Waidwerk in Franken: Die Jagd im Mittelalter
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Am Ende der Völkerwanderungszeit, als die einzelnen Stämme
sich in festen Territorien angesiedelt hatten und durch die
wachsende Zahl der Genossen zu immer intensiverer Nutzung der
bis dahin nahezu unermesslich erscheinenden Waldflächen,
übergingen, setzte eine Neubewertung des Waldes, der Wald-
nutzung und vor allem auch der Jagd ein.
Man begann das ursprüngliche Gewohnheitsrecht des freien
Tierfangs, aber auch das Rodungsrecht und allgemeine Wald-
nutzungsrecht, das nach germanischer Auffassung in der gemeinen
Mark jedem Markgenossen verbürgt war, einzuschränken. Die
Könige streben nach einer jagdlichen Sonderstellung, die sie auf
der Grundlage des sogenannten ius eremi (20), einem von
römischer Rechtsauffassung abgeleiteten, königlichen Nutzungs-
recht auf unbewohntes Land, mit der Einrichtung von königlichen
Nutzungsbezirken, den sogenannten Bannforsten, auch forestes
genannt, realisierten.
Es gingen auf diese Weise beträchtliche, vielfach bewaldete
Landstriche in den Besitz des Königs über. Die frühesten Hinweise
auf solche Bannforste lassen sich zum einen in den Leges
Ribuariorum (802/803) fassen. Sie erwähnen neben dem
gemeinschaftlichen Wald erstmals einen silva regis (Königswald)
als einzigen, einer einzelnen Person gehörenden Waldbesitz. Noch
früher erwähnt Gregor von Tours im Jahre 590 die Vogesen als silva
regalis (königlicher Wald) (21).
Karl der Große hatte außer seinen ausgedehnten Jagdbezirken in
den Bannforsten, auch noch besondere Wildparks, welche von
einer Mauer umgeben waren und brogilus, frz. breuil, deutsch
Brühl, genannt wurden. Diese Einrichtung wurde im hohen
Mittelalter von vielen Grundherren nachgeahmt.
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Abb. 15 Statue Karls des Großen, 1720 im Auftrag Friedrich Carl von Schönborns auf der Würzburger Mainbrücke errichtet.
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Hinweise auf einen bis in die Zeit merowingischen Herzöge
zurückreichenden Wildpark westlich von Würzburg erhalten wir
mit der Siedlung Erdburg. Sie steht im Zusammenhang mit der
Wüstung Tiergarten (22).
1491 verkaufte Matern von Grumbach an den Probst des
Ritterstiftes St. Burkard, Johann von Allendorf, das gefilde und
wustunge, genant der Tyrgart, der gelegen zwischen den vier
marken ... Eisingen gein dem nidergang, Bütelprun gein
mitternacht, Huchberg gein dem ufgang und gein dem Mittag gein
Erdburg …
Walter Scherzer (23) geht davon aus, dass dieser Tiergarten als
Jagdgehege Ende des 15. Jahrhunderts so verkommen gewesen
war, dass er deshalb als wustunge, also als wüst, bezeichnet wurde
und nicht, weil er - wie für eine Wüstung zu erwarten wäre -jemals
besiedelt gewesen wäre.
Helmut Jäger geht noch einen Schritt weiter und setzt den zwischen
Erbachshof und Waldbüttelbrunn gelegenen Thiergartensumpf,
heutiger Flurname Tiergartenmoor, mit dem in der zweiten
Würzburger Markbeschreibung erwähnten Sumpf im sogenannten
Tiufingestal gleich. Denn der hier angesprochene See ist im
Originaltext durch die kurze Erklärung des Tiufingestales mit ze
demo seuuiu angedeutet. Sebastian Göbel nimmt diese
Interpretation bereits 1904 vorweg: Heute noch, nach mehr als
tausendjähriger Kulturarbeit, ist die Gegend dort, am Ende des
Spitalholzes naß und sumpfig; 1484 heißt eine Wiese beim Hof im
See und noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts dehnte sich an der
Grenze gegen Büttelbrunn der Förstersee oder Forstsee aus.
In einem Brief aus dem 16. Jahrhundert heißt es: ... So er gar
sumpfig, daß er nit gemessen werden konnte. Sollte es sich hierbei
tatsächlich um den seuuiu der am 14.10.779 durch Abgesandte
Karls des Großen verfassten Markbeschreibung handeln und das
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Abb. 16 und 17 Hintergrundbild Tiergartenmoor nördlich von Erbachshof bei Höchberg.
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Tiufingestal tatsächlich mit jenem Thiergarten gleichgesetzt
werden können, der auch in jenem, von Scherzer zitierten Brief aus
dem 15. Jahrhundert erwähnt wird, so dürfte dieser Thiergarten
weit in das frühe Mittelalter zurückreichen und bereits für die
Bewohner des Herrensitzes auf dem Marienberg zur Beschaffung
des Brennholzes, vor allem aber der Jagd gedient haben.
Als jedoch der Marienberg, so Walter Scherzer, am Ende des 10.
Jahrhunderts an das Kloster St. Burkard überging, verloren der
Forst und vor allem der Tiergarten die ehemalige Bedeutung, so
dass der Tiergarten am Ende des 15. Jahrhunderts darniederlag.
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Auch weltliche und geistliche Herren drängten verstärkt auf ein
alleiniges Aneignungsrecht des Nutzwildes, denn mittlerweile waren
an ihren Höfen, Burgen und Klöstern viele Menschen zu ernähren,
zumal frisches Fleisch oft knapp gewesen sein dürfte. Man verstand es
noch nicht, Viehfutter in größerem Umfang zu konservieren, um
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Abb. 18 Auf diesen Salzburger Monatsbildern wird deutlich, dass es im 9. Jahrhundert durchaus noch üblich war, Haustiere im Spätherbst und Winter zu schlachten. Hier beachte man zudem den Falkner, der für den Februar bezeugt ist. Die Miniaturen dieser Handschrift gehören zu den ältesten bekannten Monatsbildzyklen, sie stammen aus der Zeit um 818.
damit über den Winter zu kommen. Daher wurde das nicht zur
Zucht benötigte Vieh im Spätherbst geschlachtet und
eingepökelt. Hinzu kam, dass der Wald mittlerweile als
Kulturhindernis galt, dessen Rodung als Vorbedingung für eine
wirtschaftliche Weiterentwicklung angesehen wurde. Noch bis
zum Ende des Mittelalters erschien daher der Kampf gegen den
Wald als ein verdienstvolles Werk und eine Voraussetzung für
weitere Fortschritte in der Kultivierung des Landes. Rodungen
in großem Maße aber waren für den einzelnen Markgenossen
nicht durchführbar. Sie wurden erst Mitte des 8. Jahrhunderts
von größeren sozialen Mächten, welche sich unter den
veränderten politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen
herausgebildet hatten, in die Hand genommen. Zu diesen
Mächten zählten vor allem die Kirche und die Klöster. Sie
waren die Speerspitze bei Landesausbau und Kolonisation
deutscher Gebiete.
Es gibt Überlegungen, ob nicht die Wirtschaft der Klöster in der
ältesten Zeit sogar grundsätzlich auf Rodung und Bebauung
wüster Strecken ausgerichtet gewesen war. Fränkische
Lokalsagen wissen von dieser Phase der Klostergründungen bis
auf den heutigen Tag zu berichten. Für die Gründung Eichstätts,
des neben Würzburg wohl wichtigsten Bischoffsitzes, bevor das
Bistum Bamberg gegründet wurde, wird folgendes erzählt:
In einer verwirrten Wildnis hat St. Willibald, der ein Sohn
Herzogs Richard von Schwaben war, anno 740 diese Stadt
angefangen zu bauen. Und fünf Jahre danach hat der heilige
Bonifatius dorthin einen Bischofssitz gelegt. ... St. Willibald hat
auch eine Schwester gehabt mit Namen Walpurga. Sie hat an
dem Ort ein Jungfrauenkloster gestiftet, … , diese Stätte ist an
der Altmühl gelegen, eben dort, wo Willibald vom hl. Bonifatius
als erster Bischof eingesetzt war. Dort an der Altmühl hat er
einen Eichenwald gerodet und ein Kloster des
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Benediktinerordens hingebaut. Als nach und nach viele Leute
dahin kamen, geistliche und weltliche, ist aus diesem Ort eine Stadt
erwachsen und nach den abgehauenen Eichenstämmen Eichstätt
genannt worden. Sie ist samt dem Stift von Markgraf Albrecht 1552
gebrandschatzt worden (24).Hierbei sollen nicht wenige der klösterlichen wie weltlichen
Gründungen Karls des Großen, so auch im heutigen Franken, der
Jagdleidenschaft des Frankenkaisers zu verdanken sein.
Jean Mabillon zählt im ausgehenden 17. Jahrhundert die auf eine
entsprechende Gründung zurückgehenden Städte und Stätten wie
folgt auf: Quid quondam Corbeia? Quid Brema, modo urbes in
Saxonia? quid Fritzlaria? quid Herschfeldum, oppidum in
thuringia aut potius in Hassia? quid Salisburgium, Frisinga,
Eichstadium, urbes episcopales in Boioaria? quid oppida S. Galli et
Camipdona apud helvetios? quid numerosa alia oppida in tota
Germania? horridae quondam solitudines ferarum, nuc
amoenissima diversoria hominum (25).
Abb. 19 St. Willibrord oder Willibald, Abbildung im Gestühl der Stifts-kirche St. Burkard in Würzburg.
Abb. 20 St. Bonifatius, Abbildung im Gestühl der Stiftskirche St. Burkard in Würzburg.
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Es ist bezeichnend für den Waldreichtum Franken, dass im 13.
Jahrhundert, als in den rheinischen Gebieten erste Versuche zur
Rodungsbeschränkung gemacht wurden, im Bistum Würzburg
noch ausgedehnte Landschenkungen zur Kultivierung stattfanden.
Die großen geistlichen und weltlichen Grundbesitzer, in deren
Händen sich der weitaus größte Teil des noch unbebauten Landes
befand, setzten dieses in den früheren Jahrhunderten begonnene
Werk eifrig fort. Vor allem die in immer größerer Anzahl
gegründeten Klöster und der geistliche Ritterorden förderten diese
Rodungen und den Landesausbau ab dem 10. Jahrhundert. Adam
Friedrich Schwappach geht soweit, dass er die Klöster als
Rodeanstalten bezeichnet. Diese vermehrten in dem selben Maß in
welchem die Rodung voranschritt, zugleich das Einkommen der
Herrschergeschlechter, schon dadurch, dass die Zahl der Vogtei-
und Abgabepflichtigen stieg. Das war vor allem überall dort der
Fall, wo der Stifter und seine Nachkommen, die Vogtei in Händen
behalten hatten (26). Die Folge der zunehmenden Rodungen und
der sich bedeutend vermehrenden Bevölkerung war, dass der
Wildbestand geringer wurde und erste Arten ausstarben.
Noch 732 verlangt Papst Gregor II. von Bonifatius, er solle den
Genuss des Fleisches der equi silvestri (Waldpferde) - einen
heidnischen Brauch - verbieten, ein Zeichen, dass das Waldpferd
im 8. Jahrhundert noch relativ häufig anzutreffen war.
Doch verschwand es bereits im Verlauf des Mittelalters aus Süd-
und Mitteldeutschland und wurde in den weniger bevölkerten
Nordosten abgedrängt. In Ostpreussen wurde das Waldpferd noch
im 15. Jahrhundert regelmäßig bejagt. Die Jagdrecht verleihende
Urkunde für Lyck (heute Elk, Polen) aus dem Jahr 1425 erwähnt
unter den Teilen der Jagdbeute, die an den Orden abzuliefern war,
neben hircthaut auch roshawt (Hirsch- und Roßleder).
Er ist ein wildes, kräftiges Thier, das stark nach Moschus riecht.
Seine Farbe ist braun; die Hörner sind kurz und dick; Kopf und
Hals stark behaart; das Haar um die Ohren und Stirn starr und
kraus, an der Unterkinnlade in einen Bart auslaufend; die Stirn
gewölbt, mehr breit als hoch und der Rücken vorn mit einem
Höcker versehen. Er ist gewöhnlich über sieben Fuß lang und fünf
Fuß hoch, muss aber, nach den aufgefundenen Skeletten zu
urtheilen, in der Vorzeit viel größer gewesen sein, wie sich auch aus
den, aus früherer Zeit stammenden, gewöhnlich zu Trinkgefäßen
benutzten Hörnern desselben annehmen läßt. Häufig hat man ihn
als die Stammrasse der zahmen Rinder angesehen; allein sehr mit
Unrecht, da diese in ihrem ganzen Baue von ihm bedeutend
abweichen.
Abb. 21 Sigismund von Herberstein, Auerochse, 1556; Titel: Urus sum, polonis Tur, germanis Aurox: ignari Bisontis nomen dederant (Ich bin der Ur, polnisch Tur, deutsch der Auerochs, Unwissende nennen mich Bison).
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Jagdausübung im Mittelalter Das Schicksal der Ausrottung teilten die beiden Wildrinder und der
Elch. Wobei letztere sich in Süddeutschland doch länger hielten als
die Waldpferde. Aus Brehms Tierleben erfahren wir zum
Auerochsen:
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Das Nibelungenlied, entstanden am Beginn des 13. Jahrhunderts,
kennt noch die genannten Tierarten in seiner Jagd (51).
Darnach schlug er wieder ein Wisent und einen Elk / Starker Auer
viere und einen grimmen Schelk (Nibelungen XVI. 937) An diesem
Schelck des Niebelungenliedes wurde viel herum gedeutet.
Vorgeschlagen wurden z. B. Ren und Riesenhirsch, zwei
Wildarten, die aber in Mitteleuropa nicht mehr heimisch waren. Es
ist anzunehmen, dass es sich um eine weitere Bezeichnung für den
Elch handelt. In diesem Fall würde das Beiwort grimm vielleicht
einen starken Schaufler bezeichnen. Am Ende des Mittelalters
finden sich sowohl der Elch als auch die beiden Wildrinder nur
noch in den ostpreußischen und polnischen Wäldern. In den
Urkunden des Kaisers Otto des Großen aus dem Jahr 943 wird
geboten, dass niemand ohne Erlaubnis des Bischofs Balderich in
den Forsten von Drenthe am Niederrhein Hirsche, Bären, Rehe,
Eber und jene wilden Tiere jagen dürfe, welche in der deutschen
Sprache Elo oder Schelo heißen.
Abb. 22 Elch-Paar im Bayerischen Wald: Erstmals seit Jahrzehnten wurde im Bayerischen Wald wieder ein Elch-Paar gesichtet, Es stammt nicht aus einem privaten Gehege. Nachdem die Tiere geschützt wurden, breiten sie sich offenbar über Polen zurück nach Mitteleuropa aus. So tauchten in den vergangenen Jahren immer wieder Elche im Bayerischen Wald nahe der Grenze zu Tschechien auf. Nachricht in der Augsburger Allgemeinen vom 15. Oktober 2013.
Dasselbe Verbot findet sich noch in einer Urkunde Heinrichs II. aus
dem Jahr 1006 und in einer andern von Konrad II. aus dem Jahr
1025. Noch im 17., möglicherweise sogar im 18. Jahrhundert ist
Elch-Wild noch gelegentlich in Sachsen und Schlesien
vorgekommen. In Sachsen wurde der letzte Elch im Jahre 1746, in
Schlesien der letzte im Jahre 1776 erlegt (27). Von den größeren
Tiergattungen werden in den verschiedenen Urkunden namentlich
Rotwild, Schwarzwild, Bären, Wölfe und Gemsen erwähnt. Doch
wurden auch neue Tierarten ausgewildert. Fasanen, welche in
karolingischer Zeit nur an den Höfen gezüchtet wurden, kamen im
14. Jahrhundert bereits in Südwestdeutschland und im 15.
Jahrhundert auch im Oberinntal in freier Wildbahn vor.
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Im 12. Jahrhundert wurden Pfeil und Bogen allmählich von der
Armbrust ersetzt. Sie wird im 13. Jahrhundert im Sachsenspiegel
erwähnt.
Sue so durch den ban vorst rit, sin boge unde sin armbrust sal
ungespanen sin, sin koker sal bedan sin, sine winde unde sine
bracken salen upgevangen sin und sine hunde gekoppelt
(Sachsenspiegel II. 31. Par. 3) (30).
In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts begann man das
Feuergewehr auch auf der Jagd zu verwenden, allerdings war es
noch unhandlich und wenig treffsicher. Legendär wurde die
Erzählung aus der Jugendzeit Maximilians I., der mit seinem
Stachlin pogen (Armbrust) besser schießen konnte, als sein Gehilfe
mit der Büchse:
Nun was ein Gembspockh, in ain gar hoche Stainwandt
eingestanden, die kein Gembsen-Jeger, wol mit dem schaft mocht
aufwerffn, unndt als gejaidt ain Enndt het, was derselb
Gembspockh, in der hochen Stainwandt gesehen, Der kunig hat bey
Ime, gar einen gueten puxenschutzen mit namen Jorg Purgkhart,
der kundt mit der handpuxen, insonderheit wol schiessen. Also hieß
der kunig denselben Er solle mit seiner puchsen, denselben
Gembspockh schiessn, darauf gab er dem kunig Antwort, der
Gembspockh stundt zu hoch, und moecht den mit der puxen nit
erreichen, Da nam der kunig seinen Stachlin pogen, in sein handt,
und sprach seckt auf, Ich wil den Gembspock, mit meinen Stachlin
pogen schiessen. und erschoss als denselben Gembspockh, in dern
Ersten schuss, darab die, so darbey waren gross wunder namen,
dann derselb Gembspoch auf hundert klaffter hoch stund (28).
Abb. 23 Das Jagdbuch Kaiser Maximilians I. Illustration zum Kapitel Gemsjagen, deutlich erkennbar ist die Jagd mit dem Jagdschaft, der auch im nebenstehenden Zitat des Weißkunig als schaft erwähnt wird. Er ist die gängige Jagdwaffe der Gebirgsjäger.
Jagdwaffen und Jagdmethoden
im Mittelalter
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Abb. 24 Saujagd mit Saufeder, Holzschnitt, Wolf Helmhardt von Hohberg, Nürnberg 1695.
Seit dem frühen Mittelalter haben sich die Jagdwaffen und Fanggeräte wenig verändert, von
Verbesserungen und Neuerungen abgesehen. Wurfspieß und Bogen dienten weiterhin als
Fernwaffen. Der schwere Speer, die spätere Saufeder, erhält unterhalb der eisernen Spitze ein
Querholz. Es war vielfach aus Hirschhorn gefertigt und konnte lose an einem Lederriemen
angebunden sein, um ein Anhaken der Zweige zu verhindern. Gelegentlich wird auch nur die eiserne
Spitze als Saufeder bezeichnet, der ganze Spieß konnte auch Ger genannt werden, die ursprüngliche
Bezeichnung des Wurfspießes. Charakteristisch für die Saufeder sind die Aufhalter, das konnten
neben der erwähnten Parierstange auch metallene, mit der Tülle verbundene Flügel sein.
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Abb. 27 Saufeder Friedrichs IV. von Tyrol (1382-1439), aus dem Jahr 1430. Kunsthistorisches Museum Wien, Inschrift dux federic(us) bzw. dux avstrie.
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Sie verhindern das Durchstoßen des Jagdwildes und sorgen für den nötigen Sicherheitsabstand. Die scharfe Spitze
der Saufeder soll nach dem Auflaufen des Wildes möglichst umgehend die Kammer (das Herz) durchstoßen und so
nachhaltig verletzen, daß rasch der Tod eintritt. Die Saufeder ist nach deutschem Jagdrecht heute noch zur Jagd
zugelassen. Sie wird gelegentlich noch verwendet, um die Jagdhunde nicht versehentlich durch Schüsse zu
verwunden. Das Erlegen eines Keilers mit der Saufeder galt seit der Antike als eine königliche Mutprobe. Denn
sollte das Tier abkommen, gerät der Jäger ernsthaft in Lebensgefahr. Dass diese gefährliche Jagdmethode auch im
frühmittelalterlichen Franken praktiziert wurde, belegt eine Flügellanzenspitze, die mit ihren, mit der Tülle
verbundenen, mit Längsrillen verzierten Aufhaltern, den sog. Flügeln, wohl als frühe fränkische Saufeder
angesprochen werden darf. Sie stammt aus Giebelstadt-Sulzdorf (Kr. Würzburg) und befindet sich heute in der
Archäologischen Staatssammlung München.
Abb. 25 Sauhatz, Kupferstich 1574, Johannes Stradamus, (1536-1605).
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Abb. 41 Flügellanzenspitze aus Giebelstadt-Sulzdorf (Kr. Würzburg), Archäologische Staatssammlung München.
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Der Pfeil verdrängt zunehmend den Wurfspieß, germanisch Ger,
im Parzival auch Gabilot genannt. Der seit früher Vorzeit als
Jagdwaffe eingesetzte, hölzerne Bogen wird in seiner Wirkung
durch immer kunstvollere Zusammensetzung aus Holz- und
Hornstücken optimiert.
Besonders begehrt als Holz hierfür war im Hoch- und
Spätmittelalter das zähe und elastische Holz der Eibe. Das
Verschwinden dieser langsam wachsenden Holzart wird in der
Literatur zum Teil aus ihrem massenhaften Verbrauch zu
Bogenholz erklärt. Vor allem im späteren Mittelalter wurden
zunehmend elastische Bögen verwendet, die man beim Warten auf
das Wild längere Zeit gespannt halten konnte, ohne zu ermüden.
So beliebt wie Pfeil und Boden bei der Jagd, so mannigfach sind
auch die Darstellungen in der Kunst. Bereits in der Antike wird die
griechische Göttin der Jagd, Artemis stets mit ihrem mit Pfeilen
gefüllten Köcher und dem Bogen abgebildet. Hochgeschürzt
streifte sie jungfräulich durch die Wälder. Ihre Projektile sorgten
für Erlösung vom Leid durch einen schnellen Tod, andererseits
wacht sie als Schwester Apolls und Tochter Letos über das Leben
und die Geburt.
Die Darstellung der Artemis, oder wie sie bei den Römern hieß, der
Diana, ist ein beliebtes Motiv vom spätantiken bis zum
Bildprogramm des Spätbarock. Wird sie in Spätantike und frühem
Mittelalter noch als Herrin der Tiere wiedergegeben, so begegnet
sie uns später vor allem in Verbindung mit dem Akteion-Mythos.
Akteion war ein Götterliebling und viel gerühmter Jäger, der auf
einem seiner Streifzüge allerdings nicht darauf verzichtete,
Artemis im Bade zu beobachten. Dies bekam ihm schlecht, zur
Strafe in einen Hirsch verwandelt, zerrissen ihn seine eigenen
Hunde.
Abb. 28 Die sogenannte Diana von Versailles, Zeichnung einer römischen Kopie des 1.-2. Jh., nach griechischem Vorbild des Leochares aus dem 4. Jahrhundert v. Chr.
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Abb. 29 Spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Armbrustbolzen, Leihgaben aus fränkischem Privatbesitz.
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Eine wesentliche Verbesserung des einfachen Bogens bildete die
Armbrust, die als Jagdwaffe im 13. Jahrhundert in Gebrauch kam.
Die Sehne der Armbrust wurde in einer Arretiervorrichtung
gehalten. Das war anfangs eine runde Scheibe mit 2 Kerben, in
deren obere die Sehne eingriff, in die untere der Abzug. Zum
Spannen bediente man sich eines Hebels. Als Geschoss diente
neben dem spitzen auch der stumpfe Bolzen und später Kugeln aus
gebranntem Ton oder Lehm. Für diese Geschosskugeln wurde eine
Doppelsehne mit dazwischen liegendem Aufnahmeleder für die
Kugel benötigt.
Abb. 30 Bild unten: Zwei Armbrüste frühes 16. Jahrhundert, auf der Säule Elfenbeineinlagen mit Jagd- und mythologischen Darstellungen; Leihgabe aus fränkischem Familienbesitz; Bild oben: Detail.
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Das Schwert diente auf der Jagd dem
Abfangen des Wildes. Das Jagdschwert lief
daher in eine scharfe Spitze aus. Nur der
Herrenjäger trug auch auf der Jagd das
Schwert. Das Jagdpersonal führte indessen
nur das Messer, welches primär dem
Zerwirken des Wildes diente. Der Brauch,
das Jagdmesser mit dem Hirschfänger an
einer Scheide zu tragen, soll auf Kaiser
Maximilian I. zurückgehen, der das Messer
auf der Scheide des Jagdschwertes getragen
haben soll.
Als weitere neue Jagdwaffe des Mittelalters
wird der Cippus erwähnt. Es dürfte sich
hierbei um einen spitzen Pfahl handeln, an
welchem sich das Wild aufspießte. Ob
dieser als Leggeschoss oder in Verbindung
mit Fallgruben angewendet wurde, ist den
Quellen nicht mit letzter Sicherheit zu
entnehmen. Es wäre aber auch denkbar,
dass es sich hierbei um den Jagdschaft der
Gebirgsjäger handelte, mit welchem im
Hochgebirge die Gemsen und Steinböcke
bejagt wurden.
Abb. 31 Waidmesser, Waydprachse oder Weyde Meßer, Einsteckmesser und Pfriem, Mitte 19. Jahrhundert, Leihgabe aus fränkischem Familienbesitz.
Abb. 32 Ehrenhirschfänger mit damaszierter Hohlklinge aus Silber aus fränkischem Privatbesitz.
Abb. 33 Ein kapitaler Eber wird von den Hunden gepackt und vom Pferd aus mit dem Jagdschwert abgefangen, Holzschnitt von Lukas Cranach d. Ä. (1472-1553).
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