Waidwerk in Franken: Die Jagd im Mittelalter

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Am Ende der Völkerwanderungszeit, als die einzelnen Stämme sich in festen Territorien angesiedelt hatten und durch die wachsende Zahl der Genossen zu immer intensiverer Nutzung der bis dahin nahezu unermesslich erscheinenden Waldflächen, übergingen, setzte eine Neubewertung des Waldes, der Wald- nutzung und vor allem auch der Jagd ein. Man begann das ursprüngliche Gewohnheitsrecht des freien Tierfangs, aber auch das Rodungsrecht und allgemeine Wald- nutzungsrecht, das nach germanischer Auffassung in der gemeinen Mark jedem Markgenossen verbürgt war, einzuschränken. Die Könige streben nach einer jagdlichen Sonderstellung, die sie auf der Grundlage des sogenannten ius eremi (20), einem von römischer Rechtsauffassung abgeleiteten, königlichen Nutzungs- recht auf unbewohntes Land, mit der Einrichtung von königlichen Nutzungsbezirken, den sogenannten Bannforsten, auch forestes genannt, realisierten. Es gingen auf diese Weise beträchtliche, vielfach bewaldete Landstriche in den Besitz des Königs über. Die frühesten Hinweise auf solche Bannforste lassen sich zum einen in den Leges Ribuariorum (802/803) fassen. Sie erwähnen neben dem gemeinschaftlichen Wald erstmals einen silva regis (Königswald) als einzigen, einer einzelnen Person gehörenden Waldbesitz. Noch früher erwähnt Gregor von Tours im Jahre 590 die Vogesen als silva regalis (königlicher Wald ) (21). Karl der Große hatte außer seinen ausgedehnten Jagdbezirken in den Bannforsten, auch noch besondere Wildparks , welche von einer Mauer umgeben waren und brogilus, frz. breuil, deutsch Brühl, genannt wurden. Diese Einrichtung wurde im hohen Mittelalter von vielen Grundherren nachgeahmt. 14 Abb. 15 Statue Karls des Großen, 1720 im Auftrag Friedrich Carl von Schönborns auf der Würzburger Mainbrücke errichtet. Die Jagd im Mittelalter

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Am Ende der Völkerwanderungszeit, als die einzelnen Stämme

sich in festen Territorien angesiedelt hatten und durch die

wachsende Zahl der Genossen zu immer intensiverer Nutzung der

bis dahin nahezu unermesslich erscheinenden Waldflächen,

übergingen, setzte eine Neubewertung des Waldes, der Wald-

nutzung und vor allem auch der Jagd ein.

Man begann das ursprüngliche Gewohnheitsrecht des freien

Tierfangs, aber auch das Rodungsrecht und allgemeine Wald-

nutzungsrecht, das nach germanischer Auffassung in der gemeinen

Mark jedem Markgenossen verbürgt war, einzuschränken. Die

Könige streben nach einer jagdlichen Sonderstellung, die sie auf

der Grundlage des sogenannten ius eremi (20), einem von

römischer Rechtsauffassung abgeleiteten, königlichen Nutzungs-

recht auf unbewohntes Land, mit der Einrichtung von königlichen

Nutzungsbezirken, den sogenannten Bannforsten, auch forestes

genannt, realisierten.

Es gingen auf diese Weise beträchtliche, vielfach bewaldete

Landstriche in den Besitz des Königs über. Die frühesten Hinweise

auf solche Bannforste lassen sich zum einen in den Leges

Ribuariorum (802/803) fassen. Sie erwähnen neben dem

gemeinschaftlichen Wald erstmals einen silva regis (Königswald)

als einzigen, einer einzelnen Person gehörenden Waldbesitz. Noch

früher erwähnt Gregor von Tours im Jahre 590 die Vogesen als silva

regalis (königlicher Wald) (21).

Karl der Große hatte außer seinen ausgedehnten Jagdbezirken in

den Bannforsten, auch noch besondere Wildparks, welche von

einer Mauer umgeben waren und brogilus, frz. breuil, deutsch

Brühl, genannt wurden. Diese Einrichtung wurde im hohen

Mittelalter von vielen Grundherren nachgeahmt.

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Abb. 15 Statue Karls des Großen, 1720 im Auftrag Friedrich Carl von Schönborns auf der Würzburger Mainbrücke errichtet.

Die Jagd im Mittelalter

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Hinweise auf einen bis in die Zeit merowingischen Herzöge

zurückreichenden Wildpark westlich von Würzburg erhalten wir

mit der Siedlung Erdburg. Sie steht im Zusammenhang mit der

Wüstung Tiergarten (22).

1491 verkaufte Matern von Grumbach an den Probst des

Ritterstiftes St. Burkard, Johann von Allendorf, das gefilde und

wustunge, genant der Tyrgart, der gelegen zwischen den vier

marken ... Eisingen gein dem nidergang, Bütelprun gein

mitternacht, Huchberg gein dem ufgang und gein dem Mittag gein

Erdburg …

Walter Scherzer (23) geht davon aus, dass dieser Tiergarten als

Jagdgehege Ende des 15. Jahrhunderts so verkommen gewesen

war, dass er deshalb als wustunge, also als wüst, bezeichnet wurde

und nicht, weil er - wie für eine Wüstung zu erwarten wäre -jemals

besiedelt gewesen wäre.

Helmut Jäger geht noch einen Schritt weiter und setzt den zwischen

Erbachshof und Waldbüttelbrunn gelegenen Thiergartensumpf,

heutiger Flurname Tiergartenmoor, mit dem in der zweiten

Würzburger Markbeschreibung erwähnten Sumpf im sogenannten

Tiufingestal gleich. Denn der hier angesprochene See ist im

Originaltext durch die kurze Erklärung des Tiufingestales mit ze

demo seuuiu angedeutet. Sebastian Göbel nimmt diese

Interpretation bereits 1904 vorweg: Heute noch, nach mehr als

tausendjähriger Kulturarbeit, ist die Gegend dort, am Ende des

Spitalholzes naß und sumpfig; 1484 heißt eine Wiese beim Hof im

See und noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts dehnte sich an der

Grenze gegen Büttelbrunn der Förstersee oder Forstsee aus.

In einem Brief aus dem 16. Jahrhundert heißt es: ... So er gar

sumpfig, daß er nit gemessen werden konnte. Sollte es sich hierbei

tatsächlich um den seuuiu der am 14.10.779 durch Abgesandte

Karls des Großen verfassten Markbeschreibung handeln und das

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Abb. 16 und 17 Hintergrundbild Tiergartenmoor nördlich von Erbachshof bei Höchberg.

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Tiufingestal tatsächlich mit jenem Thiergarten gleichgesetzt

werden können, der auch in jenem, von Scherzer zitierten Brief aus

dem 15. Jahrhundert erwähnt wird, so dürfte dieser Thiergarten

weit in das frühe Mittelalter zurückreichen und bereits für die

Bewohner des Herrensitzes auf dem Marienberg zur Beschaffung

des Brennholzes, vor allem aber der Jagd gedient haben.

Als jedoch der Marienberg, so Walter Scherzer, am Ende des 10.

Jahrhunderts an das Kloster St. Burkard überging, verloren der

Forst und vor allem der Tiergarten die ehemalige Bedeutung, so

dass der Tiergarten am Ende des 15. Jahrhunderts darniederlag.

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Auch weltliche und geistliche Herren drängten verstärkt auf ein

alleiniges Aneignungsrecht des Nutzwildes, denn mittlerweile waren

an ihren Höfen, Burgen und Klöstern viele Menschen zu ernähren,

zumal frisches Fleisch oft knapp gewesen sein dürfte. Man verstand es

noch nicht, Viehfutter in größerem Umfang zu konservieren, um

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Abb. 18 Auf diesen Salzburger Monatsbildern wird deutlich, dass es im 9. Jahrhundert durchaus noch üblich war, Haustiere im Spätherbst und Winter zu schlachten. Hier beachte man zudem den Falkner, der für den Februar bezeugt ist. Die Miniaturen dieser Handschrift gehören zu den ältesten bekannten Monatsbildzyklen, sie stammen aus der Zeit um 818.

damit über den Winter zu kommen. Daher wurde das nicht zur

Zucht benötigte Vieh im Spätherbst geschlachtet und

eingepökelt. Hinzu kam, dass der Wald mittlerweile als

Kulturhindernis galt, dessen Rodung als Vorbedingung für eine

wirtschaftliche Weiterentwicklung angesehen wurde. Noch bis

zum Ende des Mittelalters erschien daher der Kampf gegen den

Wald als ein verdienstvolles Werk und eine Voraussetzung für

weitere Fortschritte in der Kultivierung des Landes. Rodungen

in großem Maße aber waren für den einzelnen Markgenossen

nicht durchführbar. Sie wurden erst Mitte des 8. Jahrhunderts

von größeren sozialen Mächten, welche sich unter den

veränderten politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen

herausgebildet hatten, in die Hand genommen. Zu diesen

Mächten zählten vor allem die Kirche und die Klöster. Sie

waren die Speerspitze bei Landesausbau und Kolonisation

deutscher Gebiete.

Es gibt Überlegungen, ob nicht die Wirtschaft der Klöster in der

ältesten Zeit sogar grundsätzlich auf Rodung und Bebauung

wüster Strecken ausgerichtet gewesen war. Fränkische

Lokalsagen wissen von dieser Phase der Klostergründungen bis

auf den heutigen Tag zu berichten. Für die Gründung Eichstätts,

des neben Würzburg wohl wichtigsten Bischoffsitzes, bevor das

Bistum Bamberg gegründet wurde, wird folgendes erzählt:

In einer verwirrten Wildnis hat St. Willibald, der ein Sohn

Herzogs Richard von Schwaben war, anno 740 diese Stadt

angefangen zu bauen. Und fünf Jahre danach hat der heilige

Bonifatius dorthin einen Bischofssitz gelegt. ... St. Willibald hat

auch eine Schwester gehabt mit Namen Walpurga. Sie hat an

dem Ort ein Jungfrauenkloster gestiftet, … , diese Stätte ist an

der Altmühl gelegen, eben dort, wo Willibald vom hl. Bonifatius

als erster Bischof eingesetzt war. Dort an der Altmühl hat er

einen Eichenwald gerodet und ein Kloster des

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Benediktinerordens hingebaut. Als nach und nach viele Leute

dahin kamen, geistliche und weltliche, ist aus diesem Ort eine Stadt

erwachsen und nach den abgehauenen Eichenstämmen Eichstätt

genannt worden. Sie ist samt dem Stift von Markgraf Albrecht 1552

gebrandschatzt worden (24).Hierbei sollen nicht wenige der klösterlichen wie weltlichen

Gründungen Karls des Großen, so auch im heutigen Franken, der

Jagdleidenschaft des Frankenkaisers zu verdanken sein.

Jean Mabillon zählt im ausgehenden 17. Jahrhundert die auf eine

entsprechende Gründung zurückgehenden Städte und Stätten wie

folgt auf: Quid quondam Corbeia? Quid Brema, modo urbes in

Saxonia? quid Fritzlaria? quid Herschfeldum, oppidum in

thuringia aut potius in Hassia? quid Salisburgium, Frisinga,

Eichstadium, urbes episcopales in Boioaria? quid oppida S. Galli et

Camipdona apud helvetios? quid numerosa alia oppida in tota

Germania? horridae quondam solitudines ferarum, nuc

amoenissima diversoria hominum (25).

Abb. 19 St. Willibrord oder Willibald, Abbildung im Gestühl der Stifts-kirche St. Burkard in Würzburg.

Abb. 20 St. Bonifatius, Abbildung im Gestühl der Stiftskirche St. Burkard in Würzburg.

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Es ist bezeichnend für den Waldreichtum Franken, dass im 13.

Jahrhundert, als in den rheinischen Gebieten erste Versuche zur

Rodungsbeschränkung gemacht wurden, im Bistum Würzburg

noch ausgedehnte Landschenkungen zur Kultivierung stattfanden.

Die großen geistlichen und weltlichen Grundbesitzer, in deren

Händen sich der weitaus größte Teil des noch unbebauten Landes

befand, setzten dieses in den früheren Jahrhunderten begonnene

Werk eifrig fort. Vor allem die in immer größerer Anzahl

gegründeten Klöster und der geistliche Ritterorden förderten diese

Rodungen und den Landesausbau ab dem 10. Jahrhundert. Adam

Friedrich Schwappach geht soweit, dass er die Klöster als

Rodeanstalten bezeichnet. Diese vermehrten in dem selben Maß in

welchem die Rodung voranschritt, zugleich das Einkommen der

Herrschergeschlechter, schon dadurch, dass die Zahl der Vogtei-

und Abgabepflichtigen stieg. Das war vor allem überall dort der

Fall, wo der Stifter und seine Nachkommen, die Vogtei in Händen

behalten hatten (26). Die Folge der zunehmenden Rodungen und

der sich bedeutend vermehrenden Bevölkerung war, dass der

Wildbestand geringer wurde und erste Arten ausstarben.

Noch 732 verlangt Papst Gregor II. von Bonifatius, er solle den

Genuss des Fleisches der equi silvestri (Waldpferde) - einen

heidnischen Brauch - verbieten, ein Zeichen, dass das Waldpferd

im 8. Jahrhundert noch relativ häufig anzutreffen war.

Doch verschwand es bereits im Verlauf des Mittelalters aus Süd-

und Mitteldeutschland und wurde in den weniger bevölkerten

Nordosten abgedrängt. In Ostpreussen wurde das Waldpferd noch

im 15. Jahrhundert regelmäßig bejagt. Die Jagdrecht verleihende

Urkunde für Lyck (heute Elk, Polen) aus dem Jahr 1425 erwähnt

unter den Teilen der Jagdbeute, die an den Orden abzuliefern war,

neben hircthaut auch roshawt (Hirsch- und Roßleder).

Er ist ein wildes, kräftiges Thier, das stark nach Moschus riecht.

Seine Farbe ist braun; die Hörner sind kurz und dick; Kopf und

Hals stark behaart; das Haar um die Ohren und Stirn starr und

kraus, an der Unterkinnlade in einen Bart auslaufend; die Stirn

gewölbt, mehr breit als hoch und der Rücken vorn mit einem

Höcker versehen. Er ist gewöhnlich über sieben Fuß lang und fünf

Fuß hoch, muss aber, nach den aufgefundenen Skeletten zu

urtheilen, in der Vorzeit viel größer gewesen sein, wie sich auch aus

den, aus früherer Zeit stammenden, gewöhnlich zu Trinkgefäßen

benutzten Hörnern desselben annehmen läßt. Häufig hat man ihn

als die Stammrasse der zahmen Rinder angesehen; allein sehr mit

Unrecht, da diese in ihrem ganzen Baue von ihm bedeutend

abweichen.

Abb. 21 Sigismund von Herberstein, Auerochse, 1556; Titel: Urus sum, polonis Tur, germanis Aurox: ignari Bisontis nomen dederant (Ich bin der Ur, polnisch Tur, deutsch der Auerochs, Unwissende nennen mich Bison).

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Jagdausübung im Mittelalter Das Schicksal der Ausrottung teilten die beiden Wildrinder und der

Elch. Wobei letztere sich in Süddeutschland doch länger hielten als

die Waldpferde. Aus Brehms Tierleben erfahren wir zum

Auerochsen:

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Das Nibelungenlied, entstanden am Beginn des 13. Jahrhunderts,

kennt noch die genannten Tierarten in seiner Jagd (51).

Darnach schlug er wieder ein Wisent und einen Elk / Starker Auer

viere und einen grimmen Schelk (Nibelungen XVI. 937) An diesem

Schelck des Niebelungenliedes wurde viel herum gedeutet.

Vorgeschlagen wurden z. B. Ren und Riesenhirsch, zwei

Wildarten, die aber in Mitteleuropa nicht mehr heimisch waren. Es

ist anzunehmen, dass es sich um eine weitere Bezeichnung für den

Elch handelt. In diesem Fall würde das Beiwort grimm vielleicht

einen starken Schaufler bezeichnen. Am Ende des Mittelalters

finden sich sowohl der Elch als auch die beiden Wildrinder nur

noch in den ostpreußischen und polnischen Wäldern. In den

Urkunden des Kaisers Otto des Großen aus dem Jahr 943 wird

geboten, dass niemand ohne Erlaubnis des Bischofs Balderich in

den Forsten von Drenthe am Niederrhein Hirsche, Bären, Rehe,

Eber und jene wilden Tiere jagen dürfe, welche in der deutschen

Sprache Elo oder Schelo heißen.

Abb. 22 Elch-Paar im Bayerischen Wald: Erstmals seit Jahrzehnten wurde im Bayerischen Wald wieder ein Elch-Paar gesichtet, Es stammt nicht aus einem privaten Gehege. Nachdem die Tiere geschützt wurden, breiten sie sich offenbar über Polen zurück nach Mitteleuropa aus. So tauchten in den vergangenen Jahren immer wieder Elche im Bayerischen Wald nahe der Grenze zu Tschechien auf. Nachricht in der Augsburger Allgemeinen vom 15. Oktober 2013.

Dasselbe Verbot findet sich noch in einer Urkunde Heinrichs II. aus

dem Jahr 1006 und in einer andern von Konrad II. aus dem Jahr

1025. Noch im 17., möglicherweise sogar im 18. Jahrhundert ist

Elch-Wild noch gelegentlich in Sachsen und Schlesien

vorgekommen. In Sachsen wurde der letzte Elch im Jahre 1746, in

Schlesien der letzte im Jahre 1776 erlegt (27). Von den größeren

Tiergattungen werden in den verschiedenen Urkunden namentlich

Rotwild, Schwarzwild, Bären, Wölfe und Gemsen erwähnt. Doch

wurden auch neue Tierarten ausgewildert. Fasanen, welche in

karolingischer Zeit nur an den Höfen gezüchtet wurden, kamen im

14. Jahrhundert bereits in Südwestdeutschland und im 15.

Jahrhundert auch im Oberinntal in freier Wildbahn vor.

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Im 12. Jahrhundert wurden Pfeil und Bogen allmählich von der

Armbrust ersetzt. Sie wird im 13. Jahrhundert im Sachsenspiegel

erwähnt.

Sue so durch den ban vorst rit, sin boge unde sin armbrust sal

ungespanen sin, sin koker sal bedan sin, sine winde unde sine

bracken salen upgevangen sin und sine hunde gekoppelt

(Sachsenspiegel II. 31. Par. 3) (30).

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts begann man das

Feuergewehr auch auf der Jagd zu verwenden, allerdings war es

noch unhandlich und wenig treffsicher. Legendär wurde die

Erzählung aus der Jugendzeit Maximilians I., der mit seinem

Stachlin pogen (Armbrust) besser schießen konnte, als sein Gehilfe

mit der Büchse:

Nun was ein Gembspockh, in ain gar hoche Stainwandt

eingestanden, die kein Gembsen-Jeger, wol mit dem schaft mocht

aufwerffn, unndt als gejaidt ain Enndt het, was derselb

Gembspockh, in der hochen Stainwandt gesehen, Der kunig hat bey

Ime, gar einen gueten puxenschutzen mit namen Jorg Purgkhart,

der kundt mit der handpuxen, insonderheit wol schiessen. Also hieß

der kunig denselben Er solle mit seiner puchsen, denselben

Gembspockh schiessn, darauf gab er dem kunig Antwort, der

Gembspockh stundt zu hoch, und moecht den mit der puxen nit

erreichen, Da nam der kunig seinen Stachlin pogen, in sein handt,

und sprach seckt auf, Ich wil den Gembspock, mit meinen Stachlin

pogen schiessen. und erschoss als denselben Gembspockh, in dern

Ersten schuss, darab die, so darbey waren gross wunder namen,

dann derselb Gembspoch auf hundert klaffter hoch stund (28).

Abb. 23 Das Jagdbuch Kaiser Maximilians I. Illustration zum Kapitel Gemsjagen, deutlich erkennbar ist die Jagd mit dem Jagdschaft, der auch im nebenstehenden Zitat des Weißkunig als schaft erwähnt wird. Er ist die gängige Jagdwaffe der Gebirgsjäger.

Jagdwaffen und Jagdmethoden

im Mittelalter

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Abb. 24 Saujagd mit Saufeder, Holzschnitt, Wolf Helmhardt von Hohberg, Nürnberg 1695.

Seit dem frühen Mittelalter haben sich die Jagdwaffen und Fanggeräte wenig verändert, von

Verbesserungen und Neuerungen abgesehen. Wurfspieß und Bogen dienten weiterhin als

Fernwaffen. Der schwere Speer, die spätere Saufeder, erhält unterhalb der eisernen Spitze ein

Querholz. Es war vielfach aus Hirschhorn gefertigt und konnte lose an einem Lederriemen

angebunden sein, um ein Anhaken der Zweige zu verhindern. Gelegentlich wird auch nur die eiserne

Spitze als Saufeder bezeichnet, der ganze Spieß konnte auch Ger genannt werden, die ursprüngliche

Bezeichnung des Wurfspießes. Charakteristisch für die Saufeder sind die Aufhalter, das konnten

neben der erwähnten Parierstange auch metallene, mit der Tülle verbundene Flügel sein.

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Abb. 27 Saufeder Friedrichs IV. von Tyrol (1382-1439), aus dem Jahr 1430. Kunsthistorisches Museum Wien, Inschrift dux federic(us) bzw. dux avstrie.

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Sie verhindern das Durchstoßen des Jagdwildes und sorgen für den nötigen Sicherheitsabstand. Die scharfe Spitze

der Saufeder soll nach dem Auflaufen des Wildes möglichst umgehend die Kammer (das Herz) durchstoßen und so

nachhaltig verletzen, daß rasch der Tod eintritt. Die Saufeder ist nach deutschem Jagdrecht heute noch zur Jagd

zugelassen. Sie wird gelegentlich noch verwendet, um die Jagdhunde nicht versehentlich durch Schüsse zu

verwunden. Das Erlegen eines Keilers mit der Saufeder galt seit der Antike als eine königliche Mutprobe. Denn

sollte das Tier abkommen, gerät der Jäger ernsthaft in Lebensgefahr. Dass diese gefährliche Jagdmethode auch im

frühmittelalterlichen Franken praktiziert wurde, belegt eine Flügellanzenspitze, die mit ihren, mit der Tülle

verbundenen, mit Längsrillen verzierten Aufhaltern, den sog. Flügeln, wohl als frühe fränkische Saufeder

angesprochen werden darf. Sie stammt aus Giebelstadt-Sulzdorf (Kr. Würzburg) und befindet sich heute in der

Archäologischen Staatssammlung München.

Abb. 25 Sauhatz, Kupferstich 1574, Johannes Stradamus, (1536-1605).

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Abb. 41 Flügellanzenspitze aus Giebelstadt-Sulzdorf (Kr. Würzburg), Archäologische Staatssammlung München.

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Der Pfeil verdrängt zunehmend den Wurfspieß, germanisch Ger,

im Parzival auch Gabilot genannt. Der seit früher Vorzeit als

Jagdwaffe eingesetzte, hölzerne Bogen wird in seiner Wirkung

durch immer kunstvollere Zusammensetzung aus Holz- und

Hornstücken optimiert.

Besonders begehrt als Holz hierfür war im Hoch- und

Spätmittelalter das zähe und elastische Holz der Eibe. Das

Verschwinden dieser langsam wachsenden Holzart wird in der

Literatur zum Teil aus ihrem massenhaften Verbrauch zu

Bogenholz erklärt. Vor allem im späteren Mittelalter wurden

zunehmend elastische Bögen verwendet, die man beim Warten auf

das Wild längere Zeit gespannt halten konnte, ohne zu ermüden.

So beliebt wie Pfeil und Boden bei der Jagd, so mannigfach sind

auch die Darstellungen in der Kunst. Bereits in der Antike wird die

griechische Göttin der Jagd, Artemis stets mit ihrem mit Pfeilen

gefüllten Köcher und dem Bogen abgebildet. Hochgeschürzt

streifte sie jungfräulich durch die Wälder. Ihre Projektile sorgten

für Erlösung vom Leid durch einen schnellen Tod, andererseits

wacht sie als Schwester Apolls und Tochter Letos über das Leben

und die Geburt.

Die Darstellung der Artemis, oder wie sie bei den Römern hieß, der

Diana, ist ein beliebtes Motiv vom spätantiken bis zum

Bildprogramm des Spätbarock. Wird sie in Spätantike und frühem

Mittelalter noch als Herrin der Tiere wiedergegeben, so begegnet

sie uns später vor allem in Verbindung mit dem Akteion-Mythos.

Akteion war ein Götterliebling und viel gerühmter Jäger, der auf

einem seiner Streifzüge allerdings nicht darauf verzichtete,

Artemis im Bade zu beobachten. Dies bekam ihm schlecht, zur

Strafe in einen Hirsch verwandelt, zerrissen ihn seine eigenen

Hunde.

Abb. 28 Die sogenannte Diana von Versailles, Zeichnung einer römischen Kopie des 1.-2. Jh., nach griechischem Vorbild des Leochares aus dem 4. Jahrhundert v. Chr.

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Abb. 29 Spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Armbrustbolzen, Leihgaben aus fränkischem Privatbesitz.

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Eine wesentliche Verbesserung des einfachen Bogens bildete die

Armbrust, die als Jagdwaffe im 13. Jahrhundert in Gebrauch kam.

Die Sehne der Armbrust wurde in einer Arretiervorrichtung

gehalten. Das war anfangs eine runde Scheibe mit 2 Kerben, in

deren obere die Sehne eingriff, in die untere der Abzug. Zum

Spannen bediente man sich eines Hebels. Als Geschoss diente

neben dem spitzen auch der stumpfe Bolzen und später Kugeln aus

gebranntem Ton oder Lehm. Für diese Geschosskugeln wurde eine

Doppelsehne mit dazwischen liegendem Aufnahmeleder für die

Kugel benötigt.

Abb. 30 Bild unten: Zwei Armbrüste frühes 16. Jahrhundert, auf der Säule Elfenbeineinlagen mit Jagd- und mythologischen Darstellungen; Leihgabe aus fränkischem Familienbesitz; Bild oben: Detail.

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Das Schwert diente auf der Jagd dem

Abfangen des Wildes. Das Jagdschwert lief

daher in eine scharfe Spitze aus. Nur der

Herrenjäger trug auch auf der Jagd das

Schwert. Das Jagdpersonal führte indessen

nur das Messer, welches primär dem

Zerwirken des Wildes diente. Der Brauch,

das Jagdmesser mit dem Hirschfänger an

einer Scheide zu tragen, soll auf Kaiser

Maximilian I. zurückgehen, der das Messer

auf der Scheide des Jagdschwertes getragen

haben soll.

Als weitere neue Jagdwaffe des Mittelalters

wird der Cippus erwähnt. Es dürfte sich

hierbei um einen spitzen Pfahl handeln, an

welchem sich das Wild aufspießte. Ob

dieser als Leggeschoss oder in Verbindung

mit Fallgruben angewendet wurde, ist den

Quellen nicht mit letzter Sicherheit zu

entnehmen. Es wäre aber auch denkbar,

dass es sich hierbei um den Jagdschaft der

Gebirgsjäger handelte, mit welchem im

Hochgebirge die Gemsen und Steinböcke

bejagt wurden.

Abb. 31 Waidmesser, Waydprachse oder Weyde Meßer, Einsteckmesser und Pfriem, Mitte 19. Jahrhundert, Leihgabe aus fränkischem Familienbesitz.

Abb. 32 Ehrenhirschfänger mit damaszierter Hohlklinge aus Silber aus fränkischem Privatbesitz.

Abb. 33 Ein kapitaler Eber wird von den Hunden gepackt und vom Pferd aus mit dem Jagdschwert abgefangen, Holzschnitt von Lukas Cranach d. Ä. (1472-1553).

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