesem juumldischen Landtag sollte eine

Rechtssatzung eine Takkanah verabschiedet werden die die Praxis der juumldischen Geldleihe im

Einzugsgebiet der Gemeinde Worms sowie das Verhalten gegenuumlber hochverschuldeten Kunden

neu regelte[113]

In der Zusammenkunft der Haumlupter des Volkes im bdquoLand Wormsldquo im Jahr 67 des sechsten Jahrtausends

(10 Sept 1306 - 28 Augutst 1307) weil sich wegen unserer groszliger Verfehlungen die Noumlte der

Soumlhne unseres Volkes vermehrten durchforschten wir unsere Taten und fanden dass seit einiger

Zeit ein Schwert die Seele der Elenden und Reinen auffraszlig weil sie Vermoumlgen vermehrt hatten

durch Zins und Zinseszins von den Fuumlrsten der Nichtjuden Diese schuldeten ein Riesenvermoumlgen

den Familienvorstaumlnden Sie schmiedeten Raumlnke sich auf die Juden zu stuumlrzen und sie zu

uumlberfallen um sich von ihren Schulden zu befreien Wir haben beschlossen dass man keine

Erhoumlhung hinzufuumlgen darf und jedem Mann und jeder Frau nicht gestattet werden soll irgend einem

Nichtjuden einem einzelnen Schuldner mehr als 100 Pfund Hallisch zu leihen Und wenn der

Zeitpunkt der Schuldruumlckzahlung gekommen ist soll es nicht mehr gestattet sein die Zinsschuld der

Schuldsumme zuzuschlagen sondern man soll aus der Hand des Schuldners die ganze Schuld

einziehen Und wenn man nicht die ganze Schuld von ihm einziehen kann soll man sich nicht

hindern lassen wenigstens den Zins einzuziehen Nur soll man den Schuldner nicht mit List

uumlbervorteilen Und wenn es nicht gelingt irgend etwas einzuziehen dann soll man dies dem Rat

seiner Gemeinde mitteilen und nach deren Geheiszlig soll man handeln Was das Schuldgeschaumlft der

fuumlrstlichen Schuldner betrifft deren Schulden sich schon vermehrt haben und die niemand mehr

begleichen kann Die Glaumlubiger sollen sich huumlten sie mit hohen Zinsen zu belasten denn es sind

Komplotte zu befuumlrchten was Gott verhuumlten moumlge Schon einige Personen haben sich

zusammengeschlossen und dies gerade nicht bei den Fuumlrsten sondern bei den Klerikern und den

Buumlrgern [114]

Offenkundig standen den Delegierten die befuumlrchteten Konsequenzen der Geldleihe deutlich vor

Augen Wohl ebenso eingeschuumlchtert durch die in Frankreich vollzogene Vertreibung der Juden

wurden von seiten der Juden eigene Verfehlungen aber auch unguumlnstige Machtkonstellation

beobachtet die im Falle der franzoumlsischen Juden zu deren Untergang gefuumlhrt hatten Die

Beziehungen von Juden und Christen steckten auch in den Rheinlanden in den eingangs genannten

Bereichen von Wirtschaft Herrschaft und Religion in einer tieferen Krise Die auf dem

Versammlung von Worms beschlossenen Gegenmaszlignahmen blieben auf die juumldischen Teilnehmer

beschraumlnkt Zuruumlckhaltung gegenuumlber den christlichen Kunden Demut gegenuumlber Gott und das

Flehen um sein Erbarmen was mit guten Werken unterstuumltzt werden soll Eine direkte Verhandlung

mit den christlichen Herrschaftstraumlgern war nicht mehr vorgesehen Das gegenseitige Vertrauen

zwischen Juden und Christen war verschwunden in einer Zeit in der nicht mehr Koexistenz sondern

vor allem von Seiten der Juden die Sorge um die eigene Zukunft das eigene Handeln bestimmte

Zusammenfassung

Die Vertreibung der Juden aus England hatte innerhalb des juumldischen Kontextes noch zu Ansaumltzen der

Selbstreflexion gefuumlhrt die einen konkreten Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Vertretern

der juumldischen Seite und den politischen Entscheidungen der nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger

gegenuumlber der eigenen Gruppe erkennen mochten Dennoch waumlhnte man sich weiterhin in einem

rechtlich voumlllig abgesicherten Verhaumlltnis zur christlichen Umwelt Man war sich eines besonderen

Status innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft bewuszligt der in den Augen der Juden in

keiner Weise gefaumlhrdet schien Noch in der zweiten Haumllfte des 13 Jahrhunderts definierte Meir ben

Baruch (gest 1293) die Stellung der Juden im Reich als die eines freien Landbewohners der sein

Land nicht aber seine persoumlnliche Freiheit verloren hat [115]

Er sei darum nicht wie die Nichtjuden

den Fuumlrsten unterworfen und zu Steuerzahlungen verpflichtet Diese Konstruktionen erinnern stark

an die noch im 12 Jahrhundert in Frankreich vertretenen Rechtsauffassungen eines Itzchaq ben

Shmuel von Dampierre (gest ca 1185)[116]

der ebenfalls die Freiheit der Juden im Vergleich zu den

Nichtjuden hervorhebt ihre voumlllige Bewegungsfreiheit im Gegensatz zu an die Scholle gebundenen

Nichtjuden betont und die Juden ebenfalls aus der Rechtspraxis herausnimmt die dem

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger gestattet bei Abwanderung von Personen deren beweglichen

Besitz einzuziehen[117]

Nach juumldischer Auffassung folgten die Interaktionen zwischen Juden und

Christen nach Regeln die von beiden Seiten anerkannt waren Das jedoch sich dies Regelwerk zu

ungunsten der Juden verhaumlndert haben mochte daszlig die eigene Bewegungsfreiheit inzwischen mehr

und mehr eingeschraumlnkt wurde die besonderen Steuergesetzgebung seit den Aumluszligerungen des

Itzchak von Dampiegravere sich erheblich veraumlndern hatte und damit nach daszlig Verhaumlltnis zur christlichen

Umwelt nun erheblichen Umwaumlltzungen unterworfen war wurde wie die Aumluszligerung Meirs nahelegt

weder reflektiert noch einigermaszligen registriert

Das Verhalten der franzoumlsischen Juden Angesichts ihrer Vertreibung ist darum keinesfalls verwunderlich In

den wenigen juumldischen Selbstzeugnisse zur Vertreibung der franzoumlsischen Juden finden sich keine

Spuren die auf einen Prozess der Selbstreflexion schlieszligen lassen Die Frage der Motivation zur

Vertreibung der Juden wird soweit dies die Quellen erkennen lassen nicht diskutiert Der

offenkundige theologische Diskurs zur Unrechtmaumlszligigkeit des auf Zinsen geleisteten Geldverleihs

dem die juumldischen Gemeinschaft im franzoumlsischen Koumlnigreich letztlich zum Opfer fiel wird

nirgendwo rezipiert Man koumlnnte den Eindruck gewinnen dass sich den franzoumlsischen Juden die

Gefaumlhrlichkeit der Diskussion um den Wucher zu keinem Zeitpunkt erschloss Auch in den

konstruierten Narrativen der folgenden Generationen steht die auch fuumlr den einzelnen Juden

folgenreiche finanzielle Auspluumlnderung durch die franzoumlsische Krone im Vordergrund Allerdings

zeigt die Quelle aus dem rheinischen Kontext dass zumindest nach der Vertreibung aus dem

franzoumlsischen Koumlnigreich im Jahre 1306 unter den rheinischen Juden bestimmte Formen der

Geldleihe als Element der Selbstgefaumlhrdung wahrgenommen wurde Dabei macht die Uumlberlieferung

der Wormser Versammlung auch deutlich das die Zerruumlttung des Verhaumlltnisses von Juden und

Christen auch von juumldischer Seite nicht mehr geleugnet werden konnte Dass es sich dabei nicht nur

um eine wirtschaftliche Auseinandersetzung sondern zunaumlchst um einen christlichen theologischen

Diskurs handelte der sich gaumlnzlich juumldischem Handeln entzog scheint den Protagonisten der

Wormser Gemeinde nicht zugaumlnglich gewesen sein Ohne zu erkennen dass die Geldleihe und

somit die eigene wirtschaftliche Existenz gaumlnzlich in Frage gestellt werden koumlnnte versuchten die

Vertreter der Wormser Versammlung durch einzelne Maszlignahmen die Beziehungen zur christlichen

Umgebung zu entlassten um Gefahren von der eigenen Gemeinschaft abzuwenden Auf diese

Weise wurden die Juden im Westen Europas mehr und mehr wirtschaftlichen und theologischen

Dynamiken ausgesetzt die sich jenseits der juumldischen Wahrnehmung auszuformen begannen und

schlieszliglich in die Verdraumlngung der Juden muumlnden sollten die in der Vertreibung von England und

Frankreich ihren Anfang nahm

Rainer Barzen Lennart Guumlntzel

1 uarr Vgl zu Frankreich Chazan Jewry (1973) 154-207 Jordan Monarchy (1998) 177-261 Zu

England Hyams Jews (1996) 173-192 Mentgen Vertreibungen (1997) 11-53 Mundill England

(1998)

2 uarr Chazan Jewry (1973) 63-100 Ders Church (1980) 312f Jordan Monarchy (1998) 23-38

3 uarr Zur Geschichte der Juden unter Ludwig IX vgl Chazan Jewry (1973) 100-153

4 uarr Die Vorbildfunktion Ludwigs IX vor allem in Hinblick auf den Kampf gegen den Wucher erwaumlhnt

Cluse Zusammenhang (1999)135ndash163

5 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

6 uarr Chazan Church (1980) 313-317

7 uarr Florentii Wigorniensis 214f

8 uarr Ebd 212

9 uarr Chazan Church (1980) 317-319

10 uarr Aufstellung der Chroniken bei Abrahams Expulsion (1895) 449f

11 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

12 uarr Ordonnances 317

13 uarr Jordan nennt als Beispiel die Ortschaft Niort die ihre Juden vertreiben konnte Jordan Monarchy

(1998) 183

14 uarr Ebd 184f

15 uarr Ebd 184

16 uarr Ebd 183f

17 uarr Zu den Motiven Philipps IV siehe Mentgen Vertreibungen (1997) 46-49 Schwarzfuchs

Expulsion (1967) 485f

18 uarr Uumlber den generellen Wucherdiskurs siehe unten Kapitel V2

19 uarr Close Rolls Edward I 109

20 uarr Annales de Waverleia 409 ldquo(hellip) Judaeorum (hellip) quae per diversas urbes et castra regionis

Anglicanae per retroacta tempora habitabat confidenter procurante domina Alienora matre dicti

regis Angliae jussa est per edictum regium (hellip)rdquo

21 uarr Annales de Dunstaplia 361-362bdquo (hellip) propter blasphemias quas Judaei saepe faciebant fidei

Christianae statuit rex ut omnes Judaei cum semine suo et substancia ab Anglia pellerentur (hellip)rdquo

22 uarr Ebd bdquo(hellip) et concessit eis rex salvum conductum In ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt

submersi per vim et fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

23 uarr Zum Verhaumlltnis von Dominikanern und Juden zu dieser Zeit vgl Cohen Friars (1982) sowie

Ders Letters (1999)

24 uarr Florentii Wigoriensis 214

25 uarr Uumlber ein moumlgliches Interesse des Adels an der Vertreibung der Juden siehe Mentgen

Vertreibungen (1997) 27-30

26 uarr Annales de Dunstaplia 361-362 bdquoIn ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt submersi per vim et

fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

27 uarr Pierre de Langtoft II 186 bdquoThomas de Wilaund en baunk primer nomeacute par agarde de la court le

regne ad forjoreacute et en la terre de France sanz repairer aleacute Ses compayons ses clercs sunt pris e

meneacute a la thour de Loundres delivreacutes par moneacuteldquo

28 uarr Ebd 188 bdquoPur le quinzme dener al rays en ayeldquo

29 uarr Ebd bdquoOre sunt alez en France e en Pykardye Tutes lur dettes e lur manauntye Sunt salves al

ray dunt fere sa curtaysyeldquo

30 uarr Oumlsterreichische Reimchronik Verse 91239-91777 1186-1192ldquo die dritten vorderungdie an den

Franzois junctet der kunic Albrehter jach die Juden ze rehtgehocircren daz ricircche an und ander nieman

()ldquo Zu dieser Quelle vgl Ziwes Studien (1995) 33f Anm 16

31 uarr Prima Vita Clementis V 5

32 uarr Quarta Vita Clementis V 62bdquo Anno Domini MCCCVJ in festo sancte Marie Magdalene de

mandato et ordinatione regis Francie fuerunt capti omnes Judei ubique in regno Francie quasi

imperceptibiler una die et confiscata sunt bona ipsorum quecumque potuerunt inveniri fueruntque

a regno expulsi ulterius minime reversurirdquo Vgl auch Sexta Vita Clementis V 92-93bdquo Et etiam in

isto anno in die sancte Marie Magdalene omnes Judei de regno Francie congediati [congregati]

fuerunt et eorum bona omnia extiterunt confiscatardquo

33 uarr Continuatio Guilelmi de Nangis 59 bdquoMense Augusto Rex Philippus omnes Judaeos de Regno

Franciae penitus amp omnino fecit expelli certum regressionis terminum sub poena mortis praesigens

eisdemrdquo

34 uarr Florentii Wigoriensis 192 ldquoBarones cum Londoniensibus Judaismum Londoniae spoliaverunt

multis Judaeis interfectisldquo Siehe auch Mundill England (1998) 41

35 uarr Florentii Wigoriensis 210ldquo Rex die Sancte Calixti synagogam Judaeorum in villa Londoniensi

fratribus de Poenitentia contulit Jesu Christi ()ldquo

36 uarr Ebd 222bdquoApud Norhamtonam () puer quidam a Judaeis crucifixus estrdquo

37 uarr BennerReverchon Juden (2003) 181

38 uarr Rubin Tales (1999) 40-48

39 uarr Mentgen Vertreibungen (1997) 42-44

40 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 64f sieht den Muumlnzbeschneidungsskandal als Folge der Verarmung

der Juden Eine andere Meinung vertritt Mundill England (1998) 195-198 der vor allem auf eine

erfolgreiche Rolle der Juden im Wollhandel verweist

41 uarr Florentii Wigoriensis 221ldquo Rex omnes Judaeos et quosdam Christianos de retonsura aut alia

monetae falsatione convictos fecit suspensi Unde Londoniae CCLX et VII Judaei mortis judicium

subierunt Quidam autem relegati quidam etiam eorum perpetuo sunt carceri adjudicati et quidam

in Anglia remanseruntrdquo Vgl auch Mundill England (1998) 67f sowie uumlber die Zahl der Opfer weiter

oben Anmerkung 36

42 uarr Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 S 20

43 uarr Nach der chronikalischen Uumlberlieferung waren es 267 bzw 269 hingerichtete Juden Eine

Auswertung der auszligerchronikalischen Quellen ergab die Zahl von 298 erhaumlngten Juden Rokeacuteach

Monex I (198890) 98

44 uarr Jordan Monarchy (1989) 182f

45 uarr rdquoVos autre fuistis Engles qui exiverunt de terra eorum quia rotundabatis monetamrdquo in

Shatzmiller Schlomo Ibn Verga (1988) 355 Ders Solidariteacute (1986) 423

46 uarr Shlomo Ibn Verga Shevet Yehudah Teil I (hebr) Teil II (dt Uumlbersetzung)(Edit Wiener) Shevet

Yehudah (Edit Shochat)

47 uarr Zu Leben und Werk Shlomo Ibn Vergas Baer Hearot (1934) 152-179

48 uarr Shevet Yehudah Nr 18 (hebr S 42-43 dt Uumlbers S 84-85) Shevet Yehudah (Edit Shochat)

S 66

49 uarr Shevet Yehudah Nr 20 (hebr 43-45 dt Uumlbers 86-89)

50 uarr Zu Yosef ha-Kohen und seinem Werk Loeb Josef Hacohen (1888) XVI 28-56 211-235 XVII

74-95 247-271

51 uarr Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (dt

Uumlbersetzung Wiener)

52 uarr Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) 38-39 (Edit Wiener) 41-42

53 uarr Usque Nachum Israel III (1908) XI-XIII Auch bei Gedalyah Ibn Yachjah Shalshelet ha-

Kabbalah (nach Graetz Geschichte VII (1897) 429 weitere Quellen Graetz ebd 426-430)

54 uarr Siehe Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 20a

55 uarr ldquoSie [die Dominikaner] brachten sogar Muumlnzsorten herbei die sie selbst zuhause beschnitten

hattenldquo Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) S 38 (Edit Wiener) 41

56 uarr Fuumlr vielerlei Hinweise zur hebraumlischen Uumlberlieferung der Vertreibung der franzoumlsischen Juden sei

Dr Abraham David Jerusalem herzlich gedankt

57 uarr Schwarzfuchs History (2001) 269-274 Ben-Shalom Communication (1991) 171-225

58 uarr Abba Mari ben Mose von Lunel Sefer Minchat Qenaot Nr 120 in Shlomo Ibn Adret Tshuvot II

835-836

59 uarr BT Berachot 70a Gemeint ist hier die Philosophie griechischer Tradition die von Abba Mari

besonders bekaumlmpft wurde Shlomo Ibn Adret Teshuvot Bd 2 835 Anmerkung zu Zeile 1 Abba

Mari brachte die Vertreibung der suumldfranzoumlsischen Juden mit deren Hinwendung zur griechischen

Philosophie in Verbindung Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 832 Anmerkung zu Zeile 8

60 uarr Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 835-836 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001) 273

61 uarr Jordan French Monarchy (1989) 195196

62 uarr Saige Juifs (1881) 92

63 uarr Jordan French Monarchy (1989) 205 Saige Juifs (1881) 101-102 308-319 324-325

64 uarr Zu Leben und Werk sowie zu seinem Aufenhalt im Lande Israel siehe Schwarzfuchs History

261 Elbaum Estori ha-Parhi S 918f

65 uarr Zur Bedeutung des hebraumlischen Begriffes Prowentzah der neben der heutigen Provence auch

das Languedoc miteinschloss siehe Gross Gallia Judaica (1887) 489 In diesem Sinne entspricht

Prowentzah der roumlmischen Provincia Narbonnensis In Kontext der Vertreibung der Juden im

Jahre 1306 kann nur das Languedoc gemeint sein

66 uarr Eshtori haParchi Kaftor waFerach 218

67 uarr Schwarzfuchs History (2001) 276-278 Dahan Gersonide (1991)

68 uarr Levi ben Gershom Pirush al ha-Torah

69 uarr Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 153-154

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

Vertreibungen verloren hatten Fuumlr die Herrscher also nun insbesondere Philipp IV waren sie von

geringem Wert weshalb dieser auch 1291 zunaumlchst nur die englischen Juden und die Juden aus der

Gascogne vertreiben lieszlig[16]

Schlieszliglich kam es 1306 auch in dem vom franzoumlsischen Koumlnig beherrschten

Gebiet zum Ende der juumldischen Siedlung Philipp IV nutzte mit der Vertreibung die Moumlglichkeit sich als

christlicher Koumlnig zu profilieren und gleichzeitig an enorme Geldwerte und Immobilien zu gelangen[17]

Die Vertreibungen der Juden Englands und Frankreichs aus nichtjuumldischer Sicht

England

Es existieren einige interessante Quellen die in der Beschreibung der Ursache fuumlr die Vertreibung stark

differieren Die wichtigste und aufschlussreichste Quelle ist das offizielle Vertreibungsedikt Koumlnig Edwards

I mit dessen Analyse nun begonnen werden soll Die Argumentation des Koumlnigs ist im Kulturbereich Recht

zu verorten Die Juden haumltten ein Gesetz gebrochen als Konsequenz muumlssten sie das Land verlassen

Tatsaumlchlich ist die Wucherdiskussion in erster Linie religioumls aufzufassen mit groszligen Konsequenzen fuumlr

andere Kulturbereiche wie Wirtschaft und Herrschaft[18]

Im Vertreibungsedikt erinnert der Koumlnig daran dass

den Juden im Jahre 1275 die Zinsleihe verboten worden war und stellt dann fest dass sie eine Alternative

gefunden haumltten um das Verbot zu umgehen und weiterhin Geld gegen Zinsen an Christen zu verleihen

Daher beschloss der Koumlnig nun zur Ehre Christi alle Juden aus seinem Koumlnigreich zu vertreiben Die

ausstehenden Schulden sollten natuumlrlich ohne Zinsen an den Koumlnig zuruumlckgezahlt werden Ebenso

beanspruchte Edward die zuruumlckgelassenen Immobilien als sein Eigentum[19]

In der Quelle wird allerdings

auf die Motive den Wucher zu verbieten nicht eingegangen Die Annalen von Waverley erwaumlhnen die

offiziellen Begruumlndungen Edwards mit keinem Wort Dort heiszligt es vielmehr die Juden die schon seit

Generationen sicher in verschiedenen Staumldten und Doumlrfern gewohnt haumltten seien nun durch einen

Beschluss Koumlnig Edwards vertrieben worden der von der Koumlniginmutter Eleonore veranlasst worden sei[20]

In dem kurz gehaltenen Eintrag der Annalen von Waverley erscheint die Koumlniginmutter also als Ausloumlser in

der Vertreibung sie wurde auf ihr Betreiben wegen persoumlnlicher Animositaumlten den Juden gegenuumlber

durchgefuumlhrt Wesentlich ausfuumlhrlicher berichten die Annalen von Dunstable eine in den 1290ern im

Augustinerkloster von Dunstable verfasste Chronik uumlber die Vertreibung[21]

Erster Grund seien die

wiederholten nicht naumlher charakterisierten Beleidigungen die die Juden gegenuumlber dem christlichen

Glauben begangen haumltten Weiter wird erwaumlhnt dass viele Juden denen vom Koumlnig sicheres Geleit

zugestanden worden waumlre auf ihrer Reise Gewalttaten zum Opfer gefallen seien Die Taumlter dieser

Uumlbergriffe seien gehaumlngt worden[22]

Alle Schichten der Bevoumllkerung so die Annalen waren uumlber die

Vertreibung erfreut die Barone und die Kirche dankten dem Koumlnig mit umfangreichen Geldzahlungen Zwei

Gruumlnde werden in den Annalen von Dunstable genannt Zum einen nicht naumlher ausgefuumlhrte bdquoBlasphemienldquo

der Juden was auf Probleme im religioumlsen Bereich hinweist Zum anderen erscheinen die Geldzahlungen

der Barone und des Klerus Die Annalen berichten zwar diese seien nachtraumlglich als eine Art bdquospontaner

Ausdruck der Freudeldquo erfolgt doch darf man wohl annehmen dass sie schon vor der Vertreibung

vereinbart wurden und als bdquoMotivationshilfeldquo fuumlr die Entscheidung des Koumlnigs zu verstehen sind Hier ist zu

fragen welches Interesse die Barone und der Klerus an der Ausweisung der Juden hatten Wiederum sind

religioumlse und wirtschaftliche Gruumlnde denkbar Fuumlr den Klerus koumlnnte noch der Konversionsskandal um

Robert von Reading nachgewirkt haben Dieser Dominikanermoumlnch war 1275 zum juumldischen Glauben

konvertiert und hatte so die Anfeindungen die bereits vorhanden waren[23]

noch verstaumlrkt[24]

Der Adel

hingegen koumlnnte sowohl ein Interesse an Laumlndereien die den Juden als Pfaumlnder uumlberlassen worden waren

und nun wieder frei wurden gehabt als auch die Konkurrenz moumlglicher juumldischer Konkurrenten im Handel

gefuumlrchtet haben[25]

Daneben uumlberrascht die eingeschobene Geschichte von Uumlberfaumlllen denen einige

Juden bei der Ausreise zum Opfer fielen[26]

Anscheinend wurden die Juden jedenfalls von diesem

christlichen Chronisten nicht als rechtlos angesehen daher die Betonung dass die Uumlbeltaumlter gehaumlngt

wurden Die Juden zu vertreiben war eine Sache aber rechtlos wurden sie nicht Sie standen offenbar noch

unter dem Schutz englischer Gesetze Dies verweist indirekt wieder auf das Vertreibungsedikt Edwards I

Auch dort wird primaumlr rechtlich argumentiert sodass der Eindruck entsteht dass sich auch der Koumlnig an

einem rechtlichen Rahmen orientieren wollte In der Reimchronik Pierre de Langtofts steht die Vertreibung

der Juden in einem weiteren allgemeinen Kontext Langtoft ein Augustinermoumlnch aus Yorkshire berichtet

zu 1289 wie Edward nach vier Jahren Aufenthalt in der Gascogne wieder nach England zuruumlckkehrte und

das Land in schlechtem Zustand vorfand Es kam zu Untersuchungen und Prozessen bei deren Ende unter

anderem der Oberste Richter Thomas de Weyland ins Exil nach Frankreich gehen musste und seine

Mittaumlter in den Tower geworfen wurden oder eine Geldstrafe zahlen mussten[27]

Die Vertreibung der Juden

erscheint bei Langtoft in diesem Kontext Der Koumlnig houmlrte sich die Beschwerden der Barone und des Adels

an beriet sich mit dem Parlament stellte Untersuchungen an und kam daraufhin zu dem Entschluss die

Juden auszuweisen Dafuumlr erhielt er von bdquoKlerikern und Laienldquo eine festgesetzte Summe als Hilfe[28]

Die

Juden so Langtoft gingen in die franzoumlsischen Kronlande und in die Picardie alle ihre

Hinterlassenschaften also die Schuldscheine und Immobilien behielt der Koumlnig fuumlr sich[29]

Diese Quelle

bietet die meisten Informationen uumlber die Vertreibungen Sie werden als Teil eines umfassenden

Reformprozesses dargestellt der stattfand als Edward nach vier Jahren Aufenthalt in der Gascogne ndash wo

er wie schon berichtet 1287 die dortigen Juden vertrieben hatte ndash nach England zuruumlckkehrte Was den

Juden vorgeworfen wurde wird nicht genannt aber der Bericht kommt der offiziellen Begruumlndung Edwards

am naumlchsten Die Geldzahlungen fuumlr die Vertreibung als Ausgleich fuumlr den Koumlnig die schon in den Annalen

von Dunstable genannt wurden werden hier nun konkretisiert Sie waren Teil der Abmachung zwischen

Adel Klerus und Koumlnig und wurden vorher ausgehandelt Die Vertreibung ist in diesem Kontext als

politische Aktion dargestellt die in den Bericht uumlber eine allgemeine Reformierung des Landes eingebettet

ist Was laumlsst sich aus den Chronikberichten schlieszligen Erstens ist deutlich dass viele verschiedene

Geruumlchte uumlber die Juden das Koumlnigshaus und die Ursachen fuumlr die Vertreibung kursierten Den Gruumlnden

die im Erlass des Koumlnigs aufgefuumlhrt wurden glaubte man anscheinend nicht vorbehaltlos Dies koumlnnte die

sehr unterschiedlichen Chronikberichte erklaumlren Auch wurden die Juden nicht als rechtlos betrachtet

Mehrmals wird erwaumlhnt dass der Koumlnig ihnen sicheres Geleit versprach einmal berichtet wie einige

englische Christen wegen Piraterie gehaumlngt wurden Schlieszliglich faumlllt auf dass die Muumlnzfaumllschung zehn

Jahre zuvor offenbar in der christlichen Perspektive im Zusammenhang mit der Ausweisung keinerlei Rolle

gespielt hat

Frankreich

Die Gruumlnde fuumlr die Vertreibung der Juden aus Frankreich 1306 durch Koumlnig Philipp IV sind nicht ohne

weiteres durch zeitgenoumlssische Uumlberlieferung zu erfahren Weder ist das Vertreibungsmandat uumlberliefert

noch nennen die Chronisten die uumlber das Ereignis berichten Gruumlnde fuumlr die Ausweisung Offensichtlich

gab es in der chronikalen Uumlberlieferung ein geringeres Interesse daran die Motive Philipps IV zu

hinterfragen Die zentrale Quelle fuumlr die Wahrnehmung und Begruumlndung der Vertreibung der franzoumlsischen

Juden entstand nicht im franzoumlsischen Gebiet sondern aus der fernen Steiermark In der von Ottokar von

der Steiermark dort bis 1321 geschriebenen Oumlsterreichischen Reimchronik wird beschrieben dass Albrecht

I von Habsburg einen Anspruch auf die franzoumlsischen Juden erhoben habe Dieser wurde so Ottokar von

Beratern Philipps IV gepruumlft und fuumlr rechtmaumlszligig erklaumlrt woraufhin der franzoumlsische Koumlnig voller Zorn die

Juden die ihm nun keinerlei Vorteile mehr bringen konnten aus seinem Koumlnigreich vertrieb[30]

Diese

einzige Quelle die etwas uumlber die Beweggruumlnde Philipps IV aussagen kann wurde als Geschichte der

Oumlsterreichischen Lande verfasst und stellt die Macht Albrechts I als unverhaumlltnismaumlszligig groszlig gegenuumlber

dem franzoumlsischen Koumlnig dar Es scheint undenkbar dass es tatsaumlchlich Verhandlungen zwischen den

beiden Herrschern um die franzoumlsischen Juden gegeben hat Die Chronik ist aber trotzdem interessant fuumlr

die Fragestellung zeigt sie doch dass ein Ereignis wie die Vertreibung der Juden aus Frankreich auch in

so weit entfernten Gebieten wie der Steiermark wahrgenommen wurde Weitere Nachrichten finden sich in

der von verschiedenen Autoren bis 1324 verfassten Vita des Papstes Clemens V (1305-1314) Dort heiszligt

es beispielsweise dass die Juden die sich nicht taufen lassen wollten das Land verlassen mussten wobei

viele auf der Reise starben Die Besitztuumlmer der Juden wurden vom Koumlnig beschlagnahmt[31]

Offensichtlich

wurden am Tag der Verkuumlndung der Ausweisung diverse Juden gefangen genommen so wird es

zumindest in der Vita Clemens V von Bernard Gui[32]

sowie der Fortsetzung der Chronik Wilhelms von

Nangis[33]

berichtet Uumlber Beweggruumlnde des Koumlnigs die Juden auszuweisen wird jedoch nichts gesagt

Resumee

Die genannten Chronisten liefern eine Fuumllle von Hinweisen auf Kulturbereiche deren Kompatibilitaumlt

zwischen Juden und Christen nicht mehr gewaumlhrleistet war und die im Zusammenspiel fuumlr die Ausweisung

der Juden verantwortlich sein koumlnnen In England und Frankreich herrschte in Bezug auf religioumlse Fragen

eine negative Atmosphaumlre zwischen Juden und Christen Intellektuell-theologisch zeigt sich diese primaumlr an

der Wucher- und der Talmuddiskussion Daneben waren die Juden immer haumlufiger mit Ritualmord- und

Hostienschaumlndungsvorwuumlrfen konfrontiert oder wurden aus nicht naumlher genannten Gruumlnden Opfer von

Gewalttaten Im Falle Englands berichtet die fortgefuumlhrte Chronik des Florence of Worcester fuumlr 1264 dass

Barone mit den Londoner Buumlrgern die Juden beraubten und einige umbrachten[34]

Im Jahre 1272 schenkte

der Koumlnig den Bruumldern der Poenitentia die Londoner Synagoge[35]

Zu 1279 berichtet die Chronik dass

einige Juden in der Naumlhe von Northampton ein christliches Kind gekreuzigt haumltten[36]

Schon erwaumlhnt wurde

der Konversionsfall des Robert von Reading der sich 1275 ereignete Aumlhnlich stellte sich die Situation in

Frankreich dar In der Champagne in Troyes wurden beispielsweise 13 Juden im Jahre 1288 wegen

Mordvorwuumlrfen hingerichtet[37]

1290 kam es in Paris zu einem Hostienschaumlndungsprozess der mit dem

Tod des Angeklagten endete[38]

Dieser angespannte religioumlse Diskurs wirkte sich auch auf den

Herrschaftsbereich aus Edward I soll als junger Mann tief beeindruckt von der Ritualmordaffaumlre um Hugh

von Lincoln im Jahre 1255 gewesen sein in deren Zusammenhang 19 Juden hingerichtet worden waren[39]

Daneben konnten sich die Herrscher nicht dem vorherrschenden Wucherdiskurs entziehen der sie als

Mitschuldige am suumlndhaften Wucher markierte da sie einen Nutzen aus dem juumldischen Wuchergeschaumlft

zogen Gerade Philipp IV der eine machtbewusste Politik auch gegenuumlber dem Papst verfolgte hatte sich

auch an seinem Groszligvater Ludwig IX und dessen bdquovorbildhafterldquo Politik in Bezug auf den Umgang mit den

Juden und dem Wucher zu messen Im wirtschaftlichen Zusammenleben aumlnderten sich ebenfalls die

Praumlmissen fuumlr den Umgang von Juden und Christen Das sbquoStatutum de Judeismorsquo markiert einen

Wendepunkt im Wirtschaftsleben Englands Es ist unklar in wie weit sich die Juden in von christlichen

bdquoMonopolenldquo dominierten Berufen etablieren konnten[40]

Mit der schwierigen wirtschaftlichen Situation der

Juden die durch das sbquoStatutum de Judeismorsquo geschaffen wurde kann moumlglicherweise der

Muumlnzbeschneidungsskandal von 1279 erklaumlrt werden in dem 267 Juden und einige Christen verurteilt und

hingerichtet wurden[41]

Daneben fuumlhrten sie will man dem Vertreibungsedikt Edwards I Glauben schenken

ihre Geldleihgeschaumlfte mit Zinsnahme im Verborgenen weiter Die Klagen der Barone und des Klerus die in

einigen Chroniken erwaumlhnt werden koumlnnten sich auf diese illegalen Taumltigkeiten beziehen Offensichtlich ist

es das Hauptargument Edwards in seinem Vertreibungsedikt Es ist deutlich geworden dass nicht nur einer

dieser Aspekte ausschlaggebend fuumlr die Ausweisungen der Juden war Vielmehr spielten viele Faktoren

zusammen in mehreren Kulturbereichen war das Miteinander gestoumlrt was schlieszliglich zur Vertreibung der

Juden fuumlhrte Zudem zeigte sich auch wie eng kaum von einander trennbar sich die Kulturbereiche -in

diesem Fall Recht Wirtschaft Herrschaft und Religion- darstellen

Die Vertreibung der Juden in den hebraumlischer Quellen

England

Die Vielschichtigkeit der Uumlberlieferung zur Vertreibung der Juden aus England lieszlige zunaumlchst eine ebenso

reiche Tradition in den hebraumlischen Quellen erwarten Allerdings ist das Gegenteil der Fall Die bekannte

Uumlberlieferung kennt keinen zeitgenoumlssischen hebraumlischen Eintrag zur Vertreibung der Juden weder in

einer hebraumlischen Chronik noch in direkten hebraumlischen verfaszligten Selbstzeugnissen englischer Juden

Dennoch sind aus dem weiteren Umfeld genauer gesagt aus Deutschland und Suumldfrankreich zeitnahe

Reaktionen auf die Geschehnisse in England uumlberliefert die zumindest einige Hinweise zur Einschaumltzung

der Ereignisse und ihrer Ursachen im innerjuumldischen Kontext liefern koumlnnen Zunaumlchst ist aus einem

Responsum des Meir ben Baruch von Rothenburg (gest 1293) eine diesbezuumlgliche Aumluszligerung uumlberliefert

Dort heiszligt es

bdquoWas die Muumlnzbeschneider betrifft so hacke ihnen wegen ihrer Vergehen die Hand ab

Wieviel Blut wurde wegen der Muumlnzenbeschneider vergossen Sie waren es die unsere Bruumlder

die Bewohner von Frankreich und der Insel (=England) ins Verderben stuumlrztenldquo[42]

Allerdings bleibt eine Datierung dieses Ausspruches schwierig Meir hat zur Zeit der Ausweisung der

Juden aus England noch gelebt Die Form der Uumlberlieferung gibt allerdings keinen Hinweis der

darauf schlieszligen laumlszligt daszlig das Responsum zur Zeit verfaszligt wurde als sich Meir nach 1286 bis zu

seinem Tode bereits in Gefangenschaft aufhielt Letzteres haumltte zumindest wahrscheinlich werden

lassen daszlig Meir sich auf die Ausweisung der Juden bezog So kann der Ausdruck bdquoins Verderben

stuumlrzenldquo auch lediglich den eigentlichen Prozeszlig zum Muumlnzenbeschneidungsvorwurf 1279 und die

Folgen ndash die Hinrichtung von etwas weniger als 300 Juden[43]

Allerdings weist die Aumluszligerung Meirs die

Muumlnzbeschneider haumltten das Elend der Juden in Frankreich und England heraufbeschworen

wiederum in eine andere Richtung Der groszlige Prozeszlig fand in England nicht in Frankreich statt Erste

Vertreibungen von Juden ereigneten sich jedoch zunaumlchst auf dem franzoumlsischen Festland

(Gasgogne 1287)[44]

nicht in England Es spricht somit vieles dafuumlr daszlig Meir gerade auf jene

Vertreibung anzuspielen scheint und in diesem Zusammenhang den Muumlnzbeschneidungsvorwurf als

Ausloumlser fuumlr die Verfolgungen der Juden in England und Frankreich ansah Die Vertreibung der Juden

im Jahre 1306 aus den direkt den franzoumlsischen Koumlnig unterstellten Territorien konnte Meir nicht

gemeint haben Zu dieser Zeit war Meir ben Baruch schon zehn Jahre nicht mehr am Leben

Ein in den Quellen eindeutiger zu fassender Hinweis zur innerjuumldischen Einschaumltzung der Ereignisse

ist uns im Rahmen eines Vorfalls innerhalb einer suumldfranzoumlsisch-provenccedilalischen Gemeinde

uumlberliefert In der Stadt Manosque hatten nach 1290 innerhalb der juumldischen Gemeinde vertriebene

Juden aus England Aufnahme gefunden Allerdings blieben die englischen Juden als eigene Gruppe

auch waumlhrend der naumlchsten 50 Jahre wahrnehmbar was sich offenbar auch in innerjuumldischen

bdquolandsmannschaftlichenldquo Spannungen niederschlug So kam es im Jahre 1338 zwischen dem

einheimischen Juden Aronetus und dem zugezogenen Juden Creysonus von Chartres zu heftigen

Auseinandersetzungen bei denen Aronetus dem Chreysonus zurief bdquoIhr anderen wart die Englaumlnder

die ihr Land verlassen mussten weil ihr die Muumlnzen beschnitten habtldquo[45]

Selbstredend wollte der

ehemalige Fluumlchtling diese Behauptung nicht auf sich sitzen lassen und strebte den Prozeszlig an

Allerdings macht diese Auseinandersetzung auch klar daszlig die Verquickung des

Muumlnzbeschneidungsprozesses mit der Tatsache der Vertreibung in innerjuumldischen Kontext keine

unuumlbliche Argumentation gewesen sein wird

Hatte sich bereits im 14 Jahrhundert dieses Erklaumlrungsmuster als Begruumlndung der Vertreibung im

innerjuumldischen Gedaumlchtnis durchgesetzt Zumindest sollte diese Begruumlndung auch in den

hebraumlischen Chroniken des fruumlhen 16 Jahrhunderts eine entscheidende Rolle einnehmen Folgende

Darstellungen sind durch sephardische Chronisten des 16 Jahrhunderts bekannt Im Shevet

Yehudah[46]

des Shlomo Ibn Verga[47]

(Erstdruck 1550) einer hebraumlischen Chronik die die juumldische

Geschichte als eine Kette von Leiden klassifiziert werden die Ereignisse in England in folgenden

Erzaumlhlrahmen eingeordnet Nach kurzer Einfuumlhrung in die englischen Verhaumlltnisse wird eine

geforderte Bekehrung zum Christentum erwaumlhnt die aus den Quellen des 13 Jahrhunderts nicht

verifiziert werden kann Nach der Zuruumlckweisung dieses Bekehrungsversuchs wird den Juden

vorgeworfen daszlig sie Muumlnzen beschnitten haumltten Dieser wirtschaftliche Betrug fuumlhrte schlieszliglich

durch den Einfluszlig der Dominikaner zur Ausweisung der Juden[48]

Zwei Abschnitte spaumlter wird von

einer Bekehrung zum Judentum eines englischen Dominikaners berichtet was zweifellos die

Geschichte des im 13 Jahrhundert zum Judentum uumlbergetretenen Robert Reading wiedergibt Dem

Chronisten erscheint diese Episode Anlaszlig genug eine Reihe von Anfeindungen auch von Seiten der

Koumlnigin anzufuumlhren die in ihrer Summe schlieszliglich zur Vertreibung der Juden aus dem englischen

Koumlnigreich fuumlhrten[49]

In der Chronik des Yosef ha-Kohen[50]

Emeq ha-Bachah[51]

aus dem Jahre

1558 finden wir dasselbe Material in veraumlnderter Weise angeordnet Ein Vertreter des Predigerordens

verliebt sich in ein juumldisches Maumldchen tritt zum Judentum uumlber und heiratet es Die Dominikaner

beschuldigen vor dem Koumlnig daraufhin die Juden die Muumlnzen zu beschneiden um die Schande des

Glaubensabfalls ihres ehemaligen Mitbruders abzuwenden[52]

Auch in anderen Werken juumldischer

Chronistik aus dem 16 Jahrhundert findet die Episode des zum Judentum konvertierenden

Dominikaners Erwaumlhnung[53]

Obwohl die Chroniken des 16 Jahrhunderts als Belege fuumlr das Geschehen des 13 Jahrhunderts

nicht herangezogen werden koumlnnen so repraumlsentieren sie dennoch eine Tendenz der innerjuumldischen

Wahrnehmung die sich bereits im 13 wie im 14 Jahrhundert ankuumlndigte Hatte noch die christlicher

Uumlberlieferungstradition als Grund fuumlr die Vertreibungen vor allem die theologische Komponente der

Auseinandersetzung betont aber auch die Intervention anderer Herrschaftstraumlger angefuumlhrt so

bildete sich unter den Juden ein voumlllig anderes Erklaumlrungsmuster heraus In den juumldischen

Traditionsstraumlngen wurden die theologische Argumentation nicht rezipiert Dies gilt vor allem fuumlr das

groszlige Feld des Wuchervorwurfs der im Ausweisungsedikt 1290 zum Hauptargument werden sollte

Innerhalb der hebraumlischen Uumlberlieferung muszligten die Ursachen der Vertreibung konkreter fassbar

gemacht werden Zwei Narrative boten sich an die der juumldischen Traditionsbildung schluumlssig

erschienen Hierzu gehoumlrt der historisch gesicherte Prozeszlig zum Muumlnzbeschneidungsvorwurf der in

zeitnahen Dokumenten als gerechtfertigt[54]

in den Traditionen des 16 Jahrhunderts als Verleumdung

angesehen wurde[55]

Demgegenuumlber scheint dieser Prozess fuumlr die Begruumlndung der Ausweisung von

Seiten der christlichen Herrschaftstraumlger keine explizite Rolle gespielt zu haben Die Einbeziehung der

Geschehnisse um den zum Judentum konvertierten Dominikaner nehmen vor allem in den spaumlten

juumldischen Traditionen einen groszligen Stellenwert ein ohne daszlig sie innerhalb des christlichen Kontextes

fuumlr die Begruumlndung der Vertreibung irgend eine Rolle gespielt haumltten So bleiben Christen wie Juden

sich nur in der Tatsache einig dass Ihr Verhaumlltnis zueinander immer groumlszligeren Erschuumltterungen

unterworfen war Die Ursachen dieser Zerwuumlrfnisse konnten dabei durchaus unterschiedlichen

Kontexten zugeordnet werden

Frankreich[56]

Auch die Vertreibung der franzoumlsischen Juden hat in der hebraumlischen Uumlberlieferung nur wenig Spuren

hinterlassen Kein Text ist bekannt der sich ausschlieszliglich auf die Ereignisse der Vertreibung

beziehen wuumlrde Wie im englischen Fall zeugen nur verstreute Bemerkungen im Werk einzelner

juumldischer Gelehrter uumlber eine Resonanz innerhalb der juumldischen Gemeinschaft Eines dieser

Zeugnisse ist aus der Hand des Abba Mari ben Moshe von Lunel uumlberliefert einem Gelehrten der um

1300 vor allem in den polemischen Auseinandersetzungen um die Rezeption des Schriften des

Maimonides und der Frage nach dem Stellenwert philosophischer Studien in Erscheinung getreten

war[57]

In einem Brief[58]

schreibt er

Im Jahre 5066 (1306) der Zaumlhlung dies ist das Jahr welches die Suumlnde hervorgebracht hat[59]

verbreitete sich die Verfolgung (Gezerah) des Koumlnigs von Frankreich (Tzarfat) uumlber alle Juden in

allen Landen seines Koumlnigreiches aus sie aus ihren Haumlusern zu holen und ihnen all ihren Besitz

abzunehmen Alle sollten an einem bestimmten Tag festgesetzt werden jung und alt Frauen und

Kinder und diese sollte am Freitag am zehnten des Monats Aw (22 Juli 1306) geschehen und

man vertrieb sie aus dem Land Die Juden die in der Stadt Montpellier lebten wurden im Jahre

5067 im Monat Marcheshwan vertrieben (10 Okt-7 Nov 1306) Einige von ihnen begaben sich in

die Stadt Perpignan da sie sich des Sieges des Koumlnigs von Mallorca sicher waren dass er ihnen

aus der Hand des Koumlnigs den Aufenthalt und die Versorgung gewaumlhren wuumlrde Wieder andere

zogen weiter in die Provence hellip Und ich nachdem ich mich in die Provence ins Exil begeben

hatte in die Stadt Arles fuhr von dort fort und begab mich von dort in ein zweites Exil in die Stadt

Perpignan Ich kam dort an am ersten des Monats Shwat dem vierten Monat unseres Exils (5 Jan

1307)[60]

Abba Mari beschreibt als Zeitzeuge den politischen Kontext der Vertreibung der Juden im

Suumlden des franzoumlsischen Koumlnigreiches Die Beschreibung bleibt an sein eigenes Schicksal

gebunden Die Ausweisung der Juden umfasst auch das Languedoc das ebenfalls Teil des

direkten Herrschaftsbereichs des franzoumlsischen Koumlnigs Philipp des Schoumlnen geworden war Die

Vertriebenen wandten sich nun benachbarten nichtfranzoumlsischen Herrschaften zu der

Provence die zur Zeit der Vertreibung noch ein Teil des roumlmisch-deutschen Reiches war sowie

den Besitzungen des Koumlnigs von Mallorca zu denen Perpignan und teilweise auch Montpellier

zaumlhlten[61]

Zunaumlchst hatte der Koumlnig von Mallorca die Vertreibung der Juden aus Montpellier in

Opposition zum franzoumlsischen Koumlnig abgelehnt[62]

Die Juden hofften wie Abba Mari betont

dass dieser Widerstand von Dauer sein koumlnnte wurden jedoch enttaumluscht Im Februar 1309

willigte nach langen Verhandlungen auch der mallorquinische Koumlnig ein der Vertreibung der

Juden zuzustimmen[63]

In Territorien in denen er uneingeschraumlnkt seine Herrschaft ausuumlben

konnte wie etwa in Perpignan war den Juden der Aufenthalt weiterhin erlaubt so dass dorthin

wie in die Provence die Juden der Stadt Montpellier weiterzogen Abba Mari beschreibt die

lokalen politischen Zusammenhaumlnge der Vertreibungen der am Mittelmeer gelegenen

Territorien Er hebt dabei den Einfluss des franzoumlsischen Koumlnigs auf Herrschaftstraumlger

auszligerhalb seines Koumlnigreiches hervor nennt jedoch keinen Grund der das Verhalten des

franzoumlsischen Koumlnigs erklaumlrt haumltte Warum die franzoumlsischen Juden ihr Stammland verlassen

mussten wird nicht diskutiert

Ein weiterer Autor des fruumlhen 14 Jahrhunderts Eshtori ha-Parchi[64]

beschreibt in seinem Werk

Kaftor wa-Ferach kurz seine am eigenen Leib erfahrene Vertreibung der Juden aus dem

Suumlden des franzoumlsischen Koumlnigreichs

bdquoAuch erinnere ich mich an das Datum der Zerstoumlrung des kleinen Heiligtums naumlmlich die

Zerstoumlrung der Lehrhaumluser und Synagogen in Tzarfat (Nordfrankreich) und teilweise auch in der

Prowentzah (Suumldfrankreich hier Languedoc)[65]

Ich floh vom Schlachtfeld hellip im Jahre 5066 und

zwar am 10 Aw (22 Juli 1306)ldquo[66]

Eshtori ha-Parchi der sich schlieszliglich im Jahre 1313 im Lande Israel niederliess nennt

keine Begruumlndung der Ereignisse Die Bezeichnung der Vertreibung als Zerstoumlrung des

kleinen Heiligtums macht dem Leser deutlich welche Bedeutung den franzoumlsischen

Gelehrtenzentren vom Autor zugesprochen wurde die in dieser Ruumlckschau als

unwiederbringlich verloren betrachtet werden Eine weitere zeitnahe Notiz zur Vertreibung

der franzoumlsischen Juden laumlsst sich im Tora-Kommentar des Gelehrten R Lewi ben

Gershom (Ralbag) (1288-1344) finden Der Gelehrte der unter seinen nichtjuumldischen

Zeitgenossen auch unter der Bezeichnung Maestre Leo de Bagnol oder auch Magister

Leo Hebraeus bekannt war[67]

schreibt zum Wochenabschnitt Bechukotei (Lev 26 3 -

27 34)

Und wenn es in der Schrift heiszligt sbquoIhr geht unter den Voumllkern zugrunde und das Land euerer

Feinde friszligt euch aufrsquo (Lev 26 38) bezog sich dies auf die groszligen Noumlte unseres Volkes in denen

viele umgekommen sind eingeschlossen das Hinschlachten einiger in den heiligen Gemeinden

und die Vertreibung der Juden aus dem Lande Zarfat Doppelt so viele starben an Hunger und

Pestilenz als beim Auszug aus Aumlgypten[68]

Interessanterweise erwaumlhnt Levi ben Gershom als erster Autor Todesopfer die

innerhalb der juumldischen Gemeinschaft als Folge der Vertreibung zu beklagen waren

Fast ein Jahrhundert spaumlter wohl in der ersten Haumllfte des 15 Jahrhunderts

beschreibt der in Spanien wohl in Tortosa lebende Mattityahu haYizhari ein

Nachkomme einer aus Suumldfrankreich stammenden Familie[69]

die Vertreibung der

Juden mit folgenden Worten

Es sprach Mattityahu Sohn des Moshe Sohn des Weisen Mattiyahu ha-Yizhari sein Andenken

sei zu Segen Viele Noumlte haben uns ereilt seit wir aus dem verheiszligenen Land vertrieben wurden

hellip tausende und zehntausende Juden hatten sich in Frankreich niedergelassen hellip und meine

Vorfahren siedelten in der Stadt Narbonne einer groszligen Stadt Gottes bis Verfehlungen zur

Vertreibung fuumlhrten Einige starben als Maumlrtyrer andere wurde uumlber die ganze Erde zerstreut und

das ganze Land Zarfat lag entbloumlszligt da [70]

Auch bei Levi ben Gershom steht die Zerstoumlrung der groszligen juumldischen Zentren

im Vordergrund Ein Grund fuumlr deren Untergang wird nicht eroumlrtert Ein

aumlhnliches Bild findet sich bei einem weiteren juumldischen Gelehrten aus dem

Beginn des 14 Jahrhunderts In seinem um das Jahr 1321 abgeschlossenen

Werk Even Bochan bemerkt der in Arles geborene juumldische Philosoph

Kalonymos ben Kalonymos (geb 1286)[71]

Als der Herrscher von der Stimmung erfasst wurde mein Volk ins Exil zu fuumlhren vor siebzehn

Jahren uumlberwand er sie in seinem Grimm und vertrieb sie mit starker Hand aus seinem Land

uumlberfuumlhrte sie in Staumldte nackt und mittellos die in ihren Palaumlsten viele Schaumltze von Gold besaszligen

um die Altehrwuumlrdigen ihrer Generation und ihre Prinzen zu vernichten und auszuloumlschen[72]

Die Erwaumlhnung der Enteignung der Juden durch die franzoumlsische Krone

verweist auf den tatsaumlchlichen Verlauf der Ausweisung und auf ihre

fiskalischen Motive[73]

Die auch vom Autor betonten finanziellen

Interessen des Herrschers werden jedoch nicht diskutiert Uumlberhaupt

bleiben die wenigen weiteren zeitgenoumlssischen Bemerkungen zur

Vertreibung sehr skizzenhaft und auch eng mit der Biographie ihrer

Verfasser verknuumlpft So schreibt R Menachem ha-Meiri (Vidal Salamon

Mayr) (geb 1249) der wenige Jahre nach der Vertreibung verstarb[74]

in

seiner Einleitung zur Auslegung des Traktates Avot

als Gott mich vom meinem Vaterhaus fortbrachte machte er meine Soumlhne zu Fluumlchtlingen und

meine Toumlchter fuumlhrte er in Gefangenschaft[75]

Die letzten bekannten Bemerkungen zur Vertreibung aus der

Generation der Zeitzeugen stammen aus der Feder des Dichters

und Philosophen Jedajah ben Abraham haPenini[76]

der in den

Staumldten Beacuteziers Montpellier und Perpignan lebte und um 1325

verstarb In einem Brief an den katalanischen Gelehrten Schlomo

Ibn Adret betonte der Autor wie sehr doch die Juden der Provence

ihre Tuumlren weit fuumlr die Exilierten geoumlffnet haumltten und viel dazu

beigetragen haumltten die Fluumlchtlinge aufzunehmen[77]

Auch in einem

Gedicht schloss der Autor Anspielungen zur Vertreibung der

franzoumlsischen Juden mit ein[78]

Hebraumlische Zeugnisse zur Vertreibung aus dem Norden des

franzoumlsischen Herrschaftsgebietes konnten bisher nicht

nachgewiesen werden Die hier aufgefuumlhrten hebraumlischen Quellen

zur Vertreibung der Juden aus den Herrschaftsgebieten des

franzoumlsischen Koumlnigs stammen ausschlieszliglich von Personen die

durch die Zerstoumlrung der juumldischen Zentren im suumldlichen Frankreich

betroffen waren Diese Uumlberlieferungen wurden schlieszliglich von der

hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts aufgenommen und in

ihre als Zyklen von Leiden und Verfolgung gestalteten Werken

eingearbeitet Itzchaq Abarbanel (gest vor 1550) scheint dabei der

entscheidende Protagonist bei der Schoumlpfung eines die Vertreibung

von 1306 beschreibenden juumldischen Narratives gewesen zu sein

auch wenn er sich nach seinen eigenen Angaben lediglich auf

Itzchak Profiat Duran genannt Efodi einen juumldisch-katalanischen

Autor des spaumlten 14 Jahrhunderts bezog So schreibt Abarbanel

bdquoIm Jahre 5066 (1306) der Zaumlhlung war die Vertreibung aus Frankreich Koumlnig Philipp war ein

grausamer und verfluchter Feind der alle Juden aus seinem Koumlnigreich vertrieb all ihren Besitz

enteignete und sie mittellos des Landes verwies Es gab dort viele groszlige Gemeinden doppelt so

viele (Juden) wie aus Aumlgypten auszogen hellip Und es war eine Zeit der groszligen Not fuumlr Israel hellip es

war im Monat Aw (13 Juli 1306-11 August 1306) und es war eine allumfassende Vertreibung hellipall

dies findet sich in der Schrift bdquoSichron ha-Shmadotldquo die von allen Zerstoumlrung berichtet die sich seit

der Zerstoumlrung des Tempels in Israel ereignet haben aufgeschrieben und redigiert von Efodildquo[79]

Der Autor weiszlig zu berichten unter welchem Koumlnig und in welchem Monat und Jahr die Vertreibung

stattfand Auf die Mittellosigkeit der juumldischen Fluumlchtlinge wird explizit hingewiesen die auf die

Auspluumlnderung durch den Koumlnig zuruumlckgefuumlhrt wird Auch eine Vorstellung von der Zahl der Exilierten

spiegelt sich im Text wider

Shlomo Ibn Verga uumlbernimmt den Text fast woumlrtlich fuumlr seine Chronik Shevet Yehudah und erweitert ihn

lediglich um die nicht belegbare Geschichte der Konversion der Gemeinde von Toulouse[80]

Ihm

folgen Samuel Usque[81]

und Yosef ha-Kohen[82]

So bieten die Erzaumlhltraditionen des 16

Jahrhunderts lediglich ein Geruumlst von Fakten die den Handlungsablauf der Vertreibung mit wenigen

Worten beschreiben Eine Begruumlndung der Vertreibung wird nicht genannt So entspricht die

Erzaumlhlarmut des Textes zur Vertreibung aus Frankreich innerhalb der hebraumlischen Chronistik des

16 Jahrhunderts der allgemeinen Quellenarmut der hebraumlischen Uumlberlieferungstradition zu diesem

Ereignis

Beziehung der Juden zum Herrscher

Anhand der Untersuchung von herrschaftlichen Bindungen der Juden soll im Folgenden verdeutlicht

werden wie sich ein ehemals funktionierendes Miteinander zu einem Zerbrechen eben dieses

Miteinanders mit dem Resultat der Vertreibung veraumlnderte Dazu werden die Herrschaftsstrukturen

mit ihren Veraumlnderungen zwischen dem Koumlnig beziehungsweise anderen christlichen

Herrschaftstraumlgern und den Juden in England und Frankreich analysiert In England siedelten sich

im Zuge der normannischen Eroberungen nach 1066 die ersten aus Frankreich stammenden Juden

an[83]

Seit dieser Zeit wurden sie in Dokumenten haumlufig als bdquoJuden des Koumlnigsldquo[84]

bezeichnet

Diesen exklusiven Anspruch konnte der Koumlnig bis zur Vertreibung durchsetzen auch wenn es

vereinzelt andere Herrschaftstraumlger gab die Macht uumlber Juden erlangten[85]

Die Juden waren dem

Koumlnig direkt unterstellt sie mussten ihm jede Geldforderung erfuumlllen im Gegenzug durften sie nach

ihrem Gesetz leben und ihren Wohnsitz frei waumlhlen[86]

Ein Privileg Richards I von 1190 erwaumlhnt

auszligerdem unter anderem das Recht der Juden auf Landbesitz und zollfreien Handel mit Wein[87]

Belastend fuumlr das Leben der Juden von England war das hohe Maszlig an Verwaltung das die

englischen Koumlnige geschaffen hatten um die Steuern effizient eintreiben zu koumlnnen Anlaumlsslich der

Kroumlnung Richards I im Jahre 1189 war es ausgehend von London zu Massakern an Juden in ganz

England gekommen Da die koumlnigliche Verwaltung nicht nachvollziehen konnte welche

Schuldscheine durch die Verfolgung vernichtet worden waren wurde als Reaktion 1194 ein

Archivsystem (archae) eingefuumlhrt das von nun an alle Geldgeschaumlfte sowie alle Juden mit ihrer

Finanzkraft verzeichnete[88]

Unter Heinrich III (1216-1272) aumlnderte sich der rechtliche Status der

Juden Im Jahr 1253 erlieszlig der Koumlnig ein Mandat das den Juden unter anderem verbot neue

Synagogen zu errichten christliche Bedienstete oder sexuelle Kontakte mit Christen zu haben und

Kirchen zu betreten Wichtigster Punkt war jedoch dass Juden nun ihren Wohnort nicht mehr frei

waumlhlen sondern nur noch dort leben durften wo bereits Juden ansaumlssig waren[89]

Viele der hier

formulierten Mandate waren im IV Laterankonzil von 1215 als verbindliche Verbote fuumlr die Juden in

der christlichen Welt festgelegt worden und fanden nun ihre Umsetzung Daneben stieg die

Besteuerung seit den 1240er Jahren stetig an wodurch die Finanzkraft der Juden bereits deutlich

geschwaumlcht wurde[90]

Im Falle Edwards I zeigte sich schlieszliglich dass die starke Bindung der Juden

an den Koumlnig die den Juden in fruumlheren Jahren zunaumlchst Unabhaumlngigkeit und Wohlstand gebracht

hatte nun ihren Ruin und schlieszliglich ihre Vertreibung bewirkte Der Koumlnig hatte bei Maszlignahmen die

die Juden betrafen kaum Widerspruch zu befuumlrchten zu eindeutig definiert war seine Machstellung

den Juden gegenuumlber In Frankreich unterstanden die Juden dem Herrn ihres jeweiligen Gebiets

der Koumlnig von Frankreich herrschte also nur in der Krondomaumlne uumlber die Juden des Koumlnigreiches[91]

Die Juden waren an ihr angestammtes Territorium gebunden und durften dieses nur mit der

Erlaubnis ihres Landesherrn verlassen Dieses Prinzip reicht bis in die Zeit von Philipp II August

(1180-1223) zuruumlck und wurde seit der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne 1198 in

verschiedenen Vereinbarungen mit anderen franzoumlsischen Territorialherren vertraglich fixiert[92]

Schon bei der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne kam es zu Irritationen da Philipp II

die 1182 vertriebenen Juden nach wie vor als bdquoseine Judenldquo ansah diese Auffassung aber

beispielsweise von Graf Theobald III von Campagne nicht geteilt wurde Er fuumlrchtete Steuerausfaumllle

und war der Meinung dass Juden die sich 1182 in der Champagne niedergelassen hatten nicht

mehr die Juden des Koumlnigs seien[93]

Auch andere Landesherren weigerten sich dem Wegzug ihrer

Juden in die Krondomaumlne zuzustimmen[94]

Auch erste Schritte eines buumlrokratischen Umgangs mit

den Geldgeschaumlften der Juden waren 1198 durch Philipp II August vorgenommen worden

moumlglicherweise beeinflusst durch die archae die in England 1194 unter Koumlnig Richard I eingerichtet

worden waren um die Geldgeschaumlfte und die Finanzkraft der Juden zu dokumentieren In jedem Ort

der Krondomaumlne gab es spezielle Beamte die die Kreditvertraumlge der Juden siegelten und so

kontrollierten wem die Juden welche Betraumlge an Geld liehen[95]

Auch den Juden konnte dieses

Verfahren als Sicherheit fuumlr ihre Geschaumlfte dienen Unter Ludwig VIII (1223-1226) kam es zum

ersten Eingriff in die Geldgeschaumlfte der Juden im franzoumlsischen Gebiet 1223 erlieszlig der Koumlnig

zusammen mit diversen Landesherren ein Statut in dem festgelegt wurde dass die Ruumlckzahlung

aller Schulden bei Juden an insgesamt neun Terminen an die koumlnigliche beziehungsweise

landesherrliche Schatzkammer erfolgen sollte Die Praxis des Siegelns von Urkunden uumlber

Darlehensvergaben wurde abgeschafft Erneut wurde festgehalten dass keiner der Herrscher Juden

eines anderen Herrschers bei sich aufnehmen duumlrfe wobei es bei diesem Punkt wieder zu

Unstimmigkeiten mit dem Grafen der Champagne kam der die Erklaumlrung nicht unterschrieb[96]

Bereits die ersten Jahre der Regierungszeit Ludwigs IX (1226-1270) brachten fuumlr die Juden weitere

Beschwerlichkeiten und erste direkte Aktionen gegen den Wucher Im Jahr 1227 kam es zu einer

erneuten Aneignung der ausstehenden Schulden bei Juden 1228 erging ein Mandat in dem Ludwig

IX befahl bei kuumlnftigen Geldgeschaumlften auf Zinsen zu verzichten Auszligerdem erklaumlrte der Koumlnig bei

Geldgeschaumlften die seit der Schuldentilgung ein Jahr zuvor geschlossen wurden alle Zinsen fuumlr

unguumlltig[97]

Auch die generelle Rechtsstellung der Juden wurde schon fruumlh in der Regierungszeit

Ludwigs IX definiert wobei es bei der alten Regelung blieb Im Statut von Melun hielten der Koumlnig

und die Landesherren daran fest dass die Juden tamquam proprii servi an das jeweilige Territorium

gebunden waren Christliche Schuldner wurden dazu aufgerufen ihre Schulden bei Juden zu

bezahlen nicht aber die Zinsen[98]

Die 1240er Jahre waren in Frankreich gepraumlgt vom Pariser

Talmudprozess in dem der Talmud als ketzerische Schrift verurteilt und danach oumlffentlich verbrannt

wurde[99]

Dies fuumlhrte unter anderem zu einer verstaumlrkten Auswanderung juumldischer Eliten aus

Nordfrankreich[100]

Insgesamt aumlnderte sich der rechtliche Status unter Ludwig IX nicht aber fruumlher

als die Herrscher in England nahm Ludwig IX der 1290 heilig gesprochen wurde den Kampf gegen

den Wucher auf Einige Aktionen Koumlnig Philipps IV (1285-1314) waumlhrend seiner ersten

Regierungsjahre in Bezug auf die Juden muumlssen vor dem Hintergrund der Vertreibungen gesehen

werden die sich in Regionen auszligerhalb der Krondomaumlne ereigneten so beispielsweise die

Ausweisung der juumldischen Fluumlchtlinge durch Philipp IV im Jahre 1291[101]

Daneben ist eine

konsequente Linie den Juden gegenuumlber nicht zu erkennen 1285 erneuerte er beispielsweise ein

Privileg zum Schutz von Synagogen und Friedhoumlfen zugleich bestaumltigte er die Pflicht der Juden ein

spezielles Abzeichen an ihrer Kleidung zu tragen[102]

Beides sind Zeichen dafuumlr dass der Koumlnig zu

dieser Zeit nicht daran dachte die Juden auszuweisen sondern das Leben der Juden rechtlich zu

definieren Vorrangiges Ziel Philipps IV war es zunaumlchst seine Oberherrschaft uumlber die Juden im

Suumlden zu sichern wo diese nicht von allen Baronen anerkannt wurde Die Herrschaft in der

Champagne hatte er sich durch Heirat bereits gesichert Dort in Troyes kam es 1288 zu einer

Mordanklage in deren Folge 13 Juden hingerichtet wurden wobei der Koumlnig ihre Besitztuumlmer

einzog[103]

Groumlszligeren Einfluss auf den Koumlnig scheint die Hostienschaumlndungbeschuldigung 1290 in

Paris gehabt zu haben Philipp IV warnte die Juden vor weiteren Hostienschaumlndungen und

spendete ein Haus neben der Kirche die zum Gedenken an den Fall errichtet worden war[104]

Wie

sein Groszligvater Ludwig IX setzte Philipp IV den Kampf gegen den Wucher fort verbot ihn 1299 und

1303 daneben wurde auch das Verbot des Neubaus von Synagogen sowie des Talmuds bei diesen

Gelegenheiten erneuert[105]

In einer konzentrierten und laumlnger vorbereiteten Aktion lieszlig Philipp IV

dann die Juden (oder jedenfalls die Familienvorstaumlnde) vermutlich am 22 Juli 1306 festsetzen Dies

diente dazu eine genaue Aufstellung der Judenguumlter vorzunehmen und um sich die ausstehenden

Schuldscheine zu sichern Gleichzeitig bedeutete es das Ende der juumldischen Siedlung in Frankreich

bis zu ihrer Wiederzulassung unter Ludwig X im Jahr 1315

Sowohl bei der Vertreibung aus England als auch der aus Frankreich zeigt sich die Gefahr die die

Abhaumlngigkeit der Juden vom Herrscher barg Vor allem in England hatte die privilegierte Position fuumlr

Wohlstand und ein groszliges Maszlig an innerer Autonomie etwa in der Rechtssprechnung oder in bezug

auf die Freizuumlgigkeit gesorgt[106]

Sie schuumltzte die Juden jedoch nicht immer vor Gealtakten wie den

seit der Mitte des 12 Jahrhunderts immer wieder vorkommenden Ritualmordvorwuumlrfen In

Frankreich verschlechterten sich ihre Lebensumstaumlnde mit der Ausbreitung der Krondomaumlne War

es 1182 noch ein geringes Problem fuumlr die Juden eine neue Heimat zu finden und von anderen

franzoumlsischen Landesherren wohlwollend aufgenommen zu werden war dies 1306 nicht mehr

moumlglich Die Herrscher nahmen die theologischen Diskurse uumlber den Wucher oder den Talmud auf

und wurden des weiteren beeinflusst durch antijuumldische Blut- und Hostienschaumlndungsvorwuumlrfe

Auch wirtschaftliche Uumlberlegungen haben eine Rolle gespielt ebenso mag es eine Dynamik

gegeben haben angestoszligen durch die weiteren Vertreibungen in dieser Umbruchszeit in der sich

jeder Herrscher damit profilieren wollte und konnte die Juden zu vertreiben

Die allgemeine Verurteilung des Wuchers

Obwohl gerade in der hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts verstaumlrkt die finanziellen Interessen vor

allem des franzoumlsischen Koumlnigs als Motiv der Vertreibung hervorgehoben wurde folgte die zeitnahe

Argumentation einer innerjuumldischen Perspektive anderen Erklaumlrungsmustern So gilt es zumindest

im Falle der Vertreibung aus England festzuhalten dass sich unter den Juden die Vorstellung

verbreitete das Fehlverhalten einzelner Juden haumltte die Ausweisung von 1290 wie auch andere

Vertreibungen mit verursacht Doch laumlsst sich im Wuchervorwurf gegenuumlber den Juden - dem

durchgaumlngigen Argument der Vertreibungen im 13 Jahrhundert - nicht etwa eine vordergruumlndige

falsche Praxis des Geldverleihs als ausloumlsendes Moment vermuten wie dies gelegentlich auch von

christlicher Seite von den Zeitgenossen vertreten wurde[107]

Vielmehr begann sich seit dem 12

Jahrhundert unter christlichen Gelehrten und weltlichen Herrschern ein theologisches Verstaumlndnis

bezuumlglich des Wuchers durchzusetzen das der wirtschaftlichen Taumltigkeit der Geldleihe auch in den

Haumlnden der Juden keine geduldeten Nische zuzuweisen bereit war[108]

Wucher wurde nun nicht

mehr als Suumlnde gegen den Naumlchsten aus mangelndem Mitgefuumlhl betrachtet und als turpe lucrum

(schaumlndlicher Profit) definiert sondern als Suumlnde gegen die iustitia[109]

Gemaumlszlig dieser Vorstellung

waren alle Wuchergewinne Diebesgut und muszligten zuruumlckgegeben werden Viel schwerer wog die

Feststellung daszlig sich die nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger durch ihre Besteuerung der Juden am

Wuchergewinn der Juden beteiligten und sich darum der gleichen Suumlnden schuldig machten[110]

Somit wurde auf demselben Wege der fuumlrstliche oder koumlnigliche Judenschutz die Legitimation

entzogen Die voumlllige Unterbindung des juumldischen Geldhandels schien darum fuumlr die meisten

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger der einzig richtige Weg wie dies bereits die im Namen Koumlnig

Ludwigs IX verkuumlndete ordenance von Melun 1230 forderte[111]

Als letzte Konsequenz blieb die

Ausweisung der Juden aus immer mehr Herrschaften des franzoumlsischen Koumlnigreiches und

schlieszliglich der Kronlande Das Zerbrechen des Miteinanders von Juden und Christen innerhalb des

franzoumlsischen Koumlnigreiches sowie die schrittweise Aufloumlsung bzw Zerschlagung des

jahrhundertealten juumldischen Siedlungsnetzes muszlig auf die juumldischen Gemeinschaften der

benachbarten Regionen so z B in den Rheinlanden verstoumlrend und beaumlngstigend gewirkt haben

Der dieser Vertreibung zugrundeliegende theologische Diskurs zu Geldhandel und Wucher und die

daraus resultierenden Folgen fuumlr die eigene juumldischen Existenz scheint jedoch nur einen geringen

Einfluszlig auf die Wahrnehmung ihrer eigenen Situation gehabt zu haben Im Zuge der Vertreibung der

franzoumlsischen Juden im Sommer und Herbst 1306 waren juumldische Fluumlchtlinge in die deutschen

Rheinlande gelangt[112]

Wohl wenige Monate spaumlter trafen in Worms die Delegierten des dortigen

Gemeindebezirkes die Vertreter der die Wormser Gemeinde und der sie umgebenden juumldischen

Niederlassungen auf einer Versammlung zusammen Auf diesem juumldischen Landtag sollte eine

Rechtssatzung eine Takkanah verabschiedet werden die die Praxis der juumldischen Geldleihe im

Einzugsgebiet der Gemeinde Worms sowie das Verhalten gegenuumlber hochverschuldeten Kunden

neu regelte[113]

In der Zusammenkunft der Haumlupter des Volkes im bdquoLand Wormsldquo im Jahr 67 des sechsten Jahrtausends

(10 Sept 1306 - 28 Augutst 1307) weil sich wegen unserer groszliger Verfehlungen die Noumlte der

Soumlhne unseres Volkes vermehrten durchforschten wir unsere Taten und fanden dass seit einiger

Zeit ein Schwert die Seele der Elenden und Reinen auffraszlig weil sie Vermoumlgen vermehrt hatten

durch Zins und Zinseszins von den Fuumlrsten der Nichtjuden Diese schuldeten ein Riesenvermoumlgen

den Familienvorstaumlnden Sie schmiedeten Raumlnke sich auf die Juden zu stuumlrzen und sie zu

uumlberfallen um sich von ihren Schulden zu befreien Wir haben beschlossen dass man keine

Erhoumlhung hinzufuumlgen darf und jedem Mann und jeder Frau nicht gestattet werden soll irgend einem

Nichtjuden einem einzelnen Schuldner mehr als 100 Pfund Hallisch zu leihen Und wenn der

Zeitpunkt der Schuldruumlckzahlung gekommen ist soll es nicht mehr gestattet sein die Zinsschuld der

Schuldsumme zuzuschlagen sondern man soll aus der Hand des Schuldners die ganze Schuld

einziehen Und wenn man nicht die ganze Schuld von ihm einziehen kann soll man sich nicht

hindern lassen wenigstens den Zins einzuziehen Nur soll man den Schuldner nicht mit List

uumlbervorteilen Und wenn es nicht gelingt irgend etwas einzuziehen dann soll man dies dem Rat

seiner Gemeinde mitteilen und nach deren Geheiszlig soll man handeln Was das Schuldgeschaumlft der

fuumlrstlichen Schuldner betrifft deren Schulden sich schon vermehrt haben und die niemand mehr

begleichen kann Die Glaumlubiger sollen sich huumlten sie mit hohen Zinsen zu belasten denn es sind

Komplotte zu befuumlrchten was Gott verhuumlten moumlge Schon einige Personen haben sich

zusammengeschlossen und dies gerade nicht bei den Fuumlrsten sondern bei den Klerikern und den

Buumlrgern [114]

Offenkundig standen den Delegierten die befuumlrchteten Konsequenzen der Geldleihe deutlich vor

Augen Wohl ebenso eingeschuumlchtert durch die in Frankreich vollzogene Vertreibung der Juden

wurden von seiten der Juden eigene Verfehlungen aber auch unguumlnstige Machtkonstellation

beobachtet die im Falle der franzoumlsischen Juden zu deren Untergang gefuumlhrt hatten Die

Beziehungen von Juden und Christen steckten auch in den Rheinlanden in den eingangs genannten

Bereichen von Wirtschaft Herrschaft und Religion in einer tieferen Krise Die auf dem

Versammlung von Worms beschlossenen Gegenmaszlignahmen blieben auf die juumldischen Teilnehmer

beschraumlnkt Zuruumlckhaltung gegenuumlber den christlichen Kunden Demut gegenuumlber Gott und das

Flehen um sein Erbarmen was mit guten Werken unterstuumltzt werden soll Eine direkte Verhandlung

mit den christlichen Herrschaftstraumlgern war nicht mehr vorgesehen Das gegenseitige Vertrauen

zwischen Juden und Christen war verschwunden in einer Zeit in der nicht mehr Koexistenz sondern

vor allem von Seiten der Juden die Sorge um die eigene Zukunft das eigene Handeln bestimmte

Zusammenfassung

Die Vertreibung der Juden aus England hatte innerhalb des juumldischen Kontextes noch zu Ansaumltzen der

Selbstreflexion gefuumlhrt die einen konkreten Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Vertretern

der juumldischen Seite und den politischen Entscheidungen der nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger

gegenuumlber der eigenen Gruppe erkennen mochten Dennoch waumlhnte man sich weiterhin in einem

rechtlich voumlllig abgesicherten Verhaumlltnis zur christlichen Umwelt Man war sich eines besonderen

Status innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft bewuszligt der in den Augen der Juden in

keiner Weise gefaumlhrdet schien Noch in der zweiten Haumllfte des 13 Jahrhunderts definierte Meir ben

Baruch (gest 1293) die Stellung der Juden im Reich als die eines freien Landbewohners der sein

Land nicht aber seine persoumlnliche Freiheit verloren hat [115]

Er sei darum nicht wie die Nichtjuden

den Fuumlrsten unterworfen und zu Steuerzahlungen verpflichtet Diese Konstruktionen erinnern stark

an die noch im 12 Jahrhundert in Frankreich vertretenen Rechtsauffassungen eines Itzchaq ben

Shmuel von Dampierre (gest ca 1185)[116]

der ebenfalls die Freiheit der Juden im Vergleich zu den

Nichtjuden hervorhebt ihre voumlllige Bewegungsfreiheit im Gegensatz zu an die Scholle gebundenen

Nichtjuden betont und die Juden ebenfalls aus der Rechtspraxis herausnimmt die dem

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger gestattet bei Abwanderung von Personen deren beweglichen

Besitz einzuziehen[117]

Nach juumldischer Auffassung folgten die Interaktionen zwischen Juden und

Christen nach Regeln die von beiden Seiten anerkannt waren Das jedoch sich dies Regelwerk zu

ungunsten der Juden verhaumlndert haben mochte daszlig die eigene Bewegungsfreiheit inzwischen mehr

und mehr eingeschraumlnkt wurde die besonderen Steuergesetzgebung seit den Aumluszligerungen des

Itzchak von Dampiegravere sich erheblich veraumlndern hatte und damit nach daszlig Verhaumlltnis zur christlichen

Umwelt nun erheblichen Umwaumlltzungen unterworfen war wurde wie die Aumluszligerung Meirs nahelegt

weder reflektiert noch einigermaszligen registriert

Das Verhalten der franzoumlsischen Juden Angesichts ihrer Vertreibung ist darum keinesfalls verwunderlich In

den wenigen juumldischen Selbstzeugnisse zur Vertreibung der franzoumlsischen Juden finden sich keine

Spuren die auf einen Prozess der Selbstreflexion schlieszligen lassen Die Frage der Motivation zur

Vertreibung der Juden wird soweit dies die Quellen erkennen lassen nicht diskutiert Der

offenkundige theologische Diskurs zur Unrechtmaumlszligigkeit des auf Zinsen geleisteten Geldverleihs

dem die juumldischen Gemeinschaft im franzoumlsischen Koumlnigreich letztlich zum Opfer fiel wird

nirgendwo rezipiert Man koumlnnte den Eindruck gewinnen dass sich den franzoumlsischen Juden die

Gefaumlhrlichkeit der Diskussion um den Wucher zu keinem Zeitpunkt erschloss Auch in den

konstruierten Narrativen der folgenden Generationen steht die auch fuumlr den einzelnen Juden

folgenreiche finanzielle Auspluumlnderung durch die franzoumlsische Krone im Vordergrund Allerdings

zeigt die Quelle aus dem rheinischen Kontext dass zumindest nach der Vertreibung aus dem

franzoumlsischen Koumlnigreich im Jahre 1306 unter den rheinischen Juden bestimmte Formen der

Geldleihe als Element der Selbstgefaumlhrdung wahrgenommen wurde Dabei macht die Uumlberlieferung

der Wormser Versammlung auch deutlich das die Zerruumlttung des Verhaumlltnisses von Juden und

Christen auch von juumldischer Seite nicht mehr geleugnet werden konnte Dass es sich dabei nicht nur

um eine wirtschaftliche Auseinandersetzung sondern zunaumlchst um einen christlichen theologischen

Diskurs handelte der sich gaumlnzlich juumldischem Handeln entzog scheint den Protagonisten der

Wormser Gemeinde nicht zugaumlnglich gewesen sein Ohne zu erkennen dass die Geldleihe und

somit die eigene wirtschaftliche Existenz gaumlnzlich in Frage gestellt werden koumlnnte versuchten die

Vertreter der Wormser Versammlung durch einzelne Maszlignahmen die Beziehungen zur christlichen

Umgebung zu entlassten um Gefahren von der eigenen Gemeinschaft abzuwenden Auf diese

Weise wurden die Juden im Westen Europas mehr und mehr wirtschaftlichen und theologischen

Dynamiken ausgesetzt die sich jenseits der juumldischen Wahrnehmung auszuformen begannen und

schlieszliglich in die Verdraumlngung der Juden muumlnden sollten die in der Vertreibung von England und

Frankreich ihren Anfang nahm

Rainer Barzen Lennart Guumlntzel

1 uarr Vgl zu Frankreich Chazan Jewry (1973) 154-207 Jordan Monarchy (1998) 177-261 Zu

England Hyams Jews (1996) 173-192 Mentgen Vertreibungen (1997) 11-53 Mundill England

(1998)

2 uarr Chazan Jewry (1973) 63-100 Ders Church (1980) 312f Jordan Monarchy (1998) 23-38

3 uarr Zur Geschichte der Juden unter Ludwig IX vgl Chazan Jewry (1973) 100-153

4 uarr Die Vorbildfunktion Ludwigs IX vor allem in Hinblick auf den Kampf gegen den Wucher erwaumlhnt

Cluse Zusammenhang (1999)135ndash163

5 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

6 uarr Chazan Church (1980) 313-317

7 uarr Florentii Wigorniensis 214f

8 uarr Ebd 212

9 uarr Chazan Church (1980) 317-319

10 uarr Aufstellung der Chroniken bei Abrahams Expulsion (1895) 449f

11 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

12 uarr Ordonnances 317

13 uarr Jordan nennt als Beispiel die Ortschaft Niort die ihre Juden vertreiben konnte Jordan Monarchy

(1998) 183

14 uarr Ebd 184f

15 uarr Ebd 184

16 uarr Ebd 183f

17 uarr Zu den Motiven Philipps IV siehe Mentgen Vertreibungen (1997) 46-49 Schwarzfuchs

Expulsion (1967) 485f

18 uarr Uumlber den generellen Wucherdiskurs siehe unten Kapitel V2

19 uarr Close Rolls Edward I 109

20 uarr Annales de Waverleia 409 ldquo(hellip) Judaeorum (hellip) quae per diversas urbes et castra regionis

Anglicanae per retroacta tempora habitabat confidenter procurante domina Alienora matre dicti

regis Angliae jussa est per edictum regium (hellip)rdquo

21 uarr Annales de Dunstaplia 361-362bdquo (hellip) propter blasphemias quas Judaei saepe faciebant fidei

Christianae statuit rex ut omnes Judaei cum semine suo et substancia ab Anglia pellerentur (hellip)rdquo

22 uarr Ebd bdquo(hellip) et concessit eis rex salvum conductum In ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt

submersi per vim et fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

23 uarr Zum Verhaumlltnis von Dominikanern und Juden zu dieser Zeit vgl Cohen Friars (1982) sowie

Ders Letters (1999)

24 uarr Florentii Wigoriensis 214

25 uarr Uumlber ein moumlgliches Interesse des Adels an der Vertreibung der Juden siehe Mentgen

Vertreibungen (1997) 27-30

26 uarr Annales de Dunstaplia 361-362 bdquoIn ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt submersi per vim et

fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

27 uarr Pierre de Langtoft II 186 bdquoThomas de Wilaund en baunk primer nomeacute par agarde de la court le

regne ad forjoreacute et en la terre de France sanz repairer aleacute Ses compayons ses clercs sunt pris e

meneacute a la thour de Loundres delivreacutes par moneacuteldquo

28 uarr Ebd 188 bdquoPur le quinzme dener al rays en ayeldquo

29 uarr Ebd bdquoOre sunt alez en France e en Pykardye Tutes lur dettes e lur manauntye Sunt salves al

ray dunt fere sa curtaysyeldquo

30 uarr Oumlsterreichische Reimchronik Verse 91239-91777 1186-1192ldquo die dritten vorderungdie an den

Franzois junctet der kunic Albrehter jach die Juden ze rehtgehocircren daz ricircche an und ander nieman

()ldquo Zu dieser Quelle vgl Ziwes Studien (1995) 33f Anm 16

31 uarr Prima Vita Clementis V 5

32 uarr Quarta Vita Clementis V 62bdquo Anno Domini MCCCVJ in festo sancte Marie Magdalene de

mandato et ordinatione regis Francie fuerunt capti omnes Judei ubique in regno Francie quasi

imperceptibiler una die et confiscata sunt bona ipsorum quecumque potuerunt inveniri fueruntque

a regno expulsi ulterius minime reversurirdquo Vgl auch Sexta Vita Clementis V 92-93bdquo Et etiam in

isto anno in die sancte Marie Magdalene omnes Judei de regno Francie congediati [congregati]

fuerunt et eorum bona omnia extiterunt confiscatardquo

33 uarr Continuatio Guilelmi de Nangis 59 bdquoMense Augusto Rex Philippus omnes Judaeos de Regno

Franciae penitus amp omnino fecit expelli certum regressionis terminum sub poena mortis praesigens

eisdemrdquo

34 uarr Florentii Wigoriensis 192 ldquoBarones cum Londoniensibus Judaismum Londoniae spoliaverunt

multis Judaeis interfectisldquo Siehe auch Mundill England (1998) 41

35 uarr Florentii Wigoriensis 210ldquo Rex die Sancte Calixti synagogam Judaeorum in villa Londoniensi

fratribus de Poenitentia contulit Jesu Christi ()ldquo

36 uarr Ebd 222bdquoApud Norhamtonam () puer quidam a Judaeis crucifixus estrdquo

37 uarr BennerReverchon Juden (2003) 181

38 uarr Rubin Tales (1999) 40-48

39 uarr Mentgen Vertreibungen (1997) 42-44

40 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 64f sieht den Muumlnzbeschneidungsskandal als Folge der Verarmung

der Juden Eine andere Meinung vertritt Mundill England (1998) 195-198 der vor allem auf eine

erfolgreiche Rolle der Juden im Wollhandel verweist

41 uarr Florentii Wigoriensis 221ldquo Rex omnes Judaeos et quosdam Christianos de retonsura aut alia

monetae falsatione convictos fecit suspensi Unde Londoniae CCLX et VII Judaei mortis judicium

subierunt Quidam autem relegati quidam etiam eorum perpetuo sunt carceri adjudicati et quidam

in Anglia remanseruntrdquo Vgl auch Mundill England (1998) 67f sowie uumlber die Zahl der Opfer weiter

oben Anmerkung 36

42 uarr Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 S 20

43 uarr Nach der chronikalischen Uumlberlieferung waren es 267 bzw 269 hingerichtete Juden Eine

Auswertung der auszligerchronikalischen Quellen ergab die Zahl von 298 erhaumlngten Juden Rokeacuteach

Monex I (198890) 98

44 uarr Jordan Monarchy (1989) 182f

45 uarr rdquoVos autre fuistis Engles qui exiverunt de terra eorum quia rotundabatis monetamrdquo in

Shatzmiller Schlomo Ibn Verga (1988) 355 Ders Solidariteacute (1986) 423

46 uarr Shlomo Ibn Verga Shevet Yehudah Teil I (hebr) Teil II (dt Uumlbersetzung)(Edit Wiener) Shevet

Yehudah (Edit Shochat)

47 uarr Zu Leben und Werk Shlomo Ibn Vergas Baer Hearot (1934) 152-179

48 uarr Shevet Yehudah Nr 18 (hebr S 42-43 dt Uumlbers S 84-85) Shevet Yehudah (Edit Shochat)

S 66

49 uarr Shevet Yehudah Nr 20 (hebr 43-45 dt Uumlbers 86-89)

50 uarr Zu Yosef ha-Kohen und seinem Werk Loeb Josef Hacohen (1888) XVI 28-56 211-235 XVII

74-95 247-271

51 uarr Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (dt

Uumlbersetzung Wiener)

52 uarr Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) 38-39 (Edit Wiener) 41-42

53 uarr Usque Nachum Israel III (1908) XI-XIII Auch bei Gedalyah Ibn Yachjah Shalshelet ha-

Kabbalah (nach Graetz Geschichte VII (1897) 429 weitere Quellen Graetz ebd 426-430)

54 uarr Siehe Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 20a

55 uarr ldquoSie [die Dominikaner] brachten sogar Muumlnzsorten herbei die sie selbst zuhause beschnitten

hattenldquo Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) S 38 (Edit Wiener) 41

56 uarr Fuumlr vielerlei Hinweise zur hebraumlischen Uumlberlieferung der Vertreibung der franzoumlsischen Juden sei

Dr Abraham David Jerusalem herzlich gedankt

57 uarr Schwarzfuchs History (2001) 269-274 Ben-Shalom Communication (1991) 171-225

58 uarr Abba Mari ben Mose von Lunel Sefer Minchat Qenaot Nr 120 in Shlomo Ibn Adret Tshuvot II

835-836

59 uarr BT Berachot 70a Gemeint ist hier die Philosophie griechischer Tradition die von Abba Mari

besonders bekaumlmpft wurde Shlomo Ibn Adret Teshuvot Bd 2 835 Anmerkung zu Zeile 1 Abba

Mari brachte die Vertreibung der suumldfranzoumlsischen Juden mit deren Hinwendung zur griechischen

Philosophie in Verbindung Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 832 Anmerkung zu Zeile 8

60 uarr Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 835-836 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001) 273

61 uarr Jordan French Monarchy (1989) 195196

62 uarr Saige Juifs (1881) 92

63 uarr Jordan French Monarchy (1989) 205 Saige Juifs (1881) 101-102 308-319 324-325

64 uarr Zu Leben und Werk sowie zu seinem Aufenhalt im Lande Israel siehe Schwarzfuchs History

261 Elbaum Estori ha-Parhi S 918f

65 uarr Zur Bedeutung des hebraumlischen Begriffes Prowentzah der neben der heutigen Provence auch

das Languedoc miteinschloss siehe Gross Gallia Judaica (1887) 489 In diesem Sinne entspricht

Prowentzah der roumlmischen Provincia Narbonnensis In Kontext der Vertreibung der Juden im

Jahre 1306 kann nur das Languedoc gemeint sein

66 uarr Eshtori haParchi Kaftor waFerach 218

67 uarr Schwarzfuchs History (2001) 276-278 Dahan Gersonide (1991)

68 uarr Levi ben Gershom Pirush al ha-Torah

69 uarr Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 153-154

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

fragen welches Interesse die Barone und der Klerus an der Ausweisung der Juden hatten Wiederum sind

religioumlse und wirtschaftliche Gruumlnde denkbar Fuumlr den Klerus koumlnnte noch der Konversionsskandal um

Robert von Reading nachgewirkt haben Dieser Dominikanermoumlnch war 1275 zum juumldischen Glauben

konvertiert und hatte so die Anfeindungen die bereits vorhanden waren[23]

noch verstaumlrkt[24]

Der Adel

hingegen koumlnnte sowohl ein Interesse an Laumlndereien die den Juden als Pfaumlnder uumlberlassen worden waren

und nun wieder frei wurden gehabt als auch die Konkurrenz moumlglicher juumldischer Konkurrenten im Handel

gefuumlrchtet haben[25]

Daneben uumlberrascht die eingeschobene Geschichte von Uumlberfaumlllen denen einige

Juden bei der Ausreise zum Opfer fielen[26]

Anscheinend wurden die Juden jedenfalls von diesem

christlichen Chronisten nicht als rechtlos angesehen daher die Betonung dass die Uumlbeltaumlter gehaumlngt

wurden Die Juden zu vertreiben war eine Sache aber rechtlos wurden sie nicht Sie standen offenbar noch

unter dem Schutz englischer Gesetze Dies verweist indirekt wieder auf das Vertreibungsedikt Edwards I

Auch dort wird primaumlr rechtlich argumentiert sodass der Eindruck entsteht dass sich auch der Koumlnig an

einem rechtlichen Rahmen orientieren wollte In der Reimchronik Pierre de Langtofts steht die Vertreibung

der Juden in einem weiteren allgemeinen Kontext Langtoft ein Augustinermoumlnch aus Yorkshire berichtet

zu 1289 wie Edward nach vier Jahren Aufenthalt in der Gascogne wieder nach England zuruumlckkehrte und

das Land in schlechtem Zustand vorfand Es kam zu Untersuchungen und Prozessen bei deren Ende unter

anderem der Oberste Richter Thomas de Weyland ins Exil nach Frankreich gehen musste und seine

Mittaumlter in den Tower geworfen wurden oder eine Geldstrafe zahlen mussten[27]

Die Vertreibung der Juden

erscheint bei Langtoft in diesem Kontext Der Koumlnig houmlrte sich die Beschwerden der Barone und des Adels

an beriet sich mit dem Parlament stellte Untersuchungen an und kam daraufhin zu dem Entschluss die

Juden auszuweisen Dafuumlr erhielt er von bdquoKlerikern und Laienldquo eine festgesetzte Summe als Hilfe[28]

Die

Juden so Langtoft gingen in die franzoumlsischen Kronlande und in die Picardie alle ihre

Hinterlassenschaften also die Schuldscheine und Immobilien behielt der Koumlnig fuumlr sich[29]

Diese Quelle

bietet die meisten Informationen uumlber die Vertreibungen Sie werden als Teil eines umfassenden

Reformprozesses dargestellt der stattfand als Edward nach vier Jahren Aufenthalt in der Gascogne ndash wo

er wie schon berichtet 1287 die dortigen Juden vertrieben hatte ndash nach England zuruumlckkehrte Was den

Juden vorgeworfen wurde wird nicht genannt aber der Bericht kommt der offiziellen Begruumlndung Edwards

am naumlchsten Die Geldzahlungen fuumlr die Vertreibung als Ausgleich fuumlr den Koumlnig die schon in den Annalen

von Dunstable genannt wurden werden hier nun konkretisiert Sie waren Teil der Abmachung zwischen

Adel Klerus und Koumlnig und wurden vorher ausgehandelt Die Vertreibung ist in diesem Kontext als

politische Aktion dargestellt die in den Bericht uumlber eine allgemeine Reformierung des Landes eingebettet

ist Was laumlsst sich aus den Chronikberichten schlieszligen Erstens ist deutlich dass viele verschiedene

Geruumlchte uumlber die Juden das Koumlnigshaus und die Ursachen fuumlr die Vertreibung kursierten Den Gruumlnden

die im Erlass des Koumlnigs aufgefuumlhrt wurden glaubte man anscheinend nicht vorbehaltlos Dies koumlnnte die

sehr unterschiedlichen Chronikberichte erklaumlren Auch wurden die Juden nicht als rechtlos betrachtet

Mehrmals wird erwaumlhnt dass der Koumlnig ihnen sicheres Geleit versprach einmal berichtet wie einige

englische Christen wegen Piraterie gehaumlngt wurden Schlieszliglich faumlllt auf dass die Muumlnzfaumllschung zehn

Jahre zuvor offenbar in der christlichen Perspektive im Zusammenhang mit der Ausweisung keinerlei Rolle

gespielt hat

Frankreich

Die Gruumlnde fuumlr die Vertreibung der Juden aus Frankreich 1306 durch Koumlnig Philipp IV sind nicht ohne

weiteres durch zeitgenoumlssische Uumlberlieferung zu erfahren Weder ist das Vertreibungsmandat uumlberliefert

noch nennen die Chronisten die uumlber das Ereignis berichten Gruumlnde fuumlr die Ausweisung Offensichtlich

gab es in der chronikalen Uumlberlieferung ein geringeres Interesse daran die Motive Philipps IV zu

hinterfragen Die zentrale Quelle fuumlr die Wahrnehmung und Begruumlndung der Vertreibung der franzoumlsischen

Juden entstand nicht im franzoumlsischen Gebiet sondern aus der fernen Steiermark In der von Ottokar von

der Steiermark dort bis 1321 geschriebenen Oumlsterreichischen Reimchronik wird beschrieben dass Albrecht

I von Habsburg einen Anspruch auf die franzoumlsischen Juden erhoben habe Dieser wurde so Ottokar von

Beratern Philipps IV gepruumlft und fuumlr rechtmaumlszligig erklaumlrt woraufhin der franzoumlsische Koumlnig voller Zorn die

Juden die ihm nun keinerlei Vorteile mehr bringen konnten aus seinem Koumlnigreich vertrieb[30]

Diese

einzige Quelle die etwas uumlber die Beweggruumlnde Philipps IV aussagen kann wurde als Geschichte der

Oumlsterreichischen Lande verfasst und stellt die Macht Albrechts I als unverhaumlltnismaumlszligig groszlig gegenuumlber

dem franzoumlsischen Koumlnig dar Es scheint undenkbar dass es tatsaumlchlich Verhandlungen zwischen den

beiden Herrschern um die franzoumlsischen Juden gegeben hat Die Chronik ist aber trotzdem interessant fuumlr

die Fragestellung zeigt sie doch dass ein Ereignis wie die Vertreibung der Juden aus Frankreich auch in

so weit entfernten Gebieten wie der Steiermark wahrgenommen wurde Weitere Nachrichten finden sich in

der von verschiedenen Autoren bis 1324 verfassten Vita des Papstes Clemens V (1305-1314) Dort heiszligt

es beispielsweise dass die Juden die sich nicht taufen lassen wollten das Land verlassen mussten wobei

viele auf der Reise starben Die Besitztuumlmer der Juden wurden vom Koumlnig beschlagnahmt[31]

Offensichtlich

wurden am Tag der Verkuumlndung der Ausweisung diverse Juden gefangen genommen so wird es

zumindest in der Vita Clemens V von Bernard Gui[32]

sowie der Fortsetzung der Chronik Wilhelms von

Nangis[33]

berichtet Uumlber Beweggruumlnde des Koumlnigs die Juden auszuweisen wird jedoch nichts gesagt

Resumee

Die genannten Chronisten liefern eine Fuumllle von Hinweisen auf Kulturbereiche deren Kompatibilitaumlt

zwischen Juden und Christen nicht mehr gewaumlhrleistet war und die im Zusammenspiel fuumlr die Ausweisung

der Juden verantwortlich sein koumlnnen In England und Frankreich herrschte in Bezug auf religioumlse Fragen

eine negative Atmosphaumlre zwischen Juden und Christen Intellektuell-theologisch zeigt sich diese primaumlr an

der Wucher- und der Talmuddiskussion Daneben waren die Juden immer haumlufiger mit Ritualmord- und

Hostienschaumlndungsvorwuumlrfen konfrontiert oder wurden aus nicht naumlher genannten Gruumlnden Opfer von

Gewalttaten Im Falle Englands berichtet die fortgefuumlhrte Chronik des Florence of Worcester fuumlr 1264 dass

Barone mit den Londoner Buumlrgern die Juden beraubten und einige umbrachten[34]

Im Jahre 1272 schenkte

der Koumlnig den Bruumldern der Poenitentia die Londoner Synagoge[35]

Zu 1279 berichtet die Chronik dass

einige Juden in der Naumlhe von Northampton ein christliches Kind gekreuzigt haumltten[36]

Schon erwaumlhnt wurde

der Konversionsfall des Robert von Reading der sich 1275 ereignete Aumlhnlich stellte sich die Situation in

Frankreich dar In der Champagne in Troyes wurden beispielsweise 13 Juden im Jahre 1288 wegen

Mordvorwuumlrfen hingerichtet[37]

1290 kam es in Paris zu einem Hostienschaumlndungsprozess der mit dem

Tod des Angeklagten endete[38]

Dieser angespannte religioumlse Diskurs wirkte sich auch auf den

Herrschaftsbereich aus Edward I soll als junger Mann tief beeindruckt von der Ritualmordaffaumlre um Hugh

von Lincoln im Jahre 1255 gewesen sein in deren Zusammenhang 19 Juden hingerichtet worden waren[39]

Daneben konnten sich die Herrscher nicht dem vorherrschenden Wucherdiskurs entziehen der sie als

Mitschuldige am suumlndhaften Wucher markierte da sie einen Nutzen aus dem juumldischen Wuchergeschaumlft

zogen Gerade Philipp IV der eine machtbewusste Politik auch gegenuumlber dem Papst verfolgte hatte sich

auch an seinem Groszligvater Ludwig IX und dessen bdquovorbildhafterldquo Politik in Bezug auf den Umgang mit den

Juden und dem Wucher zu messen Im wirtschaftlichen Zusammenleben aumlnderten sich ebenfalls die

Praumlmissen fuumlr den Umgang von Juden und Christen Das sbquoStatutum de Judeismorsquo markiert einen

Wendepunkt im Wirtschaftsleben Englands Es ist unklar in wie weit sich die Juden in von christlichen

bdquoMonopolenldquo dominierten Berufen etablieren konnten[40]

Mit der schwierigen wirtschaftlichen Situation der

Juden die durch das sbquoStatutum de Judeismorsquo geschaffen wurde kann moumlglicherweise der

Muumlnzbeschneidungsskandal von 1279 erklaumlrt werden in dem 267 Juden und einige Christen verurteilt und

hingerichtet wurden[41]

Daneben fuumlhrten sie will man dem Vertreibungsedikt Edwards I Glauben schenken

ihre Geldleihgeschaumlfte mit Zinsnahme im Verborgenen weiter Die Klagen der Barone und des Klerus die in

einigen Chroniken erwaumlhnt werden koumlnnten sich auf diese illegalen Taumltigkeiten beziehen Offensichtlich ist

es das Hauptargument Edwards in seinem Vertreibungsedikt Es ist deutlich geworden dass nicht nur einer

dieser Aspekte ausschlaggebend fuumlr die Ausweisungen der Juden war Vielmehr spielten viele Faktoren

zusammen in mehreren Kulturbereichen war das Miteinander gestoumlrt was schlieszliglich zur Vertreibung der

Juden fuumlhrte Zudem zeigte sich auch wie eng kaum von einander trennbar sich die Kulturbereiche -in

diesem Fall Recht Wirtschaft Herrschaft und Religion- darstellen

Die Vertreibung der Juden in den hebraumlischer Quellen

England

Die Vielschichtigkeit der Uumlberlieferung zur Vertreibung der Juden aus England lieszlige zunaumlchst eine ebenso

reiche Tradition in den hebraumlischen Quellen erwarten Allerdings ist das Gegenteil der Fall Die bekannte

Uumlberlieferung kennt keinen zeitgenoumlssischen hebraumlischen Eintrag zur Vertreibung der Juden weder in

einer hebraumlischen Chronik noch in direkten hebraumlischen verfaszligten Selbstzeugnissen englischer Juden

Dennoch sind aus dem weiteren Umfeld genauer gesagt aus Deutschland und Suumldfrankreich zeitnahe

Reaktionen auf die Geschehnisse in England uumlberliefert die zumindest einige Hinweise zur Einschaumltzung

der Ereignisse und ihrer Ursachen im innerjuumldischen Kontext liefern koumlnnen Zunaumlchst ist aus einem

Responsum des Meir ben Baruch von Rothenburg (gest 1293) eine diesbezuumlgliche Aumluszligerung uumlberliefert

Dort heiszligt es

bdquoWas die Muumlnzbeschneider betrifft so hacke ihnen wegen ihrer Vergehen die Hand ab

Wieviel Blut wurde wegen der Muumlnzenbeschneider vergossen Sie waren es die unsere Bruumlder

die Bewohner von Frankreich und der Insel (=England) ins Verderben stuumlrztenldquo[42]

Allerdings bleibt eine Datierung dieses Ausspruches schwierig Meir hat zur Zeit der Ausweisung der

Juden aus England noch gelebt Die Form der Uumlberlieferung gibt allerdings keinen Hinweis der

darauf schlieszligen laumlszligt daszlig das Responsum zur Zeit verfaszligt wurde als sich Meir nach 1286 bis zu

seinem Tode bereits in Gefangenschaft aufhielt Letzteres haumltte zumindest wahrscheinlich werden

lassen daszlig Meir sich auf die Ausweisung der Juden bezog So kann der Ausdruck bdquoins Verderben

stuumlrzenldquo auch lediglich den eigentlichen Prozeszlig zum Muumlnzenbeschneidungsvorwurf 1279 und die

Folgen ndash die Hinrichtung von etwas weniger als 300 Juden[43]

Allerdings weist die Aumluszligerung Meirs die

Muumlnzbeschneider haumltten das Elend der Juden in Frankreich und England heraufbeschworen

wiederum in eine andere Richtung Der groszlige Prozeszlig fand in England nicht in Frankreich statt Erste

Vertreibungen von Juden ereigneten sich jedoch zunaumlchst auf dem franzoumlsischen Festland

(Gasgogne 1287)[44]

nicht in England Es spricht somit vieles dafuumlr daszlig Meir gerade auf jene

Vertreibung anzuspielen scheint und in diesem Zusammenhang den Muumlnzbeschneidungsvorwurf als

Ausloumlser fuumlr die Verfolgungen der Juden in England und Frankreich ansah Die Vertreibung der Juden

im Jahre 1306 aus den direkt den franzoumlsischen Koumlnig unterstellten Territorien konnte Meir nicht

gemeint haben Zu dieser Zeit war Meir ben Baruch schon zehn Jahre nicht mehr am Leben

Ein in den Quellen eindeutiger zu fassender Hinweis zur innerjuumldischen Einschaumltzung der Ereignisse

ist uns im Rahmen eines Vorfalls innerhalb einer suumldfranzoumlsisch-provenccedilalischen Gemeinde

uumlberliefert In der Stadt Manosque hatten nach 1290 innerhalb der juumldischen Gemeinde vertriebene

Juden aus England Aufnahme gefunden Allerdings blieben die englischen Juden als eigene Gruppe

auch waumlhrend der naumlchsten 50 Jahre wahrnehmbar was sich offenbar auch in innerjuumldischen

bdquolandsmannschaftlichenldquo Spannungen niederschlug So kam es im Jahre 1338 zwischen dem

einheimischen Juden Aronetus und dem zugezogenen Juden Creysonus von Chartres zu heftigen

Auseinandersetzungen bei denen Aronetus dem Chreysonus zurief bdquoIhr anderen wart die Englaumlnder

die ihr Land verlassen mussten weil ihr die Muumlnzen beschnitten habtldquo[45]

Selbstredend wollte der

ehemalige Fluumlchtling diese Behauptung nicht auf sich sitzen lassen und strebte den Prozeszlig an

Allerdings macht diese Auseinandersetzung auch klar daszlig die Verquickung des

Muumlnzbeschneidungsprozesses mit der Tatsache der Vertreibung in innerjuumldischen Kontext keine

unuumlbliche Argumentation gewesen sein wird

Hatte sich bereits im 14 Jahrhundert dieses Erklaumlrungsmuster als Begruumlndung der Vertreibung im

innerjuumldischen Gedaumlchtnis durchgesetzt Zumindest sollte diese Begruumlndung auch in den

hebraumlischen Chroniken des fruumlhen 16 Jahrhunderts eine entscheidende Rolle einnehmen Folgende

Darstellungen sind durch sephardische Chronisten des 16 Jahrhunderts bekannt Im Shevet

Yehudah[46]

des Shlomo Ibn Verga[47]

(Erstdruck 1550) einer hebraumlischen Chronik die die juumldische

Geschichte als eine Kette von Leiden klassifiziert werden die Ereignisse in England in folgenden

Erzaumlhlrahmen eingeordnet Nach kurzer Einfuumlhrung in die englischen Verhaumlltnisse wird eine

geforderte Bekehrung zum Christentum erwaumlhnt die aus den Quellen des 13 Jahrhunderts nicht

verifiziert werden kann Nach der Zuruumlckweisung dieses Bekehrungsversuchs wird den Juden

vorgeworfen daszlig sie Muumlnzen beschnitten haumltten Dieser wirtschaftliche Betrug fuumlhrte schlieszliglich

durch den Einfluszlig der Dominikaner zur Ausweisung der Juden[48]

Zwei Abschnitte spaumlter wird von

einer Bekehrung zum Judentum eines englischen Dominikaners berichtet was zweifellos die

Geschichte des im 13 Jahrhundert zum Judentum uumlbergetretenen Robert Reading wiedergibt Dem

Chronisten erscheint diese Episode Anlaszlig genug eine Reihe von Anfeindungen auch von Seiten der

Koumlnigin anzufuumlhren die in ihrer Summe schlieszliglich zur Vertreibung der Juden aus dem englischen

Koumlnigreich fuumlhrten[49]

In der Chronik des Yosef ha-Kohen[50]

Emeq ha-Bachah[51]

aus dem Jahre

1558 finden wir dasselbe Material in veraumlnderter Weise angeordnet Ein Vertreter des Predigerordens

verliebt sich in ein juumldisches Maumldchen tritt zum Judentum uumlber und heiratet es Die Dominikaner

beschuldigen vor dem Koumlnig daraufhin die Juden die Muumlnzen zu beschneiden um die Schande des

Glaubensabfalls ihres ehemaligen Mitbruders abzuwenden[52]

Auch in anderen Werken juumldischer

Chronistik aus dem 16 Jahrhundert findet die Episode des zum Judentum konvertierenden

Dominikaners Erwaumlhnung[53]

Obwohl die Chroniken des 16 Jahrhunderts als Belege fuumlr das Geschehen des 13 Jahrhunderts

nicht herangezogen werden koumlnnen so repraumlsentieren sie dennoch eine Tendenz der innerjuumldischen

Wahrnehmung die sich bereits im 13 wie im 14 Jahrhundert ankuumlndigte Hatte noch die christlicher

Uumlberlieferungstradition als Grund fuumlr die Vertreibungen vor allem die theologische Komponente der

Auseinandersetzung betont aber auch die Intervention anderer Herrschaftstraumlger angefuumlhrt so

bildete sich unter den Juden ein voumlllig anderes Erklaumlrungsmuster heraus In den juumldischen

Traditionsstraumlngen wurden die theologische Argumentation nicht rezipiert Dies gilt vor allem fuumlr das

groszlige Feld des Wuchervorwurfs der im Ausweisungsedikt 1290 zum Hauptargument werden sollte

Innerhalb der hebraumlischen Uumlberlieferung muszligten die Ursachen der Vertreibung konkreter fassbar

gemacht werden Zwei Narrative boten sich an die der juumldischen Traditionsbildung schluumlssig

erschienen Hierzu gehoumlrt der historisch gesicherte Prozeszlig zum Muumlnzbeschneidungsvorwurf der in

zeitnahen Dokumenten als gerechtfertigt[54]

in den Traditionen des 16 Jahrhunderts als Verleumdung

angesehen wurde[55]

Demgegenuumlber scheint dieser Prozess fuumlr die Begruumlndung der Ausweisung von

Seiten der christlichen Herrschaftstraumlger keine explizite Rolle gespielt zu haben Die Einbeziehung der

Geschehnisse um den zum Judentum konvertierten Dominikaner nehmen vor allem in den spaumlten

juumldischen Traditionen einen groszligen Stellenwert ein ohne daszlig sie innerhalb des christlichen Kontextes

fuumlr die Begruumlndung der Vertreibung irgend eine Rolle gespielt haumltten So bleiben Christen wie Juden

sich nur in der Tatsache einig dass Ihr Verhaumlltnis zueinander immer groumlszligeren Erschuumltterungen

unterworfen war Die Ursachen dieser Zerwuumlrfnisse konnten dabei durchaus unterschiedlichen

Kontexten zugeordnet werden

Frankreich[56]

Auch die Vertreibung der franzoumlsischen Juden hat in der hebraumlischen Uumlberlieferung nur wenig Spuren

hinterlassen Kein Text ist bekannt der sich ausschlieszliglich auf die Ereignisse der Vertreibung

beziehen wuumlrde Wie im englischen Fall zeugen nur verstreute Bemerkungen im Werk einzelner

juumldischer Gelehrter uumlber eine Resonanz innerhalb der juumldischen Gemeinschaft Eines dieser

Zeugnisse ist aus der Hand des Abba Mari ben Moshe von Lunel uumlberliefert einem Gelehrten der um

1300 vor allem in den polemischen Auseinandersetzungen um die Rezeption des Schriften des

Maimonides und der Frage nach dem Stellenwert philosophischer Studien in Erscheinung getreten

war[57]

In einem Brief[58]

schreibt er

Im Jahre 5066 (1306) der Zaumlhlung dies ist das Jahr welches die Suumlnde hervorgebracht hat[59]

verbreitete sich die Verfolgung (Gezerah) des Koumlnigs von Frankreich (Tzarfat) uumlber alle Juden in

allen Landen seines Koumlnigreiches aus sie aus ihren Haumlusern zu holen und ihnen all ihren Besitz

abzunehmen Alle sollten an einem bestimmten Tag festgesetzt werden jung und alt Frauen und

Kinder und diese sollte am Freitag am zehnten des Monats Aw (22 Juli 1306) geschehen und

man vertrieb sie aus dem Land Die Juden die in der Stadt Montpellier lebten wurden im Jahre

5067 im Monat Marcheshwan vertrieben (10 Okt-7 Nov 1306) Einige von ihnen begaben sich in

die Stadt Perpignan da sie sich des Sieges des Koumlnigs von Mallorca sicher waren dass er ihnen

aus der Hand des Koumlnigs den Aufenthalt und die Versorgung gewaumlhren wuumlrde Wieder andere

zogen weiter in die Provence hellip Und ich nachdem ich mich in die Provence ins Exil begeben

hatte in die Stadt Arles fuhr von dort fort und begab mich von dort in ein zweites Exil in die Stadt

Perpignan Ich kam dort an am ersten des Monats Shwat dem vierten Monat unseres Exils (5 Jan

1307)[60]

Abba Mari beschreibt als Zeitzeuge den politischen Kontext der Vertreibung der Juden im

Suumlden des franzoumlsischen Koumlnigreiches Die Beschreibung bleibt an sein eigenes Schicksal

gebunden Die Ausweisung der Juden umfasst auch das Languedoc das ebenfalls Teil des

direkten Herrschaftsbereichs des franzoumlsischen Koumlnigs Philipp des Schoumlnen geworden war Die

Vertriebenen wandten sich nun benachbarten nichtfranzoumlsischen Herrschaften zu der

Provence die zur Zeit der Vertreibung noch ein Teil des roumlmisch-deutschen Reiches war sowie

den Besitzungen des Koumlnigs von Mallorca zu denen Perpignan und teilweise auch Montpellier

zaumlhlten[61]

Zunaumlchst hatte der Koumlnig von Mallorca die Vertreibung der Juden aus Montpellier in

Opposition zum franzoumlsischen Koumlnig abgelehnt[62]

Die Juden hofften wie Abba Mari betont

dass dieser Widerstand von Dauer sein koumlnnte wurden jedoch enttaumluscht Im Februar 1309

willigte nach langen Verhandlungen auch der mallorquinische Koumlnig ein der Vertreibung der

Juden zuzustimmen[63]

In Territorien in denen er uneingeschraumlnkt seine Herrschaft ausuumlben

konnte wie etwa in Perpignan war den Juden der Aufenthalt weiterhin erlaubt so dass dorthin

wie in die Provence die Juden der Stadt Montpellier weiterzogen Abba Mari beschreibt die

lokalen politischen Zusammenhaumlnge der Vertreibungen der am Mittelmeer gelegenen

Territorien Er hebt dabei den Einfluss des franzoumlsischen Koumlnigs auf Herrschaftstraumlger

auszligerhalb seines Koumlnigreiches hervor nennt jedoch keinen Grund der das Verhalten des

franzoumlsischen Koumlnigs erklaumlrt haumltte Warum die franzoumlsischen Juden ihr Stammland verlassen

mussten wird nicht diskutiert

Ein weiterer Autor des fruumlhen 14 Jahrhunderts Eshtori ha-Parchi[64]

beschreibt in seinem Werk

Kaftor wa-Ferach kurz seine am eigenen Leib erfahrene Vertreibung der Juden aus dem

Suumlden des franzoumlsischen Koumlnigreichs

bdquoAuch erinnere ich mich an das Datum der Zerstoumlrung des kleinen Heiligtums naumlmlich die

Zerstoumlrung der Lehrhaumluser und Synagogen in Tzarfat (Nordfrankreich) und teilweise auch in der

Prowentzah (Suumldfrankreich hier Languedoc)[65]

Ich floh vom Schlachtfeld hellip im Jahre 5066 und

zwar am 10 Aw (22 Juli 1306)ldquo[66]

Eshtori ha-Parchi der sich schlieszliglich im Jahre 1313 im Lande Israel niederliess nennt

keine Begruumlndung der Ereignisse Die Bezeichnung der Vertreibung als Zerstoumlrung des

kleinen Heiligtums macht dem Leser deutlich welche Bedeutung den franzoumlsischen

Gelehrtenzentren vom Autor zugesprochen wurde die in dieser Ruumlckschau als

unwiederbringlich verloren betrachtet werden Eine weitere zeitnahe Notiz zur Vertreibung

der franzoumlsischen Juden laumlsst sich im Tora-Kommentar des Gelehrten R Lewi ben

Gershom (Ralbag) (1288-1344) finden Der Gelehrte der unter seinen nichtjuumldischen

Zeitgenossen auch unter der Bezeichnung Maestre Leo de Bagnol oder auch Magister

Leo Hebraeus bekannt war[67]

schreibt zum Wochenabschnitt Bechukotei (Lev 26 3 -

27 34)

Und wenn es in der Schrift heiszligt sbquoIhr geht unter den Voumllkern zugrunde und das Land euerer

Feinde friszligt euch aufrsquo (Lev 26 38) bezog sich dies auf die groszligen Noumlte unseres Volkes in denen

viele umgekommen sind eingeschlossen das Hinschlachten einiger in den heiligen Gemeinden

und die Vertreibung der Juden aus dem Lande Zarfat Doppelt so viele starben an Hunger und

Pestilenz als beim Auszug aus Aumlgypten[68]

Interessanterweise erwaumlhnt Levi ben Gershom als erster Autor Todesopfer die

innerhalb der juumldischen Gemeinschaft als Folge der Vertreibung zu beklagen waren

Fast ein Jahrhundert spaumlter wohl in der ersten Haumllfte des 15 Jahrhunderts

beschreibt der in Spanien wohl in Tortosa lebende Mattityahu haYizhari ein

Nachkomme einer aus Suumldfrankreich stammenden Familie[69]

die Vertreibung der

Juden mit folgenden Worten

Es sprach Mattityahu Sohn des Moshe Sohn des Weisen Mattiyahu ha-Yizhari sein Andenken

sei zu Segen Viele Noumlte haben uns ereilt seit wir aus dem verheiszligenen Land vertrieben wurden

hellip tausende und zehntausende Juden hatten sich in Frankreich niedergelassen hellip und meine

Vorfahren siedelten in der Stadt Narbonne einer groszligen Stadt Gottes bis Verfehlungen zur

Vertreibung fuumlhrten Einige starben als Maumlrtyrer andere wurde uumlber die ganze Erde zerstreut und

das ganze Land Zarfat lag entbloumlszligt da [70]

Auch bei Levi ben Gershom steht die Zerstoumlrung der groszligen juumldischen Zentren

im Vordergrund Ein Grund fuumlr deren Untergang wird nicht eroumlrtert Ein

aumlhnliches Bild findet sich bei einem weiteren juumldischen Gelehrten aus dem

Beginn des 14 Jahrhunderts In seinem um das Jahr 1321 abgeschlossenen

Werk Even Bochan bemerkt der in Arles geborene juumldische Philosoph

Kalonymos ben Kalonymos (geb 1286)[71]

Als der Herrscher von der Stimmung erfasst wurde mein Volk ins Exil zu fuumlhren vor siebzehn

Jahren uumlberwand er sie in seinem Grimm und vertrieb sie mit starker Hand aus seinem Land

uumlberfuumlhrte sie in Staumldte nackt und mittellos die in ihren Palaumlsten viele Schaumltze von Gold besaszligen

um die Altehrwuumlrdigen ihrer Generation und ihre Prinzen zu vernichten und auszuloumlschen[72]

Die Erwaumlhnung der Enteignung der Juden durch die franzoumlsische Krone

verweist auf den tatsaumlchlichen Verlauf der Ausweisung und auf ihre

fiskalischen Motive[73]

Die auch vom Autor betonten finanziellen

Interessen des Herrschers werden jedoch nicht diskutiert Uumlberhaupt

bleiben die wenigen weiteren zeitgenoumlssischen Bemerkungen zur

Vertreibung sehr skizzenhaft und auch eng mit der Biographie ihrer

Verfasser verknuumlpft So schreibt R Menachem ha-Meiri (Vidal Salamon

Mayr) (geb 1249) der wenige Jahre nach der Vertreibung verstarb[74]

in

seiner Einleitung zur Auslegung des Traktates Avot

als Gott mich vom meinem Vaterhaus fortbrachte machte er meine Soumlhne zu Fluumlchtlingen und

meine Toumlchter fuumlhrte er in Gefangenschaft[75]

Die letzten bekannten Bemerkungen zur Vertreibung aus der

Generation der Zeitzeugen stammen aus der Feder des Dichters

und Philosophen Jedajah ben Abraham haPenini[76]

der in den

Staumldten Beacuteziers Montpellier und Perpignan lebte und um 1325

verstarb In einem Brief an den katalanischen Gelehrten Schlomo

Ibn Adret betonte der Autor wie sehr doch die Juden der Provence

ihre Tuumlren weit fuumlr die Exilierten geoumlffnet haumltten und viel dazu

beigetragen haumltten die Fluumlchtlinge aufzunehmen[77]

Auch in einem

Gedicht schloss der Autor Anspielungen zur Vertreibung der

franzoumlsischen Juden mit ein[78]

Hebraumlische Zeugnisse zur Vertreibung aus dem Norden des

franzoumlsischen Herrschaftsgebietes konnten bisher nicht

nachgewiesen werden Die hier aufgefuumlhrten hebraumlischen Quellen

zur Vertreibung der Juden aus den Herrschaftsgebieten des

franzoumlsischen Koumlnigs stammen ausschlieszliglich von Personen die

durch die Zerstoumlrung der juumldischen Zentren im suumldlichen Frankreich

betroffen waren Diese Uumlberlieferungen wurden schlieszliglich von der

hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts aufgenommen und in

ihre als Zyklen von Leiden und Verfolgung gestalteten Werken

eingearbeitet Itzchaq Abarbanel (gest vor 1550) scheint dabei der

entscheidende Protagonist bei der Schoumlpfung eines die Vertreibung

von 1306 beschreibenden juumldischen Narratives gewesen zu sein

auch wenn er sich nach seinen eigenen Angaben lediglich auf

Itzchak Profiat Duran genannt Efodi einen juumldisch-katalanischen

Autor des spaumlten 14 Jahrhunderts bezog So schreibt Abarbanel

bdquoIm Jahre 5066 (1306) der Zaumlhlung war die Vertreibung aus Frankreich Koumlnig Philipp war ein

grausamer und verfluchter Feind der alle Juden aus seinem Koumlnigreich vertrieb all ihren Besitz

enteignete und sie mittellos des Landes verwies Es gab dort viele groszlige Gemeinden doppelt so

viele (Juden) wie aus Aumlgypten auszogen hellip Und es war eine Zeit der groszligen Not fuumlr Israel hellip es

war im Monat Aw (13 Juli 1306-11 August 1306) und es war eine allumfassende Vertreibung hellipall

dies findet sich in der Schrift bdquoSichron ha-Shmadotldquo die von allen Zerstoumlrung berichtet die sich seit

der Zerstoumlrung des Tempels in Israel ereignet haben aufgeschrieben und redigiert von Efodildquo[79]

Der Autor weiszlig zu berichten unter welchem Koumlnig und in welchem Monat und Jahr die Vertreibung

stattfand Auf die Mittellosigkeit der juumldischen Fluumlchtlinge wird explizit hingewiesen die auf die

Auspluumlnderung durch den Koumlnig zuruumlckgefuumlhrt wird Auch eine Vorstellung von der Zahl der Exilierten

spiegelt sich im Text wider

Shlomo Ibn Verga uumlbernimmt den Text fast woumlrtlich fuumlr seine Chronik Shevet Yehudah und erweitert ihn

lediglich um die nicht belegbare Geschichte der Konversion der Gemeinde von Toulouse[80]

Ihm

folgen Samuel Usque[81]

und Yosef ha-Kohen[82]

So bieten die Erzaumlhltraditionen des 16

Jahrhunderts lediglich ein Geruumlst von Fakten die den Handlungsablauf der Vertreibung mit wenigen

Worten beschreiben Eine Begruumlndung der Vertreibung wird nicht genannt So entspricht die

Erzaumlhlarmut des Textes zur Vertreibung aus Frankreich innerhalb der hebraumlischen Chronistik des

16 Jahrhunderts der allgemeinen Quellenarmut der hebraumlischen Uumlberlieferungstradition zu diesem

Ereignis

Beziehung der Juden zum Herrscher

Anhand der Untersuchung von herrschaftlichen Bindungen der Juden soll im Folgenden verdeutlicht

werden wie sich ein ehemals funktionierendes Miteinander zu einem Zerbrechen eben dieses

Miteinanders mit dem Resultat der Vertreibung veraumlnderte Dazu werden die Herrschaftsstrukturen

mit ihren Veraumlnderungen zwischen dem Koumlnig beziehungsweise anderen christlichen

Herrschaftstraumlgern und den Juden in England und Frankreich analysiert In England siedelten sich

im Zuge der normannischen Eroberungen nach 1066 die ersten aus Frankreich stammenden Juden

an[83]

Seit dieser Zeit wurden sie in Dokumenten haumlufig als bdquoJuden des Koumlnigsldquo[84]

bezeichnet

Diesen exklusiven Anspruch konnte der Koumlnig bis zur Vertreibung durchsetzen auch wenn es

vereinzelt andere Herrschaftstraumlger gab die Macht uumlber Juden erlangten[85]

Die Juden waren dem

Koumlnig direkt unterstellt sie mussten ihm jede Geldforderung erfuumlllen im Gegenzug durften sie nach

ihrem Gesetz leben und ihren Wohnsitz frei waumlhlen[86]

Ein Privileg Richards I von 1190 erwaumlhnt

auszligerdem unter anderem das Recht der Juden auf Landbesitz und zollfreien Handel mit Wein[87]

Belastend fuumlr das Leben der Juden von England war das hohe Maszlig an Verwaltung das die

englischen Koumlnige geschaffen hatten um die Steuern effizient eintreiben zu koumlnnen Anlaumlsslich der

Kroumlnung Richards I im Jahre 1189 war es ausgehend von London zu Massakern an Juden in ganz

England gekommen Da die koumlnigliche Verwaltung nicht nachvollziehen konnte welche

Schuldscheine durch die Verfolgung vernichtet worden waren wurde als Reaktion 1194 ein

Archivsystem (archae) eingefuumlhrt das von nun an alle Geldgeschaumlfte sowie alle Juden mit ihrer

Finanzkraft verzeichnete[88]

Unter Heinrich III (1216-1272) aumlnderte sich der rechtliche Status der

Juden Im Jahr 1253 erlieszlig der Koumlnig ein Mandat das den Juden unter anderem verbot neue

Synagogen zu errichten christliche Bedienstete oder sexuelle Kontakte mit Christen zu haben und

Kirchen zu betreten Wichtigster Punkt war jedoch dass Juden nun ihren Wohnort nicht mehr frei

waumlhlen sondern nur noch dort leben durften wo bereits Juden ansaumlssig waren[89]

Viele der hier

formulierten Mandate waren im IV Laterankonzil von 1215 als verbindliche Verbote fuumlr die Juden in

der christlichen Welt festgelegt worden und fanden nun ihre Umsetzung Daneben stieg die

Besteuerung seit den 1240er Jahren stetig an wodurch die Finanzkraft der Juden bereits deutlich

geschwaumlcht wurde[90]

Im Falle Edwards I zeigte sich schlieszliglich dass die starke Bindung der Juden

an den Koumlnig die den Juden in fruumlheren Jahren zunaumlchst Unabhaumlngigkeit und Wohlstand gebracht

hatte nun ihren Ruin und schlieszliglich ihre Vertreibung bewirkte Der Koumlnig hatte bei Maszlignahmen die

die Juden betrafen kaum Widerspruch zu befuumlrchten zu eindeutig definiert war seine Machstellung

den Juden gegenuumlber In Frankreich unterstanden die Juden dem Herrn ihres jeweiligen Gebiets

der Koumlnig von Frankreich herrschte also nur in der Krondomaumlne uumlber die Juden des Koumlnigreiches[91]

Die Juden waren an ihr angestammtes Territorium gebunden und durften dieses nur mit der

Erlaubnis ihres Landesherrn verlassen Dieses Prinzip reicht bis in die Zeit von Philipp II August

(1180-1223) zuruumlck und wurde seit der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne 1198 in

verschiedenen Vereinbarungen mit anderen franzoumlsischen Territorialherren vertraglich fixiert[92]

Schon bei der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne kam es zu Irritationen da Philipp II

die 1182 vertriebenen Juden nach wie vor als bdquoseine Judenldquo ansah diese Auffassung aber

beispielsweise von Graf Theobald III von Campagne nicht geteilt wurde Er fuumlrchtete Steuerausfaumllle

und war der Meinung dass Juden die sich 1182 in der Champagne niedergelassen hatten nicht

mehr die Juden des Koumlnigs seien[93]

Auch andere Landesherren weigerten sich dem Wegzug ihrer

Juden in die Krondomaumlne zuzustimmen[94]

Auch erste Schritte eines buumlrokratischen Umgangs mit

den Geldgeschaumlften der Juden waren 1198 durch Philipp II August vorgenommen worden

moumlglicherweise beeinflusst durch die archae die in England 1194 unter Koumlnig Richard I eingerichtet

worden waren um die Geldgeschaumlfte und die Finanzkraft der Juden zu dokumentieren In jedem Ort

der Krondomaumlne gab es spezielle Beamte die die Kreditvertraumlge der Juden siegelten und so

kontrollierten wem die Juden welche Betraumlge an Geld liehen[95]

Auch den Juden konnte dieses

Verfahren als Sicherheit fuumlr ihre Geschaumlfte dienen Unter Ludwig VIII (1223-1226) kam es zum

ersten Eingriff in die Geldgeschaumlfte der Juden im franzoumlsischen Gebiet 1223 erlieszlig der Koumlnig

zusammen mit diversen Landesherren ein Statut in dem festgelegt wurde dass die Ruumlckzahlung

aller Schulden bei Juden an insgesamt neun Terminen an die koumlnigliche beziehungsweise

landesherrliche Schatzkammer erfolgen sollte Die Praxis des Siegelns von Urkunden uumlber

Darlehensvergaben wurde abgeschafft Erneut wurde festgehalten dass keiner der Herrscher Juden

eines anderen Herrschers bei sich aufnehmen duumlrfe wobei es bei diesem Punkt wieder zu

Unstimmigkeiten mit dem Grafen der Champagne kam der die Erklaumlrung nicht unterschrieb[96]

Bereits die ersten Jahre der Regierungszeit Ludwigs IX (1226-1270) brachten fuumlr die Juden weitere

Beschwerlichkeiten und erste direkte Aktionen gegen den Wucher Im Jahr 1227 kam es zu einer

erneuten Aneignung der ausstehenden Schulden bei Juden 1228 erging ein Mandat in dem Ludwig

IX befahl bei kuumlnftigen Geldgeschaumlften auf Zinsen zu verzichten Auszligerdem erklaumlrte der Koumlnig bei

Geldgeschaumlften die seit der Schuldentilgung ein Jahr zuvor geschlossen wurden alle Zinsen fuumlr

unguumlltig[97]

Auch die generelle Rechtsstellung der Juden wurde schon fruumlh in der Regierungszeit

Ludwigs IX definiert wobei es bei der alten Regelung blieb Im Statut von Melun hielten der Koumlnig

und die Landesherren daran fest dass die Juden tamquam proprii servi an das jeweilige Territorium

gebunden waren Christliche Schuldner wurden dazu aufgerufen ihre Schulden bei Juden zu

bezahlen nicht aber die Zinsen[98]

Die 1240er Jahre waren in Frankreich gepraumlgt vom Pariser

Talmudprozess in dem der Talmud als ketzerische Schrift verurteilt und danach oumlffentlich verbrannt

wurde[99]

Dies fuumlhrte unter anderem zu einer verstaumlrkten Auswanderung juumldischer Eliten aus

Nordfrankreich[100]

Insgesamt aumlnderte sich der rechtliche Status unter Ludwig IX nicht aber fruumlher

als die Herrscher in England nahm Ludwig IX der 1290 heilig gesprochen wurde den Kampf gegen

den Wucher auf Einige Aktionen Koumlnig Philipps IV (1285-1314) waumlhrend seiner ersten

Regierungsjahre in Bezug auf die Juden muumlssen vor dem Hintergrund der Vertreibungen gesehen

werden die sich in Regionen auszligerhalb der Krondomaumlne ereigneten so beispielsweise die

Ausweisung der juumldischen Fluumlchtlinge durch Philipp IV im Jahre 1291[101]

Daneben ist eine

konsequente Linie den Juden gegenuumlber nicht zu erkennen 1285 erneuerte er beispielsweise ein

Privileg zum Schutz von Synagogen und Friedhoumlfen zugleich bestaumltigte er die Pflicht der Juden ein

spezielles Abzeichen an ihrer Kleidung zu tragen[102]

Beides sind Zeichen dafuumlr dass der Koumlnig zu

dieser Zeit nicht daran dachte die Juden auszuweisen sondern das Leben der Juden rechtlich zu

definieren Vorrangiges Ziel Philipps IV war es zunaumlchst seine Oberherrschaft uumlber die Juden im

Suumlden zu sichern wo diese nicht von allen Baronen anerkannt wurde Die Herrschaft in der

Champagne hatte er sich durch Heirat bereits gesichert Dort in Troyes kam es 1288 zu einer

Mordanklage in deren Folge 13 Juden hingerichtet wurden wobei der Koumlnig ihre Besitztuumlmer

einzog[103]

Groumlszligeren Einfluss auf den Koumlnig scheint die Hostienschaumlndungbeschuldigung 1290 in

Paris gehabt zu haben Philipp IV warnte die Juden vor weiteren Hostienschaumlndungen und

spendete ein Haus neben der Kirche die zum Gedenken an den Fall errichtet worden war[104]

Wie

sein Groszligvater Ludwig IX setzte Philipp IV den Kampf gegen den Wucher fort verbot ihn 1299 und

1303 daneben wurde auch das Verbot des Neubaus von Synagogen sowie des Talmuds bei diesen

Gelegenheiten erneuert[105]

In einer konzentrierten und laumlnger vorbereiteten Aktion lieszlig Philipp IV

dann die Juden (oder jedenfalls die Familienvorstaumlnde) vermutlich am 22 Juli 1306 festsetzen Dies

diente dazu eine genaue Aufstellung der Judenguumlter vorzunehmen und um sich die ausstehenden

Schuldscheine zu sichern Gleichzeitig bedeutete es das Ende der juumldischen Siedlung in Frankreich

bis zu ihrer Wiederzulassung unter Ludwig X im Jahr 1315

Sowohl bei der Vertreibung aus England als auch der aus Frankreich zeigt sich die Gefahr die die

Abhaumlngigkeit der Juden vom Herrscher barg Vor allem in England hatte die privilegierte Position fuumlr

Wohlstand und ein groszliges Maszlig an innerer Autonomie etwa in der Rechtssprechnung oder in bezug

auf die Freizuumlgigkeit gesorgt[106]

Sie schuumltzte die Juden jedoch nicht immer vor Gealtakten wie den

seit der Mitte des 12 Jahrhunderts immer wieder vorkommenden Ritualmordvorwuumlrfen In

Frankreich verschlechterten sich ihre Lebensumstaumlnde mit der Ausbreitung der Krondomaumlne War

es 1182 noch ein geringes Problem fuumlr die Juden eine neue Heimat zu finden und von anderen

franzoumlsischen Landesherren wohlwollend aufgenommen zu werden war dies 1306 nicht mehr

moumlglich Die Herrscher nahmen die theologischen Diskurse uumlber den Wucher oder den Talmud auf

und wurden des weiteren beeinflusst durch antijuumldische Blut- und Hostienschaumlndungsvorwuumlrfe

Auch wirtschaftliche Uumlberlegungen haben eine Rolle gespielt ebenso mag es eine Dynamik

gegeben haben angestoszligen durch die weiteren Vertreibungen in dieser Umbruchszeit in der sich

jeder Herrscher damit profilieren wollte und konnte die Juden zu vertreiben

Die allgemeine Verurteilung des Wuchers

Obwohl gerade in der hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts verstaumlrkt die finanziellen Interessen vor

allem des franzoumlsischen Koumlnigs als Motiv der Vertreibung hervorgehoben wurde folgte die zeitnahe

Argumentation einer innerjuumldischen Perspektive anderen Erklaumlrungsmustern So gilt es zumindest

im Falle der Vertreibung aus England festzuhalten dass sich unter den Juden die Vorstellung

verbreitete das Fehlverhalten einzelner Juden haumltte die Ausweisung von 1290 wie auch andere

Vertreibungen mit verursacht Doch laumlsst sich im Wuchervorwurf gegenuumlber den Juden - dem

durchgaumlngigen Argument der Vertreibungen im 13 Jahrhundert - nicht etwa eine vordergruumlndige

falsche Praxis des Geldverleihs als ausloumlsendes Moment vermuten wie dies gelegentlich auch von

christlicher Seite von den Zeitgenossen vertreten wurde[107]

Vielmehr begann sich seit dem 12

Jahrhundert unter christlichen Gelehrten und weltlichen Herrschern ein theologisches Verstaumlndnis

bezuumlglich des Wuchers durchzusetzen das der wirtschaftlichen Taumltigkeit der Geldleihe auch in den

Haumlnden der Juden keine geduldeten Nische zuzuweisen bereit war[108]

Wucher wurde nun nicht

mehr als Suumlnde gegen den Naumlchsten aus mangelndem Mitgefuumlhl betrachtet und als turpe lucrum

(schaumlndlicher Profit) definiert sondern als Suumlnde gegen die iustitia[109]

Gemaumlszlig dieser Vorstellung

waren alle Wuchergewinne Diebesgut und muszligten zuruumlckgegeben werden Viel schwerer wog die

Feststellung daszlig sich die nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger durch ihre Besteuerung der Juden am

Wuchergewinn der Juden beteiligten und sich darum der gleichen Suumlnden schuldig machten[110]

Somit wurde auf demselben Wege der fuumlrstliche oder koumlnigliche Judenschutz die Legitimation

entzogen Die voumlllige Unterbindung des juumldischen Geldhandels schien darum fuumlr die meisten

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger der einzig richtige Weg wie dies bereits die im Namen Koumlnig

Ludwigs IX verkuumlndete ordenance von Melun 1230 forderte[111]

Als letzte Konsequenz blieb die

Ausweisung der Juden aus immer mehr Herrschaften des franzoumlsischen Koumlnigreiches und

schlieszliglich der Kronlande Das Zerbrechen des Miteinanders von Juden und Christen innerhalb des

franzoumlsischen Koumlnigreiches sowie die schrittweise Aufloumlsung bzw Zerschlagung des

jahrhundertealten juumldischen Siedlungsnetzes muszlig auf die juumldischen Gemeinschaften der

benachbarten Regionen so z B in den Rheinlanden verstoumlrend und beaumlngstigend gewirkt haben

Der dieser Vertreibung zugrundeliegende theologische Diskurs zu Geldhandel und Wucher und die

daraus resultierenden Folgen fuumlr die eigene juumldischen Existenz scheint jedoch nur einen geringen

Einfluszlig auf die Wahrnehmung ihrer eigenen Situation gehabt zu haben Im Zuge der Vertreibung der

franzoumlsischen Juden im Sommer und Herbst 1306 waren juumldische Fluumlchtlinge in die deutschen

Rheinlande gelangt[112]

Wohl wenige Monate spaumlter trafen in Worms die Delegierten des dortigen

Gemeindebezirkes die Vertreter der die Wormser Gemeinde und der sie umgebenden juumldischen

Niederlassungen auf einer Versammlung zusammen Auf diesem juumldischen Landtag sollte eine

Rechtssatzung eine Takkanah verabschiedet werden die die Praxis der juumldischen Geldleihe im

Einzugsgebiet der Gemeinde Worms sowie das Verhalten gegenuumlber hochverschuldeten Kunden

neu regelte[113]

In der Zusammenkunft der Haumlupter des Volkes im bdquoLand Wormsldquo im Jahr 67 des sechsten Jahrtausends

(10 Sept 1306 - 28 Augutst 1307) weil sich wegen unserer groszliger Verfehlungen die Noumlte der

Soumlhne unseres Volkes vermehrten durchforschten wir unsere Taten und fanden dass seit einiger

Zeit ein Schwert die Seele der Elenden und Reinen auffraszlig weil sie Vermoumlgen vermehrt hatten

durch Zins und Zinseszins von den Fuumlrsten der Nichtjuden Diese schuldeten ein Riesenvermoumlgen

den Familienvorstaumlnden Sie schmiedeten Raumlnke sich auf die Juden zu stuumlrzen und sie zu

uumlberfallen um sich von ihren Schulden zu befreien Wir haben beschlossen dass man keine

Erhoumlhung hinzufuumlgen darf und jedem Mann und jeder Frau nicht gestattet werden soll irgend einem

Nichtjuden einem einzelnen Schuldner mehr als 100 Pfund Hallisch zu leihen Und wenn der

Zeitpunkt der Schuldruumlckzahlung gekommen ist soll es nicht mehr gestattet sein die Zinsschuld der

Schuldsumme zuzuschlagen sondern man soll aus der Hand des Schuldners die ganze Schuld

einziehen Und wenn man nicht die ganze Schuld von ihm einziehen kann soll man sich nicht

hindern lassen wenigstens den Zins einzuziehen Nur soll man den Schuldner nicht mit List

uumlbervorteilen Und wenn es nicht gelingt irgend etwas einzuziehen dann soll man dies dem Rat

seiner Gemeinde mitteilen und nach deren Geheiszlig soll man handeln Was das Schuldgeschaumlft der

fuumlrstlichen Schuldner betrifft deren Schulden sich schon vermehrt haben und die niemand mehr

begleichen kann Die Glaumlubiger sollen sich huumlten sie mit hohen Zinsen zu belasten denn es sind

Komplotte zu befuumlrchten was Gott verhuumlten moumlge Schon einige Personen haben sich

zusammengeschlossen und dies gerade nicht bei den Fuumlrsten sondern bei den Klerikern und den

Buumlrgern [114]

Offenkundig standen den Delegierten die befuumlrchteten Konsequenzen der Geldleihe deutlich vor

Augen Wohl ebenso eingeschuumlchtert durch die in Frankreich vollzogene Vertreibung der Juden

wurden von seiten der Juden eigene Verfehlungen aber auch unguumlnstige Machtkonstellation

beobachtet die im Falle der franzoumlsischen Juden zu deren Untergang gefuumlhrt hatten Die

Beziehungen von Juden und Christen steckten auch in den Rheinlanden in den eingangs genannten

Bereichen von Wirtschaft Herrschaft und Religion in einer tieferen Krise Die auf dem

Versammlung von Worms beschlossenen Gegenmaszlignahmen blieben auf die juumldischen Teilnehmer

beschraumlnkt Zuruumlckhaltung gegenuumlber den christlichen Kunden Demut gegenuumlber Gott und das

Flehen um sein Erbarmen was mit guten Werken unterstuumltzt werden soll Eine direkte Verhandlung

mit den christlichen Herrschaftstraumlgern war nicht mehr vorgesehen Das gegenseitige Vertrauen

zwischen Juden und Christen war verschwunden in einer Zeit in der nicht mehr Koexistenz sondern

vor allem von Seiten der Juden die Sorge um die eigene Zukunft das eigene Handeln bestimmte

Zusammenfassung

Die Vertreibung der Juden aus England hatte innerhalb des juumldischen Kontextes noch zu Ansaumltzen der

Selbstreflexion gefuumlhrt die einen konkreten Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Vertretern

der juumldischen Seite und den politischen Entscheidungen der nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger

gegenuumlber der eigenen Gruppe erkennen mochten Dennoch waumlhnte man sich weiterhin in einem

rechtlich voumlllig abgesicherten Verhaumlltnis zur christlichen Umwelt Man war sich eines besonderen

Status innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft bewuszligt der in den Augen der Juden in

keiner Weise gefaumlhrdet schien Noch in der zweiten Haumllfte des 13 Jahrhunderts definierte Meir ben

Baruch (gest 1293) die Stellung der Juden im Reich als die eines freien Landbewohners der sein

Land nicht aber seine persoumlnliche Freiheit verloren hat [115]

Er sei darum nicht wie die Nichtjuden

den Fuumlrsten unterworfen und zu Steuerzahlungen verpflichtet Diese Konstruktionen erinnern stark

an die noch im 12 Jahrhundert in Frankreich vertretenen Rechtsauffassungen eines Itzchaq ben

Shmuel von Dampierre (gest ca 1185)[116]

der ebenfalls die Freiheit der Juden im Vergleich zu den

Nichtjuden hervorhebt ihre voumlllige Bewegungsfreiheit im Gegensatz zu an die Scholle gebundenen

Nichtjuden betont und die Juden ebenfalls aus der Rechtspraxis herausnimmt die dem

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger gestattet bei Abwanderung von Personen deren beweglichen

Besitz einzuziehen[117]

Nach juumldischer Auffassung folgten die Interaktionen zwischen Juden und

Christen nach Regeln die von beiden Seiten anerkannt waren Das jedoch sich dies Regelwerk zu

ungunsten der Juden verhaumlndert haben mochte daszlig die eigene Bewegungsfreiheit inzwischen mehr

und mehr eingeschraumlnkt wurde die besonderen Steuergesetzgebung seit den Aumluszligerungen des

Itzchak von Dampiegravere sich erheblich veraumlndern hatte und damit nach daszlig Verhaumlltnis zur christlichen

Umwelt nun erheblichen Umwaumlltzungen unterworfen war wurde wie die Aumluszligerung Meirs nahelegt

weder reflektiert noch einigermaszligen registriert

Das Verhalten der franzoumlsischen Juden Angesichts ihrer Vertreibung ist darum keinesfalls verwunderlich In

den wenigen juumldischen Selbstzeugnisse zur Vertreibung der franzoumlsischen Juden finden sich keine

Spuren die auf einen Prozess der Selbstreflexion schlieszligen lassen Die Frage der Motivation zur

Vertreibung der Juden wird soweit dies die Quellen erkennen lassen nicht diskutiert Der

offenkundige theologische Diskurs zur Unrechtmaumlszligigkeit des auf Zinsen geleisteten Geldverleihs

dem die juumldischen Gemeinschaft im franzoumlsischen Koumlnigreich letztlich zum Opfer fiel wird

nirgendwo rezipiert Man koumlnnte den Eindruck gewinnen dass sich den franzoumlsischen Juden die

Gefaumlhrlichkeit der Diskussion um den Wucher zu keinem Zeitpunkt erschloss Auch in den

konstruierten Narrativen der folgenden Generationen steht die auch fuumlr den einzelnen Juden

folgenreiche finanzielle Auspluumlnderung durch die franzoumlsische Krone im Vordergrund Allerdings

zeigt die Quelle aus dem rheinischen Kontext dass zumindest nach der Vertreibung aus dem

franzoumlsischen Koumlnigreich im Jahre 1306 unter den rheinischen Juden bestimmte Formen der

Geldleihe als Element der Selbstgefaumlhrdung wahrgenommen wurde Dabei macht die Uumlberlieferung

der Wormser Versammlung auch deutlich das die Zerruumlttung des Verhaumlltnisses von Juden und

Christen auch von juumldischer Seite nicht mehr geleugnet werden konnte Dass es sich dabei nicht nur

um eine wirtschaftliche Auseinandersetzung sondern zunaumlchst um einen christlichen theologischen

Diskurs handelte der sich gaumlnzlich juumldischem Handeln entzog scheint den Protagonisten der

Wormser Gemeinde nicht zugaumlnglich gewesen sein Ohne zu erkennen dass die Geldleihe und

somit die eigene wirtschaftliche Existenz gaumlnzlich in Frage gestellt werden koumlnnte versuchten die

Vertreter der Wormser Versammlung durch einzelne Maszlignahmen die Beziehungen zur christlichen

Umgebung zu entlassten um Gefahren von der eigenen Gemeinschaft abzuwenden Auf diese

Weise wurden die Juden im Westen Europas mehr und mehr wirtschaftlichen und theologischen

Dynamiken ausgesetzt die sich jenseits der juumldischen Wahrnehmung auszuformen begannen und

schlieszliglich in die Verdraumlngung der Juden muumlnden sollten die in der Vertreibung von England und

Frankreich ihren Anfang nahm

Rainer Barzen Lennart Guumlntzel

1 uarr Vgl zu Frankreich Chazan Jewry (1973) 154-207 Jordan Monarchy (1998) 177-261 Zu

England Hyams Jews (1996) 173-192 Mentgen Vertreibungen (1997) 11-53 Mundill England

(1998)

2 uarr Chazan Jewry (1973) 63-100 Ders Church (1980) 312f Jordan Monarchy (1998) 23-38

3 uarr Zur Geschichte der Juden unter Ludwig IX vgl Chazan Jewry (1973) 100-153

4 uarr Die Vorbildfunktion Ludwigs IX vor allem in Hinblick auf den Kampf gegen den Wucher erwaumlhnt

Cluse Zusammenhang (1999)135ndash163

5 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

6 uarr Chazan Church (1980) 313-317

7 uarr Florentii Wigorniensis 214f

8 uarr Ebd 212

9 uarr Chazan Church (1980) 317-319

10 uarr Aufstellung der Chroniken bei Abrahams Expulsion (1895) 449f

11 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

12 uarr Ordonnances 317

13 uarr Jordan nennt als Beispiel die Ortschaft Niort die ihre Juden vertreiben konnte Jordan Monarchy

(1998) 183

14 uarr Ebd 184f

15 uarr Ebd 184

16 uarr Ebd 183f

17 uarr Zu den Motiven Philipps IV siehe Mentgen Vertreibungen (1997) 46-49 Schwarzfuchs

Expulsion (1967) 485f

18 uarr Uumlber den generellen Wucherdiskurs siehe unten Kapitel V2

19 uarr Close Rolls Edward I 109

20 uarr Annales de Waverleia 409 ldquo(hellip) Judaeorum (hellip) quae per diversas urbes et castra regionis

Anglicanae per retroacta tempora habitabat confidenter procurante domina Alienora matre dicti

regis Angliae jussa est per edictum regium (hellip)rdquo

21 uarr Annales de Dunstaplia 361-362bdquo (hellip) propter blasphemias quas Judaei saepe faciebant fidei

Christianae statuit rex ut omnes Judaei cum semine suo et substancia ab Anglia pellerentur (hellip)rdquo

22 uarr Ebd bdquo(hellip) et concessit eis rex salvum conductum In ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt

submersi per vim et fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

23 uarr Zum Verhaumlltnis von Dominikanern und Juden zu dieser Zeit vgl Cohen Friars (1982) sowie

Ders Letters (1999)

24 uarr Florentii Wigoriensis 214

25 uarr Uumlber ein moumlgliches Interesse des Adels an der Vertreibung der Juden siehe Mentgen

Vertreibungen (1997) 27-30

26 uarr Annales de Dunstaplia 361-362 bdquoIn ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt submersi per vim et

fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

27 uarr Pierre de Langtoft II 186 bdquoThomas de Wilaund en baunk primer nomeacute par agarde de la court le

regne ad forjoreacute et en la terre de France sanz repairer aleacute Ses compayons ses clercs sunt pris e

meneacute a la thour de Loundres delivreacutes par moneacuteldquo

28 uarr Ebd 188 bdquoPur le quinzme dener al rays en ayeldquo

29 uarr Ebd bdquoOre sunt alez en France e en Pykardye Tutes lur dettes e lur manauntye Sunt salves al

ray dunt fere sa curtaysyeldquo

30 uarr Oumlsterreichische Reimchronik Verse 91239-91777 1186-1192ldquo die dritten vorderungdie an den

Franzois junctet der kunic Albrehter jach die Juden ze rehtgehocircren daz ricircche an und ander nieman

()ldquo Zu dieser Quelle vgl Ziwes Studien (1995) 33f Anm 16

31 uarr Prima Vita Clementis V 5

32 uarr Quarta Vita Clementis V 62bdquo Anno Domini MCCCVJ in festo sancte Marie Magdalene de

mandato et ordinatione regis Francie fuerunt capti omnes Judei ubique in regno Francie quasi

imperceptibiler una die et confiscata sunt bona ipsorum quecumque potuerunt inveniri fueruntque

a regno expulsi ulterius minime reversurirdquo Vgl auch Sexta Vita Clementis V 92-93bdquo Et etiam in

isto anno in die sancte Marie Magdalene omnes Judei de regno Francie congediati [congregati]

fuerunt et eorum bona omnia extiterunt confiscatardquo

33 uarr Continuatio Guilelmi de Nangis 59 bdquoMense Augusto Rex Philippus omnes Judaeos de Regno

Franciae penitus amp omnino fecit expelli certum regressionis terminum sub poena mortis praesigens

eisdemrdquo

34 uarr Florentii Wigoriensis 192 ldquoBarones cum Londoniensibus Judaismum Londoniae spoliaverunt

multis Judaeis interfectisldquo Siehe auch Mundill England (1998) 41

35 uarr Florentii Wigoriensis 210ldquo Rex die Sancte Calixti synagogam Judaeorum in villa Londoniensi

fratribus de Poenitentia contulit Jesu Christi ()ldquo

36 uarr Ebd 222bdquoApud Norhamtonam () puer quidam a Judaeis crucifixus estrdquo

37 uarr BennerReverchon Juden (2003) 181

38 uarr Rubin Tales (1999) 40-48

39 uarr Mentgen Vertreibungen (1997) 42-44

40 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 64f sieht den Muumlnzbeschneidungsskandal als Folge der Verarmung

der Juden Eine andere Meinung vertritt Mundill England (1998) 195-198 der vor allem auf eine

erfolgreiche Rolle der Juden im Wollhandel verweist

41 uarr Florentii Wigoriensis 221ldquo Rex omnes Judaeos et quosdam Christianos de retonsura aut alia

monetae falsatione convictos fecit suspensi Unde Londoniae CCLX et VII Judaei mortis judicium

subierunt Quidam autem relegati quidam etiam eorum perpetuo sunt carceri adjudicati et quidam

in Anglia remanseruntrdquo Vgl auch Mundill England (1998) 67f sowie uumlber die Zahl der Opfer weiter

oben Anmerkung 36

42 uarr Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 S 20

43 uarr Nach der chronikalischen Uumlberlieferung waren es 267 bzw 269 hingerichtete Juden Eine

Auswertung der auszligerchronikalischen Quellen ergab die Zahl von 298 erhaumlngten Juden Rokeacuteach

Monex I (198890) 98

44 uarr Jordan Monarchy (1989) 182f

45 uarr rdquoVos autre fuistis Engles qui exiverunt de terra eorum quia rotundabatis monetamrdquo in

Shatzmiller Schlomo Ibn Verga (1988) 355 Ders Solidariteacute (1986) 423

46 uarr Shlomo Ibn Verga Shevet Yehudah Teil I (hebr) Teil II (dt Uumlbersetzung)(Edit Wiener) Shevet

Yehudah (Edit Shochat)

47 uarr Zu Leben und Werk Shlomo Ibn Vergas Baer Hearot (1934) 152-179

48 uarr Shevet Yehudah Nr 18 (hebr S 42-43 dt Uumlbers S 84-85) Shevet Yehudah (Edit Shochat)

S 66

49 uarr Shevet Yehudah Nr 20 (hebr 43-45 dt Uumlbers 86-89)

50 uarr Zu Yosef ha-Kohen und seinem Werk Loeb Josef Hacohen (1888) XVI 28-56 211-235 XVII

74-95 247-271

51 uarr Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (dt

Uumlbersetzung Wiener)

52 uarr Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) 38-39 (Edit Wiener) 41-42

53 uarr Usque Nachum Israel III (1908) XI-XIII Auch bei Gedalyah Ibn Yachjah Shalshelet ha-

Kabbalah (nach Graetz Geschichte VII (1897) 429 weitere Quellen Graetz ebd 426-430)

54 uarr Siehe Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 20a

55 uarr ldquoSie [die Dominikaner] brachten sogar Muumlnzsorten herbei die sie selbst zuhause beschnitten

hattenldquo Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) S 38 (Edit Wiener) 41

56 uarr Fuumlr vielerlei Hinweise zur hebraumlischen Uumlberlieferung der Vertreibung der franzoumlsischen Juden sei

Dr Abraham David Jerusalem herzlich gedankt

57 uarr Schwarzfuchs History (2001) 269-274 Ben-Shalom Communication (1991) 171-225

58 uarr Abba Mari ben Mose von Lunel Sefer Minchat Qenaot Nr 120 in Shlomo Ibn Adret Tshuvot II

835-836

59 uarr BT Berachot 70a Gemeint ist hier die Philosophie griechischer Tradition die von Abba Mari

besonders bekaumlmpft wurde Shlomo Ibn Adret Teshuvot Bd 2 835 Anmerkung zu Zeile 1 Abba

Mari brachte die Vertreibung der suumldfranzoumlsischen Juden mit deren Hinwendung zur griechischen

Philosophie in Verbindung Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 832 Anmerkung zu Zeile 8

60 uarr Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 835-836 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001) 273

61 uarr Jordan French Monarchy (1989) 195196

62 uarr Saige Juifs (1881) 92

63 uarr Jordan French Monarchy (1989) 205 Saige Juifs (1881) 101-102 308-319 324-325

64 uarr Zu Leben und Werk sowie zu seinem Aufenhalt im Lande Israel siehe Schwarzfuchs History

261 Elbaum Estori ha-Parhi S 918f

65 uarr Zur Bedeutung des hebraumlischen Begriffes Prowentzah der neben der heutigen Provence auch

das Languedoc miteinschloss siehe Gross Gallia Judaica (1887) 489 In diesem Sinne entspricht

Prowentzah der roumlmischen Provincia Narbonnensis In Kontext der Vertreibung der Juden im

Jahre 1306 kann nur das Languedoc gemeint sein

66 uarr Eshtori haParchi Kaftor waFerach 218

67 uarr Schwarzfuchs History (2001) 276-278 Dahan Gersonide (1991)

68 uarr Levi ben Gershom Pirush al ha-Torah

69 uarr Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 153-154

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

Frankreich

Die Gruumlnde fuumlr die Vertreibung der Juden aus Frankreich 1306 durch Koumlnig Philipp IV sind nicht ohne

weiteres durch zeitgenoumlssische Uumlberlieferung zu erfahren Weder ist das Vertreibungsmandat uumlberliefert

noch nennen die Chronisten die uumlber das Ereignis berichten Gruumlnde fuumlr die Ausweisung Offensichtlich

gab es in der chronikalen Uumlberlieferung ein geringeres Interesse daran die Motive Philipps IV zu

hinterfragen Die zentrale Quelle fuumlr die Wahrnehmung und Begruumlndung der Vertreibung der franzoumlsischen

Juden entstand nicht im franzoumlsischen Gebiet sondern aus der fernen Steiermark In der von Ottokar von

der Steiermark dort bis 1321 geschriebenen Oumlsterreichischen Reimchronik wird beschrieben dass Albrecht

I von Habsburg einen Anspruch auf die franzoumlsischen Juden erhoben habe Dieser wurde so Ottokar von

Beratern Philipps IV gepruumlft und fuumlr rechtmaumlszligig erklaumlrt woraufhin der franzoumlsische Koumlnig voller Zorn die

Juden die ihm nun keinerlei Vorteile mehr bringen konnten aus seinem Koumlnigreich vertrieb[30]

Diese

einzige Quelle die etwas uumlber die Beweggruumlnde Philipps IV aussagen kann wurde als Geschichte der

Oumlsterreichischen Lande verfasst und stellt die Macht Albrechts I als unverhaumlltnismaumlszligig groszlig gegenuumlber

dem franzoumlsischen Koumlnig dar Es scheint undenkbar dass es tatsaumlchlich Verhandlungen zwischen den

beiden Herrschern um die franzoumlsischen Juden gegeben hat Die Chronik ist aber trotzdem interessant fuumlr

die Fragestellung zeigt sie doch dass ein Ereignis wie die Vertreibung der Juden aus Frankreich auch in

so weit entfernten Gebieten wie der Steiermark wahrgenommen wurde Weitere Nachrichten finden sich in

der von verschiedenen Autoren bis 1324 verfassten Vita des Papstes Clemens V (1305-1314) Dort heiszligt

es beispielsweise dass die Juden die sich nicht taufen lassen wollten das Land verlassen mussten wobei

viele auf der Reise starben Die Besitztuumlmer der Juden wurden vom Koumlnig beschlagnahmt[31]

Offensichtlich

wurden am Tag der Verkuumlndung der Ausweisung diverse Juden gefangen genommen so wird es

zumindest in der Vita Clemens V von Bernard Gui[32]

sowie der Fortsetzung der Chronik Wilhelms von

Nangis[33]

berichtet Uumlber Beweggruumlnde des Koumlnigs die Juden auszuweisen wird jedoch nichts gesagt

Resumee

Die genannten Chronisten liefern eine Fuumllle von Hinweisen auf Kulturbereiche deren Kompatibilitaumlt

zwischen Juden und Christen nicht mehr gewaumlhrleistet war und die im Zusammenspiel fuumlr die Ausweisung

der Juden verantwortlich sein koumlnnen In England und Frankreich herrschte in Bezug auf religioumlse Fragen

eine negative Atmosphaumlre zwischen Juden und Christen Intellektuell-theologisch zeigt sich diese primaumlr an

der Wucher- und der Talmuddiskussion Daneben waren die Juden immer haumlufiger mit Ritualmord- und

Hostienschaumlndungsvorwuumlrfen konfrontiert oder wurden aus nicht naumlher genannten Gruumlnden Opfer von

Gewalttaten Im Falle Englands berichtet die fortgefuumlhrte Chronik des Florence of Worcester fuumlr 1264 dass

Barone mit den Londoner Buumlrgern die Juden beraubten und einige umbrachten[34]

Im Jahre 1272 schenkte

der Koumlnig den Bruumldern der Poenitentia die Londoner Synagoge[35]

Zu 1279 berichtet die Chronik dass

einige Juden in der Naumlhe von Northampton ein christliches Kind gekreuzigt haumltten[36]

Schon erwaumlhnt wurde

der Konversionsfall des Robert von Reading der sich 1275 ereignete Aumlhnlich stellte sich die Situation in

Frankreich dar In der Champagne in Troyes wurden beispielsweise 13 Juden im Jahre 1288 wegen

Mordvorwuumlrfen hingerichtet[37]

1290 kam es in Paris zu einem Hostienschaumlndungsprozess der mit dem

Tod des Angeklagten endete[38]

Dieser angespannte religioumlse Diskurs wirkte sich auch auf den

Herrschaftsbereich aus Edward I soll als junger Mann tief beeindruckt von der Ritualmordaffaumlre um Hugh

von Lincoln im Jahre 1255 gewesen sein in deren Zusammenhang 19 Juden hingerichtet worden waren[39]

Daneben konnten sich die Herrscher nicht dem vorherrschenden Wucherdiskurs entziehen der sie als

Mitschuldige am suumlndhaften Wucher markierte da sie einen Nutzen aus dem juumldischen Wuchergeschaumlft

zogen Gerade Philipp IV der eine machtbewusste Politik auch gegenuumlber dem Papst verfolgte hatte sich

auch an seinem Groszligvater Ludwig IX und dessen bdquovorbildhafterldquo Politik in Bezug auf den Umgang mit den

Juden und dem Wucher zu messen Im wirtschaftlichen Zusammenleben aumlnderten sich ebenfalls die

Praumlmissen fuumlr den Umgang von Juden und Christen Das sbquoStatutum de Judeismorsquo markiert einen

Wendepunkt im Wirtschaftsleben Englands Es ist unklar in wie weit sich die Juden in von christlichen

bdquoMonopolenldquo dominierten Berufen etablieren konnten[40]

Mit der schwierigen wirtschaftlichen Situation der

Juden die durch das sbquoStatutum de Judeismorsquo geschaffen wurde kann moumlglicherweise der

Muumlnzbeschneidungsskandal von 1279 erklaumlrt werden in dem 267 Juden und einige Christen verurteilt und

hingerichtet wurden[41]

Daneben fuumlhrten sie will man dem Vertreibungsedikt Edwards I Glauben schenken

ihre Geldleihgeschaumlfte mit Zinsnahme im Verborgenen weiter Die Klagen der Barone und des Klerus die in

einigen Chroniken erwaumlhnt werden koumlnnten sich auf diese illegalen Taumltigkeiten beziehen Offensichtlich ist

es das Hauptargument Edwards in seinem Vertreibungsedikt Es ist deutlich geworden dass nicht nur einer

dieser Aspekte ausschlaggebend fuumlr die Ausweisungen der Juden war Vielmehr spielten viele Faktoren

zusammen in mehreren Kulturbereichen war das Miteinander gestoumlrt was schlieszliglich zur Vertreibung der

Juden fuumlhrte Zudem zeigte sich auch wie eng kaum von einander trennbar sich die Kulturbereiche -in

diesem Fall Recht Wirtschaft Herrschaft und Religion- darstellen

Die Vertreibung der Juden in den hebraumlischer Quellen

England

Die Vielschichtigkeit der Uumlberlieferung zur Vertreibung der Juden aus England lieszlige zunaumlchst eine ebenso

reiche Tradition in den hebraumlischen Quellen erwarten Allerdings ist das Gegenteil der Fall Die bekannte

Uumlberlieferung kennt keinen zeitgenoumlssischen hebraumlischen Eintrag zur Vertreibung der Juden weder in

einer hebraumlischen Chronik noch in direkten hebraumlischen verfaszligten Selbstzeugnissen englischer Juden

Dennoch sind aus dem weiteren Umfeld genauer gesagt aus Deutschland und Suumldfrankreich zeitnahe

Reaktionen auf die Geschehnisse in England uumlberliefert die zumindest einige Hinweise zur Einschaumltzung

der Ereignisse und ihrer Ursachen im innerjuumldischen Kontext liefern koumlnnen Zunaumlchst ist aus einem

Responsum des Meir ben Baruch von Rothenburg (gest 1293) eine diesbezuumlgliche Aumluszligerung uumlberliefert

Dort heiszligt es

bdquoWas die Muumlnzbeschneider betrifft so hacke ihnen wegen ihrer Vergehen die Hand ab

Wieviel Blut wurde wegen der Muumlnzenbeschneider vergossen Sie waren es die unsere Bruumlder

die Bewohner von Frankreich und der Insel (=England) ins Verderben stuumlrztenldquo[42]

Allerdings bleibt eine Datierung dieses Ausspruches schwierig Meir hat zur Zeit der Ausweisung der

Juden aus England noch gelebt Die Form der Uumlberlieferung gibt allerdings keinen Hinweis der

darauf schlieszligen laumlszligt daszlig das Responsum zur Zeit verfaszligt wurde als sich Meir nach 1286 bis zu

seinem Tode bereits in Gefangenschaft aufhielt Letzteres haumltte zumindest wahrscheinlich werden

lassen daszlig Meir sich auf die Ausweisung der Juden bezog So kann der Ausdruck bdquoins Verderben

stuumlrzenldquo auch lediglich den eigentlichen Prozeszlig zum Muumlnzenbeschneidungsvorwurf 1279 und die

Folgen ndash die Hinrichtung von etwas weniger als 300 Juden[43]

Allerdings weist die Aumluszligerung Meirs die

Muumlnzbeschneider haumltten das Elend der Juden in Frankreich und England heraufbeschworen

wiederum in eine andere Richtung Der groszlige Prozeszlig fand in England nicht in Frankreich statt Erste

Vertreibungen von Juden ereigneten sich jedoch zunaumlchst auf dem franzoumlsischen Festland

(Gasgogne 1287)[44]

nicht in England Es spricht somit vieles dafuumlr daszlig Meir gerade auf jene

Vertreibung anzuspielen scheint und in diesem Zusammenhang den Muumlnzbeschneidungsvorwurf als

Ausloumlser fuumlr die Verfolgungen der Juden in England und Frankreich ansah Die Vertreibung der Juden

im Jahre 1306 aus den direkt den franzoumlsischen Koumlnig unterstellten Territorien konnte Meir nicht

gemeint haben Zu dieser Zeit war Meir ben Baruch schon zehn Jahre nicht mehr am Leben

Ein in den Quellen eindeutiger zu fassender Hinweis zur innerjuumldischen Einschaumltzung der Ereignisse

ist uns im Rahmen eines Vorfalls innerhalb einer suumldfranzoumlsisch-provenccedilalischen Gemeinde

uumlberliefert In der Stadt Manosque hatten nach 1290 innerhalb der juumldischen Gemeinde vertriebene

Juden aus England Aufnahme gefunden Allerdings blieben die englischen Juden als eigene Gruppe

auch waumlhrend der naumlchsten 50 Jahre wahrnehmbar was sich offenbar auch in innerjuumldischen

bdquolandsmannschaftlichenldquo Spannungen niederschlug So kam es im Jahre 1338 zwischen dem

einheimischen Juden Aronetus und dem zugezogenen Juden Creysonus von Chartres zu heftigen

Auseinandersetzungen bei denen Aronetus dem Chreysonus zurief bdquoIhr anderen wart die Englaumlnder

die ihr Land verlassen mussten weil ihr die Muumlnzen beschnitten habtldquo[45]

Selbstredend wollte der

ehemalige Fluumlchtling diese Behauptung nicht auf sich sitzen lassen und strebte den Prozeszlig an

Allerdings macht diese Auseinandersetzung auch klar daszlig die Verquickung des

Muumlnzbeschneidungsprozesses mit der Tatsache der Vertreibung in innerjuumldischen Kontext keine

unuumlbliche Argumentation gewesen sein wird

Hatte sich bereits im 14 Jahrhundert dieses Erklaumlrungsmuster als Begruumlndung der Vertreibung im

innerjuumldischen Gedaumlchtnis durchgesetzt Zumindest sollte diese Begruumlndung auch in den

hebraumlischen Chroniken des fruumlhen 16 Jahrhunderts eine entscheidende Rolle einnehmen Folgende

Darstellungen sind durch sephardische Chronisten des 16 Jahrhunderts bekannt Im Shevet

Yehudah[46]

des Shlomo Ibn Verga[47]

(Erstdruck 1550) einer hebraumlischen Chronik die die juumldische

Geschichte als eine Kette von Leiden klassifiziert werden die Ereignisse in England in folgenden

Erzaumlhlrahmen eingeordnet Nach kurzer Einfuumlhrung in die englischen Verhaumlltnisse wird eine

geforderte Bekehrung zum Christentum erwaumlhnt die aus den Quellen des 13 Jahrhunderts nicht

verifiziert werden kann Nach der Zuruumlckweisung dieses Bekehrungsversuchs wird den Juden

vorgeworfen daszlig sie Muumlnzen beschnitten haumltten Dieser wirtschaftliche Betrug fuumlhrte schlieszliglich

durch den Einfluszlig der Dominikaner zur Ausweisung der Juden[48]

Zwei Abschnitte spaumlter wird von

einer Bekehrung zum Judentum eines englischen Dominikaners berichtet was zweifellos die

Geschichte des im 13 Jahrhundert zum Judentum uumlbergetretenen Robert Reading wiedergibt Dem

Chronisten erscheint diese Episode Anlaszlig genug eine Reihe von Anfeindungen auch von Seiten der

Koumlnigin anzufuumlhren die in ihrer Summe schlieszliglich zur Vertreibung der Juden aus dem englischen

Koumlnigreich fuumlhrten[49]

In der Chronik des Yosef ha-Kohen[50]

Emeq ha-Bachah[51]

aus dem Jahre

1558 finden wir dasselbe Material in veraumlnderter Weise angeordnet Ein Vertreter des Predigerordens

verliebt sich in ein juumldisches Maumldchen tritt zum Judentum uumlber und heiratet es Die Dominikaner

beschuldigen vor dem Koumlnig daraufhin die Juden die Muumlnzen zu beschneiden um die Schande des

Glaubensabfalls ihres ehemaligen Mitbruders abzuwenden[52]

Auch in anderen Werken juumldischer

Chronistik aus dem 16 Jahrhundert findet die Episode des zum Judentum konvertierenden

Dominikaners Erwaumlhnung[53]

Obwohl die Chroniken des 16 Jahrhunderts als Belege fuumlr das Geschehen des 13 Jahrhunderts

nicht herangezogen werden koumlnnen so repraumlsentieren sie dennoch eine Tendenz der innerjuumldischen

Wahrnehmung die sich bereits im 13 wie im 14 Jahrhundert ankuumlndigte Hatte noch die christlicher

Uumlberlieferungstradition als Grund fuumlr die Vertreibungen vor allem die theologische Komponente der

Auseinandersetzung betont aber auch die Intervention anderer Herrschaftstraumlger angefuumlhrt so

bildete sich unter den Juden ein voumlllig anderes Erklaumlrungsmuster heraus In den juumldischen

Traditionsstraumlngen wurden die theologische Argumentation nicht rezipiert Dies gilt vor allem fuumlr das

groszlige Feld des Wuchervorwurfs der im Ausweisungsedikt 1290 zum Hauptargument werden sollte

Innerhalb der hebraumlischen Uumlberlieferung muszligten die Ursachen der Vertreibung konkreter fassbar

gemacht werden Zwei Narrative boten sich an die der juumldischen Traditionsbildung schluumlssig

erschienen Hierzu gehoumlrt der historisch gesicherte Prozeszlig zum Muumlnzbeschneidungsvorwurf der in

zeitnahen Dokumenten als gerechtfertigt[54]

in den Traditionen des 16 Jahrhunderts als Verleumdung

angesehen wurde[55]

Demgegenuumlber scheint dieser Prozess fuumlr die Begruumlndung der Ausweisung von

Seiten der christlichen Herrschaftstraumlger keine explizite Rolle gespielt zu haben Die Einbeziehung der

Geschehnisse um den zum Judentum konvertierten Dominikaner nehmen vor allem in den spaumlten

juumldischen Traditionen einen groszligen Stellenwert ein ohne daszlig sie innerhalb des christlichen Kontextes

fuumlr die Begruumlndung der Vertreibung irgend eine Rolle gespielt haumltten So bleiben Christen wie Juden

sich nur in der Tatsache einig dass Ihr Verhaumlltnis zueinander immer groumlszligeren Erschuumltterungen

unterworfen war Die Ursachen dieser Zerwuumlrfnisse konnten dabei durchaus unterschiedlichen

Kontexten zugeordnet werden

Frankreich[56]

Auch die Vertreibung der franzoumlsischen Juden hat in der hebraumlischen Uumlberlieferung nur wenig Spuren

hinterlassen Kein Text ist bekannt der sich ausschlieszliglich auf die Ereignisse der Vertreibung

beziehen wuumlrde Wie im englischen Fall zeugen nur verstreute Bemerkungen im Werk einzelner

juumldischer Gelehrter uumlber eine Resonanz innerhalb der juumldischen Gemeinschaft Eines dieser

Zeugnisse ist aus der Hand des Abba Mari ben Moshe von Lunel uumlberliefert einem Gelehrten der um

1300 vor allem in den polemischen Auseinandersetzungen um die Rezeption des Schriften des

Maimonides und der Frage nach dem Stellenwert philosophischer Studien in Erscheinung getreten

war[57]

In einem Brief[58]

schreibt er

Im Jahre 5066 (1306) der Zaumlhlung dies ist das Jahr welches die Suumlnde hervorgebracht hat[59]

verbreitete sich die Verfolgung (Gezerah) des Koumlnigs von Frankreich (Tzarfat) uumlber alle Juden in

allen Landen seines Koumlnigreiches aus sie aus ihren Haumlusern zu holen und ihnen all ihren Besitz

abzunehmen Alle sollten an einem bestimmten Tag festgesetzt werden jung und alt Frauen und

Kinder und diese sollte am Freitag am zehnten des Monats Aw (22 Juli 1306) geschehen und

man vertrieb sie aus dem Land Die Juden die in der Stadt Montpellier lebten wurden im Jahre

5067 im Monat Marcheshwan vertrieben (10 Okt-7 Nov 1306) Einige von ihnen begaben sich in

die Stadt Perpignan da sie sich des Sieges des Koumlnigs von Mallorca sicher waren dass er ihnen

aus der Hand des Koumlnigs den Aufenthalt und die Versorgung gewaumlhren wuumlrde Wieder andere

zogen weiter in die Provence hellip Und ich nachdem ich mich in die Provence ins Exil begeben

hatte in die Stadt Arles fuhr von dort fort und begab mich von dort in ein zweites Exil in die Stadt

Perpignan Ich kam dort an am ersten des Monats Shwat dem vierten Monat unseres Exils (5 Jan

1307)[60]

Abba Mari beschreibt als Zeitzeuge den politischen Kontext der Vertreibung der Juden im

Suumlden des franzoumlsischen Koumlnigreiches Die Beschreibung bleibt an sein eigenes Schicksal

gebunden Die Ausweisung der Juden umfasst auch das Languedoc das ebenfalls Teil des

direkten Herrschaftsbereichs des franzoumlsischen Koumlnigs Philipp des Schoumlnen geworden war Die

Vertriebenen wandten sich nun benachbarten nichtfranzoumlsischen Herrschaften zu der

Provence die zur Zeit der Vertreibung noch ein Teil des roumlmisch-deutschen Reiches war sowie

den Besitzungen des Koumlnigs von Mallorca zu denen Perpignan und teilweise auch Montpellier

zaumlhlten[61]

Zunaumlchst hatte der Koumlnig von Mallorca die Vertreibung der Juden aus Montpellier in

Opposition zum franzoumlsischen Koumlnig abgelehnt[62]

Die Juden hofften wie Abba Mari betont

dass dieser Widerstand von Dauer sein koumlnnte wurden jedoch enttaumluscht Im Februar 1309

willigte nach langen Verhandlungen auch der mallorquinische Koumlnig ein der Vertreibung der

Juden zuzustimmen[63]

In Territorien in denen er uneingeschraumlnkt seine Herrschaft ausuumlben

konnte wie etwa in Perpignan war den Juden der Aufenthalt weiterhin erlaubt so dass dorthin

wie in die Provence die Juden der Stadt Montpellier weiterzogen Abba Mari beschreibt die

lokalen politischen Zusammenhaumlnge der Vertreibungen der am Mittelmeer gelegenen

Territorien Er hebt dabei den Einfluss des franzoumlsischen Koumlnigs auf Herrschaftstraumlger

auszligerhalb seines Koumlnigreiches hervor nennt jedoch keinen Grund der das Verhalten des

franzoumlsischen Koumlnigs erklaumlrt haumltte Warum die franzoumlsischen Juden ihr Stammland verlassen

mussten wird nicht diskutiert

Ein weiterer Autor des fruumlhen 14 Jahrhunderts Eshtori ha-Parchi[64]

beschreibt in seinem Werk

Kaftor wa-Ferach kurz seine am eigenen Leib erfahrene Vertreibung der Juden aus dem

Suumlden des franzoumlsischen Koumlnigreichs

bdquoAuch erinnere ich mich an das Datum der Zerstoumlrung des kleinen Heiligtums naumlmlich die

Zerstoumlrung der Lehrhaumluser und Synagogen in Tzarfat (Nordfrankreich) und teilweise auch in der

Prowentzah (Suumldfrankreich hier Languedoc)[65]

Ich floh vom Schlachtfeld hellip im Jahre 5066 und

zwar am 10 Aw (22 Juli 1306)ldquo[66]

Eshtori ha-Parchi der sich schlieszliglich im Jahre 1313 im Lande Israel niederliess nennt

keine Begruumlndung der Ereignisse Die Bezeichnung der Vertreibung als Zerstoumlrung des

kleinen Heiligtums macht dem Leser deutlich welche Bedeutung den franzoumlsischen

Gelehrtenzentren vom Autor zugesprochen wurde die in dieser Ruumlckschau als

unwiederbringlich verloren betrachtet werden Eine weitere zeitnahe Notiz zur Vertreibung

der franzoumlsischen Juden laumlsst sich im Tora-Kommentar des Gelehrten R Lewi ben

Gershom (Ralbag) (1288-1344) finden Der Gelehrte der unter seinen nichtjuumldischen

Zeitgenossen auch unter der Bezeichnung Maestre Leo de Bagnol oder auch Magister

Leo Hebraeus bekannt war[67]

schreibt zum Wochenabschnitt Bechukotei (Lev 26 3 -

27 34)

Und wenn es in der Schrift heiszligt sbquoIhr geht unter den Voumllkern zugrunde und das Land euerer

Feinde friszligt euch aufrsquo (Lev 26 38) bezog sich dies auf die groszligen Noumlte unseres Volkes in denen

viele umgekommen sind eingeschlossen das Hinschlachten einiger in den heiligen Gemeinden

und die Vertreibung der Juden aus dem Lande Zarfat Doppelt so viele starben an Hunger und

Pestilenz als beim Auszug aus Aumlgypten[68]

Interessanterweise erwaumlhnt Levi ben Gershom als erster Autor Todesopfer die

innerhalb der juumldischen Gemeinschaft als Folge der Vertreibung zu beklagen waren

Fast ein Jahrhundert spaumlter wohl in der ersten Haumllfte des 15 Jahrhunderts

beschreibt der in Spanien wohl in Tortosa lebende Mattityahu haYizhari ein

Nachkomme einer aus Suumldfrankreich stammenden Familie[69]

die Vertreibung der

Juden mit folgenden Worten

Es sprach Mattityahu Sohn des Moshe Sohn des Weisen Mattiyahu ha-Yizhari sein Andenken

sei zu Segen Viele Noumlte haben uns ereilt seit wir aus dem verheiszligenen Land vertrieben wurden

hellip tausende und zehntausende Juden hatten sich in Frankreich niedergelassen hellip und meine

Vorfahren siedelten in der Stadt Narbonne einer groszligen Stadt Gottes bis Verfehlungen zur

Vertreibung fuumlhrten Einige starben als Maumlrtyrer andere wurde uumlber die ganze Erde zerstreut und

das ganze Land Zarfat lag entbloumlszligt da [70]

Auch bei Levi ben Gershom steht die Zerstoumlrung der groszligen juumldischen Zentren

im Vordergrund Ein Grund fuumlr deren Untergang wird nicht eroumlrtert Ein

aumlhnliches Bild findet sich bei einem weiteren juumldischen Gelehrten aus dem

Beginn des 14 Jahrhunderts In seinem um das Jahr 1321 abgeschlossenen

Werk Even Bochan bemerkt der in Arles geborene juumldische Philosoph

Kalonymos ben Kalonymos (geb 1286)[71]

Als der Herrscher von der Stimmung erfasst wurde mein Volk ins Exil zu fuumlhren vor siebzehn

Jahren uumlberwand er sie in seinem Grimm und vertrieb sie mit starker Hand aus seinem Land

uumlberfuumlhrte sie in Staumldte nackt und mittellos die in ihren Palaumlsten viele Schaumltze von Gold besaszligen

um die Altehrwuumlrdigen ihrer Generation und ihre Prinzen zu vernichten und auszuloumlschen[72]

Die Erwaumlhnung der Enteignung der Juden durch die franzoumlsische Krone

verweist auf den tatsaumlchlichen Verlauf der Ausweisung und auf ihre

fiskalischen Motive[73]

Die auch vom Autor betonten finanziellen

Interessen des Herrschers werden jedoch nicht diskutiert Uumlberhaupt

bleiben die wenigen weiteren zeitgenoumlssischen Bemerkungen zur

Vertreibung sehr skizzenhaft und auch eng mit der Biographie ihrer

Verfasser verknuumlpft So schreibt R Menachem ha-Meiri (Vidal Salamon

Mayr) (geb 1249) der wenige Jahre nach der Vertreibung verstarb[74]

in

seiner Einleitung zur Auslegung des Traktates Avot

als Gott mich vom meinem Vaterhaus fortbrachte machte er meine Soumlhne zu Fluumlchtlingen und

meine Toumlchter fuumlhrte er in Gefangenschaft[75]

Die letzten bekannten Bemerkungen zur Vertreibung aus der

Generation der Zeitzeugen stammen aus der Feder des Dichters

und Philosophen Jedajah ben Abraham haPenini[76]

der in den

Staumldten Beacuteziers Montpellier und Perpignan lebte und um 1325

verstarb In einem Brief an den katalanischen Gelehrten Schlomo

Ibn Adret betonte der Autor wie sehr doch die Juden der Provence

ihre Tuumlren weit fuumlr die Exilierten geoumlffnet haumltten und viel dazu

beigetragen haumltten die Fluumlchtlinge aufzunehmen[77]

Auch in einem

Gedicht schloss der Autor Anspielungen zur Vertreibung der

franzoumlsischen Juden mit ein[78]

Hebraumlische Zeugnisse zur Vertreibung aus dem Norden des

franzoumlsischen Herrschaftsgebietes konnten bisher nicht

nachgewiesen werden Die hier aufgefuumlhrten hebraumlischen Quellen

zur Vertreibung der Juden aus den Herrschaftsgebieten des

franzoumlsischen Koumlnigs stammen ausschlieszliglich von Personen die

durch die Zerstoumlrung der juumldischen Zentren im suumldlichen Frankreich

betroffen waren Diese Uumlberlieferungen wurden schlieszliglich von der

hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts aufgenommen und in

ihre als Zyklen von Leiden und Verfolgung gestalteten Werken

eingearbeitet Itzchaq Abarbanel (gest vor 1550) scheint dabei der

entscheidende Protagonist bei der Schoumlpfung eines die Vertreibung

von 1306 beschreibenden juumldischen Narratives gewesen zu sein

auch wenn er sich nach seinen eigenen Angaben lediglich auf

Itzchak Profiat Duran genannt Efodi einen juumldisch-katalanischen

Autor des spaumlten 14 Jahrhunderts bezog So schreibt Abarbanel

bdquoIm Jahre 5066 (1306) der Zaumlhlung war die Vertreibung aus Frankreich Koumlnig Philipp war ein

grausamer und verfluchter Feind der alle Juden aus seinem Koumlnigreich vertrieb all ihren Besitz

enteignete und sie mittellos des Landes verwies Es gab dort viele groszlige Gemeinden doppelt so

viele (Juden) wie aus Aumlgypten auszogen hellip Und es war eine Zeit der groszligen Not fuumlr Israel hellip es

war im Monat Aw (13 Juli 1306-11 August 1306) und es war eine allumfassende Vertreibung hellipall

dies findet sich in der Schrift bdquoSichron ha-Shmadotldquo die von allen Zerstoumlrung berichtet die sich seit

der Zerstoumlrung des Tempels in Israel ereignet haben aufgeschrieben und redigiert von Efodildquo[79]

Der Autor weiszlig zu berichten unter welchem Koumlnig und in welchem Monat und Jahr die Vertreibung

stattfand Auf die Mittellosigkeit der juumldischen Fluumlchtlinge wird explizit hingewiesen die auf die

Auspluumlnderung durch den Koumlnig zuruumlckgefuumlhrt wird Auch eine Vorstellung von der Zahl der Exilierten

spiegelt sich im Text wider

Shlomo Ibn Verga uumlbernimmt den Text fast woumlrtlich fuumlr seine Chronik Shevet Yehudah und erweitert ihn

lediglich um die nicht belegbare Geschichte der Konversion der Gemeinde von Toulouse[80]

Ihm

folgen Samuel Usque[81]

und Yosef ha-Kohen[82]

So bieten die Erzaumlhltraditionen des 16

Jahrhunderts lediglich ein Geruumlst von Fakten die den Handlungsablauf der Vertreibung mit wenigen

Worten beschreiben Eine Begruumlndung der Vertreibung wird nicht genannt So entspricht die

Erzaumlhlarmut des Textes zur Vertreibung aus Frankreich innerhalb der hebraumlischen Chronistik des

16 Jahrhunderts der allgemeinen Quellenarmut der hebraumlischen Uumlberlieferungstradition zu diesem

Ereignis

Beziehung der Juden zum Herrscher

Anhand der Untersuchung von herrschaftlichen Bindungen der Juden soll im Folgenden verdeutlicht

werden wie sich ein ehemals funktionierendes Miteinander zu einem Zerbrechen eben dieses

Miteinanders mit dem Resultat der Vertreibung veraumlnderte Dazu werden die Herrschaftsstrukturen

mit ihren Veraumlnderungen zwischen dem Koumlnig beziehungsweise anderen christlichen

Herrschaftstraumlgern und den Juden in England und Frankreich analysiert In England siedelten sich

im Zuge der normannischen Eroberungen nach 1066 die ersten aus Frankreich stammenden Juden

an[83]

Seit dieser Zeit wurden sie in Dokumenten haumlufig als bdquoJuden des Koumlnigsldquo[84]

bezeichnet

Diesen exklusiven Anspruch konnte der Koumlnig bis zur Vertreibung durchsetzen auch wenn es

vereinzelt andere Herrschaftstraumlger gab die Macht uumlber Juden erlangten[85]

Die Juden waren dem

Koumlnig direkt unterstellt sie mussten ihm jede Geldforderung erfuumlllen im Gegenzug durften sie nach

ihrem Gesetz leben und ihren Wohnsitz frei waumlhlen[86]

Ein Privileg Richards I von 1190 erwaumlhnt

auszligerdem unter anderem das Recht der Juden auf Landbesitz und zollfreien Handel mit Wein[87]

Belastend fuumlr das Leben der Juden von England war das hohe Maszlig an Verwaltung das die

englischen Koumlnige geschaffen hatten um die Steuern effizient eintreiben zu koumlnnen Anlaumlsslich der

Kroumlnung Richards I im Jahre 1189 war es ausgehend von London zu Massakern an Juden in ganz

England gekommen Da die koumlnigliche Verwaltung nicht nachvollziehen konnte welche

Schuldscheine durch die Verfolgung vernichtet worden waren wurde als Reaktion 1194 ein

Archivsystem (archae) eingefuumlhrt das von nun an alle Geldgeschaumlfte sowie alle Juden mit ihrer

Finanzkraft verzeichnete[88]

Unter Heinrich III (1216-1272) aumlnderte sich der rechtliche Status der

Juden Im Jahr 1253 erlieszlig der Koumlnig ein Mandat das den Juden unter anderem verbot neue

Synagogen zu errichten christliche Bedienstete oder sexuelle Kontakte mit Christen zu haben und

Kirchen zu betreten Wichtigster Punkt war jedoch dass Juden nun ihren Wohnort nicht mehr frei

waumlhlen sondern nur noch dort leben durften wo bereits Juden ansaumlssig waren[89]

Viele der hier

formulierten Mandate waren im IV Laterankonzil von 1215 als verbindliche Verbote fuumlr die Juden in

der christlichen Welt festgelegt worden und fanden nun ihre Umsetzung Daneben stieg die

Besteuerung seit den 1240er Jahren stetig an wodurch die Finanzkraft der Juden bereits deutlich

geschwaumlcht wurde[90]

Im Falle Edwards I zeigte sich schlieszliglich dass die starke Bindung der Juden

an den Koumlnig die den Juden in fruumlheren Jahren zunaumlchst Unabhaumlngigkeit und Wohlstand gebracht

hatte nun ihren Ruin und schlieszliglich ihre Vertreibung bewirkte Der Koumlnig hatte bei Maszlignahmen die

die Juden betrafen kaum Widerspruch zu befuumlrchten zu eindeutig definiert war seine Machstellung

den Juden gegenuumlber In Frankreich unterstanden die Juden dem Herrn ihres jeweiligen Gebiets

der Koumlnig von Frankreich herrschte also nur in der Krondomaumlne uumlber die Juden des Koumlnigreiches[91]

Die Juden waren an ihr angestammtes Territorium gebunden und durften dieses nur mit der

Erlaubnis ihres Landesherrn verlassen Dieses Prinzip reicht bis in die Zeit von Philipp II August

(1180-1223) zuruumlck und wurde seit der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne 1198 in

verschiedenen Vereinbarungen mit anderen franzoumlsischen Territorialherren vertraglich fixiert[92]

Schon bei der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne kam es zu Irritationen da Philipp II

die 1182 vertriebenen Juden nach wie vor als bdquoseine Judenldquo ansah diese Auffassung aber

beispielsweise von Graf Theobald III von Campagne nicht geteilt wurde Er fuumlrchtete Steuerausfaumllle

und war der Meinung dass Juden die sich 1182 in der Champagne niedergelassen hatten nicht

mehr die Juden des Koumlnigs seien[93]

Auch andere Landesherren weigerten sich dem Wegzug ihrer

Juden in die Krondomaumlne zuzustimmen[94]

Auch erste Schritte eines buumlrokratischen Umgangs mit

den Geldgeschaumlften der Juden waren 1198 durch Philipp II August vorgenommen worden

moumlglicherweise beeinflusst durch die archae die in England 1194 unter Koumlnig Richard I eingerichtet

worden waren um die Geldgeschaumlfte und die Finanzkraft der Juden zu dokumentieren In jedem Ort

der Krondomaumlne gab es spezielle Beamte die die Kreditvertraumlge der Juden siegelten und so

kontrollierten wem die Juden welche Betraumlge an Geld liehen[95]

Auch den Juden konnte dieses

Verfahren als Sicherheit fuumlr ihre Geschaumlfte dienen Unter Ludwig VIII (1223-1226) kam es zum

ersten Eingriff in die Geldgeschaumlfte der Juden im franzoumlsischen Gebiet 1223 erlieszlig der Koumlnig

zusammen mit diversen Landesherren ein Statut in dem festgelegt wurde dass die Ruumlckzahlung

aller Schulden bei Juden an insgesamt neun Terminen an die koumlnigliche beziehungsweise

landesherrliche Schatzkammer erfolgen sollte Die Praxis des Siegelns von Urkunden uumlber

Darlehensvergaben wurde abgeschafft Erneut wurde festgehalten dass keiner der Herrscher Juden

eines anderen Herrschers bei sich aufnehmen duumlrfe wobei es bei diesem Punkt wieder zu

Unstimmigkeiten mit dem Grafen der Champagne kam der die Erklaumlrung nicht unterschrieb[96]

Bereits die ersten Jahre der Regierungszeit Ludwigs IX (1226-1270) brachten fuumlr die Juden weitere

Beschwerlichkeiten und erste direkte Aktionen gegen den Wucher Im Jahr 1227 kam es zu einer

erneuten Aneignung der ausstehenden Schulden bei Juden 1228 erging ein Mandat in dem Ludwig

IX befahl bei kuumlnftigen Geldgeschaumlften auf Zinsen zu verzichten Auszligerdem erklaumlrte der Koumlnig bei

Geldgeschaumlften die seit der Schuldentilgung ein Jahr zuvor geschlossen wurden alle Zinsen fuumlr

unguumlltig[97]

Auch die generelle Rechtsstellung der Juden wurde schon fruumlh in der Regierungszeit

Ludwigs IX definiert wobei es bei der alten Regelung blieb Im Statut von Melun hielten der Koumlnig

und die Landesherren daran fest dass die Juden tamquam proprii servi an das jeweilige Territorium

gebunden waren Christliche Schuldner wurden dazu aufgerufen ihre Schulden bei Juden zu

bezahlen nicht aber die Zinsen[98]

Die 1240er Jahre waren in Frankreich gepraumlgt vom Pariser

Talmudprozess in dem der Talmud als ketzerische Schrift verurteilt und danach oumlffentlich verbrannt

wurde[99]

Dies fuumlhrte unter anderem zu einer verstaumlrkten Auswanderung juumldischer Eliten aus

Nordfrankreich[100]

Insgesamt aumlnderte sich der rechtliche Status unter Ludwig IX nicht aber fruumlher

als die Herrscher in England nahm Ludwig IX der 1290 heilig gesprochen wurde den Kampf gegen

den Wucher auf Einige Aktionen Koumlnig Philipps IV (1285-1314) waumlhrend seiner ersten

Regierungsjahre in Bezug auf die Juden muumlssen vor dem Hintergrund der Vertreibungen gesehen

werden die sich in Regionen auszligerhalb der Krondomaumlne ereigneten so beispielsweise die

Ausweisung der juumldischen Fluumlchtlinge durch Philipp IV im Jahre 1291[101]

Daneben ist eine

konsequente Linie den Juden gegenuumlber nicht zu erkennen 1285 erneuerte er beispielsweise ein

Privileg zum Schutz von Synagogen und Friedhoumlfen zugleich bestaumltigte er die Pflicht der Juden ein

spezielles Abzeichen an ihrer Kleidung zu tragen[102]

Beides sind Zeichen dafuumlr dass der Koumlnig zu

dieser Zeit nicht daran dachte die Juden auszuweisen sondern das Leben der Juden rechtlich zu

definieren Vorrangiges Ziel Philipps IV war es zunaumlchst seine Oberherrschaft uumlber die Juden im

Suumlden zu sichern wo diese nicht von allen Baronen anerkannt wurde Die Herrschaft in der

Champagne hatte er sich durch Heirat bereits gesichert Dort in Troyes kam es 1288 zu einer

Mordanklage in deren Folge 13 Juden hingerichtet wurden wobei der Koumlnig ihre Besitztuumlmer

einzog[103]

Groumlszligeren Einfluss auf den Koumlnig scheint die Hostienschaumlndungbeschuldigung 1290 in

Paris gehabt zu haben Philipp IV warnte die Juden vor weiteren Hostienschaumlndungen und

spendete ein Haus neben der Kirche die zum Gedenken an den Fall errichtet worden war[104]

Wie

sein Groszligvater Ludwig IX setzte Philipp IV den Kampf gegen den Wucher fort verbot ihn 1299 und

1303 daneben wurde auch das Verbot des Neubaus von Synagogen sowie des Talmuds bei diesen

Gelegenheiten erneuert[105]

In einer konzentrierten und laumlnger vorbereiteten Aktion lieszlig Philipp IV

dann die Juden (oder jedenfalls die Familienvorstaumlnde) vermutlich am 22 Juli 1306 festsetzen Dies

diente dazu eine genaue Aufstellung der Judenguumlter vorzunehmen und um sich die ausstehenden

Schuldscheine zu sichern Gleichzeitig bedeutete es das Ende der juumldischen Siedlung in Frankreich

bis zu ihrer Wiederzulassung unter Ludwig X im Jahr 1315

Sowohl bei der Vertreibung aus England als auch der aus Frankreich zeigt sich die Gefahr die die

Abhaumlngigkeit der Juden vom Herrscher barg Vor allem in England hatte die privilegierte Position fuumlr

Wohlstand und ein groszliges Maszlig an innerer Autonomie etwa in der Rechtssprechnung oder in bezug

auf die Freizuumlgigkeit gesorgt[106]

Sie schuumltzte die Juden jedoch nicht immer vor Gealtakten wie den

seit der Mitte des 12 Jahrhunderts immer wieder vorkommenden Ritualmordvorwuumlrfen In

Frankreich verschlechterten sich ihre Lebensumstaumlnde mit der Ausbreitung der Krondomaumlne War

es 1182 noch ein geringes Problem fuumlr die Juden eine neue Heimat zu finden und von anderen

franzoumlsischen Landesherren wohlwollend aufgenommen zu werden war dies 1306 nicht mehr

moumlglich Die Herrscher nahmen die theologischen Diskurse uumlber den Wucher oder den Talmud auf

und wurden des weiteren beeinflusst durch antijuumldische Blut- und Hostienschaumlndungsvorwuumlrfe

Auch wirtschaftliche Uumlberlegungen haben eine Rolle gespielt ebenso mag es eine Dynamik

gegeben haben angestoszligen durch die weiteren Vertreibungen in dieser Umbruchszeit in der sich

jeder Herrscher damit profilieren wollte und konnte die Juden zu vertreiben

Die allgemeine Verurteilung des Wuchers

Obwohl gerade in der hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts verstaumlrkt die finanziellen Interessen vor

allem des franzoumlsischen Koumlnigs als Motiv der Vertreibung hervorgehoben wurde folgte die zeitnahe

Argumentation einer innerjuumldischen Perspektive anderen Erklaumlrungsmustern So gilt es zumindest

im Falle der Vertreibung aus England festzuhalten dass sich unter den Juden die Vorstellung

verbreitete das Fehlverhalten einzelner Juden haumltte die Ausweisung von 1290 wie auch andere

Vertreibungen mit verursacht Doch laumlsst sich im Wuchervorwurf gegenuumlber den Juden - dem

durchgaumlngigen Argument der Vertreibungen im 13 Jahrhundert - nicht etwa eine vordergruumlndige

falsche Praxis des Geldverleihs als ausloumlsendes Moment vermuten wie dies gelegentlich auch von

christlicher Seite von den Zeitgenossen vertreten wurde[107]

Vielmehr begann sich seit dem 12

Jahrhundert unter christlichen Gelehrten und weltlichen Herrschern ein theologisches Verstaumlndnis

bezuumlglich des Wuchers durchzusetzen das der wirtschaftlichen Taumltigkeit der Geldleihe auch in den

Haumlnden der Juden keine geduldeten Nische zuzuweisen bereit war[108]

Wucher wurde nun nicht

mehr als Suumlnde gegen den Naumlchsten aus mangelndem Mitgefuumlhl betrachtet und als turpe lucrum

(schaumlndlicher Profit) definiert sondern als Suumlnde gegen die iustitia[109]

Gemaumlszlig dieser Vorstellung

waren alle Wuchergewinne Diebesgut und muszligten zuruumlckgegeben werden Viel schwerer wog die

Feststellung daszlig sich die nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger durch ihre Besteuerung der Juden am

Wuchergewinn der Juden beteiligten und sich darum der gleichen Suumlnden schuldig machten[110]

Somit wurde auf demselben Wege der fuumlrstliche oder koumlnigliche Judenschutz die Legitimation

entzogen Die voumlllige Unterbindung des juumldischen Geldhandels schien darum fuumlr die meisten

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger der einzig richtige Weg wie dies bereits die im Namen Koumlnig

Ludwigs IX verkuumlndete ordenance von Melun 1230 forderte[111]

Als letzte Konsequenz blieb die

Ausweisung der Juden aus immer mehr Herrschaften des franzoumlsischen Koumlnigreiches und

schlieszliglich der Kronlande Das Zerbrechen des Miteinanders von Juden und Christen innerhalb des

franzoumlsischen Koumlnigreiches sowie die schrittweise Aufloumlsung bzw Zerschlagung des

jahrhundertealten juumldischen Siedlungsnetzes muszlig auf die juumldischen Gemeinschaften der

benachbarten Regionen so z B in den Rheinlanden verstoumlrend und beaumlngstigend gewirkt haben

Der dieser Vertreibung zugrundeliegende theologische Diskurs zu Geldhandel und Wucher und die

daraus resultierenden Folgen fuumlr die eigene juumldischen Existenz scheint jedoch nur einen geringen

Einfluszlig auf die Wahrnehmung ihrer eigenen Situation gehabt zu haben Im Zuge der Vertreibung der

franzoumlsischen Juden im Sommer und Herbst 1306 waren juumldische Fluumlchtlinge in die deutschen

Rheinlande gelangt[112]

Wohl wenige Monate spaumlter trafen in Worms die Delegierten des dortigen

Gemeindebezirkes die Vertreter der die Wormser Gemeinde und der sie umgebenden juumldischen

Niederlassungen auf einer Versammlung zusammen Auf diesem juumldischen Landtag sollte eine

Rechtssatzung eine Takkanah verabschiedet werden die die Praxis der juumldischen Geldleihe im

Einzugsgebiet der Gemeinde Worms sowie das Verhalten gegenuumlber hochverschuldeten Kunden

neu regelte[113]

In der Zusammenkunft der Haumlupter des Volkes im bdquoLand Wormsldquo im Jahr 67 des sechsten Jahrtausends

(10 Sept 1306 - 28 Augutst 1307) weil sich wegen unserer groszliger Verfehlungen die Noumlte der

Soumlhne unseres Volkes vermehrten durchforschten wir unsere Taten und fanden dass seit einiger

Zeit ein Schwert die Seele der Elenden und Reinen auffraszlig weil sie Vermoumlgen vermehrt hatten

durch Zins und Zinseszins von den Fuumlrsten der Nichtjuden Diese schuldeten ein Riesenvermoumlgen

den Familienvorstaumlnden Sie schmiedeten Raumlnke sich auf die Juden zu stuumlrzen und sie zu

uumlberfallen um sich von ihren Schulden zu befreien Wir haben beschlossen dass man keine

Erhoumlhung hinzufuumlgen darf und jedem Mann und jeder Frau nicht gestattet werden soll irgend einem

Nichtjuden einem einzelnen Schuldner mehr als 100 Pfund Hallisch zu leihen Und wenn der

Zeitpunkt der Schuldruumlckzahlung gekommen ist soll es nicht mehr gestattet sein die Zinsschuld der

Schuldsumme zuzuschlagen sondern man soll aus der Hand des Schuldners die ganze Schuld

einziehen Und wenn man nicht die ganze Schuld von ihm einziehen kann soll man sich nicht

hindern lassen wenigstens den Zins einzuziehen Nur soll man den Schuldner nicht mit List

uumlbervorteilen Und wenn es nicht gelingt irgend etwas einzuziehen dann soll man dies dem Rat

seiner Gemeinde mitteilen und nach deren Geheiszlig soll man handeln Was das Schuldgeschaumlft der

fuumlrstlichen Schuldner betrifft deren Schulden sich schon vermehrt haben und die niemand mehr

begleichen kann Die Glaumlubiger sollen sich huumlten sie mit hohen Zinsen zu belasten denn es sind

Komplotte zu befuumlrchten was Gott verhuumlten moumlge Schon einige Personen haben sich

zusammengeschlossen und dies gerade nicht bei den Fuumlrsten sondern bei den Klerikern und den

Buumlrgern [114]

Offenkundig standen den Delegierten die befuumlrchteten Konsequenzen der Geldleihe deutlich vor

Augen Wohl ebenso eingeschuumlchtert durch die in Frankreich vollzogene Vertreibung der Juden

wurden von seiten der Juden eigene Verfehlungen aber auch unguumlnstige Machtkonstellation

beobachtet die im Falle der franzoumlsischen Juden zu deren Untergang gefuumlhrt hatten Die

Beziehungen von Juden und Christen steckten auch in den Rheinlanden in den eingangs genannten

Bereichen von Wirtschaft Herrschaft und Religion in einer tieferen Krise Die auf dem

Versammlung von Worms beschlossenen Gegenmaszlignahmen blieben auf die juumldischen Teilnehmer

beschraumlnkt Zuruumlckhaltung gegenuumlber den christlichen Kunden Demut gegenuumlber Gott und das

Flehen um sein Erbarmen was mit guten Werken unterstuumltzt werden soll Eine direkte Verhandlung

mit den christlichen Herrschaftstraumlgern war nicht mehr vorgesehen Das gegenseitige Vertrauen

zwischen Juden und Christen war verschwunden in einer Zeit in der nicht mehr Koexistenz sondern

vor allem von Seiten der Juden die Sorge um die eigene Zukunft das eigene Handeln bestimmte

Zusammenfassung

Die Vertreibung der Juden aus England hatte innerhalb des juumldischen Kontextes noch zu Ansaumltzen der

Selbstreflexion gefuumlhrt die einen konkreten Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Vertretern

der juumldischen Seite und den politischen Entscheidungen der nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger

gegenuumlber der eigenen Gruppe erkennen mochten Dennoch waumlhnte man sich weiterhin in einem

rechtlich voumlllig abgesicherten Verhaumlltnis zur christlichen Umwelt Man war sich eines besonderen

Status innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft bewuszligt der in den Augen der Juden in

keiner Weise gefaumlhrdet schien Noch in der zweiten Haumllfte des 13 Jahrhunderts definierte Meir ben

Baruch (gest 1293) die Stellung der Juden im Reich als die eines freien Landbewohners der sein

Land nicht aber seine persoumlnliche Freiheit verloren hat [115]

Er sei darum nicht wie die Nichtjuden

den Fuumlrsten unterworfen und zu Steuerzahlungen verpflichtet Diese Konstruktionen erinnern stark

an die noch im 12 Jahrhundert in Frankreich vertretenen Rechtsauffassungen eines Itzchaq ben

Shmuel von Dampierre (gest ca 1185)[116]

der ebenfalls die Freiheit der Juden im Vergleich zu den

Nichtjuden hervorhebt ihre voumlllige Bewegungsfreiheit im Gegensatz zu an die Scholle gebundenen

Nichtjuden betont und die Juden ebenfalls aus der Rechtspraxis herausnimmt die dem

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger gestattet bei Abwanderung von Personen deren beweglichen

Besitz einzuziehen[117]

Nach juumldischer Auffassung folgten die Interaktionen zwischen Juden und

Christen nach Regeln die von beiden Seiten anerkannt waren Das jedoch sich dies Regelwerk zu

ungunsten der Juden verhaumlndert haben mochte daszlig die eigene Bewegungsfreiheit inzwischen mehr

und mehr eingeschraumlnkt wurde die besonderen Steuergesetzgebung seit den Aumluszligerungen des

Itzchak von Dampiegravere sich erheblich veraumlndern hatte und damit nach daszlig Verhaumlltnis zur christlichen

Umwelt nun erheblichen Umwaumlltzungen unterworfen war wurde wie die Aumluszligerung Meirs nahelegt

weder reflektiert noch einigermaszligen registriert

Das Verhalten der franzoumlsischen Juden Angesichts ihrer Vertreibung ist darum keinesfalls verwunderlich In

den wenigen juumldischen Selbstzeugnisse zur Vertreibung der franzoumlsischen Juden finden sich keine

Spuren die auf einen Prozess der Selbstreflexion schlieszligen lassen Die Frage der Motivation zur

Vertreibung der Juden wird soweit dies die Quellen erkennen lassen nicht diskutiert Der

offenkundige theologische Diskurs zur Unrechtmaumlszligigkeit des auf Zinsen geleisteten Geldverleihs

dem die juumldischen Gemeinschaft im franzoumlsischen Koumlnigreich letztlich zum Opfer fiel wird

nirgendwo rezipiert Man koumlnnte den Eindruck gewinnen dass sich den franzoumlsischen Juden die

Gefaumlhrlichkeit der Diskussion um den Wucher zu keinem Zeitpunkt erschloss Auch in den

konstruierten Narrativen der folgenden Generationen steht die auch fuumlr den einzelnen Juden

folgenreiche finanzielle Auspluumlnderung durch die franzoumlsische Krone im Vordergrund Allerdings

zeigt die Quelle aus dem rheinischen Kontext dass zumindest nach der Vertreibung aus dem

franzoumlsischen Koumlnigreich im Jahre 1306 unter den rheinischen Juden bestimmte Formen der

Geldleihe als Element der Selbstgefaumlhrdung wahrgenommen wurde Dabei macht die Uumlberlieferung

der Wormser Versammlung auch deutlich das die Zerruumlttung des Verhaumlltnisses von Juden und

Christen auch von juumldischer Seite nicht mehr geleugnet werden konnte Dass es sich dabei nicht nur

um eine wirtschaftliche Auseinandersetzung sondern zunaumlchst um einen christlichen theologischen

Diskurs handelte der sich gaumlnzlich juumldischem Handeln entzog scheint den Protagonisten der

Wormser Gemeinde nicht zugaumlnglich gewesen sein Ohne zu erkennen dass die Geldleihe und

somit die eigene wirtschaftliche Existenz gaumlnzlich in Frage gestellt werden koumlnnte versuchten die

Vertreter der Wormser Versammlung durch einzelne Maszlignahmen die Beziehungen zur christlichen

Umgebung zu entlassten um Gefahren von der eigenen Gemeinschaft abzuwenden Auf diese

Weise wurden die Juden im Westen Europas mehr und mehr wirtschaftlichen und theologischen

Dynamiken ausgesetzt die sich jenseits der juumldischen Wahrnehmung auszuformen begannen und

schlieszliglich in die Verdraumlngung der Juden muumlnden sollten die in der Vertreibung von England und

Frankreich ihren Anfang nahm

Rainer Barzen Lennart Guumlntzel

1 uarr Vgl zu Frankreich Chazan Jewry (1973) 154-207 Jordan Monarchy (1998) 177-261 Zu

England Hyams Jews (1996) 173-192 Mentgen Vertreibungen (1997) 11-53 Mundill England

(1998)

2 uarr Chazan Jewry (1973) 63-100 Ders Church (1980) 312f Jordan Monarchy (1998) 23-38

3 uarr Zur Geschichte der Juden unter Ludwig IX vgl Chazan Jewry (1973) 100-153

4 uarr Die Vorbildfunktion Ludwigs IX vor allem in Hinblick auf den Kampf gegen den Wucher erwaumlhnt

Cluse Zusammenhang (1999)135ndash163

5 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

6 uarr Chazan Church (1980) 313-317

7 uarr Florentii Wigorniensis 214f

8 uarr Ebd 212

9 uarr Chazan Church (1980) 317-319

10 uarr Aufstellung der Chroniken bei Abrahams Expulsion (1895) 449f

11 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

12 uarr Ordonnances 317

13 uarr Jordan nennt als Beispiel die Ortschaft Niort die ihre Juden vertreiben konnte Jordan Monarchy

(1998) 183

14 uarr Ebd 184f

15 uarr Ebd 184

16 uarr Ebd 183f

17 uarr Zu den Motiven Philipps IV siehe Mentgen Vertreibungen (1997) 46-49 Schwarzfuchs

Expulsion (1967) 485f

18 uarr Uumlber den generellen Wucherdiskurs siehe unten Kapitel V2

19 uarr Close Rolls Edward I 109

20 uarr Annales de Waverleia 409 ldquo(hellip) Judaeorum (hellip) quae per diversas urbes et castra regionis

Anglicanae per retroacta tempora habitabat confidenter procurante domina Alienora matre dicti

regis Angliae jussa est per edictum regium (hellip)rdquo

21 uarr Annales de Dunstaplia 361-362bdquo (hellip) propter blasphemias quas Judaei saepe faciebant fidei

Christianae statuit rex ut omnes Judaei cum semine suo et substancia ab Anglia pellerentur (hellip)rdquo

22 uarr Ebd bdquo(hellip) et concessit eis rex salvum conductum In ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt

submersi per vim et fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

23 uarr Zum Verhaumlltnis von Dominikanern und Juden zu dieser Zeit vgl Cohen Friars (1982) sowie

Ders Letters (1999)

24 uarr Florentii Wigoriensis 214

25 uarr Uumlber ein moumlgliches Interesse des Adels an der Vertreibung der Juden siehe Mentgen

Vertreibungen (1997) 27-30

26 uarr Annales de Dunstaplia 361-362 bdquoIn ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt submersi per vim et

fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

27 uarr Pierre de Langtoft II 186 bdquoThomas de Wilaund en baunk primer nomeacute par agarde de la court le

regne ad forjoreacute et en la terre de France sanz repairer aleacute Ses compayons ses clercs sunt pris e

meneacute a la thour de Loundres delivreacutes par moneacuteldquo

28 uarr Ebd 188 bdquoPur le quinzme dener al rays en ayeldquo

29 uarr Ebd bdquoOre sunt alez en France e en Pykardye Tutes lur dettes e lur manauntye Sunt salves al

ray dunt fere sa curtaysyeldquo

30 uarr Oumlsterreichische Reimchronik Verse 91239-91777 1186-1192ldquo die dritten vorderungdie an den

Franzois junctet der kunic Albrehter jach die Juden ze rehtgehocircren daz ricircche an und ander nieman

()ldquo Zu dieser Quelle vgl Ziwes Studien (1995) 33f Anm 16

31 uarr Prima Vita Clementis V 5

32 uarr Quarta Vita Clementis V 62bdquo Anno Domini MCCCVJ in festo sancte Marie Magdalene de

mandato et ordinatione regis Francie fuerunt capti omnes Judei ubique in regno Francie quasi

imperceptibiler una die et confiscata sunt bona ipsorum quecumque potuerunt inveniri fueruntque

a regno expulsi ulterius minime reversurirdquo Vgl auch Sexta Vita Clementis V 92-93bdquo Et etiam in

isto anno in die sancte Marie Magdalene omnes Judei de regno Francie congediati [congregati]

fuerunt et eorum bona omnia extiterunt confiscatardquo

33 uarr Continuatio Guilelmi de Nangis 59 bdquoMense Augusto Rex Philippus omnes Judaeos de Regno

Franciae penitus amp omnino fecit expelli certum regressionis terminum sub poena mortis praesigens

eisdemrdquo

34 uarr Florentii Wigoriensis 192 ldquoBarones cum Londoniensibus Judaismum Londoniae spoliaverunt

multis Judaeis interfectisldquo Siehe auch Mundill England (1998) 41

35 uarr Florentii Wigoriensis 210ldquo Rex die Sancte Calixti synagogam Judaeorum in villa Londoniensi

fratribus de Poenitentia contulit Jesu Christi ()ldquo

36 uarr Ebd 222bdquoApud Norhamtonam () puer quidam a Judaeis crucifixus estrdquo

37 uarr BennerReverchon Juden (2003) 181

38 uarr Rubin Tales (1999) 40-48

39 uarr Mentgen Vertreibungen (1997) 42-44

40 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 64f sieht den Muumlnzbeschneidungsskandal als Folge der Verarmung

der Juden Eine andere Meinung vertritt Mundill England (1998) 195-198 der vor allem auf eine

erfolgreiche Rolle der Juden im Wollhandel verweist

41 uarr Florentii Wigoriensis 221ldquo Rex omnes Judaeos et quosdam Christianos de retonsura aut alia

monetae falsatione convictos fecit suspensi Unde Londoniae CCLX et VII Judaei mortis judicium

subierunt Quidam autem relegati quidam etiam eorum perpetuo sunt carceri adjudicati et quidam

in Anglia remanseruntrdquo Vgl auch Mundill England (1998) 67f sowie uumlber die Zahl der Opfer weiter

oben Anmerkung 36

42 uarr Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 S 20

43 uarr Nach der chronikalischen Uumlberlieferung waren es 267 bzw 269 hingerichtete Juden Eine

Auswertung der auszligerchronikalischen Quellen ergab die Zahl von 298 erhaumlngten Juden Rokeacuteach

Monex I (198890) 98

44 uarr Jordan Monarchy (1989) 182f

45 uarr rdquoVos autre fuistis Engles qui exiverunt de terra eorum quia rotundabatis monetamrdquo in

Shatzmiller Schlomo Ibn Verga (1988) 355 Ders Solidariteacute (1986) 423

46 uarr Shlomo Ibn Verga Shevet Yehudah Teil I (hebr) Teil II (dt Uumlbersetzung)(Edit Wiener) Shevet

Yehudah (Edit Shochat)

47 uarr Zu Leben und Werk Shlomo Ibn Vergas Baer Hearot (1934) 152-179

48 uarr Shevet Yehudah Nr 18 (hebr S 42-43 dt Uumlbers S 84-85) Shevet Yehudah (Edit Shochat)

S 66

49 uarr Shevet Yehudah Nr 20 (hebr 43-45 dt Uumlbers 86-89)

50 uarr Zu Yosef ha-Kohen und seinem Werk Loeb Josef Hacohen (1888) XVI 28-56 211-235 XVII

74-95 247-271

51 uarr Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (dt

Uumlbersetzung Wiener)

52 uarr Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) 38-39 (Edit Wiener) 41-42

53 uarr Usque Nachum Israel III (1908) XI-XIII Auch bei Gedalyah Ibn Yachjah Shalshelet ha-

Kabbalah (nach Graetz Geschichte VII (1897) 429 weitere Quellen Graetz ebd 426-430)

54 uarr Siehe Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 20a

55 uarr ldquoSie [die Dominikaner] brachten sogar Muumlnzsorten herbei die sie selbst zuhause beschnitten

hattenldquo Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) S 38 (Edit Wiener) 41

56 uarr Fuumlr vielerlei Hinweise zur hebraumlischen Uumlberlieferung der Vertreibung der franzoumlsischen Juden sei

Dr Abraham David Jerusalem herzlich gedankt

57 uarr Schwarzfuchs History (2001) 269-274 Ben-Shalom Communication (1991) 171-225

58 uarr Abba Mari ben Mose von Lunel Sefer Minchat Qenaot Nr 120 in Shlomo Ibn Adret Tshuvot II

835-836

59 uarr BT Berachot 70a Gemeint ist hier die Philosophie griechischer Tradition die von Abba Mari

besonders bekaumlmpft wurde Shlomo Ibn Adret Teshuvot Bd 2 835 Anmerkung zu Zeile 1 Abba

Mari brachte die Vertreibung der suumldfranzoumlsischen Juden mit deren Hinwendung zur griechischen

Philosophie in Verbindung Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 832 Anmerkung zu Zeile 8

60 uarr Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 835-836 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001) 273

61 uarr Jordan French Monarchy (1989) 195196

62 uarr Saige Juifs (1881) 92

63 uarr Jordan French Monarchy (1989) 205 Saige Juifs (1881) 101-102 308-319 324-325

64 uarr Zu Leben und Werk sowie zu seinem Aufenhalt im Lande Israel siehe Schwarzfuchs History

261 Elbaum Estori ha-Parhi S 918f

65 uarr Zur Bedeutung des hebraumlischen Begriffes Prowentzah der neben der heutigen Provence auch

das Languedoc miteinschloss siehe Gross Gallia Judaica (1887) 489 In diesem Sinne entspricht

Prowentzah der roumlmischen Provincia Narbonnensis In Kontext der Vertreibung der Juden im

Jahre 1306 kann nur das Languedoc gemeint sein

66 uarr Eshtori haParchi Kaftor waFerach 218

67 uarr Schwarzfuchs History (2001) 276-278 Dahan Gersonide (1991)

68 uarr Levi ben Gershom Pirush al ha-Torah

69 uarr Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 153-154

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

Mordvorwuumlrfen hingerichtet[37]

1290 kam es in Paris zu einem Hostienschaumlndungsprozess der mit dem

Tod des Angeklagten endete[38]

Dieser angespannte religioumlse Diskurs wirkte sich auch auf den

Herrschaftsbereich aus Edward I soll als junger Mann tief beeindruckt von der Ritualmordaffaumlre um Hugh

von Lincoln im Jahre 1255 gewesen sein in deren Zusammenhang 19 Juden hingerichtet worden waren[39]

Daneben konnten sich die Herrscher nicht dem vorherrschenden Wucherdiskurs entziehen der sie als

Mitschuldige am suumlndhaften Wucher markierte da sie einen Nutzen aus dem juumldischen Wuchergeschaumlft

zogen Gerade Philipp IV der eine machtbewusste Politik auch gegenuumlber dem Papst verfolgte hatte sich

auch an seinem Groszligvater Ludwig IX und dessen bdquovorbildhafterldquo Politik in Bezug auf den Umgang mit den

Juden und dem Wucher zu messen Im wirtschaftlichen Zusammenleben aumlnderten sich ebenfalls die

Praumlmissen fuumlr den Umgang von Juden und Christen Das sbquoStatutum de Judeismorsquo markiert einen

Wendepunkt im Wirtschaftsleben Englands Es ist unklar in wie weit sich die Juden in von christlichen

bdquoMonopolenldquo dominierten Berufen etablieren konnten[40]

Mit der schwierigen wirtschaftlichen Situation der

Juden die durch das sbquoStatutum de Judeismorsquo geschaffen wurde kann moumlglicherweise der

Muumlnzbeschneidungsskandal von 1279 erklaumlrt werden in dem 267 Juden und einige Christen verurteilt und

hingerichtet wurden[41]

Daneben fuumlhrten sie will man dem Vertreibungsedikt Edwards I Glauben schenken

ihre Geldleihgeschaumlfte mit Zinsnahme im Verborgenen weiter Die Klagen der Barone und des Klerus die in

einigen Chroniken erwaumlhnt werden koumlnnten sich auf diese illegalen Taumltigkeiten beziehen Offensichtlich ist

es das Hauptargument Edwards in seinem Vertreibungsedikt Es ist deutlich geworden dass nicht nur einer

dieser Aspekte ausschlaggebend fuumlr die Ausweisungen der Juden war Vielmehr spielten viele Faktoren

zusammen in mehreren Kulturbereichen war das Miteinander gestoumlrt was schlieszliglich zur Vertreibung der

Juden fuumlhrte Zudem zeigte sich auch wie eng kaum von einander trennbar sich die Kulturbereiche -in

diesem Fall Recht Wirtschaft Herrschaft und Religion- darstellen

Die Vertreibung der Juden in den hebraumlischer Quellen

England

Die Vielschichtigkeit der Uumlberlieferung zur Vertreibung der Juden aus England lieszlige zunaumlchst eine ebenso

reiche Tradition in den hebraumlischen Quellen erwarten Allerdings ist das Gegenteil der Fall Die bekannte

Uumlberlieferung kennt keinen zeitgenoumlssischen hebraumlischen Eintrag zur Vertreibung der Juden weder in

einer hebraumlischen Chronik noch in direkten hebraumlischen verfaszligten Selbstzeugnissen englischer Juden

Dennoch sind aus dem weiteren Umfeld genauer gesagt aus Deutschland und Suumldfrankreich zeitnahe

Reaktionen auf die Geschehnisse in England uumlberliefert die zumindest einige Hinweise zur Einschaumltzung

der Ereignisse und ihrer Ursachen im innerjuumldischen Kontext liefern koumlnnen Zunaumlchst ist aus einem

Responsum des Meir ben Baruch von Rothenburg (gest 1293) eine diesbezuumlgliche Aumluszligerung uumlberliefert

Dort heiszligt es

bdquoWas die Muumlnzbeschneider betrifft so hacke ihnen wegen ihrer Vergehen die Hand ab

Wieviel Blut wurde wegen der Muumlnzenbeschneider vergossen Sie waren es die unsere Bruumlder

die Bewohner von Frankreich und der Insel (=England) ins Verderben stuumlrztenldquo[42]

Allerdings bleibt eine Datierung dieses Ausspruches schwierig Meir hat zur Zeit der Ausweisung der

Juden aus England noch gelebt Die Form der Uumlberlieferung gibt allerdings keinen Hinweis der

darauf schlieszligen laumlszligt daszlig das Responsum zur Zeit verfaszligt wurde als sich Meir nach 1286 bis zu

seinem Tode bereits in Gefangenschaft aufhielt Letzteres haumltte zumindest wahrscheinlich werden

lassen daszlig Meir sich auf die Ausweisung der Juden bezog So kann der Ausdruck bdquoins Verderben

stuumlrzenldquo auch lediglich den eigentlichen Prozeszlig zum Muumlnzenbeschneidungsvorwurf 1279 und die

Folgen ndash die Hinrichtung von etwas weniger als 300 Juden[43]

Allerdings weist die Aumluszligerung Meirs die

Muumlnzbeschneider haumltten das Elend der Juden in Frankreich und England heraufbeschworen

wiederum in eine andere Richtung Der groszlige Prozeszlig fand in England nicht in Frankreich statt Erste

Vertreibungen von Juden ereigneten sich jedoch zunaumlchst auf dem franzoumlsischen Festland

(Gasgogne 1287)[44]

nicht in England Es spricht somit vieles dafuumlr daszlig Meir gerade auf jene

Vertreibung anzuspielen scheint und in diesem Zusammenhang den Muumlnzbeschneidungsvorwurf als

Ausloumlser fuumlr die Verfolgungen der Juden in England und Frankreich ansah Die Vertreibung der Juden

im Jahre 1306 aus den direkt den franzoumlsischen Koumlnig unterstellten Territorien konnte Meir nicht

gemeint haben Zu dieser Zeit war Meir ben Baruch schon zehn Jahre nicht mehr am Leben

Ein in den Quellen eindeutiger zu fassender Hinweis zur innerjuumldischen Einschaumltzung der Ereignisse

ist uns im Rahmen eines Vorfalls innerhalb einer suumldfranzoumlsisch-provenccedilalischen Gemeinde

uumlberliefert In der Stadt Manosque hatten nach 1290 innerhalb der juumldischen Gemeinde vertriebene

Juden aus England Aufnahme gefunden Allerdings blieben die englischen Juden als eigene Gruppe

auch waumlhrend der naumlchsten 50 Jahre wahrnehmbar was sich offenbar auch in innerjuumldischen

bdquolandsmannschaftlichenldquo Spannungen niederschlug So kam es im Jahre 1338 zwischen dem

einheimischen Juden Aronetus und dem zugezogenen Juden Creysonus von Chartres zu heftigen

Auseinandersetzungen bei denen Aronetus dem Chreysonus zurief bdquoIhr anderen wart die Englaumlnder

die ihr Land verlassen mussten weil ihr die Muumlnzen beschnitten habtldquo[45]

Selbstredend wollte der

ehemalige Fluumlchtling diese Behauptung nicht auf sich sitzen lassen und strebte den Prozeszlig an

Allerdings macht diese Auseinandersetzung auch klar daszlig die Verquickung des

Muumlnzbeschneidungsprozesses mit der Tatsache der Vertreibung in innerjuumldischen Kontext keine

unuumlbliche Argumentation gewesen sein wird

Hatte sich bereits im 14 Jahrhundert dieses Erklaumlrungsmuster als Begruumlndung der Vertreibung im

innerjuumldischen Gedaumlchtnis durchgesetzt Zumindest sollte diese Begruumlndung auch in den

hebraumlischen Chroniken des fruumlhen 16 Jahrhunderts eine entscheidende Rolle einnehmen Folgende

Darstellungen sind durch sephardische Chronisten des 16 Jahrhunderts bekannt Im Shevet

Yehudah[46]

des Shlomo Ibn Verga[47]

(Erstdruck 1550) einer hebraumlischen Chronik die die juumldische

Geschichte als eine Kette von Leiden klassifiziert werden die Ereignisse in England in folgenden

Erzaumlhlrahmen eingeordnet Nach kurzer Einfuumlhrung in die englischen Verhaumlltnisse wird eine

geforderte Bekehrung zum Christentum erwaumlhnt die aus den Quellen des 13 Jahrhunderts nicht

verifiziert werden kann Nach der Zuruumlckweisung dieses Bekehrungsversuchs wird den Juden

vorgeworfen daszlig sie Muumlnzen beschnitten haumltten Dieser wirtschaftliche Betrug fuumlhrte schlieszliglich

durch den Einfluszlig der Dominikaner zur Ausweisung der Juden[48]

Zwei Abschnitte spaumlter wird von

einer Bekehrung zum Judentum eines englischen Dominikaners berichtet was zweifellos die

Geschichte des im 13 Jahrhundert zum Judentum uumlbergetretenen Robert Reading wiedergibt Dem

Chronisten erscheint diese Episode Anlaszlig genug eine Reihe von Anfeindungen auch von Seiten der

Koumlnigin anzufuumlhren die in ihrer Summe schlieszliglich zur Vertreibung der Juden aus dem englischen

Koumlnigreich fuumlhrten[49]

In der Chronik des Yosef ha-Kohen[50]

Emeq ha-Bachah[51]

aus dem Jahre

1558 finden wir dasselbe Material in veraumlnderter Weise angeordnet Ein Vertreter des Predigerordens

verliebt sich in ein juumldisches Maumldchen tritt zum Judentum uumlber und heiratet es Die Dominikaner

beschuldigen vor dem Koumlnig daraufhin die Juden die Muumlnzen zu beschneiden um die Schande des

Glaubensabfalls ihres ehemaligen Mitbruders abzuwenden[52]

Auch in anderen Werken juumldischer

Chronistik aus dem 16 Jahrhundert findet die Episode des zum Judentum konvertierenden

Dominikaners Erwaumlhnung[53]

Obwohl die Chroniken des 16 Jahrhunderts als Belege fuumlr das Geschehen des 13 Jahrhunderts

nicht herangezogen werden koumlnnen so repraumlsentieren sie dennoch eine Tendenz der innerjuumldischen

Wahrnehmung die sich bereits im 13 wie im 14 Jahrhundert ankuumlndigte Hatte noch die christlicher

Uumlberlieferungstradition als Grund fuumlr die Vertreibungen vor allem die theologische Komponente der

Auseinandersetzung betont aber auch die Intervention anderer Herrschaftstraumlger angefuumlhrt so

bildete sich unter den Juden ein voumlllig anderes Erklaumlrungsmuster heraus In den juumldischen

Traditionsstraumlngen wurden die theologische Argumentation nicht rezipiert Dies gilt vor allem fuumlr das

groszlige Feld des Wuchervorwurfs der im Ausweisungsedikt 1290 zum Hauptargument werden sollte

Innerhalb der hebraumlischen Uumlberlieferung muszligten die Ursachen der Vertreibung konkreter fassbar

gemacht werden Zwei Narrative boten sich an die der juumldischen Traditionsbildung schluumlssig

erschienen Hierzu gehoumlrt der historisch gesicherte Prozeszlig zum Muumlnzbeschneidungsvorwurf der in

zeitnahen Dokumenten als gerechtfertigt[54]

in den Traditionen des 16 Jahrhunderts als Verleumdung

angesehen wurde[55]

Demgegenuumlber scheint dieser Prozess fuumlr die Begruumlndung der Ausweisung von

Seiten der christlichen Herrschaftstraumlger keine explizite Rolle gespielt zu haben Die Einbeziehung der

Geschehnisse um den zum Judentum konvertierten Dominikaner nehmen vor allem in den spaumlten

juumldischen Traditionen einen groszligen Stellenwert ein ohne daszlig sie innerhalb des christlichen Kontextes

fuumlr die Begruumlndung der Vertreibung irgend eine Rolle gespielt haumltten So bleiben Christen wie Juden

sich nur in der Tatsache einig dass Ihr Verhaumlltnis zueinander immer groumlszligeren Erschuumltterungen

unterworfen war Die Ursachen dieser Zerwuumlrfnisse konnten dabei durchaus unterschiedlichen

Kontexten zugeordnet werden

Frankreich[56]

Auch die Vertreibung der franzoumlsischen Juden hat in der hebraumlischen Uumlberlieferung nur wenig Spuren

hinterlassen Kein Text ist bekannt der sich ausschlieszliglich auf die Ereignisse der Vertreibung

beziehen wuumlrde Wie im englischen Fall zeugen nur verstreute Bemerkungen im Werk einzelner

juumldischer Gelehrter uumlber eine Resonanz innerhalb der juumldischen Gemeinschaft Eines dieser

Zeugnisse ist aus der Hand des Abba Mari ben Moshe von Lunel uumlberliefert einem Gelehrten der um

1300 vor allem in den polemischen Auseinandersetzungen um die Rezeption des Schriften des

Maimonides und der Frage nach dem Stellenwert philosophischer Studien in Erscheinung getreten

war[57]

In einem Brief[58]

schreibt er

Im Jahre 5066 (1306) der Zaumlhlung dies ist das Jahr welches die Suumlnde hervorgebracht hat[59]

verbreitete sich die Verfolgung (Gezerah) des Koumlnigs von Frankreich (Tzarfat) uumlber alle Juden in

allen Landen seines Koumlnigreiches aus sie aus ihren Haumlusern zu holen und ihnen all ihren Besitz

abzunehmen Alle sollten an einem bestimmten Tag festgesetzt werden jung und alt Frauen und

Kinder und diese sollte am Freitag am zehnten des Monats Aw (22 Juli 1306) geschehen und

man vertrieb sie aus dem Land Die Juden die in der Stadt Montpellier lebten wurden im Jahre

5067 im Monat Marcheshwan vertrieben (10 Okt-7 Nov 1306) Einige von ihnen begaben sich in

die Stadt Perpignan da sie sich des Sieges des Koumlnigs von Mallorca sicher waren dass er ihnen

aus der Hand des Koumlnigs den Aufenthalt und die Versorgung gewaumlhren wuumlrde Wieder andere

zogen weiter in die Provence hellip Und ich nachdem ich mich in die Provence ins Exil begeben

hatte in die Stadt Arles fuhr von dort fort und begab mich von dort in ein zweites Exil in die Stadt

Perpignan Ich kam dort an am ersten des Monats Shwat dem vierten Monat unseres Exils (5 Jan

1307)[60]

Abba Mari beschreibt als Zeitzeuge den politischen Kontext der Vertreibung der Juden im

Suumlden des franzoumlsischen Koumlnigreiches Die Beschreibung bleibt an sein eigenes Schicksal

gebunden Die Ausweisung der Juden umfasst auch das Languedoc das ebenfalls Teil des

direkten Herrschaftsbereichs des franzoumlsischen Koumlnigs Philipp des Schoumlnen geworden war Die

Vertriebenen wandten sich nun benachbarten nichtfranzoumlsischen Herrschaften zu der

Provence die zur Zeit der Vertreibung noch ein Teil des roumlmisch-deutschen Reiches war sowie

den Besitzungen des Koumlnigs von Mallorca zu denen Perpignan und teilweise auch Montpellier

zaumlhlten[61]

Zunaumlchst hatte der Koumlnig von Mallorca die Vertreibung der Juden aus Montpellier in

Opposition zum franzoumlsischen Koumlnig abgelehnt[62]

Die Juden hofften wie Abba Mari betont

dass dieser Widerstand von Dauer sein koumlnnte wurden jedoch enttaumluscht Im Februar 1309

willigte nach langen Verhandlungen auch der mallorquinische Koumlnig ein der Vertreibung der

Juden zuzustimmen[63]

In Territorien in denen er uneingeschraumlnkt seine Herrschaft ausuumlben

konnte wie etwa in Perpignan war den Juden der Aufenthalt weiterhin erlaubt so dass dorthin

wie in die Provence die Juden der Stadt Montpellier weiterzogen Abba Mari beschreibt die

lokalen politischen Zusammenhaumlnge der Vertreibungen der am Mittelmeer gelegenen

Territorien Er hebt dabei den Einfluss des franzoumlsischen Koumlnigs auf Herrschaftstraumlger

auszligerhalb seines Koumlnigreiches hervor nennt jedoch keinen Grund der das Verhalten des

franzoumlsischen Koumlnigs erklaumlrt haumltte Warum die franzoumlsischen Juden ihr Stammland verlassen

mussten wird nicht diskutiert

Ein weiterer Autor des fruumlhen 14 Jahrhunderts Eshtori ha-Parchi[64]

beschreibt in seinem Werk

Kaftor wa-Ferach kurz seine am eigenen Leib erfahrene Vertreibung der Juden aus dem

Suumlden des franzoumlsischen Koumlnigreichs

bdquoAuch erinnere ich mich an das Datum der Zerstoumlrung des kleinen Heiligtums naumlmlich die

Zerstoumlrung der Lehrhaumluser und Synagogen in Tzarfat (Nordfrankreich) und teilweise auch in der

Prowentzah (Suumldfrankreich hier Languedoc)[65]

Ich floh vom Schlachtfeld hellip im Jahre 5066 und

zwar am 10 Aw (22 Juli 1306)ldquo[66]

Eshtori ha-Parchi der sich schlieszliglich im Jahre 1313 im Lande Israel niederliess nennt

keine Begruumlndung der Ereignisse Die Bezeichnung der Vertreibung als Zerstoumlrung des

kleinen Heiligtums macht dem Leser deutlich welche Bedeutung den franzoumlsischen

Gelehrtenzentren vom Autor zugesprochen wurde die in dieser Ruumlckschau als

unwiederbringlich verloren betrachtet werden Eine weitere zeitnahe Notiz zur Vertreibung

der franzoumlsischen Juden laumlsst sich im Tora-Kommentar des Gelehrten R Lewi ben

Gershom (Ralbag) (1288-1344) finden Der Gelehrte der unter seinen nichtjuumldischen

Zeitgenossen auch unter der Bezeichnung Maestre Leo de Bagnol oder auch Magister

Leo Hebraeus bekannt war[67]

schreibt zum Wochenabschnitt Bechukotei (Lev 26 3 -

27 34)

Und wenn es in der Schrift heiszligt sbquoIhr geht unter den Voumllkern zugrunde und das Land euerer

Feinde friszligt euch aufrsquo (Lev 26 38) bezog sich dies auf die groszligen Noumlte unseres Volkes in denen

viele umgekommen sind eingeschlossen das Hinschlachten einiger in den heiligen Gemeinden

und die Vertreibung der Juden aus dem Lande Zarfat Doppelt so viele starben an Hunger und

Pestilenz als beim Auszug aus Aumlgypten[68]

Interessanterweise erwaumlhnt Levi ben Gershom als erster Autor Todesopfer die

innerhalb der juumldischen Gemeinschaft als Folge der Vertreibung zu beklagen waren

Fast ein Jahrhundert spaumlter wohl in der ersten Haumllfte des 15 Jahrhunderts

beschreibt der in Spanien wohl in Tortosa lebende Mattityahu haYizhari ein

Nachkomme einer aus Suumldfrankreich stammenden Familie[69]

die Vertreibung der

Juden mit folgenden Worten

Es sprach Mattityahu Sohn des Moshe Sohn des Weisen Mattiyahu ha-Yizhari sein Andenken

sei zu Segen Viele Noumlte haben uns ereilt seit wir aus dem verheiszligenen Land vertrieben wurden

hellip tausende und zehntausende Juden hatten sich in Frankreich niedergelassen hellip und meine

Vorfahren siedelten in der Stadt Narbonne einer groszligen Stadt Gottes bis Verfehlungen zur

Vertreibung fuumlhrten Einige starben als Maumlrtyrer andere wurde uumlber die ganze Erde zerstreut und

das ganze Land Zarfat lag entbloumlszligt da [70]

Auch bei Levi ben Gershom steht die Zerstoumlrung der groszligen juumldischen Zentren

im Vordergrund Ein Grund fuumlr deren Untergang wird nicht eroumlrtert Ein

aumlhnliches Bild findet sich bei einem weiteren juumldischen Gelehrten aus dem

Beginn des 14 Jahrhunderts In seinem um das Jahr 1321 abgeschlossenen

Werk Even Bochan bemerkt der in Arles geborene juumldische Philosoph

Kalonymos ben Kalonymos (geb 1286)[71]

Als der Herrscher von der Stimmung erfasst wurde mein Volk ins Exil zu fuumlhren vor siebzehn

Jahren uumlberwand er sie in seinem Grimm und vertrieb sie mit starker Hand aus seinem Land

uumlberfuumlhrte sie in Staumldte nackt und mittellos die in ihren Palaumlsten viele Schaumltze von Gold besaszligen

um die Altehrwuumlrdigen ihrer Generation und ihre Prinzen zu vernichten und auszuloumlschen[72]

Die Erwaumlhnung der Enteignung der Juden durch die franzoumlsische Krone

verweist auf den tatsaumlchlichen Verlauf der Ausweisung und auf ihre

fiskalischen Motive[73]

Die auch vom Autor betonten finanziellen

Interessen des Herrschers werden jedoch nicht diskutiert Uumlberhaupt

bleiben die wenigen weiteren zeitgenoumlssischen Bemerkungen zur

Vertreibung sehr skizzenhaft und auch eng mit der Biographie ihrer

Verfasser verknuumlpft So schreibt R Menachem ha-Meiri (Vidal Salamon

Mayr) (geb 1249) der wenige Jahre nach der Vertreibung verstarb[74]

in

seiner Einleitung zur Auslegung des Traktates Avot

als Gott mich vom meinem Vaterhaus fortbrachte machte er meine Soumlhne zu Fluumlchtlingen und

meine Toumlchter fuumlhrte er in Gefangenschaft[75]

Die letzten bekannten Bemerkungen zur Vertreibung aus der

Generation der Zeitzeugen stammen aus der Feder des Dichters

und Philosophen Jedajah ben Abraham haPenini[76]

der in den

Staumldten Beacuteziers Montpellier und Perpignan lebte und um 1325

verstarb In einem Brief an den katalanischen Gelehrten Schlomo

Ibn Adret betonte der Autor wie sehr doch die Juden der Provence

ihre Tuumlren weit fuumlr die Exilierten geoumlffnet haumltten und viel dazu

beigetragen haumltten die Fluumlchtlinge aufzunehmen[77]

Auch in einem

Gedicht schloss der Autor Anspielungen zur Vertreibung der

franzoumlsischen Juden mit ein[78]

Hebraumlische Zeugnisse zur Vertreibung aus dem Norden des

franzoumlsischen Herrschaftsgebietes konnten bisher nicht

nachgewiesen werden Die hier aufgefuumlhrten hebraumlischen Quellen

zur Vertreibung der Juden aus den Herrschaftsgebieten des

franzoumlsischen Koumlnigs stammen ausschlieszliglich von Personen die

durch die Zerstoumlrung der juumldischen Zentren im suumldlichen Frankreich

betroffen waren Diese Uumlberlieferungen wurden schlieszliglich von der

hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts aufgenommen und in

ihre als Zyklen von Leiden und Verfolgung gestalteten Werken

eingearbeitet Itzchaq Abarbanel (gest vor 1550) scheint dabei der

entscheidende Protagonist bei der Schoumlpfung eines die Vertreibung

von 1306 beschreibenden juumldischen Narratives gewesen zu sein

auch wenn er sich nach seinen eigenen Angaben lediglich auf

Itzchak Profiat Duran genannt Efodi einen juumldisch-katalanischen

Autor des spaumlten 14 Jahrhunderts bezog So schreibt Abarbanel

bdquoIm Jahre 5066 (1306) der Zaumlhlung war die Vertreibung aus Frankreich Koumlnig Philipp war ein

grausamer und verfluchter Feind der alle Juden aus seinem Koumlnigreich vertrieb all ihren Besitz

enteignete und sie mittellos des Landes verwies Es gab dort viele groszlige Gemeinden doppelt so

viele (Juden) wie aus Aumlgypten auszogen hellip Und es war eine Zeit der groszligen Not fuumlr Israel hellip es

war im Monat Aw (13 Juli 1306-11 August 1306) und es war eine allumfassende Vertreibung hellipall

dies findet sich in der Schrift bdquoSichron ha-Shmadotldquo die von allen Zerstoumlrung berichtet die sich seit

der Zerstoumlrung des Tempels in Israel ereignet haben aufgeschrieben und redigiert von Efodildquo[79]

Der Autor weiszlig zu berichten unter welchem Koumlnig und in welchem Monat und Jahr die Vertreibung

stattfand Auf die Mittellosigkeit der juumldischen Fluumlchtlinge wird explizit hingewiesen die auf die

Auspluumlnderung durch den Koumlnig zuruumlckgefuumlhrt wird Auch eine Vorstellung von der Zahl der Exilierten

spiegelt sich im Text wider

Shlomo Ibn Verga uumlbernimmt den Text fast woumlrtlich fuumlr seine Chronik Shevet Yehudah und erweitert ihn

lediglich um die nicht belegbare Geschichte der Konversion der Gemeinde von Toulouse[80]

Ihm

folgen Samuel Usque[81]

und Yosef ha-Kohen[82]

So bieten die Erzaumlhltraditionen des 16

Jahrhunderts lediglich ein Geruumlst von Fakten die den Handlungsablauf der Vertreibung mit wenigen

Worten beschreiben Eine Begruumlndung der Vertreibung wird nicht genannt So entspricht die

Erzaumlhlarmut des Textes zur Vertreibung aus Frankreich innerhalb der hebraumlischen Chronistik des

16 Jahrhunderts der allgemeinen Quellenarmut der hebraumlischen Uumlberlieferungstradition zu diesem

Ereignis

Beziehung der Juden zum Herrscher

Anhand der Untersuchung von herrschaftlichen Bindungen der Juden soll im Folgenden verdeutlicht

werden wie sich ein ehemals funktionierendes Miteinander zu einem Zerbrechen eben dieses

Miteinanders mit dem Resultat der Vertreibung veraumlnderte Dazu werden die Herrschaftsstrukturen

mit ihren Veraumlnderungen zwischen dem Koumlnig beziehungsweise anderen christlichen

Herrschaftstraumlgern und den Juden in England und Frankreich analysiert In England siedelten sich

im Zuge der normannischen Eroberungen nach 1066 die ersten aus Frankreich stammenden Juden

an[83]

Seit dieser Zeit wurden sie in Dokumenten haumlufig als bdquoJuden des Koumlnigsldquo[84]

bezeichnet

Diesen exklusiven Anspruch konnte der Koumlnig bis zur Vertreibung durchsetzen auch wenn es

vereinzelt andere Herrschaftstraumlger gab die Macht uumlber Juden erlangten[85]

Die Juden waren dem

Koumlnig direkt unterstellt sie mussten ihm jede Geldforderung erfuumlllen im Gegenzug durften sie nach

ihrem Gesetz leben und ihren Wohnsitz frei waumlhlen[86]

Ein Privileg Richards I von 1190 erwaumlhnt

auszligerdem unter anderem das Recht der Juden auf Landbesitz und zollfreien Handel mit Wein[87]

Belastend fuumlr das Leben der Juden von England war das hohe Maszlig an Verwaltung das die

englischen Koumlnige geschaffen hatten um die Steuern effizient eintreiben zu koumlnnen Anlaumlsslich der

Kroumlnung Richards I im Jahre 1189 war es ausgehend von London zu Massakern an Juden in ganz

England gekommen Da die koumlnigliche Verwaltung nicht nachvollziehen konnte welche

Schuldscheine durch die Verfolgung vernichtet worden waren wurde als Reaktion 1194 ein

Archivsystem (archae) eingefuumlhrt das von nun an alle Geldgeschaumlfte sowie alle Juden mit ihrer

Finanzkraft verzeichnete[88]

Unter Heinrich III (1216-1272) aumlnderte sich der rechtliche Status der

Juden Im Jahr 1253 erlieszlig der Koumlnig ein Mandat das den Juden unter anderem verbot neue

Synagogen zu errichten christliche Bedienstete oder sexuelle Kontakte mit Christen zu haben und

Kirchen zu betreten Wichtigster Punkt war jedoch dass Juden nun ihren Wohnort nicht mehr frei

waumlhlen sondern nur noch dort leben durften wo bereits Juden ansaumlssig waren[89]

Viele der hier

formulierten Mandate waren im IV Laterankonzil von 1215 als verbindliche Verbote fuumlr die Juden in

der christlichen Welt festgelegt worden und fanden nun ihre Umsetzung Daneben stieg die

Besteuerung seit den 1240er Jahren stetig an wodurch die Finanzkraft der Juden bereits deutlich

geschwaumlcht wurde[90]

Im Falle Edwards I zeigte sich schlieszliglich dass die starke Bindung der Juden

an den Koumlnig die den Juden in fruumlheren Jahren zunaumlchst Unabhaumlngigkeit und Wohlstand gebracht

hatte nun ihren Ruin und schlieszliglich ihre Vertreibung bewirkte Der Koumlnig hatte bei Maszlignahmen die

die Juden betrafen kaum Widerspruch zu befuumlrchten zu eindeutig definiert war seine Machstellung

den Juden gegenuumlber In Frankreich unterstanden die Juden dem Herrn ihres jeweiligen Gebiets

der Koumlnig von Frankreich herrschte also nur in der Krondomaumlne uumlber die Juden des Koumlnigreiches[91]

Die Juden waren an ihr angestammtes Territorium gebunden und durften dieses nur mit der

Erlaubnis ihres Landesherrn verlassen Dieses Prinzip reicht bis in die Zeit von Philipp II August

(1180-1223) zuruumlck und wurde seit der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne 1198 in

verschiedenen Vereinbarungen mit anderen franzoumlsischen Territorialherren vertraglich fixiert[92]

Schon bei der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne kam es zu Irritationen da Philipp II

die 1182 vertriebenen Juden nach wie vor als bdquoseine Judenldquo ansah diese Auffassung aber

beispielsweise von Graf Theobald III von Campagne nicht geteilt wurde Er fuumlrchtete Steuerausfaumllle

und war der Meinung dass Juden die sich 1182 in der Champagne niedergelassen hatten nicht

mehr die Juden des Koumlnigs seien[93]

Auch andere Landesherren weigerten sich dem Wegzug ihrer

Juden in die Krondomaumlne zuzustimmen[94]

Auch erste Schritte eines buumlrokratischen Umgangs mit

den Geldgeschaumlften der Juden waren 1198 durch Philipp II August vorgenommen worden

moumlglicherweise beeinflusst durch die archae die in England 1194 unter Koumlnig Richard I eingerichtet

worden waren um die Geldgeschaumlfte und die Finanzkraft der Juden zu dokumentieren In jedem Ort

der Krondomaumlne gab es spezielle Beamte die die Kreditvertraumlge der Juden siegelten und so

kontrollierten wem die Juden welche Betraumlge an Geld liehen[95]

Auch den Juden konnte dieses

Verfahren als Sicherheit fuumlr ihre Geschaumlfte dienen Unter Ludwig VIII (1223-1226) kam es zum

ersten Eingriff in die Geldgeschaumlfte der Juden im franzoumlsischen Gebiet 1223 erlieszlig der Koumlnig

zusammen mit diversen Landesherren ein Statut in dem festgelegt wurde dass die Ruumlckzahlung

aller Schulden bei Juden an insgesamt neun Terminen an die koumlnigliche beziehungsweise

landesherrliche Schatzkammer erfolgen sollte Die Praxis des Siegelns von Urkunden uumlber

Darlehensvergaben wurde abgeschafft Erneut wurde festgehalten dass keiner der Herrscher Juden

eines anderen Herrschers bei sich aufnehmen duumlrfe wobei es bei diesem Punkt wieder zu

Unstimmigkeiten mit dem Grafen der Champagne kam der die Erklaumlrung nicht unterschrieb[96]

Bereits die ersten Jahre der Regierungszeit Ludwigs IX (1226-1270) brachten fuumlr die Juden weitere

Beschwerlichkeiten und erste direkte Aktionen gegen den Wucher Im Jahr 1227 kam es zu einer

erneuten Aneignung der ausstehenden Schulden bei Juden 1228 erging ein Mandat in dem Ludwig

IX befahl bei kuumlnftigen Geldgeschaumlften auf Zinsen zu verzichten Auszligerdem erklaumlrte der Koumlnig bei

Geldgeschaumlften die seit der Schuldentilgung ein Jahr zuvor geschlossen wurden alle Zinsen fuumlr

unguumlltig[97]

Auch die generelle Rechtsstellung der Juden wurde schon fruumlh in der Regierungszeit

Ludwigs IX definiert wobei es bei der alten Regelung blieb Im Statut von Melun hielten der Koumlnig

und die Landesherren daran fest dass die Juden tamquam proprii servi an das jeweilige Territorium

gebunden waren Christliche Schuldner wurden dazu aufgerufen ihre Schulden bei Juden zu

bezahlen nicht aber die Zinsen[98]

Die 1240er Jahre waren in Frankreich gepraumlgt vom Pariser

Talmudprozess in dem der Talmud als ketzerische Schrift verurteilt und danach oumlffentlich verbrannt

wurde[99]

Dies fuumlhrte unter anderem zu einer verstaumlrkten Auswanderung juumldischer Eliten aus

Nordfrankreich[100]

Insgesamt aumlnderte sich der rechtliche Status unter Ludwig IX nicht aber fruumlher

als die Herrscher in England nahm Ludwig IX der 1290 heilig gesprochen wurde den Kampf gegen

den Wucher auf Einige Aktionen Koumlnig Philipps IV (1285-1314) waumlhrend seiner ersten

Regierungsjahre in Bezug auf die Juden muumlssen vor dem Hintergrund der Vertreibungen gesehen

werden die sich in Regionen auszligerhalb der Krondomaumlne ereigneten so beispielsweise die

Ausweisung der juumldischen Fluumlchtlinge durch Philipp IV im Jahre 1291[101]

Daneben ist eine

konsequente Linie den Juden gegenuumlber nicht zu erkennen 1285 erneuerte er beispielsweise ein

Privileg zum Schutz von Synagogen und Friedhoumlfen zugleich bestaumltigte er die Pflicht der Juden ein

spezielles Abzeichen an ihrer Kleidung zu tragen[102]

Beides sind Zeichen dafuumlr dass der Koumlnig zu

dieser Zeit nicht daran dachte die Juden auszuweisen sondern das Leben der Juden rechtlich zu

definieren Vorrangiges Ziel Philipps IV war es zunaumlchst seine Oberherrschaft uumlber die Juden im

Suumlden zu sichern wo diese nicht von allen Baronen anerkannt wurde Die Herrschaft in der

Champagne hatte er sich durch Heirat bereits gesichert Dort in Troyes kam es 1288 zu einer

Mordanklage in deren Folge 13 Juden hingerichtet wurden wobei der Koumlnig ihre Besitztuumlmer

einzog[103]

Groumlszligeren Einfluss auf den Koumlnig scheint die Hostienschaumlndungbeschuldigung 1290 in

Paris gehabt zu haben Philipp IV warnte die Juden vor weiteren Hostienschaumlndungen und

spendete ein Haus neben der Kirche die zum Gedenken an den Fall errichtet worden war[104]

Wie

sein Groszligvater Ludwig IX setzte Philipp IV den Kampf gegen den Wucher fort verbot ihn 1299 und

1303 daneben wurde auch das Verbot des Neubaus von Synagogen sowie des Talmuds bei diesen

Gelegenheiten erneuert[105]

In einer konzentrierten und laumlnger vorbereiteten Aktion lieszlig Philipp IV

dann die Juden (oder jedenfalls die Familienvorstaumlnde) vermutlich am 22 Juli 1306 festsetzen Dies

diente dazu eine genaue Aufstellung der Judenguumlter vorzunehmen und um sich die ausstehenden

Schuldscheine zu sichern Gleichzeitig bedeutete es das Ende der juumldischen Siedlung in Frankreich

bis zu ihrer Wiederzulassung unter Ludwig X im Jahr 1315

Sowohl bei der Vertreibung aus England als auch der aus Frankreich zeigt sich die Gefahr die die

Abhaumlngigkeit der Juden vom Herrscher barg Vor allem in England hatte die privilegierte Position fuumlr

Wohlstand und ein groszliges Maszlig an innerer Autonomie etwa in der Rechtssprechnung oder in bezug

auf die Freizuumlgigkeit gesorgt[106]

Sie schuumltzte die Juden jedoch nicht immer vor Gealtakten wie den

seit der Mitte des 12 Jahrhunderts immer wieder vorkommenden Ritualmordvorwuumlrfen In

Frankreich verschlechterten sich ihre Lebensumstaumlnde mit der Ausbreitung der Krondomaumlne War

es 1182 noch ein geringes Problem fuumlr die Juden eine neue Heimat zu finden und von anderen

franzoumlsischen Landesherren wohlwollend aufgenommen zu werden war dies 1306 nicht mehr

moumlglich Die Herrscher nahmen die theologischen Diskurse uumlber den Wucher oder den Talmud auf

und wurden des weiteren beeinflusst durch antijuumldische Blut- und Hostienschaumlndungsvorwuumlrfe

Auch wirtschaftliche Uumlberlegungen haben eine Rolle gespielt ebenso mag es eine Dynamik

gegeben haben angestoszligen durch die weiteren Vertreibungen in dieser Umbruchszeit in der sich

jeder Herrscher damit profilieren wollte und konnte die Juden zu vertreiben

Die allgemeine Verurteilung des Wuchers

Obwohl gerade in der hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts verstaumlrkt die finanziellen Interessen vor

allem des franzoumlsischen Koumlnigs als Motiv der Vertreibung hervorgehoben wurde folgte die zeitnahe

Argumentation einer innerjuumldischen Perspektive anderen Erklaumlrungsmustern So gilt es zumindest

im Falle der Vertreibung aus England festzuhalten dass sich unter den Juden die Vorstellung

verbreitete das Fehlverhalten einzelner Juden haumltte die Ausweisung von 1290 wie auch andere

Vertreibungen mit verursacht Doch laumlsst sich im Wuchervorwurf gegenuumlber den Juden - dem

durchgaumlngigen Argument der Vertreibungen im 13 Jahrhundert - nicht etwa eine vordergruumlndige

falsche Praxis des Geldverleihs als ausloumlsendes Moment vermuten wie dies gelegentlich auch von

christlicher Seite von den Zeitgenossen vertreten wurde[107]

Vielmehr begann sich seit dem 12

Jahrhundert unter christlichen Gelehrten und weltlichen Herrschern ein theologisches Verstaumlndnis

bezuumlglich des Wuchers durchzusetzen das der wirtschaftlichen Taumltigkeit der Geldleihe auch in den

Haumlnden der Juden keine geduldeten Nische zuzuweisen bereit war[108]

Wucher wurde nun nicht

mehr als Suumlnde gegen den Naumlchsten aus mangelndem Mitgefuumlhl betrachtet und als turpe lucrum

(schaumlndlicher Profit) definiert sondern als Suumlnde gegen die iustitia[109]

Gemaumlszlig dieser Vorstellung

waren alle Wuchergewinne Diebesgut und muszligten zuruumlckgegeben werden Viel schwerer wog die

Feststellung daszlig sich die nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger durch ihre Besteuerung der Juden am

Wuchergewinn der Juden beteiligten und sich darum der gleichen Suumlnden schuldig machten[110]

Somit wurde auf demselben Wege der fuumlrstliche oder koumlnigliche Judenschutz die Legitimation

entzogen Die voumlllige Unterbindung des juumldischen Geldhandels schien darum fuumlr die meisten

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger der einzig richtige Weg wie dies bereits die im Namen Koumlnig

Ludwigs IX verkuumlndete ordenance von Melun 1230 forderte[111]

Als letzte Konsequenz blieb die

Ausweisung der Juden aus immer mehr Herrschaften des franzoumlsischen Koumlnigreiches und

schlieszliglich der Kronlande Das Zerbrechen des Miteinanders von Juden und Christen innerhalb des

franzoumlsischen Koumlnigreiches sowie die schrittweise Aufloumlsung bzw Zerschlagung des

jahrhundertealten juumldischen Siedlungsnetzes muszlig auf die juumldischen Gemeinschaften der

benachbarten Regionen so z B in den Rheinlanden verstoumlrend und beaumlngstigend gewirkt haben

Der dieser Vertreibung zugrundeliegende theologische Diskurs zu Geldhandel und Wucher und die

daraus resultierenden Folgen fuumlr die eigene juumldischen Existenz scheint jedoch nur einen geringen

Einfluszlig auf die Wahrnehmung ihrer eigenen Situation gehabt zu haben Im Zuge der Vertreibung der

franzoumlsischen Juden im Sommer und Herbst 1306 waren juumldische Fluumlchtlinge in die deutschen

Rheinlande gelangt[112]

Wohl wenige Monate spaumlter trafen in Worms die Delegierten des dortigen

Gemeindebezirkes die Vertreter der die Wormser Gemeinde und der sie umgebenden juumldischen

Niederlassungen auf einer Versammlung zusammen Auf diesem juumldischen Landtag sollte eine

Rechtssatzung eine Takkanah verabschiedet werden die die Praxis der juumldischen Geldleihe im

Einzugsgebiet der Gemeinde Worms sowie das Verhalten gegenuumlber hochverschuldeten Kunden

neu regelte[113]

In der Zusammenkunft der Haumlupter des Volkes im bdquoLand Wormsldquo im Jahr 67 des sechsten Jahrtausends

(10 Sept 1306 - 28 Augutst 1307) weil sich wegen unserer groszliger Verfehlungen die Noumlte der

Soumlhne unseres Volkes vermehrten durchforschten wir unsere Taten und fanden dass seit einiger

Zeit ein Schwert die Seele der Elenden und Reinen auffraszlig weil sie Vermoumlgen vermehrt hatten

durch Zins und Zinseszins von den Fuumlrsten der Nichtjuden Diese schuldeten ein Riesenvermoumlgen

den Familienvorstaumlnden Sie schmiedeten Raumlnke sich auf die Juden zu stuumlrzen und sie zu

uumlberfallen um sich von ihren Schulden zu befreien Wir haben beschlossen dass man keine

Erhoumlhung hinzufuumlgen darf und jedem Mann und jeder Frau nicht gestattet werden soll irgend einem

Nichtjuden einem einzelnen Schuldner mehr als 100 Pfund Hallisch zu leihen Und wenn der

Zeitpunkt der Schuldruumlckzahlung gekommen ist soll es nicht mehr gestattet sein die Zinsschuld der

Schuldsumme zuzuschlagen sondern man soll aus der Hand des Schuldners die ganze Schuld

einziehen Und wenn man nicht die ganze Schuld von ihm einziehen kann soll man sich nicht

hindern lassen wenigstens den Zins einzuziehen Nur soll man den Schuldner nicht mit List

uumlbervorteilen Und wenn es nicht gelingt irgend etwas einzuziehen dann soll man dies dem Rat

seiner Gemeinde mitteilen und nach deren Geheiszlig soll man handeln Was das Schuldgeschaumlft der

fuumlrstlichen Schuldner betrifft deren Schulden sich schon vermehrt haben und die niemand mehr

begleichen kann Die Glaumlubiger sollen sich huumlten sie mit hohen Zinsen zu belasten denn es sind

Komplotte zu befuumlrchten was Gott verhuumlten moumlge Schon einige Personen haben sich

zusammengeschlossen und dies gerade nicht bei den Fuumlrsten sondern bei den Klerikern und den

Buumlrgern [114]

Offenkundig standen den Delegierten die befuumlrchteten Konsequenzen der Geldleihe deutlich vor

Augen Wohl ebenso eingeschuumlchtert durch die in Frankreich vollzogene Vertreibung der Juden

wurden von seiten der Juden eigene Verfehlungen aber auch unguumlnstige Machtkonstellation

beobachtet die im Falle der franzoumlsischen Juden zu deren Untergang gefuumlhrt hatten Die

Beziehungen von Juden und Christen steckten auch in den Rheinlanden in den eingangs genannten

Bereichen von Wirtschaft Herrschaft und Religion in einer tieferen Krise Die auf dem

Versammlung von Worms beschlossenen Gegenmaszlignahmen blieben auf die juumldischen Teilnehmer

beschraumlnkt Zuruumlckhaltung gegenuumlber den christlichen Kunden Demut gegenuumlber Gott und das

Flehen um sein Erbarmen was mit guten Werken unterstuumltzt werden soll Eine direkte Verhandlung

mit den christlichen Herrschaftstraumlgern war nicht mehr vorgesehen Das gegenseitige Vertrauen

zwischen Juden und Christen war verschwunden in einer Zeit in der nicht mehr Koexistenz sondern

vor allem von Seiten der Juden die Sorge um die eigene Zukunft das eigene Handeln bestimmte

Zusammenfassung

Die Vertreibung der Juden aus England hatte innerhalb des juumldischen Kontextes noch zu Ansaumltzen der

Selbstreflexion gefuumlhrt die einen konkreten Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Vertretern

der juumldischen Seite und den politischen Entscheidungen der nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger

gegenuumlber der eigenen Gruppe erkennen mochten Dennoch waumlhnte man sich weiterhin in einem

rechtlich voumlllig abgesicherten Verhaumlltnis zur christlichen Umwelt Man war sich eines besonderen

Status innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft bewuszligt der in den Augen der Juden in

keiner Weise gefaumlhrdet schien Noch in der zweiten Haumllfte des 13 Jahrhunderts definierte Meir ben

Baruch (gest 1293) die Stellung der Juden im Reich als die eines freien Landbewohners der sein

Land nicht aber seine persoumlnliche Freiheit verloren hat [115]

Er sei darum nicht wie die Nichtjuden

den Fuumlrsten unterworfen und zu Steuerzahlungen verpflichtet Diese Konstruktionen erinnern stark

an die noch im 12 Jahrhundert in Frankreich vertretenen Rechtsauffassungen eines Itzchaq ben

Shmuel von Dampierre (gest ca 1185)[116]

der ebenfalls die Freiheit der Juden im Vergleich zu den

Nichtjuden hervorhebt ihre voumlllige Bewegungsfreiheit im Gegensatz zu an die Scholle gebundenen

Nichtjuden betont und die Juden ebenfalls aus der Rechtspraxis herausnimmt die dem

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger gestattet bei Abwanderung von Personen deren beweglichen

Besitz einzuziehen[117]

Nach juumldischer Auffassung folgten die Interaktionen zwischen Juden und

Christen nach Regeln die von beiden Seiten anerkannt waren Das jedoch sich dies Regelwerk zu

ungunsten der Juden verhaumlndert haben mochte daszlig die eigene Bewegungsfreiheit inzwischen mehr

und mehr eingeschraumlnkt wurde die besonderen Steuergesetzgebung seit den Aumluszligerungen des

Itzchak von Dampiegravere sich erheblich veraumlndern hatte und damit nach daszlig Verhaumlltnis zur christlichen

Umwelt nun erheblichen Umwaumlltzungen unterworfen war wurde wie die Aumluszligerung Meirs nahelegt

weder reflektiert noch einigermaszligen registriert

Das Verhalten der franzoumlsischen Juden Angesichts ihrer Vertreibung ist darum keinesfalls verwunderlich In

den wenigen juumldischen Selbstzeugnisse zur Vertreibung der franzoumlsischen Juden finden sich keine

Spuren die auf einen Prozess der Selbstreflexion schlieszligen lassen Die Frage der Motivation zur

Vertreibung der Juden wird soweit dies die Quellen erkennen lassen nicht diskutiert Der

offenkundige theologische Diskurs zur Unrechtmaumlszligigkeit des auf Zinsen geleisteten Geldverleihs

dem die juumldischen Gemeinschaft im franzoumlsischen Koumlnigreich letztlich zum Opfer fiel wird

nirgendwo rezipiert Man koumlnnte den Eindruck gewinnen dass sich den franzoumlsischen Juden die

Gefaumlhrlichkeit der Diskussion um den Wucher zu keinem Zeitpunkt erschloss Auch in den

konstruierten Narrativen der folgenden Generationen steht die auch fuumlr den einzelnen Juden

folgenreiche finanzielle Auspluumlnderung durch die franzoumlsische Krone im Vordergrund Allerdings

zeigt die Quelle aus dem rheinischen Kontext dass zumindest nach der Vertreibung aus dem

franzoumlsischen Koumlnigreich im Jahre 1306 unter den rheinischen Juden bestimmte Formen der

Geldleihe als Element der Selbstgefaumlhrdung wahrgenommen wurde Dabei macht die Uumlberlieferung

der Wormser Versammlung auch deutlich das die Zerruumlttung des Verhaumlltnisses von Juden und

Christen auch von juumldischer Seite nicht mehr geleugnet werden konnte Dass es sich dabei nicht nur

um eine wirtschaftliche Auseinandersetzung sondern zunaumlchst um einen christlichen theologischen

Diskurs handelte der sich gaumlnzlich juumldischem Handeln entzog scheint den Protagonisten der

Wormser Gemeinde nicht zugaumlnglich gewesen sein Ohne zu erkennen dass die Geldleihe und

somit die eigene wirtschaftliche Existenz gaumlnzlich in Frage gestellt werden koumlnnte versuchten die

Vertreter der Wormser Versammlung durch einzelne Maszlignahmen die Beziehungen zur christlichen

Umgebung zu entlassten um Gefahren von der eigenen Gemeinschaft abzuwenden Auf diese

Weise wurden die Juden im Westen Europas mehr und mehr wirtschaftlichen und theologischen

Dynamiken ausgesetzt die sich jenseits der juumldischen Wahrnehmung auszuformen begannen und

schlieszliglich in die Verdraumlngung der Juden muumlnden sollten die in der Vertreibung von England und

Frankreich ihren Anfang nahm

Rainer Barzen Lennart Guumlntzel

1 uarr Vgl zu Frankreich Chazan Jewry (1973) 154-207 Jordan Monarchy (1998) 177-261 Zu

England Hyams Jews (1996) 173-192 Mentgen Vertreibungen (1997) 11-53 Mundill England

(1998)

2 uarr Chazan Jewry (1973) 63-100 Ders Church (1980) 312f Jordan Monarchy (1998) 23-38

3 uarr Zur Geschichte der Juden unter Ludwig IX vgl Chazan Jewry (1973) 100-153

4 uarr Die Vorbildfunktion Ludwigs IX vor allem in Hinblick auf den Kampf gegen den Wucher erwaumlhnt

Cluse Zusammenhang (1999)135ndash163

5 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

6 uarr Chazan Church (1980) 313-317

7 uarr Florentii Wigorniensis 214f

8 uarr Ebd 212

9 uarr Chazan Church (1980) 317-319

10 uarr Aufstellung der Chroniken bei Abrahams Expulsion (1895) 449f

11 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

12 uarr Ordonnances 317

13 uarr Jordan nennt als Beispiel die Ortschaft Niort die ihre Juden vertreiben konnte Jordan Monarchy

(1998) 183

14 uarr Ebd 184f

15 uarr Ebd 184

16 uarr Ebd 183f

17 uarr Zu den Motiven Philipps IV siehe Mentgen Vertreibungen (1997) 46-49 Schwarzfuchs

Expulsion (1967) 485f

18 uarr Uumlber den generellen Wucherdiskurs siehe unten Kapitel V2

19 uarr Close Rolls Edward I 109

20 uarr Annales de Waverleia 409 ldquo(hellip) Judaeorum (hellip) quae per diversas urbes et castra regionis

Anglicanae per retroacta tempora habitabat confidenter procurante domina Alienora matre dicti

regis Angliae jussa est per edictum regium (hellip)rdquo

21 uarr Annales de Dunstaplia 361-362bdquo (hellip) propter blasphemias quas Judaei saepe faciebant fidei

Christianae statuit rex ut omnes Judaei cum semine suo et substancia ab Anglia pellerentur (hellip)rdquo

22 uarr Ebd bdquo(hellip) et concessit eis rex salvum conductum In ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt

submersi per vim et fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

23 uarr Zum Verhaumlltnis von Dominikanern und Juden zu dieser Zeit vgl Cohen Friars (1982) sowie

Ders Letters (1999)

24 uarr Florentii Wigoriensis 214

25 uarr Uumlber ein moumlgliches Interesse des Adels an der Vertreibung der Juden siehe Mentgen

Vertreibungen (1997) 27-30

26 uarr Annales de Dunstaplia 361-362 bdquoIn ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt submersi per vim et

fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

27 uarr Pierre de Langtoft II 186 bdquoThomas de Wilaund en baunk primer nomeacute par agarde de la court le

regne ad forjoreacute et en la terre de France sanz repairer aleacute Ses compayons ses clercs sunt pris e

meneacute a la thour de Loundres delivreacutes par moneacuteldquo

28 uarr Ebd 188 bdquoPur le quinzme dener al rays en ayeldquo

29 uarr Ebd bdquoOre sunt alez en France e en Pykardye Tutes lur dettes e lur manauntye Sunt salves al

ray dunt fere sa curtaysyeldquo

30 uarr Oumlsterreichische Reimchronik Verse 91239-91777 1186-1192ldquo die dritten vorderungdie an den

Franzois junctet der kunic Albrehter jach die Juden ze rehtgehocircren daz ricircche an und ander nieman

()ldquo Zu dieser Quelle vgl Ziwes Studien (1995) 33f Anm 16

31 uarr Prima Vita Clementis V 5

32 uarr Quarta Vita Clementis V 62bdquo Anno Domini MCCCVJ in festo sancte Marie Magdalene de

mandato et ordinatione regis Francie fuerunt capti omnes Judei ubique in regno Francie quasi

imperceptibiler una die et confiscata sunt bona ipsorum quecumque potuerunt inveniri fueruntque

a regno expulsi ulterius minime reversurirdquo Vgl auch Sexta Vita Clementis V 92-93bdquo Et etiam in

isto anno in die sancte Marie Magdalene omnes Judei de regno Francie congediati [congregati]

fuerunt et eorum bona omnia extiterunt confiscatardquo

33 uarr Continuatio Guilelmi de Nangis 59 bdquoMense Augusto Rex Philippus omnes Judaeos de Regno

Franciae penitus amp omnino fecit expelli certum regressionis terminum sub poena mortis praesigens

eisdemrdquo

34 uarr Florentii Wigoriensis 192 ldquoBarones cum Londoniensibus Judaismum Londoniae spoliaverunt

multis Judaeis interfectisldquo Siehe auch Mundill England (1998) 41

35 uarr Florentii Wigoriensis 210ldquo Rex die Sancte Calixti synagogam Judaeorum in villa Londoniensi

fratribus de Poenitentia contulit Jesu Christi ()ldquo

36 uarr Ebd 222bdquoApud Norhamtonam () puer quidam a Judaeis crucifixus estrdquo

37 uarr BennerReverchon Juden (2003) 181

38 uarr Rubin Tales (1999) 40-48

39 uarr Mentgen Vertreibungen (1997) 42-44

40 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 64f sieht den Muumlnzbeschneidungsskandal als Folge der Verarmung

der Juden Eine andere Meinung vertritt Mundill England (1998) 195-198 der vor allem auf eine

erfolgreiche Rolle der Juden im Wollhandel verweist

41 uarr Florentii Wigoriensis 221ldquo Rex omnes Judaeos et quosdam Christianos de retonsura aut alia

monetae falsatione convictos fecit suspensi Unde Londoniae CCLX et VII Judaei mortis judicium

subierunt Quidam autem relegati quidam etiam eorum perpetuo sunt carceri adjudicati et quidam

in Anglia remanseruntrdquo Vgl auch Mundill England (1998) 67f sowie uumlber die Zahl der Opfer weiter

oben Anmerkung 36

42 uarr Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 S 20

43 uarr Nach der chronikalischen Uumlberlieferung waren es 267 bzw 269 hingerichtete Juden Eine

Auswertung der auszligerchronikalischen Quellen ergab die Zahl von 298 erhaumlngten Juden Rokeacuteach

Monex I (198890) 98

44 uarr Jordan Monarchy (1989) 182f

45 uarr rdquoVos autre fuistis Engles qui exiverunt de terra eorum quia rotundabatis monetamrdquo in

Shatzmiller Schlomo Ibn Verga (1988) 355 Ders Solidariteacute (1986) 423

46 uarr Shlomo Ibn Verga Shevet Yehudah Teil I (hebr) Teil II (dt Uumlbersetzung)(Edit Wiener) Shevet

Yehudah (Edit Shochat)

47 uarr Zu Leben und Werk Shlomo Ibn Vergas Baer Hearot (1934) 152-179

48 uarr Shevet Yehudah Nr 18 (hebr S 42-43 dt Uumlbers S 84-85) Shevet Yehudah (Edit Shochat)

S 66

49 uarr Shevet Yehudah Nr 20 (hebr 43-45 dt Uumlbers 86-89)

50 uarr Zu Yosef ha-Kohen und seinem Werk Loeb Josef Hacohen (1888) XVI 28-56 211-235 XVII

74-95 247-271

51 uarr Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (dt

Uumlbersetzung Wiener)

52 uarr Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) 38-39 (Edit Wiener) 41-42

53 uarr Usque Nachum Israel III (1908) XI-XIII Auch bei Gedalyah Ibn Yachjah Shalshelet ha-

Kabbalah (nach Graetz Geschichte VII (1897) 429 weitere Quellen Graetz ebd 426-430)

54 uarr Siehe Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 20a

55 uarr ldquoSie [die Dominikaner] brachten sogar Muumlnzsorten herbei die sie selbst zuhause beschnitten

hattenldquo Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) S 38 (Edit Wiener) 41

56 uarr Fuumlr vielerlei Hinweise zur hebraumlischen Uumlberlieferung der Vertreibung der franzoumlsischen Juden sei

Dr Abraham David Jerusalem herzlich gedankt

57 uarr Schwarzfuchs History (2001) 269-274 Ben-Shalom Communication (1991) 171-225

58 uarr Abba Mari ben Mose von Lunel Sefer Minchat Qenaot Nr 120 in Shlomo Ibn Adret Tshuvot II

835-836

59 uarr BT Berachot 70a Gemeint ist hier die Philosophie griechischer Tradition die von Abba Mari

besonders bekaumlmpft wurde Shlomo Ibn Adret Teshuvot Bd 2 835 Anmerkung zu Zeile 1 Abba

Mari brachte die Vertreibung der suumldfranzoumlsischen Juden mit deren Hinwendung zur griechischen

Philosophie in Verbindung Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 832 Anmerkung zu Zeile 8

60 uarr Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 835-836 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001) 273

61 uarr Jordan French Monarchy (1989) 195196

62 uarr Saige Juifs (1881) 92

63 uarr Jordan French Monarchy (1989) 205 Saige Juifs (1881) 101-102 308-319 324-325

64 uarr Zu Leben und Werk sowie zu seinem Aufenhalt im Lande Israel siehe Schwarzfuchs History

261 Elbaum Estori ha-Parhi S 918f

65 uarr Zur Bedeutung des hebraumlischen Begriffes Prowentzah der neben der heutigen Provence auch

das Languedoc miteinschloss siehe Gross Gallia Judaica (1887) 489 In diesem Sinne entspricht

Prowentzah der roumlmischen Provincia Narbonnensis In Kontext der Vertreibung der Juden im

Jahre 1306 kann nur das Languedoc gemeint sein

66 uarr Eshtori haParchi Kaftor waFerach 218

67 uarr Schwarzfuchs History (2001) 276-278 Dahan Gersonide (1991)

68 uarr Levi ben Gershom Pirush al ha-Torah

69 uarr Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 153-154

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

Allerdings bleibt eine Datierung dieses Ausspruches schwierig Meir hat zur Zeit der Ausweisung der

Juden aus England noch gelebt Die Form der Uumlberlieferung gibt allerdings keinen Hinweis der

darauf schlieszligen laumlszligt daszlig das Responsum zur Zeit verfaszligt wurde als sich Meir nach 1286 bis zu

seinem Tode bereits in Gefangenschaft aufhielt Letzteres haumltte zumindest wahrscheinlich werden

lassen daszlig Meir sich auf die Ausweisung der Juden bezog So kann der Ausdruck bdquoins Verderben

stuumlrzenldquo auch lediglich den eigentlichen Prozeszlig zum Muumlnzenbeschneidungsvorwurf 1279 und die

Folgen ndash die Hinrichtung von etwas weniger als 300 Juden[43]

Allerdings weist die Aumluszligerung Meirs die

Muumlnzbeschneider haumltten das Elend der Juden in Frankreich und England heraufbeschworen

wiederum in eine andere Richtung Der groszlige Prozeszlig fand in England nicht in Frankreich statt Erste

Vertreibungen von Juden ereigneten sich jedoch zunaumlchst auf dem franzoumlsischen Festland

(Gasgogne 1287)[44]

nicht in England Es spricht somit vieles dafuumlr daszlig Meir gerade auf jene

Vertreibung anzuspielen scheint und in diesem Zusammenhang den Muumlnzbeschneidungsvorwurf als

Ausloumlser fuumlr die Verfolgungen der Juden in England und Frankreich ansah Die Vertreibung der Juden

im Jahre 1306 aus den direkt den franzoumlsischen Koumlnig unterstellten Territorien konnte Meir nicht

gemeint haben Zu dieser Zeit war Meir ben Baruch schon zehn Jahre nicht mehr am Leben

Ein in den Quellen eindeutiger zu fassender Hinweis zur innerjuumldischen Einschaumltzung der Ereignisse

ist uns im Rahmen eines Vorfalls innerhalb einer suumldfranzoumlsisch-provenccedilalischen Gemeinde

uumlberliefert In der Stadt Manosque hatten nach 1290 innerhalb der juumldischen Gemeinde vertriebene

Juden aus England Aufnahme gefunden Allerdings blieben die englischen Juden als eigene Gruppe

auch waumlhrend der naumlchsten 50 Jahre wahrnehmbar was sich offenbar auch in innerjuumldischen

bdquolandsmannschaftlichenldquo Spannungen niederschlug So kam es im Jahre 1338 zwischen dem

einheimischen Juden Aronetus und dem zugezogenen Juden Creysonus von Chartres zu heftigen

Auseinandersetzungen bei denen Aronetus dem Chreysonus zurief bdquoIhr anderen wart die Englaumlnder

die ihr Land verlassen mussten weil ihr die Muumlnzen beschnitten habtldquo[45]

Selbstredend wollte der

ehemalige Fluumlchtling diese Behauptung nicht auf sich sitzen lassen und strebte den Prozeszlig an

Allerdings macht diese Auseinandersetzung auch klar daszlig die Verquickung des

Muumlnzbeschneidungsprozesses mit der Tatsache der Vertreibung in innerjuumldischen Kontext keine

unuumlbliche Argumentation gewesen sein wird

Hatte sich bereits im 14 Jahrhundert dieses Erklaumlrungsmuster als Begruumlndung der Vertreibung im

innerjuumldischen Gedaumlchtnis durchgesetzt Zumindest sollte diese Begruumlndung auch in den

hebraumlischen Chroniken des fruumlhen 16 Jahrhunderts eine entscheidende Rolle einnehmen Folgende

Darstellungen sind durch sephardische Chronisten des 16 Jahrhunderts bekannt Im Shevet

Yehudah[46]

des Shlomo Ibn Verga[47]

(Erstdruck 1550) einer hebraumlischen Chronik die die juumldische

Geschichte als eine Kette von Leiden klassifiziert werden die Ereignisse in England in folgenden

Erzaumlhlrahmen eingeordnet Nach kurzer Einfuumlhrung in die englischen Verhaumlltnisse wird eine

geforderte Bekehrung zum Christentum erwaumlhnt die aus den Quellen des 13 Jahrhunderts nicht

verifiziert werden kann Nach der Zuruumlckweisung dieses Bekehrungsversuchs wird den Juden

vorgeworfen daszlig sie Muumlnzen beschnitten haumltten Dieser wirtschaftliche Betrug fuumlhrte schlieszliglich

durch den Einfluszlig der Dominikaner zur Ausweisung der Juden[48]

Zwei Abschnitte spaumlter wird von

einer Bekehrung zum Judentum eines englischen Dominikaners berichtet was zweifellos die

Geschichte des im 13 Jahrhundert zum Judentum uumlbergetretenen Robert Reading wiedergibt Dem

Chronisten erscheint diese Episode Anlaszlig genug eine Reihe von Anfeindungen auch von Seiten der

Koumlnigin anzufuumlhren die in ihrer Summe schlieszliglich zur Vertreibung der Juden aus dem englischen

Koumlnigreich fuumlhrten[49]

In der Chronik des Yosef ha-Kohen[50]

Emeq ha-Bachah[51]

aus dem Jahre

1558 finden wir dasselbe Material in veraumlnderter Weise angeordnet Ein Vertreter des Predigerordens

verliebt sich in ein juumldisches Maumldchen tritt zum Judentum uumlber und heiratet es Die Dominikaner

beschuldigen vor dem Koumlnig daraufhin die Juden die Muumlnzen zu beschneiden um die Schande des

Glaubensabfalls ihres ehemaligen Mitbruders abzuwenden[52]

Auch in anderen Werken juumldischer

Chronistik aus dem 16 Jahrhundert findet die Episode des zum Judentum konvertierenden

Dominikaners Erwaumlhnung[53]

Obwohl die Chroniken des 16 Jahrhunderts als Belege fuumlr das Geschehen des 13 Jahrhunderts

nicht herangezogen werden koumlnnen so repraumlsentieren sie dennoch eine Tendenz der innerjuumldischen

Wahrnehmung die sich bereits im 13 wie im 14 Jahrhundert ankuumlndigte Hatte noch die christlicher

Uumlberlieferungstradition als Grund fuumlr die Vertreibungen vor allem die theologische Komponente der

Auseinandersetzung betont aber auch die Intervention anderer Herrschaftstraumlger angefuumlhrt so

bildete sich unter den Juden ein voumlllig anderes Erklaumlrungsmuster heraus In den juumldischen

Traditionsstraumlngen wurden die theologische Argumentation nicht rezipiert Dies gilt vor allem fuumlr das

groszlige Feld des Wuchervorwurfs der im Ausweisungsedikt 1290 zum Hauptargument werden sollte

Innerhalb der hebraumlischen Uumlberlieferung muszligten die Ursachen der Vertreibung konkreter fassbar

gemacht werden Zwei Narrative boten sich an die der juumldischen Traditionsbildung schluumlssig

erschienen Hierzu gehoumlrt der historisch gesicherte Prozeszlig zum Muumlnzbeschneidungsvorwurf der in

zeitnahen Dokumenten als gerechtfertigt[54]

in den Traditionen des 16 Jahrhunderts als Verleumdung

angesehen wurde[55]

Demgegenuumlber scheint dieser Prozess fuumlr die Begruumlndung der Ausweisung von

Seiten der christlichen Herrschaftstraumlger keine explizite Rolle gespielt zu haben Die Einbeziehung der

Geschehnisse um den zum Judentum konvertierten Dominikaner nehmen vor allem in den spaumlten

juumldischen Traditionen einen groszligen Stellenwert ein ohne daszlig sie innerhalb des christlichen Kontextes

fuumlr die Begruumlndung der Vertreibung irgend eine Rolle gespielt haumltten So bleiben Christen wie Juden

sich nur in der Tatsache einig dass Ihr Verhaumlltnis zueinander immer groumlszligeren Erschuumltterungen

unterworfen war Die Ursachen dieser Zerwuumlrfnisse konnten dabei durchaus unterschiedlichen

Kontexten zugeordnet werden

Frankreich[56]

Auch die Vertreibung der franzoumlsischen Juden hat in der hebraumlischen Uumlberlieferung nur wenig Spuren

hinterlassen Kein Text ist bekannt der sich ausschlieszliglich auf die Ereignisse der Vertreibung

beziehen wuumlrde Wie im englischen Fall zeugen nur verstreute Bemerkungen im Werk einzelner

juumldischer Gelehrter uumlber eine Resonanz innerhalb der juumldischen Gemeinschaft Eines dieser

Zeugnisse ist aus der Hand des Abba Mari ben Moshe von Lunel uumlberliefert einem Gelehrten der um

1300 vor allem in den polemischen Auseinandersetzungen um die Rezeption des Schriften des

Maimonides und der Frage nach dem Stellenwert philosophischer Studien in Erscheinung getreten

war[57]

In einem Brief[58]

schreibt er

Im Jahre 5066 (1306) der Zaumlhlung dies ist das Jahr welches die Suumlnde hervorgebracht hat[59]

verbreitete sich die Verfolgung (Gezerah) des Koumlnigs von Frankreich (Tzarfat) uumlber alle Juden in

allen Landen seines Koumlnigreiches aus sie aus ihren Haumlusern zu holen und ihnen all ihren Besitz

abzunehmen Alle sollten an einem bestimmten Tag festgesetzt werden jung und alt Frauen und

Kinder und diese sollte am Freitag am zehnten des Monats Aw (22 Juli 1306) geschehen und

man vertrieb sie aus dem Land Die Juden die in der Stadt Montpellier lebten wurden im Jahre

5067 im Monat Marcheshwan vertrieben (10 Okt-7 Nov 1306) Einige von ihnen begaben sich in

die Stadt Perpignan da sie sich des Sieges des Koumlnigs von Mallorca sicher waren dass er ihnen

aus der Hand des Koumlnigs den Aufenthalt und die Versorgung gewaumlhren wuumlrde Wieder andere

zogen weiter in die Provence hellip Und ich nachdem ich mich in die Provence ins Exil begeben

hatte in die Stadt Arles fuhr von dort fort und begab mich von dort in ein zweites Exil in die Stadt

Perpignan Ich kam dort an am ersten des Monats Shwat dem vierten Monat unseres Exils (5 Jan

1307)[60]

Abba Mari beschreibt als Zeitzeuge den politischen Kontext der Vertreibung der Juden im

Suumlden des franzoumlsischen Koumlnigreiches Die Beschreibung bleibt an sein eigenes Schicksal

gebunden Die Ausweisung der Juden umfasst auch das Languedoc das ebenfalls Teil des

direkten Herrschaftsbereichs des franzoumlsischen Koumlnigs Philipp des Schoumlnen geworden war Die

Vertriebenen wandten sich nun benachbarten nichtfranzoumlsischen Herrschaften zu der

Provence die zur Zeit der Vertreibung noch ein Teil des roumlmisch-deutschen Reiches war sowie

den Besitzungen des Koumlnigs von Mallorca zu denen Perpignan und teilweise auch Montpellier

zaumlhlten[61]

Zunaumlchst hatte der Koumlnig von Mallorca die Vertreibung der Juden aus Montpellier in

Opposition zum franzoumlsischen Koumlnig abgelehnt[62]

Die Juden hofften wie Abba Mari betont

dass dieser Widerstand von Dauer sein koumlnnte wurden jedoch enttaumluscht Im Februar 1309

willigte nach langen Verhandlungen auch der mallorquinische Koumlnig ein der Vertreibung der

Juden zuzustimmen[63]

In Territorien in denen er uneingeschraumlnkt seine Herrschaft ausuumlben

konnte wie etwa in Perpignan war den Juden der Aufenthalt weiterhin erlaubt so dass dorthin

wie in die Provence die Juden der Stadt Montpellier weiterzogen Abba Mari beschreibt die

lokalen politischen Zusammenhaumlnge der Vertreibungen der am Mittelmeer gelegenen

Territorien Er hebt dabei den Einfluss des franzoumlsischen Koumlnigs auf Herrschaftstraumlger

auszligerhalb seines Koumlnigreiches hervor nennt jedoch keinen Grund der das Verhalten des

franzoumlsischen Koumlnigs erklaumlrt haumltte Warum die franzoumlsischen Juden ihr Stammland verlassen

mussten wird nicht diskutiert

Ein weiterer Autor des fruumlhen 14 Jahrhunderts Eshtori ha-Parchi[64]

beschreibt in seinem Werk

Kaftor wa-Ferach kurz seine am eigenen Leib erfahrene Vertreibung der Juden aus dem

Suumlden des franzoumlsischen Koumlnigreichs

bdquoAuch erinnere ich mich an das Datum der Zerstoumlrung des kleinen Heiligtums naumlmlich die

Zerstoumlrung der Lehrhaumluser und Synagogen in Tzarfat (Nordfrankreich) und teilweise auch in der

Prowentzah (Suumldfrankreich hier Languedoc)[65]

Ich floh vom Schlachtfeld hellip im Jahre 5066 und

zwar am 10 Aw (22 Juli 1306)ldquo[66]

Eshtori ha-Parchi der sich schlieszliglich im Jahre 1313 im Lande Israel niederliess nennt

keine Begruumlndung der Ereignisse Die Bezeichnung der Vertreibung als Zerstoumlrung des

kleinen Heiligtums macht dem Leser deutlich welche Bedeutung den franzoumlsischen

Gelehrtenzentren vom Autor zugesprochen wurde die in dieser Ruumlckschau als

unwiederbringlich verloren betrachtet werden Eine weitere zeitnahe Notiz zur Vertreibung

der franzoumlsischen Juden laumlsst sich im Tora-Kommentar des Gelehrten R Lewi ben

Gershom (Ralbag) (1288-1344) finden Der Gelehrte der unter seinen nichtjuumldischen

Zeitgenossen auch unter der Bezeichnung Maestre Leo de Bagnol oder auch Magister

Leo Hebraeus bekannt war[67]

schreibt zum Wochenabschnitt Bechukotei (Lev 26 3 -

27 34)

Und wenn es in der Schrift heiszligt sbquoIhr geht unter den Voumllkern zugrunde und das Land euerer

Feinde friszligt euch aufrsquo (Lev 26 38) bezog sich dies auf die groszligen Noumlte unseres Volkes in denen

viele umgekommen sind eingeschlossen das Hinschlachten einiger in den heiligen Gemeinden

und die Vertreibung der Juden aus dem Lande Zarfat Doppelt so viele starben an Hunger und

Pestilenz als beim Auszug aus Aumlgypten[68]

Interessanterweise erwaumlhnt Levi ben Gershom als erster Autor Todesopfer die

innerhalb der juumldischen Gemeinschaft als Folge der Vertreibung zu beklagen waren

Fast ein Jahrhundert spaumlter wohl in der ersten Haumllfte des 15 Jahrhunderts

beschreibt der in Spanien wohl in Tortosa lebende Mattityahu haYizhari ein

Nachkomme einer aus Suumldfrankreich stammenden Familie[69]

die Vertreibung der

Juden mit folgenden Worten

Es sprach Mattityahu Sohn des Moshe Sohn des Weisen Mattiyahu ha-Yizhari sein Andenken

sei zu Segen Viele Noumlte haben uns ereilt seit wir aus dem verheiszligenen Land vertrieben wurden

hellip tausende und zehntausende Juden hatten sich in Frankreich niedergelassen hellip und meine

Vorfahren siedelten in der Stadt Narbonne einer groszligen Stadt Gottes bis Verfehlungen zur

Vertreibung fuumlhrten Einige starben als Maumlrtyrer andere wurde uumlber die ganze Erde zerstreut und

das ganze Land Zarfat lag entbloumlszligt da [70]

Auch bei Levi ben Gershom steht die Zerstoumlrung der groszligen juumldischen Zentren

im Vordergrund Ein Grund fuumlr deren Untergang wird nicht eroumlrtert Ein

aumlhnliches Bild findet sich bei einem weiteren juumldischen Gelehrten aus dem

Beginn des 14 Jahrhunderts In seinem um das Jahr 1321 abgeschlossenen

Werk Even Bochan bemerkt der in Arles geborene juumldische Philosoph

Kalonymos ben Kalonymos (geb 1286)[71]

Als der Herrscher von der Stimmung erfasst wurde mein Volk ins Exil zu fuumlhren vor siebzehn

Jahren uumlberwand er sie in seinem Grimm und vertrieb sie mit starker Hand aus seinem Land

uumlberfuumlhrte sie in Staumldte nackt und mittellos die in ihren Palaumlsten viele Schaumltze von Gold besaszligen

um die Altehrwuumlrdigen ihrer Generation und ihre Prinzen zu vernichten und auszuloumlschen[72]

Die Erwaumlhnung der Enteignung der Juden durch die franzoumlsische Krone

verweist auf den tatsaumlchlichen Verlauf der Ausweisung und auf ihre

fiskalischen Motive[73]

Die auch vom Autor betonten finanziellen

Interessen des Herrschers werden jedoch nicht diskutiert Uumlberhaupt

bleiben die wenigen weiteren zeitgenoumlssischen Bemerkungen zur

Vertreibung sehr skizzenhaft und auch eng mit der Biographie ihrer

Verfasser verknuumlpft So schreibt R Menachem ha-Meiri (Vidal Salamon

Mayr) (geb 1249) der wenige Jahre nach der Vertreibung verstarb[74]

in

seiner Einleitung zur Auslegung des Traktates Avot

als Gott mich vom meinem Vaterhaus fortbrachte machte er meine Soumlhne zu Fluumlchtlingen und

meine Toumlchter fuumlhrte er in Gefangenschaft[75]

Die letzten bekannten Bemerkungen zur Vertreibung aus der

Generation der Zeitzeugen stammen aus der Feder des Dichters

und Philosophen Jedajah ben Abraham haPenini[76]

der in den

Staumldten Beacuteziers Montpellier und Perpignan lebte und um 1325

verstarb In einem Brief an den katalanischen Gelehrten Schlomo

Ibn Adret betonte der Autor wie sehr doch die Juden der Provence

ihre Tuumlren weit fuumlr die Exilierten geoumlffnet haumltten und viel dazu

beigetragen haumltten die Fluumlchtlinge aufzunehmen[77]

Auch in einem

Gedicht schloss der Autor Anspielungen zur Vertreibung der

franzoumlsischen Juden mit ein[78]

Hebraumlische Zeugnisse zur Vertreibung aus dem Norden des

franzoumlsischen Herrschaftsgebietes konnten bisher nicht

nachgewiesen werden Die hier aufgefuumlhrten hebraumlischen Quellen

zur Vertreibung der Juden aus den Herrschaftsgebieten des

franzoumlsischen Koumlnigs stammen ausschlieszliglich von Personen die

durch die Zerstoumlrung der juumldischen Zentren im suumldlichen Frankreich

betroffen waren Diese Uumlberlieferungen wurden schlieszliglich von der

hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts aufgenommen und in

ihre als Zyklen von Leiden und Verfolgung gestalteten Werken

eingearbeitet Itzchaq Abarbanel (gest vor 1550) scheint dabei der

entscheidende Protagonist bei der Schoumlpfung eines die Vertreibung

von 1306 beschreibenden juumldischen Narratives gewesen zu sein

auch wenn er sich nach seinen eigenen Angaben lediglich auf

Itzchak Profiat Duran genannt Efodi einen juumldisch-katalanischen

Autor des spaumlten 14 Jahrhunderts bezog So schreibt Abarbanel

bdquoIm Jahre 5066 (1306) der Zaumlhlung war die Vertreibung aus Frankreich Koumlnig Philipp war ein

grausamer und verfluchter Feind der alle Juden aus seinem Koumlnigreich vertrieb all ihren Besitz

enteignete und sie mittellos des Landes verwies Es gab dort viele groszlige Gemeinden doppelt so

viele (Juden) wie aus Aumlgypten auszogen hellip Und es war eine Zeit der groszligen Not fuumlr Israel hellip es

war im Monat Aw (13 Juli 1306-11 August 1306) und es war eine allumfassende Vertreibung hellipall

dies findet sich in der Schrift bdquoSichron ha-Shmadotldquo die von allen Zerstoumlrung berichtet die sich seit

der Zerstoumlrung des Tempels in Israel ereignet haben aufgeschrieben und redigiert von Efodildquo[79]

Der Autor weiszlig zu berichten unter welchem Koumlnig und in welchem Monat und Jahr die Vertreibung

stattfand Auf die Mittellosigkeit der juumldischen Fluumlchtlinge wird explizit hingewiesen die auf die

Auspluumlnderung durch den Koumlnig zuruumlckgefuumlhrt wird Auch eine Vorstellung von der Zahl der Exilierten

spiegelt sich im Text wider

Shlomo Ibn Verga uumlbernimmt den Text fast woumlrtlich fuumlr seine Chronik Shevet Yehudah und erweitert ihn

lediglich um die nicht belegbare Geschichte der Konversion der Gemeinde von Toulouse[80]

Ihm

folgen Samuel Usque[81]

und Yosef ha-Kohen[82]

So bieten die Erzaumlhltraditionen des 16

Jahrhunderts lediglich ein Geruumlst von Fakten die den Handlungsablauf der Vertreibung mit wenigen

Worten beschreiben Eine Begruumlndung der Vertreibung wird nicht genannt So entspricht die

Erzaumlhlarmut des Textes zur Vertreibung aus Frankreich innerhalb der hebraumlischen Chronistik des

16 Jahrhunderts der allgemeinen Quellenarmut der hebraumlischen Uumlberlieferungstradition zu diesem

Ereignis

Beziehung der Juden zum Herrscher

Anhand der Untersuchung von herrschaftlichen Bindungen der Juden soll im Folgenden verdeutlicht

werden wie sich ein ehemals funktionierendes Miteinander zu einem Zerbrechen eben dieses

Miteinanders mit dem Resultat der Vertreibung veraumlnderte Dazu werden die Herrschaftsstrukturen

mit ihren Veraumlnderungen zwischen dem Koumlnig beziehungsweise anderen christlichen

Herrschaftstraumlgern und den Juden in England und Frankreich analysiert In England siedelten sich

im Zuge der normannischen Eroberungen nach 1066 die ersten aus Frankreich stammenden Juden

an[83]

Seit dieser Zeit wurden sie in Dokumenten haumlufig als bdquoJuden des Koumlnigsldquo[84]

bezeichnet

Diesen exklusiven Anspruch konnte der Koumlnig bis zur Vertreibung durchsetzen auch wenn es

vereinzelt andere Herrschaftstraumlger gab die Macht uumlber Juden erlangten[85]

Die Juden waren dem

Koumlnig direkt unterstellt sie mussten ihm jede Geldforderung erfuumlllen im Gegenzug durften sie nach

ihrem Gesetz leben und ihren Wohnsitz frei waumlhlen[86]

Ein Privileg Richards I von 1190 erwaumlhnt

auszligerdem unter anderem das Recht der Juden auf Landbesitz und zollfreien Handel mit Wein[87]

Belastend fuumlr das Leben der Juden von England war das hohe Maszlig an Verwaltung das die

englischen Koumlnige geschaffen hatten um die Steuern effizient eintreiben zu koumlnnen Anlaumlsslich der

Kroumlnung Richards I im Jahre 1189 war es ausgehend von London zu Massakern an Juden in ganz

England gekommen Da die koumlnigliche Verwaltung nicht nachvollziehen konnte welche

Schuldscheine durch die Verfolgung vernichtet worden waren wurde als Reaktion 1194 ein

Archivsystem (archae) eingefuumlhrt das von nun an alle Geldgeschaumlfte sowie alle Juden mit ihrer

Finanzkraft verzeichnete[88]

Unter Heinrich III (1216-1272) aumlnderte sich der rechtliche Status der

Juden Im Jahr 1253 erlieszlig der Koumlnig ein Mandat das den Juden unter anderem verbot neue

Synagogen zu errichten christliche Bedienstete oder sexuelle Kontakte mit Christen zu haben und

Kirchen zu betreten Wichtigster Punkt war jedoch dass Juden nun ihren Wohnort nicht mehr frei

waumlhlen sondern nur noch dort leben durften wo bereits Juden ansaumlssig waren[89]

Viele der hier

formulierten Mandate waren im IV Laterankonzil von 1215 als verbindliche Verbote fuumlr die Juden in

der christlichen Welt festgelegt worden und fanden nun ihre Umsetzung Daneben stieg die

Besteuerung seit den 1240er Jahren stetig an wodurch die Finanzkraft der Juden bereits deutlich

geschwaumlcht wurde[90]

Im Falle Edwards I zeigte sich schlieszliglich dass die starke Bindung der Juden

an den Koumlnig die den Juden in fruumlheren Jahren zunaumlchst Unabhaumlngigkeit und Wohlstand gebracht

hatte nun ihren Ruin und schlieszliglich ihre Vertreibung bewirkte Der Koumlnig hatte bei Maszlignahmen die

die Juden betrafen kaum Widerspruch zu befuumlrchten zu eindeutig definiert war seine Machstellung

den Juden gegenuumlber In Frankreich unterstanden die Juden dem Herrn ihres jeweiligen Gebiets

der Koumlnig von Frankreich herrschte also nur in der Krondomaumlne uumlber die Juden des Koumlnigreiches[91]

Die Juden waren an ihr angestammtes Territorium gebunden und durften dieses nur mit der

Erlaubnis ihres Landesherrn verlassen Dieses Prinzip reicht bis in die Zeit von Philipp II August

(1180-1223) zuruumlck und wurde seit der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne 1198 in

verschiedenen Vereinbarungen mit anderen franzoumlsischen Territorialherren vertraglich fixiert[92]

Schon bei der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne kam es zu Irritationen da Philipp II

die 1182 vertriebenen Juden nach wie vor als bdquoseine Judenldquo ansah diese Auffassung aber

beispielsweise von Graf Theobald III von Campagne nicht geteilt wurde Er fuumlrchtete Steuerausfaumllle

und war der Meinung dass Juden die sich 1182 in der Champagne niedergelassen hatten nicht

mehr die Juden des Koumlnigs seien[93]

Auch andere Landesherren weigerten sich dem Wegzug ihrer

Juden in die Krondomaumlne zuzustimmen[94]

Auch erste Schritte eines buumlrokratischen Umgangs mit

den Geldgeschaumlften der Juden waren 1198 durch Philipp II August vorgenommen worden

moumlglicherweise beeinflusst durch die archae die in England 1194 unter Koumlnig Richard I eingerichtet

worden waren um die Geldgeschaumlfte und die Finanzkraft der Juden zu dokumentieren In jedem Ort

der Krondomaumlne gab es spezielle Beamte die die Kreditvertraumlge der Juden siegelten und so

kontrollierten wem die Juden welche Betraumlge an Geld liehen[95]

Auch den Juden konnte dieses

Verfahren als Sicherheit fuumlr ihre Geschaumlfte dienen Unter Ludwig VIII (1223-1226) kam es zum

ersten Eingriff in die Geldgeschaumlfte der Juden im franzoumlsischen Gebiet 1223 erlieszlig der Koumlnig

zusammen mit diversen Landesherren ein Statut in dem festgelegt wurde dass die Ruumlckzahlung

aller Schulden bei Juden an insgesamt neun Terminen an die koumlnigliche beziehungsweise

landesherrliche Schatzkammer erfolgen sollte Die Praxis des Siegelns von Urkunden uumlber

Darlehensvergaben wurde abgeschafft Erneut wurde festgehalten dass keiner der Herrscher Juden

eines anderen Herrschers bei sich aufnehmen duumlrfe wobei es bei diesem Punkt wieder zu

Unstimmigkeiten mit dem Grafen der Champagne kam der die Erklaumlrung nicht unterschrieb[96]

Bereits die ersten Jahre der Regierungszeit Ludwigs IX (1226-1270) brachten fuumlr die Juden weitere

Beschwerlichkeiten und erste direkte Aktionen gegen den Wucher Im Jahr 1227 kam es zu einer

erneuten Aneignung der ausstehenden Schulden bei Juden 1228 erging ein Mandat in dem Ludwig

IX befahl bei kuumlnftigen Geldgeschaumlften auf Zinsen zu verzichten Auszligerdem erklaumlrte der Koumlnig bei

Geldgeschaumlften die seit der Schuldentilgung ein Jahr zuvor geschlossen wurden alle Zinsen fuumlr

unguumlltig[97]

Auch die generelle Rechtsstellung der Juden wurde schon fruumlh in der Regierungszeit

Ludwigs IX definiert wobei es bei der alten Regelung blieb Im Statut von Melun hielten der Koumlnig

und die Landesherren daran fest dass die Juden tamquam proprii servi an das jeweilige Territorium

gebunden waren Christliche Schuldner wurden dazu aufgerufen ihre Schulden bei Juden zu

bezahlen nicht aber die Zinsen[98]

Die 1240er Jahre waren in Frankreich gepraumlgt vom Pariser

Talmudprozess in dem der Talmud als ketzerische Schrift verurteilt und danach oumlffentlich verbrannt

wurde[99]

Dies fuumlhrte unter anderem zu einer verstaumlrkten Auswanderung juumldischer Eliten aus

Nordfrankreich[100]

Insgesamt aumlnderte sich der rechtliche Status unter Ludwig IX nicht aber fruumlher

als die Herrscher in England nahm Ludwig IX der 1290 heilig gesprochen wurde den Kampf gegen

den Wucher auf Einige Aktionen Koumlnig Philipps IV (1285-1314) waumlhrend seiner ersten

Regierungsjahre in Bezug auf die Juden muumlssen vor dem Hintergrund der Vertreibungen gesehen

werden die sich in Regionen auszligerhalb der Krondomaumlne ereigneten so beispielsweise die

Ausweisung der juumldischen Fluumlchtlinge durch Philipp IV im Jahre 1291[101]

Daneben ist eine

konsequente Linie den Juden gegenuumlber nicht zu erkennen 1285 erneuerte er beispielsweise ein

Privileg zum Schutz von Synagogen und Friedhoumlfen zugleich bestaumltigte er die Pflicht der Juden ein

spezielles Abzeichen an ihrer Kleidung zu tragen[102]

Beides sind Zeichen dafuumlr dass der Koumlnig zu

dieser Zeit nicht daran dachte die Juden auszuweisen sondern das Leben der Juden rechtlich zu

definieren Vorrangiges Ziel Philipps IV war es zunaumlchst seine Oberherrschaft uumlber die Juden im

Suumlden zu sichern wo diese nicht von allen Baronen anerkannt wurde Die Herrschaft in der

Champagne hatte er sich durch Heirat bereits gesichert Dort in Troyes kam es 1288 zu einer

Mordanklage in deren Folge 13 Juden hingerichtet wurden wobei der Koumlnig ihre Besitztuumlmer

einzog[103]

Groumlszligeren Einfluss auf den Koumlnig scheint die Hostienschaumlndungbeschuldigung 1290 in

Paris gehabt zu haben Philipp IV warnte die Juden vor weiteren Hostienschaumlndungen und

spendete ein Haus neben der Kirche die zum Gedenken an den Fall errichtet worden war[104]

Wie

sein Groszligvater Ludwig IX setzte Philipp IV den Kampf gegen den Wucher fort verbot ihn 1299 und

1303 daneben wurde auch das Verbot des Neubaus von Synagogen sowie des Talmuds bei diesen

Gelegenheiten erneuert[105]

In einer konzentrierten und laumlnger vorbereiteten Aktion lieszlig Philipp IV

dann die Juden (oder jedenfalls die Familienvorstaumlnde) vermutlich am 22 Juli 1306 festsetzen Dies

diente dazu eine genaue Aufstellung der Judenguumlter vorzunehmen und um sich die ausstehenden

Schuldscheine zu sichern Gleichzeitig bedeutete es das Ende der juumldischen Siedlung in Frankreich

bis zu ihrer Wiederzulassung unter Ludwig X im Jahr 1315

Sowohl bei der Vertreibung aus England als auch der aus Frankreich zeigt sich die Gefahr die die

Abhaumlngigkeit der Juden vom Herrscher barg Vor allem in England hatte die privilegierte Position fuumlr

Wohlstand und ein groszliges Maszlig an innerer Autonomie etwa in der Rechtssprechnung oder in bezug

auf die Freizuumlgigkeit gesorgt[106]

Sie schuumltzte die Juden jedoch nicht immer vor Gealtakten wie den

seit der Mitte des 12 Jahrhunderts immer wieder vorkommenden Ritualmordvorwuumlrfen In

Frankreich verschlechterten sich ihre Lebensumstaumlnde mit der Ausbreitung der Krondomaumlne War

es 1182 noch ein geringes Problem fuumlr die Juden eine neue Heimat zu finden und von anderen

franzoumlsischen Landesherren wohlwollend aufgenommen zu werden war dies 1306 nicht mehr

moumlglich Die Herrscher nahmen die theologischen Diskurse uumlber den Wucher oder den Talmud auf

und wurden des weiteren beeinflusst durch antijuumldische Blut- und Hostienschaumlndungsvorwuumlrfe

Auch wirtschaftliche Uumlberlegungen haben eine Rolle gespielt ebenso mag es eine Dynamik

gegeben haben angestoszligen durch die weiteren Vertreibungen in dieser Umbruchszeit in der sich

jeder Herrscher damit profilieren wollte und konnte die Juden zu vertreiben

Die allgemeine Verurteilung des Wuchers

Obwohl gerade in der hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts verstaumlrkt die finanziellen Interessen vor

allem des franzoumlsischen Koumlnigs als Motiv der Vertreibung hervorgehoben wurde folgte die zeitnahe

Argumentation einer innerjuumldischen Perspektive anderen Erklaumlrungsmustern So gilt es zumindest

im Falle der Vertreibung aus England festzuhalten dass sich unter den Juden die Vorstellung

verbreitete das Fehlverhalten einzelner Juden haumltte die Ausweisung von 1290 wie auch andere

Vertreibungen mit verursacht Doch laumlsst sich im Wuchervorwurf gegenuumlber den Juden - dem

durchgaumlngigen Argument der Vertreibungen im 13 Jahrhundert - nicht etwa eine vordergruumlndige

falsche Praxis des Geldverleihs als ausloumlsendes Moment vermuten wie dies gelegentlich auch von

christlicher Seite von den Zeitgenossen vertreten wurde[107]

Vielmehr begann sich seit dem 12

Jahrhundert unter christlichen Gelehrten und weltlichen Herrschern ein theologisches Verstaumlndnis

bezuumlglich des Wuchers durchzusetzen das der wirtschaftlichen Taumltigkeit der Geldleihe auch in den

Haumlnden der Juden keine geduldeten Nische zuzuweisen bereit war[108]

Wucher wurde nun nicht

mehr als Suumlnde gegen den Naumlchsten aus mangelndem Mitgefuumlhl betrachtet und als turpe lucrum

(schaumlndlicher Profit) definiert sondern als Suumlnde gegen die iustitia[109]

Gemaumlszlig dieser Vorstellung

waren alle Wuchergewinne Diebesgut und muszligten zuruumlckgegeben werden Viel schwerer wog die

Feststellung daszlig sich die nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger durch ihre Besteuerung der Juden am

Wuchergewinn der Juden beteiligten und sich darum der gleichen Suumlnden schuldig machten[110]

Somit wurde auf demselben Wege der fuumlrstliche oder koumlnigliche Judenschutz die Legitimation

entzogen Die voumlllige Unterbindung des juumldischen Geldhandels schien darum fuumlr die meisten

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger der einzig richtige Weg wie dies bereits die im Namen Koumlnig

Ludwigs IX verkuumlndete ordenance von Melun 1230 forderte[111]

Als letzte Konsequenz blieb die

Ausweisung der Juden aus immer mehr Herrschaften des franzoumlsischen Koumlnigreiches und

schlieszliglich der Kronlande Das Zerbrechen des Miteinanders von Juden und Christen innerhalb des

franzoumlsischen Koumlnigreiches sowie die schrittweise Aufloumlsung bzw Zerschlagung des

jahrhundertealten juumldischen Siedlungsnetzes muszlig auf die juumldischen Gemeinschaften der

benachbarten Regionen so z B in den Rheinlanden verstoumlrend und beaumlngstigend gewirkt haben

Der dieser Vertreibung zugrundeliegende theologische Diskurs zu Geldhandel und Wucher und die

daraus resultierenden Folgen fuumlr die eigene juumldischen Existenz scheint jedoch nur einen geringen

Einfluszlig auf die Wahrnehmung ihrer eigenen Situation gehabt zu haben Im Zuge der Vertreibung der

franzoumlsischen Juden im Sommer und Herbst 1306 waren juumldische Fluumlchtlinge in die deutschen

Rheinlande gelangt[112]

Wohl wenige Monate spaumlter trafen in Worms die Delegierten des dortigen

Gemeindebezirkes die Vertreter der die Wormser Gemeinde und der sie umgebenden juumldischen

Niederlassungen auf einer Versammlung zusammen Auf diesem juumldischen Landtag sollte eine

Rechtssatzung eine Takkanah verabschiedet werden die die Praxis der juumldischen Geldleihe im

Einzugsgebiet der Gemeinde Worms sowie das Verhalten gegenuumlber hochverschuldeten Kunden

neu regelte[113]

In der Zusammenkunft der Haumlupter des Volkes im bdquoLand Wormsldquo im Jahr 67 des sechsten Jahrtausends

(10 Sept 1306 - 28 Augutst 1307) weil sich wegen unserer groszliger Verfehlungen die Noumlte der

Soumlhne unseres Volkes vermehrten durchforschten wir unsere Taten und fanden dass seit einiger

Zeit ein Schwert die Seele der Elenden und Reinen auffraszlig weil sie Vermoumlgen vermehrt hatten

durch Zins und Zinseszins von den Fuumlrsten der Nichtjuden Diese schuldeten ein Riesenvermoumlgen

den Familienvorstaumlnden Sie schmiedeten Raumlnke sich auf die Juden zu stuumlrzen und sie zu

uumlberfallen um sich von ihren Schulden zu befreien Wir haben beschlossen dass man keine

Erhoumlhung hinzufuumlgen darf und jedem Mann und jeder Frau nicht gestattet werden soll irgend einem

Nichtjuden einem einzelnen Schuldner mehr als 100 Pfund Hallisch zu leihen Und wenn der

Zeitpunkt der Schuldruumlckzahlung gekommen ist soll es nicht mehr gestattet sein die Zinsschuld der

Schuldsumme zuzuschlagen sondern man soll aus der Hand des Schuldners die ganze Schuld

einziehen Und wenn man nicht die ganze Schuld von ihm einziehen kann soll man sich nicht

hindern lassen wenigstens den Zins einzuziehen Nur soll man den Schuldner nicht mit List

uumlbervorteilen Und wenn es nicht gelingt irgend etwas einzuziehen dann soll man dies dem Rat

seiner Gemeinde mitteilen und nach deren Geheiszlig soll man handeln Was das Schuldgeschaumlft der

fuumlrstlichen Schuldner betrifft deren Schulden sich schon vermehrt haben und die niemand mehr

begleichen kann Die Glaumlubiger sollen sich huumlten sie mit hohen Zinsen zu belasten denn es sind

Komplotte zu befuumlrchten was Gott verhuumlten moumlge Schon einige Personen haben sich

zusammengeschlossen und dies gerade nicht bei den Fuumlrsten sondern bei den Klerikern und den

Buumlrgern [114]

Offenkundig standen den Delegierten die befuumlrchteten Konsequenzen der Geldleihe deutlich vor

Augen Wohl ebenso eingeschuumlchtert durch die in Frankreich vollzogene Vertreibung der Juden

wurden von seiten der Juden eigene Verfehlungen aber auch unguumlnstige Machtkonstellation

beobachtet die im Falle der franzoumlsischen Juden zu deren Untergang gefuumlhrt hatten Die

Beziehungen von Juden und Christen steckten auch in den Rheinlanden in den eingangs genannten

Bereichen von Wirtschaft Herrschaft und Religion in einer tieferen Krise Die auf dem

Versammlung von Worms beschlossenen Gegenmaszlignahmen blieben auf die juumldischen Teilnehmer

beschraumlnkt Zuruumlckhaltung gegenuumlber den christlichen Kunden Demut gegenuumlber Gott und das

Flehen um sein Erbarmen was mit guten Werken unterstuumltzt werden soll Eine direkte Verhandlung

mit den christlichen Herrschaftstraumlgern war nicht mehr vorgesehen Das gegenseitige Vertrauen

zwischen Juden und Christen war verschwunden in einer Zeit in der nicht mehr Koexistenz sondern

vor allem von Seiten der Juden die Sorge um die eigene Zukunft das eigene Handeln bestimmte

Zusammenfassung

Die Vertreibung der Juden aus England hatte innerhalb des juumldischen Kontextes noch zu Ansaumltzen der

Selbstreflexion gefuumlhrt die einen konkreten Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Vertretern

der juumldischen Seite und den politischen Entscheidungen der nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger

gegenuumlber der eigenen Gruppe erkennen mochten Dennoch waumlhnte man sich weiterhin in einem

rechtlich voumlllig abgesicherten Verhaumlltnis zur christlichen Umwelt Man war sich eines besonderen

Status innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft bewuszligt der in den Augen der Juden in

keiner Weise gefaumlhrdet schien Noch in der zweiten Haumllfte des 13 Jahrhunderts definierte Meir ben

Baruch (gest 1293) die Stellung der Juden im Reich als die eines freien Landbewohners der sein

Land nicht aber seine persoumlnliche Freiheit verloren hat [115]

Er sei darum nicht wie die Nichtjuden

den Fuumlrsten unterworfen und zu Steuerzahlungen verpflichtet Diese Konstruktionen erinnern stark

an die noch im 12 Jahrhundert in Frankreich vertretenen Rechtsauffassungen eines Itzchaq ben

Shmuel von Dampierre (gest ca 1185)[116]

der ebenfalls die Freiheit der Juden im Vergleich zu den

Nichtjuden hervorhebt ihre voumlllige Bewegungsfreiheit im Gegensatz zu an die Scholle gebundenen

Nichtjuden betont und die Juden ebenfalls aus der Rechtspraxis herausnimmt die dem

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger gestattet bei Abwanderung von Personen deren beweglichen

Besitz einzuziehen[117]

Nach juumldischer Auffassung folgten die Interaktionen zwischen Juden und

Christen nach Regeln die von beiden Seiten anerkannt waren Das jedoch sich dies Regelwerk zu

ungunsten der Juden verhaumlndert haben mochte daszlig die eigene Bewegungsfreiheit inzwischen mehr

und mehr eingeschraumlnkt wurde die besonderen Steuergesetzgebung seit den Aumluszligerungen des

Itzchak von Dampiegravere sich erheblich veraumlndern hatte und damit nach daszlig Verhaumlltnis zur christlichen

Umwelt nun erheblichen Umwaumlltzungen unterworfen war wurde wie die Aumluszligerung Meirs nahelegt

weder reflektiert noch einigermaszligen registriert

Das Verhalten der franzoumlsischen Juden Angesichts ihrer Vertreibung ist darum keinesfalls verwunderlich In

den wenigen juumldischen Selbstzeugnisse zur Vertreibung der franzoumlsischen Juden finden sich keine

Spuren die auf einen Prozess der Selbstreflexion schlieszligen lassen Die Frage der Motivation zur

Vertreibung der Juden wird soweit dies die Quellen erkennen lassen nicht diskutiert Der

offenkundige theologische Diskurs zur Unrechtmaumlszligigkeit des auf Zinsen geleisteten Geldverleihs

dem die juumldischen Gemeinschaft im franzoumlsischen Koumlnigreich letztlich zum Opfer fiel wird

nirgendwo rezipiert Man koumlnnte den Eindruck gewinnen dass sich den franzoumlsischen Juden die

Gefaumlhrlichkeit der Diskussion um den Wucher zu keinem Zeitpunkt erschloss Auch in den

konstruierten Narrativen der folgenden Generationen steht die auch fuumlr den einzelnen Juden

folgenreiche finanzielle Auspluumlnderung durch die franzoumlsische Krone im Vordergrund Allerdings

zeigt die Quelle aus dem rheinischen Kontext dass zumindest nach der Vertreibung aus dem

franzoumlsischen Koumlnigreich im Jahre 1306 unter den rheinischen Juden bestimmte Formen der

Geldleihe als Element der Selbstgefaumlhrdung wahrgenommen wurde Dabei macht die Uumlberlieferung

der Wormser Versammlung auch deutlich das die Zerruumlttung des Verhaumlltnisses von Juden und

Christen auch von juumldischer Seite nicht mehr geleugnet werden konnte Dass es sich dabei nicht nur

um eine wirtschaftliche Auseinandersetzung sondern zunaumlchst um einen christlichen theologischen

Diskurs handelte der sich gaumlnzlich juumldischem Handeln entzog scheint den Protagonisten der

Wormser Gemeinde nicht zugaumlnglich gewesen sein Ohne zu erkennen dass die Geldleihe und

somit die eigene wirtschaftliche Existenz gaumlnzlich in Frage gestellt werden koumlnnte versuchten die

Vertreter der Wormser Versammlung durch einzelne Maszlignahmen die Beziehungen zur christlichen

Umgebung zu entlassten um Gefahren von der eigenen Gemeinschaft abzuwenden Auf diese

Weise wurden die Juden im Westen Europas mehr und mehr wirtschaftlichen und theologischen

Dynamiken ausgesetzt die sich jenseits der juumldischen Wahrnehmung auszuformen begannen und

schlieszliglich in die Verdraumlngung der Juden muumlnden sollten die in der Vertreibung von England und

Frankreich ihren Anfang nahm

Rainer Barzen Lennart Guumlntzel

1 uarr Vgl zu Frankreich Chazan Jewry (1973) 154-207 Jordan Monarchy (1998) 177-261 Zu

England Hyams Jews (1996) 173-192 Mentgen Vertreibungen (1997) 11-53 Mundill England

(1998)

2 uarr Chazan Jewry (1973) 63-100 Ders Church (1980) 312f Jordan Monarchy (1998) 23-38

3 uarr Zur Geschichte der Juden unter Ludwig IX vgl Chazan Jewry (1973) 100-153

4 uarr Die Vorbildfunktion Ludwigs IX vor allem in Hinblick auf den Kampf gegen den Wucher erwaumlhnt

Cluse Zusammenhang (1999)135ndash163

5 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

6 uarr Chazan Church (1980) 313-317

7 uarr Florentii Wigorniensis 214f

8 uarr Ebd 212

9 uarr Chazan Church (1980) 317-319

10 uarr Aufstellung der Chroniken bei Abrahams Expulsion (1895) 449f

11 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

12 uarr Ordonnances 317

13 uarr Jordan nennt als Beispiel die Ortschaft Niort die ihre Juden vertreiben konnte Jordan Monarchy

(1998) 183

14 uarr Ebd 184f

15 uarr Ebd 184

16 uarr Ebd 183f

17 uarr Zu den Motiven Philipps IV siehe Mentgen Vertreibungen (1997) 46-49 Schwarzfuchs

Expulsion (1967) 485f

18 uarr Uumlber den generellen Wucherdiskurs siehe unten Kapitel V2

19 uarr Close Rolls Edward I 109

20 uarr Annales de Waverleia 409 ldquo(hellip) Judaeorum (hellip) quae per diversas urbes et castra regionis

Anglicanae per retroacta tempora habitabat confidenter procurante domina Alienora matre dicti

regis Angliae jussa est per edictum regium (hellip)rdquo

21 uarr Annales de Dunstaplia 361-362bdquo (hellip) propter blasphemias quas Judaei saepe faciebant fidei

Christianae statuit rex ut omnes Judaei cum semine suo et substancia ab Anglia pellerentur (hellip)rdquo

22 uarr Ebd bdquo(hellip) et concessit eis rex salvum conductum In ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt

submersi per vim et fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

23 uarr Zum Verhaumlltnis von Dominikanern und Juden zu dieser Zeit vgl Cohen Friars (1982) sowie

Ders Letters (1999)

24 uarr Florentii Wigoriensis 214

25 uarr Uumlber ein moumlgliches Interesse des Adels an der Vertreibung der Juden siehe Mentgen

Vertreibungen (1997) 27-30

26 uarr Annales de Dunstaplia 361-362 bdquoIn ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt submersi per vim et

fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

27 uarr Pierre de Langtoft II 186 bdquoThomas de Wilaund en baunk primer nomeacute par agarde de la court le

regne ad forjoreacute et en la terre de France sanz repairer aleacute Ses compayons ses clercs sunt pris e

meneacute a la thour de Loundres delivreacutes par moneacuteldquo

28 uarr Ebd 188 bdquoPur le quinzme dener al rays en ayeldquo

29 uarr Ebd bdquoOre sunt alez en France e en Pykardye Tutes lur dettes e lur manauntye Sunt salves al

ray dunt fere sa curtaysyeldquo

30 uarr Oumlsterreichische Reimchronik Verse 91239-91777 1186-1192ldquo die dritten vorderungdie an den

Franzois junctet der kunic Albrehter jach die Juden ze rehtgehocircren daz ricircche an und ander nieman

()ldquo Zu dieser Quelle vgl Ziwes Studien (1995) 33f Anm 16

31 uarr Prima Vita Clementis V 5

32 uarr Quarta Vita Clementis V 62bdquo Anno Domini MCCCVJ in festo sancte Marie Magdalene de

mandato et ordinatione regis Francie fuerunt capti omnes Judei ubique in regno Francie quasi

imperceptibiler una die et confiscata sunt bona ipsorum quecumque potuerunt inveniri fueruntque

a regno expulsi ulterius minime reversurirdquo Vgl auch Sexta Vita Clementis V 92-93bdquo Et etiam in

isto anno in die sancte Marie Magdalene omnes Judei de regno Francie congediati [congregati]

fuerunt et eorum bona omnia extiterunt confiscatardquo

33 uarr Continuatio Guilelmi de Nangis 59 bdquoMense Augusto Rex Philippus omnes Judaeos de Regno

Franciae penitus amp omnino fecit expelli certum regressionis terminum sub poena mortis praesigens

eisdemrdquo

34 uarr Florentii Wigoriensis 192 ldquoBarones cum Londoniensibus Judaismum Londoniae spoliaverunt

multis Judaeis interfectisldquo Siehe auch Mundill England (1998) 41

35 uarr Florentii Wigoriensis 210ldquo Rex die Sancte Calixti synagogam Judaeorum in villa Londoniensi

fratribus de Poenitentia contulit Jesu Christi ()ldquo

36 uarr Ebd 222bdquoApud Norhamtonam () puer quidam a Judaeis crucifixus estrdquo

37 uarr BennerReverchon Juden (2003) 181

38 uarr Rubin Tales (1999) 40-48

39 uarr Mentgen Vertreibungen (1997) 42-44

40 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 64f sieht den Muumlnzbeschneidungsskandal als Folge der Verarmung

der Juden Eine andere Meinung vertritt Mundill England (1998) 195-198 der vor allem auf eine

erfolgreiche Rolle der Juden im Wollhandel verweist

41 uarr Florentii Wigoriensis 221ldquo Rex omnes Judaeos et quosdam Christianos de retonsura aut alia

monetae falsatione convictos fecit suspensi Unde Londoniae CCLX et VII Judaei mortis judicium

subierunt Quidam autem relegati quidam etiam eorum perpetuo sunt carceri adjudicati et quidam

in Anglia remanseruntrdquo Vgl auch Mundill England (1998) 67f sowie uumlber die Zahl der Opfer weiter

oben Anmerkung 36

42 uarr Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 S 20

43 uarr Nach der chronikalischen Uumlberlieferung waren es 267 bzw 269 hingerichtete Juden Eine

Auswertung der auszligerchronikalischen Quellen ergab die Zahl von 298 erhaumlngten Juden Rokeacuteach

Monex I (198890) 98

44 uarr Jordan Monarchy (1989) 182f

45 uarr rdquoVos autre fuistis Engles qui exiverunt de terra eorum quia rotundabatis monetamrdquo in

Shatzmiller Schlomo Ibn Verga (1988) 355 Ders Solidariteacute (1986) 423

46 uarr Shlomo Ibn Verga Shevet Yehudah Teil I (hebr) Teil II (dt Uumlbersetzung)(Edit Wiener) Shevet

Yehudah (Edit Shochat)

47 uarr Zu Leben und Werk Shlomo Ibn Vergas Baer Hearot (1934) 152-179

48 uarr Shevet Yehudah Nr 18 (hebr S 42-43 dt Uumlbers S 84-85) Shevet Yehudah (Edit Shochat)

S 66

49 uarr Shevet Yehudah Nr 20 (hebr 43-45 dt Uumlbers 86-89)

50 uarr Zu Yosef ha-Kohen und seinem Werk Loeb Josef Hacohen (1888) XVI 28-56 211-235 XVII

74-95 247-271

51 uarr Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (dt

Uumlbersetzung Wiener)

52 uarr Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) 38-39 (Edit Wiener) 41-42

53 uarr Usque Nachum Israel III (1908) XI-XIII Auch bei Gedalyah Ibn Yachjah Shalshelet ha-

Kabbalah (nach Graetz Geschichte VII (1897) 429 weitere Quellen Graetz ebd 426-430)

54 uarr Siehe Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 20a

55 uarr ldquoSie [die Dominikaner] brachten sogar Muumlnzsorten herbei die sie selbst zuhause beschnitten

hattenldquo Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) S 38 (Edit Wiener) 41

56 uarr Fuumlr vielerlei Hinweise zur hebraumlischen Uumlberlieferung der Vertreibung der franzoumlsischen Juden sei

Dr Abraham David Jerusalem herzlich gedankt

57 uarr Schwarzfuchs History (2001) 269-274 Ben-Shalom Communication (1991) 171-225

58 uarr Abba Mari ben Mose von Lunel Sefer Minchat Qenaot Nr 120 in Shlomo Ibn Adret Tshuvot II

835-836

59 uarr BT Berachot 70a Gemeint ist hier die Philosophie griechischer Tradition die von Abba Mari

besonders bekaumlmpft wurde Shlomo Ibn Adret Teshuvot Bd 2 835 Anmerkung zu Zeile 1 Abba

Mari brachte die Vertreibung der suumldfranzoumlsischen Juden mit deren Hinwendung zur griechischen

Philosophie in Verbindung Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 832 Anmerkung zu Zeile 8

60 uarr Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 835-836 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001) 273

61 uarr Jordan French Monarchy (1989) 195196

62 uarr Saige Juifs (1881) 92

63 uarr Jordan French Monarchy (1989) 205 Saige Juifs (1881) 101-102 308-319 324-325

64 uarr Zu Leben und Werk sowie zu seinem Aufenhalt im Lande Israel siehe Schwarzfuchs History

261 Elbaum Estori ha-Parhi S 918f

65 uarr Zur Bedeutung des hebraumlischen Begriffes Prowentzah der neben der heutigen Provence auch

das Languedoc miteinschloss siehe Gross Gallia Judaica (1887) 489 In diesem Sinne entspricht

Prowentzah der roumlmischen Provincia Narbonnensis In Kontext der Vertreibung der Juden im

Jahre 1306 kann nur das Languedoc gemeint sein

66 uarr Eshtori haParchi Kaftor waFerach 218

67 uarr Schwarzfuchs History (2001) 276-278 Dahan Gersonide (1991)

68 uarr Levi ben Gershom Pirush al ha-Torah

69 uarr Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 153-154

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

einer Bekehrung zum Judentum eines englischen Dominikaners berichtet was zweifellos die

Geschichte des im 13 Jahrhundert zum Judentum uumlbergetretenen Robert Reading wiedergibt Dem

Chronisten erscheint diese Episode Anlaszlig genug eine Reihe von Anfeindungen auch von Seiten der

Koumlnigin anzufuumlhren die in ihrer Summe schlieszliglich zur Vertreibung der Juden aus dem englischen

Koumlnigreich fuumlhrten[49]

In der Chronik des Yosef ha-Kohen[50]

Emeq ha-Bachah[51]

aus dem Jahre

1558 finden wir dasselbe Material in veraumlnderter Weise angeordnet Ein Vertreter des Predigerordens

verliebt sich in ein juumldisches Maumldchen tritt zum Judentum uumlber und heiratet es Die Dominikaner

beschuldigen vor dem Koumlnig daraufhin die Juden die Muumlnzen zu beschneiden um die Schande des

Glaubensabfalls ihres ehemaligen Mitbruders abzuwenden[52]

Auch in anderen Werken juumldischer

Chronistik aus dem 16 Jahrhundert findet die Episode des zum Judentum konvertierenden

Dominikaners Erwaumlhnung[53]

Obwohl die Chroniken des 16 Jahrhunderts als Belege fuumlr das Geschehen des 13 Jahrhunderts

nicht herangezogen werden koumlnnen so repraumlsentieren sie dennoch eine Tendenz der innerjuumldischen

Wahrnehmung die sich bereits im 13 wie im 14 Jahrhundert ankuumlndigte Hatte noch die christlicher

Uumlberlieferungstradition als Grund fuumlr die Vertreibungen vor allem die theologische Komponente der

Auseinandersetzung betont aber auch die Intervention anderer Herrschaftstraumlger angefuumlhrt so

bildete sich unter den Juden ein voumlllig anderes Erklaumlrungsmuster heraus In den juumldischen

Traditionsstraumlngen wurden die theologische Argumentation nicht rezipiert Dies gilt vor allem fuumlr das

groszlige Feld des Wuchervorwurfs der im Ausweisungsedikt 1290 zum Hauptargument werden sollte

Innerhalb der hebraumlischen Uumlberlieferung muszligten die Ursachen der Vertreibung konkreter fassbar

gemacht werden Zwei Narrative boten sich an die der juumldischen Traditionsbildung schluumlssig

erschienen Hierzu gehoumlrt der historisch gesicherte Prozeszlig zum Muumlnzbeschneidungsvorwurf der in

zeitnahen Dokumenten als gerechtfertigt[54]

in den Traditionen des 16 Jahrhunderts als Verleumdung

angesehen wurde[55]

Demgegenuumlber scheint dieser Prozess fuumlr die Begruumlndung der Ausweisung von

Seiten der christlichen Herrschaftstraumlger keine explizite Rolle gespielt zu haben Die Einbeziehung der

Geschehnisse um den zum Judentum konvertierten Dominikaner nehmen vor allem in den spaumlten

juumldischen Traditionen einen groszligen Stellenwert ein ohne daszlig sie innerhalb des christlichen Kontextes

fuumlr die Begruumlndung der Vertreibung irgend eine Rolle gespielt haumltten So bleiben Christen wie Juden

sich nur in der Tatsache einig dass Ihr Verhaumlltnis zueinander immer groumlszligeren Erschuumltterungen

unterworfen war Die Ursachen dieser Zerwuumlrfnisse konnten dabei durchaus unterschiedlichen

Kontexten zugeordnet werden

Frankreich[56]

Auch die Vertreibung der franzoumlsischen Juden hat in der hebraumlischen Uumlberlieferung nur wenig Spuren

hinterlassen Kein Text ist bekannt der sich ausschlieszliglich auf die Ereignisse der Vertreibung

beziehen wuumlrde Wie im englischen Fall zeugen nur verstreute Bemerkungen im Werk einzelner

juumldischer Gelehrter uumlber eine Resonanz innerhalb der juumldischen Gemeinschaft Eines dieser

Zeugnisse ist aus der Hand des Abba Mari ben Moshe von Lunel uumlberliefert einem Gelehrten der um

1300 vor allem in den polemischen Auseinandersetzungen um die Rezeption des Schriften des

Maimonides und der Frage nach dem Stellenwert philosophischer Studien in Erscheinung getreten

war[57]

In einem Brief[58]

schreibt er

Im Jahre 5066 (1306) der Zaumlhlung dies ist das Jahr welches die Suumlnde hervorgebracht hat[59]

verbreitete sich die Verfolgung (Gezerah) des Koumlnigs von Frankreich (Tzarfat) uumlber alle Juden in

allen Landen seines Koumlnigreiches aus sie aus ihren Haumlusern zu holen und ihnen all ihren Besitz

abzunehmen Alle sollten an einem bestimmten Tag festgesetzt werden jung und alt Frauen und

Kinder und diese sollte am Freitag am zehnten des Monats Aw (22 Juli 1306) geschehen und

man vertrieb sie aus dem Land Die Juden die in der Stadt Montpellier lebten wurden im Jahre

5067 im Monat Marcheshwan vertrieben (10 Okt-7 Nov 1306) Einige von ihnen begaben sich in

die Stadt Perpignan da sie sich des Sieges des Koumlnigs von Mallorca sicher waren dass er ihnen

aus der Hand des Koumlnigs den Aufenthalt und die Versorgung gewaumlhren wuumlrde Wieder andere

zogen weiter in die Provence hellip Und ich nachdem ich mich in die Provence ins Exil begeben

hatte in die Stadt Arles fuhr von dort fort und begab mich von dort in ein zweites Exil in die Stadt

Perpignan Ich kam dort an am ersten des Monats Shwat dem vierten Monat unseres Exils (5 Jan

1307)[60]

Abba Mari beschreibt als Zeitzeuge den politischen Kontext der Vertreibung der Juden im

Suumlden des franzoumlsischen Koumlnigreiches Die Beschreibung bleibt an sein eigenes Schicksal

gebunden Die Ausweisung der Juden umfasst auch das Languedoc das ebenfalls Teil des

direkten Herrschaftsbereichs des franzoumlsischen Koumlnigs Philipp des Schoumlnen geworden war Die

Vertriebenen wandten sich nun benachbarten nichtfranzoumlsischen Herrschaften zu der

Provence die zur Zeit der Vertreibung noch ein Teil des roumlmisch-deutschen Reiches war sowie

den Besitzungen des Koumlnigs von Mallorca zu denen Perpignan und teilweise auch Montpellier

zaumlhlten[61]

Zunaumlchst hatte der Koumlnig von Mallorca die Vertreibung der Juden aus Montpellier in

Opposition zum franzoumlsischen Koumlnig abgelehnt[62]

Die Juden hofften wie Abba Mari betont

dass dieser Widerstand von Dauer sein koumlnnte wurden jedoch enttaumluscht Im Februar 1309

willigte nach langen Verhandlungen auch der mallorquinische Koumlnig ein der Vertreibung der

Juden zuzustimmen[63]

In Territorien in denen er uneingeschraumlnkt seine Herrschaft ausuumlben

konnte wie etwa in Perpignan war den Juden der Aufenthalt weiterhin erlaubt so dass dorthin

wie in die Provence die Juden der Stadt Montpellier weiterzogen Abba Mari beschreibt die

lokalen politischen Zusammenhaumlnge der Vertreibungen der am Mittelmeer gelegenen

Territorien Er hebt dabei den Einfluss des franzoumlsischen Koumlnigs auf Herrschaftstraumlger

auszligerhalb seines Koumlnigreiches hervor nennt jedoch keinen Grund der das Verhalten des

franzoumlsischen Koumlnigs erklaumlrt haumltte Warum die franzoumlsischen Juden ihr Stammland verlassen

mussten wird nicht diskutiert

Ein weiterer Autor des fruumlhen 14 Jahrhunderts Eshtori ha-Parchi[64]

beschreibt in seinem Werk

Kaftor wa-Ferach kurz seine am eigenen Leib erfahrene Vertreibung der Juden aus dem

Suumlden des franzoumlsischen Koumlnigreichs

bdquoAuch erinnere ich mich an das Datum der Zerstoumlrung des kleinen Heiligtums naumlmlich die

Zerstoumlrung der Lehrhaumluser und Synagogen in Tzarfat (Nordfrankreich) und teilweise auch in der

Prowentzah (Suumldfrankreich hier Languedoc)[65]

Ich floh vom Schlachtfeld hellip im Jahre 5066 und

zwar am 10 Aw (22 Juli 1306)ldquo[66]

Eshtori ha-Parchi der sich schlieszliglich im Jahre 1313 im Lande Israel niederliess nennt

keine Begruumlndung der Ereignisse Die Bezeichnung der Vertreibung als Zerstoumlrung des

kleinen Heiligtums macht dem Leser deutlich welche Bedeutung den franzoumlsischen

Gelehrtenzentren vom Autor zugesprochen wurde die in dieser Ruumlckschau als

unwiederbringlich verloren betrachtet werden Eine weitere zeitnahe Notiz zur Vertreibung

der franzoumlsischen Juden laumlsst sich im Tora-Kommentar des Gelehrten R Lewi ben

Gershom (Ralbag) (1288-1344) finden Der Gelehrte der unter seinen nichtjuumldischen

Zeitgenossen auch unter der Bezeichnung Maestre Leo de Bagnol oder auch Magister

Leo Hebraeus bekannt war[67]

schreibt zum Wochenabschnitt Bechukotei (Lev 26 3 -

27 34)

Und wenn es in der Schrift heiszligt sbquoIhr geht unter den Voumllkern zugrunde und das Land euerer

Feinde friszligt euch aufrsquo (Lev 26 38) bezog sich dies auf die groszligen Noumlte unseres Volkes in denen

viele umgekommen sind eingeschlossen das Hinschlachten einiger in den heiligen Gemeinden

und die Vertreibung der Juden aus dem Lande Zarfat Doppelt so viele starben an Hunger und

Pestilenz als beim Auszug aus Aumlgypten[68]

Interessanterweise erwaumlhnt Levi ben Gershom als erster Autor Todesopfer die

innerhalb der juumldischen Gemeinschaft als Folge der Vertreibung zu beklagen waren

Fast ein Jahrhundert spaumlter wohl in der ersten Haumllfte des 15 Jahrhunderts

beschreibt der in Spanien wohl in Tortosa lebende Mattityahu haYizhari ein

Nachkomme einer aus Suumldfrankreich stammenden Familie[69]

die Vertreibung der

Juden mit folgenden Worten

Es sprach Mattityahu Sohn des Moshe Sohn des Weisen Mattiyahu ha-Yizhari sein Andenken

sei zu Segen Viele Noumlte haben uns ereilt seit wir aus dem verheiszligenen Land vertrieben wurden

hellip tausende und zehntausende Juden hatten sich in Frankreich niedergelassen hellip und meine

Vorfahren siedelten in der Stadt Narbonne einer groszligen Stadt Gottes bis Verfehlungen zur

Vertreibung fuumlhrten Einige starben als Maumlrtyrer andere wurde uumlber die ganze Erde zerstreut und

das ganze Land Zarfat lag entbloumlszligt da [70]

Auch bei Levi ben Gershom steht die Zerstoumlrung der groszligen juumldischen Zentren

im Vordergrund Ein Grund fuumlr deren Untergang wird nicht eroumlrtert Ein

aumlhnliches Bild findet sich bei einem weiteren juumldischen Gelehrten aus dem

Beginn des 14 Jahrhunderts In seinem um das Jahr 1321 abgeschlossenen

Werk Even Bochan bemerkt der in Arles geborene juumldische Philosoph

Kalonymos ben Kalonymos (geb 1286)[71]

Als der Herrscher von der Stimmung erfasst wurde mein Volk ins Exil zu fuumlhren vor siebzehn

Jahren uumlberwand er sie in seinem Grimm und vertrieb sie mit starker Hand aus seinem Land

uumlberfuumlhrte sie in Staumldte nackt und mittellos die in ihren Palaumlsten viele Schaumltze von Gold besaszligen

um die Altehrwuumlrdigen ihrer Generation und ihre Prinzen zu vernichten und auszuloumlschen[72]

Die Erwaumlhnung der Enteignung der Juden durch die franzoumlsische Krone

verweist auf den tatsaumlchlichen Verlauf der Ausweisung und auf ihre

fiskalischen Motive[73]

Die auch vom Autor betonten finanziellen

Interessen des Herrschers werden jedoch nicht diskutiert Uumlberhaupt

bleiben die wenigen weiteren zeitgenoumlssischen Bemerkungen zur

Vertreibung sehr skizzenhaft und auch eng mit der Biographie ihrer

Verfasser verknuumlpft So schreibt R Menachem ha-Meiri (Vidal Salamon

Mayr) (geb 1249) der wenige Jahre nach der Vertreibung verstarb[74]

in

seiner Einleitung zur Auslegung des Traktates Avot

als Gott mich vom meinem Vaterhaus fortbrachte machte er meine Soumlhne zu Fluumlchtlingen und

meine Toumlchter fuumlhrte er in Gefangenschaft[75]

Die letzten bekannten Bemerkungen zur Vertreibung aus der

Generation der Zeitzeugen stammen aus der Feder des Dichters

und Philosophen Jedajah ben Abraham haPenini[76]

der in den

Staumldten Beacuteziers Montpellier und Perpignan lebte und um 1325

verstarb In einem Brief an den katalanischen Gelehrten Schlomo

Ibn Adret betonte der Autor wie sehr doch die Juden der Provence

ihre Tuumlren weit fuumlr die Exilierten geoumlffnet haumltten und viel dazu

beigetragen haumltten die Fluumlchtlinge aufzunehmen[77]

Auch in einem

Gedicht schloss der Autor Anspielungen zur Vertreibung der

franzoumlsischen Juden mit ein[78]

Hebraumlische Zeugnisse zur Vertreibung aus dem Norden des

franzoumlsischen Herrschaftsgebietes konnten bisher nicht

nachgewiesen werden Die hier aufgefuumlhrten hebraumlischen Quellen

zur Vertreibung der Juden aus den Herrschaftsgebieten des

franzoumlsischen Koumlnigs stammen ausschlieszliglich von Personen die

durch die Zerstoumlrung der juumldischen Zentren im suumldlichen Frankreich

betroffen waren Diese Uumlberlieferungen wurden schlieszliglich von der

hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts aufgenommen und in

ihre als Zyklen von Leiden und Verfolgung gestalteten Werken

eingearbeitet Itzchaq Abarbanel (gest vor 1550) scheint dabei der

entscheidende Protagonist bei der Schoumlpfung eines die Vertreibung

von 1306 beschreibenden juumldischen Narratives gewesen zu sein

auch wenn er sich nach seinen eigenen Angaben lediglich auf

Itzchak Profiat Duran genannt Efodi einen juumldisch-katalanischen

Autor des spaumlten 14 Jahrhunderts bezog So schreibt Abarbanel

bdquoIm Jahre 5066 (1306) der Zaumlhlung war die Vertreibung aus Frankreich Koumlnig Philipp war ein

grausamer und verfluchter Feind der alle Juden aus seinem Koumlnigreich vertrieb all ihren Besitz

enteignete und sie mittellos des Landes verwies Es gab dort viele groszlige Gemeinden doppelt so

viele (Juden) wie aus Aumlgypten auszogen hellip Und es war eine Zeit der groszligen Not fuumlr Israel hellip es

war im Monat Aw (13 Juli 1306-11 August 1306) und es war eine allumfassende Vertreibung hellipall

dies findet sich in der Schrift bdquoSichron ha-Shmadotldquo die von allen Zerstoumlrung berichtet die sich seit

der Zerstoumlrung des Tempels in Israel ereignet haben aufgeschrieben und redigiert von Efodildquo[79]

Der Autor weiszlig zu berichten unter welchem Koumlnig und in welchem Monat und Jahr die Vertreibung

stattfand Auf die Mittellosigkeit der juumldischen Fluumlchtlinge wird explizit hingewiesen die auf die

Auspluumlnderung durch den Koumlnig zuruumlckgefuumlhrt wird Auch eine Vorstellung von der Zahl der Exilierten

spiegelt sich im Text wider

Shlomo Ibn Verga uumlbernimmt den Text fast woumlrtlich fuumlr seine Chronik Shevet Yehudah und erweitert ihn

lediglich um die nicht belegbare Geschichte der Konversion der Gemeinde von Toulouse[80]

Ihm

folgen Samuel Usque[81]

und Yosef ha-Kohen[82]

So bieten die Erzaumlhltraditionen des 16

Jahrhunderts lediglich ein Geruumlst von Fakten die den Handlungsablauf der Vertreibung mit wenigen

Worten beschreiben Eine Begruumlndung der Vertreibung wird nicht genannt So entspricht die

Erzaumlhlarmut des Textes zur Vertreibung aus Frankreich innerhalb der hebraumlischen Chronistik des

16 Jahrhunderts der allgemeinen Quellenarmut der hebraumlischen Uumlberlieferungstradition zu diesem

Ereignis

Beziehung der Juden zum Herrscher

Anhand der Untersuchung von herrschaftlichen Bindungen der Juden soll im Folgenden verdeutlicht

werden wie sich ein ehemals funktionierendes Miteinander zu einem Zerbrechen eben dieses

Miteinanders mit dem Resultat der Vertreibung veraumlnderte Dazu werden die Herrschaftsstrukturen

mit ihren Veraumlnderungen zwischen dem Koumlnig beziehungsweise anderen christlichen

Herrschaftstraumlgern und den Juden in England und Frankreich analysiert In England siedelten sich

im Zuge der normannischen Eroberungen nach 1066 die ersten aus Frankreich stammenden Juden

an[83]

Seit dieser Zeit wurden sie in Dokumenten haumlufig als bdquoJuden des Koumlnigsldquo[84]

bezeichnet

Diesen exklusiven Anspruch konnte der Koumlnig bis zur Vertreibung durchsetzen auch wenn es

vereinzelt andere Herrschaftstraumlger gab die Macht uumlber Juden erlangten[85]

Die Juden waren dem

Koumlnig direkt unterstellt sie mussten ihm jede Geldforderung erfuumlllen im Gegenzug durften sie nach

ihrem Gesetz leben und ihren Wohnsitz frei waumlhlen[86]

Ein Privileg Richards I von 1190 erwaumlhnt

auszligerdem unter anderem das Recht der Juden auf Landbesitz und zollfreien Handel mit Wein[87]

Belastend fuumlr das Leben der Juden von England war das hohe Maszlig an Verwaltung das die

englischen Koumlnige geschaffen hatten um die Steuern effizient eintreiben zu koumlnnen Anlaumlsslich der

Kroumlnung Richards I im Jahre 1189 war es ausgehend von London zu Massakern an Juden in ganz

England gekommen Da die koumlnigliche Verwaltung nicht nachvollziehen konnte welche

Schuldscheine durch die Verfolgung vernichtet worden waren wurde als Reaktion 1194 ein

Archivsystem (archae) eingefuumlhrt das von nun an alle Geldgeschaumlfte sowie alle Juden mit ihrer

Finanzkraft verzeichnete[88]

Unter Heinrich III (1216-1272) aumlnderte sich der rechtliche Status der

Juden Im Jahr 1253 erlieszlig der Koumlnig ein Mandat das den Juden unter anderem verbot neue

Synagogen zu errichten christliche Bedienstete oder sexuelle Kontakte mit Christen zu haben und

Kirchen zu betreten Wichtigster Punkt war jedoch dass Juden nun ihren Wohnort nicht mehr frei

waumlhlen sondern nur noch dort leben durften wo bereits Juden ansaumlssig waren[89]

Viele der hier

formulierten Mandate waren im IV Laterankonzil von 1215 als verbindliche Verbote fuumlr die Juden in

der christlichen Welt festgelegt worden und fanden nun ihre Umsetzung Daneben stieg die

Besteuerung seit den 1240er Jahren stetig an wodurch die Finanzkraft der Juden bereits deutlich

geschwaumlcht wurde[90]

Im Falle Edwards I zeigte sich schlieszliglich dass die starke Bindung der Juden

an den Koumlnig die den Juden in fruumlheren Jahren zunaumlchst Unabhaumlngigkeit und Wohlstand gebracht

hatte nun ihren Ruin und schlieszliglich ihre Vertreibung bewirkte Der Koumlnig hatte bei Maszlignahmen die

die Juden betrafen kaum Widerspruch zu befuumlrchten zu eindeutig definiert war seine Machstellung

den Juden gegenuumlber In Frankreich unterstanden die Juden dem Herrn ihres jeweiligen Gebiets

der Koumlnig von Frankreich herrschte also nur in der Krondomaumlne uumlber die Juden des Koumlnigreiches[91]

Die Juden waren an ihr angestammtes Territorium gebunden und durften dieses nur mit der

Erlaubnis ihres Landesherrn verlassen Dieses Prinzip reicht bis in die Zeit von Philipp II August

(1180-1223) zuruumlck und wurde seit der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne 1198 in

verschiedenen Vereinbarungen mit anderen franzoumlsischen Territorialherren vertraglich fixiert[92]

Schon bei der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne kam es zu Irritationen da Philipp II

die 1182 vertriebenen Juden nach wie vor als bdquoseine Judenldquo ansah diese Auffassung aber

beispielsweise von Graf Theobald III von Campagne nicht geteilt wurde Er fuumlrchtete Steuerausfaumllle

und war der Meinung dass Juden die sich 1182 in der Champagne niedergelassen hatten nicht

mehr die Juden des Koumlnigs seien[93]

Auch andere Landesherren weigerten sich dem Wegzug ihrer

Juden in die Krondomaumlne zuzustimmen[94]

Auch erste Schritte eines buumlrokratischen Umgangs mit

den Geldgeschaumlften der Juden waren 1198 durch Philipp II August vorgenommen worden

moumlglicherweise beeinflusst durch die archae die in England 1194 unter Koumlnig Richard I eingerichtet

worden waren um die Geldgeschaumlfte und die Finanzkraft der Juden zu dokumentieren In jedem Ort

der Krondomaumlne gab es spezielle Beamte die die Kreditvertraumlge der Juden siegelten und so

kontrollierten wem die Juden welche Betraumlge an Geld liehen[95]

Auch den Juden konnte dieses

Verfahren als Sicherheit fuumlr ihre Geschaumlfte dienen Unter Ludwig VIII (1223-1226) kam es zum

ersten Eingriff in die Geldgeschaumlfte der Juden im franzoumlsischen Gebiet 1223 erlieszlig der Koumlnig

zusammen mit diversen Landesherren ein Statut in dem festgelegt wurde dass die Ruumlckzahlung

aller Schulden bei Juden an insgesamt neun Terminen an die koumlnigliche beziehungsweise

landesherrliche Schatzkammer erfolgen sollte Die Praxis des Siegelns von Urkunden uumlber

Darlehensvergaben wurde abgeschafft Erneut wurde festgehalten dass keiner der Herrscher Juden

eines anderen Herrschers bei sich aufnehmen duumlrfe wobei es bei diesem Punkt wieder zu

Unstimmigkeiten mit dem Grafen der Champagne kam der die Erklaumlrung nicht unterschrieb[96]

Bereits die ersten Jahre der Regierungszeit Ludwigs IX (1226-1270) brachten fuumlr die Juden weitere

Beschwerlichkeiten und erste direkte Aktionen gegen den Wucher Im Jahr 1227 kam es zu einer

erneuten Aneignung der ausstehenden Schulden bei Juden 1228 erging ein Mandat in dem Ludwig

IX befahl bei kuumlnftigen Geldgeschaumlften auf Zinsen zu verzichten Auszligerdem erklaumlrte der Koumlnig bei

Geldgeschaumlften die seit der Schuldentilgung ein Jahr zuvor geschlossen wurden alle Zinsen fuumlr

unguumlltig[97]

Auch die generelle Rechtsstellung der Juden wurde schon fruumlh in der Regierungszeit

Ludwigs IX definiert wobei es bei der alten Regelung blieb Im Statut von Melun hielten der Koumlnig

und die Landesherren daran fest dass die Juden tamquam proprii servi an das jeweilige Territorium

gebunden waren Christliche Schuldner wurden dazu aufgerufen ihre Schulden bei Juden zu

bezahlen nicht aber die Zinsen[98]

Die 1240er Jahre waren in Frankreich gepraumlgt vom Pariser

Talmudprozess in dem der Talmud als ketzerische Schrift verurteilt und danach oumlffentlich verbrannt

wurde[99]

Dies fuumlhrte unter anderem zu einer verstaumlrkten Auswanderung juumldischer Eliten aus

Nordfrankreich[100]

Insgesamt aumlnderte sich der rechtliche Status unter Ludwig IX nicht aber fruumlher

als die Herrscher in England nahm Ludwig IX der 1290 heilig gesprochen wurde den Kampf gegen

den Wucher auf Einige Aktionen Koumlnig Philipps IV (1285-1314) waumlhrend seiner ersten

Regierungsjahre in Bezug auf die Juden muumlssen vor dem Hintergrund der Vertreibungen gesehen

werden die sich in Regionen auszligerhalb der Krondomaumlne ereigneten so beispielsweise die

Ausweisung der juumldischen Fluumlchtlinge durch Philipp IV im Jahre 1291[101]

Daneben ist eine

konsequente Linie den Juden gegenuumlber nicht zu erkennen 1285 erneuerte er beispielsweise ein

Privileg zum Schutz von Synagogen und Friedhoumlfen zugleich bestaumltigte er die Pflicht der Juden ein

spezielles Abzeichen an ihrer Kleidung zu tragen[102]

Beides sind Zeichen dafuumlr dass der Koumlnig zu

dieser Zeit nicht daran dachte die Juden auszuweisen sondern das Leben der Juden rechtlich zu

definieren Vorrangiges Ziel Philipps IV war es zunaumlchst seine Oberherrschaft uumlber die Juden im

Suumlden zu sichern wo diese nicht von allen Baronen anerkannt wurde Die Herrschaft in der

Champagne hatte er sich durch Heirat bereits gesichert Dort in Troyes kam es 1288 zu einer

Mordanklage in deren Folge 13 Juden hingerichtet wurden wobei der Koumlnig ihre Besitztuumlmer

einzog[103]

Groumlszligeren Einfluss auf den Koumlnig scheint die Hostienschaumlndungbeschuldigung 1290 in

Paris gehabt zu haben Philipp IV warnte die Juden vor weiteren Hostienschaumlndungen und

spendete ein Haus neben der Kirche die zum Gedenken an den Fall errichtet worden war[104]

Wie

sein Groszligvater Ludwig IX setzte Philipp IV den Kampf gegen den Wucher fort verbot ihn 1299 und

1303 daneben wurde auch das Verbot des Neubaus von Synagogen sowie des Talmuds bei diesen

Gelegenheiten erneuert[105]

In einer konzentrierten und laumlnger vorbereiteten Aktion lieszlig Philipp IV

dann die Juden (oder jedenfalls die Familienvorstaumlnde) vermutlich am 22 Juli 1306 festsetzen Dies

diente dazu eine genaue Aufstellung der Judenguumlter vorzunehmen und um sich die ausstehenden

Schuldscheine zu sichern Gleichzeitig bedeutete es das Ende der juumldischen Siedlung in Frankreich

bis zu ihrer Wiederzulassung unter Ludwig X im Jahr 1315

Sowohl bei der Vertreibung aus England als auch der aus Frankreich zeigt sich die Gefahr die die

Abhaumlngigkeit der Juden vom Herrscher barg Vor allem in England hatte die privilegierte Position fuumlr

Wohlstand und ein groszliges Maszlig an innerer Autonomie etwa in der Rechtssprechnung oder in bezug

auf die Freizuumlgigkeit gesorgt[106]

Sie schuumltzte die Juden jedoch nicht immer vor Gealtakten wie den

seit der Mitte des 12 Jahrhunderts immer wieder vorkommenden Ritualmordvorwuumlrfen In

Frankreich verschlechterten sich ihre Lebensumstaumlnde mit der Ausbreitung der Krondomaumlne War

es 1182 noch ein geringes Problem fuumlr die Juden eine neue Heimat zu finden und von anderen

franzoumlsischen Landesherren wohlwollend aufgenommen zu werden war dies 1306 nicht mehr

moumlglich Die Herrscher nahmen die theologischen Diskurse uumlber den Wucher oder den Talmud auf

und wurden des weiteren beeinflusst durch antijuumldische Blut- und Hostienschaumlndungsvorwuumlrfe

Auch wirtschaftliche Uumlberlegungen haben eine Rolle gespielt ebenso mag es eine Dynamik

gegeben haben angestoszligen durch die weiteren Vertreibungen in dieser Umbruchszeit in der sich

jeder Herrscher damit profilieren wollte und konnte die Juden zu vertreiben

Die allgemeine Verurteilung des Wuchers

Obwohl gerade in der hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts verstaumlrkt die finanziellen Interessen vor

allem des franzoumlsischen Koumlnigs als Motiv der Vertreibung hervorgehoben wurde folgte die zeitnahe

Argumentation einer innerjuumldischen Perspektive anderen Erklaumlrungsmustern So gilt es zumindest

im Falle der Vertreibung aus England festzuhalten dass sich unter den Juden die Vorstellung

verbreitete das Fehlverhalten einzelner Juden haumltte die Ausweisung von 1290 wie auch andere

Vertreibungen mit verursacht Doch laumlsst sich im Wuchervorwurf gegenuumlber den Juden - dem

durchgaumlngigen Argument der Vertreibungen im 13 Jahrhundert - nicht etwa eine vordergruumlndige

falsche Praxis des Geldverleihs als ausloumlsendes Moment vermuten wie dies gelegentlich auch von

christlicher Seite von den Zeitgenossen vertreten wurde[107]

Vielmehr begann sich seit dem 12

Jahrhundert unter christlichen Gelehrten und weltlichen Herrschern ein theologisches Verstaumlndnis

bezuumlglich des Wuchers durchzusetzen das der wirtschaftlichen Taumltigkeit der Geldleihe auch in den

Haumlnden der Juden keine geduldeten Nische zuzuweisen bereit war[108]

Wucher wurde nun nicht

mehr als Suumlnde gegen den Naumlchsten aus mangelndem Mitgefuumlhl betrachtet und als turpe lucrum

(schaumlndlicher Profit) definiert sondern als Suumlnde gegen die iustitia[109]

Gemaumlszlig dieser Vorstellung

waren alle Wuchergewinne Diebesgut und muszligten zuruumlckgegeben werden Viel schwerer wog die

Feststellung daszlig sich die nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger durch ihre Besteuerung der Juden am

Wuchergewinn der Juden beteiligten und sich darum der gleichen Suumlnden schuldig machten[110]

Somit wurde auf demselben Wege der fuumlrstliche oder koumlnigliche Judenschutz die Legitimation

entzogen Die voumlllige Unterbindung des juumldischen Geldhandels schien darum fuumlr die meisten

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger der einzig richtige Weg wie dies bereits die im Namen Koumlnig

Ludwigs IX verkuumlndete ordenance von Melun 1230 forderte[111]

Als letzte Konsequenz blieb die

Ausweisung der Juden aus immer mehr Herrschaften des franzoumlsischen Koumlnigreiches und

schlieszliglich der Kronlande Das Zerbrechen des Miteinanders von Juden und Christen innerhalb des

franzoumlsischen Koumlnigreiches sowie die schrittweise Aufloumlsung bzw Zerschlagung des

jahrhundertealten juumldischen Siedlungsnetzes muszlig auf die juumldischen Gemeinschaften der

benachbarten Regionen so z B in den Rheinlanden verstoumlrend und beaumlngstigend gewirkt haben

Der dieser Vertreibung zugrundeliegende theologische Diskurs zu Geldhandel und Wucher und die

daraus resultierenden Folgen fuumlr die eigene juumldischen Existenz scheint jedoch nur einen geringen

Einfluszlig auf die Wahrnehmung ihrer eigenen Situation gehabt zu haben Im Zuge der Vertreibung der

franzoumlsischen Juden im Sommer und Herbst 1306 waren juumldische Fluumlchtlinge in die deutschen

Rheinlande gelangt[112]

Wohl wenige Monate spaumlter trafen in Worms die Delegierten des dortigen

Gemeindebezirkes die Vertreter der die Wormser Gemeinde und der sie umgebenden juumldischen

Niederlassungen auf einer Versammlung zusammen Auf diesem juumldischen Landtag sollte eine

Rechtssatzung eine Takkanah verabschiedet werden die die Praxis der juumldischen Geldleihe im

Einzugsgebiet der Gemeinde Worms sowie das Verhalten gegenuumlber hochverschuldeten Kunden

neu regelte[113]

In der Zusammenkunft der Haumlupter des Volkes im bdquoLand Wormsldquo im Jahr 67 des sechsten Jahrtausends

(10 Sept 1306 - 28 Augutst 1307) weil sich wegen unserer groszliger Verfehlungen die Noumlte der

Soumlhne unseres Volkes vermehrten durchforschten wir unsere Taten und fanden dass seit einiger

Zeit ein Schwert die Seele der Elenden und Reinen auffraszlig weil sie Vermoumlgen vermehrt hatten

durch Zins und Zinseszins von den Fuumlrsten der Nichtjuden Diese schuldeten ein Riesenvermoumlgen

den Familienvorstaumlnden Sie schmiedeten Raumlnke sich auf die Juden zu stuumlrzen und sie zu

uumlberfallen um sich von ihren Schulden zu befreien Wir haben beschlossen dass man keine

Erhoumlhung hinzufuumlgen darf und jedem Mann und jeder Frau nicht gestattet werden soll irgend einem

Nichtjuden einem einzelnen Schuldner mehr als 100 Pfund Hallisch zu leihen Und wenn der

Zeitpunkt der Schuldruumlckzahlung gekommen ist soll es nicht mehr gestattet sein die Zinsschuld der

Schuldsumme zuzuschlagen sondern man soll aus der Hand des Schuldners die ganze Schuld

einziehen Und wenn man nicht die ganze Schuld von ihm einziehen kann soll man sich nicht

hindern lassen wenigstens den Zins einzuziehen Nur soll man den Schuldner nicht mit List

uumlbervorteilen Und wenn es nicht gelingt irgend etwas einzuziehen dann soll man dies dem Rat

seiner Gemeinde mitteilen und nach deren Geheiszlig soll man handeln Was das Schuldgeschaumlft der

fuumlrstlichen Schuldner betrifft deren Schulden sich schon vermehrt haben und die niemand mehr

begleichen kann Die Glaumlubiger sollen sich huumlten sie mit hohen Zinsen zu belasten denn es sind

Komplotte zu befuumlrchten was Gott verhuumlten moumlge Schon einige Personen haben sich

zusammengeschlossen und dies gerade nicht bei den Fuumlrsten sondern bei den Klerikern und den

Buumlrgern [114]

Offenkundig standen den Delegierten die befuumlrchteten Konsequenzen der Geldleihe deutlich vor

Augen Wohl ebenso eingeschuumlchtert durch die in Frankreich vollzogene Vertreibung der Juden

wurden von seiten der Juden eigene Verfehlungen aber auch unguumlnstige Machtkonstellation

beobachtet die im Falle der franzoumlsischen Juden zu deren Untergang gefuumlhrt hatten Die

Beziehungen von Juden und Christen steckten auch in den Rheinlanden in den eingangs genannten

Bereichen von Wirtschaft Herrschaft und Religion in einer tieferen Krise Die auf dem

Versammlung von Worms beschlossenen Gegenmaszlignahmen blieben auf die juumldischen Teilnehmer

beschraumlnkt Zuruumlckhaltung gegenuumlber den christlichen Kunden Demut gegenuumlber Gott und das

Flehen um sein Erbarmen was mit guten Werken unterstuumltzt werden soll Eine direkte Verhandlung

mit den christlichen Herrschaftstraumlgern war nicht mehr vorgesehen Das gegenseitige Vertrauen

zwischen Juden und Christen war verschwunden in einer Zeit in der nicht mehr Koexistenz sondern

vor allem von Seiten der Juden die Sorge um die eigene Zukunft das eigene Handeln bestimmte

Zusammenfassung

Die Vertreibung der Juden aus England hatte innerhalb des juumldischen Kontextes noch zu Ansaumltzen der

Selbstreflexion gefuumlhrt die einen konkreten Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Vertretern

der juumldischen Seite und den politischen Entscheidungen der nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger

gegenuumlber der eigenen Gruppe erkennen mochten Dennoch waumlhnte man sich weiterhin in einem

rechtlich voumlllig abgesicherten Verhaumlltnis zur christlichen Umwelt Man war sich eines besonderen

Status innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft bewuszligt der in den Augen der Juden in

keiner Weise gefaumlhrdet schien Noch in der zweiten Haumllfte des 13 Jahrhunderts definierte Meir ben

Baruch (gest 1293) die Stellung der Juden im Reich als die eines freien Landbewohners der sein

Land nicht aber seine persoumlnliche Freiheit verloren hat [115]

Er sei darum nicht wie die Nichtjuden

den Fuumlrsten unterworfen und zu Steuerzahlungen verpflichtet Diese Konstruktionen erinnern stark

an die noch im 12 Jahrhundert in Frankreich vertretenen Rechtsauffassungen eines Itzchaq ben

Shmuel von Dampierre (gest ca 1185)[116]

der ebenfalls die Freiheit der Juden im Vergleich zu den

Nichtjuden hervorhebt ihre voumlllige Bewegungsfreiheit im Gegensatz zu an die Scholle gebundenen

Nichtjuden betont und die Juden ebenfalls aus der Rechtspraxis herausnimmt die dem

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger gestattet bei Abwanderung von Personen deren beweglichen

Besitz einzuziehen[117]

Nach juumldischer Auffassung folgten die Interaktionen zwischen Juden und

Christen nach Regeln die von beiden Seiten anerkannt waren Das jedoch sich dies Regelwerk zu

ungunsten der Juden verhaumlndert haben mochte daszlig die eigene Bewegungsfreiheit inzwischen mehr

und mehr eingeschraumlnkt wurde die besonderen Steuergesetzgebung seit den Aumluszligerungen des

Itzchak von Dampiegravere sich erheblich veraumlndern hatte und damit nach daszlig Verhaumlltnis zur christlichen

Umwelt nun erheblichen Umwaumlltzungen unterworfen war wurde wie die Aumluszligerung Meirs nahelegt

weder reflektiert noch einigermaszligen registriert

Das Verhalten der franzoumlsischen Juden Angesichts ihrer Vertreibung ist darum keinesfalls verwunderlich In

den wenigen juumldischen Selbstzeugnisse zur Vertreibung der franzoumlsischen Juden finden sich keine

Spuren die auf einen Prozess der Selbstreflexion schlieszligen lassen Die Frage der Motivation zur

Vertreibung der Juden wird soweit dies die Quellen erkennen lassen nicht diskutiert Der

offenkundige theologische Diskurs zur Unrechtmaumlszligigkeit des auf Zinsen geleisteten Geldverleihs

dem die juumldischen Gemeinschaft im franzoumlsischen Koumlnigreich letztlich zum Opfer fiel wird

nirgendwo rezipiert Man koumlnnte den Eindruck gewinnen dass sich den franzoumlsischen Juden die

Gefaumlhrlichkeit der Diskussion um den Wucher zu keinem Zeitpunkt erschloss Auch in den

konstruierten Narrativen der folgenden Generationen steht die auch fuumlr den einzelnen Juden

folgenreiche finanzielle Auspluumlnderung durch die franzoumlsische Krone im Vordergrund Allerdings

zeigt die Quelle aus dem rheinischen Kontext dass zumindest nach der Vertreibung aus dem

franzoumlsischen Koumlnigreich im Jahre 1306 unter den rheinischen Juden bestimmte Formen der

Geldleihe als Element der Selbstgefaumlhrdung wahrgenommen wurde Dabei macht die Uumlberlieferung

der Wormser Versammlung auch deutlich das die Zerruumlttung des Verhaumlltnisses von Juden und

Christen auch von juumldischer Seite nicht mehr geleugnet werden konnte Dass es sich dabei nicht nur

um eine wirtschaftliche Auseinandersetzung sondern zunaumlchst um einen christlichen theologischen

Diskurs handelte der sich gaumlnzlich juumldischem Handeln entzog scheint den Protagonisten der

Wormser Gemeinde nicht zugaumlnglich gewesen sein Ohne zu erkennen dass die Geldleihe und

somit die eigene wirtschaftliche Existenz gaumlnzlich in Frage gestellt werden koumlnnte versuchten die

Vertreter der Wormser Versammlung durch einzelne Maszlignahmen die Beziehungen zur christlichen

Umgebung zu entlassten um Gefahren von der eigenen Gemeinschaft abzuwenden Auf diese

Weise wurden die Juden im Westen Europas mehr und mehr wirtschaftlichen und theologischen

Dynamiken ausgesetzt die sich jenseits der juumldischen Wahrnehmung auszuformen begannen und

schlieszliglich in die Verdraumlngung der Juden muumlnden sollten die in der Vertreibung von England und

Frankreich ihren Anfang nahm

Rainer Barzen Lennart Guumlntzel

1 uarr Vgl zu Frankreich Chazan Jewry (1973) 154-207 Jordan Monarchy (1998) 177-261 Zu

England Hyams Jews (1996) 173-192 Mentgen Vertreibungen (1997) 11-53 Mundill England

(1998)

2 uarr Chazan Jewry (1973) 63-100 Ders Church (1980) 312f Jordan Monarchy (1998) 23-38

3 uarr Zur Geschichte der Juden unter Ludwig IX vgl Chazan Jewry (1973) 100-153

4 uarr Die Vorbildfunktion Ludwigs IX vor allem in Hinblick auf den Kampf gegen den Wucher erwaumlhnt

Cluse Zusammenhang (1999)135ndash163

5 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

6 uarr Chazan Church (1980) 313-317

7 uarr Florentii Wigorniensis 214f

8 uarr Ebd 212

9 uarr Chazan Church (1980) 317-319

10 uarr Aufstellung der Chroniken bei Abrahams Expulsion (1895) 449f

11 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

12 uarr Ordonnances 317

13 uarr Jordan nennt als Beispiel die Ortschaft Niort die ihre Juden vertreiben konnte Jordan Monarchy

(1998) 183

14 uarr Ebd 184f

15 uarr Ebd 184

16 uarr Ebd 183f

17 uarr Zu den Motiven Philipps IV siehe Mentgen Vertreibungen (1997) 46-49 Schwarzfuchs

Expulsion (1967) 485f

18 uarr Uumlber den generellen Wucherdiskurs siehe unten Kapitel V2

19 uarr Close Rolls Edward I 109

20 uarr Annales de Waverleia 409 ldquo(hellip) Judaeorum (hellip) quae per diversas urbes et castra regionis

Anglicanae per retroacta tempora habitabat confidenter procurante domina Alienora matre dicti

regis Angliae jussa est per edictum regium (hellip)rdquo

21 uarr Annales de Dunstaplia 361-362bdquo (hellip) propter blasphemias quas Judaei saepe faciebant fidei

Christianae statuit rex ut omnes Judaei cum semine suo et substancia ab Anglia pellerentur (hellip)rdquo

22 uarr Ebd bdquo(hellip) et concessit eis rex salvum conductum In ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt

submersi per vim et fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

23 uarr Zum Verhaumlltnis von Dominikanern und Juden zu dieser Zeit vgl Cohen Friars (1982) sowie

Ders Letters (1999)

24 uarr Florentii Wigoriensis 214

25 uarr Uumlber ein moumlgliches Interesse des Adels an der Vertreibung der Juden siehe Mentgen

Vertreibungen (1997) 27-30

26 uarr Annales de Dunstaplia 361-362 bdquoIn ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt submersi per vim et

fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

27 uarr Pierre de Langtoft II 186 bdquoThomas de Wilaund en baunk primer nomeacute par agarde de la court le

regne ad forjoreacute et en la terre de France sanz repairer aleacute Ses compayons ses clercs sunt pris e

meneacute a la thour de Loundres delivreacutes par moneacuteldquo

28 uarr Ebd 188 bdquoPur le quinzme dener al rays en ayeldquo

29 uarr Ebd bdquoOre sunt alez en France e en Pykardye Tutes lur dettes e lur manauntye Sunt salves al

ray dunt fere sa curtaysyeldquo

30 uarr Oumlsterreichische Reimchronik Verse 91239-91777 1186-1192ldquo die dritten vorderungdie an den

Franzois junctet der kunic Albrehter jach die Juden ze rehtgehocircren daz ricircche an und ander nieman

()ldquo Zu dieser Quelle vgl Ziwes Studien (1995) 33f Anm 16

31 uarr Prima Vita Clementis V 5

32 uarr Quarta Vita Clementis V 62bdquo Anno Domini MCCCVJ in festo sancte Marie Magdalene de

mandato et ordinatione regis Francie fuerunt capti omnes Judei ubique in regno Francie quasi

imperceptibiler una die et confiscata sunt bona ipsorum quecumque potuerunt inveniri fueruntque

a regno expulsi ulterius minime reversurirdquo Vgl auch Sexta Vita Clementis V 92-93bdquo Et etiam in

isto anno in die sancte Marie Magdalene omnes Judei de regno Francie congediati [congregati]

fuerunt et eorum bona omnia extiterunt confiscatardquo

33 uarr Continuatio Guilelmi de Nangis 59 bdquoMense Augusto Rex Philippus omnes Judaeos de Regno

Franciae penitus amp omnino fecit expelli certum regressionis terminum sub poena mortis praesigens

eisdemrdquo

34 uarr Florentii Wigoriensis 192 ldquoBarones cum Londoniensibus Judaismum Londoniae spoliaverunt

multis Judaeis interfectisldquo Siehe auch Mundill England (1998) 41

35 uarr Florentii Wigoriensis 210ldquo Rex die Sancte Calixti synagogam Judaeorum in villa Londoniensi

fratribus de Poenitentia contulit Jesu Christi ()ldquo

36 uarr Ebd 222bdquoApud Norhamtonam () puer quidam a Judaeis crucifixus estrdquo

37 uarr BennerReverchon Juden (2003) 181

38 uarr Rubin Tales (1999) 40-48

39 uarr Mentgen Vertreibungen (1997) 42-44

40 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 64f sieht den Muumlnzbeschneidungsskandal als Folge der Verarmung

der Juden Eine andere Meinung vertritt Mundill England (1998) 195-198 der vor allem auf eine

erfolgreiche Rolle der Juden im Wollhandel verweist

41 uarr Florentii Wigoriensis 221ldquo Rex omnes Judaeos et quosdam Christianos de retonsura aut alia

monetae falsatione convictos fecit suspensi Unde Londoniae CCLX et VII Judaei mortis judicium

subierunt Quidam autem relegati quidam etiam eorum perpetuo sunt carceri adjudicati et quidam

in Anglia remanseruntrdquo Vgl auch Mundill England (1998) 67f sowie uumlber die Zahl der Opfer weiter

oben Anmerkung 36

42 uarr Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 S 20

43 uarr Nach der chronikalischen Uumlberlieferung waren es 267 bzw 269 hingerichtete Juden Eine

Auswertung der auszligerchronikalischen Quellen ergab die Zahl von 298 erhaumlngten Juden Rokeacuteach

Monex I (198890) 98

44 uarr Jordan Monarchy (1989) 182f

45 uarr rdquoVos autre fuistis Engles qui exiverunt de terra eorum quia rotundabatis monetamrdquo in

Shatzmiller Schlomo Ibn Verga (1988) 355 Ders Solidariteacute (1986) 423

46 uarr Shlomo Ibn Verga Shevet Yehudah Teil I (hebr) Teil II (dt Uumlbersetzung)(Edit Wiener) Shevet

Yehudah (Edit Shochat)

47 uarr Zu Leben und Werk Shlomo Ibn Vergas Baer Hearot (1934) 152-179

48 uarr Shevet Yehudah Nr 18 (hebr S 42-43 dt Uumlbers S 84-85) Shevet Yehudah (Edit Shochat)

S 66

49 uarr Shevet Yehudah Nr 20 (hebr 43-45 dt Uumlbers 86-89)

50 uarr Zu Yosef ha-Kohen und seinem Werk Loeb Josef Hacohen (1888) XVI 28-56 211-235 XVII

74-95 247-271

51 uarr Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (dt

Uumlbersetzung Wiener)

52 uarr Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) 38-39 (Edit Wiener) 41-42

53 uarr Usque Nachum Israel III (1908) XI-XIII Auch bei Gedalyah Ibn Yachjah Shalshelet ha-

Kabbalah (nach Graetz Geschichte VII (1897) 429 weitere Quellen Graetz ebd 426-430)

54 uarr Siehe Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 20a

55 uarr ldquoSie [die Dominikaner] brachten sogar Muumlnzsorten herbei die sie selbst zuhause beschnitten

hattenldquo Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) S 38 (Edit Wiener) 41

56 uarr Fuumlr vielerlei Hinweise zur hebraumlischen Uumlberlieferung der Vertreibung der franzoumlsischen Juden sei

Dr Abraham David Jerusalem herzlich gedankt

57 uarr Schwarzfuchs History (2001) 269-274 Ben-Shalom Communication (1991) 171-225

58 uarr Abba Mari ben Mose von Lunel Sefer Minchat Qenaot Nr 120 in Shlomo Ibn Adret Tshuvot II

835-836

59 uarr BT Berachot 70a Gemeint ist hier die Philosophie griechischer Tradition die von Abba Mari

besonders bekaumlmpft wurde Shlomo Ibn Adret Teshuvot Bd 2 835 Anmerkung zu Zeile 1 Abba

Mari brachte die Vertreibung der suumldfranzoumlsischen Juden mit deren Hinwendung zur griechischen

Philosophie in Verbindung Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 832 Anmerkung zu Zeile 8

60 uarr Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 835-836 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001) 273

61 uarr Jordan French Monarchy (1989) 195196

62 uarr Saige Juifs (1881) 92

63 uarr Jordan French Monarchy (1989) 205 Saige Juifs (1881) 101-102 308-319 324-325

64 uarr Zu Leben und Werk sowie zu seinem Aufenhalt im Lande Israel siehe Schwarzfuchs History

261 Elbaum Estori ha-Parhi S 918f

65 uarr Zur Bedeutung des hebraumlischen Begriffes Prowentzah der neben der heutigen Provence auch

das Languedoc miteinschloss siehe Gross Gallia Judaica (1887) 489 In diesem Sinne entspricht

Prowentzah der roumlmischen Provincia Narbonnensis In Kontext der Vertreibung der Juden im

Jahre 1306 kann nur das Languedoc gemeint sein

66 uarr Eshtori haParchi Kaftor waFerach 218

67 uarr Schwarzfuchs History (2001) 276-278 Dahan Gersonide (1991)

68 uarr Levi ben Gershom Pirush al ha-Torah

69 uarr Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 153-154

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

1300 vor allem in den polemischen Auseinandersetzungen um die Rezeption des Schriften des

Maimonides und der Frage nach dem Stellenwert philosophischer Studien in Erscheinung getreten

war[57]

In einem Brief[58]

schreibt er

Im Jahre 5066 (1306) der Zaumlhlung dies ist das Jahr welches die Suumlnde hervorgebracht hat[59]

verbreitete sich die Verfolgung (Gezerah) des Koumlnigs von Frankreich (Tzarfat) uumlber alle Juden in

allen Landen seines Koumlnigreiches aus sie aus ihren Haumlusern zu holen und ihnen all ihren Besitz

abzunehmen Alle sollten an einem bestimmten Tag festgesetzt werden jung und alt Frauen und

Kinder und diese sollte am Freitag am zehnten des Monats Aw (22 Juli 1306) geschehen und

man vertrieb sie aus dem Land Die Juden die in der Stadt Montpellier lebten wurden im Jahre

5067 im Monat Marcheshwan vertrieben (10 Okt-7 Nov 1306) Einige von ihnen begaben sich in

die Stadt Perpignan da sie sich des Sieges des Koumlnigs von Mallorca sicher waren dass er ihnen

aus der Hand des Koumlnigs den Aufenthalt und die Versorgung gewaumlhren wuumlrde Wieder andere

zogen weiter in die Provence hellip Und ich nachdem ich mich in die Provence ins Exil begeben

hatte in die Stadt Arles fuhr von dort fort und begab mich von dort in ein zweites Exil in die Stadt

Perpignan Ich kam dort an am ersten des Monats Shwat dem vierten Monat unseres Exils (5 Jan

1307)[60]

Abba Mari beschreibt als Zeitzeuge den politischen Kontext der Vertreibung der Juden im

Suumlden des franzoumlsischen Koumlnigreiches Die Beschreibung bleibt an sein eigenes Schicksal

gebunden Die Ausweisung der Juden umfasst auch das Languedoc das ebenfalls Teil des

direkten Herrschaftsbereichs des franzoumlsischen Koumlnigs Philipp des Schoumlnen geworden war Die

Vertriebenen wandten sich nun benachbarten nichtfranzoumlsischen Herrschaften zu der

Provence die zur Zeit der Vertreibung noch ein Teil des roumlmisch-deutschen Reiches war sowie

den Besitzungen des Koumlnigs von Mallorca zu denen Perpignan und teilweise auch Montpellier

zaumlhlten[61]

Zunaumlchst hatte der Koumlnig von Mallorca die Vertreibung der Juden aus Montpellier in

Opposition zum franzoumlsischen Koumlnig abgelehnt[62]

Die Juden hofften wie Abba Mari betont

dass dieser Widerstand von Dauer sein koumlnnte wurden jedoch enttaumluscht Im Februar 1309

willigte nach langen Verhandlungen auch der mallorquinische Koumlnig ein der Vertreibung der

Juden zuzustimmen[63]

In Territorien in denen er uneingeschraumlnkt seine Herrschaft ausuumlben

konnte wie etwa in Perpignan war den Juden der Aufenthalt weiterhin erlaubt so dass dorthin

wie in die Provence die Juden der Stadt Montpellier weiterzogen Abba Mari beschreibt die

lokalen politischen Zusammenhaumlnge der Vertreibungen der am Mittelmeer gelegenen

Territorien Er hebt dabei den Einfluss des franzoumlsischen Koumlnigs auf Herrschaftstraumlger

auszligerhalb seines Koumlnigreiches hervor nennt jedoch keinen Grund der das Verhalten des

franzoumlsischen Koumlnigs erklaumlrt haumltte Warum die franzoumlsischen Juden ihr Stammland verlassen

mussten wird nicht diskutiert

Ein weiterer Autor des fruumlhen 14 Jahrhunderts Eshtori ha-Parchi[64]

beschreibt in seinem Werk

Kaftor wa-Ferach kurz seine am eigenen Leib erfahrene Vertreibung der Juden aus dem

Suumlden des franzoumlsischen Koumlnigreichs

bdquoAuch erinnere ich mich an das Datum der Zerstoumlrung des kleinen Heiligtums naumlmlich die

Zerstoumlrung der Lehrhaumluser und Synagogen in Tzarfat (Nordfrankreich) und teilweise auch in der

Prowentzah (Suumldfrankreich hier Languedoc)[65]

Ich floh vom Schlachtfeld hellip im Jahre 5066 und

zwar am 10 Aw (22 Juli 1306)ldquo[66]

Eshtori ha-Parchi der sich schlieszliglich im Jahre 1313 im Lande Israel niederliess nennt

keine Begruumlndung der Ereignisse Die Bezeichnung der Vertreibung als Zerstoumlrung des

kleinen Heiligtums macht dem Leser deutlich welche Bedeutung den franzoumlsischen

Gelehrtenzentren vom Autor zugesprochen wurde die in dieser Ruumlckschau als

unwiederbringlich verloren betrachtet werden Eine weitere zeitnahe Notiz zur Vertreibung

der franzoumlsischen Juden laumlsst sich im Tora-Kommentar des Gelehrten R Lewi ben

Gershom (Ralbag) (1288-1344) finden Der Gelehrte der unter seinen nichtjuumldischen

Zeitgenossen auch unter der Bezeichnung Maestre Leo de Bagnol oder auch Magister

Leo Hebraeus bekannt war[67]

schreibt zum Wochenabschnitt Bechukotei (Lev 26 3 -

27 34)

Und wenn es in der Schrift heiszligt sbquoIhr geht unter den Voumllkern zugrunde und das Land euerer

Feinde friszligt euch aufrsquo (Lev 26 38) bezog sich dies auf die groszligen Noumlte unseres Volkes in denen

viele umgekommen sind eingeschlossen das Hinschlachten einiger in den heiligen Gemeinden

und die Vertreibung der Juden aus dem Lande Zarfat Doppelt so viele starben an Hunger und

Pestilenz als beim Auszug aus Aumlgypten[68]

Interessanterweise erwaumlhnt Levi ben Gershom als erster Autor Todesopfer die

innerhalb der juumldischen Gemeinschaft als Folge der Vertreibung zu beklagen waren

Fast ein Jahrhundert spaumlter wohl in der ersten Haumllfte des 15 Jahrhunderts

beschreibt der in Spanien wohl in Tortosa lebende Mattityahu haYizhari ein

Nachkomme einer aus Suumldfrankreich stammenden Familie[69]

die Vertreibung der

Juden mit folgenden Worten

Es sprach Mattityahu Sohn des Moshe Sohn des Weisen Mattiyahu ha-Yizhari sein Andenken

sei zu Segen Viele Noumlte haben uns ereilt seit wir aus dem verheiszligenen Land vertrieben wurden

hellip tausende und zehntausende Juden hatten sich in Frankreich niedergelassen hellip und meine

Vorfahren siedelten in der Stadt Narbonne einer groszligen Stadt Gottes bis Verfehlungen zur

Vertreibung fuumlhrten Einige starben als Maumlrtyrer andere wurde uumlber die ganze Erde zerstreut und

das ganze Land Zarfat lag entbloumlszligt da [70]

Auch bei Levi ben Gershom steht die Zerstoumlrung der groszligen juumldischen Zentren

im Vordergrund Ein Grund fuumlr deren Untergang wird nicht eroumlrtert Ein

aumlhnliches Bild findet sich bei einem weiteren juumldischen Gelehrten aus dem

Beginn des 14 Jahrhunderts In seinem um das Jahr 1321 abgeschlossenen

Werk Even Bochan bemerkt der in Arles geborene juumldische Philosoph

Kalonymos ben Kalonymos (geb 1286)[71]

Als der Herrscher von der Stimmung erfasst wurde mein Volk ins Exil zu fuumlhren vor siebzehn

Jahren uumlberwand er sie in seinem Grimm und vertrieb sie mit starker Hand aus seinem Land

uumlberfuumlhrte sie in Staumldte nackt und mittellos die in ihren Palaumlsten viele Schaumltze von Gold besaszligen

um die Altehrwuumlrdigen ihrer Generation und ihre Prinzen zu vernichten und auszuloumlschen[72]

Die Erwaumlhnung der Enteignung der Juden durch die franzoumlsische Krone

verweist auf den tatsaumlchlichen Verlauf der Ausweisung und auf ihre

fiskalischen Motive[73]

Die auch vom Autor betonten finanziellen

Interessen des Herrschers werden jedoch nicht diskutiert Uumlberhaupt

bleiben die wenigen weiteren zeitgenoumlssischen Bemerkungen zur

Vertreibung sehr skizzenhaft und auch eng mit der Biographie ihrer

Verfasser verknuumlpft So schreibt R Menachem ha-Meiri (Vidal Salamon

Mayr) (geb 1249) der wenige Jahre nach der Vertreibung verstarb[74]

in

seiner Einleitung zur Auslegung des Traktates Avot

als Gott mich vom meinem Vaterhaus fortbrachte machte er meine Soumlhne zu Fluumlchtlingen und

meine Toumlchter fuumlhrte er in Gefangenschaft[75]

Die letzten bekannten Bemerkungen zur Vertreibung aus der

Generation der Zeitzeugen stammen aus der Feder des Dichters

und Philosophen Jedajah ben Abraham haPenini[76]

der in den

Staumldten Beacuteziers Montpellier und Perpignan lebte und um 1325

verstarb In einem Brief an den katalanischen Gelehrten Schlomo

Ibn Adret betonte der Autor wie sehr doch die Juden der Provence

ihre Tuumlren weit fuumlr die Exilierten geoumlffnet haumltten und viel dazu

beigetragen haumltten die Fluumlchtlinge aufzunehmen[77]

Auch in einem

Gedicht schloss der Autor Anspielungen zur Vertreibung der

franzoumlsischen Juden mit ein[78]

Hebraumlische Zeugnisse zur Vertreibung aus dem Norden des

franzoumlsischen Herrschaftsgebietes konnten bisher nicht

nachgewiesen werden Die hier aufgefuumlhrten hebraumlischen Quellen

zur Vertreibung der Juden aus den Herrschaftsgebieten des

franzoumlsischen Koumlnigs stammen ausschlieszliglich von Personen die

durch die Zerstoumlrung der juumldischen Zentren im suumldlichen Frankreich

betroffen waren Diese Uumlberlieferungen wurden schlieszliglich von der

hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts aufgenommen und in

ihre als Zyklen von Leiden und Verfolgung gestalteten Werken

eingearbeitet Itzchaq Abarbanel (gest vor 1550) scheint dabei der

entscheidende Protagonist bei der Schoumlpfung eines die Vertreibung

von 1306 beschreibenden juumldischen Narratives gewesen zu sein

auch wenn er sich nach seinen eigenen Angaben lediglich auf

Itzchak Profiat Duran genannt Efodi einen juumldisch-katalanischen

Autor des spaumlten 14 Jahrhunderts bezog So schreibt Abarbanel

bdquoIm Jahre 5066 (1306) der Zaumlhlung war die Vertreibung aus Frankreich Koumlnig Philipp war ein

grausamer und verfluchter Feind der alle Juden aus seinem Koumlnigreich vertrieb all ihren Besitz

enteignete und sie mittellos des Landes verwies Es gab dort viele groszlige Gemeinden doppelt so

viele (Juden) wie aus Aumlgypten auszogen hellip Und es war eine Zeit der groszligen Not fuumlr Israel hellip es

war im Monat Aw (13 Juli 1306-11 August 1306) und es war eine allumfassende Vertreibung hellipall

dies findet sich in der Schrift bdquoSichron ha-Shmadotldquo die von allen Zerstoumlrung berichtet die sich seit

der Zerstoumlrung des Tempels in Israel ereignet haben aufgeschrieben und redigiert von Efodildquo[79]

Der Autor weiszlig zu berichten unter welchem Koumlnig und in welchem Monat und Jahr die Vertreibung

stattfand Auf die Mittellosigkeit der juumldischen Fluumlchtlinge wird explizit hingewiesen die auf die

Auspluumlnderung durch den Koumlnig zuruumlckgefuumlhrt wird Auch eine Vorstellung von der Zahl der Exilierten

spiegelt sich im Text wider

Shlomo Ibn Verga uumlbernimmt den Text fast woumlrtlich fuumlr seine Chronik Shevet Yehudah und erweitert ihn

lediglich um die nicht belegbare Geschichte der Konversion der Gemeinde von Toulouse[80]

Ihm

folgen Samuel Usque[81]

und Yosef ha-Kohen[82]

So bieten die Erzaumlhltraditionen des 16

Jahrhunderts lediglich ein Geruumlst von Fakten die den Handlungsablauf der Vertreibung mit wenigen

Worten beschreiben Eine Begruumlndung der Vertreibung wird nicht genannt So entspricht die

Erzaumlhlarmut des Textes zur Vertreibung aus Frankreich innerhalb der hebraumlischen Chronistik des

16 Jahrhunderts der allgemeinen Quellenarmut der hebraumlischen Uumlberlieferungstradition zu diesem

Ereignis

Beziehung der Juden zum Herrscher

Anhand der Untersuchung von herrschaftlichen Bindungen der Juden soll im Folgenden verdeutlicht

werden wie sich ein ehemals funktionierendes Miteinander zu einem Zerbrechen eben dieses

Miteinanders mit dem Resultat der Vertreibung veraumlnderte Dazu werden die Herrschaftsstrukturen

mit ihren Veraumlnderungen zwischen dem Koumlnig beziehungsweise anderen christlichen

Herrschaftstraumlgern und den Juden in England und Frankreich analysiert In England siedelten sich

im Zuge der normannischen Eroberungen nach 1066 die ersten aus Frankreich stammenden Juden

an[83]

Seit dieser Zeit wurden sie in Dokumenten haumlufig als bdquoJuden des Koumlnigsldquo[84]

bezeichnet

Diesen exklusiven Anspruch konnte der Koumlnig bis zur Vertreibung durchsetzen auch wenn es

vereinzelt andere Herrschaftstraumlger gab die Macht uumlber Juden erlangten[85]

Die Juden waren dem

Koumlnig direkt unterstellt sie mussten ihm jede Geldforderung erfuumlllen im Gegenzug durften sie nach

ihrem Gesetz leben und ihren Wohnsitz frei waumlhlen[86]

Ein Privileg Richards I von 1190 erwaumlhnt

auszligerdem unter anderem das Recht der Juden auf Landbesitz und zollfreien Handel mit Wein[87]

Belastend fuumlr das Leben der Juden von England war das hohe Maszlig an Verwaltung das die

englischen Koumlnige geschaffen hatten um die Steuern effizient eintreiben zu koumlnnen Anlaumlsslich der

Kroumlnung Richards I im Jahre 1189 war es ausgehend von London zu Massakern an Juden in ganz

England gekommen Da die koumlnigliche Verwaltung nicht nachvollziehen konnte welche

Schuldscheine durch die Verfolgung vernichtet worden waren wurde als Reaktion 1194 ein

Archivsystem (archae) eingefuumlhrt das von nun an alle Geldgeschaumlfte sowie alle Juden mit ihrer

Finanzkraft verzeichnete[88]

Unter Heinrich III (1216-1272) aumlnderte sich der rechtliche Status der

Juden Im Jahr 1253 erlieszlig der Koumlnig ein Mandat das den Juden unter anderem verbot neue

Synagogen zu errichten christliche Bedienstete oder sexuelle Kontakte mit Christen zu haben und

Kirchen zu betreten Wichtigster Punkt war jedoch dass Juden nun ihren Wohnort nicht mehr frei

waumlhlen sondern nur noch dort leben durften wo bereits Juden ansaumlssig waren[89]

Viele der hier

formulierten Mandate waren im IV Laterankonzil von 1215 als verbindliche Verbote fuumlr die Juden in

der christlichen Welt festgelegt worden und fanden nun ihre Umsetzung Daneben stieg die

Besteuerung seit den 1240er Jahren stetig an wodurch die Finanzkraft der Juden bereits deutlich

geschwaumlcht wurde[90]

Im Falle Edwards I zeigte sich schlieszliglich dass die starke Bindung der Juden

an den Koumlnig die den Juden in fruumlheren Jahren zunaumlchst Unabhaumlngigkeit und Wohlstand gebracht

hatte nun ihren Ruin und schlieszliglich ihre Vertreibung bewirkte Der Koumlnig hatte bei Maszlignahmen die

die Juden betrafen kaum Widerspruch zu befuumlrchten zu eindeutig definiert war seine Machstellung

den Juden gegenuumlber In Frankreich unterstanden die Juden dem Herrn ihres jeweiligen Gebiets

der Koumlnig von Frankreich herrschte also nur in der Krondomaumlne uumlber die Juden des Koumlnigreiches[91]

Die Juden waren an ihr angestammtes Territorium gebunden und durften dieses nur mit der

Erlaubnis ihres Landesherrn verlassen Dieses Prinzip reicht bis in die Zeit von Philipp II August

(1180-1223) zuruumlck und wurde seit der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne 1198 in

verschiedenen Vereinbarungen mit anderen franzoumlsischen Territorialherren vertraglich fixiert[92]

Schon bei der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne kam es zu Irritationen da Philipp II

die 1182 vertriebenen Juden nach wie vor als bdquoseine Judenldquo ansah diese Auffassung aber

beispielsweise von Graf Theobald III von Campagne nicht geteilt wurde Er fuumlrchtete Steuerausfaumllle

und war der Meinung dass Juden die sich 1182 in der Champagne niedergelassen hatten nicht

mehr die Juden des Koumlnigs seien[93]

Auch andere Landesherren weigerten sich dem Wegzug ihrer

Juden in die Krondomaumlne zuzustimmen[94]

Auch erste Schritte eines buumlrokratischen Umgangs mit

den Geldgeschaumlften der Juden waren 1198 durch Philipp II August vorgenommen worden

moumlglicherweise beeinflusst durch die archae die in England 1194 unter Koumlnig Richard I eingerichtet

worden waren um die Geldgeschaumlfte und die Finanzkraft der Juden zu dokumentieren In jedem Ort

der Krondomaumlne gab es spezielle Beamte die die Kreditvertraumlge der Juden siegelten und so

kontrollierten wem die Juden welche Betraumlge an Geld liehen[95]

Auch den Juden konnte dieses

Verfahren als Sicherheit fuumlr ihre Geschaumlfte dienen Unter Ludwig VIII (1223-1226) kam es zum

ersten Eingriff in die Geldgeschaumlfte der Juden im franzoumlsischen Gebiet 1223 erlieszlig der Koumlnig

zusammen mit diversen Landesherren ein Statut in dem festgelegt wurde dass die Ruumlckzahlung

aller Schulden bei Juden an insgesamt neun Terminen an die koumlnigliche beziehungsweise

landesherrliche Schatzkammer erfolgen sollte Die Praxis des Siegelns von Urkunden uumlber

Darlehensvergaben wurde abgeschafft Erneut wurde festgehalten dass keiner der Herrscher Juden

eines anderen Herrschers bei sich aufnehmen duumlrfe wobei es bei diesem Punkt wieder zu

Unstimmigkeiten mit dem Grafen der Champagne kam der die Erklaumlrung nicht unterschrieb[96]

Bereits die ersten Jahre der Regierungszeit Ludwigs IX (1226-1270) brachten fuumlr die Juden weitere

Beschwerlichkeiten und erste direkte Aktionen gegen den Wucher Im Jahr 1227 kam es zu einer

erneuten Aneignung der ausstehenden Schulden bei Juden 1228 erging ein Mandat in dem Ludwig

IX befahl bei kuumlnftigen Geldgeschaumlften auf Zinsen zu verzichten Auszligerdem erklaumlrte der Koumlnig bei

Geldgeschaumlften die seit der Schuldentilgung ein Jahr zuvor geschlossen wurden alle Zinsen fuumlr

unguumlltig[97]

Auch die generelle Rechtsstellung der Juden wurde schon fruumlh in der Regierungszeit

Ludwigs IX definiert wobei es bei der alten Regelung blieb Im Statut von Melun hielten der Koumlnig

und die Landesherren daran fest dass die Juden tamquam proprii servi an das jeweilige Territorium

gebunden waren Christliche Schuldner wurden dazu aufgerufen ihre Schulden bei Juden zu

bezahlen nicht aber die Zinsen[98]

Die 1240er Jahre waren in Frankreich gepraumlgt vom Pariser

Talmudprozess in dem der Talmud als ketzerische Schrift verurteilt und danach oumlffentlich verbrannt

wurde[99]

Dies fuumlhrte unter anderem zu einer verstaumlrkten Auswanderung juumldischer Eliten aus

Nordfrankreich[100]

Insgesamt aumlnderte sich der rechtliche Status unter Ludwig IX nicht aber fruumlher

als die Herrscher in England nahm Ludwig IX der 1290 heilig gesprochen wurde den Kampf gegen

den Wucher auf Einige Aktionen Koumlnig Philipps IV (1285-1314) waumlhrend seiner ersten

Regierungsjahre in Bezug auf die Juden muumlssen vor dem Hintergrund der Vertreibungen gesehen

werden die sich in Regionen auszligerhalb der Krondomaumlne ereigneten so beispielsweise die

Ausweisung der juumldischen Fluumlchtlinge durch Philipp IV im Jahre 1291[101]

Daneben ist eine

konsequente Linie den Juden gegenuumlber nicht zu erkennen 1285 erneuerte er beispielsweise ein

Privileg zum Schutz von Synagogen und Friedhoumlfen zugleich bestaumltigte er die Pflicht der Juden ein

spezielles Abzeichen an ihrer Kleidung zu tragen[102]

Beides sind Zeichen dafuumlr dass der Koumlnig zu

dieser Zeit nicht daran dachte die Juden auszuweisen sondern das Leben der Juden rechtlich zu

definieren Vorrangiges Ziel Philipps IV war es zunaumlchst seine Oberherrschaft uumlber die Juden im

Suumlden zu sichern wo diese nicht von allen Baronen anerkannt wurde Die Herrschaft in der

Champagne hatte er sich durch Heirat bereits gesichert Dort in Troyes kam es 1288 zu einer

Mordanklage in deren Folge 13 Juden hingerichtet wurden wobei der Koumlnig ihre Besitztuumlmer

einzog[103]

Groumlszligeren Einfluss auf den Koumlnig scheint die Hostienschaumlndungbeschuldigung 1290 in

Paris gehabt zu haben Philipp IV warnte die Juden vor weiteren Hostienschaumlndungen und

spendete ein Haus neben der Kirche die zum Gedenken an den Fall errichtet worden war[104]

Wie

sein Groszligvater Ludwig IX setzte Philipp IV den Kampf gegen den Wucher fort verbot ihn 1299 und

1303 daneben wurde auch das Verbot des Neubaus von Synagogen sowie des Talmuds bei diesen

Gelegenheiten erneuert[105]

In einer konzentrierten und laumlnger vorbereiteten Aktion lieszlig Philipp IV

dann die Juden (oder jedenfalls die Familienvorstaumlnde) vermutlich am 22 Juli 1306 festsetzen Dies

diente dazu eine genaue Aufstellung der Judenguumlter vorzunehmen und um sich die ausstehenden

Schuldscheine zu sichern Gleichzeitig bedeutete es das Ende der juumldischen Siedlung in Frankreich

bis zu ihrer Wiederzulassung unter Ludwig X im Jahr 1315

Sowohl bei der Vertreibung aus England als auch der aus Frankreich zeigt sich die Gefahr die die

Abhaumlngigkeit der Juden vom Herrscher barg Vor allem in England hatte die privilegierte Position fuumlr

Wohlstand und ein groszliges Maszlig an innerer Autonomie etwa in der Rechtssprechnung oder in bezug

auf die Freizuumlgigkeit gesorgt[106]

Sie schuumltzte die Juden jedoch nicht immer vor Gealtakten wie den

seit der Mitte des 12 Jahrhunderts immer wieder vorkommenden Ritualmordvorwuumlrfen In

Frankreich verschlechterten sich ihre Lebensumstaumlnde mit der Ausbreitung der Krondomaumlne War

es 1182 noch ein geringes Problem fuumlr die Juden eine neue Heimat zu finden und von anderen

franzoumlsischen Landesherren wohlwollend aufgenommen zu werden war dies 1306 nicht mehr

moumlglich Die Herrscher nahmen die theologischen Diskurse uumlber den Wucher oder den Talmud auf

und wurden des weiteren beeinflusst durch antijuumldische Blut- und Hostienschaumlndungsvorwuumlrfe

Auch wirtschaftliche Uumlberlegungen haben eine Rolle gespielt ebenso mag es eine Dynamik

gegeben haben angestoszligen durch die weiteren Vertreibungen in dieser Umbruchszeit in der sich

jeder Herrscher damit profilieren wollte und konnte die Juden zu vertreiben

Die allgemeine Verurteilung des Wuchers

Obwohl gerade in der hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts verstaumlrkt die finanziellen Interessen vor

allem des franzoumlsischen Koumlnigs als Motiv der Vertreibung hervorgehoben wurde folgte die zeitnahe

Argumentation einer innerjuumldischen Perspektive anderen Erklaumlrungsmustern So gilt es zumindest

im Falle der Vertreibung aus England festzuhalten dass sich unter den Juden die Vorstellung

verbreitete das Fehlverhalten einzelner Juden haumltte die Ausweisung von 1290 wie auch andere

Vertreibungen mit verursacht Doch laumlsst sich im Wuchervorwurf gegenuumlber den Juden - dem

durchgaumlngigen Argument der Vertreibungen im 13 Jahrhundert - nicht etwa eine vordergruumlndige

falsche Praxis des Geldverleihs als ausloumlsendes Moment vermuten wie dies gelegentlich auch von

christlicher Seite von den Zeitgenossen vertreten wurde[107]

Vielmehr begann sich seit dem 12

Jahrhundert unter christlichen Gelehrten und weltlichen Herrschern ein theologisches Verstaumlndnis

bezuumlglich des Wuchers durchzusetzen das der wirtschaftlichen Taumltigkeit der Geldleihe auch in den

Haumlnden der Juden keine geduldeten Nische zuzuweisen bereit war[108]

Wucher wurde nun nicht

mehr als Suumlnde gegen den Naumlchsten aus mangelndem Mitgefuumlhl betrachtet und als turpe lucrum

(schaumlndlicher Profit) definiert sondern als Suumlnde gegen die iustitia[109]

Gemaumlszlig dieser Vorstellung

waren alle Wuchergewinne Diebesgut und muszligten zuruumlckgegeben werden Viel schwerer wog die

Feststellung daszlig sich die nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger durch ihre Besteuerung der Juden am

Wuchergewinn der Juden beteiligten und sich darum der gleichen Suumlnden schuldig machten[110]

Somit wurde auf demselben Wege der fuumlrstliche oder koumlnigliche Judenschutz die Legitimation

entzogen Die voumlllige Unterbindung des juumldischen Geldhandels schien darum fuumlr die meisten

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger der einzig richtige Weg wie dies bereits die im Namen Koumlnig

Ludwigs IX verkuumlndete ordenance von Melun 1230 forderte[111]

Als letzte Konsequenz blieb die

Ausweisung der Juden aus immer mehr Herrschaften des franzoumlsischen Koumlnigreiches und

schlieszliglich der Kronlande Das Zerbrechen des Miteinanders von Juden und Christen innerhalb des

franzoumlsischen Koumlnigreiches sowie die schrittweise Aufloumlsung bzw Zerschlagung des

jahrhundertealten juumldischen Siedlungsnetzes muszlig auf die juumldischen Gemeinschaften der

benachbarten Regionen so z B in den Rheinlanden verstoumlrend und beaumlngstigend gewirkt haben

Der dieser Vertreibung zugrundeliegende theologische Diskurs zu Geldhandel und Wucher und die

daraus resultierenden Folgen fuumlr die eigene juumldischen Existenz scheint jedoch nur einen geringen

Einfluszlig auf die Wahrnehmung ihrer eigenen Situation gehabt zu haben Im Zuge der Vertreibung der

franzoumlsischen Juden im Sommer und Herbst 1306 waren juumldische Fluumlchtlinge in die deutschen

Rheinlande gelangt[112]

Wohl wenige Monate spaumlter trafen in Worms die Delegierten des dortigen

Gemeindebezirkes die Vertreter der die Wormser Gemeinde und der sie umgebenden juumldischen

Niederlassungen auf einer Versammlung zusammen Auf diesem juumldischen Landtag sollte eine

Rechtssatzung eine Takkanah verabschiedet werden die die Praxis der juumldischen Geldleihe im

Einzugsgebiet der Gemeinde Worms sowie das Verhalten gegenuumlber hochverschuldeten Kunden

neu regelte[113]

In der Zusammenkunft der Haumlupter des Volkes im bdquoLand Wormsldquo im Jahr 67 des sechsten Jahrtausends

(10 Sept 1306 - 28 Augutst 1307) weil sich wegen unserer groszliger Verfehlungen die Noumlte der

Soumlhne unseres Volkes vermehrten durchforschten wir unsere Taten und fanden dass seit einiger

Zeit ein Schwert die Seele der Elenden und Reinen auffraszlig weil sie Vermoumlgen vermehrt hatten

durch Zins und Zinseszins von den Fuumlrsten der Nichtjuden Diese schuldeten ein Riesenvermoumlgen

den Familienvorstaumlnden Sie schmiedeten Raumlnke sich auf die Juden zu stuumlrzen und sie zu

uumlberfallen um sich von ihren Schulden zu befreien Wir haben beschlossen dass man keine

Erhoumlhung hinzufuumlgen darf und jedem Mann und jeder Frau nicht gestattet werden soll irgend einem

Nichtjuden einem einzelnen Schuldner mehr als 100 Pfund Hallisch zu leihen Und wenn der

Zeitpunkt der Schuldruumlckzahlung gekommen ist soll es nicht mehr gestattet sein die Zinsschuld der

Schuldsumme zuzuschlagen sondern man soll aus der Hand des Schuldners die ganze Schuld

einziehen Und wenn man nicht die ganze Schuld von ihm einziehen kann soll man sich nicht

hindern lassen wenigstens den Zins einzuziehen Nur soll man den Schuldner nicht mit List

uumlbervorteilen Und wenn es nicht gelingt irgend etwas einzuziehen dann soll man dies dem Rat

seiner Gemeinde mitteilen und nach deren Geheiszlig soll man handeln Was das Schuldgeschaumlft der

fuumlrstlichen Schuldner betrifft deren Schulden sich schon vermehrt haben und die niemand mehr

begleichen kann Die Glaumlubiger sollen sich huumlten sie mit hohen Zinsen zu belasten denn es sind

Komplotte zu befuumlrchten was Gott verhuumlten moumlge Schon einige Personen haben sich

zusammengeschlossen und dies gerade nicht bei den Fuumlrsten sondern bei den Klerikern und den

Buumlrgern [114]

Offenkundig standen den Delegierten die befuumlrchteten Konsequenzen der Geldleihe deutlich vor

Augen Wohl ebenso eingeschuumlchtert durch die in Frankreich vollzogene Vertreibung der Juden

wurden von seiten der Juden eigene Verfehlungen aber auch unguumlnstige Machtkonstellation

beobachtet die im Falle der franzoumlsischen Juden zu deren Untergang gefuumlhrt hatten Die

Beziehungen von Juden und Christen steckten auch in den Rheinlanden in den eingangs genannten

Bereichen von Wirtschaft Herrschaft und Religion in einer tieferen Krise Die auf dem

Versammlung von Worms beschlossenen Gegenmaszlignahmen blieben auf die juumldischen Teilnehmer

beschraumlnkt Zuruumlckhaltung gegenuumlber den christlichen Kunden Demut gegenuumlber Gott und das

Flehen um sein Erbarmen was mit guten Werken unterstuumltzt werden soll Eine direkte Verhandlung

mit den christlichen Herrschaftstraumlgern war nicht mehr vorgesehen Das gegenseitige Vertrauen

zwischen Juden und Christen war verschwunden in einer Zeit in der nicht mehr Koexistenz sondern

vor allem von Seiten der Juden die Sorge um die eigene Zukunft das eigene Handeln bestimmte

Zusammenfassung

Die Vertreibung der Juden aus England hatte innerhalb des juumldischen Kontextes noch zu Ansaumltzen der

Selbstreflexion gefuumlhrt die einen konkreten Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Vertretern

der juumldischen Seite und den politischen Entscheidungen der nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger

gegenuumlber der eigenen Gruppe erkennen mochten Dennoch waumlhnte man sich weiterhin in einem

rechtlich voumlllig abgesicherten Verhaumlltnis zur christlichen Umwelt Man war sich eines besonderen

Status innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft bewuszligt der in den Augen der Juden in

keiner Weise gefaumlhrdet schien Noch in der zweiten Haumllfte des 13 Jahrhunderts definierte Meir ben

Baruch (gest 1293) die Stellung der Juden im Reich als die eines freien Landbewohners der sein

Land nicht aber seine persoumlnliche Freiheit verloren hat [115]

Er sei darum nicht wie die Nichtjuden

den Fuumlrsten unterworfen und zu Steuerzahlungen verpflichtet Diese Konstruktionen erinnern stark

an die noch im 12 Jahrhundert in Frankreich vertretenen Rechtsauffassungen eines Itzchaq ben

Shmuel von Dampierre (gest ca 1185)[116]

der ebenfalls die Freiheit der Juden im Vergleich zu den

Nichtjuden hervorhebt ihre voumlllige Bewegungsfreiheit im Gegensatz zu an die Scholle gebundenen

Nichtjuden betont und die Juden ebenfalls aus der Rechtspraxis herausnimmt die dem

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger gestattet bei Abwanderung von Personen deren beweglichen

Besitz einzuziehen[117]

Nach juumldischer Auffassung folgten die Interaktionen zwischen Juden und

Christen nach Regeln die von beiden Seiten anerkannt waren Das jedoch sich dies Regelwerk zu

ungunsten der Juden verhaumlndert haben mochte daszlig die eigene Bewegungsfreiheit inzwischen mehr

und mehr eingeschraumlnkt wurde die besonderen Steuergesetzgebung seit den Aumluszligerungen des

Itzchak von Dampiegravere sich erheblich veraumlndern hatte und damit nach daszlig Verhaumlltnis zur christlichen

Umwelt nun erheblichen Umwaumlltzungen unterworfen war wurde wie die Aumluszligerung Meirs nahelegt

weder reflektiert noch einigermaszligen registriert

Das Verhalten der franzoumlsischen Juden Angesichts ihrer Vertreibung ist darum keinesfalls verwunderlich In

den wenigen juumldischen Selbstzeugnisse zur Vertreibung der franzoumlsischen Juden finden sich keine

Spuren die auf einen Prozess der Selbstreflexion schlieszligen lassen Die Frage der Motivation zur

Vertreibung der Juden wird soweit dies die Quellen erkennen lassen nicht diskutiert Der

offenkundige theologische Diskurs zur Unrechtmaumlszligigkeit des auf Zinsen geleisteten Geldverleihs

dem die juumldischen Gemeinschaft im franzoumlsischen Koumlnigreich letztlich zum Opfer fiel wird

nirgendwo rezipiert Man koumlnnte den Eindruck gewinnen dass sich den franzoumlsischen Juden die

Gefaumlhrlichkeit der Diskussion um den Wucher zu keinem Zeitpunkt erschloss Auch in den

konstruierten Narrativen der folgenden Generationen steht die auch fuumlr den einzelnen Juden

folgenreiche finanzielle Auspluumlnderung durch die franzoumlsische Krone im Vordergrund Allerdings

zeigt die Quelle aus dem rheinischen Kontext dass zumindest nach der Vertreibung aus dem

franzoumlsischen Koumlnigreich im Jahre 1306 unter den rheinischen Juden bestimmte Formen der

Geldleihe als Element der Selbstgefaumlhrdung wahrgenommen wurde Dabei macht die Uumlberlieferung

der Wormser Versammlung auch deutlich das die Zerruumlttung des Verhaumlltnisses von Juden und

Christen auch von juumldischer Seite nicht mehr geleugnet werden konnte Dass es sich dabei nicht nur

um eine wirtschaftliche Auseinandersetzung sondern zunaumlchst um einen christlichen theologischen

Diskurs handelte der sich gaumlnzlich juumldischem Handeln entzog scheint den Protagonisten der

Wormser Gemeinde nicht zugaumlnglich gewesen sein Ohne zu erkennen dass die Geldleihe und

somit die eigene wirtschaftliche Existenz gaumlnzlich in Frage gestellt werden koumlnnte versuchten die

Vertreter der Wormser Versammlung durch einzelne Maszlignahmen die Beziehungen zur christlichen

Umgebung zu entlassten um Gefahren von der eigenen Gemeinschaft abzuwenden Auf diese

Weise wurden die Juden im Westen Europas mehr und mehr wirtschaftlichen und theologischen

Dynamiken ausgesetzt die sich jenseits der juumldischen Wahrnehmung auszuformen begannen und

schlieszliglich in die Verdraumlngung der Juden muumlnden sollten die in der Vertreibung von England und

Frankreich ihren Anfang nahm

Rainer Barzen Lennart Guumlntzel

1 uarr Vgl zu Frankreich Chazan Jewry (1973) 154-207 Jordan Monarchy (1998) 177-261 Zu

England Hyams Jews (1996) 173-192 Mentgen Vertreibungen (1997) 11-53 Mundill England

(1998)

2 uarr Chazan Jewry (1973) 63-100 Ders Church (1980) 312f Jordan Monarchy (1998) 23-38

3 uarr Zur Geschichte der Juden unter Ludwig IX vgl Chazan Jewry (1973) 100-153

4 uarr Die Vorbildfunktion Ludwigs IX vor allem in Hinblick auf den Kampf gegen den Wucher erwaumlhnt

Cluse Zusammenhang (1999)135ndash163

5 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

6 uarr Chazan Church (1980) 313-317

7 uarr Florentii Wigorniensis 214f

8 uarr Ebd 212

9 uarr Chazan Church (1980) 317-319

10 uarr Aufstellung der Chroniken bei Abrahams Expulsion (1895) 449f

11 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

12 uarr Ordonnances 317

13 uarr Jordan nennt als Beispiel die Ortschaft Niort die ihre Juden vertreiben konnte Jordan Monarchy

(1998) 183

14 uarr Ebd 184f

15 uarr Ebd 184

16 uarr Ebd 183f

17 uarr Zu den Motiven Philipps IV siehe Mentgen Vertreibungen (1997) 46-49 Schwarzfuchs

Expulsion (1967) 485f

18 uarr Uumlber den generellen Wucherdiskurs siehe unten Kapitel V2

19 uarr Close Rolls Edward I 109

20 uarr Annales de Waverleia 409 ldquo(hellip) Judaeorum (hellip) quae per diversas urbes et castra regionis

Anglicanae per retroacta tempora habitabat confidenter procurante domina Alienora matre dicti

regis Angliae jussa est per edictum regium (hellip)rdquo

21 uarr Annales de Dunstaplia 361-362bdquo (hellip) propter blasphemias quas Judaei saepe faciebant fidei

Christianae statuit rex ut omnes Judaei cum semine suo et substancia ab Anglia pellerentur (hellip)rdquo

22 uarr Ebd bdquo(hellip) et concessit eis rex salvum conductum In ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt

submersi per vim et fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

23 uarr Zum Verhaumlltnis von Dominikanern und Juden zu dieser Zeit vgl Cohen Friars (1982) sowie

Ders Letters (1999)

24 uarr Florentii Wigoriensis 214

25 uarr Uumlber ein moumlgliches Interesse des Adels an der Vertreibung der Juden siehe Mentgen

Vertreibungen (1997) 27-30

26 uarr Annales de Dunstaplia 361-362 bdquoIn ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt submersi per vim et

fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

27 uarr Pierre de Langtoft II 186 bdquoThomas de Wilaund en baunk primer nomeacute par agarde de la court le

regne ad forjoreacute et en la terre de France sanz repairer aleacute Ses compayons ses clercs sunt pris e

meneacute a la thour de Loundres delivreacutes par moneacuteldquo

28 uarr Ebd 188 bdquoPur le quinzme dener al rays en ayeldquo

29 uarr Ebd bdquoOre sunt alez en France e en Pykardye Tutes lur dettes e lur manauntye Sunt salves al

ray dunt fere sa curtaysyeldquo

30 uarr Oumlsterreichische Reimchronik Verse 91239-91777 1186-1192ldquo die dritten vorderungdie an den

Franzois junctet der kunic Albrehter jach die Juden ze rehtgehocircren daz ricircche an und ander nieman

()ldquo Zu dieser Quelle vgl Ziwes Studien (1995) 33f Anm 16

31 uarr Prima Vita Clementis V 5

32 uarr Quarta Vita Clementis V 62bdquo Anno Domini MCCCVJ in festo sancte Marie Magdalene de

mandato et ordinatione regis Francie fuerunt capti omnes Judei ubique in regno Francie quasi

imperceptibiler una die et confiscata sunt bona ipsorum quecumque potuerunt inveniri fueruntque

a regno expulsi ulterius minime reversurirdquo Vgl auch Sexta Vita Clementis V 92-93bdquo Et etiam in

isto anno in die sancte Marie Magdalene omnes Judei de regno Francie congediati [congregati]

fuerunt et eorum bona omnia extiterunt confiscatardquo

33 uarr Continuatio Guilelmi de Nangis 59 bdquoMense Augusto Rex Philippus omnes Judaeos de Regno

Franciae penitus amp omnino fecit expelli certum regressionis terminum sub poena mortis praesigens

eisdemrdquo

34 uarr Florentii Wigoriensis 192 ldquoBarones cum Londoniensibus Judaismum Londoniae spoliaverunt

multis Judaeis interfectisldquo Siehe auch Mundill England (1998) 41

35 uarr Florentii Wigoriensis 210ldquo Rex die Sancte Calixti synagogam Judaeorum in villa Londoniensi

fratribus de Poenitentia contulit Jesu Christi ()ldquo

36 uarr Ebd 222bdquoApud Norhamtonam () puer quidam a Judaeis crucifixus estrdquo

37 uarr BennerReverchon Juden (2003) 181

38 uarr Rubin Tales (1999) 40-48

39 uarr Mentgen Vertreibungen (1997) 42-44

40 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 64f sieht den Muumlnzbeschneidungsskandal als Folge der Verarmung

der Juden Eine andere Meinung vertritt Mundill England (1998) 195-198 der vor allem auf eine

erfolgreiche Rolle der Juden im Wollhandel verweist

41 uarr Florentii Wigoriensis 221ldquo Rex omnes Judaeos et quosdam Christianos de retonsura aut alia

monetae falsatione convictos fecit suspensi Unde Londoniae CCLX et VII Judaei mortis judicium

subierunt Quidam autem relegati quidam etiam eorum perpetuo sunt carceri adjudicati et quidam

in Anglia remanseruntrdquo Vgl auch Mundill England (1998) 67f sowie uumlber die Zahl der Opfer weiter

oben Anmerkung 36

42 uarr Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 S 20

43 uarr Nach der chronikalischen Uumlberlieferung waren es 267 bzw 269 hingerichtete Juden Eine

Auswertung der auszligerchronikalischen Quellen ergab die Zahl von 298 erhaumlngten Juden Rokeacuteach

Monex I (198890) 98

44 uarr Jordan Monarchy (1989) 182f

45 uarr rdquoVos autre fuistis Engles qui exiverunt de terra eorum quia rotundabatis monetamrdquo in

Shatzmiller Schlomo Ibn Verga (1988) 355 Ders Solidariteacute (1986) 423

46 uarr Shlomo Ibn Verga Shevet Yehudah Teil I (hebr) Teil II (dt Uumlbersetzung)(Edit Wiener) Shevet

Yehudah (Edit Shochat)

47 uarr Zu Leben und Werk Shlomo Ibn Vergas Baer Hearot (1934) 152-179

48 uarr Shevet Yehudah Nr 18 (hebr S 42-43 dt Uumlbers S 84-85) Shevet Yehudah (Edit Shochat)

S 66

49 uarr Shevet Yehudah Nr 20 (hebr 43-45 dt Uumlbers 86-89)

50 uarr Zu Yosef ha-Kohen und seinem Werk Loeb Josef Hacohen (1888) XVI 28-56 211-235 XVII

74-95 247-271

51 uarr Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (dt

Uumlbersetzung Wiener)

52 uarr Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) 38-39 (Edit Wiener) 41-42

53 uarr Usque Nachum Israel III (1908) XI-XIII Auch bei Gedalyah Ibn Yachjah Shalshelet ha-

Kabbalah (nach Graetz Geschichte VII (1897) 429 weitere Quellen Graetz ebd 426-430)

54 uarr Siehe Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 20a

55 uarr ldquoSie [die Dominikaner] brachten sogar Muumlnzsorten herbei die sie selbst zuhause beschnitten

hattenldquo Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) S 38 (Edit Wiener) 41

56 uarr Fuumlr vielerlei Hinweise zur hebraumlischen Uumlberlieferung der Vertreibung der franzoumlsischen Juden sei

Dr Abraham David Jerusalem herzlich gedankt

57 uarr Schwarzfuchs History (2001) 269-274 Ben-Shalom Communication (1991) 171-225

58 uarr Abba Mari ben Mose von Lunel Sefer Minchat Qenaot Nr 120 in Shlomo Ibn Adret Tshuvot II

835-836

59 uarr BT Berachot 70a Gemeint ist hier die Philosophie griechischer Tradition die von Abba Mari

besonders bekaumlmpft wurde Shlomo Ibn Adret Teshuvot Bd 2 835 Anmerkung zu Zeile 1 Abba

Mari brachte die Vertreibung der suumldfranzoumlsischen Juden mit deren Hinwendung zur griechischen

Philosophie in Verbindung Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 832 Anmerkung zu Zeile 8

60 uarr Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 835-836 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001) 273

61 uarr Jordan French Monarchy (1989) 195196

62 uarr Saige Juifs (1881) 92

63 uarr Jordan French Monarchy (1989) 205 Saige Juifs (1881) 101-102 308-319 324-325

64 uarr Zu Leben und Werk sowie zu seinem Aufenhalt im Lande Israel siehe Schwarzfuchs History

261 Elbaum Estori ha-Parhi S 918f

65 uarr Zur Bedeutung des hebraumlischen Begriffes Prowentzah der neben der heutigen Provence auch

das Languedoc miteinschloss siehe Gross Gallia Judaica (1887) 489 In diesem Sinne entspricht

Prowentzah der roumlmischen Provincia Narbonnensis In Kontext der Vertreibung der Juden im

Jahre 1306 kann nur das Languedoc gemeint sein

66 uarr Eshtori haParchi Kaftor waFerach 218

67 uarr Schwarzfuchs History (2001) 276-278 Dahan Gersonide (1991)

68 uarr Levi ben Gershom Pirush al ha-Torah

69 uarr Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 153-154

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

Ein weiterer Autor des fruumlhen 14 Jahrhunderts Eshtori ha-Parchi[64]

beschreibt in seinem Werk

Kaftor wa-Ferach kurz seine am eigenen Leib erfahrene Vertreibung der Juden aus dem

Suumlden des franzoumlsischen Koumlnigreichs

bdquoAuch erinnere ich mich an das Datum der Zerstoumlrung des kleinen Heiligtums naumlmlich die

Zerstoumlrung der Lehrhaumluser und Synagogen in Tzarfat (Nordfrankreich) und teilweise auch in der

Prowentzah (Suumldfrankreich hier Languedoc)[65]

Ich floh vom Schlachtfeld hellip im Jahre 5066 und

zwar am 10 Aw (22 Juli 1306)ldquo[66]

Eshtori ha-Parchi der sich schlieszliglich im Jahre 1313 im Lande Israel niederliess nennt

keine Begruumlndung der Ereignisse Die Bezeichnung der Vertreibung als Zerstoumlrung des

kleinen Heiligtums macht dem Leser deutlich welche Bedeutung den franzoumlsischen

Gelehrtenzentren vom Autor zugesprochen wurde die in dieser Ruumlckschau als

unwiederbringlich verloren betrachtet werden Eine weitere zeitnahe Notiz zur Vertreibung

der franzoumlsischen Juden laumlsst sich im Tora-Kommentar des Gelehrten R Lewi ben

Gershom (Ralbag) (1288-1344) finden Der Gelehrte der unter seinen nichtjuumldischen

Zeitgenossen auch unter der Bezeichnung Maestre Leo de Bagnol oder auch Magister

Leo Hebraeus bekannt war[67]

schreibt zum Wochenabschnitt Bechukotei (Lev 26 3 -

27 34)

Und wenn es in der Schrift heiszligt sbquoIhr geht unter den Voumllkern zugrunde und das Land euerer

Feinde friszligt euch aufrsquo (Lev 26 38) bezog sich dies auf die groszligen Noumlte unseres Volkes in denen

viele umgekommen sind eingeschlossen das Hinschlachten einiger in den heiligen Gemeinden

und die Vertreibung der Juden aus dem Lande Zarfat Doppelt so viele starben an Hunger und

Pestilenz als beim Auszug aus Aumlgypten[68]

Interessanterweise erwaumlhnt Levi ben Gershom als erster Autor Todesopfer die

innerhalb der juumldischen Gemeinschaft als Folge der Vertreibung zu beklagen waren

Fast ein Jahrhundert spaumlter wohl in der ersten Haumllfte des 15 Jahrhunderts

beschreibt der in Spanien wohl in Tortosa lebende Mattityahu haYizhari ein

Nachkomme einer aus Suumldfrankreich stammenden Familie[69]

die Vertreibung der

Juden mit folgenden Worten

Es sprach Mattityahu Sohn des Moshe Sohn des Weisen Mattiyahu ha-Yizhari sein Andenken

sei zu Segen Viele Noumlte haben uns ereilt seit wir aus dem verheiszligenen Land vertrieben wurden

hellip tausende und zehntausende Juden hatten sich in Frankreich niedergelassen hellip und meine

Vorfahren siedelten in der Stadt Narbonne einer groszligen Stadt Gottes bis Verfehlungen zur

Vertreibung fuumlhrten Einige starben als Maumlrtyrer andere wurde uumlber die ganze Erde zerstreut und

das ganze Land Zarfat lag entbloumlszligt da [70]

Auch bei Levi ben Gershom steht die Zerstoumlrung der groszligen juumldischen Zentren

im Vordergrund Ein Grund fuumlr deren Untergang wird nicht eroumlrtert Ein

aumlhnliches Bild findet sich bei einem weiteren juumldischen Gelehrten aus dem

Beginn des 14 Jahrhunderts In seinem um das Jahr 1321 abgeschlossenen

Werk Even Bochan bemerkt der in Arles geborene juumldische Philosoph

Kalonymos ben Kalonymos (geb 1286)[71]

Als der Herrscher von der Stimmung erfasst wurde mein Volk ins Exil zu fuumlhren vor siebzehn

Jahren uumlberwand er sie in seinem Grimm und vertrieb sie mit starker Hand aus seinem Land

uumlberfuumlhrte sie in Staumldte nackt und mittellos die in ihren Palaumlsten viele Schaumltze von Gold besaszligen

um die Altehrwuumlrdigen ihrer Generation und ihre Prinzen zu vernichten und auszuloumlschen[72]

Die Erwaumlhnung der Enteignung der Juden durch die franzoumlsische Krone

verweist auf den tatsaumlchlichen Verlauf der Ausweisung und auf ihre

fiskalischen Motive[73]

Die auch vom Autor betonten finanziellen

Interessen des Herrschers werden jedoch nicht diskutiert Uumlberhaupt

bleiben die wenigen weiteren zeitgenoumlssischen Bemerkungen zur

Vertreibung sehr skizzenhaft und auch eng mit der Biographie ihrer

Verfasser verknuumlpft So schreibt R Menachem ha-Meiri (Vidal Salamon

Mayr) (geb 1249) der wenige Jahre nach der Vertreibung verstarb[74]

in

seiner Einleitung zur Auslegung des Traktates Avot

als Gott mich vom meinem Vaterhaus fortbrachte machte er meine Soumlhne zu Fluumlchtlingen und

meine Toumlchter fuumlhrte er in Gefangenschaft[75]

Die letzten bekannten Bemerkungen zur Vertreibung aus der

Generation der Zeitzeugen stammen aus der Feder des Dichters

und Philosophen Jedajah ben Abraham haPenini[76]

der in den

Staumldten Beacuteziers Montpellier und Perpignan lebte und um 1325

verstarb In einem Brief an den katalanischen Gelehrten Schlomo

Ibn Adret betonte der Autor wie sehr doch die Juden der Provence

ihre Tuumlren weit fuumlr die Exilierten geoumlffnet haumltten und viel dazu

beigetragen haumltten die Fluumlchtlinge aufzunehmen[77]

Auch in einem

Gedicht schloss der Autor Anspielungen zur Vertreibung der

franzoumlsischen Juden mit ein[78]

Hebraumlische Zeugnisse zur Vertreibung aus dem Norden des

franzoumlsischen Herrschaftsgebietes konnten bisher nicht

nachgewiesen werden Die hier aufgefuumlhrten hebraumlischen Quellen

zur Vertreibung der Juden aus den Herrschaftsgebieten des

franzoumlsischen Koumlnigs stammen ausschlieszliglich von Personen die

durch die Zerstoumlrung der juumldischen Zentren im suumldlichen Frankreich

betroffen waren Diese Uumlberlieferungen wurden schlieszliglich von der

hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts aufgenommen und in

ihre als Zyklen von Leiden und Verfolgung gestalteten Werken

eingearbeitet Itzchaq Abarbanel (gest vor 1550) scheint dabei der

entscheidende Protagonist bei der Schoumlpfung eines die Vertreibung

von 1306 beschreibenden juumldischen Narratives gewesen zu sein

auch wenn er sich nach seinen eigenen Angaben lediglich auf

Itzchak Profiat Duran genannt Efodi einen juumldisch-katalanischen

Autor des spaumlten 14 Jahrhunderts bezog So schreibt Abarbanel

bdquoIm Jahre 5066 (1306) der Zaumlhlung war die Vertreibung aus Frankreich Koumlnig Philipp war ein

grausamer und verfluchter Feind der alle Juden aus seinem Koumlnigreich vertrieb all ihren Besitz

enteignete und sie mittellos des Landes verwies Es gab dort viele groszlige Gemeinden doppelt so

viele (Juden) wie aus Aumlgypten auszogen hellip Und es war eine Zeit der groszligen Not fuumlr Israel hellip es

war im Monat Aw (13 Juli 1306-11 August 1306) und es war eine allumfassende Vertreibung hellipall

dies findet sich in der Schrift bdquoSichron ha-Shmadotldquo die von allen Zerstoumlrung berichtet die sich seit

der Zerstoumlrung des Tempels in Israel ereignet haben aufgeschrieben und redigiert von Efodildquo[79]

Der Autor weiszlig zu berichten unter welchem Koumlnig und in welchem Monat und Jahr die Vertreibung

stattfand Auf die Mittellosigkeit der juumldischen Fluumlchtlinge wird explizit hingewiesen die auf die

Auspluumlnderung durch den Koumlnig zuruumlckgefuumlhrt wird Auch eine Vorstellung von der Zahl der Exilierten

spiegelt sich im Text wider

Shlomo Ibn Verga uumlbernimmt den Text fast woumlrtlich fuumlr seine Chronik Shevet Yehudah und erweitert ihn

lediglich um die nicht belegbare Geschichte der Konversion der Gemeinde von Toulouse[80]

Ihm

folgen Samuel Usque[81]

und Yosef ha-Kohen[82]

So bieten die Erzaumlhltraditionen des 16

Jahrhunderts lediglich ein Geruumlst von Fakten die den Handlungsablauf der Vertreibung mit wenigen

Worten beschreiben Eine Begruumlndung der Vertreibung wird nicht genannt So entspricht die

Erzaumlhlarmut des Textes zur Vertreibung aus Frankreich innerhalb der hebraumlischen Chronistik des

16 Jahrhunderts der allgemeinen Quellenarmut der hebraumlischen Uumlberlieferungstradition zu diesem

Ereignis

Beziehung der Juden zum Herrscher

Anhand der Untersuchung von herrschaftlichen Bindungen der Juden soll im Folgenden verdeutlicht

werden wie sich ein ehemals funktionierendes Miteinander zu einem Zerbrechen eben dieses

Miteinanders mit dem Resultat der Vertreibung veraumlnderte Dazu werden die Herrschaftsstrukturen

mit ihren Veraumlnderungen zwischen dem Koumlnig beziehungsweise anderen christlichen

Herrschaftstraumlgern und den Juden in England und Frankreich analysiert In England siedelten sich

im Zuge der normannischen Eroberungen nach 1066 die ersten aus Frankreich stammenden Juden

an[83]

Seit dieser Zeit wurden sie in Dokumenten haumlufig als bdquoJuden des Koumlnigsldquo[84]

bezeichnet

Diesen exklusiven Anspruch konnte der Koumlnig bis zur Vertreibung durchsetzen auch wenn es

vereinzelt andere Herrschaftstraumlger gab die Macht uumlber Juden erlangten[85]

Die Juden waren dem

Koumlnig direkt unterstellt sie mussten ihm jede Geldforderung erfuumlllen im Gegenzug durften sie nach

ihrem Gesetz leben und ihren Wohnsitz frei waumlhlen[86]

Ein Privileg Richards I von 1190 erwaumlhnt

auszligerdem unter anderem das Recht der Juden auf Landbesitz und zollfreien Handel mit Wein[87]

Belastend fuumlr das Leben der Juden von England war das hohe Maszlig an Verwaltung das die

englischen Koumlnige geschaffen hatten um die Steuern effizient eintreiben zu koumlnnen Anlaumlsslich der

Kroumlnung Richards I im Jahre 1189 war es ausgehend von London zu Massakern an Juden in ganz

England gekommen Da die koumlnigliche Verwaltung nicht nachvollziehen konnte welche

Schuldscheine durch die Verfolgung vernichtet worden waren wurde als Reaktion 1194 ein

Archivsystem (archae) eingefuumlhrt das von nun an alle Geldgeschaumlfte sowie alle Juden mit ihrer

Finanzkraft verzeichnete[88]

Unter Heinrich III (1216-1272) aumlnderte sich der rechtliche Status der

Juden Im Jahr 1253 erlieszlig der Koumlnig ein Mandat das den Juden unter anderem verbot neue

Synagogen zu errichten christliche Bedienstete oder sexuelle Kontakte mit Christen zu haben und

Kirchen zu betreten Wichtigster Punkt war jedoch dass Juden nun ihren Wohnort nicht mehr frei

waumlhlen sondern nur noch dort leben durften wo bereits Juden ansaumlssig waren[89]

Viele der hier

formulierten Mandate waren im IV Laterankonzil von 1215 als verbindliche Verbote fuumlr die Juden in

der christlichen Welt festgelegt worden und fanden nun ihre Umsetzung Daneben stieg die

Besteuerung seit den 1240er Jahren stetig an wodurch die Finanzkraft der Juden bereits deutlich

geschwaumlcht wurde[90]

Im Falle Edwards I zeigte sich schlieszliglich dass die starke Bindung der Juden

an den Koumlnig die den Juden in fruumlheren Jahren zunaumlchst Unabhaumlngigkeit und Wohlstand gebracht

hatte nun ihren Ruin und schlieszliglich ihre Vertreibung bewirkte Der Koumlnig hatte bei Maszlignahmen die

die Juden betrafen kaum Widerspruch zu befuumlrchten zu eindeutig definiert war seine Machstellung

den Juden gegenuumlber In Frankreich unterstanden die Juden dem Herrn ihres jeweiligen Gebiets

der Koumlnig von Frankreich herrschte also nur in der Krondomaumlne uumlber die Juden des Koumlnigreiches[91]

Die Juden waren an ihr angestammtes Territorium gebunden und durften dieses nur mit der

Erlaubnis ihres Landesherrn verlassen Dieses Prinzip reicht bis in die Zeit von Philipp II August

(1180-1223) zuruumlck und wurde seit der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne 1198 in

verschiedenen Vereinbarungen mit anderen franzoumlsischen Territorialherren vertraglich fixiert[92]

Schon bei der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne kam es zu Irritationen da Philipp II

die 1182 vertriebenen Juden nach wie vor als bdquoseine Judenldquo ansah diese Auffassung aber

beispielsweise von Graf Theobald III von Campagne nicht geteilt wurde Er fuumlrchtete Steuerausfaumllle

und war der Meinung dass Juden die sich 1182 in der Champagne niedergelassen hatten nicht

mehr die Juden des Koumlnigs seien[93]

Auch andere Landesherren weigerten sich dem Wegzug ihrer

Juden in die Krondomaumlne zuzustimmen[94]

Auch erste Schritte eines buumlrokratischen Umgangs mit

den Geldgeschaumlften der Juden waren 1198 durch Philipp II August vorgenommen worden

moumlglicherweise beeinflusst durch die archae die in England 1194 unter Koumlnig Richard I eingerichtet

worden waren um die Geldgeschaumlfte und die Finanzkraft der Juden zu dokumentieren In jedem Ort

der Krondomaumlne gab es spezielle Beamte die die Kreditvertraumlge der Juden siegelten und so

kontrollierten wem die Juden welche Betraumlge an Geld liehen[95]

Auch den Juden konnte dieses

Verfahren als Sicherheit fuumlr ihre Geschaumlfte dienen Unter Ludwig VIII (1223-1226) kam es zum

ersten Eingriff in die Geldgeschaumlfte der Juden im franzoumlsischen Gebiet 1223 erlieszlig der Koumlnig

zusammen mit diversen Landesherren ein Statut in dem festgelegt wurde dass die Ruumlckzahlung

aller Schulden bei Juden an insgesamt neun Terminen an die koumlnigliche beziehungsweise

landesherrliche Schatzkammer erfolgen sollte Die Praxis des Siegelns von Urkunden uumlber

Darlehensvergaben wurde abgeschafft Erneut wurde festgehalten dass keiner der Herrscher Juden

eines anderen Herrschers bei sich aufnehmen duumlrfe wobei es bei diesem Punkt wieder zu

Unstimmigkeiten mit dem Grafen der Champagne kam der die Erklaumlrung nicht unterschrieb[96]

Bereits die ersten Jahre der Regierungszeit Ludwigs IX (1226-1270) brachten fuumlr die Juden weitere

Beschwerlichkeiten und erste direkte Aktionen gegen den Wucher Im Jahr 1227 kam es zu einer

erneuten Aneignung der ausstehenden Schulden bei Juden 1228 erging ein Mandat in dem Ludwig

IX befahl bei kuumlnftigen Geldgeschaumlften auf Zinsen zu verzichten Auszligerdem erklaumlrte der Koumlnig bei

Geldgeschaumlften die seit der Schuldentilgung ein Jahr zuvor geschlossen wurden alle Zinsen fuumlr

unguumlltig[97]

Auch die generelle Rechtsstellung der Juden wurde schon fruumlh in der Regierungszeit

Ludwigs IX definiert wobei es bei der alten Regelung blieb Im Statut von Melun hielten der Koumlnig

und die Landesherren daran fest dass die Juden tamquam proprii servi an das jeweilige Territorium

gebunden waren Christliche Schuldner wurden dazu aufgerufen ihre Schulden bei Juden zu

bezahlen nicht aber die Zinsen[98]

Die 1240er Jahre waren in Frankreich gepraumlgt vom Pariser

Talmudprozess in dem der Talmud als ketzerische Schrift verurteilt und danach oumlffentlich verbrannt

wurde[99]

Dies fuumlhrte unter anderem zu einer verstaumlrkten Auswanderung juumldischer Eliten aus

Nordfrankreich[100]

Insgesamt aumlnderte sich der rechtliche Status unter Ludwig IX nicht aber fruumlher

als die Herrscher in England nahm Ludwig IX der 1290 heilig gesprochen wurde den Kampf gegen

den Wucher auf Einige Aktionen Koumlnig Philipps IV (1285-1314) waumlhrend seiner ersten

Regierungsjahre in Bezug auf die Juden muumlssen vor dem Hintergrund der Vertreibungen gesehen

werden die sich in Regionen auszligerhalb der Krondomaumlne ereigneten so beispielsweise die

Ausweisung der juumldischen Fluumlchtlinge durch Philipp IV im Jahre 1291[101]

Daneben ist eine

konsequente Linie den Juden gegenuumlber nicht zu erkennen 1285 erneuerte er beispielsweise ein

Privileg zum Schutz von Synagogen und Friedhoumlfen zugleich bestaumltigte er die Pflicht der Juden ein

spezielles Abzeichen an ihrer Kleidung zu tragen[102]

Beides sind Zeichen dafuumlr dass der Koumlnig zu

dieser Zeit nicht daran dachte die Juden auszuweisen sondern das Leben der Juden rechtlich zu

definieren Vorrangiges Ziel Philipps IV war es zunaumlchst seine Oberherrschaft uumlber die Juden im

Suumlden zu sichern wo diese nicht von allen Baronen anerkannt wurde Die Herrschaft in der

Champagne hatte er sich durch Heirat bereits gesichert Dort in Troyes kam es 1288 zu einer

Mordanklage in deren Folge 13 Juden hingerichtet wurden wobei der Koumlnig ihre Besitztuumlmer

einzog[103]

Groumlszligeren Einfluss auf den Koumlnig scheint die Hostienschaumlndungbeschuldigung 1290 in

Paris gehabt zu haben Philipp IV warnte die Juden vor weiteren Hostienschaumlndungen und

spendete ein Haus neben der Kirche die zum Gedenken an den Fall errichtet worden war[104]

Wie

sein Groszligvater Ludwig IX setzte Philipp IV den Kampf gegen den Wucher fort verbot ihn 1299 und

1303 daneben wurde auch das Verbot des Neubaus von Synagogen sowie des Talmuds bei diesen

Gelegenheiten erneuert[105]

In einer konzentrierten und laumlnger vorbereiteten Aktion lieszlig Philipp IV

dann die Juden (oder jedenfalls die Familienvorstaumlnde) vermutlich am 22 Juli 1306 festsetzen Dies

diente dazu eine genaue Aufstellung der Judenguumlter vorzunehmen und um sich die ausstehenden

Schuldscheine zu sichern Gleichzeitig bedeutete es das Ende der juumldischen Siedlung in Frankreich

bis zu ihrer Wiederzulassung unter Ludwig X im Jahr 1315

Sowohl bei der Vertreibung aus England als auch der aus Frankreich zeigt sich die Gefahr die die

Abhaumlngigkeit der Juden vom Herrscher barg Vor allem in England hatte die privilegierte Position fuumlr

Wohlstand und ein groszliges Maszlig an innerer Autonomie etwa in der Rechtssprechnung oder in bezug

auf die Freizuumlgigkeit gesorgt[106]

Sie schuumltzte die Juden jedoch nicht immer vor Gealtakten wie den

seit der Mitte des 12 Jahrhunderts immer wieder vorkommenden Ritualmordvorwuumlrfen In

Frankreich verschlechterten sich ihre Lebensumstaumlnde mit der Ausbreitung der Krondomaumlne War

es 1182 noch ein geringes Problem fuumlr die Juden eine neue Heimat zu finden und von anderen

franzoumlsischen Landesherren wohlwollend aufgenommen zu werden war dies 1306 nicht mehr

moumlglich Die Herrscher nahmen die theologischen Diskurse uumlber den Wucher oder den Talmud auf

und wurden des weiteren beeinflusst durch antijuumldische Blut- und Hostienschaumlndungsvorwuumlrfe

Auch wirtschaftliche Uumlberlegungen haben eine Rolle gespielt ebenso mag es eine Dynamik

gegeben haben angestoszligen durch die weiteren Vertreibungen in dieser Umbruchszeit in der sich

jeder Herrscher damit profilieren wollte und konnte die Juden zu vertreiben

Die allgemeine Verurteilung des Wuchers

Obwohl gerade in der hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts verstaumlrkt die finanziellen Interessen vor

allem des franzoumlsischen Koumlnigs als Motiv der Vertreibung hervorgehoben wurde folgte die zeitnahe

Argumentation einer innerjuumldischen Perspektive anderen Erklaumlrungsmustern So gilt es zumindest

im Falle der Vertreibung aus England festzuhalten dass sich unter den Juden die Vorstellung

verbreitete das Fehlverhalten einzelner Juden haumltte die Ausweisung von 1290 wie auch andere

Vertreibungen mit verursacht Doch laumlsst sich im Wuchervorwurf gegenuumlber den Juden - dem

durchgaumlngigen Argument der Vertreibungen im 13 Jahrhundert - nicht etwa eine vordergruumlndige

falsche Praxis des Geldverleihs als ausloumlsendes Moment vermuten wie dies gelegentlich auch von

christlicher Seite von den Zeitgenossen vertreten wurde[107]

Vielmehr begann sich seit dem 12

Jahrhundert unter christlichen Gelehrten und weltlichen Herrschern ein theologisches Verstaumlndnis

bezuumlglich des Wuchers durchzusetzen das der wirtschaftlichen Taumltigkeit der Geldleihe auch in den

Haumlnden der Juden keine geduldeten Nische zuzuweisen bereit war[108]

Wucher wurde nun nicht

mehr als Suumlnde gegen den Naumlchsten aus mangelndem Mitgefuumlhl betrachtet und als turpe lucrum

(schaumlndlicher Profit) definiert sondern als Suumlnde gegen die iustitia[109]

Gemaumlszlig dieser Vorstellung

waren alle Wuchergewinne Diebesgut und muszligten zuruumlckgegeben werden Viel schwerer wog die

Feststellung daszlig sich die nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger durch ihre Besteuerung der Juden am

Wuchergewinn der Juden beteiligten und sich darum der gleichen Suumlnden schuldig machten[110]

Somit wurde auf demselben Wege der fuumlrstliche oder koumlnigliche Judenschutz die Legitimation

entzogen Die voumlllige Unterbindung des juumldischen Geldhandels schien darum fuumlr die meisten

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger der einzig richtige Weg wie dies bereits die im Namen Koumlnig

Ludwigs IX verkuumlndete ordenance von Melun 1230 forderte[111]

Als letzte Konsequenz blieb die

Ausweisung der Juden aus immer mehr Herrschaften des franzoumlsischen Koumlnigreiches und

schlieszliglich der Kronlande Das Zerbrechen des Miteinanders von Juden und Christen innerhalb des

franzoumlsischen Koumlnigreiches sowie die schrittweise Aufloumlsung bzw Zerschlagung des

jahrhundertealten juumldischen Siedlungsnetzes muszlig auf die juumldischen Gemeinschaften der

benachbarten Regionen so z B in den Rheinlanden verstoumlrend und beaumlngstigend gewirkt haben

Der dieser Vertreibung zugrundeliegende theologische Diskurs zu Geldhandel und Wucher und die

daraus resultierenden Folgen fuumlr die eigene juumldischen Existenz scheint jedoch nur einen geringen

Einfluszlig auf die Wahrnehmung ihrer eigenen Situation gehabt zu haben Im Zuge der Vertreibung der

franzoumlsischen Juden im Sommer und Herbst 1306 waren juumldische Fluumlchtlinge in die deutschen

Rheinlande gelangt[112]

Wohl wenige Monate spaumlter trafen in Worms die Delegierten des dortigen

Gemeindebezirkes die Vertreter der die Wormser Gemeinde und der sie umgebenden juumldischen

Niederlassungen auf einer Versammlung zusammen Auf diesem juumldischen Landtag sollte eine

Rechtssatzung eine Takkanah verabschiedet werden die die Praxis der juumldischen Geldleihe im

Einzugsgebiet der Gemeinde Worms sowie das Verhalten gegenuumlber hochverschuldeten Kunden

neu regelte[113]

In der Zusammenkunft der Haumlupter des Volkes im bdquoLand Wormsldquo im Jahr 67 des sechsten Jahrtausends

(10 Sept 1306 - 28 Augutst 1307) weil sich wegen unserer groszliger Verfehlungen die Noumlte der

Soumlhne unseres Volkes vermehrten durchforschten wir unsere Taten und fanden dass seit einiger

Zeit ein Schwert die Seele der Elenden und Reinen auffraszlig weil sie Vermoumlgen vermehrt hatten

durch Zins und Zinseszins von den Fuumlrsten der Nichtjuden Diese schuldeten ein Riesenvermoumlgen

den Familienvorstaumlnden Sie schmiedeten Raumlnke sich auf die Juden zu stuumlrzen und sie zu

uumlberfallen um sich von ihren Schulden zu befreien Wir haben beschlossen dass man keine

Erhoumlhung hinzufuumlgen darf und jedem Mann und jeder Frau nicht gestattet werden soll irgend einem

Nichtjuden einem einzelnen Schuldner mehr als 100 Pfund Hallisch zu leihen Und wenn der

Zeitpunkt der Schuldruumlckzahlung gekommen ist soll es nicht mehr gestattet sein die Zinsschuld der

Schuldsumme zuzuschlagen sondern man soll aus der Hand des Schuldners die ganze Schuld

einziehen Und wenn man nicht die ganze Schuld von ihm einziehen kann soll man sich nicht

hindern lassen wenigstens den Zins einzuziehen Nur soll man den Schuldner nicht mit List

uumlbervorteilen Und wenn es nicht gelingt irgend etwas einzuziehen dann soll man dies dem Rat

seiner Gemeinde mitteilen und nach deren Geheiszlig soll man handeln Was das Schuldgeschaumlft der

fuumlrstlichen Schuldner betrifft deren Schulden sich schon vermehrt haben und die niemand mehr

begleichen kann Die Glaumlubiger sollen sich huumlten sie mit hohen Zinsen zu belasten denn es sind

Komplotte zu befuumlrchten was Gott verhuumlten moumlge Schon einige Personen haben sich

zusammengeschlossen und dies gerade nicht bei den Fuumlrsten sondern bei den Klerikern und den

Buumlrgern [114]

Offenkundig standen den Delegierten die befuumlrchteten Konsequenzen der Geldleihe deutlich vor

Augen Wohl ebenso eingeschuumlchtert durch die in Frankreich vollzogene Vertreibung der Juden

wurden von seiten der Juden eigene Verfehlungen aber auch unguumlnstige Machtkonstellation

beobachtet die im Falle der franzoumlsischen Juden zu deren Untergang gefuumlhrt hatten Die

Beziehungen von Juden und Christen steckten auch in den Rheinlanden in den eingangs genannten

Bereichen von Wirtschaft Herrschaft und Religion in einer tieferen Krise Die auf dem

Versammlung von Worms beschlossenen Gegenmaszlignahmen blieben auf die juumldischen Teilnehmer

beschraumlnkt Zuruumlckhaltung gegenuumlber den christlichen Kunden Demut gegenuumlber Gott und das

Flehen um sein Erbarmen was mit guten Werken unterstuumltzt werden soll Eine direkte Verhandlung

mit den christlichen Herrschaftstraumlgern war nicht mehr vorgesehen Das gegenseitige Vertrauen

zwischen Juden und Christen war verschwunden in einer Zeit in der nicht mehr Koexistenz sondern

vor allem von Seiten der Juden die Sorge um die eigene Zukunft das eigene Handeln bestimmte

Zusammenfassung

Die Vertreibung der Juden aus England hatte innerhalb des juumldischen Kontextes noch zu Ansaumltzen der

Selbstreflexion gefuumlhrt die einen konkreten Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Vertretern

der juumldischen Seite und den politischen Entscheidungen der nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger

gegenuumlber der eigenen Gruppe erkennen mochten Dennoch waumlhnte man sich weiterhin in einem

rechtlich voumlllig abgesicherten Verhaumlltnis zur christlichen Umwelt Man war sich eines besonderen

Status innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft bewuszligt der in den Augen der Juden in

keiner Weise gefaumlhrdet schien Noch in der zweiten Haumllfte des 13 Jahrhunderts definierte Meir ben

Baruch (gest 1293) die Stellung der Juden im Reich als die eines freien Landbewohners der sein

Land nicht aber seine persoumlnliche Freiheit verloren hat [115]

Er sei darum nicht wie die Nichtjuden

den Fuumlrsten unterworfen und zu Steuerzahlungen verpflichtet Diese Konstruktionen erinnern stark

an die noch im 12 Jahrhundert in Frankreich vertretenen Rechtsauffassungen eines Itzchaq ben

Shmuel von Dampierre (gest ca 1185)[116]

der ebenfalls die Freiheit der Juden im Vergleich zu den

Nichtjuden hervorhebt ihre voumlllige Bewegungsfreiheit im Gegensatz zu an die Scholle gebundenen

Nichtjuden betont und die Juden ebenfalls aus der Rechtspraxis herausnimmt die dem

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger gestattet bei Abwanderung von Personen deren beweglichen

Besitz einzuziehen[117]

Nach juumldischer Auffassung folgten die Interaktionen zwischen Juden und

Christen nach Regeln die von beiden Seiten anerkannt waren Das jedoch sich dies Regelwerk zu

ungunsten der Juden verhaumlndert haben mochte daszlig die eigene Bewegungsfreiheit inzwischen mehr

und mehr eingeschraumlnkt wurde die besonderen Steuergesetzgebung seit den Aumluszligerungen des

Itzchak von Dampiegravere sich erheblich veraumlndern hatte und damit nach daszlig Verhaumlltnis zur christlichen

Umwelt nun erheblichen Umwaumlltzungen unterworfen war wurde wie die Aumluszligerung Meirs nahelegt

weder reflektiert noch einigermaszligen registriert

Das Verhalten der franzoumlsischen Juden Angesichts ihrer Vertreibung ist darum keinesfalls verwunderlich In

den wenigen juumldischen Selbstzeugnisse zur Vertreibung der franzoumlsischen Juden finden sich keine

Spuren die auf einen Prozess der Selbstreflexion schlieszligen lassen Die Frage der Motivation zur

Vertreibung der Juden wird soweit dies die Quellen erkennen lassen nicht diskutiert Der

offenkundige theologische Diskurs zur Unrechtmaumlszligigkeit des auf Zinsen geleisteten Geldverleihs

dem die juumldischen Gemeinschaft im franzoumlsischen Koumlnigreich letztlich zum Opfer fiel wird

nirgendwo rezipiert Man koumlnnte den Eindruck gewinnen dass sich den franzoumlsischen Juden die

Gefaumlhrlichkeit der Diskussion um den Wucher zu keinem Zeitpunkt erschloss Auch in den

konstruierten Narrativen der folgenden Generationen steht die auch fuumlr den einzelnen Juden

folgenreiche finanzielle Auspluumlnderung durch die franzoumlsische Krone im Vordergrund Allerdings

zeigt die Quelle aus dem rheinischen Kontext dass zumindest nach der Vertreibung aus dem

franzoumlsischen Koumlnigreich im Jahre 1306 unter den rheinischen Juden bestimmte Formen der

Geldleihe als Element der Selbstgefaumlhrdung wahrgenommen wurde Dabei macht die Uumlberlieferung

der Wormser Versammlung auch deutlich das die Zerruumlttung des Verhaumlltnisses von Juden und

Christen auch von juumldischer Seite nicht mehr geleugnet werden konnte Dass es sich dabei nicht nur

um eine wirtschaftliche Auseinandersetzung sondern zunaumlchst um einen christlichen theologischen

Diskurs handelte der sich gaumlnzlich juumldischem Handeln entzog scheint den Protagonisten der

Wormser Gemeinde nicht zugaumlnglich gewesen sein Ohne zu erkennen dass die Geldleihe und

somit die eigene wirtschaftliche Existenz gaumlnzlich in Frage gestellt werden koumlnnte versuchten die

Vertreter der Wormser Versammlung durch einzelne Maszlignahmen die Beziehungen zur christlichen

Umgebung zu entlassten um Gefahren von der eigenen Gemeinschaft abzuwenden Auf diese

Weise wurden die Juden im Westen Europas mehr und mehr wirtschaftlichen und theologischen

Dynamiken ausgesetzt die sich jenseits der juumldischen Wahrnehmung auszuformen begannen und

schlieszliglich in die Verdraumlngung der Juden muumlnden sollten die in der Vertreibung von England und

Frankreich ihren Anfang nahm

Rainer Barzen Lennart Guumlntzel

1 uarr Vgl zu Frankreich Chazan Jewry (1973) 154-207 Jordan Monarchy (1998) 177-261 Zu

England Hyams Jews (1996) 173-192 Mentgen Vertreibungen (1997) 11-53 Mundill England

(1998)

2 uarr Chazan Jewry (1973) 63-100 Ders Church (1980) 312f Jordan Monarchy (1998) 23-38

3 uarr Zur Geschichte der Juden unter Ludwig IX vgl Chazan Jewry (1973) 100-153

4 uarr Die Vorbildfunktion Ludwigs IX vor allem in Hinblick auf den Kampf gegen den Wucher erwaumlhnt

Cluse Zusammenhang (1999)135ndash163

5 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

6 uarr Chazan Church (1980) 313-317

7 uarr Florentii Wigorniensis 214f

8 uarr Ebd 212

9 uarr Chazan Church (1980) 317-319

10 uarr Aufstellung der Chroniken bei Abrahams Expulsion (1895) 449f

11 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

12 uarr Ordonnances 317

13 uarr Jordan nennt als Beispiel die Ortschaft Niort die ihre Juden vertreiben konnte Jordan Monarchy

(1998) 183

14 uarr Ebd 184f

15 uarr Ebd 184

16 uarr Ebd 183f

17 uarr Zu den Motiven Philipps IV siehe Mentgen Vertreibungen (1997) 46-49 Schwarzfuchs

Expulsion (1967) 485f

18 uarr Uumlber den generellen Wucherdiskurs siehe unten Kapitel V2

19 uarr Close Rolls Edward I 109

20 uarr Annales de Waverleia 409 ldquo(hellip) Judaeorum (hellip) quae per diversas urbes et castra regionis

Anglicanae per retroacta tempora habitabat confidenter procurante domina Alienora matre dicti

regis Angliae jussa est per edictum regium (hellip)rdquo

21 uarr Annales de Dunstaplia 361-362bdquo (hellip) propter blasphemias quas Judaei saepe faciebant fidei

Christianae statuit rex ut omnes Judaei cum semine suo et substancia ab Anglia pellerentur (hellip)rdquo

22 uarr Ebd bdquo(hellip) et concessit eis rex salvum conductum In ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt

submersi per vim et fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

23 uarr Zum Verhaumlltnis von Dominikanern und Juden zu dieser Zeit vgl Cohen Friars (1982) sowie

Ders Letters (1999)

24 uarr Florentii Wigoriensis 214

25 uarr Uumlber ein moumlgliches Interesse des Adels an der Vertreibung der Juden siehe Mentgen

Vertreibungen (1997) 27-30

26 uarr Annales de Dunstaplia 361-362 bdquoIn ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt submersi per vim et

fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

27 uarr Pierre de Langtoft II 186 bdquoThomas de Wilaund en baunk primer nomeacute par agarde de la court le

regne ad forjoreacute et en la terre de France sanz repairer aleacute Ses compayons ses clercs sunt pris e

meneacute a la thour de Loundres delivreacutes par moneacuteldquo

28 uarr Ebd 188 bdquoPur le quinzme dener al rays en ayeldquo

29 uarr Ebd bdquoOre sunt alez en France e en Pykardye Tutes lur dettes e lur manauntye Sunt salves al

ray dunt fere sa curtaysyeldquo

30 uarr Oumlsterreichische Reimchronik Verse 91239-91777 1186-1192ldquo die dritten vorderungdie an den

Franzois junctet der kunic Albrehter jach die Juden ze rehtgehocircren daz ricircche an und ander nieman

()ldquo Zu dieser Quelle vgl Ziwes Studien (1995) 33f Anm 16

31 uarr Prima Vita Clementis V 5

32 uarr Quarta Vita Clementis V 62bdquo Anno Domini MCCCVJ in festo sancte Marie Magdalene de

mandato et ordinatione regis Francie fuerunt capti omnes Judei ubique in regno Francie quasi

imperceptibiler una die et confiscata sunt bona ipsorum quecumque potuerunt inveniri fueruntque

a regno expulsi ulterius minime reversurirdquo Vgl auch Sexta Vita Clementis V 92-93bdquo Et etiam in

isto anno in die sancte Marie Magdalene omnes Judei de regno Francie congediati [congregati]

fuerunt et eorum bona omnia extiterunt confiscatardquo

33 uarr Continuatio Guilelmi de Nangis 59 bdquoMense Augusto Rex Philippus omnes Judaeos de Regno

Franciae penitus amp omnino fecit expelli certum regressionis terminum sub poena mortis praesigens

eisdemrdquo

34 uarr Florentii Wigoriensis 192 ldquoBarones cum Londoniensibus Judaismum Londoniae spoliaverunt

multis Judaeis interfectisldquo Siehe auch Mundill England (1998) 41

35 uarr Florentii Wigoriensis 210ldquo Rex die Sancte Calixti synagogam Judaeorum in villa Londoniensi

fratribus de Poenitentia contulit Jesu Christi ()ldquo

36 uarr Ebd 222bdquoApud Norhamtonam () puer quidam a Judaeis crucifixus estrdquo

37 uarr BennerReverchon Juden (2003) 181

38 uarr Rubin Tales (1999) 40-48

39 uarr Mentgen Vertreibungen (1997) 42-44

40 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 64f sieht den Muumlnzbeschneidungsskandal als Folge der Verarmung

der Juden Eine andere Meinung vertritt Mundill England (1998) 195-198 der vor allem auf eine

erfolgreiche Rolle der Juden im Wollhandel verweist

41 uarr Florentii Wigoriensis 221ldquo Rex omnes Judaeos et quosdam Christianos de retonsura aut alia

monetae falsatione convictos fecit suspensi Unde Londoniae CCLX et VII Judaei mortis judicium

subierunt Quidam autem relegati quidam etiam eorum perpetuo sunt carceri adjudicati et quidam

in Anglia remanseruntrdquo Vgl auch Mundill England (1998) 67f sowie uumlber die Zahl der Opfer weiter

oben Anmerkung 36

42 uarr Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 S 20

43 uarr Nach der chronikalischen Uumlberlieferung waren es 267 bzw 269 hingerichtete Juden Eine

Auswertung der auszligerchronikalischen Quellen ergab die Zahl von 298 erhaumlngten Juden Rokeacuteach

Monex I (198890) 98

44 uarr Jordan Monarchy (1989) 182f

45 uarr rdquoVos autre fuistis Engles qui exiverunt de terra eorum quia rotundabatis monetamrdquo in

Shatzmiller Schlomo Ibn Verga (1988) 355 Ders Solidariteacute (1986) 423

46 uarr Shlomo Ibn Verga Shevet Yehudah Teil I (hebr) Teil II (dt Uumlbersetzung)(Edit Wiener) Shevet

Yehudah (Edit Shochat)

47 uarr Zu Leben und Werk Shlomo Ibn Vergas Baer Hearot (1934) 152-179

48 uarr Shevet Yehudah Nr 18 (hebr S 42-43 dt Uumlbers S 84-85) Shevet Yehudah (Edit Shochat)

S 66

49 uarr Shevet Yehudah Nr 20 (hebr 43-45 dt Uumlbers 86-89)

50 uarr Zu Yosef ha-Kohen und seinem Werk Loeb Josef Hacohen (1888) XVI 28-56 211-235 XVII

74-95 247-271

51 uarr Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (dt

Uumlbersetzung Wiener)

52 uarr Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) 38-39 (Edit Wiener) 41-42

53 uarr Usque Nachum Israel III (1908) XI-XIII Auch bei Gedalyah Ibn Yachjah Shalshelet ha-

Kabbalah (nach Graetz Geschichte VII (1897) 429 weitere Quellen Graetz ebd 426-430)

54 uarr Siehe Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 20a

55 uarr ldquoSie [die Dominikaner] brachten sogar Muumlnzsorten herbei die sie selbst zuhause beschnitten

hattenldquo Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) S 38 (Edit Wiener) 41

56 uarr Fuumlr vielerlei Hinweise zur hebraumlischen Uumlberlieferung der Vertreibung der franzoumlsischen Juden sei

Dr Abraham David Jerusalem herzlich gedankt

57 uarr Schwarzfuchs History (2001) 269-274 Ben-Shalom Communication (1991) 171-225

58 uarr Abba Mari ben Mose von Lunel Sefer Minchat Qenaot Nr 120 in Shlomo Ibn Adret Tshuvot II

835-836

59 uarr BT Berachot 70a Gemeint ist hier die Philosophie griechischer Tradition die von Abba Mari

besonders bekaumlmpft wurde Shlomo Ibn Adret Teshuvot Bd 2 835 Anmerkung zu Zeile 1 Abba

Mari brachte die Vertreibung der suumldfranzoumlsischen Juden mit deren Hinwendung zur griechischen

Philosophie in Verbindung Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 832 Anmerkung zu Zeile 8

60 uarr Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 835-836 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001) 273

61 uarr Jordan French Monarchy (1989) 195196

62 uarr Saige Juifs (1881) 92

63 uarr Jordan French Monarchy (1989) 205 Saige Juifs (1881) 101-102 308-319 324-325

64 uarr Zu Leben und Werk sowie zu seinem Aufenhalt im Lande Israel siehe Schwarzfuchs History

261 Elbaum Estori ha-Parhi S 918f

65 uarr Zur Bedeutung des hebraumlischen Begriffes Prowentzah der neben der heutigen Provence auch

das Languedoc miteinschloss siehe Gross Gallia Judaica (1887) 489 In diesem Sinne entspricht

Prowentzah der roumlmischen Provincia Narbonnensis In Kontext der Vertreibung der Juden im

Jahre 1306 kann nur das Languedoc gemeint sein

66 uarr Eshtori haParchi Kaftor waFerach 218

67 uarr Schwarzfuchs History (2001) 276-278 Dahan Gersonide (1991)

68 uarr Levi ben Gershom Pirush al ha-Torah

69 uarr Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 153-154

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

Auch bei Levi ben Gershom steht die Zerstoumlrung der groszligen juumldischen Zentren

im Vordergrund Ein Grund fuumlr deren Untergang wird nicht eroumlrtert Ein

aumlhnliches Bild findet sich bei einem weiteren juumldischen Gelehrten aus dem

Beginn des 14 Jahrhunderts In seinem um das Jahr 1321 abgeschlossenen

Werk Even Bochan bemerkt der in Arles geborene juumldische Philosoph

Kalonymos ben Kalonymos (geb 1286)[71]

Als der Herrscher von der Stimmung erfasst wurde mein Volk ins Exil zu fuumlhren vor siebzehn

Jahren uumlberwand er sie in seinem Grimm und vertrieb sie mit starker Hand aus seinem Land

uumlberfuumlhrte sie in Staumldte nackt und mittellos die in ihren Palaumlsten viele Schaumltze von Gold besaszligen

um die Altehrwuumlrdigen ihrer Generation und ihre Prinzen zu vernichten und auszuloumlschen[72]

Die Erwaumlhnung der Enteignung der Juden durch die franzoumlsische Krone

verweist auf den tatsaumlchlichen Verlauf der Ausweisung und auf ihre

fiskalischen Motive[73]

Die auch vom Autor betonten finanziellen

Interessen des Herrschers werden jedoch nicht diskutiert Uumlberhaupt

bleiben die wenigen weiteren zeitgenoumlssischen Bemerkungen zur

Vertreibung sehr skizzenhaft und auch eng mit der Biographie ihrer

Verfasser verknuumlpft So schreibt R Menachem ha-Meiri (Vidal Salamon

Mayr) (geb 1249) der wenige Jahre nach der Vertreibung verstarb[74]

in

seiner Einleitung zur Auslegung des Traktates Avot

als Gott mich vom meinem Vaterhaus fortbrachte machte er meine Soumlhne zu Fluumlchtlingen und

meine Toumlchter fuumlhrte er in Gefangenschaft[75]

Die letzten bekannten Bemerkungen zur Vertreibung aus der

Generation der Zeitzeugen stammen aus der Feder des Dichters

und Philosophen Jedajah ben Abraham haPenini[76]

der in den

Staumldten Beacuteziers Montpellier und Perpignan lebte und um 1325

verstarb In einem Brief an den katalanischen Gelehrten Schlomo

Ibn Adret betonte der Autor wie sehr doch die Juden der Provence

ihre Tuumlren weit fuumlr die Exilierten geoumlffnet haumltten und viel dazu

beigetragen haumltten die Fluumlchtlinge aufzunehmen[77]

Auch in einem

Gedicht schloss der Autor Anspielungen zur Vertreibung der

franzoumlsischen Juden mit ein[78]

Hebraumlische Zeugnisse zur Vertreibung aus dem Norden des

franzoumlsischen Herrschaftsgebietes konnten bisher nicht

nachgewiesen werden Die hier aufgefuumlhrten hebraumlischen Quellen

zur Vertreibung der Juden aus den Herrschaftsgebieten des

franzoumlsischen Koumlnigs stammen ausschlieszliglich von Personen die

durch die Zerstoumlrung der juumldischen Zentren im suumldlichen Frankreich

betroffen waren Diese Uumlberlieferungen wurden schlieszliglich von der

hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts aufgenommen und in

ihre als Zyklen von Leiden und Verfolgung gestalteten Werken

eingearbeitet Itzchaq Abarbanel (gest vor 1550) scheint dabei der

entscheidende Protagonist bei der Schoumlpfung eines die Vertreibung

von 1306 beschreibenden juumldischen Narratives gewesen zu sein

auch wenn er sich nach seinen eigenen Angaben lediglich auf

Itzchak Profiat Duran genannt Efodi einen juumldisch-katalanischen

Autor des spaumlten 14 Jahrhunderts bezog So schreibt Abarbanel

bdquoIm Jahre 5066 (1306) der Zaumlhlung war die Vertreibung aus Frankreich Koumlnig Philipp war ein

grausamer und verfluchter Feind der alle Juden aus seinem Koumlnigreich vertrieb all ihren Besitz

enteignete und sie mittellos des Landes verwies Es gab dort viele groszlige Gemeinden doppelt so

viele (Juden) wie aus Aumlgypten auszogen hellip Und es war eine Zeit der groszligen Not fuumlr Israel hellip es

war im Monat Aw (13 Juli 1306-11 August 1306) und es war eine allumfassende Vertreibung hellipall

dies findet sich in der Schrift bdquoSichron ha-Shmadotldquo die von allen Zerstoumlrung berichtet die sich seit

der Zerstoumlrung des Tempels in Israel ereignet haben aufgeschrieben und redigiert von Efodildquo[79]

Der Autor weiszlig zu berichten unter welchem Koumlnig und in welchem Monat und Jahr die Vertreibung

stattfand Auf die Mittellosigkeit der juumldischen Fluumlchtlinge wird explizit hingewiesen die auf die

Auspluumlnderung durch den Koumlnig zuruumlckgefuumlhrt wird Auch eine Vorstellung von der Zahl der Exilierten

spiegelt sich im Text wider

Shlomo Ibn Verga uumlbernimmt den Text fast woumlrtlich fuumlr seine Chronik Shevet Yehudah und erweitert ihn

lediglich um die nicht belegbare Geschichte der Konversion der Gemeinde von Toulouse[80]

Ihm

folgen Samuel Usque[81]

und Yosef ha-Kohen[82]

So bieten die Erzaumlhltraditionen des 16

Jahrhunderts lediglich ein Geruumlst von Fakten die den Handlungsablauf der Vertreibung mit wenigen

Worten beschreiben Eine Begruumlndung der Vertreibung wird nicht genannt So entspricht die

Erzaumlhlarmut des Textes zur Vertreibung aus Frankreich innerhalb der hebraumlischen Chronistik des

16 Jahrhunderts der allgemeinen Quellenarmut der hebraumlischen Uumlberlieferungstradition zu diesem

Ereignis

Beziehung der Juden zum Herrscher

Anhand der Untersuchung von herrschaftlichen Bindungen der Juden soll im Folgenden verdeutlicht

werden wie sich ein ehemals funktionierendes Miteinander zu einem Zerbrechen eben dieses

Miteinanders mit dem Resultat der Vertreibung veraumlnderte Dazu werden die Herrschaftsstrukturen

mit ihren Veraumlnderungen zwischen dem Koumlnig beziehungsweise anderen christlichen

Herrschaftstraumlgern und den Juden in England und Frankreich analysiert In England siedelten sich

im Zuge der normannischen Eroberungen nach 1066 die ersten aus Frankreich stammenden Juden

an[83]

Seit dieser Zeit wurden sie in Dokumenten haumlufig als bdquoJuden des Koumlnigsldquo[84]

bezeichnet

Diesen exklusiven Anspruch konnte der Koumlnig bis zur Vertreibung durchsetzen auch wenn es

vereinzelt andere Herrschaftstraumlger gab die Macht uumlber Juden erlangten[85]

Die Juden waren dem

Koumlnig direkt unterstellt sie mussten ihm jede Geldforderung erfuumlllen im Gegenzug durften sie nach

ihrem Gesetz leben und ihren Wohnsitz frei waumlhlen[86]

Ein Privileg Richards I von 1190 erwaumlhnt

auszligerdem unter anderem das Recht der Juden auf Landbesitz und zollfreien Handel mit Wein[87]

Belastend fuumlr das Leben der Juden von England war das hohe Maszlig an Verwaltung das die

englischen Koumlnige geschaffen hatten um die Steuern effizient eintreiben zu koumlnnen Anlaumlsslich der

Kroumlnung Richards I im Jahre 1189 war es ausgehend von London zu Massakern an Juden in ganz

England gekommen Da die koumlnigliche Verwaltung nicht nachvollziehen konnte welche

Schuldscheine durch die Verfolgung vernichtet worden waren wurde als Reaktion 1194 ein

Archivsystem (archae) eingefuumlhrt das von nun an alle Geldgeschaumlfte sowie alle Juden mit ihrer

Finanzkraft verzeichnete[88]

Unter Heinrich III (1216-1272) aumlnderte sich der rechtliche Status der

Juden Im Jahr 1253 erlieszlig der Koumlnig ein Mandat das den Juden unter anderem verbot neue

Synagogen zu errichten christliche Bedienstete oder sexuelle Kontakte mit Christen zu haben und

Kirchen zu betreten Wichtigster Punkt war jedoch dass Juden nun ihren Wohnort nicht mehr frei

waumlhlen sondern nur noch dort leben durften wo bereits Juden ansaumlssig waren[89]

Viele der hier

formulierten Mandate waren im IV Laterankonzil von 1215 als verbindliche Verbote fuumlr die Juden in

der christlichen Welt festgelegt worden und fanden nun ihre Umsetzung Daneben stieg die

Besteuerung seit den 1240er Jahren stetig an wodurch die Finanzkraft der Juden bereits deutlich

geschwaumlcht wurde[90]

Im Falle Edwards I zeigte sich schlieszliglich dass die starke Bindung der Juden

an den Koumlnig die den Juden in fruumlheren Jahren zunaumlchst Unabhaumlngigkeit und Wohlstand gebracht

hatte nun ihren Ruin und schlieszliglich ihre Vertreibung bewirkte Der Koumlnig hatte bei Maszlignahmen die

die Juden betrafen kaum Widerspruch zu befuumlrchten zu eindeutig definiert war seine Machstellung

den Juden gegenuumlber In Frankreich unterstanden die Juden dem Herrn ihres jeweiligen Gebiets

der Koumlnig von Frankreich herrschte also nur in der Krondomaumlne uumlber die Juden des Koumlnigreiches[91]

Die Juden waren an ihr angestammtes Territorium gebunden und durften dieses nur mit der

Erlaubnis ihres Landesherrn verlassen Dieses Prinzip reicht bis in die Zeit von Philipp II August

(1180-1223) zuruumlck und wurde seit der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne 1198 in

verschiedenen Vereinbarungen mit anderen franzoumlsischen Territorialherren vertraglich fixiert[92]

Schon bei der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne kam es zu Irritationen da Philipp II

die 1182 vertriebenen Juden nach wie vor als bdquoseine Judenldquo ansah diese Auffassung aber

beispielsweise von Graf Theobald III von Campagne nicht geteilt wurde Er fuumlrchtete Steuerausfaumllle

und war der Meinung dass Juden die sich 1182 in der Champagne niedergelassen hatten nicht

mehr die Juden des Koumlnigs seien[93]

Auch andere Landesherren weigerten sich dem Wegzug ihrer

Juden in die Krondomaumlne zuzustimmen[94]

Auch erste Schritte eines buumlrokratischen Umgangs mit

den Geldgeschaumlften der Juden waren 1198 durch Philipp II August vorgenommen worden

moumlglicherweise beeinflusst durch die archae die in England 1194 unter Koumlnig Richard I eingerichtet

worden waren um die Geldgeschaumlfte und die Finanzkraft der Juden zu dokumentieren In jedem Ort

der Krondomaumlne gab es spezielle Beamte die die Kreditvertraumlge der Juden siegelten und so

kontrollierten wem die Juden welche Betraumlge an Geld liehen[95]

Auch den Juden konnte dieses

Verfahren als Sicherheit fuumlr ihre Geschaumlfte dienen Unter Ludwig VIII (1223-1226) kam es zum

ersten Eingriff in die Geldgeschaumlfte der Juden im franzoumlsischen Gebiet 1223 erlieszlig der Koumlnig

zusammen mit diversen Landesherren ein Statut in dem festgelegt wurde dass die Ruumlckzahlung

aller Schulden bei Juden an insgesamt neun Terminen an die koumlnigliche beziehungsweise

landesherrliche Schatzkammer erfolgen sollte Die Praxis des Siegelns von Urkunden uumlber

Darlehensvergaben wurde abgeschafft Erneut wurde festgehalten dass keiner der Herrscher Juden

eines anderen Herrschers bei sich aufnehmen duumlrfe wobei es bei diesem Punkt wieder zu

Unstimmigkeiten mit dem Grafen der Champagne kam der die Erklaumlrung nicht unterschrieb[96]

Bereits die ersten Jahre der Regierungszeit Ludwigs IX (1226-1270) brachten fuumlr die Juden weitere

Beschwerlichkeiten und erste direkte Aktionen gegen den Wucher Im Jahr 1227 kam es zu einer

erneuten Aneignung der ausstehenden Schulden bei Juden 1228 erging ein Mandat in dem Ludwig

IX befahl bei kuumlnftigen Geldgeschaumlften auf Zinsen zu verzichten Auszligerdem erklaumlrte der Koumlnig bei

Geldgeschaumlften die seit der Schuldentilgung ein Jahr zuvor geschlossen wurden alle Zinsen fuumlr

unguumlltig[97]

Auch die generelle Rechtsstellung der Juden wurde schon fruumlh in der Regierungszeit

Ludwigs IX definiert wobei es bei der alten Regelung blieb Im Statut von Melun hielten der Koumlnig

und die Landesherren daran fest dass die Juden tamquam proprii servi an das jeweilige Territorium

gebunden waren Christliche Schuldner wurden dazu aufgerufen ihre Schulden bei Juden zu

bezahlen nicht aber die Zinsen[98]

Die 1240er Jahre waren in Frankreich gepraumlgt vom Pariser

Talmudprozess in dem der Talmud als ketzerische Schrift verurteilt und danach oumlffentlich verbrannt

wurde[99]

Dies fuumlhrte unter anderem zu einer verstaumlrkten Auswanderung juumldischer Eliten aus

Nordfrankreich[100]

Insgesamt aumlnderte sich der rechtliche Status unter Ludwig IX nicht aber fruumlher

als die Herrscher in England nahm Ludwig IX der 1290 heilig gesprochen wurde den Kampf gegen

den Wucher auf Einige Aktionen Koumlnig Philipps IV (1285-1314) waumlhrend seiner ersten

Regierungsjahre in Bezug auf die Juden muumlssen vor dem Hintergrund der Vertreibungen gesehen

werden die sich in Regionen auszligerhalb der Krondomaumlne ereigneten so beispielsweise die

Ausweisung der juumldischen Fluumlchtlinge durch Philipp IV im Jahre 1291[101]

Daneben ist eine

konsequente Linie den Juden gegenuumlber nicht zu erkennen 1285 erneuerte er beispielsweise ein

Privileg zum Schutz von Synagogen und Friedhoumlfen zugleich bestaumltigte er die Pflicht der Juden ein

spezielles Abzeichen an ihrer Kleidung zu tragen[102]

Beides sind Zeichen dafuumlr dass der Koumlnig zu

dieser Zeit nicht daran dachte die Juden auszuweisen sondern das Leben der Juden rechtlich zu

definieren Vorrangiges Ziel Philipps IV war es zunaumlchst seine Oberherrschaft uumlber die Juden im

Suumlden zu sichern wo diese nicht von allen Baronen anerkannt wurde Die Herrschaft in der

Champagne hatte er sich durch Heirat bereits gesichert Dort in Troyes kam es 1288 zu einer

Mordanklage in deren Folge 13 Juden hingerichtet wurden wobei der Koumlnig ihre Besitztuumlmer

einzog[103]

Groumlszligeren Einfluss auf den Koumlnig scheint die Hostienschaumlndungbeschuldigung 1290 in

Paris gehabt zu haben Philipp IV warnte die Juden vor weiteren Hostienschaumlndungen und

spendete ein Haus neben der Kirche die zum Gedenken an den Fall errichtet worden war[104]

Wie

sein Groszligvater Ludwig IX setzte Philipp IV den Kampf gegen den Wucher fort verbot ihn 1299 und

1303 daneben wurde auch das Verbot des Neubaus von Synagogen sowie des Talmuds bei diesen

Gelegenheiten erneuert[105]

In einer konzentrierten und laumlnger vorbereiteten Aktion lieszlig Philipp IV

dann die Juden (oder jedenfalls die Familienvorstaumlnde) vermutlich am 22 Juli 1306 festsetzen Dies

diente dazu eine genaue Aufstellung der Judenguumlter vorzunehmen und um sich die ausstehenden

Schuldscheine zu sichern Gleichzeitig bedeutete es das Ende der juumldischen Siedlung in Frankreich

bis zu ihrer Wiederzulassung unter Ludwig X im Jahr 1315

Sowohl bei der Vertreibung aus England als auch der aus Frankreich zeigt sich die Gefahr die die

Abhaumlngigkeit der Juden vom Herrscher barg Vor allem in England hatte die privilegierte Position fuumlr

Wohlstand und ein groszliges Maszlig an innerer Autonomie etwa in der Rechtssprechnung oder in bezug

auf die Freizuumlgigkeit gesorgt[106]

Sie schuumltzte die Juden jedoch nicht immer vor Gealtakten wie den

seit der Mitte des 12 Jahrhunderts immer wieder vorkommenden Ritualmordvorwuumlrfen In

Frankreich verschlechterten sich ihre Lebensumstaumlnde mit der Ausbreitung der Krondomaumlne War

es 1182 noch ein geringes Problem fuumlr die Juden eine neue Heimat zu finden und von anderen

franzoumlsischen Landesherren wohlwollend aufgenommen zu werden war dies 1306 nicht mehr

moumlglich Die Herrscher nahmen die theologischen Diskurse uumlber den Wucher oder den Talmud auf

und wurden des weiteren beeinflusst durch antijuumldische Blut- und Hostienschaumlndungsvorwuumlrfe

Auch wirtschaftliche Uumlberlegungen haben eine Rolle gespielt ebenso mag es eine Dynamik

gegeben haben angestoszligen durch die weiteren Vertreibungen in dieser Umbruchszeit in der sich

jeder Herrscher damit profilieren wollte und konnte die Juden zu vertreiben

Die allgemeine Verurteilung des Wuchers

Obwohl gerade in der hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts verstaumlrkt die finanziellen Interessen vor

allem des franzoumlsischen Koumlnigs als Motiv der Vertreibung hervorgehoben wurde folgte die zeitnahe

Argumentation einer innerjuumldischen Perspektive anderen Erklaumlrungsmustern So gilt es zumindest

im Falle der Vertreibung aus England festzuhalten dass sich unter den Juden die Vorstellung

verbreitete das Fehlverhalten einzelner Juden haumltte die Ausweisung von 1290 wie auch andere

Vertreibungen mit verursacht Doch laumlsst sich im Wuchervorwurf gegenuumlber den Juden - dem

durchgaumlngigen Argument der Vertreibungen im 13 Jahrhundert - nicht etwa eine vordergruumlndige

falsche Praxis des Geldverleihs als ausloumlsendes Moment vermuten wie dies gelegentlich auch von

christlicher Seite von den Zeitgenossen vertreten wurde[107]

Vielmehr begann sich seit dem 12

Jahrhundert unter christlichen Gelehrten und weltlichen Herrschern ein theologisches Verstaumlndnis

bezuumlglich des Wuchers durchzusetzen das der wirtschaftlichen Taumltigkeit der Geldleihe auch in den

Haumlnden der Juden keine geduldeten Nische zuzuweisen bereit war[108]

Wucher wurde nun nicht

mehr als Suumlnde gegen den Naumlchsten aus mangelndem Mitgefuumlhl betrachtet und als turpe lucrum

(schaumlndlicher Profit) definiert sondern als Suumlnde gegen die iustitia[109]

Gemaumlszlig dieser Vorstellung

waren alle Wuchergewinne Diebesgut und muszligten zuruumlckgegeben werden Viel schwerer wog die

Feststellung daszlig sich die nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger durch ihre Besteuerung der Juden am

Wuchergewinn der Juden beteiligten und sich darum der gleichen Suumlnden schuldig machten[110]

Somit wurde auf demselben Wege der fuumlrstliche oder koumlnigliche Judenschutz die Legitimation

entzogen Die voumlllige Unterbindung des juumldischen Geldhandels schien darum fuumlr die meisten

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger der einzig richtige Weg wie dies bereits die im Namen Koumlnig

Ludwigs IX verkuumlndete ordenance von Melun 1230 forderte[111]

Als letzte Konsequenz blieb die

Ausweisung der Juden aus immer mehr Herrschaften des franzoumlsischen Koumlnigreiches und

schlieszliglich der Kronlande Das Zerbrechen des Miteinanders von Juden und Christen innerhalb des

franzoumlsischen Koumlnigreiches sowie die schrittweise Aufloumlsung bzw Zerschlagung des

jahrhundertealten juumldischen Siedlungsnetzes muszlig auf die juumldischen Gemeinschaften der

benachbarten Regionen so z B in den Rheinlanden verstoumlrend und beaumlngstigend gewirkt haben

Der dieser Vertreibung zugrundeliegende theologische Diskurs zu Geldhandel und Wucher und die

daraus resultierenden Folgen fuumlr die eigene juumldischen Existenz scheint jedoch nur einen geringen

Einfluszlig auf die Wahrnehmung ihrer eigenen Situation gehabt zu haben Im Zuge der Vertreibung der

franzoumlsischen Juden im Sommer und Herbst 1306 waren juumldische Fluumlchtlinge in die deutschen

Rheinlande gelangt[112]

Wohl wenige Monate spaumlter trafen in Worms die Delegierten des dortigen

Gemeindebezirkes die Vertreter der die Wormser Gemeinde und der sie umgebenden juumldischen

Niederlassungen auf einer Versammlung zusammen Auf diesem juumldischen Landtag sollte eine

Rechtssatzung eine Takkanah verabschiedet werden die die Praxis der juumldischen Geldleihe im

Einzugsgebiet der Gemeinde Worms sowie das Verhalten gegenuumlber hochverschuldeten Kunden

neu regelte[113]

In der Zusammenkunft der Haumlupter des Volkes im bdquoLand Wormsldquo im Jahr 67 des sechsten Jahrtausends

(10 Sept 1306 - 28 Augutst 1307) weil sich wegen unserer groszliger Verfehlungen die Noumlte der

Soumlhne unseres Volkes vermehrten durchforschten wir unsere Taten und fanden dass seit einiger

Zeit ein Schwert die Seele der Elenden und Reinen auffraszlig weil sie Vermoumlgen vermehrt hatten

durch Zins und Zinseszins von den Fuumlrsten der Nichtjuden Diese schuldeten ein Riesenvermoumlgen

den Familienvorstaumlnden Sie schmiedeten Raumlnke sich auf die Juden zu stuumlrzen und sie zu

uumlberfallen um sich von ihren Schulden zu befreien Wir haben beschlossen dass man keine

Erhoumlhung hinzufuumlgen darf und jedem Mann und jeder Frau nicht gestattet werden soll irgend einem

Nichtjuden einem einzelnen Schuldner mehr als 100 Pfund Hallisch zu leihen Und wenn der

Zeitpunkt der Schuldruumlckzahlung gekommen ist soll es nicht mehr gestattet sein die Zinsschuld der

Schuldsumme zuzuschlagen sondern man soll aus der Hand des Schuldners die ganze Schuld

einziehen Und wenn man nicht die ganze Schuld von ihm einziehen kann soll man sich nicht

hindern lassen wenigstens den Zins einzuziehen Nur soll man den Schuldner nicht mit List

uumlbervorteilen Und wenn es nicht gelingt irgend etwas einzuziehen dann soll man dies dem Rat

seiner Gemeinde mitteilen und nach deren Geheiszlig soll man handeln Was das Schuldgeschaumlft der

fuumlrstlichen Schuldner betrifft deren Schulden sich schon vermehrt haben und die niemand mehr

begleichen kann Die Glaumlubiger sollen sich huumlten sie mit hohen Zinsen zu belasten denn es sind

Komplotte zu befuumlrchten was Gott verhuumlten moumlge Schon einige Personen haben sich

zusammengeschlossen und dies gerade nicht bei den Fuumlrsten sondern bei den Klerikern und den

Buumlrgern [114]

Offenkundig standen den Delegierten die befuumlrchteten Konsequenzen der Geldleihe deutlich vor

Augen Wohl ebenso eingeschuumlchtert durch die in Frankreich vollzogene Vertreibung der Juden

wurden von seiten der Juden eigene Verfehlungen aber auch unguumlnstige Machtkonstellation

beobachtet die im Falle der franzoumlsischen Juden zu deren Untergang gefuumlhrt hatten Die

Beziehungen von Juden und Christen steckten auch in den Rheinlanden in den eingangs genannten

Bereichen von Wirtschaft Herrschaft und Religion in einer tieferen Krise Die auf dem

Versammlung von Worms beschlossenen Gegenmaszlignahmen blieben auf die juumldischen Teilnehmer

beschraumlnkt Zuruumlckhaltung gegenuumlber den christlichen Kunden Demut gegenuumlber Gott und das

Flehen um sein Erbarmen was mit guten Werken unterstuumltzt werden soll Eine direkte Verhandlung

mit den christlichen Herrschaftstraumlgern war nicht mehr vorgesehen Das gegenseitige Vertrauen

zwischen Juden und Christen war verschwunden in einer Zeit in der nicht mehr Koexistenz sondern

vor allem von Seiten der Juden die Sorge um die eigene Zukunft das eigene Handeln bestimmte

Zusammenfassung

Die Vertreibung der Juden aus England hatte innerhalb des juumldischen Kontextes noch zu Ansaumltzen der

Selbstreflexion gefuumlhrt die einen konkreten Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Vertretern

der juumldischen Seite und den politischen Entscheidungen der nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger

gegenuumlber der eigenen Gruppe erkennen mochten Dennoch waumlhnte man sich weiterhin in einem

rechtlich voumlllig abgesicherten Verhaumlltnis zur christlichen Umwelt Man war sich eines besonderen

Status innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft bewuszligt der in den Augen der Juden in

keiner Weise gefaumlhrdet schien Noch in der zweiten Haumllfte des 13 Jahrhunderts definierte Meir ben

Baruch (gest 1293) die Stellung der Juden im Reich als die eines freien Landbewohners der sein

Land nicht aber seine persoumlnliche Freiheit verloren hat [115]

Er sei darum nicht wie die Nichtjuden

den Fuumlrsten unterworfen und zu Steuerzahlungen verpflichtet Diese Konstruktionen erinnern stark

an die noch im 12 Jahrhundert in Frankreich vertretenen Rechtsauffassungen eines Itzchaq ben

Shmuel von Dampierre (gest ca 1185)[116]

der ebenfalls die Freiheit der Juden im Vergleich zu den

Nichtjuden hervorhebt ihre voumlllige Bewegungsfreiheit im Gegensatz zu an die Scholle gebundenen

Nichtjuden betont und die Juden ebenfalls aus der Rechtspraxis herausnimmt die dem

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger gestattet bei Abwanderung von Personen deren beweglichen

Besitz einzuziehen[117]

Nach juumldischer Auffassung folgten die Interaktionen zwischen Juden und

Christen nach Regeln die von beiden Seiten anerkannt waren Das jedoch sich dies Regelwerk zu

ungunsten der Juden verhaumlndert haben mochte daszlig die eigene Bewegungsfreiheit inzwischen mehr

und mehr eingeschraumlnkt wurde die besonderen Steuergesetzgebung seit den Aumluszligerungen des

Itzchak von Dampiegravere sich erheblich veraumlndern hatte und damit nach daszlig Verhaumlltnis zur christlichen

Umwelt nun erheblichen Umwaumlltzungen unterworfen war wurde wie die Aumluszligerung Meirs nahelegt

weder reflektiert noch einigermaszligen registriert

Das Verhalten der franzoumlsischen Juden Angesichts ihrer Vertreibung ist darum keinesfalls verwunderlich In

den wenigen juumldischen Selbstzeugnisse zur Vertreibung der franzoumlsischen Juden finden sich keine

Spuren die auf einen Prozess der Selbstreflexion schlieszligen lassen Die Frage der Motivation zur

Vertreibung der Juden wird soweit dies die Quellen erkennen lassen nicht diskutiert Der

offenkundige theologische Diskurs zur Unrechtmaumlszligigkeit des auf Zinsen geleisteten Geldverleihs

dem die juumldischen Gemeinschaft im franzoumlsischen Koumlnigreich letztlich zum Opfer fiel wird

nirgendwo rezipiert Man koumlnnte den Eindruck gewinnen dass sich den franzoumlsischen Juden die

Gefaumlhrlichkeit der Diskussion um den Wucher zu keinem Zeitpunkt erschloss Auch in den

konstruierten Narrativen der folgenden Generationen steht die auch fuumlr den einzelnen Juden

folgenreiche finanzielle Auspluumlnderung durch die franzoumlsische Krone im Vordergrund Allerdings

zeigt die Quelle aus dem rheinischen Kontext dass zumindest nach der Vertreibung aus dem

franzoumlsischen Koumlnigreich im Jahre 1306 unter den rheinischen Juden bestimmte Formen der

Geldleihe als Element der Selbstgefaumlhrdung wahrgenommen wurde Dabei macht die Uumlberlieferung

der Wormser Versammlung auch deutlich das die Zerruumlttung des Verhaumlltnisses von Juden und

Christen auch von juumldischer Seite nicht mehr geleugnet werden konnte Dass es sich dabei nicht nur

um eine wirtschaftliche Auseinandersetzung sondern zunaumlchst um einen christlichen theologischen

Diskurs handelte der sich gaumlnzlich juumldischem Handeln entzog scheint den Protagonisten der

Wormser Gemeinde nicht zugaumlnglich gewesen sein Ohne zu erkennen dass die Geldleihe und

somit die eigene wirtschaftliche Existenz gaumlnzlich in Frage gestellt werden koumlnnte versuchten die

Vertreter der Wormser Versammlung durch einzelne Maszlignahmen die Beziehungen zur christlichen

Umgebung zu entlassten um Gefahren von der eigenen Gemeinschaft abzuwenden Auf diese

Weise wurden die Juden im Westen Europas mehr und mehr wirtschaftlichen und theologischen

Dynamiken ausgesetzt die sich jenseits der juumldischen Wahrnehmung auszuformen begannen und

schlieszliglich in die Verdraumlngung der Juden muumlnden sollten die in der Vertreibung von England und

Frankreich ihren Anfang nahm

Rainer Barzen Lennart Guumlntzel

1 uarr Vgl zu Frankreich Chazan Jewry (1973) 154-207 Jordan Monarchy (1998) 177-261 Zu

England Hyams Jews (1996) 173-192 Mentgen Vertreibungen (1997) 11-53 Mundill England

(1998)

2 uarr Chazan Jewry (1973) 63-100 Ders Church (1980) 312f Jordan Monarchy (1998) 23-38

3 uarr Zur Geschichte der Juden unter Ludwig IX vgl Chazan Jewry (1973) 100-153

4 uarr Die Vorbildfunktion Ludwigs IX vor allem in Hinblick auf den Kampf gegen den Wucher erwaumlhnt

Cluse Zusammenhang (1999)135ndash163

5 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

6 uarr Chazan Church (1980) 313-317

7 uarr Florentii Wigorniensis 214f

8 uarr Ebd 212

9 uarr Chazan Church (1980) 317-319

10 uarr Aufstellung der Chroniken bei Abrahams Expulsion (1895) 449f

11 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

12 uarr Ordonnances 317

13 uarr Jordan nennt als Beispiel die Ortschaft Niort die ihre Juden vertreiben konnte Jordan Monarchy

(1998) 183

14 uarr Ebd 184f

15 uarr Ebd 184

16 uarr Ebd 183f

17 uarr Zu den Motiven Philipps IV siehe Mentgen Vertreibungen (1997) 46-49 Schwarzfuchs

Expulsion (1967) 485f

18 uarr Uumlber den generellen Wucherdiskurs siehe unten Kapitel V2

19 uarr Close Rolls Edward I 109

20 uarr Annales de Waverleia 409 ldquo(hellip) Judaeorum (hellip) quae per diversas urbes et castra regionis

Anglicanae per retroacta tempora habitabat confidenter procurante domina Alienora matre dicti

regis Angliae jussa est per edictum regium (hellip)rdquo

21 uarr Annales de Dunstaplia 361-362bdquo (hellip) propter blasphemias quas Judaei saepe faciebant fidei

Christianae statuit rex ut omnes Judaei cum semine suo et substancia ab Anglia pellerentur (hellip)rdquo

22 uarr Ebd bdquo(hellip) et concessit eis rex salvum conductum In ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt

submersi per vim et fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

23 uarr Zum Verhaumlltnis von Dominikanern und Juden zu dieser Zeit vgl Cohen Friars (1982) sowie

Ders Letters (1999)

24 uarr Florentii Wigoriensis 214

25 uarr Uumlber ein moumlgliches Interesse des Adels an der Vertreibung der Juden siehe Mentgen

Vertreibungen (1997) 27-30

26 uarr Annales de Dunstaplia 361-362 bdquoIn ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt submersi per vim et

fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

27 uarr Pierre de Langtoft II 186 bdquoThomas de Wilaund en baunk primer nomeacute par agarde de la court le

regne ad forjoreacute et en la terre de France sanz repairer aleacute Ses compayons ses clercs sunt pris e

meneacute a la thour de Loundres delivreacutes par moneacuteldquo

28 uarr Ebd 188 bdquoPur le quinzme dener al rays en ayeldquo

29 uarr Ebd bdquoOre sunt alez en France e en Pykardye Tutes lur dettes e lur manauntye Sunt salves al

ray dunt fere sa curtaysyeldquo

30 uarr Oumlsterreichische Reimchronik Verse 91239-91777 1186-1192ldquo die dritten vorderungdie an den

Franzois junctet der kunic Albrehter jach die Juden ze rehtgehocircren daz ricircche an und ander nieman

()ldquo Zu dieser Quelle vgl Ziwes Studien (1995) 33f Anm 16

31 uarr Prima Vita Clementis V 5

32 uarr Quarta Vita Clementis V 62bdquo Anno Domini MCCCVJ in festo sancte Marie Magdalene de

mandato et ordinatione regis Francie fuerunt capti omnes Judei ubique in regno Francie quasi

imperceptibiler una die et confiscata sunt bona ipsorum quecumque potuerunt inveniri fueruntque

a regno expulsi ulterius minime reversurirdquo Vgl auch Sexta Vita Clementis V 92-93bdquo Et etiam in

isto anno in die sancte Marie Magdalene omnes Judei de regno Francie congediati [congregati]

fuerunt et eorum bona omnia extiterunt confiscatardquo

33 uarr Continuatio Guilelmi de Nangis 59 bdquoMense Augusto Rex Philippus omnes Judaeos de Regno

Franciae penitus amp omnino fecit expelli certum regressionis terminum sub poena mortis praesigens

eisdemrdquo

34 uarr Florentii Wigoriensis 192 ldquoBarones cum Londoniensibus Judaismum Londoniae spoliaverunt

multis Judaeis interfectisldquo Siehe auch Mundill England (1998) 41

35 uarr Florentii Wigoriensis 210ldquo Rex die Sancte Calixti synagogam Judaeorum in villa Londoniensi

fratribus de Poenitentia contulit Jesu Christi ()ldquo

36 uarr Ebd 222bdquoApud Norhamtonam () puer quidam a Judaeis crucifixus estrdquo

37 uarr BennerReverchon Juden (2003) 181

38 uarr Rubin Tales (1999) 40-48

39 uarr Mentgen Vertreibungen (1997) 42-44

40 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 64f sieht den Muumlnzbeschneidungsskandal als Folge der Verarmung

der Juden Eine andere Meinung vertritt Mundill England (1998) 195-198 der vor allem auf eine

erfolgreiche Rolle der Juden im Wollhandel verweist

41 uarr Florentii Wigoriensis 221ldquo Rex omnes Judaeos et quosdam Christianos de retonsura aut alia

monetae falsatione convictos fecit suspensi Unde Londoniae CCLX et VII Judaei mortis judicium

subierunt Quidam autem relegati quidam etiam eorum perpetuo sunt carceri adjudicati et quidam

in Anglia remanseruntrdquo Vgl auch Mundill England (1998) 67f sowie uumlber die Zahl der Opfer weiter

oben Anmerkung 36

42 uarr Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 S 20

43 uarr Nach der chronikalischen Uumlberlieferung waren es 267 bzw 269 hingerichtete Juden Eine

Auswertung der auszligerchronikalischen Quellen ergab die Zahl von 298 erhaumlngten Juden Rokeacuteach

Monex I (198890) 98

44 uarr Jordan Monarchy (1989) 182f

45 uarr rdquoVos autre fuistis Engles qui exiverunt de terra eorum quia rotundabatis monetamrdquo in

Shatzmiller Schlomo Ibn Verga (1988) 355 Ders Solidariteacute (1986) 423

46 uarr Shlomo Ibn Verga Shevet Yehudah Teil I (hebr) Teil II (dt Uumlbersetzung)(Edit Wiener) Shevet

Yehudah (Edit Shochat)

47 uarr Zu Leben und Werk Shlomo Ibn Vergas Baer Hearot (1934) 152-179

48 uarr Shevet Yehudah Nr 18 (hebr S 42-43 dt Uumlbers S 84-85) Shevet Yehudah (Edit Shochat)

S 66

49 uarr Shevet Yehudah Nr 20 (hebr 43-45 dt Uumlbers 86-89)

50 uarr Zu Yosef ha-Kohen und seinem Werk Loeb Josef Hacohen (1888) XVI 28-56 211-235 XVII

74-95 247-271

51 uarr Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (dt

Uumlbersetzung Wiener)

52 uarr Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) 38-39 (Edit Wiener) 41-42

53 uarr Usque Nachum Israel III (1908) XI-XIII Auch bei Gedalyah Ibn Yachjah Shalshelet ha-

Kabbalah (nach Graetz Geschichte VII (1897) 429 weitere Quellen Graetz ebd 426-430)

54 uarr Siehe Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 20a

55 uarr ldquoSie [die Dominikaner] brachten sogar Muumlnzsorten herbei die sie selbst zuhause beschnitten

hattenldquo Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) S 38 (Edit Wiener) 41

56 uarr Fuumlr vielerlei Hinweise zur hebraumlischen Uumlberlieferung der Vertreibung der franzoumlsischen Juden sei

Dr Abraham David Jerusalem herzlich gedankt

57 uarr Schwarzfuchs History (2001) 269-274 Ben-Shalom Communication (1991) 171-225

58 uarr Abba Mari ben Mose von Lunel Sefer Minchat Qenaot Nr 120 in Shlomo Ibn Adret Tshuvot II

835-836

59 uarr BT Berachot 70a Gemeint ist hier die Philosophie griechischer Tradition die von Abba Mari

besonders bekaumlmpft wurde Shlomo Ibn Adret Teshuvot Bd 2 835 Anmerkung zu Zeile 1 Abba

Mari brachte die Vertreibung der suumldfranzoumlsischen Juden mit deren Hinwendung zur griechischen

Philosophie in Verbindung Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 832 Anmerkung zu Zeile 8

60 uarr Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 835-836 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001) 273

61 uarr Jordan French Monarchy (1989) 195196

62 uarr Saige Juifs (1881) 92

63 uarr Jordan French Monarchy (1989) 205 Saige Juifs (1881) 101-102 308-319 324-325

64 uarr Zu Leben und Werk sowie zu seinem Aufenhalt im Lande Israel siehe Schwarzfuchs History

261 Elbaum Estori ha-Parhi S 918f

65 uarr Zur Bedeutung des hebraumlischen Begriffes Prowentzah der neben der heutigen Provence auch

das Languedoc miteinschloss siehe Gross Gallia Judaica (1887) 489 In diesem Sinne entspricht

Prowentzah der roumlmischen Provincia Narbonnensis In Kontext der Vertreibung der Juden im

Jahre 1306 kann nur das Languedoc gemeint sein

66 uarr Eshtori haParchi Kaftor waFerach 218

67 uarr Schwarzfuchs History (2001) 276-278 Dahan Gersonide (1991)

68 uarr Levi ben Gershom Pirush al ha-Torah

69 uarr Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 153-154

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

franzoumlsischen Koumlnigs stammen ausschlieszliglich von Personen die

durch die Zerstoumlrung der juumldischen Zentren im suumldlichen Frankreich

betroffen waren Diese Uumlberlieferungen wurden schlieszliglich von der

hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts aufgenommen und in

ihre als Zyklen von Leiden und Verfolgung gestalteten Werken

eingearbeitet Itzchaq Abarbanel (gest vor 1550) scheint dabei der

entscheidende Protagonist bei der Schoumlpfung eines die Vertreibung

von 1306 beschreibenden juumldischen Narratives gewesen zu sein

auch wenn er sich nach seinen eigenen Angaben lediglich auf

Itzchak Profiat Duran genannt Efodi einen juumldisch-katalanischen

Autor des spaumlten 14 Jahrhunderts bezog So schreibt Abarbanel

bdquoIm Jahre 5066 (1306) der Zaumlhlung war die Vertreibung aus Frankreich Koumlnig Philipp war ein

grausamer und verfluchter Feind der alle Juden aus seinem Koumlnigreich vertrieb all ihren Besitz

enteignete und sie mittellos des Landes verwies Es gab dort viele groszlige Gemeinden doppelt so

viele (Juden) wie aus Aumlgypten auszogen hellip Und es war eine Zeit der groszligen Not fuumlr Israel hellip es

war im Monat Aw (13 Juli 1306-11 August 1306) und es war eine allumfassende Vertreibung hellipall

dies findet sich in der Schrift bdquoSichron ha-Shmadotldquo die von allen Zerstoumlrung berichtet die sich seit

der Zerstoumlrung des Tempels in Israel ereignet haben aufgeschrieben und redigiert von Efodildquo[79]

Der Autor weiszlig zu berichten unter welchem Koumlnig und in welchem Monat und Jahr die Vertreibung

stattfand Auf die Mittellosigkeit der juumldischen Fluumlchtlinge wird explizit hingewiesen die auf die

Auspluumlnderung durch den Koumlnig zuruumlckgefuumlhrt wird Auch eine Vorstellung von der Zahl der Exilierten

spiegelt sich im Text wider

Shlomo Ibn Verga uumlbernimmt den Text fast woumlrtlich fuumlr seine Chronik Shevet Yehudah und erweitert ihn

lediglich um die nicht belegbare Geschichte der Konversion der Gemeinde von Toulouse[80]

Ihm

folgen Samuel Usque[81]

und Yosef ha-Kohen[82]

So bieten die Erzaumlhltraditionen des 16

Jahrhunderts lediglich ein Geruumlst von Fakten die den Handlungsablauf der Vertreibung mit wenigen

Worten beschreiben Eine Begruumlndung der Vertreibung wird nicht genannt So entspricht die

Erzaumlhlarmut des Textes zur Vertreibung aus Frankreich innerhalb der hebraumlischen Chronistik des

16 Jahrhunderts der allgemeinen Quellenarmut der hebraumlischen Uumlberlieferungstradition zu diesem

Ereignis

Beziehung der Juden zum Herrscher

Anhand der Untersuchung von herrschaftlichen Bindungen der Juden soll im Folgenden verdeutlicht

werden wie sich ein ehemals funktionierendes Miteinander zu einem Zerbrechen eben dieses

Miteinanders mit dem Resultat der Vertreibung veraumlnderte Dazu werden die Herrschaftsstrukturen

mit ihren Veraumlnderungen zwischen dem Koumlnig beziehungsweise anderen christlichen

Herrschaftstraumlgern und den Juden in England und Frankreich analysiert In England siedelten sich

im Zuge der normannischen Eroberungen nach 1066 die ersten aus Frankreich stammenden Juden

an[83]

Seit dieser Zeit wurden sie in Dokumenten haumlufig als bdquoJuden des Koumlnigsldquo[84]

bezeichnet

Diesen exklusiven Anspruch konnte der Koumlnig bis zur Vertreibung durchsetzen auch wenn es

vereinzelt andere Herrschaftstraumlger gab die Macht uumlber Juden erlangten[85]

Die Juden waren dem

Koumlnig direkt unterstellt sie mussten ihm jede Geldforderung erfuumlllen im Gegenzug durften sie nach

ihrem Gesetz leben und ihren Wohnsitz frei waumlhlen[86]

Ein Privileg Richards I von 1190 erwaumlhnt

auszligerdem unter anderem das Recht der Juden auf Landbesitz und zollfreien Handel mit Wein[87]

Belastend fuumlr das Leben der Juden von England war das hohe Maszlig an Verwaltung das die

englischen Koumlnige geschaffen hatten um die Steuern effizient eintreiben zu koumlnnen Anlaumlsslich der

Kroumlnung Richards I im Jahre 1189 war es ausgehend von London zu Massakern an Juden in ganz

England gekommen Da die koumlnigliche Verwaltung nicht nachvollziehen konnte welche

Schuldscheine durch die Verfolgung vernichtet worden waren wurde als Reaktion 1194 ein

Archivsystem (archae) eingefuumlhrt das von nun an alle Geldgeschaumlfte sowie alle Juden mit ihrer

Finanzkraft verzeichnete[88]

Unter Heinrich III (1216-1272) aumlnderte sich der rechtliche Status der

Juden Im Jahr 1253 erlieszlig der Koumlnig ein Mandat das den Juden unter anderem verbot neue

Synagogen zu errichten christliche Bedienstete oder sexuelle Kontakte mit Christen zu haben und

Kirchen zu betreten Wichtigster Punkt war jedoch dass Juden nun ihren Wohnort nicht mehr frei

waumlhlen sondern nur noch dort leben durften wo bereits Juden ansaumlssig waren[89]

Viele der hier

formulierten Mandate waren im IV Laterankonzil von 1215 als verbindliche Verbote fuumlr die Juden in

der christlichen Welt festgelegt worden und fanden nun ihre Umsetzung Daneben stieg die

Besteuerung seit den 1240er Jahren stetig an wodurch die Finanzkraft der Juden bereits deutlich

geschwaumlcht wurde[90]

Im Falle Edwards I zeigte sich schlieszliglich dass die starke Bindung der Juden

an den Koumlnig die den Juden in fruumlheren Jahren zunaumlchst Unabhaumlngigkeit und Wohlstand gebracht

hatte nun ihren Ruin und schlieszliglich ihre Vertreibung bewirkte Der Koumlnig hatte bei Maszlignahmen die

die Juden betrafen kaum Widerspruch zu befuumlrchten zu eindeutig definiert war seine Machstellung

den Juden gegenuumlber In Frankreich unterstanden die Juden dem Herrn ihres jeweiligen Gebiets

der Koumlnig von Frankreich herrschte also nur in der Krondomaumlne uumlber die Juden des Koumlnigreiches[91]

Die Juden waren an ihr angestammtes Territorium gebunden und durften dieses nur mit der

Erlaubnis ihres Landesherrn verlassen Dieses Prinzip reicht bis in die Zeit von Philipp II August

(1180-1223) zuruumlck und wurde seit der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne 1198 in

verschiedenen Vereinbarungen mit anderen franzoumlsischen Territorialherren vertraglich fixiert[92]

Schon bei der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne kam es zu Irritationen da Philipp II

die 1182 vertriebenen Juden nach wie vor als bdquoseine Judenldquo ansah diese Auffassung aber

beispielsweise von Graf Theobald III von Campagne nicht geteilt wurde Er fuumlrchtete Steuerausfaumllle

und war der Meinung dass Juden die sich 1182 in der Champagne niedergelassen hatten nicht

mehr die Juden des Koumlnigs seien[93]

Auch andere Landesherren weigerten sich dem Wegzug ihrer

Juden in die Krondomaumlne zuzustimmen[94]

Auch erste Schritte eines buumlrokratischen Umgangs mit

den Geldgeschaumlften der Juden waren 1198 durch Philipp II August vorgenommen worden

moumlglicherweise beeinflusst durch die archae die in England 1194 unter Koumlnig Richard I eingerichtet

worden waren um die Geldgeschaumlfte und die Finanzkraft der Juden zu dokumentieren In jedem Ort

der Krondomaumlne gab es spezielle Beamte die die Kreditvertraumlge der Juden siegelten und so

kontrollierten wem die Juden welche Betraumlge an Geld liehen[95]

Auch den Juden konnte dieses

Verfahren als Sicherheit fuumlr ihre Geschaumlfte dienen Unter Ludwig VIII (1223-1226) kam es zum

ersten Eingriff in die Geldgeschaumlfte der Juden im franzoumlsischen Gebiet 1223 erlieszlig der Koumlnig

zusammen mit diversen Landesherren ein Statut in dem festgelegt wurde dass die Ruumlckzahlung

aller Schulden bei Juden an insgesamt neun Terminen an die koumlnigliche beziehungsweise

landesherrliche Schatzkammer erfolgen sollte Die Praxis des Siegelns von Urkunden uumlber

Darlehensvergaben wurde abgeschafft Erneut wurde festgehalten dass keiner der Herrscher Juden

eines anderen Herrschers bei sich aufnehmen duumlrfe wobei es bei diesem Punkt wieder zu

Unstimmigkeiten mit dem Grafen der Champagne kam der die Erklaumlrung nicht unterschrieb[96]

Bereits die ersten Jahre der Regierungszeit Ludwigs IX (1226-1270) brachten fuumlr die Juden weitere

Beschwerlichkeiten und erste direkte Aktionen gegen den Wucher Im Jahr 1227 kam es zu einer

erneuten Aneignung der ausstehenden Schulden bei Juden 1228 erging ein Mandat in dem Ludwig

IX befahl bei kuumlnftigen Geldgeschaumlften auf Zinsen zu verzichten Auszligerdem erklaumlrte der Koumlnig bei

Geldgeschaumlften die seit der Schuldentilgung ein Jahr zuvor geschlossen wurden alle Zinsen fuumlr

unguumlltig[97]

Auch die generelle Rechtsstellung der Juden wurde schon fruumlh in der Regierungszeit

Ludwigs IX definiert wobei es bei der alten Regelung blieb Im Statut von Melun hielten der Koumlnig

und die Landesherren daran fest dass die Juden tamquam proprii servi an das jeweilige Territorium

gebunden waren Christliche Schuldner wurden dazu aufgerufen ihre Schulden bei Juden zu

bezahlen nicht aber die Zinsen[98]

Die 1240er Jahre waren in Frankreich gepraumlgt vom Pariser

Talmudprozess in dem der Talmud als ketzerische Schrift verurteilt und danach oumlffentlich verbrannt

wurde[99]

Dies fuumlhrte unter anderem zu einer verstaumlrkten Auswanderung juumldischer Eliten aus

Nordfrankreich[100]

Insgesamt aumlnderte sich der rechtliche Status unter Ludwig IX nicht aber fruumlher

als die Herrscher in England nahm Ludwig IX der 1290 heilig gesprochen wurde den Kampf gegen

den Wucher auf Einige Aktionen Koumlnig Philipps IV (1285-1314) waumlhrend seiner ersten

Regierungsjahre in Bezug auf die Juden muumlssen vor dem Hintergrund der Vertreibungen gesehen

werden die sich in Regionen auszligerhalb der Krondomaumlne ereigneten so beispielsweise die

Ausweisung der juumldischen Fluumlchtlinge durch Philipp IV im Jahre 1291[101]

Daneben ist eine

konsequente Linie den Juden gegenuumlber nicht zu erkennen 1285 erneuerte er beispielsweise ein

Privileg zum Schutz von Synagogen und Friedhoumlfen zugleich bestaumltigte er die Pflicht der Juden ein

spezielles Abzeichen an ihrer Kleidung zu tragen[102]

Beides sind Zeichen dafuumlr dass der Koumlnig zu

dieser Zeit nicht daran dachte die Juden auszuweisen sondern das Leben der Juden rechtlich zu

definieren Vorrangiges Ziel Philipps IV war es zunaumlchst seine Oberherrschaft uumlber die Juden im

Suumlden zu sichern wo diese nicht von allen Baronen anerkannt wurde Die Herrschaft in der

Champagne hatte er sich durch Heirat bereits gesichert Dort in Troyes kam es 1288 zu einer

Mordanklage in deren Folge 13 Juden hingerichtet wurden wobei der Koumlnig ihre Besitztuumlmer

einzog[103]

Groumlszligeren Einfluss auf den Koumlnig scheint die Hostienschaumlndungbeschuldigung 1290 in

Paris gehabt zu haben Philipp IV warnte die Juden vor weiteren Hostienschaumlndungen und

spendete ein Haus neben der Kirche die zum Gedenken an den Fall errichtet worden war[104]

Wie

sein Groszligvater Ludwig IX setzte Philipp IV den Kampf gegen den Wucher fort verbot ihn 1299 und

1303 daneben wurde auch das Verbot des Neubaus von Synagogen sowie des Talmuds bei diesen

Gelegenheiten erneuert[105]

In einer konzentrierten und laumlnger vorbereiteten Aktion lieszlig Philipp IV

dann die Juden (oder jedenfalls die Familienvorstaumlnde) vermutlich am 22 Juli 1306 festsetzen Dies

diente dazu eine genaue Aufstellung der Judenguumlter vorzunehmen und um sich die ausstehenden

Schuldscheine zu sichern Gleichzeitig bedeutete es das Ende der juumldischen Siedlung in Frankreich

bis zu ihrer Wiederzulassung unter Ludwig X im Jahr 1315

Sowohl bei der Vertreibung aus England als auch der aus Frankreich zeigt sich die Gefahr die die

Abhaumlngigkeit der Juden vom Herrscher barg Vor allem in England hatte die privilegierte Position fuumlr

Wohlstand und ein groszliges Maszlig an innerer Autonomie etwa in der Rechtssprechnung oder in bezug

auf die Freizuumlgigkeit gesorgt[106]

Sie schuumltzte die Juden jedoch nicht immer vor Gealtakten wie den

seit der Mitte des 12 Jahrhunderts immer wieder vorkommenden Ritualmordvorwuumlrfen In

Frankreich verschlechterten sich ihre Lebensumstaumlnde mit der Ausbreitung der Krondomaumlne War

es 1182 noch ein geringes Problem fuumlr die Juden eine neue Heimat zu finden und von anderen

franzoumlsischen Landesherren wohlwollend aufgenommen zu werden war dies 1306 nicht mehr

moumlglich Die Herrscher nahmen die theologischen Diskurse uumlber den Wucher oder den Talmud auf

und wurden des weiteren beeinflusst durch antijuumldische Blut- und Hostienschaumlndungsvorwuumlrfe

Auch wirtschaftliche Uumlberlegungen haben eine Rolle gespielt ebenso mag es eine Dynamik

gegeben haben angestoszligen durch die weiteren Vertreibungen in dieser Umbruchszeit in der sich

jeder Herrscher damit profilieren wollte und konnte die Juden zu vertreiben

Die allgemeine Verurteilung des Wuchers

Obwohl gerade in der hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts verstaumlrkt die finanziellen Interessen vor

allem des franzoumlsischen Koumlnigs als Motiv der Vertreibung hervorgehoben wurde folgte die zeitnahe

Argumentation einer innerjuumldischen Perspektive anderen Erklaumlrungsmustern So gilt es zumindest

im Falle der Vertreibung aus England festzuhalten dass sich unter den Juden die Vorstellung

verbreitete das Fehlverhalten einzelner Juden haumltte die Ausweisung von 1290 wie auch andere

Vertreibungen mit verursacht Doch laumlsst sich im Wuchervorwurf gegenuumlber den Juden - dem

durchgaumlngigen Argument der Vertreibungen im 13 Jahrhundert - nicht etwa eine vordergruumlndige

falsche Praxis des Geldverleihs als ausloumlsendes Moment vermuten wie dies gelegentlich auch von

christlicher Seite von den Zeitgenossen vertreten wurde[107]

Vielmehr begann sich seit dem 12

Jahrhundert unter christlichen Gelehrten und weltlichen Herrschern ein theologisches Verstaumlndnis

bezuumlglich des Wuchers durchzusetzen das der wirtschaftlichen Taumltigkeit der Geldleihe auch in den

Haumlnden der Juden keine geduldeten Nische zuzuweisen bereit war[108]

Wucher wurde nun nicht

mehr als Suumlnde gegen den Naumlchsten aus mangelndem Mitgefuumlhl betrachtet und als turpe lucrum

(schaumlndlicher Profit) definiert sondern als Suumlnde gegen die iustitia[109]

Gemaumlszlig dieser Vorstellung

waren alle Wuchergewinne Diebesgut und muszligten zuruumlckgegeben werden Viel schwerer wog die

Feststellung daszlig sich die nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger durch ihre Besteuerung der Juden am

Wuchergewinn der Juden beteiligten und sich darum der gleichen Suumlnden schuldig machten[110]

Somit wurde auf demselben Wege der fuumlrstliche oder koumlnigliche Judenschutz die Legitimation

entzogen Die voumlllige Unterbindung des juumldischen Geldhandels schien darum fuumlr die meisten

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger der einzig richtige Weg wie dies bereits die im Namen Koumlnig

Ludwigs IX verkuumlndete ordenance von Melun 1230 forderte[111]

Als letzte Konsequenz blieb die

Ausweisung der Juden aus immer mehr Herrschaften des franzoumlsischen Koumlnigreiches und

schlieszliglich der Kronlande Das Zerbrechen des Miteinanders von Juden und Christen innerhalb des

franzoumlsischen Koumlnigreiches sowie die schrittweise Aufloumlsung bzw Zerschlagung des

jahrhundertealten juumldischen Siedlungsnetzes muszlig auf die juumldischen Gemeinschaften der

benachbarten Regionen so z B in den Rheinlanden verstoumlrend und beaumlngstigend gewirkt haben

Der dieser Vertreibung zugrundeliegende theologische Diskurs zu Geldhandel und Wucher und die

daraus resultierenden Folgen fuumlr die eigene juumldischen Existenz scheint jedoch nur einen geringen

Einfluszlig auf die Wahrnehmung ihrer eigenen Situation gehabt zu haben Im Zuge der Vertreibung der

franzoumlsischen Juden im Sommer und Herbst 1306 waren juumldische Fluumlchtlinge in die deutschen

Rheinlande gelangt[112]

Wohl wenige Monate spaumlter trafen in Worms die Delegierten des dortigen

Gemeindebezirkes die Vertreter der die Wormser Gemeinde und der sie umgebenden juumldischen

Niederlassungen auf einer Versammlung zusammen Auf diesem juumldischen Landtag sollte eine

Rechtssatzung eine Takkanah verabschiedet werden die die Praxis der juumldischen Geldleihe im

Einzugsgebiet der Gemeinde Worms sowie das Verhalten gegenuumlber hochverschuldeten Kunden

neu regelte[113]

In der Zusammenkunft der Haumlupter des Volkes im bdquoLand Wormsldquo im Jahr 67 des sechsten Jahrtausends

(10 Sept 1306 - 28 Augutst 1307) weil sich wegen unserer groszliger Verfehlungen die Noumlte der

Soumlhne unseres Volkes vermehrten durchforschten wir unsere Taten und fanden dass seit einiger

Zeit ein Schwert die Seele der Elenden und Reinen auffraszlig weil sie Vermoumlgen vermehrt hatten

durch Zins und Zinseszins von den Fuumlrsten der Nichtjuden Diese schuldeten ein Riesenvermoumlgen

den Familienvorstaumlnden Sie schmiedeten Raumlnke sich auf die Juden zu stuumlrzen und sie zu

uumlberfallen um sich von ihren Schulden zu befreien Wir haben beschlossen dass man keine

Erhoumlhung hinzufuumlgen darf und jedem Mann und jeder Frau nicht gestattet werden soll irgend einem

Nichtjuden einem einzelnen Schuldner mehr als 100 Pfund Hallisch zu leihen Und wenn der

Zeitpunkt der Schuldruumlckzahlung gekommen ist soll es nicht mehr gestattet sein die Zinsschuld der

Schuldsumme zuzuschlagen sondern man soll aus der Hand des Schuldners die ganze Schuld

einziehen Und wenn man nicht die ganze Schuld von ihm einziehen kann soll man sich nicht

hindern lassen wenigstens den Zins einzuziehen Nur soll man den Schuldner nicht mit List

uumlbervorteilen Und wenn es nicht gelingt irgend etwas einzuziehen dann soll man dies dem Rat

seiner Gemeinde mitteilen und nach deren Geheiszlig soll man handeln Was das Schuldgeschaumlft der

fuumlrstlichen Schuldner betrifft deren Schulden sich schon vermehrt haben und die niemand mehr

begleichen kann Die Glaumlubiger sollen sich huumlten sie mit hohen Zinsen zu belasten denn es sind

Komplotte zu befuumlrchten was Gott verhuumlten moumlge Schon einige Personen haben sich

zusammengeschlossen und dies gerade nicht bei den Fuumlrsten sondern bei den Klerikern und den

Buumlrgern [114]

Offenkundig standen den Delegierten die befuumlrchteten Konsequenzen der Geldleihe deutlich vor

Augen Wohl ebenso eingeschuumlchtert durch die in Frankreich vollzogene Vertreibung der Juden

wurden von seiten der Juden eigene Verfehlungen aber auch unguumlnstige Machtkonstellation

beobachtet die im Falle der franzoumlsischen Juden zu deren Untergang gefuumlhrt hatten Die

Beziehungen von Juden und Christen steckten auch in den Rheinlanden in den eingangs genannten

Bereichen von Wirtschaft Herrschaft und Religion in einer tieferen Krise Die auf dem

Versammlung von Worms beschlossenen Gegenmaszlignahmen blieben auf die juumldischen Teilnehmer

beschraumlnkt Zuruumlckhaltung gegenuumlber den christlichen Kunden Demut gegenuumlber Gott und das

Flehen um sein Erbarmen was mit guten Werken unterstuumltzt werden soll Eine direkte Verhandlung

mit den christlichen Herrschaftstraumlgern war nicht mehr vorgesehen Das gegenseitige Vertrauen

zwischen Juden und Christen war verschwunden in einer Zeit in der nicht mehr Koexistenz sondern

vor allem von Seiten der Juden die Sorge um die eigene Zukunft das eigene Handeln bestimmte

Zusammenfassung

Die Vertreibung der Juden aus England hatte innerhalb des juumldischen Kontextes noch zu Ansaumltzen der

Selbstreflexion gefuumlhrt die einen konkreten Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Vertretern

der juumldischen Seite und den politischen Entscheidungen der nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger

gegenuumlber der eigenen Gruppe erkennen mochten Dennoch waumlhnte man sich weiterhin in einem

rechtlich voumlllig abgesicherten Verhaumlltnis zur christlichen Umwelt Man war sich eines besonderen

Status innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft bewuszligt der in den Augen der Juden in

keiner Weise gefaumlhrdet schien Noch in der zweiten Haumllfte des 13 Jahrhunderts definierte Meir ben

Baruch (gest 1293) die Stellung der Juden im Reich als die eines freien Landbewohners der sein

Land nicht aber seine persoumlnliche Freiheit verloren hat [115]

Er sei darum nicht wie die Nichtjuden

den Fuumlrsten unterworfen und zu Steuerzahlungen verpflichtet Diese Konstruktionen erinnern stark

an die noch im 12 Jahrhundert in Frankreich vertretenen Rechtsauffassungen eines Itzchaq ben

Shmuel von Dampierre (gest ca 1185)[116]

der ebenfalls die Freiheit der Juden im Vergleich zu den

Nichtjuden hervorhebt ihre voumlllige Bewegungsfreiheit im Gegensatz zu an die Scholle gebundenen

Nichtjuden betont und die Juden ebenfalls aus der Rechtspraxis herausnimmt die dem

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger gestattet bei Abwanderung von Personen deren beweglichen

Besitz einzuziehen[117]

Nach juumldischer Auffassung folgten die Interaktionen zwischen Juden und

Christen nach Regeln die von beiden Seiten anerkannt waren Das jedoch sich dies Regelwerk zu

ungunsten der Juden verhaumlndert haben mochte daszlig die eigene Bewegungsfreiheit inzwischen mehr

und mehr eingeschraumlnkt wurde die besonderen Steuergesetzgebung seit den Aumluszligerungen des

Itzchak von Dampiegravere sich erheblich veraumlndern hatte und damit nach daszlig Verhaumlltnis zur christlichen

Umwelt nun erheblichen Umwaumlltzungen unterworfen war wurde wie die Aumluszligerung Meirs nahelegt

weder reflektiert noch einigermaszligen registriert

Das Verhalten der franzoumlsischen Juden Angesichts ihrer Vertreibung ist darum keinesfalls verwunderlich In

den wenigen juumldischen Selbstzeugnisse zur Vertreibung der franzoumlsischen Juden finden sich keine

Spuren die auf einen Prozess der Selbstreflexion schlieszligen lassen Die Frage der Motivation zur

Vertreibung der Juden wird soweit dies die Quellen erkennen lassen nicht diskutiert Der

offenkundige theologische Diskurs zur Unrechtmaumlszligigkeit des auf Zinsen geleisteten Geldverleihs

dem die juumldischen Gemeinschaft im franzoumlsischen Koumlnigreich letztlich zum Opfer fiel wird

nirgendwo rezipiert Man koumlnnte den Eindruck gewinnen dass sich den franzoumlsischen Juden die

Gefaumlhrlichkeit der Diskussion um den Wucher zu keinem Zeitpunkt erschloss Auch in den

konstruierten Narrativen der folgenden Generationen steht die auch fuumlr den einzelnen Juden

folgenreiche finanzielle Auspluumlnderung durch die franzoumlsische Krone im Vordergrund Allerdings

zeigt die Quelle aus dem rheinischen Kontext dass zumindest nach der Vertreibung aus dem

franzoumlsischen Koumlnigreich im Jahre 1306 unter den rheinischen Juden bestimmte Formen der

Geldleihe als Element der Selbstgefaumlhrdung wahrgenommen wurde Dabei macht die Uumlberlieferung

der Wormser Versammlung auch deutlich das die Zerruumlttung des Verhaumlltnisses von Juden und

Christen auch von juumldischer Seite nicht mehr geleugnet werden konnte Dass es sich dabei nicht nur

um eine wirtschaftliche Auseinandersetzung sondern zunaumlchst um einen christlichen theologischen

Diskurs handelte der sich gaumlnzlich juumldischem Handeln entzog scheint den Protagonisten der

Wormser Gemeinde nicht zugaumlnglich gewesen sein Ohne zu erkennen dass die Geldleihe und

somit die eigene wirtschaftliche Existenz gaumlnzlich in Frage gestellt werden koumlnnte versuchten die

Vertreter der Wormser Versammlung durch einzelne Maszlignahmen die Beziehungen zur christlichen

Umgebung zu entlassten um Gefahren von der eigenen Gemeinschaft abzuwenden Auf diese

Weise wurden die Juden im Westen Europas mehr und mehr wirtschaftlichen und theologischen

Dynamiken ausgesetzt die sich jenseits der juumldischen Wahrnehmung auszuformen begannen und

schlieszliglich in die Verdraumlngung der Juden muumlnden sollten die in der Vertreibung von England und

Frankreich ihren Anfang nahm

Rainer Barzen Lennart Guumlntzel

1 uarr Vgl zu Frankreich Chazan Jewry (1973) 154-207 Jordan Monarchy (1998) 177-261 Zu

England Hyams Jews (1996) 173-192 Mentgen Vertreibungen (1997) 11-53 Mundill England

(1998)

2 uarr Chazan Jewry (1973) 63-100 Ders Church (1980) 312f Jordan Monarchy (1998) 23-38

3 uarr Zur Geschichte der Juden unter Ludwig IX vgl Chazan Jewry (1973) 100-153

4 uarr Die Vorbildfunktion Ludwigs IX vor allem in Hinblick auf den Kampf gegen den Wucher erwaumlhnt

Cluse Zusammenhang (1999)135ndash163

5 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

6 uarr Chazan Church (1980) 313-317

7 uarr Florentii Wigorniensis 214f

8 uarr Ebd 212

9 uarr Chazan Church (1980) 317-319

10 uarr Aufstellung der Chroniken bei Abrahams Expulsion (1895) 449f

11 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

12 uarr Ordonnances 317

13 uarr Jordan nennt als Beispiel die Ortschaft Niort die ihre Juden vertreiben konnte Jordan Monarchy

(1998) 183

14 uarr Ebd 184f

15 uarr Ebd 184

16 uarr Ebd 183f

17 uarr Zu den Motiven Philipps IV siehe Mentgen Vertreibungen (1997) 46-49 Schwarzfuchs

Expulsion (1967) 485f

18 uarr Uumlber den generellen Wucherdiskurs siehe unten Kapitel V2

19 uarr Close Rolls Edward I 109

20 uarr Annales de Waverleia 409 ldquo(hellip) Judaeorum (hellip) quae per diversas urbes et castra regionis

Anglicanae per retroacta tempora habitabat confidenter procurante domina Alienora matre dicti

regis Angliae jussa est per edictum regium (hellip)rdquo

21 uarr Annales de Dunstaplia 361-362bdquo (hellip) propter blasphemias quas Judaei saepe faciebant fidei

Christianae statuit rex ut omnes Judaei cum semine suo et substancia ab Anglia pellerentur (hellip)rdquo

22 uarr Ebd bdquo(hellip) et concessit eis rex salvum conductum In ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt

submersi per vim et fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

23 uarr Zum Verhaumlltnis von Dominikanern und Juden zu dieser Zeit vgl Cohen Friars (1982) sowie

Ders Letters (1999)

24 uarr Florentii Wigoriensis 214

25 uarr Uumlber ein moumlgliches Interesse des Adels an der Vertreibung der Juden siehe Mentgen

Vertreibungen (1997) 27-30

26 uarr Annales de Dunstaplia 361-362 bdquoIn ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt submersi per vim et

fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

27 uarr Pierre de Langtoft II 186 bdquoThomas de Wilaund en baunk primer nomeacute par agarde de la court le

regne ad forjoreacute et en la terre de France sanz repairer aleacute Ses compayons ses clercs sunt pris e

meneacute a la thour de Loundres delivreacutes par moneacuteldquo

28 uarr Ebd 188 bdquoPur le quinzme dener al rays en ayeldquo

29 uarr Ebd bdquoOre sunt alez en France e en Pykardye Tutes lur dettes e lur manauntye Sunt salves al

ray dunt fere sa curtaysyeldquo

30 uarr Oumlsterreichische Reimchronik Verse 91239-91777 1186-1192ldquo die dritten vorderungdie an den

Franzois junctet der kunic Albrehter jach die Juden ze rehtgehocircren daz ricircche an und ander nieman

()ldquo Zu dieser Quelle vgl Ziwes Studien (1995) 33f Anm 16

31 uarr Prima Vita Clementis V 5

32 uarr Quarta Vita Clementis V 62bdquo Anno Domini MCCCVJ in festo sancte Marie Magdalene de

mandato et ordinatione regis Francie fuerunt capti omnes Judei ubique in regno Francie quasi

imperceptibiler una die et confiscata sunt bona ipsorum quecumque potuerunt inveniri fueruntque

a regno expulsi ulterius minime reversurirdquo Vgl auch Sexta Vita Clementis V 92-93bdquo Et etiam in

isto anno in die sancte Marie Magdalene omnes Judei de regno Francie congediati [congregati]

fuerunt et eorum bona omnia extiterunt confiscatardquo

33 uarr Continuatio Guilelmi de Nangis 59 bdquoMense Augusto Rex Philippus omnes Judaeos de Regno

Franciae penitus amp omnino fecit expelli certum regressionis terminum sub poena mortis praesigens

eisdemrdquo

34 uarr Florentii Wigoriensis 192 ldquoBarones cum Londoniensibus Judaismum Londoniae spoliaverunt

multis Judaeis interfectisldquo Siehe auch Mundill England (1998) 41

35 uarr Florentii Wigoriensis 210ldquo Rex die Sancte Calixti synagogam Judaeorum in villa Londoniensi

fratribus de Poenitentia contulit Jesu Christi ()ldquo

36 uarr Ebd 222bdquoApud Norhamtonam () puer quidam a Judaeis crucifixus estrdquo

37 uarr BennerReverchon Juden (2003) 181

38 uarr Rubin Tales (1999) 40-48

39 uarr Mentgen Vertreibungen (1997) 42-44

40 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 64f sieht den Muumlnzbeschneidungsskandal als Folge der Verarmung

der Juden Eine andere Meinung vertritt Mundill England (1998) 195-198 der vor allem auf eine

erfolgreiche Rolle der Juden im Wollhandel verweist

41 uarr Florentii Wigoriensis 221ldquo Rex omnes Judaeos et quosdam Christianos de retonsura aut alia

monetae falsatione convictos fecit suspensi Unde Londoniae CCLX et VII Judaei mortis judicium

subierunt Quidam autem relegati quidam etiam eorum perpetuo sunt carceri adjudicati et quidam

in Anglia remanseruntrdquo Vgl auch Mundill England (1998) 67f sowie uumlber die Zahl der Opfer weiter

oben Anmerkung 36

42 uarr Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 S 20

43 uarr Nach der chronikalischen Uumlberlieferung waren es 267 bzw 269 hingerichtete Juden Eine

Auswertung der auszligerchronikalischen Quellen ergab die Zahl von 298 erhaumlngten Juden Rokeacuteach

Monex I (198890) 98

44 uarr Jordan Monarchy (1989) 182f

45 uarr rdquoVos autre fuistis Engles qui exiverunt de terra eorum quia rotundabatis monetamrdquo in

Shatzmiller Schlomo Ibn Verga (1988) 355 Ders Solidariteacute (1986) 423

46 uarr Shlomo Ibn Verga Shevet Yehudah Teil I (hebr) Teil II (dt Uumlbersetzung)(Edit Wiener) Shevet

Yehudah (Edit Shochat)

47 uarr Zu Leben und Werk Shlomo Ibn Vergas Baer Hearot (1934) 152-179

48 uarr Shevet Yehudah Nr 18 (hebr S 42-43 dt Uumlbers S 84-85) Shevet Yehudah (Edit Shochat)

S 66

49 uarr Shevet Yehudah Nr 20 (hebr 43-45 dt Uumlbers 86-89)

50 uarr Zu Yosef ha-Kohen und seinem Werk Loeb Josef Hacohen (1888) XVI 28-56 211-235 XVII

74-95 247-271

51 uarr Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (dt

Uumlbersetzung Wiener)

52 uarr Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) 38-39 (Edit Wiener) 41-42

53 uarr Usque Nachum Israel III (1908) XI-XIII Auch bei Gedalyah Ibn Yachjah Shalshelet ha-

Kabbalah (nach Graetz Geschichte VII (1897) 429 weitere Quellen Graetz ebd 426-430)

54 uarr Siehe Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 20a

55 uarr ldquoSie [die Dominikaner] brachten sogar Muumlnzsorten herbei die sie selbst zuhause beschnitten

hattenldquo Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) S 38 (Edit Wiener) 41

56 uarr Fuumlr vielerlei Hinweise zur hebraumlischen Uumlberlieferung der Vertreibung der franzoumlsischen Juden sei

Dr Abraham David Jerusalem herzlich gedankt

57 uarr Schwarzfuchs History (2001) 269-274 Ben-Shalom Communication (1991) 171-225

58 uarr Abba Mari ben Mose von Lunel Sefer Minchat Qenaot Nr 120 in Shlomo Ibn Adret Tshuvot II

835-836

59 uarr BT Berachot 70a Gemeint ist hier die Philosophie griechischer Tradition die von Abba Mari

besonders bekaumlmpft wurde Shlomo Ibn Adret Teshuvot Bd 2 835 Anmerkung zu Zeile 1 Abba

Mari brachte die Vertreibung der suumldfranzoumlsischen Juden mit deren Hinwendung zur griechischen

Philosophie in Verbindung Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 832 Anmerkung zu Zeile 8

60 uarr Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 835-836 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001) 273

61 uarr Jordan French Monarchy (1989) 195196

62 uarr Saige Juifs (1881) 92

63 uarr Jordan French Monarchy (1989) 205 Saige Juifs (1881) 101-102 308-319 324-325

64 uarr Zu Leben und Werk sowie zu seinem Aufenhalt im Lande Israel siehe Schwarzfuchs History

261 Elbaum Estori ha-Parhi S 918f

65 uarr Zur Bedeutung des hebraumlischen Begriffes Prowentzah der neben der heutigen Provence auch

das Languedoc miteinschloss siehe Gross Gallia Judaica (1887) 489 In diesem Sinne entspricht

Prowentzah der roumlmischen Provincia Narbonnensis In Kontext der Vertreibung der Juden im

Jahre 1306 kann nur das Languedoc gemeint sein

66 uarr Eshtori haParchi Kaftor waFerach 218

67 uarr Schwarzfuchs History (2001) 276-278 Dahan Gersonide (1991)

68 uarr Levi ben Gershom Pirush al ha-Torah

69 uarr Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 153-154

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

im Zuge der normannischen Eroberungen nach 1066 die ersten aus Frankreich stammenden Juden

an[83]

Seit dieser Zeit wurden sie in Dokumenten haumlufig als bdquoJuden des Koumlnigsldquo[84]

bezeichnet

Diesen exklusiven Anspruch konnte der Koumlnig bis zur Vertreibung durchsetzen auch wenn es

vereinzelt andere Herrschaftstraumlger gab die Macht uumlber Juden erlangten[85]

Die Juden waren dem

Koumlnig direkt unterstellt sie mussten ihm jede Geldforderung erfuumlllen im Gegenzug durften sie nach

ihrem Gesetz leben und ihren Wohnsitz frei waumlhlen[86]

Ein Privileg Richards I von 1190 erwaumlhnt

auszligerdem unter anderem das Recht der Juden auf Landbesitz und zollfreien Handel mit Wein[87]

Belastend fuumlr das Leben der Juden von England war das hohe Maszlig an Verwaltung das die

englischen Koumlnige geschaffen hatten um die Steuern effizient eintreiben zu koumlnnen Anlaumlsslich der

Kroumlnung Richards I im Jahre 1189 war es ausgehend von London zu Massakern an Juden in ganz

England gekommen Da die koumlnigliche Verwaltung nicht nachvollziehen konnte welche

Schuldscheine durch die Verfolgung vernichtet worden waren wurde als Reaktion 1194 ein

Archivsystem (archae) eingefuumlhrt das von nun an alle Geldgeschaumlfte sowie alle Juden mit ihrer

Finanzkraft verzeichnete[88]

Unter Heinrich III (1216-1272) aumlnderte sich der rechtliche Status der

Juden Im Jahr 1253 erlieszlig der Koumlnig ein Mandat das den Juden unter anderem verbot neue

Synagogen zu errichten christliche Bedienstete oder sexuelle Kontakte mit Christen zu haben und

Kirchen zu betreten Wichtigster Punkt war jedoch dass Juden nun ihren Wohnort nicht mehr frei

waumlhlen sondern nur noch dort leben durften wo bereits Juden ansaumlssig waren[89]

Viele der hier

formulierten Mandate waren im IV Laterankonzil von 1215 als verbindliche Verbote fuumlr die Juden in

der christlichen Welt festgelegt worden und fanden nun ihre Umsetzung Daneben stieg die

Besteuerung seit den 1240er Jahren stetig an wodurch die Finanzkraft der Juden bereits deutlich

geschwaumlcht wurde[90]

Im Falle Edwards I zeigte sich schlieszliglich dass die starke Bindung der Juden

an den Koumlnig die den Juden in fruumlheren Jahren zunaumlchst Unabhaumlngigkeit und Wohlstand gebracht

hatte nun ihren Ruin und schlieszliglich ihre Vertreibung bewirkte Der Koumlnig hatte bei Maszlignahmen die

die Juden betrafen kaum Widerspruch zu befuumlrchten zu eindeutig definiert war seine Machstellung

den Juden gegenuumlber In Frankreich unterstanden die Juden dem Herrn ihres jeweiligen Gebiets

der Koumlnig von Frankreich herrschte also nur in der Krondomaumlne uumlber die Juden des Koumlnigreiches[91]

Die Juden waren an ihr angestammtes Territorium gebunden und durften dieses nur mit der

Erlaubnis ihres Landesherrn verlassen Dieses Prinzip reicht bis in die Zeit von Philipp II August

(1180-1223) zuruumlck und wurde seit der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne 1198 in

verschiedenen Vereinbarungen mit anderen franzoumlsischen Territorialherren vertraglich fixiert[92]

Schon bei der Wiederzulassung der Juden in der Krondomaumlne kam es zu Irritationen da Philipp II

die 1182 vertriebenen Juden nach wie vor als bdquoseine Judenldquo ansah diese Auffassung aber

beispielsweise von Graf Theobald III von Campagne nicht geteilt wurde Er fuumlrchtete Steuerausfaumllle

und war der Meinung dass Juden die sich 1182 in der Champagne niedergelassen hatten nicht

mehr die Juden des Koumlnigs seien[93]

Auch andere Landesherren weigerten sich dem Wegzug ihrer

Juden in die Krondomaumlne zuzustimmen[94]

Auch erste Schritte eines buumlrokratischen Umgangs mit

den Geldgeschaumlften der Juden waren 1198 durch Philipp II August vorgenommen worden

moumlglicherweise beeinflusst durch die archae die in England 1194 unter Koumlnig Richard I eingerichtet

worden waren um die Geldgeschaumlfte und die Finanzkraft der Juden zu dokumentieren In jedem Ort

der Krondomaumlne gab es spezielle Beamte die die Kreditvertraumlge der Juden siegelten und so

kontrollierten wem die Juden welche Betraumlge an Geld liehen[95]

Auch den Juden konnte dieses

Verfahren als Sicherheit fuumlr ihre Geschaumlfte dienen Unter Ludwig VIII (1223-1226) kam es zum

ersten Eingriff in die Geldgeschaumlfte der Juden im franzoumlsischen Gebiet 1223 erlieszlig der Koumlnig

zusammen mit diversen Landesherren ein Statut in dem festgelegt wurde dass die Ruumlckzahlung

aller Schulden bei Juden an insgesamt neun Terminen an die koumlnigliche beziehungsweise

landesherrliche Schatzkammer erfolgen sollte Die Praxis des Siegelns von Urkunden uumlber

Darlehensvergaben wurde abgeschafft Erneut wurde festgehalten dass keiner der Herrscher Juden

eines anderen Herrschers bei sich aufnehmen duumlrfe wobei es bei diesem Punkt wieder zu

Unstimmigkeiten mit dem Grafen der Champagne kam der die Erklaumlrung nicht unterschrieb[96]

Bereits die ersten Jahre der Regierungszeit Ludwigs IX (1226-1270) brachten fuumlr die Juden weitere

Beschwerlichkeiten und erste direkte Aktionen gegen den Wucher Im Jahr 1227 kam es zu einer

erneuten Aneignung der ausstehenden Schulden bei Juden 1228 erging ein Mandat in dem Ludwig

IX befahl bei kuumlnftigen Geldgeschaumlften auf Zinsen zu verzichten Auszligerdem erklaumlrte der Koumlnig bei

Geldgeschaumlften die seit der Schuldentilgung ein Jahr zuvor geschlossen wurden alle Zinsen fuumlr

unguumlltig[97]

Auch die generelle Rechtsstellung der Juden wurde schon fruumlh in der Regierungszeit

Ludwigs IX definiert wobei es bei der alten Regelung blieb Im Statut von Melun hielten der Koumlnig

und die Landesherren daran fest dass die Juden tamquam proprii servi an das jeweilige Territorium

gebunden waren Christliche Schuldner wurden dazu aufgerufen ihre Schulden bei Juden zu

bezahlen nicht aber die Zinsen[98]

Die 1240er Jahre waren in Frankreich gepraumlgt vom Pariser

Talmudprozess in dem der Talmud als ketzerische Schrift verurteilt und danach oumlffentlich verbrannt

wurde[99]

Dies fuumlhrte unter anderem zu einer verstaumlrkten Auswanderung juumldischer Eliten aus

Nordfrankreich[100]

Insgesamt aumlnderte sich der rechtliche Status unter Ludwig IX nicht aber fruumlher

als die Herrscher in England nahm Ludwig IX der 1290 heilig gesprochen wurde den Kampf gegen

den Wucher auf Einige Aktionen Koumlnig Philipps IV (1285-1314) waumlhrend seiner ersten

Regierungsjahre in Bezug auf die Juden muumlssen vor dem Hintergrund der Vertreibungen gesehen

werden die sich in Regionen auszligerhalb der Krondomaumlne ereigneten so beispielsweise die

Ausweisung der juumldischen Fluumlchtlinge durch Philipp IV im Jahre 1291[101]

Daneben ist eine

konsequente Linie den Juden gegenuumlber nicht zu erkennen 1285 erneuerte er beispielsweise ein

Privileg zum Schutz von Synagogen und Friedhoumlfen zugleich bestaumltigte er die Pflicht der Juden ein

spezielles Abzeichen an ihrer Kleidung zu tragen[102]

Beides sind Zeichen dafuumlr dass der Koumlnig zu

dieser Zeit nicht daran dachte die Juden auszuweisen sondern das Leben der Juden rechtlich zu

definieren Vorrangiges Ziel Philipps IV war es zunaumlchst seine Oberherrschaft uumlber die Juden im

Suumlden zu sichern wo diese nicht von allen Baronen anerkannt wurde Die Herrschaft in der

Champagne hatte er sich durch Heirat bereits gesichert Dort in Troyes kam es 1288 zu einer

Mordanklage in deren Folge 13 Juden hingerichtet wurden wobei der Koumlnig ihre Besitztuumlmer

einzog[103]

Groumlszligeren Einfluss auf den Koumlnig scheint die Hostienschaumlndungbeschuldigung 1290 in

Paris gehabt zu haben Philipp IV warnte die Juden vor weiteren Hostienschaumlndungen und

spendete ein Haus neben der Kirche die zum Gedenken an den Fall errichtet worden war[104]

Wie

sein Groszligvater Ludwig IX setzte Philipp IV den Kampf gegen den Wucher fort verbot ihn 1299 und

1303 daneben wurde auch das Verbot des Neubaus von Synagogen sowie des Talmuds bei diesen

Gelegenheiten erneuert[105]

In einer konzentrierten und laumlnger vorbereiteten Aktion lieszlig Philipp IV

dann die Juden (oder jedenfalls die Familienvorstaumlnde) vermutlich am 22 Juli 1306 festsetzen Dies

diente dazu eine genaue Aufstellung der Judenguumlter vorzunehmen und um sich die ausstehenden

Schuldscheine zu sichern Gleichzeitig bedeutete es das Ende der juumldischen Siedlung in Frankreich

bis zu ihrer Wiederzulassung unter Ludwig X im Jahr 1315

Sowohl bei der Vertreibung aus England als auch der aus Frankreich zeigt sich die Gefahr die die

Abhaumlngigkeit der Juden vom Herrscher barg Vor allem in England hatte die privilegierte Position fuumlr

Wohlstand und ein groszliges Maszlig an innerer Autonomie etwa in der Rechtssprechnung oder in bezug

auf die Freizuumlgigkeit gesorgt[106]

Sie schuumltzte die Juden jedoch nicht immer vor Gealtakten wie den

seit der Mitte des 12 Jahrhunderts immer wieder vorkommenden Ritualmordvorwuumlrfen In

Frankreich verschlechterten sich ihre Lebensumstaumlnde mit der Ausbreitung der Krondomaumlne War

es 1182 noch ein geringes Problem fuumlr die Juden eine neue Heimat zu finden und von anderen

franzoumlsischen Landesherren wohlwollend aufgenommen zu werden war dies 1306 nicht mehr

moumlglich Die Herrscher nahmen die theologischen Diskurse uumlber den Wucher oder den Talmud auf

und wurden des weiteren beeinflusst durch antijuumldische Blut- und Hostienschaumlndungsvorwuumlrfe

Auch wirtschaftliche Uumlberlegungen haben eine Rolle gespielt ebenso mag es eine Dynamik

gegeben haben angestoszligen durch die weiteren Vertreibungen in dieser Umbruchszeit in der sich

jeder Herrscher damit profilieren wollte und konnte die Juden zu vertreiben

Die allgemeine Verurteilung des Wuchers

Obwohl gerade in der hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts verstaumlrkt die finanziellen Interessen vor

allem des franzoumlsischen Koumlnigs als Motiv der Vertreibung hervorgehoben wurde folgte die zeitnahe

Argumentation einer innerjuumldischen Perspektive anderen Erklaumlrungsmustern So gilt es zumindest

im Falle der Vertreibung aus England festzuhalten dass sich unter den Juden die Vorstellung

verbreitete das Fehlverhalten einzelner Juden haumltte die Ausweisung von 1290 wie auch andere

Vertreibungen mit verursacht Doch laumlsst sich im Wuchervorwurf gegenuumlber den Juden - dem

durchgaumlngigen Argument der Vertreibungen im 13 Jahrhundert - nicht etwa eine vordergruumlndige

falsche Praxis des Geldverleihs als ausloumlsendes Moment vermuten wie dies gelegentlich auch von

christlicher Seite von den Zeitgenossen vertreten wurde[107]

Vielmehr begann sich seit dem 12

Jahrhundert unter christlichen Gelehrten und weltlichen Herrschern ein theologisches Verstaumlndnis

bezuumlglich des Wuchers durchzusetzen das der wirtschaftlichen Taumltigkeit der Geldleihe auch in den

Haumlnden der Juden keine geduldeten Nische zuzuweisen bereit war[108]

Wucher wurde nun nicht

mehr als Suumlnde gegen den Naumlchsten aus mangelndem Mitgefuumlhl betrachtet und als turpe lucrum

(schaumlndlicher Profit) definiert sondern als Suumlnde gegen die iustitia[109]

Gemaumlszlig dieser Vorstellung

waren alle Wuchergewinne Diebesgut und muszligten zuruumlckgegeben werden Viel schwerer wog die

Feststellung daszlig sich die nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger durch ihre Besteuerung der Juden am

Wuchergewinn der Juden beteiligten und sich darum der gleichen Suumlnden schuldig machten[110]

Somit wurde auf demselben Wege der fuumlrstliche oder koumlnigliche Judenschutz die Legitimation

entzogen Die voumlllige Unterbindung des juumldischen Geldhandels schien darum fuumlr die meisten

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger der einzig richtige Weg wie dies bereits die im Namen Koumlnig

Ludwigs IX verkuumlndete ordenance von Melun 1230 forderte[111]

Als letzte Konsequenz blieb die

Ausweisung der Juden aus immer mehr Herrschaften des franzoumlsischen Koumlnigreiches und

schlieszliglich der Kronlande Das Zerbrechen des Miteinanders von Juden und Christen innerhalb des

franzoumlsischen Koumlnigreiches sowie die schrittweise Aufloumlsung bzw Zerschlagung des

jahrhundertealten juumldischen Siedlungsnetzes muszlig auf die juumldischen Gemeinschaften der

benachbarten Regionen so z B in den Rheinlanden verstoumlrend und beaumlngstigend gewirkt haben

Der dieser Vertreibung zugrundeliegende theologische Diskurs zu Geldhandel und Wucher und die

daraus resultierenden Folgen fuumlr die eigene juumldischen Existenz scheint jedoch nur einen geringen

Einfluszlig auf die Wahrnehmung ihrer eigenen Situation gehabt zu haben Im Zuge der Vertreibung der

franzoumlsischen Juden im Sommer und Herbst 1306 waren juumldische Fluumlchtlinge in die deutschen

Rheinlande gelangt[112]

Wohl wenige Monate spaumlter trafen in Worms die Delegierten des dortigen

Gemeindebezirkes die Vertreter der die Wormser Gemeinde und der sie umgebenden juumldischen

Niederlassungen auf einer Versammlung zusammen Auf diesem juumldischen Landtag sollte eine

Rechtssatzung eine Takkanah verabschiedet werden die die Praxis der juumldischen Geldleihe im

Einzugsgebiet der Gemeinde Worms sowie das Verhalten gegenuumlber hochverschuldeten Kunden

neu regelte[113]

In der Zusammenkunft der Haumlupter des Volkes im bdquoLand Wormsldquo im Jahr 67 des sechsten Jahrtausends

(10 Sept 1306 - 28 Augutst 1307) weil sich wegen unserer groszliger Verfehlungen die Noumlte der

Soumlhne unseres Volkes vermehrten durchforschten wir unsere Taten und fanden dass seit einiger

Zeit ein Schwert die Seele der Elenden und Reinen auffraszlig weil sie Vermoumlgen vermehrt hatten

durch Zins und Zinseszins von den Fuumlrsten der Nichtjuden Diese schuldeten ein Riesenvermoumlgen

den Familienvorstaumlnden Sie schmiedeten Raumlnke sich auf die Juden zu stuumlrzen und sie zu

uumlberfallen um sich von ihren Schulden zu befreien Wir haben beschlossen dass man keine

Erhoumlhung hinzufuumlgen darf und jedem Mann und jeder Frau nicht gestattet werden soll irgend einem

Nichtjuden einem einzelnen Schuldner mehr als 100 Pfund Hallisch zu leihen Und wenn der

Zeitpunkt der Schuldruumlckzahlung gekommen ist soll es nicht mehr gestattet sein die Zinsschuld der

Schuldsumme zuzuschlagen sondern man soll aus der Hand des Schuldners die ganze Schuld

einziehen Und wenn man nicht die ganze Schuld von ihm einziehen kann soll man sich nicht

hindern lassen wenigstens den Zins einzuziehen Nur soll man den Schuldner nicht mit List

uumlbervorteilen Und wenn es nicht gelingt irgend etwas einzuziehen dann soll man dies dem Rat

seiner Gemeinde mitteilen und nach deren Geheiszlig soll man handeln Was das Schuldgeschaumlft der

fuumlrstlichen Schuldner betrifft deren Schulden sich schon vermehrt haben und die niemand mehr

begleichen kann Die Glaumlubiger sollen sich huumlten sie mit hohen Zinsen zu belasten denn es sind

Komplotte zu befuumlrchten was Gott verhuumlten moumlge Schon einige Personen haben sich

zusammengeschlossen und dies gerade nicht bei den Fuumlrsten sondern bei den Klerikern und den

Buumlrgern [114]

Offenkundig standen den Delegierten die befuumlrchteten Konsequenzen der Geldleihe deutlich vor

Augen Wohl ebenso eingeschuumlchtert durch die in Frankreich vollzogene Vertreibung der Juden

wurden von seiten der Juden eigene Verfehlungen aber auch unguumlnstige Machtkonstellation

beobachtet die im Falle der franzoumlsischen Juden zu deren Untergang gefuumlhrt hatten Die

Beziehungen von Juden und Christen steckten auch in den Rheinlanden in den eingangs genannten

Bereichen von Wirtschaft Herrschaft und Religion in einer tieferen Krise Die auf dem

Versammlung von Worms beschlossenen Gegenmaszlignahmen blieben auf die juumldischen Teilnehmer

beschraumlnkt Zuruumlckhaltung gegenuumlber den christlichen Kunden Demut gegenuumlber Gott und das

Flehen um sein Erbarmen was mit guten Werken unterstuumltzt werden soll Eine direkte Verhandlung

mit den christlichen Herrschaftstraumlgern war nicht mehr vorgesehen Das gegenseitige Vertrauen

zwischen Juden und Christen war verschwunden in einer Zeit in der nicht mehr Koexistenz sondern

vor allem von Seiten der Juden die Sorge um die eigene Zukunft das eigene Handeln bestimmte

Zusammenfassung

Die Vertreibung der Juden aus England hatte innerhalb des juumldischen Kontextes noch zu Ansaumltzen der

Selbstreflexion gefuumlhrt die einen konkreten Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Vertretern

der juumldischen Seite und den politischen Entscheidungen der nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger

gegenuumlber der eigenen Gruppe erkennen mochten Dennoch waumlhnte man sich weiterhin in einem

rechtlich voumlllig abgesicherten Verhaumlltnis zur christlichen Umwelt Man war sich eines besonderen

Status innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft bewuszligt der in den Augen der Juden in

keiner Weise gefaumlhrdet schien Noch in der zweiten Haumllfte des 13 Jahrhunderts definierte Meir ben

Baruch (gest 1293) die Stellung der Juden im Reich als die eines freien Landbewohners der sein

Land nicht aber seine persoumlnliche Freiheit verloren hat [115]

Er sei darum nicht wie die Nichtjuden

den Fuumlrsten unterworfen und zu Steuerzahlungen verpflichtet Diese Konstruktionen erinnern stark

an die noch im 12 Jahrhundert in Frankreich vertretenen Rechtsauffassungen eines Itzchaq ben

Shmuel von Dampierre (gest ca 1185)[116]

der ebenfalls die Freiheit der Juden im Vergleich zu den

Nichtjuden hervorhebt ihre voumlllige Bewegungsfreiheit im Gegensatz zu an die Scholle gebundenen

Nichtjuden betont und die Juden ebenfalls aus der Rechtspraxis herausnimmt die dem

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger gestattet bei Abwanderung von Personen deren beweglichen

Besitz einzuziehen[117]

Nach juumldischer Auffassung folgten die Interaktionen zwischen Juden und

Christen nach Regeln die von beiden Seiten anerkannt waren Das jedoch sich dies Regelwerk zu

ungunsten der Juden verhaumlndert haben mochte daszlig die eigene Bewegungsfreiheit inzwischen mehr

und mehr eingeschraumlnkt wurde die besonderen Steuergesetzgebung seit den Aumluszligerungen des

Itzchak von Dampiegravere sich erheblich veraumlndern hatte und damit nach daszlig Verhaumlltnis zur christlichen

Umwelt nun erheblichen Umwaumlltzungen unterworfen war wurde wie die Aumluszligerung Meirs nahelegt

weder reflektiert noch einigermaszligen registriert

Das Verhalten der franzoumlsischen Juden Angesichts ihrer Vertreibung ist darum keinesfalls verwunderlich In

den wenigen juumldischen Selbstzeugnisse zur Vertreibung der franzoumlsischen Juden finden sich keine

Spuren die auf einen Prozess der Selbstreflexion schlieszligen lassen Die Frage der Motivation zur

Vertreibung der Juden wird soweit dies die Quellen erkennen lassen nicht diskutiert Der

offenkundige theologische Diskurs zur Unrechtmaumlszligigkeit des auf Zinsen geleisteten Geldverleihs

dem die juumldischen Gemeinschaft im franzoumlsischen Koumlnigreich letztlich zum Opfer fiel wird

nirgendwo rezipiert Man koumlnnte den Eindruck gewinnen dass sich den franzoumlsischen Juden die

Gefaumlhrlichkeit der Diskussion um den Wucher zu keinem Zeitpunkt erschloss Auch in den

konstruierten Narrativen der folgenden Generationen steht die auch fuumlr den einzelnen Juden

folgenreiche finanzielle Auspluumlnderung durch die franzoumlsische Krone im Vordergrund Allerdings

zeigt die Quelle aus dem rheinischen Kontext dass zumindest nach der Vertreibung aus dem

franzoumlsischen Koumlnigreich im Jahre 1306 unter den rheinischen Juden bestimmte Formen der

Geldleihe als Element der Selbstgefaumlhrdung wahrgenommen wurde Dabei macht die Uumlberlieferung

der Wormser Versammlung auch deutlich das die Zerruumlttung des Verhaumlltnisses von Juden und

Christen auch von juumldischer Seite nicht mehr geleugnet werden konnte Dass es sich dabei nicht nur

um eine wirtschaftliche Auseinandersetzung sondern zunaumlchst um einen christlichen theologischen

Diskurs handelte der sich gaumlnzlich juumldischem Handeln entzog scheint den Protagonisten der

Wormser Gemeinde nicht zugaumlnglich gewesen sein Ohne zu erkennen dass die Geldleihe und

somit die eigene wirtschaftliche Existenz gaumlnzlich in Frage gestellt werden koumlnnte versuchten die

Vertreter der Wormser Versammlung durch einzelne Maszlignahmen die Beziehungen zur christlichen

Umgebung zu entlassten um Gefahren von der eigenen Gemeinschaft abzuwenden Auf diese

Weise wurden die Juden im Westen Europas mehr und mehr wirtschaftlichen und theologischen

Dynamiken ausgesetzt die sich jenseits der juumldischen Wahrnehmung auszuformen begannen und

schlieszliglich in die Verdraumlngung der Juden muumlnden sollten die in der Vertreibung von England und

Frankreich ihren Anfang nahm

Rainer Barzen Lennart Guumlntzel

1 uarr Vgl zu Frankreich Chazan Jewry (1973) 154-207 Jordan Monarchy (1998) 177-261 Zu

England Hyams Jews (1996) 173-192 Mentgen Vertreibungen (1997) 11-53 Mundill England

(1998)

2 uarr Chazan Jewry (1973) 63-100 Ders Church (1980) 312f Jordan Monarchy (1998) 23-38

3 uarr Zur Geschichte der Juden unter Ludwig IX vgl Chazan Jewry (1973) 100-153

4 uarr Die Vorbildfunktion Ludwigs IX vor allem in Hinblick auf den Kampf gegen den Wucher erwaumlhnt

Cluse Zusammenhang (1999)135ndash163

5 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

6 uarr Chazan Church (1980) 313-317

7 uarr Florentii Wigorniensis 214f

8 uarr Ebd 212

9 uarr Chazan Church (1980) 317-319

10 uarr Aufstellung der Chroniken bei Abrahams Expulsion (1895) 449f

11 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

12 uarr Ordonnances 317

13 uarr Jordan nennt als Beispiel die Ortschaft Niort die ihre Juden vertreiben konnte Jordan Monarchy

(1998) 183

14 uarr Ebd 184f

15 uarr Ebd 184

16 uarr Ebd 183f

17 uarr Zu den Motiven Philipps IV siehe Mentgen Vertreibungen (1997) 46-49 Schwarzfuchs

Expulsion (1967) 485f

18 uarr Uumlber den generellen Wucherdiskurs siehe unten Kapitel V2

19 uarr Close Rolls Edward I 109

20 uarr Annales de Waverleia 409 ldquo(hellip) Judaeorum (hellip) quae per diversas urbes et castra regionis

Anglicanae per retroacta tempora habitabat confidenter procurante domina Alienora matre dicti

regis Angliae jussa est per edictum regium (hellip)rdquo

21 uarr Annales de Dunstaplia 361-362bdquo (hellip) propter blasphemias quas Judaei saepe faciebant fidei

Christianae statuit rex ut omnes Judaei cum semine suo et substancia ab Anglia pellerentur (hellip)rdquo

22 uarr Ebd bdquo(hellip) et concessit eis rex salvum conductum In ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt

submersi per vim et fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

23 uarr Zum Verhaumlltnis von Dominikanern und Juden zu dieser Zeit vgl Cohen Friars (1982) sowie

Ders Letters (1999)

24 uarr Florentii Wigoriensis 214

25 uarr Uumlber ein moumlgliches Interesse des Adels an der Vertreibung der Juden siehe Mentgen

Vertreibungen (1997) 27-30

26 uarr Annales de Dunstaplia 361-362 bdquoIn ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt submersi per vim et

fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

27 uarr Pierre de Langtoft II 186 bdquoThomas de Wilaund en baunk primer nomeacute par agarde de la court le

regne ad forjoreacute et en la terre de France sanz repairer aleacute Ses compayons ses clercs sunt pris e

meneacute a la thour de Loundres delivreacutes par moneacuteldquo

28 uarr Ebd 188 bdquoPur le quinzme dener al rays en ayeldquo

29 uarr Ebd bdquoOre sunt alez en France e en Pykardye Tutes lur dettes e lur manauntye Sunt salves al

ray dunt fere sa curtaysyeldquo

30 uarr Oumlsterreichische Reimchronik Verse 91239-91777 1186-1192ldquo die dritten vorderungdie an den

Franzois junctet der kunic Albrehter jach die Juden ze rehtgehocircren daz ricircche an und ander nieman

()ldquo Zu dieser Quelle vgl Ziwes Studien (1995) 33f Anm 16

31 uarr Prima Vita Clementis V 5

32 uarr Quarta Vita Clementis V 62bdquo Anno Domini MCCCVJ in festo sancte Marie Magdalene de

mandato et ordinatione regis Francie fuerunt capti omnes Judei ubique in regno Francie quasi

imperceptibiler una die et confiscata sunt bona ipsorum quecumque potuerunt inveniri fueruntque

a regno expulsi ulterius minime reversurirdquo Vgl auch Sexta Vita Clementis V 92-93bdquo Et etiam in

isto anno in die sancte Marie Magdalene omnes Judei de regno Francie congediati [congregati]

fuerunt et eorum bona omnia extiterunt confiscatardquo

33 uarr Continuatio Guilelmi de Nangis 59 bdquoMense Augusto Rex Philippus omnes Judaeos de Regno

Franciae penitus amp omnino fecit expelli certum regressionis terminum sub poena mortis praesigens

eisdemrdquo

34 uarr Florentii Wigoriensis 192 ldquoBarones cum Londoniensibus Judaismum Londoniae spoliaverunt

multis Judaeis interfectisldquo Siehe auch Mundill England (1998) 41

35 uarr Florentii Wigoriensis 210ldquo Rex die Sancte Calixti synagogam Judaeorum in villa Londoniensi

fratribus de Poenitentia contulit Jesu Christi ()ldquo

36 uarr Ebd 222bdquoApud Norhamtonam () puer quidam a Judaeis crucifixus estrdquo

37 uarr BennerReverchon Juden (2003) 181

38 uarr Rubin Tales (1999) 40-48

39 uarr Mentgen Vertreibungen (1997) 42-44

40 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 64f sieht den Muumlnzbeschneidungsskandal als Folge der Verarmung

der Juden Eine andere Meinung vertritt Mundill England (1998) 195-198 der vor allem auf eine

erfolgreiche Rolle der Juden im Wollhandel verweist

41 uarr Florentii Wigoriensis 221ldquo Rex omnes Judaeos et quosdam Christianos de retonsura aut alia

monetae falsatione convictos fecit suspensi Unde Londoniae CCLX et VII Judaei mortis judicium

subierunt Quidam autem relegati quidam etiam eorum perpetuo sunt carceri adjudicati et quidam

in Anglia remanseruntrdquo Vgl auch Mundill England (1998) 67f sowie uumlber die Zahl der Opfer weiter

oben Anmerkung 36

42 uarr Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 S 20

43 uarr Nach der chronikalischen Uumlberlieferung waren es 267 bzw 269 hingerichtete Juden Eine

Auswertung der auszligerchronikalischen Quellen ergab die Zahl von 298 erhaumlngten Juden Rokeacuteach

Monex I (198890) 98

44 uarr Jordan Monarchy (1989) 182f

45 uarr rdquoVos autre fuistis Engles qui exiverunt de terra eorum quia rotundabatis monetamrdquo in

Shatzmiller Schlomo Ibn Verga (1988) 355 Ders Solidariteacute (1986) 423

46 uarr Shlomo Ibn Verga Shevet Yehudah Teil I (hebr) Teil II (dt Uumlbersetzung)(Edit Wiener) Shevet

Yehudah (Edit Shochat)

47 uarr Zu Leben und Werk Shlomo Ibn Vergas Baer Hearot (1934) 152-179

48 uarr Shevet Yehudah Nr 18 (hebr S 42-43 dt Uumlbers S 84-85) Shevet Yehudah (Edit Shochat)

S 66

49 uarr Shevet Yehudah Nr 20 (hebr 43-45 dt Uumlbers 86-89)

50 uarr Zu Yosef ha-Kohen und seinem Werk Loeb Josef Hacohen (1888) XVI 28-56 211-235 XVII

74-95 247-271

51 uarr Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (dt

Uumlbersetzung Wiener)

52 uarr Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) 38-39 (Edit Wiener) 41-42

53 uarr Usque Nachum Israel III (1908) XI-XIII Auch bei Gedalyah Ibn Yachjah Shalshelet ha-

Kabbalah (nach Graetz Geschichte VII (1897) 429 weitere Quellen Graetz ebd 426-430)

54 uarr Siehe Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 20a

55 uarr ldquoSie [die Dominikaner] brachten sogar Muumlnzsorten herbei die sie selbst zuhause beschnitten

hattenldquo Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) S 38 (Edit Wiener) 41

56 uarr Fuumlr vielerlei Hinweise zur hebraumlischen Uumlberlieferung der Vertreibung der franzoumlsischen Juden sei

Dr Abraham David Jerusalem herzlich gedankt

57 uarr Schwarzfuchs History (2001) 269-274 Ben-Shalom Communication (1991) 171-225

58 uarr Abba Mari ben Mose von Lunel Sefer Minchat Qenaot Nr 120 in Shlomo Ibn Adret Tshuvot II

835-836

59 uarr BT Berachot 70a Gemeint ist hier die Philosophie griechischer Tradition die von Abba Mari

besonders bekaumlmpft wurde Shlomo Ibn Adret Teshuvot Bd 2 835 Anmerkung zu Zeile 1 Abba

Mari brachte die Vertreibung der suumldfranzoumlsischen Juden mit deren Hinwendung zur griechischen

Philosophie in Verbindung Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 832 Anmerkung zu Zeile 8

60 uarr Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 835-836 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001) 273

61 uarr Jordan French Monarchy (1989) 195196

62 uarr Saige Juifs (1881) 92

63 uarr Jordan French Monarchy (1989) 205 Saige Juifs (1881) 101-102 308-319 324-325

64 uarr Zu Leben und Werk sowie zu seinem Aufenhalt im Lande Israel siehe Schwarzfuchs History

261 Elbaum Estori ha-Parhi S 918f

65 uarr Zur Bedeutung des hebraumlischen Begriffes Prowentzah der neben der heutigen Provence auch

das Languedoc miteinschloss siehe Gross Gallia Judaica (1887) 489 In diesem Sinne entspricht

Prowentzah der roumlmischen Provincia Narbonnensis In Kontext der Vertreibung der Juden im

Jahre 1306 kann nur das Languedoc gemeint sein

66 uarr Eshtori haParchi Kaftor waFerach 218

67 uarr Schwarzfuchs History (2001) 276-278 Dahan Gersonide (1991)

68 uarr Levi ben Gershom Pirush al ha-Torah

69 uarr Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 153-154

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

worden waren um die Geldgeschaumlfte und die Finanzkraft der Juden zu dokumentieren In jedem Ort

der Krondomaumlne gab es spezielle Beamte die die Kreditvertraumlge der Juden siegelten und so

kontrollierten wem die Juden welche Betraumlge an Geld liehen[95]

Auch den Juden konnte dieses

Verfahren als Sicherheit fuumlr ihre Geschaumlfte dienen Unter Ludwig VIII (1223-1226) kam es zum

ersten Eingriff in die Geldgeschaumlfte der Juden im franzoumlsischen Gebiet 1223 erlieszlig der Koumlnig

zusammen mit diversen Landesherren ein Statut in dem festgelegt wurde dass die Ruumlckzahlung

aller Schulden bei Juden an insgesamt neun Terminen an die koumlnigliche beziehungsweise

landesherrliche Schatzkammer erfolgen sollte Die Praxis des Siegelns von Urkunden uumlber

Darlehensvergaben wurde abgeschafft Erneut wurde festgehalten dass keiner der Herrscher Juden

eines anderen Herrschers bei sich aufnehmen duumlrfe wobei es bei diesem Punkt wieder zu

Unstimmigkeiten mit dem Grafen der Champagne kam der die Erklaumlrung nicht unterschrieb[96]

Bereits die ersten Jahre der Regierungszeit Ludwigs IX (1226-1270) brachten fuumlr die Juden weitere

Beschwerlichkeiten und erste direkte Aktionen gegen den Wucher Im Jahr 1227 kam es zu einer

erneuten Aneignung der ausstehenden Schulden bei Juden 1228 erging ein Mandat in dem Ludwig

IX befahl bei kuumlnftigen Geldgeschaumlften auf Zinsen zu verzichten Auszligerdem erklaumlrte der Koumlnig bei

Geldgeschaumlften die seit der Schuldentilgung ein Jahr zuvor geschlossen wurden alle Zinsen fuumlr

unguumlltig[97]

Auch die generelle Rechtsstellung der Juden wurde schon fruumlh in der Regierungszeit

Ludwigs IX definiert wobei es bei der alten Regelung blieb Im Statut von Melun hielten der Koumlnig

und die Landesherren daran fest dass die Juden tamquam proprii servi an das jeweilige Territorium

gebunden waren Christliche Schuldner wurden dazu aufgerufen ihre Schulden bei Juden zu

bezahlen nicht aber die Zinsen[98]

Die 1240er Jahre waren in Frankreich gepraumlgt vom Pariser

Talmudprozess in dem der Talmud als ketzerische Schrift verurteilt und danach oumlffentlich verbrannt

wurde[99]

Dies fuumlhrte unter anderem zu einer verstaumlrkten Auswanderung juumldischer Eliten aus

Nordfrankreich[100]

Insgesamt aumlnderte sich der rechtliche Status unter Ludwig IX nicht aber fruumlher

als die Herrscher in England nahm Ludwig IX der 1290 heilig gesprochen wurde den Kampf gegen

den Wucher auf Einige Aktionen Koumlnig Philipps IV (1285-1314) waumlhrend seiner ersten

Regierungsjahre in Bezug auf die Juden muumlssen vor dem Hintergrund der Vertreibungen gesehen

werden die sich in Regionen auszligerhalb der Krondomaumlne ereigneten so beispielsweise die

Ausweisung der juumldischen Fluumlchtlinge durch Philipp IV im Jahre 1291[101]

Daneben ist eine

konsequente Linie den Juden gegenuumlber nicht zu erkennen 1285 erneuerte er beispielsweise ein

Privileg zum Schutz von Synagogen und Friedhoumlfen zugleich bestaumltigte er die Pflicht der Juden ein

spezielles Abzeichen an ihrer Kleidung zu tragen[102]

Beides sind Zeichen dafuumlr dass der Koumlnig zu

dieser Zeit nicht daran dachte die Juden auszuweisen sondern das Leben der Juden rechtlich zu

definieren Vorrangiges Ziel Philipps IV war es zunaumlchst seine Oberherrschaft uumlber die Juden im

Suumlden zu sichern wo diese nicht von allen Baronen anerkannt wurde Die Herrschaft in der

Champagne hatte er sich durch Heirat bereits gesichert Dort in Troyes kam es 1288 zu einer

Mordanklage in deren Folge 13 Juden hingerichtet wurden wobei der Koumlnig ihre Besitztuumlmer

einzog[103]

Groumlszligeren Einfluss auf den Koumlnig scheint die Hostienschaumlndungbeschuldigung 1290 in

Paris gehabt zu haben Philipp IV warnte die Juden vor weiteren Hostienschaumlndungen und

spendete ein Haus neben der Kirche die zum Gedenken an den Fall errichtet worden war[104]

Wie

sein Groszligvater Ludwig IX setzte Philipp IV den Kampf gegen den Wucher fort verbot ihn 1299 und

1303 daneben wurde auch das Verbot des Neubaus von Synagogen sowie des Talmuds bei diesen

Gelegenheiten erneuert[105]

In einer konzentrierten und laumlnger vorbereiteten Aktion lieszlig Philipp IV

dann die Juden (oder jedenfalls die Familienvorstaumlnde) vermutlich am 22 Juli 1306 festsetzen Dies

diente dazu eine genaue Aufstellung der Judenguumlter vorzunehmen und um sich die ausstehenden

Schuldscheine zu sichern Gleichzeitig bedeutete es das Ende der juumldischen Siedlung in Frankreich

bis zu ihrer Wiederzulassung unter Ludwig X im Jahr 1315

Sowohl bei der Vertreibung aus England als auch der aus Frankreich zeigt sich die Gefahr die die

Abhaumlngigkeit der Juden vom Herrscher barg Vor allem in England hatte die privilegierte Position fuumlr

Wohlstand und ein groszliges Maszlig an innerer Autonomie etwa in der Rechtssprechnung oder in bezug

auf die Freizuumlgigkeit gesorgt[106]

Sie schuumltzte die Juden jedoch nicht immer vor Gealtakten wie den

seit der Mitte des 12 Jahrhunderts immer wieder vorkommenden Ritualmordvorwuumlrfen In

Frankreich verschlechterten sich ihre Lebensumstaumlnde mit der Ausbreitung der Krondomaumlne War

es 1182 noch ein geringes Problem fuumlr die Juden eine neue Heimat zu finden und von anderen

franzoumlsischen Landesherren wohlwollend aufgenommen zu werden war dies 1306 nicht mehr

moumlglich Die Herrscher nahmen die theologischen Diskurse uumlber den Wucher oder den Talmud auf

und wurden des weiteren beeinflusst durch antijuumldische Blut- und Hostienschaumlndungsvorwuumlrfe

Auch wirtschaftliche Uumlberlegungen haben eine Rolle gespielt ebenso mag es eine Dynamik

gegeben haben angestoszligen durch die weiteren Vertreibungen in dieser Umbruchszeit in der sich

jeder Herrscher damit profilieren wollte und konnte die Juden zu vertreiben

Die allgemeine Verurteilung des Wuchers

Obwohl gerade in der hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts verstaumlrkt die finanziellen Interessen vor

allem des franzoumlsischen Koumlnigs als Motiv der Vertreibung hervorgehoben wurde folgte die zeitnahe

Argumentation einer innerjuumldischen Perspektive anderen Erklaumlrungsmustern So gilt es zumindest

im Falle der Vertreibung aus England festzuhalten dass sich unter den Juden die Vorstellung

verbreitete das Fehlverhalten einzelner Juden haumltte die Ausweisung von 1290 wie auch andere

Vertreibungen mit verursacht Doch laumlsst sich im Wuchervorwurf gegenuumlber den Juden - dem

durchgaumlngigen Argument der Vertreibungen im 13 Jahrhundert - nicht etwa eine vordergruumlndige

falsche Praxis des Geldverleihs als ausloumlsendes Moment vermuten wie dies gelegentlich auch von

christlicher Seite von den Zeitgenossen vertreten wurde[107]

Vielmehr begann sich seit dem 12

Jahrhundert unter christlichen Gelehrten und weltlichen Herrschern ein theologisches Verstaumlndnis

bezuumlglich des Wuchers durchzusetzen das der wirtschaftlichen Taumltigkeit der Geldleihe auch in den

Haumlnden der Juden keine geduldeten Nische zuzuweisen bereit war[108]

Wucher wurde nun nicht

mehr als Suumlnde gegen den Naumlchsten aus mangelndem Mitgefuumlhl betrachtet und als turpe lucrum

(schaumlndlicher Profit) definiert sondern als Suumlnde gegen die iustitia[109]

Gemaumlszlig dieser Vorstellung

waren alle Wuchergewinne Diebesgut und muszligten zuruumlckgegeben werden Viel schwerer wog die

Feststellung daszlig sich die nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger durch ihre Besteuerung der Juden am

Wuchergewinn der Juden beteiligten und sich darum der gleichen Suumlnden schuldig machten[110]

Somit wurde auf demselben Wege der fuumlrstliche oder koumlnigliche Judenschutz die Legitimation

entzogen Die voumlllige Unterbindung des juumldischen Geldhandels schien darum fuumlr die meisten

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger der einzig richtige Weg wie dies bereits die im Namen Koumlnig

Ludwigs IX verkuumlndete ordenance von Melun 1230 forderte[111]

Als letzte Konsequenz blieb die

Ausweisung der Juden aus immer mehr Herrschaften des franzoumlsischen Koumlnigreiches und

schlieszliglich der Kronlande Das Zerbrechen des Miteinanders von Juden und Christen innerhalb des

franzoumlsischen Koumlnigreiches sowie die schrittweise Aufloumlsung bzw Zerschlagung des

jahrhundertealten juumldischen Siedlungsnetzes muszlig auf die juumldischen Gemeinschaften der

benachbarten Regionen so z B in den Rheinlanden verstoumlrend und beaumlngstigend gewirkt haben

Der dieser Vertreibung zugrundeliegende theologische Diskurs zu Geldhandel und Wucher und die

daraus resultierenden Folgen fuumlr die eigene juumldischen Existenz scheint jedoch nur einen geringen

Einfluszlig auf die Wahrnehmung ihrer eigenen Situation gehabt zu haben Im Zuge der Vertreibung der

franzoumlsischen Juden im Sommer und Herbst 1306 waren juumldische Fluumlchtlinge in die deutschen

Rheinlande gelangt[112]

Wohl wenige Monate spaumlter trafen in Worms die Delegierten des dortigen

Gemeindebezirkes die Vertreter der die Wormser Gemeinde und der sie umgebenden juumldischen

Niederlassungen auf einer Versammlung zusammen Auf diesem juumldischen Landtag sollte eine

Rechtssatzung eine Takkanah verabschiedet werden die die Praxis der juumldischen Geldleihe im

Einzugsgebiet der Gemeinde Worms sowie das Verhalten gegenuumlber hochverschuldeten Kunden

neu regelte[113]

In der Zusammenkunft der Haumlupter des Volkes im bdquoLand Wormsldquo im Jahr 67 des sechsten Jahrtausends

(10 Sept 1306 - 28 Augutst 1307) weil sich wegen unserer groszliger Verfehlungen die Noumlte der

Soumlhne unseres Volkes vermehrten durchforschten wir unsere Taten und fanden dass seit einiger

Zeit ein Schwert die Seele der Elenden und Reinen auffraszlig weil sie Vermoumlgen vermehrt hatten

durch Zins und Zinseszins von den Fuumlrsten der Nichtjuden Diese schuldeten ein Riesenvermoumlgen

den Familienvorstaumlnden Sie schmiedeten Raumlnke sich auf die Juden zu stuumlrzen und sie zu

uumlberfallen um sich von ihren Schulden zu befreien Wir haben beschlossen dass man keine

Erhoumlhung hinzufuumlgen darf und jedem Mann und jeder Frau nicht gestattet werden soll irgend einem

Nichtjuden einem einzelnen Schuldner mehr als 100 Pfund Hallisch zu leihen Und wenn der

Zeitpunkt der Schuldruumlckzahlung gekommen ist soll es nicht mehr gestattet sein die Zinsschuld der

Schuldsumme zuzuschlagen sondern man soll aus der Hand des Schuldners die ganze Schuld

einziehen Und wenn man nicht die ganze Schuld von ihm einziehen kann soll man sich nicht

hindern lassen wenigstens den Zins einzuziehen Nur soll man den Schuldner nicht mit List

uumlbervorteilen Und wenn es nicht gelingt irgend etwas einzuziehen dann soll man dies dem Rat

seiner Gemeinde mitteilen und nach deren Geheiszlig soll man handeln Was das Schuldgeschaumlft der

fuumlrstlichen Schuldner betrifft deren Schulden sich schon vermehrt haben und die niemand mehr

begleichen kann Die Glaumlubiger sollen sich huumlten sie mit hohen Zinsen zu belasten denn es sind

Komplotte zu befuumlrchten was Gott verhuumlten moumlge Schon einige Personen haben sich

zusammengeschlossen und dies gerade nicht bei den Fuumlrsten sondern bei den Klerikern und den

Buumlrgern [114]

Offenkundig standen den Delegierten die befuumlrchteten Konsequenzen der Geldleihe deutlich vor

Augen Wohl ebenso eingeschuumlchtert durch die in Frankreich vollzogene Vertreibung der Juden

wurden von seiten der Juden eigene Verfehlungen aber auch unguumlnstige Machtkonstellation

beobachtet die im Falle der franzoumlsischen Juden zu deren Untergang gefuumlhrt hatten Die

Beziehungen von Juden und Christen steckten auch in den Rheinlanden in den eingangs genannten

Bereichen von Wirtschaft Herrschaft und Religion in einer tieferen Krise Die auf dem

Versammlung von Worms beschlossenen Gegenmaszlignahmen blieben auf die juumldischen Teilnehmer

beschraumlnkt Zuruumlckhaltung gegenuumlber den christlichen Kunden Demut gegenuumlber Gott und das

Flehen um sein Erbarmen was mit guten Werken unterstuumltzt werden soll Eine direkte Verhandlung

mit den christlichen Herrschaftstraumlgern war nicht mehr vorgesehen Das gegenseitige Vertrauen

zwischen Juden und Christen war verschwunden in einer Zeit in der nicht mehr Koexistenz sondern

vor allem von Seiten der Juden die Sorge um die eigene Zukunft das eigene Handeln bestimmte

Zusammenfassung

Die Vertreibung der Juden aus England hatte innerhalb des juumldischen Kontextes noch zu Ansaumltzen der

Selbstreflexion gefuumlhrt die einen konkreten Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Vertretern

der juumldischen Seite und den politischen Entscheidungen der nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger

gegenuumlber der eigenen Gruppe erkennen mochten Dennoch waumlhnte man sich weiterhin in einem

rechtlich voumlllig abgesicherten Verhaumlltnis zur christlichen Umwelt Man war sich eines besonderen

Status innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft bewuszligt der in den Augen der Juden in

keiner Weise gefaumlhrdet schien Noch in der zweiten Haumllfte des 13 Jahrhunderts definierte Meir ben

Baruch (gest 1293) die Stellung der Juden im Reich als die eines freien Landbewohners der sein

Land nicht aber seine persoumlnliche Freiheit verloren hat [115]

Er sei darum nicht wie die Nichtjuden

den Fuumlrsten unterworfen und zu Steuerzahlungen verpflichtet Diese Konstruktionen erinnern stark

an die noch im 12 Jahrhundert in Frankreich vertretenen Rechtsauffassungen eines Itzchaq ben

Shmuel von Dampierre (gest ca 1185)[116]

der ebenfalls die Freiheit der Juden im Vergleich zu den

Nichtjuden hervorhebt ihre voumlllige Bewegungsfreiheit im Gegensatz zu an die Scholle gebundenen

Nichtjuden betont und die Juden ebenfalls aus der Rechtspraxis herausnimmt die dem

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger gestattet bei Abwanderung von Personen deren beweglichen

Besitz einzuziehen[117]

Nach juumldischer Auffassung folgten die Interaktionen zwischen Juden und

Christen nach Regeln die von beiden Seiten anerkannt waren Das jedoch sich dies Regelwerk zu

ungunsten der Juden verhaumlndert haben mochte daszlig die eigene Bewegungsfreiheit inzwischen mehr

und mehr eingeschraumlnkt wurde die besonderen Steuergesetzgebung seit den Aumluszligerungen des

Itzchak von Dampiegravere sich erheblich veraumlndern hatte und damit nach daszlig Verhaumlltnis zur christlichen

Umwelt nun erheblichen Umwaumlltzungen unterworfen war wurde wie die Aumluszligerung Meirs nahelegt

weder reflektiert noch einigermaszligen registriert

Das Verhalten der franzoumlsischen Juden Angesichts ihrer Vertreibung ist darum keinesfalls verwunderlich In

den wenigen juumldischen Selbstzeugnisse zur Vertreibung der franzoumlsischen Juden finden sich keine

Spuren die auf einen Prozess der Selbstreflexion schlieszligen lassen Die Frage der Motivation zur

Vertreibung der Juden wird soweit dies die Quellen erkennen lassen nicht diskutiert Der

offenkundige theologische Diskurs zur Unrechtmaumlszligigkeit des auf Zinsen geleisteten Geldverleihs

dem die juumldischen Gemeinschaft im franzoumlsischen Koumlnigreich letztlich zum Opfer fiel wird

nirgendwo rezipiert Man koumlnnte den Eindruck gewinnen dass sich den franzoumlsischen Juden die

Gefaumlhrlichkeit der Diskussion um den Wucher zu keinem Zeitpunkt erschloss Auch in den

konstruierten Narrativen der folgenden Generationen steht die auch fuumlr den einzelnen Juden

folgenreiche finanzielle Auspluumlnderung durch die franzoumlsische Krone im Vordergrund Allerdings

zeigt die Quelle aus dem rheinischen Kontext dass zumindest nach der Vertreibung aus dem

franzoumlsischen Koumlnigreich im Jahre 1306 unter den rheinischen Juden bestimmte Formen der

Geldleihe als Element der Selbstgefaumlhrdung wahrgenommen wurde Dabei macht die Uumlberlieferung

der Wormser Versammlung auch deutlich das die Zerruumlttung des Verhaumlltnisses von Juden und

Christen auch von juumldischer Seite nicht mehr geleugnet werden konnte Dass es sich dabei nicht nur

um eine wirtschaftliche Auseinandersetzung sondern zunaumlchst um einen christlichen theologischen

Diskurs handelte der sich gaumlnzlich juumldischem Handeln entzog scheint den Protagonisten der

Wormser Gemeinde nicht zugaumlnglich gewesen sein Ohne zu erkennen dass die Geldleihe und

somit die eigene wirtschaftliche Existenz gaumlnzlich in Frage gestellt werden koumlnnte versuchten die

Vertreter der Wormser Versammlung durch einzelne Maszlignahmen die Beziehungen zur christlichen

Umgebung zu entlassten um Gefahren von der eigenen Gemeinschaft abzuwenden Auf diese

Weise wurden die Juden im Westen Europas mehr und mehr wirtschaftlichen und theologischen

Dynamiken ausgesetzt die sich jenseits der juumldischen Wahrnehmung auszuformen begannen und

schlieszliglich in die Verdraumlngung der Juden muumlnden sollten die in der Vertreibung von England und

Frankreich ihren Anfang nahm

Rainer Barzen Lennart Guumlntzel

1 uarr Vgl zu Frankreich Chazan Jewry (1973) 154-207 Jordan Monarchy (1998) 177-261 Zu

England Hyams Jews (1996) 173-192 Mentgen Vertreibungen (1997) 11-53 Mundill England

(1998)

2 uarr Chazan Jewry (1973) 63-100 Ders Church (1980) 312f Jordan Monarchy (1998) 23-38

3 uarr Zur Geschichte der Juden unter Ludwig IX vgl Chazan Jewry (1973) 100-153

4 uarr Die Vorbildfunktion Ludwigs IX vor allem in Hinblick auf den Kampf gegen den Wucher erwaumlhnt

Cluse Zusammenhang (1999)135ndash163

5 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

6 uarr Chazan Church (1980) 313-317

7 uarr Florentii Wigorniensis 214f

8 uarr Ebd 212

9 uarr Chazan Church (1980) 317-319

10 uarr Aufstellung der Chroniken bei Abrahams Expulsion (1895) 449f

11 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

12 uarr Ordonnances 317

13 uarr Jordan nennt als Beispiel die Ortschaft Niort die ihre Juden vertreiben konnte Jordan Monarchy

(1998) 183

14 uarr Ebd 184f

15 uarr Ebd 184

16 uarr Ebd 183f

17 uarr Zu den Motiven Philipps IV siehe Mentgen Vertreibungen (1997) 46-49 Schwarzfuchs

Expulsion (1967) 485f

18 uarr Uumlber den generellen Wucherdiskurs siehe unten Kapitel V2

19 uarr Close Rolls Edward I 109

20 uarr Annales de Waverleia 409 ldquo(hellip) Judaeorum (hellip) quae per diversas urbes et castra regionis

Anglicanae per retroacta tempora habitabat confidenter procurante domina Alienora matre dicti

regis Angliae jussa est per edictum regium (hellip)rdquo

21 uarr Annales de Dunstaplia 361-362bdquo (hellip) propter blasphemias quas Judaei saepe faciebant fidei

Christianae statuit rex ut omnes Judaei cum semine suo et substancia ab Anglia pellerentur (hellip)rdquo

22 uarr Ebd bdquo(hellip) et concessit eis rex salvum conductum In ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt

submersi per vim et fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

23 uarr Zum Verhaumlltnis von Dominikanern und Juden zu dieser Zeit vgl Cohen Friars (1982) sowie

Ders Letters (1999)

24 uarr Florentii Wigoriensis 214

25 uarr Uumlber ein moumlgliches Interesse des Adels an der Vertreibung der Juden siehe Mentgen

Vertreibungen (1997) 27-30

26 uarr Annales de Dunstaplia 361-362 bdquoIn ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt submersi per vim et

fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

27 uarr Pierre de Langtoft II 186 bdquoThomas de Wilaund en baunk primer nomeacute par agarde de la court le

regne ad forjoreacute et en la terre de France sanz repairer aleacute Ses compayons ses clercs sunt pris e

meneacute a la thour de Loundres delivreacutes par moneacuteldquo

28 uarr Ebd 188 bdquoPur le quinzme dener al rays en ayeldquo

29 uarr Ebd bdquoOre sunt alez en France e en Pykardye Tutes lur dettes e lur manauntye Sunt salves al

ray dunt fere sa curtaysyeldquo

30 uarr Oumlsterreichische Reimchronik Verse 91239-91777 1186-1192ldquo die dritten vorderungdie an den

Franzois junctet der kunic Albrehter jach die Juden ze rehtgehocircren daz ricircche an und ander nieman

()ldquo Zu dieser Quelle vgl Ziwes Studien (1995) 33f Anm 16

31 uarr Prima Vita Clementis V 5

32 uarr Quarta Vita Clementis V 62bdquo Anno Domini MCCCVJ in festo sancte Marie Magdalene de

mandato et ordinatione regis Francie fuerunt capti omnes Judei ubique in regno Francie quasi

imperceptibiler una die et confiscata sunt bona ipsorum quecumque potuerunt inveniri fueruntque

a regno expulsi ulterius minime reversurirdquo Vgl auch Sexta Vita Clementis V 92-93bdquo Et etiam in

isto anno in die sancte Marie Magdalene omnes Judei de regno Francie congediati [congregati]

fuerunt et eorum bona omnia extiterunt confiscatardquo

33 uarr Continuatio Guilelmi de Nangis 59 bdquoMense Augusto Rex Philippus omnes Judaeos de Regno

Franciae penitus amp omnino fecit expelli certum regressionis terminum sub poena mortis praesigens

eisdemrdquo

34 uarr Florentii Wigoriensis 192 ldquoBarones cum Londoniensibus Judaismum Londoniae spoliaverunt

multis Judaeis interfectisldquo Siehe auch Mundill England (1998) 41

35 uarr Florentii Wigoriensis 210ldquo Rex die Sancte Calixti synagogam Judaeorum in villa Londoniensi

fratribus de Poenitentia contulit Jesu Christi ()ldquo

36 uarr Ebd 222bdquoApud Norhamtonam () puer quidam a Judaeis crucifixus estrdquo

37 uarr BennerReverchon Juden (2003) 181

38 uarr Rubin Tales (1999) 40-48

39 uarr Mentgen Vertreibungen (1997) 42-44

40 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 64f sieht den Muumlnzbeschneidungsskandal als Folge der Verarmung

der Juden Eine andere Meinung vertritt Mundill England (1998) 195-198 der vor allem auf eine

erfolgreiche Rolle der Juden im Wollhandel verweist

41 uarr Florentii Wigoriensis 221ldquo Rex omnes Judaeos et quosdam Christianos de retonsura aut alia

monetae falsatione convictos fecit suspensi Unde Londoniae CCLX et VII Judaei mortis judicium

subierunt Quidam autem relegati quidam etiam eorum perpetuo sunt carceri adjudicati et quidam

in Anglia remanseruntrdquo Vgl auch Mundill England (1998) 67f sowie uumlber die Zahl der Opfer weiter

oben Anmerkung 36

42 uarr Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 S 20

43 uarr Nach der chronikalischen Uumlberlieferung waren es 267 bzw 269 hingerichtete Juden Eine

Auswertung der auszligerchronikalischen Quellen ergab die Zahl von 298 erhaumlngten Juden Rokeacuteach

Monex I (198890) 98

44 uarr Jordan Monarchy (1989) 182f

45 uarr rdquoVos autre fuistis Engles qui exiverunt de terra eorum quia rotundabatis monetamrdquo in

Shatzmiller Schlomo Ibn Verga (1988) 355 Ders Solidariteacute (1986) 423

46 uarr Shlomo Ibn Verga Shevet Yehudah Teil I (hebr) Teil II (dt Uumlbersetzung)(Edit Wiener) Shevet

Yehudah (Edit Shochat)

47 uarr Zu Leben und Werk Shlomo Ibn Vergas Baer Hearot (1934) 152-179

48 uarr Shevet Yehudah Nr 18 (hebr S 42-43 dt Uumlbers S 84-85) Shevet Yehudah (Edit Shochat)

S 66

49 uarr Shevet Yehudah Nr 20 (hebr 43-45 dt Uumlbers 86-89)

50 uarr Zu Yosef ha-Kohen und seinem Werk Loeb Josef Hacohen (1888) XVI 28-56 211-235 XVII

74-95 247-271

51 uarr Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (dt

Uumlbersetzung Wiener)

52 uarr Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) 38-39 (Edit Wiener) 41-42

53 uarr Usque Nachum Israel III (1908) XI-XIII Auch bei Gedalyah Ibn Yachjah Shalshelet ha-

Kabbalah (nach Graetz Geschichte VII (1897) 429 weitere Quellen Graetz ebd 426-430)

54 uarr Siehe Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 20a

55 uarr ldquoSie [die Dominikaner] brachten sogar Muumlnzsorten herbei die sie selbst zuhause beschnitten

hattenldquo Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) S 38 (Edit Wiener) 41

56 uarr Fuumlr vielerlei Hinweise zur hebraumlischen Uumlberlieferung der Vertreibung der franzoumlsischen Juden sei

Dr Abraham David Jerusalem herzlich gedankt

57 uarr Schwarzfuchs History (2001) 269-274 Ben-Shalom Communication (1991) 171-225

58 uarr Abba Mari ben Mose von Lunel Sefer Minchat Qenaot Nr 120 in Shlomo Ibn Adret Tshuvot II

835-836

59 uarr BT Berachot 70a Gemeint ist hier die Philosophie griechischer Tradition die von Abba Mari

besonders bekaumlmpft wurde Shlomo Ibn Adret Teshuvot Bd 2 835 Anmerkung zu Zeile 1 Abba

Mari brachte die Vertreibung der suumldfranzoumlsischen Juden mit deren Hinwendung zur griechischen

Philosophie in Verbindung Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 832 Anmerkung zu Zeile 8

60 uarr Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 835-836 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001) 273

61 uarr Jordan French Monarchy (1989) 195196

62 uarr Saige Juifs (1881) 92

63 uarr Jordan French Monarchy (1989) 205 Saige Juifs (1881) 101-102 308-319 324-325

64 uarr Zu Leben und Werk sowie zu seinem Aufenhalt im Lande Israel siehe Schwarzfuchs History

261 Elbaum Estori ha-Parhi S 918f

65 uarr Zur Bedeutung des hebraumlischen Begriffes Prowentzah der neben der heutigen Provence auch

das Languedoc miteinschloss siehe Gross Gallia Judaica (1887) 489 In diesem Sinne entspricht

Prowentzah der roumlmischen Provincia Narbonnensis In Kontext der Vertreibung der Juden im

Jahre 1306 kann nur das Languedoc gemeint sein

66 uarr Eshtori haParchi Kaftor waFerach 218

67 uarr Schwarzfuchs History (2001) 276-278 Dahan Gersonide (1991)

68 uarr Levi ben Gershom Pirush al ha-Torah

69 uarr Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 153-154

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

spendete ein Haus neben der Kirche die zum Gedenken an den Fall errichtet worden war[104]

Wie

sein Groszligvater Ludwig IX setzte Philipp IV den Kampf gegen den Wucher fort verbot ihn 1299 und

1303 daneben wurde auch das Verbot des Neubaus von Synagogen sowie des Talmuds bei diesen

Gelegenheiten erneuert[105]

In einer konzentrierten und laumlnger vorbereiteten Aktion lieszlig Philipp IV

dann die Juden (oder jedenfalls die Familienvorstaumlnde) vermutlich am 22 Juli 1306 festsetzen Dies

diente dazu eine genaue Aufstellung der Judenguumlter vorzunehmen und um sich die ausstehenden

Schuldscheine zu sichern Gleichzeitig bedeutete es das Ende der juumldischen Siedlung in Frankreich

bis zu ihrer Wiederzulassung unter Ludwig X im Jahr 1315

Sowohl bei der Vertreibung aus England als auch der aus Frankreich zeigt sich die Gefahr die die

Abhaumlngigkeit der Juden vom Herrscher barg Vor allem in England hatte die privilegierte Position fuumlr

Wohlstand und ein groszliges Maszlig an innerer Autonomie etwa in der Rechtssprechnung oder in bezug

auf die Freizuumlgigkeit gesorgt[106]

Sie schuumltzte die Juden jedoch nicht immer vor Gealtakten wie den

seit der Mitte des 12 Jahrhunderts immer wieder vorkommenden Ritualmordvorwuumlrfen In

Frankreich verschlechterten sich ihre Lebensumstaumlnde mit der Ausbreitung der Krondomaumlne War

es 1182 noch ein geringes Problem fuumlr die Juden eine neue Heimat zu finden und von anderen

franzoumlsischen Landesherren wohlwollend aufgenommen zu werden war dies 1306 nicht mehr

moumlglich Die Herrscher nahmen die theologischen Diskurse uumlber den Wucher oder den Talmud auf

und wurden des weiteren beeinflusst durch antijuumldische Blut- und Hostienschaumlndungsvorwuumlrfe

Auch wirtschaftliche Uumlberlegungen haben eine Rolle gespielt ebenso mag es eine Dynamik

gegeben haben angestoszligen durch die weiteren Vertreibungen in dieser Umbruchszeit in der sich

jeder Herrscher damit profilieren wollte und konnte die Juden zu vertreiben

Die allgemeine Verurteilung des Wuchers

Obwohl gerade in der hebraumlischen Chronistik des 16 Jahrhunderts verstaumlrkt die finanziellen Interessen vor

allem des franzoumlsischen Koumlnigs als Motiv der Vertreibung hervorgehoben wurde folgte die zeitnahe

Argumentation einer innerjuumldischen Perspektive anderen Erklaumlrungsmustern So gilt es zumindest

im Falle der Vertreibung aus England festzuhalten dass sich unter den Juden die Vorstellung

verbreitete das Fehlverhalten einzelner Juden haumltte die Ausweisung von 1290 wie auch andere

Vertreibungen mit verursacht Doch laumlsst sich im Wuchervorwurf gegenuumlber den Juden - dem

durchgaumlngigen Argument der Vertreibungen im 13 Jahrhundert - nicht etwa eine vordergruumlndige

falsche Praxis des Geldverleihs als ausloumlsendes Moment vermuten wie dies gelegentlich auch von

christlicher Seite von den Zeitgenossen vertreten wurde[107]

Vielmehr begann sich seit dem 12

Jahrhundert unter christlichen Gelehrten und weltlichen Herrschern ein theologisches Verstaumlndnis

bezuumlglich des Wuchers durchzusetzen das der wirtschaftlichen Taumltigkeit der Geldleihe auch in den

Haumlnden der Juden keine geduldeten Nische zuzuweisen bereit war[108]

Wucher wurde nun nicht

mehr als Suumlnde gegen den Naumlchsten aus mangelndem Mitgefuumlhl betrachtet und als turpe lucrum

(schaumlndlicher Profit) definiert sondern als Suumlnde gegen die iustitia[109]

Gemaumlszlig dieser Vorstellung

waren alle Wuchergewinne Diebesgut und muszligten zuruumlckgegeben werden Viel schwerer wog die

Feststellung daszlig sich die nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger durch ihre Besteuerung der Juden am

Wuchergewinn der Juden beteiligten und sich darum der gleichen Suumlnden schuldig machten[110]

Somit wurde auf demselben Wege der fuumlrstliche oder koumlnigliche Judenschutz die Legitimation

entzogen Die voumlllige Unterbindung des juumldischen Geldhandels schien darum fuumlr die meisten

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger der einzig richtige Weg wie dies bereits die im Namen Koumlnig

Ludwigs IX verkuumlndete ordenance von Melun 1230 forderte[111]

Als letzte Konsequenz blieb die

Ausweisung der Juden aus immer mehr Herrschaften des franzoumlsischen Koumlnigreiches und

schlieszliglich der Kronlande Das Zerbrechen des Miteinanders von Juden und Christen innerhalb des

franzoumlsischen Koumlnigreiches sowie die schrittweise Aufloumlsung bzw Zerschlagung des

jahrhundertealten juumldischen Siedlungsnetzes muszlig auf die juumldischen Gemeinschaften der

benachbarten Regionen so z B in den Rheinlanden verstoumlrend und beaumlngstigend gewirkt haben

Der dieser Vertreibung zugrundeliegende theologische Diskurs zu Geldhandel und Wucher und die

daraus resultierenden Folgen fuumlr die eigene juumldischen Existenz scheint jedoch nur einen geringen

Einfluszlig auf die Wahrnehmung ihrer eigenen Situation gehabt zu haben Im Zuge der Vertreibung der

franzoumlsischen Juden im Sommer und Herbst 1306 waren juumldische Fluumlchtlinge in die deutschen

Rheinlande gelangt[112]

Wohl wenige Monate spaumlter trafen in Worms die Delegierten des dortigen

Gemeindebezirkes die Vertreter der die Wormser Gemeinde und der sie umgebenden juumldischen

Niederlassungen auf einer Versammlung zusammen Auf diesem juumldischen Landtag sollte eine

Rechtssatzung eine Takkanah verabschiedet werden die die Praxis der juumldischen Geldleihe im

Einzugsgebiet der Gemeinde Worms sowie das Verhalten gegenuumlber hochverschuldeten Kunden

neu regelte[113]

In der Zusammenkunft der Haumlupter des Volkes im bdquoLand Wormsldquo im Jahr 67 des sechsten Jahrtausends

(10 Sept 1306 - 28 Augutst 1307) weil sich wegen unserer groszliger Verfehlungen die Noumlte der

Soumlhne unseres Volkes vermehrten durchforschten wir unsere Taten und fanden dass seit einiger

Zeit ein Schwert die Seele der Elenden und Reinen auffraszlig weil sie Vermoumlgen vermehrt hatten

durch Zins und Zinseszins von den Fuumlrsten der Nichtjuden Diese schuldeten ein Riesenvermoumlgen

den Familienvorstaumlnden Sie schmiedeten Raumlnke sich auf die Juden zu stuumlrzen und sie zu

uumlberfallen um sich von ihren Schulden zu befreien Wir haben beschlossen dass man keine

Erhoumlhung hinzufuumlgen darf und jedem Mann und jeder Frau nicht gestattet werden soll irgend einem

Nichtjuden einem einzelnen Schuldner mehr als 100 Pfund Hallisch zu leihen Und wenn der

Zeitpunkt der Schuldruumlckzahlung gekommen ist soll es nicht mehr gestattet sein die Zinsschuld der

Schuldsumme zuzuschlagen sondern man soll aus der Hand des Schuldners die ganze Schuld

einziehen Und wenn man nicht die ganze Schuld von ihm einziehen kann soll man sich nicht

hindern lassen wenigstens den Zins einzuziehen Nur soll man den Schuldner nicht mit List

uumlbervorteilen Und wenn es nicht gelingt irgend etwas einzuziehen dann soll man dies dem Rat

seiner Gemeinde mitteilen und nach deren Geheiszlig soll man handeln Was das Schuldgeschaumlft der

fuumlrstlichen Schuldner betrifft deren Schulden sich schon vermehrt haben und die niemand mehr

begleichen kann Die Glaumlubiger sollen sich huumlten sie mit hohen Zinsen zu belasten denn es sind

Komplotte zu befuumlrchten was Gott verhuumlten moumlge Schon einige Personen haben sich

zusammengeschlossen und dies gerade nicht bei den Fuumlrsten sondern bei den Klerikern und den

Buumlrgern [114]

Offenkundig standen den Delegierten die befuumlrchteten Konsequenzen der Geldleihe deutlich vor

Augen Wohl ebenso eingeschuumlchtert durch die in Frankreich vollzogene Vertreibung der Juden

wurden von seiten der Juden eigene Verfehlungen aber auch unguumlnstige Machtkonstellation

beobachtet die im Falle der franzoumlsischen Juden zu deren Untergang gefuumlhrt hatten Die

Beziehungen von Juden und Christen steckten auch in den Rheinlanden in den eingangs genannten

Bereichen von Wirtschaft Herrschaft und Religion in einer tieferen Krise Die auf dem

Versammlung von Worms beschlossenen Gegenmaszlignahmen blieben auf die juumldischen Teilnehmer

beschraumlnkt Zuruumlckhaltung gegenuumlber den christlichen Kunden Demut gegenuumlber Gott und das

Flehen um sein Erbarmen was mit guten Werken unterstuumltzt werden soll Eine direkte Verhandlung

mit den christlichen Herrschaftstraumlgern war nicht mehr vorgesehen Das gegenseitige Vertrauen

zwischen Juden und Christen war verschwunden in einer Zeit in der nicht mehr Koexistenz sondern

vor allem von Seiten der Juden die Sorge um die eigene Zukunft das eigene Handeln bestimmte

Zusammenfassung

Die Vertreibung der Juden aus England hatte innerhalb des juumldischen Kontextes noch zu Ansaumltzen der

Selbstreflexion gefuumlhrt die einen konkreten Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Vertretern

der juumldischen Seite und den politischen Entscheidungen der nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger

gegenuumlber der eigenen Gruppe erkennen mochten Dennoch waumlhnte man sich weiterhin in einem

rechtlich voumlllig abgesicherten Verhaumlltnis zur christlichen Umwelt Man war sich eines besonderen

Status innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft bewuszligt der in den Augen der Juden in

keiner Weise gefaumlhrdet schien Noch in der zweiten Haumllfte des 13 Jahrhunderts definierte Meir ben

Baruch (gest 1293) die Stellung der Juden im Reich als die eines freien Landbewohners der sein

Land nicht aber seine persoumlnliche Freiheit verloren hat [115]

Er sei darum nicht wie die Nichtjuden

den Fuumlrsten unterworfen und zu Steuerzahlungen verpflichtet Diese Konstruktionen erinnern stark

an die noch im 12 Jahrhundert in Frankreich vertretenen Rechtsauffassungen eines Itzchaq ben

Shmuel von Dampierre (gest ca 1185)[116]

der ebenfalls die Freiheit der Juden im Vergleich zu den

Nichtjuden hervorhebt ihre voumlllige Bewegungsfreiheit im Gegensatz zu an die Scholle gebundenen

Nichtjuden betont und die Juden ebenfalls aus der Rechtspraxis herausnimmt die dem

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger gestattet bei Abwanderung von Personen deren beweglichen

Besitz einzuziehen[117]

Nach juumldischer Auffassung folgten die Interaktionen zwischen Juden und

Christen nach Regeln die von beiden Seiten anerkannt waren Das jedoch sich dies Regelwerk zu

ungunsten der Juden verhaumlndert haben mochte daszlig die eigene Bewegungsfreiheit inzwischen mehr

und mehr eingeschraumlnkt wurde die besonderen Steuergesetzgebung seit den Aumluszligerungen des

Itzchak von Dampiegravere sich erheblich veraumlndern hatte und damit nach daszlig Verhaumlltnis zur christlichen

Umwelt nun erheblichen Umwaumlltzungen unterworfen war wurde wie die Aumluszligerung Meirs nahelegt

weder reflektiert noch einigermaszligen registriert

Das Verhalten der franzoumlsischen Juden Angesichts ihrer Vertreibung ist darum keinesfalls verwunderlich In

den wenigen juumldischen Selbstzeugnisse zur Vertreibung der franzoumlsischen Juden finden sich keine

Spuren die auf einen Prozess der Selbstreflexion schlieszligen lassen Die Frage der Motivation zur

Vertreibung der Juden wird soweit dies die Quellen erkennen lassen nicht diskutiert Der

offenkundige theologische Diskurs zur Unrechtmaumlszligigkeit des auf Zinsen geleisteten Geldverleihs

dem die juumldischen Gemeinschaft im franzoumlsischen Koumlnigreich letztlich zum Opfer fiel wird

nirgendwo rezipiert Man koumlnnte den Eindruck gewinnen dass sich den franzoumlsischen Juden die

Gefaumlhrlichkeit der Diskussion um den Wucher zu keinem Zeitpunkt erschloss Auch in den

konstruierten Narrativen der folgenden Generationen steht die auch fuumlr den einzelnen Juden

folgenreiche finanzielle Auspluumlnderung durch die franzoumlsische Krone im Vordergrund Allerdings

zeigt die Quelle aus dem rheinischen Kontext dass zumindest nach der Vertreibung aus dem

franzoumlsischen Koumlnigreich im Jahre 1306 unter den rheinischen Juden bestimmte Formen der

Geldleihe als Element der Selbstgefaumlhrdung wahrgenommen wurde Dabei macht die Uumlberlieferung

der Wormser Versammlung auch deutlich das die Zerruumlttung des Verhaumlltnisses von Juden und

Christen auch von juumldischer Seite nicht mehr geleugnet werden konnte Dass es sich dabei nicht nur

um eine wirtschaftliche Auseinandersetzung sondern zunaumlchst um einen christlichen theologischen

Diskurs handelte der sich gaumlnzlich juumldischem Handeln entzog scheint den Protagonisten der

Wormser Gemeinde nicht zugaumlnglich gewesen sein Ohne zu erkennen dass die Geldleihe und

somit die eigene wirtschaftliche Existenz gaumlnzlich in Frage gestellt werden koumlnnte versuchten die

Vertreter der Wormser Versammlung durch einzelne Maszlignahmen die Beziehungen zur christlichen

Umgebung zu entlassten um Gefahren von der eigenen Gemeinschaft abzuwenden Auf diese

Weise wurden die Juden im Westen Europas mehr und mehr wirtschaftlichen und theologischen

Dynamiken ausgesetzt die sich jenseits der juumldischen Wahrnehmung auszuformen begannen und

schlieszliglich in die Verdraumlngung der Juden muumlnden sollten die in der Vertreibung von England und

Frankreich ihren Anfang nahm

Rainer Barzen Lennart Guumlntzel

1 uarr Vgl zu Frankreich Chazan Jewry (1973) 154-207 Jordan Monarchy (1998) 177-261 Zu

England Hyams Jews (1996) 173-192 Mentgen Vertreibungen (1997) 11-53 Mundill England

(1998)

2 uarr Chazan Jewry (1973) 63-100 Ders Church (1980) 312f Jordan Monarchy (1998) 23-38

3 uarr Zur Geschichte der Juden unter Ludwig IX vgl Chazan Jewry (1973) 100-153

4 uarr Die Vorbildfunktion Ludwigs IX vor allem in Hinblick auf den Kampf gegen den Wucher erwaumlhnt

Cluse Zusammenhang (1999)135ndash163

5 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

6 uarr Chazan Church (1980) 313-317

7 uarr Florentii Wigorniensis 214f

8 uarr Ebd 212

9 uarr Chazan Church (1980) 317-319

10 uarr Aufstellung der Chroniken bei Abrahams Expulsion (1895) 449f

11 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

12 uarr Ordonnances 317

13 uarr Jordan nennt als Beispiel die Ortschaft Niort die ihre Juden vertreiben konnte Jordan Monarchy

(1998) 183

14 uarr Ebd 184f

15 uarr Ebd 184

16 uarr Ebd 183f

17 uarr Zu den Motiven Philipps IV siehe Mentgen Vertreibungen (1997) 46-49 Schwarzfuchs

Expulsion (1967) 485f

18 uarr Uumlber den generellen Wucherdiskurs siehe unten Kapitel V2

19 uarr Close Rolls Edward I 109

20 uarr Annales de Waverleia 409 ldquo(hellip) Judaeorum (hellip) quae per diversas urbes et castra regionis

Anglicanae per retroacta tempora habitabat confidenter procurante domina Alienora matre dicti

regis Angliae jussa est per edictum regium (hellip)rdquo

21 uarr Annales de Dunstaplia 361-362bdquo (hellip) propter blasphemias quas Judaei saepe faciebant fidei

Christianae statuit rex ut omnes Judaei cum semine suo et substancia ab Anglia pellerentur (hellip)rdquo

22 uarr Ebd bdquo(hellip) et concessit eis rex salvum conductum In ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt

submersi per vim et fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

23 uarr Zum Verhaumlltnis von Dominikanern und Juden zu dieser Zeit vgl Cohen Friars (1982) sowie

Ders Letters (1999)

24 uarr Florentii Wigoriensis 214

25 uarr Uumlber ein moumlgliches Interesse des Adels an der Vertreibung der Juden siehe Mentgen

Vertreibungen (1997) 27-30

26 uarr Annales de Dunstaplia 361-362 bdquoIn ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt submersi per vim et

fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

27 uarr Pierre de Langtoft II 186 bdquoThomas de Wilaund en baunk primer nomeacute par agarde de la court le

regne ad forjoreacute et en la terre de France sanz repairer aleacute Ses compayons ses clercs sunt pris e

meneacute a la thour de Loundres delivreacutes par moneacuteldquo

28 uarr Ebd 188 bdquoPur le quinzme dener al rays en ayeldquo

29 uarr Ebd bdquoOre sunt alez en France e en Pykardye Tutes lur dettes e lur manauntye Sunt salves al

ray dunt fere sa curtaysyeldquo

30 uarr Oumlsterreichische Reimchronik Verse 91239-91777 1186-1192ldquo die dritten vorderungdie an den

Franzois junctet der kunic Albrehter jach die Juden ze rehtgehocircren daz ricircche an und ander nieman

()ldquo Zu dieser Quelle vgl Ziwes Studien (1995) 33f Anm 16

31 uarr Prima Vita Clementis V 5

32 uarr Quarta Vita Clementis V 62bdquo Anno Domini MCCCVJ in festo sancte Marie Magdalene de

mandato et ordinatione regis Francie fuerunt capti omnes Judei ubique in regno Francie quasi

imperceptibiler una die et confiscata sunt bona ipsorum quecumque potuerunt inveniri fueruntque

a regno expulsi ulterius minime reversurirdquo Vgl auch Sexta Vita Clementis V 92-93bdquo Et etiam in

isto anno in die sancte Marie Magdalene omnes Judei de regno Francie congediati [congregati]

fuerunt et eorum bona omnia extiterunt confiscatardquo

33 uarr Continuatio Guilelmi de Nangis 59 bdquoMense Augusto Rex Philippus omnes Judaeos de Regno

Franciae penitus amp omnino fecit expelli certum regressionis terminum sub poena mortis praesigens

eisdemrdquo

34 uarr Florentii Wigoriensis 192 ldquoBarones cum Londoniensibus Judaismum Londoniae spoliaverunt

multis Judaeis interfectisldquo Siehe auch Mundill England (1998) 41

35 uarr Florentii Wigoriensis 210ldquo Rex die Sancte Calixti synagogam Judaeorum in villa Londoniensi

fratribus de Poenitentia contulit Jesu Christi ()ldquo

36 uarr Ebd 222bdquoApud Norhamtonam () puer quidam a Judaeis crucifixus estrdquo

37 uarr BennerReverchon Juden (2003) 181

38 uarr Rubin Tales (1999) 40-48

39 uarr Mentgen Vertreibungen (1997) 42-44

40 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 64f sieht den Muumlnzbeschneidungsskandal als Folge der Verarmung

der Juden Eine andere Meinung vertritt Mundill England (1998) 195-198 der vor allem auf eine

erfolgreiche Rolle der Juden im Wollhandel verweist

41 uarr Florentii Wigoriensis 221ldquo Rex omnes Judaeos et quosdam Christianos de retonsura aut alia

monetae falsatione convictos fecit suspensi Unde Londoniae CCLX et VII Judaei mortis judicium

subierunt Quidam autem relegati quidam etiam eorum perpetuo sunt carceri adjudicati et quidam

in Anglia remanseruntrdquo Vgl auch Mundill England (1998) 67f sowie uumlber die Zahl der Opfer weiter

oben Anmerkung 36

42 uarr Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 S 20

43 uarr Nach der chronikalischen Uumlberlieferung waren es 267 bzw 269 hingerichtete Juden Eine

Auswertung der auszligerchronikalischen Quellen ergab die Zahl von 298 erhaumlngten Juden Rokeacuteach

Monex I (198890) 98

44 uarr Jordan Monarchy (1989) 182f

45 uarr rdquoVos autre fuistis Engles qui exiverunt de terra eorum quia rotundabatis monetamrdquo in

Shatzmiller Schlomo Ibn Verga (1988) 355 Ders Solidariteacute (1986) 423

46 uarr Shlomo Ibn Verga Shevet Yehudah Teil I (hebr) Teil II (dt Uumlbersetzung)(Edit Wiener) Shevet

Yehudah (Edit Shochat)

47 uarr Zu Leben und Werk Shlomo Ibn Vergas Baer Hearot (1934) 152-179

48 uarr Shevet Yehudah Nr 18 (hebr S 42-43 dt Uumlbers S 84-85) Shevet Yehudah (Edit Shochat)

S 66

49 uarr Shevet Yehudah Nr 20 (hebr 43-45 dt Uumlbers 86-89)

50 uarr Zu Yosef ha-Kohen und seinem Werk Loeb Josef Hacohen (1888) XVI 28-56 211-235 XVII

74-95 247-271

51 uarr Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (dt

Uumlbersetzung Wiener)

52 uarr Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) 38-39 (Edit Wiener) 41-42

53 uarr Usque Nachum Israel III (1908) XI-XIII Auch bei Gedalyah Ibn Yachjah Shalshelet ha-

Kabbalah (nach Graetz Geschichte VII (1897) 429 weitere Quellen Graetz ebd 426-430)

54 uarr Siehe Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 20a

55 uarr ldquoSie [die Dominikaner] brachten sogar Muumlnzsorten herbei die sie selbst zuhause beschnitten

hattenldquo Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) S 38 (Edit Wiener) 41

56 uarr Fuumlr vielerlei Hinweise zur hebraumlischen Uumlberlieferung der Vertreibung der franzoumlsischen Juden sei

Dr Abraham David Jerusalem herzlich gedankt

57 uarr Schwarzfuchs History (2001) 269-274 Ben-Shalom Communication (1991) 171-225

58 uarr Abba Mari ben Mose von Lunel Sefer Minchat Qenaot Nr 120 in Shlomo Ibn Adret Tshuvot II

835-836

59 uarr BT Berachot 70a Gemeint ist hier die Philosophie griechischer Tradition die von Abba Mari

besonders bekaumlmpft wurde Shlomo Ibn Adret Teshuvot Bd 2 835 Anmerkung zu Zeile 1 Abba

Mari brachte die Vertreibung der suumldfranzoumlsischen Juden mit deren Hinwendung zur griechischen

Philosophie in Verbindung Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 832 Anmerkung zu Zeile 8

60 uarr Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 835-836 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001) 273

61 uarr Jordan French Monarchy (1989) 195196

62 uarr Saige Juifs (1881) 92

63 uarr Jordan French Monarchy (1989) 205 Saige Juifs (1881) 101-102 308-319 324-325

64 uarr Zu Leben und Werk sowie zu seinem Aufenhalt im Lande Israel siehe Schwarzfuchs History

261 Elbaum Estori ha-Parhi S 918f

65 uarr Zur Bedeutung des hebraumlischen Begriffes Prowentzah der neben der heutigen Provence auch

das Languedoc miteinschloss siehe Gross Gallia Judaica (1887) 489 In diesem Sinne entspricht

Prowentzah der roumlmischen Provincia Narbonnensis In Kontext der Vertreibung der Juden im

Jahre 1306 kann nur das Languedoc gemeint sein

66 uarr Eshtori haParchi Kaftor waFerach 218

67 uarr Schwarzfuchs History (2001) 276-278 Dahan Gersonide (1991)

68 uarr Levi ben Gershom Pirush al ha-Torah

69 uarr Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 153-154

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

Feststellung daszlig sich die nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger durch ihre Besteuerung der Juden am

Wuchergewinn der Juden beteiligten und sich darum der gleichen Suumlnden schuldig machten[110]

Somit wurde auf demselben Wege der fuumlrstliche oder koumlnigliche Judenschutz die Legitimation

entzogen Die voumlllige Unterbindung des juumldischen Geldhandels schien darum fuumlr die meisten

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger der einzig richtige Weg wie dies bereits die im Namen Koumlnig

Ludwigs IX verkuumlndete ordenance von Melun 1230 forderte[111]

Als letzte Konsequenz blieb die

Ausweisung der Juden aus immer mehr Herrschaften des franzoumlsischen Koumlnigreiches und

schlieszliglich der Kronlande Das Zerbrechen des Miteinanders von Juden und Christen innerhalb des

franzoumlsischen Koumlnigreiches sowie die schrittweise Aufloumlsung bzw Zerschlagung des

jahrhundertealten juumldischen Siedlungsnetzes muszlig auf die juumldischen Gemeinschaften der

benachbarten Regionen so z B in den Rheinlanden verstoumlrend und beaumlngstigend gewirkt haben

Der dieser Vertreibung zugrundeliegende theologische Diskurs zu Geldhandel und Wucher und die

daraus resultierenden Folgen fuumlr die eigene juumldischen Existenz scheint jedoch nur einen geringen

Einfluszlig auf die Wahrnehmung ihrer eigenen Situation gehabt zu haben Im Zuge der Vertreibung der

franzoumlsischen Juden im Sommer und Herbst 1306 waren juumldische Fluumlchtlinge in die deutschen

Rheinlande gelangt[112]

Wohl wenige Monate spaumlter trafen in Worms die Delegierten des dortigen

Gemeindebezirkes die Vertreter der die Wormser Gemeinde und der sie umgebenden juumldischen

Niederlassungen auf einer Versammlung zusammen Auf diesem juumldischen Landtag sollte eine

Rechtssatzung eine Takkanah verabschiedet werden die die Praxis der juumldischen Geldleihe im

Einzugsgebiet der Gemeinde Worms sowie das Verhalten gegenuumlber hochverschuldeten Kunden

neu regelte[113]

In der Zusammenkunft der Haumlupter des Volkes im bdquoLand Wormsldquo im Jahr 67 des sechsten Jahrtausends

(10 Sept 1306 - 28 Augutst 1307) weil sich wegen unserer groszliger Verfehlungen die Noumlte der

Soumlhne unseres Volkes vermehrten durchforschten wir unsere Taten und fanden dass seit einiger

Zeit ein Schwert die Seele der Elenden und Reinen auffraszlig weil sie Vermoumlgen vermehrt hatten

durch Zins und Zinseszins von den Fuumlrsten der Nichtjuden Diese schuldeten ein Riesenvermoumlgen

den Familienvorstaumlnden Sie schmiedeten Raumlnke sich auf die Juden zu stuumlrzen und sie zu

uumlberfallen um sich von ihren Schulden zu befreien Wir haben beschlossen dass man keine

Erhoumlhung hinzufuumlgen darf und jedem Mann und jeder Frau nicht gestattet werden soll irgend einem

Nichtjuden einem einzelnen Schuldner mehr als 100 Pfund Hallisch zu leihen Und wenn der

Zeitpunkt der Schuldruumlckzahlung gekommen ist soll es nicht mehr gestattet sein die Zinsschuld der

Schuldsumme zuzuschlagen sondern man soll aus der Hand des Schuldners die ganze Schuld

einziehen Und wenn man nicht die ganze Schuld von ihm einziehen kann soll man sich nicht

hindern lassen wenigstens den Zins einzuziehen Nur soll man den Schuldner nicht mit List

uumlbervorteilen Und wenn es nicht gelingt irgend etwas einzuziehen dann soll man dies dem Rat

seiner Gemeinde mitteilen und nach deren Geheiszlig soll man handeln Was das Schuldgeschaumlft der

fuumlrstlichen Schuldner betrifft deren Schulden sich schon vermehrt haben und die niemand mehr

begleichen kann Die Glaumlubiger sollen sich huumlten sie mit hohen Zinsen zu belasten denn es sind

Komplotte zu befuumlrchten was Gott verhuumlten moumlge Schon einige Personen haben sich

zusammengeschlossen und dies gerade nicht bei den Fuumlrsten sondern bei den Klerikern und den

Buumlrgern [114]

Offenkundig standen den Delegierten die befuumlrchteten Konsequenzen der Geldleihe deutlich vor

Augen Wohl ebenso eingeschuumlchtert durch die in Frankreich vollzogene Vertreibung der Juden

wurden von seiten der Juden eigene Verfehlungen aber auch unguumlnstige Machtkonstellation

beobachtet die im Falle der franzoumlsischen Juden zu deren Untergang gefuumlhrt hatten Die

Beziehungen von Juden und Christen steckten auch in den Rheinlanden in den eingangs genannten

Bereichen von Wirtschaft Herrschaft und Religion in einer tieferen Krise Die auf dem

Versammlung von Worms beschlossenen Gegenmaszlignahmen blieben auf die juumldischen Teilnehmer

beschraumlnkt Zuruumlckhaltung gegenuumlber den christlichen Kunden Demut gegenuumlber Gott und das

Flehen um sein Erbarmen was mit guten Werken unterstuumltzt werden soll Eine direkte Verhandlung

mit den christlichen Herrschaftstraumlgern war nicht mehr vorgesehen Das gegenseitige Vertrauen

zwischen Juden und Christen war verschwunden in einer Zeit in der nicht mehr Koexistenz sondern

vor allem von Seiten der Juden die Sorge um die eigene Zukunft das eigene Handeln bestimmte

Zusammenfassung

Die Vertreibung der Juden aus England hatte innerhalb des juumldischen Kontextes noch zu Ansaumltzen der

Selbstreflexion gefuumlhrt die einen konkreten Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Vertretern

der juumldischen Seite und den politischen Entscheidungen der nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger

gegenuumlber der eigenen Gruppe erkennen mochten Dennoch waumlhnte man sich weiterhin in einem

rechtlich voumlllig abgesicherten Verhaumlltnis zur christlichen Umwelt Man war sich eines besonderen

Status innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft bewuszligt der in den Augen der Juden in

keiner Weise gefaumlhrdet schien Noch in der zweiten Haumllfte des 13 Jahrhunderts definierte Meir ben

Baruch (gest 1293) die Stellung der Juden im Reich als die eines freien Landbewohners der sein

Land nicht aber seine persoumlnliche Freiheit verloren hat [115]

Er sei darum nicht wie die Nichtjuden

den Fuumlrsten unterworfen und zu Steuerzahlungen verpflichtet Diese Konstruktionen erinnern stark

an die noch im 12 Jahrhundert in Frankreich vertretenen Rechtsauffassungen eines Itzchaq ben

Shmuel von Dampierre (gest ca 1185)[116]

der ebenfalls die Freiheit der Juden im Vergleich zu den

Nichtjuden hervorhebt ihre voumlllige Bewegungsfreiheit im Gegensatz zu an die Scholle gebundenen

Nichtjuden betont und die Juden ebenfalls aus der Rechtspraxis herausnimmt die dem

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger gestattet bei Abwanderung von Personen deren beweglichen

Besitz einzuziehen[117]

Nach juumldischer Auffassung folgten die Interaktionen zwischen Juden und

Christen nach Regeln die von beiden Seiten anerkannt waren Das jedoch sich dies Regelwerk zu

ungunsten der Juden verhaumlndert haben mochte daszlig die eigene Bewegungsfreiheit inzwischen mehr

und mehr eingeschraumlnkt wurde die besonderen Steuergesetzgebung seit den Aumluszligerungen des

Itzchak von Dampiegravere sich erheblich veraumlndern hatte und damit nach daszlig Verhaumlltnis zur christlichen

Umwelt nun erheblichen Umwaumlltzungen unterworfen war wurde wie die Aumluszligerung Meirs nahelegt

weder reflektiert noch einigermaszligen registriert

Das Verhalten der franzoumlsischen Juden Angesichts ihrer Vertreibung ist darum keinesfalls verwunderlich In

den wenigen juumldischen Selbstzeugnisse zur Vertreibung der franzoumlsischen Juden finden sich keine

Spuren die auf einen Prozess der Selbstreflexion schlieszligen lassen Die Frage der Motivation zur

Vertreibung der Juden wird soweit dies die Quellen erkennen lassen nicht diskutiert Der

offenkundige theologische Diskurs zur Unrechtmaumlszligigkeit des auf Zinsen geleisteten Geldverleihs

dem die juumldischen Gemeinschaft im franzoumlsischen Koumlnigreich letztlich zum Opfer fiel wird

nirgendwo rezipiert Man koumlnnte den Eindruck gewinnen dass sich den franzoumlsischen Juden die

Gefaumlhrlichkeit der Diskussion um den Wucher zu keinem Zeitpunkt erschloss Auch in den

konstruierten Narrativen der folgenden Generationen steht die auch fuumlr den einzelnen Juden

folgenreiche finanzielle Auspluumlnderung durch die franzoumlsische Krone im Vordergrund Allerdings

zeigt die Quelle aus dem rheinischen Kontext dass zumindest nach der Vertreibung aus dem

franzoumlsischen Koumlnigreich im Jahre 1306 unter den rheinischen Juden bestimmte Formen der

Geldleihe als Element der Selbstgefaumlhrdung wahrgenommen wurde Dabei macht die Uumlberlieferung

der Wormser Versammlung auch deutlich das die Zerruumlttung des Verhaumlltnisses von Juden und

Christen auch von juumldischer Seite nicht mehr geleugnet werden konnte Dass es sich dabei nicht nur

um eine wirtschaftliche Auseinandersetzung sondern zunaumlchst um einen christlichen theologischen

Diskurs handelte der sich gaumlnzlich juumldischem Handeln entzog scheint den Protagonisten der

Wormser Gemeinde nicht zugaumlnglich gewesen sein Ohne zu erkennen dass die Geldleihe und

somit die eigene wirtschaftliche Existenz gaumlnzlich in Frage gestellt werden koumlnnte versuchten die

Vertreter der Wormser Versammlung durch einzelne Maszlignahmen die Beziehungen zur christlichen

Umgebung zu entlassten um Gefahren von der eigenen Gemeinschaft abzuwenden Auf diese

Weise wurden die Juden im Westen Europas mehr und mehr wirtschaftlichen und theologischen

Dynamiken ausgesetzt die sich jenseits der juumldischen Wahrnehmung auszuformen begannen und

schlieszliglich in die Verdraumlngung der Juden muumlnden sollten die in der Vertreibung von England und

Frankreich ihren Anfang nahm

Rainer Barzen Lennart Guumlntzel

1 uarr Vgl zu Frankreich Chazan Jewry (1973) 154-207 Jordan Monarchy (1998) 177-261 Zu

England Hyams Jews (1996) 173-192 Mentgen Vertreibungen (1997) 11-53 Mundill England

(1998)

2 uarr Chazan Jewry (1973) 63-100 Ders Church (1980) 312f Jordan Monarchy (1998) 23-38

3 uarr Zur Geschichte der Juden unter Ludwig IX vgl Chazan Jewry (1973) 100-153

4 uarr Die Vorbildfunktion Ludwigs IX vor allem in Hinblick auf den Kampf gegen den Wucher erwaumlhnt

Cluse Zusammenhang (1999)135ndash163

5 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

6 uarr Chazan Church (1980) 313-317

7 uarr Florentii Wigorniensis 214f

8 uarr Ebd 212

9 uarr Chazan Church (1980) 317-319

10 uarr Aufstellung der Chroniken bei Abrahams Expulsion (1895) 449f

11 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

12 uarr Ordonnances 317

13 uarr Jordan nennt als Beispiel die Ortschaft Niort die ihre Juden vertreiben konnte Jordan Monarchy

(1998) 183

14 uarr Ebd 184f

15 uarr Ebd 184

16 uarr Ebd 183f

17 uarr Zu den Motiven Philipps IV siehe Mentgen Vertreibungen (1997) 46-49 Schwarzfuchs

Expulsion (1967) 485f

18 uarr Uumlber den generellen Wucherdiskurs siehe unten Kapitel V2

19 uarr Close Rolls Edward I 109

20 uarr Annales de Waverleia 409 ldquo(hellip) Judaeorum (hellip) quae per diversas urbes et castra regionis

Anglicanae per retroacta tempora habitabat confidenter procurante domina Alienora matre dicti

regis Angliae jussa est per edictum regium (hellip)rdquo

21 uarr Annales de Dunstaplia 361-362bdquo (hellip) propter blasphemias quas Judaei saepe faciebant fidei

Christianae statuit rex ut omnes Judaei cum semine suo et substancia ab Anglia pellerentur (hellip)rdquo

22 uarr Ebd bdquo(hellip) et concessit eis rex salvum conductum In ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt

submersi per vim et fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

23 uarr Zum Verhaumlltnis von Dominikanern und Juden zu dieser Zeit vgl Cohen Friars (1982) sowie

Ders Letters (1999)

24 uarr Florentii Wigoriensis 214

25 uarr Uumlber ein moumlgliches Interesse des Adels an der Vertreibung der Juden siehe Mentgen

Vertreibungen (1997) 27-30

26 uarr Annales de Dunstaplia 361-362 bdquoIn ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt submersi per vim et

fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

27 uarr Pierre de Langtoft II 186 bdquoThomas de Wilaund en baunk primer nomeacute par agarde de la court le

regne ad forjoreacute et en la terre de France sanz repairer aleacute Ses compayons ses clercs sunt pris e

meneacute a la thour de Loundres delivreacutes par moneacuteldquo

28 uarr Ebd 188 bdquoPur le quinzme dener al rays en ayeldquo

29 uarr Ebd bdquoOre sunt alez en France e en Pykardye Tutes lur dettes e lur manauntye Sunt salves al

ray dunt fere sa curtaysyeldquo

30 uarr Oumlsterreichische Reimchronik Verse 91239-91777 1186-1192ldquo die dritten vorderungdie an den

Franzois junctet der kunic Albrehter jach die Juden ze rehtgehocircren daz ricircche an und ander nieman

()ldquo Zu dieser Quelle vgl Ziwes Studien (1995) 33f Anm 16

31 uarr Prima Vita Clementis V 5

32 uarr Quarta Vita Clementis V 62bdquo Anno Domini MCCCVJ in festo sancte Marie Magdalene de

mandato et ordinatione regis Francie fuerunt capti omnes Judei ubique in regno Francie quasi

imperceptibiler una die et confiscata sunt bona ipsorum quecumque potuerunt inveniri fueruntque

a regno expulsi ulterius minime reversurirdquo Vgl auch Sexta Vita Clementis V 92-93bdquo Et etiam in

isto anno in die sancte Marie Magdalene omnes Judei de regno Francie congediati [congregati]

fuerunt et eorum bona omnia extiterunt confiscatardquo

33 uarr Continuatio Guilelmi de Nangis 59 bdquoMense Augusto Rex Philippus omnes Judaeos de Regno

Franciae penitus amp omnino fecit expelli certum regressionis terminum sub poena mortis praesigens

eisdemrdquo

34 uarr Florentii Wigoriensis 192 ldquoBarones cum Londoniensibus Judaismum Londoniae spoliaverunt

multis Judaeis interfectisldquo Siehe auch Mundill England (1998) 41

35 uarr Florentii Wigoriensis 210ldquo Rex die Sancte Calixti synagogam Judaeorum in villa Londoniensi

fratribus de Poenitentia contulit Jesu Christi ()ldquo

36 uarr Ebd 222bdquoApud Norhamtonam () puer quidam a Judaeis crucifixus estrdquo

37 uarr BennerReverchon Juden (2003) 181

38 uarr Rubin Tales (1999) 40-48

39 uarr Mentgen Vertreibungen (1997) 42-44

40 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 64f sieht den Muumlnzbeschneidungsskandal als Folge der Verarmung

der Juden Eine andere Meinung vertritt Mundill England (1998) 195-198 der vor allem auf eine

erfolgreiche Rolle der Juden im Wollhandel verweist

41 uarr Florentii Wigoriensis 221ldquo Rex omnes Judaeos et quosdam Christianos de retonsura aut alia

monetae falsatione convictos fecit suspensi Unde Londoniae CCLX et VII Judaei mortis judicium

subierunt Quidam autem relegati quidam etiam eorum perpetuo sunt carceri adjudicati et quidam

in Anglia remanseruntrdquo Vgl auch Mundill England (1998) 67f sowie uumlber die Zahl der Opfer weiter

oben Anmerkung 36

42 uarr Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 S 20

43 uarr Nach der chronikalischen Uumlberlieferung waren es 267 bzw 269 hingerichtete Juden Eine

Auswertung der auszligerchronikalischen Quellen ergab die Zahl von 298 erhaumlngten Juden Rokeacuteach

Monex I (198890) 98

44 uarr Jordan Monarchy (1989) 182f

45 uarr rdquoVos autre fuistis Engles qui exiverunt de terra eorum quia rotundabatis monetamrdquo in

Shatzmiller Schlomo Ibn Verga (1988) 355 Ders Solidariteacute (1986) 423

46 uarr Shlomo Ibn Verga Shevet Yehudah Teil I (hebr) Teil II (dt Uumlbersetzung)(Edit Wiener) Shevet

Yehudah (Edit Shochat)

47 uarr Zu Leben und Werk Shlomo Ibn Vergas Baer Hearot (1934) 152-179

48 uarr Shevet Yehudah Nr 18 (hebr S 42-43 dt Uumlbers S 84-85) Shevet Yehudah (Edit Shochat)

S 66

49 uarr Shevet Yehudah Nr 20 (hebr 43-45 dt Uumlbers 86-89)

50 uarr Zu Yosef ha-Kohen und seinem Werk Loeb Josef Hacohen (1888) XVI 28-56 211-235 XVII

74-95 247-271

51 uarr Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (dt

Uumlbersetzung Wiener)

52 uarr Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) 38-39 (Edit Wiener) 41-42

53 uarr Usque Nachum Israel III (1908) XI-XIII Auch bei Gedalyah Ibn Yachjah Shalshelet ha-

Kabbalah (nach Graetz Geschichte VII (1897) 429 weitere Quellen Graetz ebd 426-430)

54 uarr Siehe Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 20a

55 uarr ldquoSie [die Dominikaner] brachten sogar Muumlnzsorten herbei die sie selbst zuhause beschnitten

hattenldquo Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) S 38 (Edit Wiener) 41

56 uarr Fuumlr vielerlei Hinweise zur hebraumlischen Uumlberlieferung der Vertreibung der franzoumlsischen Juden sei

Dr Abraham David Jerusalem herzlich gedankt

57 uarr Schwarzfuchs History (2001) 269-274 Ben-Shalom Communication (1991) 171-225

58 uarr Abba Mari ben Mose von Lunel Sefer Minchat Qenaot Nr 120 in Shlomo Ibn Adret Tshuvot II

835-836

59 uarr BT Berachot 70a Gemeint ist hier die Philosophie griechischer Tradition die von Abba Mari

besonders bekaumlmpft wurde Shlomo Ibn Adret Teshuvot Bd 2 835 Anmerkung zu Zeile 1 Abba

Mari brachte die Vertreibung der suumldfranzoumlsischen Juden mit deren Hinwendung zur griechischen

Philosophie in Verbindung Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 832 Anmerkung zu Zeile 8

60 uarr Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 835-836 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001) 273

61 uarr Jordan French Monarchy (1989) 195196

62 uarr Saige Juifs (1881) 92

63 uarr Jordan French Monarchy (1989) 205 Saige Juifs (1881) 101-102 308-319 324-325

64 uarr Zu Leben und Werk sowie zu seinem Aufenhalt im Lande Israel siehe Schwarzfuchs History

261 Elbaum Estori ha-Parhi S 918f

65 uarr Zur Bedeutung des hebraumlischen Begriffes Prowentzah der neben der heutigen Provence auch

das Languedoc miteinschloss siehe Gross Gallia Judaica (1887) 489 In diesem Sinne entspricht

Prowentzah der roumlmischen Provincia Narbonnensis In Kontext der Vertreibung der Juden im

Jahre 1306 kann nur das Languedoc gemeint sein

66 uarr Eshtori haParchi Kaftor waFerach 218

67 uarr Schwarzfuchs History (2001) 276-278 Dahan Gersonide (1991)

68 uarr Levi ben Gershom Pirush al ha-Torah

69 uarr Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 153-154

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

zusammengeschlossen und dies gerade nicht bei den Fuumlrsten sondern bei den Klerikern und den

Buumlrgern [114]

Offenkundig standen den Delegierten die befuumlrchteten Konsequenzen der Geldleihe deutlich vor

Augen Wohl ebenso eingeschuumlchtert durch die in Frankreich vollzogene Vertreibung der Juden

wurden von seiten der Juden eigene Verfehlungen aber auch unguumlnstige Machtkonstellation

beobachtet die im Falle der franzoumlsischen Juden zu deren Untergang gefuumlhrt hatten Die

Beziehungen von Juden und Christen steckten auch in den Rheinlanden in den eingangs genannten

Bereichen von Wirtschaft Herrschaft und Religion in einer tieferen Krise Die auf dem

Versammlung von Worms beschlossenen Gegenmaszlignahmen blieben auf die juumldischen Teilnehmer

beschraumlnkt Zuruumlckhaltung gegenuumlber den christlichen Kunden Demut gegenuumlber Gott und das

Flehen um sein Erbarmen was mit guten Werken unterstuumltzt werden soll Eine direkte Verhandlung

mit den christlichen Herrschaftstraumlgern war nicht mehr vorgesehen Das gegenseitige Vertrauen

zwischen Juden und Christen war verschwunden in einer Zeit in der nicht mehr Koexistenz sondern

vor allem von Seiten der Juden die Sorge um die eigene Zukunft das eigene Handeln bestimmte

Zusammenfassung

Die Vertreibung der Juden aus England hatte innerhalb des juumldischen Kontextes noch zu Ansaumltzen der

Selbstreflexion gefuumlhrt die einen konkreten Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Vertretern

der juumldischen Seite und den politischen Entscheidungen der nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger

gegenuumlber der eigenen Gruppe erkennen mochten Dennoch waumlhnte man sich weiterhin in einem

rechtlich voumlllig abgesicherten Verhaumlltnis zur christlichen Umwelt Man war sich eines besonderen

Status innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft bewuszligt der in den Augen der Juden in

keiner Weise gefaumlhrdet schien Noch in der zweiten Haumllfte des 13 Jahrhunderts definierte Meir ben

Baruch (gest 1293) die Stellung der Juden im Reich als die eines freien Landbewohners der sein

Land nicht aber seine persoumlnliche Freiheit verloren hat [115]

Er sei darum nicht wie die Nichtjuden

den Fuumlrsten unterworfen und zu Steuerzahlungen verpflichtet Diese Konstruktionen erinnern stark

an die noch im 12 Jahrhundert in Frankreich vertretenen Rechtsauffassungen eines Itzchaq ben

Shmuel von Dampierre (gest ca 1185)[116]

der ebenfalls die Freiheit der Juden im Vergleich zu den

Nichtjuden hervorhebt ihre voumlllige Bewegungsfreiheit im Gegensatz zu an die Scholle gebundenen

Nichtjuden betont und die Juden ebenfalls aus der Rechtspraxis herausnimmt die dem

nichtjuumldischen Herrschaftstraumlger gestattet bei Abwanderung von Personen deren beweglichen

Besitz einzuziehen[117]

Nach juumldischer Auffassung folgten die Interaktionen zwischen Juden und

Christen nach Regeln die von beiden Seiten anerkannt waren Das jedoch sich dies Regelwerk zu

ungunsten der Juden verhaumlndert haben mochte daszlig die eigene Bewegungsfreiheit inzwischen mehr

und mehr eingeschraumlnkt wurde die besonderen Steuergesetzgebung seit den Aumluszligerungen des

Itzchak von Dampiegravere sich erheblich veraumlndern hatte und damit nach daszlig Verhaumlltnis zur christlichen

Umwelt nun erheblichen Umwaumlltzungen unterworfen war wurde wie die Aumluszligerung Meirs nahelegt

weder reflektiert noch einigermaszligen registriert

Das Verhalten der franzoumlsischen Juden Angesichts ihrer Vertreibung ist darum keinesfalls verwunderlich In

den wenigen juumldischen Selbstzeugnisse zur Vertreibung der franzoumlsischen Juden finden sich keine

Spuren die auf einen Prozess der Selbstreflexion schlieszligen lassen Die Frage der Motivation zur

Vertreibung der Juden wird soweit dies die Quellen erkennen lassen nicht diskutiert Der

offenkundige theologische Diskurs zur Unrechtmaumlszligigkeit des auf Zinsen geleisteten Geldverleihs

dem die juumldischen Gemeinschaft im franzoumlsischen Koumlnigreich letztlich zum Opfer fiel wird

nirgendwo rezipiert Man koumlnnte den Eindruck gewinnen dass sich den franzoumlsischen Juden die

Gefaumlhrlichkeit der Diskussion um den Wucher zu keinem Zeitpunkt erschloss Auch in den

konstruierten Narrativen der folgenden Generationen steht die auch fuumlr den einzelnen Juden

folgenreiche finanzielle Auspluumlnderung durch die franzoumlsische Krone im Vordergrund Allerdings

zeigt die Quelle aus dem rheinischen Kontext dass zumindest nach der Vertreibung aus dem

franzoumlsischen Koumlnigreich im Jahre 1306 unter den rheinischen Juden bestimmte Formen der

Geldleihe als Element der Selbstgefaumlhrdung wahrgenommen wurde Dabei macht die Uumlberlieferung

der Wormser Versammlung auch deutlich das die Zerruumlttung des Verhaumlltnisses von Juden und

Christen auch von juumldischer Seite nicht mehr geleugnet werden konnte Dass es sich dabei nicht nur

um eine wirtschaftliche Auseinandersetzung sondern zunaumlchst um einen christlichen theologischen

Diskurs handelte der sich gaumlnzlich juumldischem Handeln entzog scheint den Protagonisten der

Wormser Gemeinde nicht zugaumlnglich gewesen sein Ohne zu erkennen dass die Geldleihe und

somit die eigene wirtschaftliche Existenz gaumlnzlich in Frage gestellt werden koumlnnte versuchten die

Vertreter der Wormser Versammlung durch einzelne Maszlignahmen die Beziehungen zur christlichen

Umgebung zu entlassten um Gefahren von der eigenen Gemeinschaft abzuwenden Auf diese

Weise wurden die Juden im Westen Europas mehr und mehr wirtschaftlichen und theologischen

Dynamiken ausgesetzt die sich jenseits der juumldischen Wahrnehmung auszuformen begannen und

schlieszliglich in die Verdraumlngung der Juden muumlnden sollten die in der Vertreibung von England und

Frankreich ihren Anfang nahm

Rainer Barzen Lennart Guumlntzel

1 uarr Vgl zu Frankreich Chazan Jewry (1973) 154-207 Jordan Monarchy (1998) 177-261 Zu

England Hyams Jews (1996) 173-192 Mentgen Vertreibungen (1997) 11-53 Mundill England

(1998)

2 uarr Chazan Jewry (1973) 63-100 Ders Church (1980) 312f Jordan Monarchy (1998) 23-38

3 uarr Zur Geschichte der Juden unter Ludwig IX vgl Chazan Jewry (1973) 100-153

4 uarr Die Vorbildfunktion Ludwigs IX vor allem in Hinblick auf den Kampf gegen den Wucher erwaumlhnt

Cluse Zusammenhang (1999)135ndash163

5 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

6 uarr Chazan Church (1980) 313-317

7 uarr Florentii Wigorniensis 214f

8 uarr Ebd 212

9 uarr Chazan Church (1980) 317-319

10 uarr Aufstellung der Chroniken bei Abrahams Expulsion (1895) 449f

11 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

12 uarr Ordonnances 317

13 uarr Jordan nennt als Beispiel die Ortschaft Niort die ihre Juden vertreiben konnte Jordan Monarchy

(1998) 183

14 uarr Ebd 184f

15 uarr Ebd 184

16 uarr Ebd 183f

17 uarr Zu den Motiven Philipps IV siehe Mentgen Vertreibungen (1997) 46-49 Schwarzfuchs

Expulsion (1967) 485f

18 uarr Uumlber den generellen Wucherdiskurs siehe unten Kapitel V2

19 uarr Close Rolls Edward I 109

20 uarr Annales de Waverleia 409 ldquo(hellip) Judaeorum (hellip) quae per diversas urbes et castra regionis

Anglicanae per retroacta tempora habitabat confidenter procurante domina Alienora matre dicti

regis Angliae jussa est per edictum regium (hellip)rdquo

21 uarr Annales de Dunstaplia 361-362bdquo (hellip) propter blasphemias quas Judaei saepe faciebant fidei

Christianae statuit rex ut omnes Judaei cum semine suo et substancia ab Anglia pellerentur (hellip)rdquo

22 uarr Ebd bdquo(hellip) et concessit eis rex salvum conductum In ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt

submersi per vim et fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

23 uarr Zum Verhaumlltnis von Dominikanern und Juden zu dieser Zeit vgl Cohen Friars (1982) sowie

Ders Letters (1999)

24 uarr Florentii Wigoriensis 214

25 uarr Uumlber ein moumlgliches Interesse des Adels an der Vertreibung der Juden siehe Mentgen

Vertreibungen (1997) 27-30

26 uarr Annales de Dunstaplia 361-362 bdquoIn ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt submersi per vim et

fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

27 uarr Pierre de Langtoft II 186 bdquoThomas de Wilaund en baunk primer nomeacute par agarde de la court le

regne ad forjoreacute et en la terre de France sanz repairer aleacute Ses compayons ses clercs sunt pris e

meneacute a la thour de Loundres delivreacutes par moneacuteldquo

28 uarr Ebd 188 bdquoPur le quinzme dener al rays en ayeldquo

29 uarr Ebd bdquoOre sunt alez en France e en Pykardye Tutes lur dettes e lur manauntye Sunt salves al

ray dunt fere sa curtaysyeldquo

30 uarr Oumlsterreichische Reimchronik Verse 91239-91777 1186-1192ldquo die dritten vorderungdie an den

Franzois junctet der kunic Albrehter jach die Juden ze rehtgehocircren daz ricircche an und ander nieman

()ldquo Zu dieser Quelle vgl Ziwes Studien (1995) 33f Anm 16

31 uarr Prima Vita Clementis V 5

32 uarr Quarta Vita Clementis V 62bdquo Anno Domini MCCCVJ in festo sancte Marie Magdalene de

mandato et ordinatione regis Francie fuerunt capti omnes Judei ubique in regno Francie quasi

imperceptibiler una die et confiscata sunt bona ipsorum quecumque potuerunt inveniri fueruntque

a regno expulsi ulterius minime reversurirdquo Vgl auch Sexta Vita Clementis V 92-93bdquo Et etiam in

isto anno in die sancte Marie Magdalene omnes Judei de regno Francie congediati [congregati]

fuerunt et eorum bona omnia extiterunt confiscatardquo

33 uarr Continuatio Guilelmi de Nangis 59 bdquoMense Augusto Rex Philippus omnes Judaeos de Regno

Franciae penitus amp omnino fecit expelli certum regressionis terminum sub poena mortis praesigens

eisdemrdquo

34 uarr Florentii Wigoriensis 192 ldquoBarones cum Londoniensibus Judaismum Londoniae spoliaverunt

multis Judaeis interfectisldquo Siehe auch Mundill England (1998) 41

35 uarr Florentii Wigoriensis 210ldquo Rex die Sancte Calixti synagogam Judaeorum in villa Londoniensi

fratribus de Poenitentia contulit Jesu Christi ()ldquo

36 uarr Ebd 222bdquoApud Norhamtonam () puer quidam a Judaeis crucifixus estrdquo

37 uarr BennerReverchon Juden (2003) 181

38 uarr Rubin Tales (1999) 40-48

39 uarr Mentgen Vertreibungen (1997) 42-44

40 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 64f sieht den Muumlnzbeschneidungsskandal als Folge der Verarmung

der Juden Eine andere Meinung vertritt Mundill England (1998) 195-198 der vor allem auf eine

erfolgreiche Rolle der Juden im Wollhandel verweist

41 uarr Florentii Wigoriensis 221ldquo Rex omnes Judaeos et quosdam Christianos de retonsura aut alia

monetae falsatione convictos fecit suspensi Unde Londoniae CCLX et VII Judaei mortis judicium

subierunt Quidam autem relegati quidam etiam eorum perpetuo sunt carceri adjudicati et quidam

in Anglia remanseruntrdquo Vgl auch Mundill England (1998) 67f sowie uumlber die Zahl der Opfer weiter

oben Anmerkung 36

42 uarr Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 S 20

43 uarr Nach der chronikalischen Uumlberlieferung waren es 267 bzw 269 hingerichtete Juden Eine

Auswertung der auszligerchronikalischen Quellen ergab die Zahl von 298 erhaumlngten Juden Rokeacuteach

Monex I (198890) 98

44 uarr Jordan Monarchy (1989) 182f

45 uarr rdquoVos autre fuistis Engles qui exiverunt de terra eorum quia rotundabatis monetamrdquo in

Shatzmiller Schlomo Ibn Verga (1988) 355 Ders Solidariteacute (1986) 423

46 uarr Shlomo Ibn Verga Shevet Yehudah Teil I (hebr) Teil II (dt Uumlbersetzung)(Edit Wiener) Shevet

Yehudah (Edit Shochat)

47 uarr Zu Leben und Werk Shlomo Ibn Vergas Baer Hearot (1934) 152-179

48 uarr Shevet Yehudah Nr 18 (hebr S 42-43 dt Uumlbers S 84-85) Shevet Yehudah (Edit Shochat)

S 66

49 uarr Shevet Yehudah Nr 20 (hebr 43-45 dt Uumlbers 86-89)

50 uarr Zu Yosef ha-Kohen und seinem Werk Loeb Josef Hacohen (1888) XVI 28-56 211-235 XVII

74-95 247-271

51 uarr Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (dt

Uumlbersetzung Wiener)

52 uarr Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) 38-39 (Edit Wiener) 41-42

53 uarr Usque Nachum Israel III (1908) XI-XIII Auch bei Gedalyah Ibn Yachjah Shalshelet ha-

Kabbalah (nach Graetz Geschichte VII (1897) 429 weitere Quellen Graetz ebd 426-430)

54 uarr Siehe Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 20a

55 uarr ldquoSie [die Dominikaner] brachten sogar Muumlnzsorten herbei die sie selbst zuhause beschnitten

hattenldquo Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) S 38 (Edit Wiener) 41

56 uarr Fuumlr vielerlei Hinweise zur hebraumlischen Uumlberlieferung der Vertreibung der franzoumlsischen Juden sei

Dr Abraham David Jerusalem herzlich gedankt

57 uarr Schwarzfuchs History (2001) 269-274 Ben-Shalom Communication (1991) 171-225

58 uarr Abba Mari ben Mose von Lunel Sefer Minchat Qenaot Nr 120 in Shlomo Ibn Adret Tshuvot II

835-836

59 uarr BT Berachot 70a Gemeint ist hier die Philosophie griechischer Tradition die von Abba Mari

besonders bekaumlmpft wurde Shlomo Ibn Adret Teshuvot Bd 2 835 Anmerkung zu Zeile 1 Abba

Mari brachte die Vertreibung der suumldfranzoumlsischen Juden mit deren Hinwendung zur griechischen

Philosophie in Verbindung Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 832 Anmerkung zu Zeile 8

60 uarr Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 835-836 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001) 273

61 uarr Jordan French Monarchy (1989) 195196

62 uarr Saige Juifs (1881) 92

63 uarr Jordan French Monarchy (1989) 205 Saige Juifs (1881) 101-102 308-319 324-325

64 uarr Zu Leben und Werk sowie zu seinem Aufenhalt im Lande Israel siehe Schwarzfuchs History

261 Elbaum Estori ha-Parhi S 918f

65 uarr Zur Bedeutung des hebraumlischen Begriffes Prowentzah der neben der heutigen Provence auch

das Languedoc miteinschloss siehe Gross Gallia Judaica (1887) 489 In diesem Sinne entspricht

Prowentzah der roumlmischen Provincia Narbonnensis In Kontext der Vertreibung der Juden im

Jahre 1306 kann nur das Languedoc gemeint sein

66 uarr Eshtori haParchi Kaftor waFerach 218

67 uarr Schwarzfuchs History (2001) 276-278 Dahan Gersonide (1991)

68 uarr Levi ben Gershom Pirush al ha-Torah

69 uarr Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 153-154

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

Umwelt nun erheblichen Umwaumlltzungen unterworfen war wurde wie die Aumluszligerung Meirs nahelegt

weder reflektiert noch einigermaszligen registriert

Das Verhalten der franzoumlsischen Juden Angesichts ihrer Vertreibung ist darum keinesfalls verwunderlich In

den wenigen juumldischen Selbstzeugnisse zur Vertreibung der franzoumlsischen Juden finden sich keine

Spuren die auf einen Prozess der Selbstreflexion schlieszligen lassen Die Frage der Motivation zur

Vertreibung der Juden wird soweit dies die Quellen erkennen lassen nicht diskutiert Der

offenkundige theologische Diskurs zur Unrechtmaumlszligigkeit des auf Zinsen geleisteten Geldverleihs

dem die juumldischen Gemeinschaft im franzoumlsischen Koumlnigreich letztlich zum Opfer fiel wird

nirgendwo rezipiert Man koumlnnte den Eindruck gewinnen dass sich den franzoumlsischen Juden die

Gefaumlhrlichkeit der Diskussion um den Wucher zu keinem Zeitpunkt erschloss Auch in den

konstruierten Narrativen der folgenden Generationen steht die auch fuumlr den einzelnen Juden

folgenreiche finanzielle Auspluumlnderung durch die franzoumlsische Krone im Vordergrund Allerdings

zeigt die Quelle aus dem rheinischen Kontext dass zumindest nach der Vertreibung aus dem

franzoumlsischen Koumlnigreich im Jahre 1306 unter den rheinischen Juden bestimmte Formen der

Geldleihe als Element der Selbstgefaumlhrdung wahrgenommen wurde Dabei macht die Uumlberlieferung

der Wormser Versammlung auch deutlich das die Zerruumlttung des Verhaumlltnisses von Juden und

Christen auch von juumldischer Seite nicht mehr geleugnet werden konnte Dass es sich dabei nicht nur

um eine wirtschaftliche Auseinandersetzung sondern zunaumlchst um einen christlichen theologischen

Diskurs handelte der sich gaumlnzlich juumldischem Handeln entzog scheint den Protagonisten der

Wormser Gemeinde nicht zugaumlnglich gewesen sein Ohne zu erkennen dass die Geldleihe und

somit die eigene wirtschaftliche Existenz gaumlnzlich in Frage gestellt werden koumlnnte versuchten die

Vertreter der Wormser Versammlung durch einzelne Maszlignahmen die Beziehungen zur christlichen

Umgebung zu entlassten um Gefahren von der eigenen Gemeinschaft abzuwenden Auf diese

Weise wurden die Juden im Westen Europas mehr und mehr wirtschaftlichen und theologischen

Dynamiken ausgesetzt die sich jenseits der juumldischen Wahrnehmung auszuformen begannen und

schlieszliglich in die Verdraumlngung der Juden muumlnden sollten die in der Vertreibung von England und

Frankreich ihren Anfang nahm

Rainer Barzen Lennart Guumlntzel

1 uarr Vgl zu Frankreich Chazan Jewry (1973) 154-207 Jordan Monarchy (1998) 177-261 Zu

England Hyams Jews (1996) 173-192 Mentgen Vertreibungen (1997) 11-53 Mundill England

(1998)

2 uarr Chazan Jewry (1973) 63-100 Ders Church (1980) 312f Jordan Monarchy (1998) 23-38

3 uarr Zur Geschichte der Juden unter Ludwig IX vgl Chazan Jewry (1973) 100-153

4 uarr Die Vorbildfunktion Ludwigs IX vor allem in Hinblick auf den Kampf gegen den Wucher erwaumlhnt

Cluse Zusammenhang (1999)135ndash163

5 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

6 uarr Chazan Church (1980) 313-317

7 uarr Florentii Wigorniensis 214f

8 uarr Ebd 212

9 uarr Chazan Church (1980) 317-319

10 uarr Aufstellung der Chroniken bei Abrahams Expulsion (1895) 449f

11 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

12 uarr Ordonnances 317

13 uarr Jordan nennt als Beispiel die Ortschaft Niort die ihre Juden vertreiben konnte Jordan Monarchy

(1998) 183

14 uarr Ebd 184f

15 uarr Ebd 184

16 uarr Ebd 183f

17 uarr Zu den Motiven Philipps IV siehe Mentgen Vertreibungen (1997) 46-49 Schwarzfuchs

Expulsion (1967) 485f

18 uarr Uumlber den generellen Wucherdiskurs siehe unten Kapitel V2

19 uarr Close Rolls Edward I 109

20 uarr Annales de Waverleia 409 ldquo(hellip) Judaeorum (hellip) quae per diversas urbes et castra regionis

Anglicanae per retroacta tempora habitabat confidenter procurante domina Alienora matre dicti

regis Angliae jussa est per edictum regium (hellip)rdquo

21 uarr Annales de Dunstaplia 361-362bdquo (hellip) propter blasphemias quas Judaei saepe faciebant fidei

Christianae statuit rex ut omnes Judaei cum semine suo et substancia ab Anglia pellerentur (hellip)rdquo

22 uarr Ebd bdquo(hellip) et concessit eis rex salvum conductum In ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt

submersi per vim et fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

23 uarr Zum Verhaumlltnis von Dominikanern und Juden zu dieser Zeit vgl Cohen Friars (1982) sowie

Ders Letters (1999)

24 uarr Florentii Wigoriensis 214

25 uarr Uumlber ein moumlgliches Interesse des Adels an der Vertreibung der Juden siehe Mentgen

Vertreibungen (1997) 27-30

26 uarr Annales de Dunstaplia 361-362 bdquoIn ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt submersi per vim et

fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

27 uarr Pierre de Langtoft II 186 bdquoThomas de Wilaund en baunk primer nomeacute par agarde de la court le

regne ad forjoreacute et en la terre de France sanz repairer aleacute Ses compayons ses clercs sunt pris e

meneacute a la thour de Loundres delivreacutes par moneacuteldquo

28 uarr Ebd 188 bdquoPur le quinzme dener al rays en ayeldquo

29 uarr Ebd bdquoOre sunt alez en France e en Pykardye Tutes lur dettes e lur manauntye Sunt salves al

ray dunt fere sa curtaysyeldquo

30 uarr Oumlsterreichische Reimchronik Verse 91239-91777 1186-1192ldquo die dritten vorderungdie an den

Franzois junctet der kunic Albrehter jach die Juden ze rehtgehocircren daz ricircche an und ander nieman

()ldquo Zu dieser Quelle vgl Ziwes Studien (1995) 33f Anm 16

31 uarr Prima Vita Clementis V 5

32 uarr Quarta Vita Clementis V 62bdquo Anno Domini MCCCVJ in festo sancte Marie Magdalene de

mandato et ordinatione regis Francie fuerunt capti omnes Judei ubique in regno Francie quasi

imperceptibiler una die et confiscata sunt bona ipsorum quecumque potuerunt inveniri fueruntque

a regno expulsi ulterius minime reversurirdquo Vgl auch Sexta Vita Clementis V 92-93bdquo Et etiam in

isto anno in die sancte Marie Magdalene omnes Judei de regno Francie congediati [congregati]

fuerunt et eorum bona omnia extiterunt confiscatardquo

33 uarr Continuatio Guilelmi de Nangis 59 bdquoMense Augusto Rex Philippus omnes Judaeos de Regno

Franciae penitus amp omnino fecit expelli certum regressionis terminum sub poena mortis praesigens

eisdemrdquo

34 uarr Florentii Wigoriensis 192 ldquoBarones cum Londoniensibus Judaismum Londoniae spoliaverunt

multis Judaeis interfectisldquo Siehe auch Mundill England (1998) 41

35 uarr Florentii Wigoriensis 210ldquo Rex die Sancte Calixti synagogam Judaeorum in villa Londoniensi

fratribus de Poenitentia contulit Jesu Christi ()ldquo

36 uarr Ebd 222bdquoApud Norhamtonam () puer quidam a Judaeis crucifixus estrdquo

37 uarr BennerReverchon Juden (2003) 181

38 uarr Rubin Tales (1999) 40-48

39 uarr Mentgen Vertreibungen (1997) 42-44

40 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 64f sieht den Muumlnzbeschneidungsskandal als Folge der Verarmung

der Juden Eine andere Meinung vertritt Mundill England (1998) 195-198 der vor allem auf eine

erfolgreiche Rolle der Juden im Wollhandel verweist

41 uarr Florentii Wigoriensis 221ldquo Rex omnes Judaeos et quosdam Christianos de retonsura aut alia

monetae falsatione convictos fecit suspensi Unde Londoniae CCLX et VII Judaei mortis judicium

subierunt Quidam autem relegati quidam etiam eorum perpetuo sunt carceri adjudicati et quidam

in Anglia remanseruntrdquo Vgl auch Mundill England (1998) 67f sowie uumlber die Zahl der Opfer weiter

oben Anmerkung 36

42 uarr Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 S 20

43 uarr Nach der chronikalischen Uumlberlieferung waren es 267 bzw 269 hingerichtete Juden Eine

Auswertung der auszligerchronikalischen Quellen ergab die Zahl von 298 erhaumlngten Juden Rokeacuteach

Monex I (198890) 98

44 uarr Jordan Monarchy (1989) 182f

45 uarr rdquoVos autre fuistis Engles qui exiverunt de terra eorum quia rotundabatis monetamrdquo in

Shatzmiller Schlomo Ibn Verga (1988) 355 Ders Solidariteacute (1986) 423

46 uarr Shlomo Ibn Verga Shevet Yehudah Teil I (hebr) Teil II (dt Uumlbersetzung)(Edit Wiener) Shevet

Yehudah (Edit Shochat)

47 uarr Zu Leben und Werk Shlomo Ibn Vergas Baer Hearot (1934) 152-179

48 uarr Shevet Yehudah Nr 18 (hebr S 42-43 dt Uumlbers S 84-85) Shevet Yehudah (Edit Shochat)

S 66

49 uarr Shevet Yehudah Nr 20 (hebr 43-45 dt Uumlbers 86-89)

50 uarr Zu Yosef ha-Kohen und seinem Werk Loeb Josef Hacohen (1888) XVI 28-56 211-235 XVII

74-95 247-271

51 uarr Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (dt

Uumlbersetzung Wiener)

52 uarr Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) 38-39 (Edit Wiener) 41-42

53 uarr Usque Nachum Israel III (1908) XI-XIII Auch bei Gedalyah Ibn Yachjah Shalshelet ha-

Kabbalah (nach Graetz Geschichte VII (1897) 429 weitere Quellen Graetz ebd 426-430)

54 uarr Siehe Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 20a

55 uarr ldquoSie [die Dominikaner] brachten sogar Muumlnzsorten herbei die sie selbst zuhause beschnitten

hattenldquo Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) S 38 (Edit Wiener) 41

56 uarr Fuumlr vielerlei Hinweise zur hebraumlischen Uumlberlieferung der Vertreibung der franzoumlsischen Juden sei

Dr Abraham David Jerusalem herzlich gedankt

57 uarr Schwarzfuchs History (2001) 269-274 Ben-Shalom Communication (1991) 171-225

58 uarr Abba Mari ben Mose von Lunel Sefer Minchat Qenaot Nr 120 in Shlomo Ibn Adret Tshuvot II

835-836

59 uarr BT Berachot 70a Gemeint ist hier die Philosophie griechischer Tradition die von Abba Mari

besonders bekaumlmpft wurde Shlomo Ibn Adret Teshuvot Bd 2 835 Anmerkung zu Zeile 1 Abba

Mari brachte die Vertreibung der suumldfranzoumlsischen Juden mit deren Hinwendung zur griechischen

Philosophie in Verbindung Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 832 Anmerkung zu Zeile 8

60 uarr Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 835-836 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001) 273

61 uarr Jordan French Monarchy (1989) 195196

62 uarr Saige Juifs (1881) 92

63 uarr Jordan French Monarchy (1989) 205 Saige Juifs (1881) 101-102 308-319 324-325

64 uarr Zu Leben und Werk sowie zu seinem Aufenhalt im Lande Israel siehe Schwarzfuchs History

261 Elbaum Estori ha-Parhi S 918f

65 uarr Zur Bedeutung des hebraumlischen Begriffes Prowentzah der neben der heutigen Provence auch

das Languedoc miteinschloss siehe Gross Gallia Judaica (1887) 489 In diesem Sinne entspricht

Prowentzah der roumlmischen Provincia Narbonnensis In Kontext der Vertreibung der Juden im

Jahre 1306 kann nur das Languedoc gemeint sein

66 uarr Eshtori haParchi Kaftor waFerach 218

67 uarr Schwarzfuchs History (2001) 276-278 Dahan Gersonide (1991)

68 uarr Levi ben Gershom Pirush al ha-Torah

69 uarr Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 153-154

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

6 uarr Chazan Church (1980) 313-317

7 uarr Florentii Wigorniensis 214f

8 uarr Ebd 212

9 uarr Chazan Church (1980) 317-319

10 uarr Aufstellung der Chroniken bei Abrahams Expulsion (1895) 449f

11 uarr Jordan Monarchy (1998) 182f

12 uarr Ordonnances 317

13 uarr Jordan nennt als Beispiel die Ortschaft Niort die ihre Juden vertreiben konnte Jordan Monarchy

(1998) 183

14 uarr Ebd 184f

15 uarr Ebd 184

16 uarr Ebd 183f

17 uarr Zu den Motiven Philipps IV siehe Mentgen Vertreibungen (1997) 46-49 Schwarzfuchs

Expulsion (1967) 485f

18 uarr Uumlber den generellen Wucherdiskurs siehe unten Kapitel V2

19 uarr Close Rolls Edward I 109

20 uarr Annales de Waverleia 409 ldquo(hellip) Judaeorum (hellip) quae per diversas urbes et castra regionis

Anglicanae per retroacta tempora habitabat confidenter procurante domina Alienora matre dicti

regis Angliae jussa est per edictum regium (hellip)rdquo

21 uarr Annales de Dunstaplia 361-362bdquo (hellip) propter blasphemias quas Judaei saepe faciebant fidei

Christianae statuit rex ut omnes Judaei cum semine suo et substancia ab Anglia pellerentur (hellip)rdquo

22 uarr Ebd bdquo(hellip) et concessit eis rex salvum conductum In ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt

submersi per vim et fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

23 uarr Zum Verhaumlltnis von Dominikanern und Juden zu dieser Zeit vgl Cohen Friars (1982) sowie

Ders Letters (1999)

24 uarr Florentii Wigoriensis 214

25 uarr Uumlber ein moumlgliches Interesse des Adels an der Vertreibung der Juden siehe Mentgen

Vertreibungen (1997) 27-30

26 uarr Annales de Dunstaplia 361-362 bdquoIn ipso eorum passagio plurimi ex eis sunt submersi per vim et

fraudem nautarum propter quod quidam ex ipsis nautis sunt suspensirdquo

27 uarr Pierre de Langtoft II 186 bdquoThomas de Wilaund en baunk primer nomeacute par agarde de la court le

regne ad forjoreacute et en la terre de France sanz repairer aleacute Ses compayons ses clercs sunt pris e

meneacute a la thour de Loundres delivreacutes par moneacuteldquo

28 uarr Ebd 188 bdquoPur le quinzme dener al rays en ayeldquo

29 uarr Ebd bdquoOre sunt alez en France e en Pykardye Tutes lur dettes e lur manauntye Sunt salves al

ray dunt fere sa curtaysyeldquo

30 uarr Oumlsterreichische Reimchronik Verse 91239-91777 1186-1192ldquo die dritten vorderungdie an den

Franzois junctet der kunic Albrehter jach die Juden ze rehtgehocircren daz ricircche an und ander nieman

()ldquo Zu dieser Quelle vgl Ziwes Studien (1995) 33f Anm 16

31 uarr Prima Vita Clementis V 5

32 uarr Quarta Vita Clementis V 62bdquo Anno Domini MCCCVJ in festo sancte Marie Magdalene de

mandato et ordinatione regis Francie fuerunt capti omnes Judei ubique in regno Francie quasi

imperceptibiler una die et confiscata sunt bona ipsorum quecumque potuerunt inveniri fueruntque

a regno expulsi ulterius minime reversurirdquo Vgl auch Sexta Vita Clementis V 92-93bdquo Et etiam in

isto anno in die sancte Marie Magdalene omnes Judei de regno Francie congediati [congregati]

fuerunt et eorum bona omnia extiterunt confiscatardquo

33 uarr Continuatio Guilelmi de Nangis 59 bdquoMense Augusto Rex Philippus omnes Judaeos de Regno

Franciae penitus amp omnino fecit expelli certum regressionis terminum sub poena mortis praesigens

eisdemrdquo

34 uarr Florentii Wigoriensis 192 ldquoBarones cum Londoniensibus Judaismum Londoniae spoliaverunt

multis Judaeis interfectisldquo Siehe auch Mundill England (1998) 41

35 uarr Florentii Wigoriensis 210ldquo Rex die Sancte Calixti synagogam Judaeorum in villa Londoniensi

fratribus de Poenitentia contulit Jesu Christi ()ldquo

36 uarr Ebd 222bdquoApud Norhamtonam () puer quidam a Judaeis crucifixus estrdquo

37 uarr BennerReverchon Juden (2003) 181

38 uarr Rubin Tales (1999) 40-48

39 uarr Mentgen Vertreibungen (1997) 42-44

40 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 64f sieht den Muumlnzbeschneidungsskandal als Folge der Verarmung

der Juden Eine andere Meinung vertritt Mundill England (1998) 195-198 der vor allem auf eine

erfolgreiche Rolle der Juden im Wollhandel verweist

41 uarr Florentii Wigoriensis 221ldquo Rex omnes Judaeos et quosdam Christianos de retonsura aut alia

monetae falsatione convictos fecit suspensi Unde Londoniae CCLX et VII Judaei mortis judicium

subierunt Quidam autem relegati quidam etiam eorum perpetuo sunt carceri adjudicati et quidam

in Anglia remanseruntrdquo Vgl auch Mundill England (1998) 67f sowie uumlber die Zahl der Opfer weiter

oben Anmerkung 36

42 uarr Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 S 20

43 uarr Nach der chronikalischen Uumlberlieferung waren es 267 bzw 269 hingerichtete Juden Eine

Auswertung der auszligerchronikalischen Quellen ergab die Zahl von 298 erhaumlngten Juden Rokeacuteach

Monex I (198890) 98

44 uarr Jordan Monarchy (1989) 182f

45 uarr rdquoVos autre fuistis Engles qui exiverunt de terra eorum quia rotundabatis monetamrdquo in

Shatzmiller Schlomo Ibn Verga (1988) 355 Ders Solidariteacute (1986) 423

46 uarr Shlomo Ibn Verga Shevet Yehudah Teil I (hebr) Teil II (dt Uumlbersetzung)(Edit Wiener) Shevet

Yehudah (Edit Shochat)

47 uarr Zu Leben und Werk Shlomo Ibn Vergas Baer Hearot (1934) 152-179

48 uarr Shevet Yehudah Nr 18 (hebr S 42-43 dt Uumlbers S 84-85) Shevet Yehudah (Edit Shochat)

S 66

49 uarr Shevet Yehudah Nr 20 (hebr 43-45 dt Uumlbers 86-89)

50 uarr Zu Yosef ha-Kohen und seinem Werk Loeb Josef Hacohen (1888) XVI 28-56 211-235 XVII

74-95 247-271

51 uarr Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (dt

Uumlbersetzung Wiener)

52 uarr Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) 38-39 (Edit Wiener) 41-42

53 uarr Usque Nachum Israel III (1908) XI-XIII Auch bei Gedalyah Ibn Yachjah Shalshelet ha-

Kabbalah (nach Graetz Geschichte VII (1897) 429 weitere Quellen Graetz ebd 426-430)

54 uarr Siehe Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 20a

55 uarr ldquoSie [die Dominikaner] brachten sogar Muumlnzsorten herbei die sie selbst zuhause beschnitten

hattenldquo Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) S 38 (Edit Wiener) 41

56 uarr Fuumlr vielerlei Hinweise zur hebraumlischen Uumlberlieferung der Vertreibung der franzoumlsischen Juden sei

Dr Abraham David Jerusalem herzlich gedankt

57 uarr Schwarzfuchs History (2001) 269-274 Ben-Shalom Communication (1991) 171-225

58 uarr Abba Mari ben Mose von Lunel Sefer Minchat Qenaot Nr 120 in Shlomo Ibn Adret Tshuvot II

835-836

59 uarr BT Berachot 70a Gemeint ist hier die Philosophie griechischer Tradition die von Abba Mari

besonders bekaumlmpft wurde Shlomo Ibn Adret Teshuvot Bd 2 835 Anmerkung zu Zeile 1 Abba

Mari brachte die Vertreibung der suumldfranzoumlsischen Juden mit deren Hinwendung zur griechischen

Philosophie in Verbindung Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 832 Anmerkung zu Zeile 8

60 uarr Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 835-836 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001) 273

61 uarr Jordan French Monarchy (1989) 195196

62 uarr Saige Juifs (1881) 92

63 uarr Jordan French Monarchy (1989) 205 Saige Juifs (1881) 101-102 308-319 324-325

64 uarr Zu Leben und Werk sowie zu seinem Aufenhalt im Lande Israel siehe Schwarzfuchs History

261 Elbaum Estori ha-Parhi S 918f

65 uarr Zur Bedeutung des hebraumlischen Begriffes Prowentzah der neben der heutigen Provence auch

das Languedoc miteinschloss siehe Gross Gallia Judaica (1887) 489 In diesem Sinne entspricht

Prowentzah der roumlmischen Provincia Narbonnensis In Kontext der Vertreibung der Juden im

Jahre 1306 kann nur das Languedoc gemeint sein

66 uarr Eshtori haParchi Kaftor waFerach 218

67 uarr Schwarzfuchs History (2001) 276-278 Dahan Gersonide (1991)

68 uarr Levi ben Gershom Pirush al ha-Torah

69 uarr Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 153-154

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

30 uarr Oumlsterreichische Reimchronik Verse 91239-91777 1186-1192ldquo die dritten vorderungdie an den

Franzois junctet der kunic Albrehter jach die Juden ze rehtgehocircren daz ricircche an und ander nieman

()ldquo Zu dieser Quelle vgl Ziwes Studien (1995) 33f Anm 16

31 uarr Prima Vita Clementis V 5

32 uarr Quarta Vita Clementis V 62bdquo Anno Domini MCCCVJ in festo sancte Marie Magdalene de

mandato et ordinatione regis Francie fuerunt capti omnes Judei ubique in regno Francie quasi

imperceptibiler una die et confiscata sunt bona ipsorum quecumque potuerunt inveniri fueruntque

a regno expulsi ulterius minime reversurirdquo Vgl auch Sexta Vita Clementis V 92-93bdquo Et etiam in

isto anno in die sancte Marie Magdalene omnes Judei de regno Francie congediati [congregati]

fuerunt et eorum bona omnia extiterunt confiscatardquo

33 uarr Continuatio Guilelmi de Nangis 59 bdquoMense Augusto Rex Philippus omnes Judaeos de Regno

Franciae penitus amp omnino fecit expelli certum regressionis terminum sub poena mortis praesigens

eisdemrdquo

34 uarr Florentii Wigoriensis 192 ldquoBarones cum Londoniensibus Judaismum Londoniae spoliaverunt

multis Judaeis interfectisldquo Siehe auch Mundill England (1998) 41

35 uarr Florentii Wigoriensis 210ldquo Rex die Sancte Calixti synagogam Judaeorum in villa Londoniensi

fratribus de Poenitentia contulit Jesu Christi ()ldquo

36 uarr Ebd 222bdquoApud Norhamtonam () puer quidam a Judaeis crucifixus estrdquo

37 uarr BennerReverchon Juden (2003) 181

38 uarr Rubin Tales (1999) 40-48

39 uarr Mentgen Vertreibungen (1997) 42-44

40 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 64f sieht den Muumlnzbeschneidungsskandal als Folge der Verarmung

der Juden Eine andere Meinung vertritt Mundill England (1998) 195-198 der vor allem auf eine

erfolgreiche Rolle der Juden im Wollhandel verweist

41 uarr Florentii Wigoriensis 221ldquo Rex omnes Judaeos et quosdam Christianos de retonsura aut alia

monetae falsatione convictos fecit suspensi Unde Londoniae CCLX et VII Judaei mortis judicium

subierunt Quidam autem relegati quidam etiam eorum perpetuo sunt carceri adjudicati et quidam

in Anglia remanseruntrdquo Vgl auch Mundill England (1998) 67f sowie uumlber die Zahl der Opfer weiter

oben Anmerkung 36

42 uarr Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 S 20

43 uarr Nach der chronikalischen Uumlberlieferung waren es 267 bzw 269 hingerichtete Juden Eine

Auswertung der auszligerchronikalischen Quellen ergab die Zahl von 298 erhaumlngten Juden Rokeacuteach

Monex I (198890) 98

44 uarr Jordan Monarchy (1989) 182f

45 uarr rdquoVos autre fuistis Engles qui exiverunt de terra eorum quia rotundabatis monetamrdquo in

Shatzmiller Schlomo Ibn Verga (1988) 355 Ders Solidariteacute (1986) 423

46 uarr Shlomo Ibn Verga Shevet Yehudah Teil I (hebr) Teil II (dt Uumlbersetzung)(Edit Wiener) Shevet

Yehudah (Edit Shochat)

47 uarr Zu Leben und Werk Shlomo Ibn Vergas Baer Hearot (1934) 152-179

48 uarr Shevet Yehudah Nr 18 (hebr S 42-43 dt Uumlbers S 84-85) Shevet Yehudah (Edit Shochat)

S 66

49 uarr Shevet Yehudah Nr 20 (hebr 43-45 dt Uumlbers 86-89)

50 uarr Zu Yosef ha-Kohen und seinem Werk Loeb Josef Hacohen (1888) XVI 28-56 211-235 XVII

74-95 247-271

51 uarr Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (dt

Uumlbersetzung Wiener)

52 uarr Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) 38-39 (Edit Wiener) 41-42

53 uarr Usque Nachum Israel III (1908) XI-XIII Auch bei Gedalyah Ibn Yachjah Shalshelet ha-

Kabbalah (nach Graetz Geschichte VII (1897) 429 weitere Quellen Graetz ebd 426-430)

54 uarr Siehe Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 20a

55 uarr ldquoSie [die Dominikaner] brachten sogar Muumlnzsorten herbei die sie selbst zuhause beschnitten

hattenldquo Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) S 38 (Edit Wiener) 41

56 uarr Fuumlr vielerlei Hinweise zur hebraumlischen Uumlberlieferung der Vertreibung der franzoumlsischen Juden sei

Dr Abraham David Jerusalem herzlich gedankt

57 uarr Schwarzfuchs History (2001) 269-274 Ben-Shalom Communication (1991) 171-225

58 uarr Abba Mari ben Mose von Lunel Sefer Minchat Qenaot Nr 120 in Shlomo Ibn Adret Tshuvot II

835-836

59 uarr BT Berachot 70a Gemeint ist hier die Philosophie griechischer Tradition die von Abba Mari

besonders bekaumlmpft wurde Shlomo Ibn Adret Teshuvot Bd 2 835 Anmerkung zu Zeile 1 Abba

Mari brachte die Vertreibung der suumldfranzoumlsischen Juden mit deren Hinwendung zur griechischen

Philosophie in Verbindung Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 832 Anmerkung zu Zeile 8

60 uarr Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 835-836 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001) 273

61 uarr Jordan French Monarchy (1989) 195196

62 uarr Saige Juifs (1881) 92

63 uarr Jordan French Monarchy (1989) 205 Saige Juifs (1881) 101-102 308-319 324-325

64 uarr Zu Leben und Werk sowie zu seinem Aufenhalt im Lande Israel siehe Schwarzfuchs History

261 Elbaum Estori ha-Parhi S 918f

65 uarr Zur Bedeutung des hebraumlischen Begriffes Prowentzah der neben der heutigen Provence auch

das Languedoc miteinschloss siehe Gross Gallia Judaica (1887) 489 In diesem Sinne entspricht

Prowentzah der roumlmischen Provincia Narbonnensis In Kontext der Vertreibung der Juden im

Jahre 1306 kann nur das Languedoc gemeint sein

66 uarr Eshtori haParchi Kaftor waFerach 218

67 uarr Schwarzfuchs History (2001) 276-278 Dahan Gersonide (1991)

68 uarr Levi ben Gershom Pirush al ha-Torah

69 uarr Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 153-154

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

47 uarr Zu Leben und Werk Shlomo Ibn Vergas Baer Hearot (1934) 152-179

48 uarr Shevet Yehudah Nr 18 (hebr S 42-43 dt Uumlbers S 84-85) Shevet Yehudah (Edit Shochat)

S 66

49 uarr Shevet Yehudah Nr 20 (hebr 43-45 dt Uumlbers 86-89)

50 uarr Zu Yosef ha-Kohen und seinem Werk Loeb Josef Hacohen (1888) XVI 28-56 211-235 XVII

74-95 247-271

51 uarr Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) Yosef ha-Kohen Emeq ha-Bachah (dt

Uumlbersetzung Wiener)

52 uarr Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) 38-39 (Edit Wiener) 41-42

53 uarr Usque Nachum Israel III (1908) XI-XIII Auch bei Gedalyah Ibn Yachjah Shalshelet ha-

Kabbalah (nach Graetz Geschichte VII (1897) 429 weitere Quellen Graetz ebd 426-430)

54 uarr Siehe Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Lemberg) Nr 246 20a

55 uarr ldquoSie [die Dominikaner] brachten sogar Muumlnzsorten herbei die sie selbst zuhause beschnitten

hattenldquo Emeq ha-Bachah (Edit Almbladh) S 38 (Edit Wiener) 41

56 uarr Fuumlr vielerlei Hinweise zur hebraumlischen Uumlberlieferung der Vertreibung der franzoumlsischen Juden sei

Dr Abraham David Jerusalem herzlich gedankt

57 uarr Schwarzfuchs History (2001) 269-274 Ben-Shalom Communication (1991) 171-225

58 uarr Abba Mari ben Mose von Lunel Sefer Minchat Qenaot Nr 120 in Shlomo Ibn Adret Tshuvot II

835-836

59 uarr BT Berachot 70a Gemeint ist hier die Philosophie griechischer Tradition die von Abba Mari

besonders bekaumlmpft wurde Shlomo Ibn Adret Teshuvot Bd 2 835 Anmerkung zu Zeile 1 Abba

Mari brachte die Vertreibung der suumldfranzoumlsischen Juden mit deren Hinwendung zur griechischen

Philosophie in Verbindung Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 832 Anmerkung zu Zeile 8

60 uarr Shlomo Ibn Adret Tshuvot II 835-836 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001) 273

61 uarr Jordan French Monarchy (1989) 195196

62 uarr Saige Juifs (1881) 92

63 uarr Jordan French Monarchy (1989) 205 Saige Juifs (1881) 101-102 308-319 324-325

64 uarr Zu Leben und Werk sowie zu seinem Aufenhalt im Lande Israel siehe Schwarzfuchs History

261 Elbaum Estori ha-Parhi S 918f

65 uarr Zur Bedeutung des hebraumlischen Begriffes Prowentzah der neben der heutigen Provence auch

das Languedoc miteinschloss siehe Gross Gallia Judaica (1887) 489 In diesem Sinne entspricht

Prowentzah der roumlmischen Provincia Narbonnensis In Kontext der Vertreibung der Juden im

Jahre 1306 kann nur das Languedoc gemeint sein

66 uarr Eshtori haParchi Kaftor waFerach 218

67 uarr Schwarzfuchs History (2001) 276-278 Dahan Gersonide (1991)

68 uarr Levi ben Gershom Pirush al ha-Torah

69 uarr Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 153-154

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

70 uarr Einleitung zu Pirqe Avot abgedruckt in Loeb Mattatya ha-Yiccedilhari (1883) 154-155 Mattityah

ha-Yizharh Perush 67

71 uarr Schwarzfuchs History (2001) 236

72 uarr Kalonymos ben Kalonymos Even Bochan 102 Zitiert auch bei Schwarzfuchs History (2001)

241

73 uarr Siehe hierzu Schwarzfuchs Expulsion (1967) 482-489 Ders History (2001) 261-262 Jordan

French Monarchy (1989) 200-213 Chazan Medieval Jewry (1973) 191-201

74 uarr Schwarzfuchs History (2001) 273-74

75 uarr Zobel Kezat (1947) 91

76 uarr Schwarzfuchs History (2001) 235 279 mit weiteren Angaben

77 uarr Shlomo Ibn Adret Teshuvot (Edit Wien) Nr 418

78 uarr SchirmannFleischer Hebrew Poetry (1997) 513

79 uarr Itzchak Abarbanel Yeshuot Meshicho fol 46a-b

80 uarr Ibn Verga Schevet Jehuda Nr 21 (hebr 45 dt Uumlbers 89)

81 uarr Usque Nachum Israel III (1903) 21 mit Abweichung in der Datierung und der Erwaumlhnung des

Uumlbertritts eines groszligen Teils der Gemeinde von Toulouse zum Christentum

82 uarr Emek habachah (Almbladh) 42 (Wiener) 46 mit Erwaumlhnung der Bekehrung eines Teils der

Gemeinde von Toulouse

83 uarr Vgl allgemein zur Geschichte der Juden von England Roth History (1989)

84 uarr Hyams interpretiert die Titulierung der Juden als lsquodes Koumlnigsrsquo in erster Linie als Zeichen des

Koumlnigs um Anspruumlche des uumlbrigen Adels abzuwehren Hyams Jews (1996) 182

85 uarr Eleonore von der Provence die Mutter Edwards I konnte 1275 die Juden aus Marlborough

Gloucester Worcester und Cambridge vertreiben ohne dass der Koumlnig nachweislich an dieser

Entscheidung beteiligt war

86 uarr Mundill England (1998) 54-56

87 uarr Ebd 56

88 uarr Ebd 56

89 uarr Ebd 58

90 uarr Hyams Jews (1996) 185

91 uarr Zu den Rechten an den Juden des franzoumlsischen Koumlnigreichs vgl Jordan Jews (1998) 1-16

92 uarr Patschovsky Rechtsverhaumlltnis (1993) 348f

93 uarr BennerReverchon Juden (2003) 184

94 uarr Jordan Monarchy (1996) 38-43

95 uarr Ebd 96

96 uarr Chazan Church (1980) 211f Vgl auch Jordan Monarchy (1989) 94-104 Ders Jews 6f sowie

BennerReverchon Juden (2003) 186

97 uarr Jordan Monarchy (1989) 129-131

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a

98 uarr Layettes No 2083 Uumlbersetzung bei Chazan Church (1980) 213-215 Siehe auch Jordan Jews

1998 3f In den folgenden Jahren verschaumlrfte Ludwig IX durch diverse Anordnungen seine

Bemuumlhungen gegen den Wucher so 1234 als er von den Juden verlangte ohne Wucher zu

arbeiten Vgl Chazan Church (1980) 216f Ebenso ist sein schon oben erwaumlhnter Befehl vom

sechsten Kreuzzug 1254 zu verstehen

99 uarr Yuval Nations 283f

100 uarr Jordan Monarchy (1989) 137-141

101 uarr Uumlber die Vertreibungen der Juden aus den anderen Regionen siehe oben Kapitel II

102 uarr Jordan Monarchy (1989) 187 Die Juden wurden 1269 das erste Mal von Ludwig IX

aufgefordert ein Abzeichen zu tragen Dies wurde 1271 von Philipp III bestaumltigt Vgl Chazan Jewry

(1973) 149-155

103 uarr Ebd 190

104 uarr Ebd 192-194

105 uarr Ebd 198f

106 uarr Hyams Jews (1996) 182f Abulafia Servitude (2000) 691

107 uarr Shatzmiller Shylock (1990) 62-65

108 uarr Gilomen Wucher (1990) 276-283

109 uarr Cluse Zusammenhang (1999) 141

110 uarr Ebd 143

111 uarr Jordan Monarchy (1989) 131f

112 uarr Holtmann Juifs de France (2004) 227-240 Ziwes Studien (1995) 181-193 Burgard Migration

(1992) 50-52 57

113 uarr Guggenheim Gemeinde (2002) 96 Barzen Regionalorganisation (2002) 252Die Edition des

hebraumlischen Textes zukuumlnftig als Teil einer Gesamtedition aller rheinischen Rechtssatzungen in

Rainer Barzen Takkanot Kehillot Schum Die Rechtssatzungen der Gemeinden von Mainz Worms

und Speyer im hohen und spaumlteren Mittelalter

114 uarr Ms Hamburg Staats- und Universitaumltsbibliothek Cod hebr 297 fol 14b-16a

115 uarr Agus Rabbi Meir I (1947) 141 Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 1001

116 uarr Zu Leben und Werk siehe Urbach Baalei ha-Tosafot II (1986) 226-260

117 uarr Agus ebd Meir ben Baruch Tshuvot (Edit Prag-Budapest) Nr 661 Tosafot zu BT Baba Kama

58a