Up-date Wachstumspol Stettin_deutsch - Hans-Böckler-Stiftung

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www.boeckler.de – August 2010 Copyright Hans-Böckler-Stiftung Klaus Maack Wachstumspol Stettin: Entwicklung der deutsch-polnischen Grenzregion Aktualisierung der Studie "Wachstumspol Stettin und Auswirkungen auf die Entwicklung der deutsch-polnischen Grenzregion" (2004) Abschlussbericht Auf einen Blick… Stettin und Umland haben zwischen 2004 und 2008 eine sehr positive Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklung genommen. Der starke Rückgang der Arbeitslosigkeit ist allerdings auch auf Abwanderung von Arbeitskräften zurückzuführen. Insgesamt ist die Entwicklung jedoch hinter der der Wojewodschaft und Polens zurückgeblieben. Durch die Finanzkrise und den Zusammenbruch der Stettiner Werft ist die Arbeitslosigkeit in Stettin stark gestiegen. Die Beschäftigungssituation in der deutschen Grenzregion hat sich erst seit 2007 leicht positiv entwickelt. Es gibt eine Reihe deutscher Direktinvestitionen im Stettiner Raum. Besonders die Sonderwirtschaftszonen der Region haben davon profitiert, wobei die Investoren jedoch nicht aus der deutschen Grenzregion stammen. Größere polnische Investitionen in Vorpommern gab es kaum. Insgesamt gibt es nur kleine Fortschritte bei der deutsch-polnischen Stadt-Umland Kooperation. Ein Integrationsprozess hat bisher nicht stattgefunden. Insgesamt ist Stettin seit 2004 in seiner Entwicklung hinter den Erwartungen und Möglichkeiten zurückgeblieben.

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www.boeckler.de – August 2010 Copyright Hans-Böckler-Stiftung Klaus Maack Wachstumspol Stettin: Entwicklung der deutsch-polnischen Grenzregion Aktualisierung der Studie "Wachstumspol Stettin und Auswirkungen auf die Entwicklung der deutsch-polnischen Grenzregion" (2004) Abschlussbericht

Auf einen Blick…

Stettin und Umland haben zwischen 2004 und 2008 eine sehr positive Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklung genommen. Der starke Rückgang der Arbeitslosigkeit ist allerdings auch auf Abwanderung von Arbeitskräften zurückzuführen. Insgesamt ist die Entwicklung jedoch hinter der der Wojewodschaft und Polens zurückgeblieben. Durch die Finanzkrise und den Zusammenbruch der Stettiner Werft ist die Arbeitslosigkeit in Stettin stark gestiegen. Die Beschäftigungssituation in der deutschen Grenzregion hat sich erst seit 2007 leicht positiv entwickelt.

Es gibt eine Reihe deutscher Direktinvestitionen im Stettiner Raum.

Besonders die Sonderwirtschaftszonen der Region haben davon profitiert, wobei die Investoren jedoch nicht aus der deutschen Grenzregion stammen. Größere polnische Investitionen in Vorpommern gab es kaum. Insgesamt gibt es nur kleine Fortschritte bei der deutsch-polnischen Stadt-Umland Kooperation. Ein Integrationsprozess hat bisher nicht stattgefunden. Insgesamt ist Stettin seit 2004 in seiner Entwicklung hinter den Erwartungen und Möglichkeiten zurückgeblieben.

Studie

im Auftrag der

Hans-Böckler-Stiftung

WACHSTUMSPOL STETTIN Entwicklung der deutsch-polnischen Grenzregion

Aktualisierung der Studie „Wachstumspol Stettin und Auswirkungen auf die Entwicklung der deutsch-polnischen Grenzregion“ (2004)

Hamburg Juli 2010

Wilke, Maack und Partner

Wilke, Maack und Partner

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Projektleitung: Klaus Maack (Wilke, Maack und Partner)

Projektbearbeitung: Katrin Schmid (Wilke, Maack und Partner)

Stefan Schott (Wilke, Maack und Partner)

Wilke, Maack und Partner

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung .................................................................................................................. 6

1.1. Untersuchungsrahmen .................................................................................................... 6

1.2. Die deutsch-polnische Grenzregion ................................................................................ 7

2. Allgemeine Entwicklungen seit 2004 .......................................................................... 9

2.1. Veränderte Rahmenbedingungen – Polen ist EU-Mitglied ............................................. 9

2.2. Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung in Polen .................................................... 10

3. Charakteristische, soziostrukturelle Entwicklungen in der deutsch-polnischen

Grenzregion seit 2004 ..................................................................................................... 13

3.1. Demographische Entwicklung und Migration ............................................................... 13

3.1.1. Polnische Grenzregion ............................................................................................... 13

3.1.2. Planungsregion Vorpommern ................................................................................... 16

3.2. Pendleraufkommen ....................................................................................................... 18

4. Wirtschaftskraft-, Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklung ............................ 19

4.1. Wirtschaftliche Entwicklung in der deutsch-polnischen Grenzregion .......................... 19

4.1.1. Entwicklung der Bruttowertschöpfung in der Planungsregion Vorpommern .......... 19

4.1.2. Entwicklung der Bruttowertschöpfung in der polnische Grenzregion ...................... 21

4.1.3. Resümee zur wirtschaftlichen Entwicklung ............................................................... 24

4.2. Beschäftigungs- und Arbeitsmarktentwicklung ............................................................ 25

4.2.1. Beschäftigungsentwicklung ....................................................................................... 25

4.2.2. Entwicklung der Arbeitslosigkeit ............................................................................... 31

4.2.3. Resümee zur Beschäftigungs- und Arbeitsmarktentwicklung................................... 34

4.3. Einflüsse der regionalen Entwicklung auf die Beschäftigtensituation und die Lohn- und

Gehaltssituation ....................................................................................................................... 34

5. Verflechtungsbeziehungen und Potenzialbestimmung ............................................. 37

5.1. Verflechtungen auf administrativer Ebene ................................................................... 38

5.2. Wirtschaftliche Verflechtungen .................................................................................... 42

5.3. Kulturelle Verflechtungen ............................................................................................. 46

5.4. Verflechtungen im Bereich Bildung und Ausbildung .................................................... 46

5.5. Stand und Entwicklung grenzüberschreitender Verflechtungen .................................. 49

6. Zusammenfassung ................................................................................................... 52

7. Literatur- und Quellenverzeichnis ............................................................................ 56

Wilke, Maack und Partner

4

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Deutsch-polnische Grenzregion ............................................................................ 8

Abbildung 2: Personen im nicht erwerbsfähigen Alter (0-17Jahre) nach Subregionen in

Westpommern ......................................................................................................................... 15

Abbildung 3: Personen im erwerbsfähigen Alter (18-65 Jahre) nach Subregionen in

Westpommern ......................................................................................................................... 15

Abbildung 4: Personen im nicht mehr erwerbsfähigen Alter (Frauen ab 60 Jahre; Männer ab

65 Jahre) nach Subregionen in Westpommern........................................................................ 15

Abbildung 5: Prognose Bevölkerungsentwicklung Westpommern bis 2035 ........................... 15

Abbildung 6: Bevölkerungsentwicklung in der deutsch-polnischen Grenzregion

Veränderungen in % im Zeitraum 2004-2008 .......................................................................... 16

Abbildung 7: Beschäftigungsveränderung in der Grenzregion von 2000 bis 2004 .................. 26

Abbildung 8: Beschäftigungsveränderung in der Grenzregion von 2004 bis 2008 .................. 28

Abbildung 9: Lohn- und Gehaltsindex polnische Grenzregion (2002-2008) ............................ 36

Abbildung 10: Standorte Deutscher Firmen mit Direktinvestitionen in Stettin und Umland . 42

Abbildung 11: Sonderwirtschaftszonen in Polen ..................................................................... 45

Abbildung 12: Kooperation und Integration in der deutsch-polnischen Grenzregion ............ 51

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Bruttowertschöpfung der Planungsregion Vorpommern (2000 bis 2004) ............. 19

Tabelle 2: Bruttowertschöpfung der Planungsregion Vorpommern (2004 bis 2007) ............. 20

Tabelle 3: Anteile einzelner Wirtschaftszweige an der Bruttowertschöpfung in der deutschen

Grenzregion (2000/2004/2007) ............................................................................................... 21

Tabelle 4: Bruttowertschöpfung der polnischen Landkreise (2000 bis 2004) ......................... 22

Tabelle 5: Bruttowertschöpfung der polnischen Landkreise (2004 bis 2008) ......................... 23

Tabelle 6: Anteile einzelner Wirtschaftszweige an der Bruttowertschöpfung in der polnischen

Grenzregion (2000/2004/2007) ............................................................................................... 23

Tabelle 7: Beschäftigungsentwicklung in der Planungsregion Vorpommern (2000 bis 2004) 26

Tabelle 8: Beschäftigungsentwicklung in den polnischen Landkreisen (2000 bis 2004) ......... 27

Tabelle 9: Beschäftigungsentwicklung in der Planungsregion Vorpommern (2004 bis 2008) 28

Tabelle 10: Beschäftigungsentwicklung in den polnischen Landkreisen (2004 bis 2008) ....... 29

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5

Tabelle 11: Beschäftigungsentwicklung in der Planungsregion Vorpommern (2008 bis 2009)

.................................................................................................................................................. 30

Tabelle 12: Entwicklung der Arbeitslosenquote in der Planungsregion Vorpommern (2000 bis

2004) ......................................................................................................................................... 32

Tabelle 13: Entwicklung der Arbeitslosenquote in der Planungsregion Vorpommern (2004 bis

2008) ......................................................................................................................................... 32

Tabelle 14: Entwicklung der Arbeitslosenquote in der Planungsregion Vorpommern (2008 bis

2009) ......................................................................................................................................... 33

Tabelle 15: Entwicklung der Arbeitslosenzahl der polnischen Landkreise (2000 bis 2004) .... 33

Tabelle 16: Entwicklung der Arbeitslosenzahl der polnischen Landkreise (2004 bis 2008) .... 34

Tabelle 17: Bruttolöhne und -gehälter je ArbeitnehmerIn in ausgewählten

Wirtschaftsbereichen (Mecklenburg-Vorpommern) ............................................................... 35

Tabelle 18: Übersicht deutsche Firmen mit Direktinvestitionen in Stettin und Umland nach

Standorten und Branche .......................................................................................................... 43

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1. Einleitung

1.1. Untersuchungsrahmen

In den Jahren 2003 und 2004 wurde unter Berücksichtigung der besonderen geographischen

Lage Stettins (Szczecin) im Rahmen der Studie „Wachstumspol Stettin“1 eine

soziökonomische Potentialanalyse zu den Entwicklungsperspektiven der deutsch-polnischen

Grenzregion Pomerania durchgeführt und Handlungsempfehlungen herausgearbeitet2.

Seither haben sich einige für die Region grundlegende Veränderungen ergeben: Polen ist

inzwischen der Europäischen Union beigetreten und die Grenze zwischen den

Nachbarländern Deutschland und Polen ist geöffnet. Im Zuge dieser EU-Osterweiterung und

der Grenzöffnung zu Polen wurde die periphere Lage der Planungsregion Vorpommern

innerhalb der Europäischen Union aufgelöst.

Gleichzeitig sind die Hoffnungen, die in Stettin als Entwicklungsmotor der Region gesetzt

werden, vielfältiger geworden. Die Stadt soll ihre historisch bedingte Rolle als „natürliches

Zentrum“ der Grenzregion wieder einnehmen. Außerdem soll sie als international attraktiver

Wirtschaftsstandort die ökonomische Entwicklung der Region vorantreiben. Stettins

Stadtpräsident ist 2007 mit der Vision angetreten, die Stadt in wenigen Jahren zur

„verbindenden Metropole“ zu machen, für welche die nahe Grenze keine Rolle mehr spielen

soll.

Vor dem Hintergrund dieser Veränderungen sollen in der vorliegenden Untersuchung die

zentralen Ergebnisse und Empfehlungen der Studie aus dem Jahr 2004 überprüft und

aktualisiert werden. Im Zentrum der Betrachtungen stehen die Entwicklungen der Stadt

Stettin und ihre Ausstrahlung auf die Region.

Zentrales Ergebnis der Studie von 2004 war, dass es einen langfristig erfolgreichen

Wachstumspol Stettin hin zu einer Zentrumsregion nur in Kooperation mit der deutschen

und polnischen Umlandregion geben kann. Sowohl für die deutsche als auch für die

polnische Teilregion ist ein solcher Integrationsprozess ohne Alternative, wenn die Region

nicht weiter zu den ärmsten und strukturschwächsten Regionen der Europäischen Union

zählen will.

1 Klaus Maack, Martin Grundmann, Eckhard Voß u.a.: Wachstumspol Stettin und die Auswirkungen auf die Entwicklung der deutsch-polnischen Grenzregion, Edition der Hans-Böckler-Stiftung, 2005 2 Die Stadt Stettin (Szczecin) ist die Hauptstadt der Wojewodschaft Westpommern (Zachodniopomorskie) und liegt nur 12 km von der deutsch-polnischen Grenze im Nordwesten Polens - 130 km von Berlin, 450 km von Warschau und 250 km von der Öresundregion - entfernt.

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7

Die Studie aus dem Jahr 2004 bescheinigte der Stadt Stettin das Potenzial, die

Entwicklungsfähigkeit der gesamten Region (also sowohl auf polnischer als auch auf

deutscher Seite) befördern zu können. Ausschlaggebend dafür ist jedoch die Qualität der

grenzüberschreitenden Stadt-Umland-Kooperation. In der damaligen Studie wurden zwei

Entwicklungshypothesen aufgestellt:

o Ein Wachstumspol Stettin entsteht, wenn grenzüberschreitende

Kooperationsmöglichkeiten genutzt und die Verflechtungen innerhalb der

Grenzregion intensiviert werden (Integrationshypothese).

o Bleiben diese Verflechtungen aus, wird die deutsch-polnische Grenzregion von

Entwicklungen der Stadt Stettin nicht profitieren und lediglich zur Transitregion für

die Achse Berlin-Stettin-Öresund. Umgekehrt wird die Stadt Stettin ohne das

deutsch-polnische Umland keine Zentrumsrolle in der Region einnehmen

(Übersprungs- oder Transithypothese).

Um aufzuzeigen, in welche Richtung sich die deutsch-polnische Grenzregion seit 2004

entwickelt hat, nimmt die vorliegende Untersuchung ausgewählte soziostrukturelle und

wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Veränderungen der Region ins Blickfeld. Außerdem

werden grenzüberschreitende Kooperationen aus unterschiedlichen Bereichen exemplarisch

vorgestellt und dahingehend analysiert, inwieweit sie zur Integration der deutsch-polnischen

Grenzregion beitragen. Die nachfolgende Aktualisierung (up-date) ausgewählter Aspekte der

Studie aus dem Jahr 2004 wird im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung und mit Unterstützung

des DBG Bezirks Nord durchgeführt.

1.2. Die deutsch-polnische Grenzregion

Der in dieser Aktualisierung untersuchte Teil der deutsch-polnische Grenzregion, liegt im

Gebiet der Euroregion Pomerania, ist aber nicht identisch mit dieser. Die Euroregion

Pomerania umfasst neben den östlichen Landkreisen von Mecklenburg-Vorpommern und

Brandenburg die ganze Wojewodschaft Zachodniopomorskie (im folgenden Wojewodschaft

Westpommern) und die südschwedische Region Skåne. Für die vorliegende Untersuchung

wurde die deutsch-polnisch Grenzregionen wie folgt eingegrenzt:

• Der deutsche Teil der Untersuchungsregion umfasst die Planungsregion Vorpommern,

bestehend aus den Landkreisen Nordvorpommern, Ostvorpommern, Rügen und Uecker-

Randow sowie den kreisfeien Städten Stralsund und Greifswald. Die Entwicklungen in

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8

den brandenburgischen Landkreise Barnim und Uckermark wurden in der Aktualisierung

nicht berücksichtigt (siehe Abb.1).

• Zum polnischen Teil der Grenzregion gehören neben der Stadt Szczecin (im Folgenden

Stettin) die Subregionen Szczeciński und Stargardzki. Die beiden Subregionen umfassen

das direkte Stettiner Umland und bilden den westlichen Teil der Wojewodschaft

Westpommern. Der östliche Teil Westpommerns, die Subregion Koszaliński, wird nicht in

die Untersuchungen mit einbezogen. Einzelne Kreise in der Wojewodschaft bilden die

Subregionen, die für sich genommen keine administrativen Einheiten sind. Die Ebenen

der Subregionen sind statistisch gut erfasst und eignen sich daher als Basis für die

Untersuchung (siehe Abb.1).

Abbildung 1: Deutsch-polnische Grenzregion

Szczecin

SubregionSzczeciński

PlanungsregionVorpommern

Subregion Stargardzki

Rügen

Stralsund

Greifswald

Nord-vorpommern

Ost-vorpommern

Uecker-Randow

Mecklenburg-Vorpommern

Wojewodschaft

Zachodniopomorskie

Brandenburg

Subregion

Koszaliński

Quelle: Eigene Darstellung Wilke Maack und Partner

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2. Allgemeine Entwicklungen seit 2004

2.1. Veränderte Rahmenbedingungen – Polen ist EU-Mitglied

Polen ist mit dem Beitritt am 1. Mai 2004 sowohl stimmberechtigtes Mitglied der

Europäischen Union als auch Teil des gemeinsamen europäischen Binnenmarktes geworden.

Damit gelten grundsätzlich auch für Polen die Prinzipien des freien Waren-, Personen-,

Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs innerhalb der Europäischen Union. Allerdings muss hier

differenziert werden, zwischen Regelungen, die schon vorher oder seit dem Zeitpunkt des

Beitritts greifen und solchen, die derzeit noch als Übergangsbestimmungen gültig sind.

Der uneingeschränkte Handel zwischen Polen und den alten Mitgliedsländern wurde bereits

mit dem Europaabkommen von 1994 zu großen Teilen eingeführt und im Zuge des EU-

Beitritts vollständig umgesetzt. Zölle, Abgaben und sonstige den Handel beschränkende

Maßnahmen sind seither zugunsten des freien Warenverkehrs verboten. Die Einführung der

vollen Personenfreizügigkeit ermöglicht es seit 2004 allen polnischen Staatsbürgern, sich

ungehindert auf dem Gebiet der Mitgliedsstaaten zu bewegen.

Langfristig wird das auch für die ArbeitnehmerInnen aller Mitgliedsländer gelten. Die

Umsetzung der Arbeitnehmerfreizügigkeit wird allerdings begleitet von der Angst vor

„Billigkonkurrenz“ und Befürchtungen, der Zustrom von Beschäftigten des Nachbarlandes

könnte sich negativ auf den eigenen Arbeitsmarkt auswirken. Deutschland nutzt daher bis

2011 die Möglichkeit zur Beschränkung der Freizügigkeit für polnische ArbeitnehmerInnen,

indem es die jeweiligen nationalen Regelungen vorerst beibehält. Polen verwendete die

Übergangsregelung nur in den ersten drei Jahren nach dem Beitritt reziprok. Seit 2007

allerdings verzichtet Polen auf diese Gegenseitigkeitsklausel und öffnete seinen Arbeitsmarkt

uneingeschränkt für ArbeitnehmerInnen aus allen EU-Ländern.

Eine ähnliche Form des Übergangs regelt die Umsetzung der Dienstleistungsfreiheit. Die

Dienstleistungsfreiheit beinhaltet das Recht, als Selbstständiger vorübergehende,

grenzüberschreitende Dienstleistungen zu erbringen oder durch MitarbeiterInnen erbringen

zu lassen (z.B. Reparaturen, Taxifahrten etc.) bzw. Dienstleistungen aus einem anderen

Mitgliedsland zu empfangen. Die Niederlassung des Anbieters bleibt dabei im Heimatland3.

Deutschland hat für bestimmte sogenannte „sensible Gewerbe“ (Bausektor,

Gebäudereiniger, Innendekorateure) die Dienstleistungsfreiheit beschränkt. Der Einsatz von

3 Darin unterscheidet sich die Dienstleistungsfreiheit von der Niederlassungsfreiheit.

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10

ArbeitnehmerInnen eines Dienstleisters dieser Branchen mit Sitz in Polen ist bis 2011 in

Deutschland nur beschränkt möglich.

2.2. Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung in Polen

Nach dem Beitritt zur EU erlebte die polnische Wirtschaft einen deutlichen

Wachstumsschub. Gestiegener Konsum und erhöhte Investitionsnachfragen führten zu

steigenden Wachstumsraten mit dem Höhepunkt von 6,6% Zuwachs des

Bruttoinlandprodukts (BIP) im Jahr 2007. Danach wurde Polen stärker von den Auswirkungen

der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise getroffen als von vielen Seiten erwartet.

Der polnische Złoty hat in den vergangenen Monaten stark an Wert gegenüber Dollar und

Euro verloren. Die geplante Übernahme der europäischen Gemeinschaftswährung im Jahre

2012 ist daher fraglich. Das Wachstum des BIP brach im Jahr 2009 auf etwa 1% ein und die

Prognosen für das laufende Jahr 2010 rechnen mit nicht mehr als 2% Wachstum4.

Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern hat Polen als Reaktion auf die

Wirtschaftskrise kein staatliches Ausgaben- und Konjunkturprogramm aufgelegt. Neben

Kredithilfen und Steuererleichterungen für Unternehmen soll ein stärker liberalisierter

Arbeitsmarkt die negativsten Auswirkungen der Wirtschaftskrise abfangen. Gleichzeitig soll

mit einem umfassenden Sparprogramm ein Anstieg der Staatsverschuldung vermieden

werden5.

Eine wichtige Säule des wirtschaftlichen Aufschwungs Polens in den Jahren 2004 bis 2009

war die Verfügbarkeit von EU-Mitteln. Bis Ende 2008 erhielt Polen (bei einer

Haushaltsbeteiligung von 12,5 Mrd.€) insgesamt 26,5 Mrd.€ von der EU.

Eine weitere Säule des polnischen Aufschwungs der letzten Jahre waren die ausländischen

Direktinvestitionen. Der Beitritt ging einher mit gesamtwirtschaftlicher Stabilität und einer

gewachsenen Attraktivität des Landes für Investoren. Im Jahr 2007 wurde der Rekordwert

von 16,6Mrd.€ an ausländischen Direktinvestitionen in Polen erreicht. Nach Angaben der

Polnischen Nationalbank waren 2009 die ausländischen Direktinvestitionen in Polen im Zuge

der Finanzkrise bereits um rund 53% auf 7,7 Mrd.€ zurückgegangen. Der Größte Anteil

davon mit rund 16,2% stammte 2009 aus Deutschland6.

4 Vgl. Sachverständigenrat 2009, S.44 5 Polen versucht mit dieser Politik in erster Linie die Defizitkriterien der EU einzuhalten, um 2012 die Einführung des Euro nicht zu gefährden. 6 Vgl. Website PAIZ [1] Foreign Direct Investments in Poland

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11

Der Boom der polnischen Wirtschaft in den ersten Jahren nach dem EU-Beitritt hatte

Auswirkungen auf den polnischen Arbeitsmarkt. Zwischen 2003 und 2008 wuchs die

Arbeitsproduktivität in Polen von 31,21 PLN auf 41,57 PLN pro Stunde. Das entsprach 2008

51% des Durchschnitts-Wertes der EU-15 Länder, gegenüber noch 43% im Jahr 2003. Die

Erwerbsquote stieg und die Zahl der Arbeitslosen ging zurück. Die Arbeitslosenquote, die

2003 noch bei rund 20% lag, sank bis 2008 um mehr als die Hälfte auf etwa 7%. Durch die

zeitlich verzögerten Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf den Arbeitsmarkt wird für 2010

ein erneuter Anstieg der Arbeitslosenquote auf etwa 10% erwartet7.

Wesentlich für diese Entwicklung war eine Welle der Migration polnischer

ArbeitnehmerInnen in verschiedene europäische Länder. In den Jahren zwischen 2004 und

2007 wuchs die Zahl der im europäischen Ausland beschäftigten Polen von 1 Million auf 2,3

Millionen. Die meisten polnischen ArbeitnehmerInnen arbeiteten in dieser Zeit in

Großbritannien, Irland, Deutschland, den Niederlanden und Italien. Mit Beginn der

Wirtschaftskrise 2007 stagnierte die Zahl der Abwanderungen zunächst, bis 2008/2009

schließlich eine wachsende Zahl von ArbeitnehmerInnen, vor allem aus Großbritannien und

Irland, nach Polen zurückkehrte8.

Die Arbeitsmigration trug dazu bei, dass die Arbeitslosenquote zurückging. Der Umstand,

dass eine große Zahl an Polen das Land in Richtung europäisches Ausland verließ, führte

einerseits zu einer verbesserten Einkommenssituation der polnischen Haushalte und zum

Anstieg des Lohnniveaus; andererseits auch zu neuen Formen prekärer Erwerbsbiographien

und zu einem Problem für die Entwicklung der heimischen Wirtschaft, da in hohem Maße

gut qualifizierte ArbeitnehmerInnen an das Ausland verloren gingen (vor allem im

Gesundheits- und Pflegebereich).

In den ersten vier Jahren nach dem Beitritt gab es in Polen einen nominalen Anstieg der

Löhne um 58%. Der wirtschaftliche Aufschwung, der Anstieg der Direktinvestitionen und

eine wachsende Nachfrage nach Arbeitskräften beschleunigten den allgemeinen

Lohnanpassungsprozess von Polen und anderen Mitgliedstaaten. Die ausgeprägte

Arbeitsmigration führte vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen zu einem

„Arbeitskräftewettbewerb“ und in vielen Branchen zu einem wachsenden Lohndruck auf die

Arbeitgeber.

7 Vgl. Office of the Committee for European Integration (OCEI) 2009, S. 14-30 8 Vgl. Office of the Committee for European Integration (OCEI) 2009, S. 16-17

Wilke, Maack und Partner

12

Neben dem Beitritt zur Europäischen Union gab es in den letzten Jahren eine Reihe weiterer

Faktoren, die Auswirkungen auf die Entwicklung des polnischen Arbeitsmarktes hatten. Trotz

regional erheblicher Unterschiede ist der polnische Arbeitsmarkt insgesamt gekennzeichnet

von einem strukturellen „Mismatch“ zwischen Arbeitskräfteangebot und Nachfrage. Einer

nach wie vor großen Zahl von Arbeitslosen steht eine extrem niedrige Erwerbsquote und in

einigen Wirtschaftsbereichen sogar ein Mangel an Arbeitskräften gegenüber.

Hinzu kommen hohe Jugendarbeitslosigkeit und eine niedrige Erwerbsquote älterer

Menschen. Der demographische Wandel spielt in Polen eine gewichtige Rolle. Wie in vielen

anderen europäischen Ländern, wird auch in Polen in den kommenden Jahren die

Bevölkerung insgesamt älter werden, mit entsprechenden Auswirkungen auf den

Arbeitsmarkt und die Tragfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme9.

9 Vgl. Office of the Committee for European Integration (OCEI) 2009, S. 239ff.

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13

3. Charakteristische, soziostrukturelle Entwicklungen in der deutsch-

polnischen Grenzregion seit 2004

3.1. Demographische Entwicklung und Migration

3.1.1. Polnische Grenzregion

In der Wojewodschaft Westpommern lebten 2009 insgesamt rund 1,694 Mio. Menschen,

wovon knapp zwei Drittel in den zur Grenzregion zugehörigen Subregionen Stargardzki,

Szczeciński und Stettin wohnen. Die Wojewodschaft hatte in den vergangenen Jahren einen

Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen, der etwa dem durchschnittlichen

Bevölkerungsrückgang Gesamt-Polens entspricht (-0,29% bzw. –0,31%, 2000-2008)10.

Stettin ist mit über 400.000 Einwohnern das größte urbane Zentrum der Region. Im direkt

angrenzenden polnischen Umland befinden sich die deutlich kleineren Städte Goleniow,

Gryfino (jeweils ca. 20.000 Einwohner), Police (ca. 35.000 Einwohnern), Swinoujscie (ca.

40.000 Einwohner) und Stargard Szczeciński mit ca. 70.000 Einwohnern.

Innerhalb der Wojewodschaft hat die Stadt Stettin im Zeitraum 2000-2008 die meisten

Einwohner verloren. Im Jahr 2008 lebten rund 407.000 Menschen in Stettin. Seit 2000 hat

sich damit die Zahl der Bewohner um knapp 10.000 Einwohner (-2,33%) reduziert. Die

starken Wanderungsbewegungen der polnischen ArbeitnehmerInnen ins europäische

Ausland können dafür nur bedingt zur Erklärung herangezogen werden, da es sich dabei

vermutlich meist um temporäre Aufenthalte handelt (bis zu drei Monaten), die Personen

also oft im Heimatland gemeldet bleiben. Auffälliger sind die Stadt-Umland-Wanderungen

der letzten Jahre. Während Stettin den größten Bevölkerungsverlust hinnehmen musste,

haben die direkt angrenzenden Umlandregionen Szczeciński und Stagardzki einen leichten

Zuwachs an Einwohnern zwischen 2000 und 2008 zu verzeichnen. Die Anzahl an Personen,

die von Stettin in ländliche Regionen Westpommerns gezogen sind, hat sich zwischen 2000

und 2008 um zwei Drittel erhöht11.

Der Trend einer alternden Bevölkerungsstruktur in der polnischen Grenzregion war in den

letzten Jahren anhaltend. Die Prognosen für die Bevölkerungsentwicklung in Westpommern

gehen bis 2020 im Vergleich zum Jahr 2002 von einem Bevölkerungsverlust von ca. 1,3% aus,

mit einem anhaltend negativen Trend bis zum Jahr 2035 (siehe Abb.5). Während die Zahl der

10 Vgl. Statistisches Amt Stettin- Onlinedatenbank, Population and Vital Statistics, Februar 2010 11 Vgl. Statistisches Amt Stettin- Onlinedatenbank, Internal and Foreign Migrations, Februar 2010

Wilke, Maack und Partner

14

jüngeren Personen im noch nicht erwerbsfähigen Alter (0-17 Jahre) seit 2000 in allen

Teilregionen zurückgegangen ist (siehe Abb.2), ist die Zahl der Einwohner im erwerbsfähigen

und post-erwerbsfähigen Alter (ab 60 bei Frauen, ab 65 bei Männern) angestiegen (siehe

Abb.3). Grund dafür sind geburtenstarke Jahrgänge, die derzeit vor allem in den

Altersklassen 25 bis 35 Jahre zu finden sind12. Gleichzeitig macht sich bei der Anzahl der

Geburten in den Subregionen Westpommerns ein Umkehrtrend bemerkbar. Nach

rückläufigen Zahlen in den Jahren zuvor, steigt seit 2004 die Anzahl der Geburten in

Stargardzki, Szczeciński und Koszalinski erstmals wieder an. In Stettin setzte dieser Trend

sogar ein Jahr früher ein und verzeichnete mit einem Anstieg von 29% die größte

prozentuale Veränderung zwischen 2002 und 2008 – allerdings absolut gesehen auf

niedrigerem Niveau13.

Die Zahl der Personen im nicht mehr erwerbsfähigen Alter nimmt in allen Subregionen

Westpommerns in den letzten Jahren kontinuierlich zu (siehe Abb.4). Lag ihr Anteil

beispielsweise in Stettin im Jahr 2002 noch bei 24,5% der Erwerbsfähigen war er im Jahr

2008 auf 27% angestiegen. Der Anteil Älterer im Vergleich zu den Personen im

erwerbsfähigen Alter liegt in der Wojewodschaft Westpommern dennoch unter dem

polnischen Durchschnitt. Westpommern gehört zu den Wojewodschaften in Polen mit dem

höchsten prozentualen Anteil von Personen im erwerbsfähigen Alter an der

Gesamtbevölkerung.

Das Qualifikationsniveau der Bevölkerung in Westpommern liegt gemessen am Anteil der

Personen mit einem hochschulberechtigenden Schulabschluss im Mittelfeld der polnischen

Wojewodschaften. Im Jahr 2008 betrug der Anteil der Bewohner mit höherer Schulbildung in

Westpommern 462 je 10.000 Einwohnern (Gesamtpolen: 501 je 10 Tsd. €)14.

Entsprechend der im europäischen Vergleich insgesamt hohen Studierendenquote in Polen

verfügt auch Stettin mit rund 60.000 (an öffentlichen und privaten Hochschulen) über eine

große Anzahl an Studenten; zum Vergleich: Hamburg hat knapp 70.000 Studierende.

Allerdings nimmt die Zahl der Studierenden in Stettin, nach einem kurzen

12 Vgl. Statistisches Jahrbuch Stettin 2008, S.73 13 Vgl. Statistisches Amt Stettin- Onlinedatenbank, Population and Vital Statistics, Februar 2010 14 Vgl.Statistisches Amt Stettin- Onlinedatenbank, Higher school students per 10 thousand capita, Februar 2010

Wilke, Maack und Partner

15

1.520.000

1.540.000

1.560.000

1.580.000

1.600.000

1.620.000

1.640.000

1.660.000

1.680.000

1.700.000

1.720.000

2000 2004 2008 2010 2015 2020 2025 2030 2035

*Prognose

0

20,000

40,000

60,000

80,000

100,000

120,000

140,000

160,000

180,000

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Koszaliński Stargardzki Szczecin Szczeciński

0

50,000

100,000

150,000

200,000

250,000

300,000

350,000

400,000

450,000

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Koszaliński Stargardzki Szczecin Szczeciński

0

10,000

20,000

30,000

40,000

50,000

60,000

70,000

80,000

90,000

100,000

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Koszaliński Stargardzki Szczecin Szczeciński

Abbildung 2: Personen

im nicht erwerbsfähigen

Alter (0-17Jahre) nach

Subregionen in

Westpommern

Quelle: Daten Statistisches Amt

Stettin; eigene Darstellung Wilke

Maack und Partner

Abbildung 3: Personen im erwerbsfähigen Alter (18-65 Jahre) nach Subregionen in Westpommern

Quelle: Daten Statistisches Amt

Stettin; eigene Darstellung Wilke

Maack und Partner

Abbildung 4: Personen im nicht mehr erwerbsfähigen Alter (Frauen ab 60 Jahre; Männer ab 65 Jahre) nach Subregionen in Westpommern

Quelle: Daten Statistisches Amt

Stettin; eigene Darstellung Wilke

Maack und Partner

Abbildung 5: Prognose Bevölkerungsentwicklung Westpommern bis 2035

Quelle: Daten und Prognose

Statistisches Amt Stettin; eigene

Darstellung Wilke Maack und

Partner

Wilke, Maack und Partner

16

Anstieg im Jahr 2004, kontinuierlich ab15. Ein wesentlicher Grund dafür sind die seit dem EU-

Beitritt erleichterten Studienmöglichkeiten für polnische Studenten im europäischen

Ausland.

Abbildung 6: Bevölkerungsentwicklung in der deutsch-polnischen Grenzregion

Veränderungen in % im Zeitraum 2004-2008

Szczecin -1,2%

SubregionSzczeciński+2,1%

PlanungsregionVorpommern

-3,6%

Mecklenburg-

Vorpommern -3,2%

(Deutschland -0,6%)

Zachodnio-

pomorskie-0,1%

(Polen -0,1%)

Subregion Stargardzki-0,5%

Rügen-4,6%

Stralsund-1,7% Greifswald

+2,8%

Nord-vorpommern

-5,2%

Ost-vorpommern

-1,7%

Uecker-Randow

-5,8%

Quelle: Daten Statistisches Amt Stettin; Statistische Ämter des Bundes und der Länder, April 2010, eigene

Darstellung Wilke Maack und Partner

3.1.2. Planungsregion Vorpommern

Die Landkreise der Planungsregion Vorpommern sind schwach besiedelt und durch einen

hohen Anteil an landwirtschaftlichen Nutzflächen stark ländlich geprägt. Im Jahr 2009 lebten

ca. 466.000 Menschen in der Planungsregion Vorpommern. In den kreisfreien Städten der

Planungsregion Stralsund und Greifswald leben ca. 60.000 Einwohner bzw. 53.000

Einwohner. 15 Vgl.Statistisches Amt Stettin- Onlinedatenbank, Higher school students per 10 thousand capita, Februar 2010

Wilke, Maack und Partner

17

Bevölkerungsrückgänge waren im Zeitraum 2000-2009 in allen Teilregionen der deutschen

Grenzregion zu beobachten. Der Rückgang im Zeitraum 2004-2008 verlief in Vorpommern

geringfügig schwächer als im Zeitraum 2000-2004. 2009 stieg der Rückgang im Vergleich zum

Vorjahr wieder an. Die Bevölkerung der Planungsregion Vorpommern ist zwischen 2004 und

2008 um rund 3,6% geschrumpft (siehe Abb.6).

Der Bevölkerungsrückgang in den Landkreisen der deutschen Grenzregion wird sowohl von

einer natürlichen Bevölkerungsbewegung durch niedrige Geburtenraten, als auch von

Wanderungsbewegungen über die Regionsgrenzen hinweg bestimmt.

Vor allem in der Altersklasse 25 bis unter 30 Jahre sind die Wanderungssalden in den

Landkreisen der Planungsregion Vorpommerns als auch den Kreisfreien Städten Greifswald

und Stralsund durchweg negativ16. Der Trend zur Abwanderung junger, vor allem

hochqualifizierter Menschen (davon rund 60 % Frauen), aus der deutschen Grenzregion hielt

also auch in den letzten Jahren an. Vor allem Unternehmen der Tourismusbranche und des

Verarbeitenden Gewerbes in der Grenzregion beklagen einen zunehmenden

Fachkräftemangel17.

Die Prognosen des Statistischen Landesamtes Mecklenburg-Vorpommern zur

Bevölkerungsentwicklung gehen bis 2020 von keiner signifikanten Veränderungen bei den

Zu-und Fortzügen über nationale Grenzen hinaus aus. Durch die vollständige Umsetzung der

Arbeitnehmerfreizügigkeit wird mit einem Anstieg der Zuzüge aus dem Ausland um etwa

10% gerechnet, was derzeit etwa einem Anstieg um 500 Personen pro Jahr entspricht18.

Anders bei den Wanderungsbewegungen zwischen den Bundesländern: Ab 2015 werden die

Zuzüge die Fortzüge über die Mecklenburg-Vorpommerschen Landesgrenzen hinweg

erstmalig wieder übersteigen - zum einen, weil die geburtenstärkeren Jahrgänge dann nicht

mehr zu den besonders wanderfähigen Altersklassen der 18-30 Jährigen gehören - zum

anderen, weil bei unveränderter Nachfrage nach jungen Arbeitskräften ein wesentliches

Motiv für Abwanderung, nämlich das Fehlen eines Ausbildungsplatzes, deutlich

abgeschwächt sein wird19. Allerding sorgt laut Prognose eine weiterhin rückläufige natürliche

Bevölkerungsentwicklung dafür, dass die Zahl der Einwohner in Mecklenburg-Vorpommern

16 Vgl. Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern Online-Datenbank, Februar 2010 17 Vgl. dazu etwa Fachkräfteinitiative der IHK Neubrandenburg 18 Vgl. Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Statistisches Heft 2009, S.2 19 Vgl. Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Statistisches Heft 2009, S.47

Wilke, Maack und Partner

18

dennoch bis 2020 im Vergleich zu 2002 um ca. 14% zurückgehen wird20. Alle Landkreise der

deutschen Grenzregion, mit Ausnahme der Stadt Greifswald, werden in den kommenden

Jahren weiter Einwohner verlieren und in ihrer Altersstruktur älter werden.

3.2. Pendleraufkommen

Das Pendleraufkommen in der Grenzregion ist von Polen nach Deutschland höher als

umgekehrt, wenn auch insgesamt nur auf sehr niedrigem Niveau. Es ist davon auszugehen,

dass der grenzüberschreitende Pendlerverkehr seit der Grenzöffnung zugenommen hat,

genaue Zahlen existieren allerding nicht. Beispielsweise pendeln nach Expertenmeinung

schätzungsweise etwa 1.000 Polen zum Arbeiten in den Landkreis Uecker-Randow.

Deutsche, die in Stettin und der polnischen Grenzregion arbeiten sind nach wie vor

Einzelfälle. Gleichzeitig war in den letzten Jahren zu beobachten, dass aufgrund niedrigerer

Immobilien- und Mietpreise vermehrt Polen in den deutschen Teil des Stettiner Umlandes

gezogen sind und zum arbeiten nach Stettin einpendeln. Die Zahl der Polen, die sich seit

2004 im deutschen Grenzraum niedergelassen haben wird auf 1.200-1.500 geschätzt.

20 Vgl. Europäischer Sozialfonds (ESF) 2007, S.10

Wilke, Maack und Partner

19

4. Wirtschaftskraft-, Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklung

4.1. Wirtschaftliche Entwicklung in der deutsch-polnischen Grenzregion

4.1.1. Entwicklung der Bruttowertschöpfung in der Planungsregion Vorpommern

Die Entwicklung der Bruttowertschöpfung21 wird im Folgenden anhand der Zeiträume vor

(2000 bis 2004) und nach dem EU-Beitritt Polens (2004 bis 2007) beschrieben. Im Zeitraum

von 2000 bis 2004 ist die Bruttowertschöpfung in der Planungsregion Vorpommern um 6,0%

gestiegen und lag damit nur leicht unterhalb des Landesdurchschnitts Mecklenburg-

Vorpommerns (6,4%). Ausschlaggebend für die im Landesvergleich unterdurchschnittliche

Entwicklung war der starke Rückgang der Bruttowertschöpfung im Landkreis Uecker-Randow

(-7,1%) (siehe Tab.1).

Tabelle 1: Bruttowertschöpfung der Planungsregion Vorpommern (2000 bis 2004)

Quelle: Daten Statistische Ämter des Bundes und der Länder, April 2010, eigene Darstellung Wilke, Maack und

Partner

Im Zeitraum von 2004 bis 2007 nahm sowohl in der Planungsregion als auch in Mecklenburg-

Vorpommern die Wachstumsdynamik der Bruttowertschöpfung deutlich zu (siehe Tab.2).

Lag in den Jahren von 2000 bis 2004 das Wachstum der Bruttowertschöpfung in der

Planungsregion Vorpommern im Durchschnitt bei rund 1,5% p.a., und damit unterhalb des

durchschnittlichen bundesweiten Wachstums (rund 1,9% p.a.), so stieg die Wachstumsrate

zwischen 2004 und 2007 auf durchschnittlich rund 3,2% p.a. und lag damit um rund 0,3 %-

Punkte über dem bundesweiten Durchschnitt der Jahre. Diese überdurchschnittliche

21 Die Bruttowertschöpfung umfasst die innerhalb eines abgegrenzten Wirtschaftsgebietes für einen bestimmten Zeitraum erbrachte wirtschaftliche Leistung. Sie dient als zusammenfassende Leistungsgröße, mit der die wirtschaftliche Leistung aller Wirtschaftsbereiche gleichermaßen gemessen werden kann. Das Statistische Amt bemisst die Bruttowertschöpfung zu Herstellungspreisen, d.h. Gütersteuern und Gütersubventionen werden nicht berücksichtigt. Bruttowertschöpfung = Produktionswert – Vorleistungen; Vgl. Statistisches Bundesamt Deutschland: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/abisz/BIP,templateId=renderPrint.psml

Region2000

(in Mio. €)

2001

(in Mio. €)

2002

(in Mio. €)

2003

(in Mio. €) 2004

(in Mio. €)

Veränderung

2000 bis 2004

Greifswald 919.974 938.551 968.190 1.014.798 1.027.751 11,7%

Stralsund 1.139.167 1.123.492 1.181.100 1.179.109 1.240.592 8,9% Nordvorpommern 1.310.633 1.310.895 1.332.550 1.357.929 1.401.193 6,9% Ostvorpommern 1.329.331 1.385.752 1.394.736 1.378.077 1.395.671 5,0% Rügen 986.028 1.058.605 1.084.439 1.090.693 1.104.321 12,0%

Uecker-Randow 1.111.928 1.094.407 1.062.072 1.029.364 1.032.839 -7,1% Planungsregion Vorpommern 6.797.061 6.911.702 7.023.087 7.049.970 7.202.367 6,0%

Mecklenburg-Vorpommern 27.053.735 27.630.546 27.852.454 28.035.126 28.776.716 6,4%

Deutschland 1.856.200.000 1.904.490.000 1.933.190.000 1.949.410.000 1.998.360.000 7,7%

Wilke, Maack und Partner

20

Wachstumsrate konzentriert sich allerdings auf das Jahr 2007 mit einem Wachstum der

Bruttowertschöpfung in der Planungsregion Vorpommern von rund 6,3%, wobei besonders

die Entwicklungen in den Städten Greifswald und Stralsund sowie im Landkreis Uecker-

Randow hervorstechen. Das Wachstum der Bruttowertschöpfung in der Planungsregion lag

damit 2007 auch deutlich über dem des Landes Mecklenburg-Vorpommern insgesamt.

Erheblich an Dynamik verloren hat andererseits die Entwicklung der Bruttowertschöpfung im

Landkreis Rügen, der die herausragende Wachstumsdynamik des Jahres 2001 in den

Folgejahre nicht wieder erreicht hat.

Tabelle 2: Bruttowertschöpfung der Planungsregion Vorpommern (2004 bis 2007)

Region2004

(in Mio. €)

2005(in Mio. €)

2006(in Mio. €)

2007(in Mio. €)

Veränderung

2004 bis 2007

Greifswald 1.027.751 1.093.097 1.136.746 1.225.205 19,2%

Stralsund 1.240.592 1.249.275 1.280.476 1.381.093 11,3%

Nordvorpommern 1.401.193 1.379.676 1.442.241 1.534.810 9,5%

Ostvorpommern 1.395.671 1.363.842 1.408.230 1.461.064 4,7%

Rügen 1.104.321 1.140.748 1.115.993 1.163.026 5,3%

Uecker-Randow 1.032.839 1.024.017 1.038.807 1.123.063 8,7%

Planungsregion Vorpommern 7.202.367 7.250.655 7.422.493 7.888.261 9,5%

Mecklenburg-Vorpommern 28.776.716 28.990.099 29.717.021 31.168.737 8,3%

Deutschland 1.998.360.000 2.024.890.000 2.093.300.000 2.171.210.000 8,6% Quelle: Daten Statistische Ämter des Bundes und der Länder, April 2010, eigene Darstellung Wilke Maack und

Partner Die Bruttowertschöpfung unterteilt nach ausgewählten Wirtschaftsbereichen wie

„Verarbeitendes Gewerbe“, „Baugewerbe“, „Handel, Gastgewerbe und Verkehr“ sowie

„öffentliche und private Dienstleistungen“ bietet erste Hinweise hinsichtlich der

strukturellen Veränderung in der Grenzregion. In der Planungsregion Vorpommern ist im

Zeitraum von 2000 bis 2004 die insgesamt schwache Entwicklung der Bruttowertschöpfung

u.a. auf einen stark rückläufigen Anteil der Bauwirtschaft zurückzuführen. Deutlich

zugenommen hat der Anteil der privaten, unternehmensorientierten Dienstleistungen (siehe

Tab.3).

Eine abweichende Entwicklung zeigt sich im Zeitraum von 2004 bis 2007. Während die

Anteile Handel, Gastgewerbe und Verkehr sowie öffentliche und private Dienstleistungen an

der Bruttowertschöpfung weitgehend stagnieren, wächst der Anteil des Verarbeitenden

Gewerbes überdurchschnittlich um fast 2 %-Punkte – allerdings von einem sehr niedrigen

Niveau ausgehend (siehe Tab.3).

Wilke, Maack und Partner

21

Tabelle 3: Anteile einzelner Wirtschaftszweige an der Bruttowertschöpfung in der

deutschen Grenzregion (2000/2004/2007)

Ausgewählte Anteile einzelner Wirtschaftszweige an der Bruttowertschöpfung in Prozent

2000 2004 2007 2000 2004 2007 2000 2004 2007 2000 2004 2007

Greifswald 6,7 7,2 15,2 6,1 3,0 2,8 17,2 15,5 15,7 67,2 71,8 64,1

Stralsund 6,3 5,9 7,1 6,3 4,0 3,8 21,9 20,1 19,6 62,8 66,9 66,9

Nordvorpommern 4,8 5,4 5,5 12,8 8,6 7,6 18,1 18,1 18,5 54,2 58,7 62,2

Ostvorpommern 8,4 8,0 7,5 8,4 5,5 5,6 21,2 22,8 23,0 52,6 56,2 58,2

Rügen 3,3 4,3 4,2 7,6 4,7 4,5 32,2 31,7 34,0 48,6 52,6 49,8

Uecker-Randow 3,5 3,5 7,1 8,8 5,5 5,5 14,2 13,9 11,4 65,9 70,2 71,3

Planungsreg. Vorp. 5,6 5,8 7,7 8,5 5,4 5,1 20,6 20,5 20,4 58,2 62,2 62,0

Mecklenburg-Vorp. 9,5 10,0 12,6 8,8 5,9 5,6 20,1 20,1 19,5 55,0 57,8 57,5

Deutschland 22,9 22,6 23,9 5,2 4,2 4,0 18,2 17,7 17,6 50,3 52,0 51,1

Verarbei tendes Gewerbe BaugewerbeHandel , Gastgewerbe

und Verkehr

Öffentl iche und private

Dienstlei s tungsbereiche

(inkl . unternehmensorienter

DL)

Quelle: Daten Statistische Ämter des Bundes und der Länder, April 2010, eigene Darstellung Wilke, Maack und

Partner

Eine Schlüsselbranche im Verarbeitenden Gewerbe in der Planungsregion ist die

Ernährungswirtschaft. Fast jeder dritte Betrieb im Verarbeitenden Gewerbe entfällt auf diese

Branche (in Mecklenburg-Vorpommern knapp jeder vierte Betrieb). Die Zahl der Betriebe hat

sich in der Planungsregion seit 2004 leicht erhöht. Allerdings deuten die nachfolgenden

Zahlen zur Entwicklung der Beschäftigung darauf hin, dass die Ernährungswirtschaft in der

Planungsregion voraussichtlich nicht die treibende Kraft des überdurchschnittlichen

Wachstums des Verarbeitenden Gewerbes gewesen ist.

Eine Interpretation der Zahlen dahingehend, dass die positive Entwicklung der

Bruttowertschöpfung in der Planungsregion Vorpommern durch die Nähe zu Polen bzw. die

Integration Polens in die EU zusätzliche Impulse bekommen hat, erscheint naheliegend, ist

aber nicht zu belegen. Unstrittig dürfte hingegen sein, dass die Region vom allgemeinen

wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland und Europa sowie der erfolgreichen

Operationalisierung spezifischer Förderprogramme stark profitiert hat.

4.1.2. Entwicklung der Bruttowertschöpfung in der polnische Grenzregion

Von 2000 bis 2004 ist die Bruttowertschöpfung in der polnischen Grenzregion um 8,7% bzw.

im Durchschnitt um rund 2,2% p.a. gewachsen22. Die gesamte Wojewodschaft

Westpommern weist für den gleichen Zeitraum ein Wachstum von 13,2%, also im

Durchschnitt 3,3% p.a. auf. Damit hat sich die Bruttowertschöpfung im grenznahen Teil

22 Die Bruttowertschöpfung wird auf polnischer Seite zu Marktpreisen und nicht, wie auf deutscher Seite, zu Herstellungspreisen ausgewiesen.

Wilke, Maack und Partner

22

Westpommerns schwächer entwickelt als im östliche Teil bzw. in der Wojewodschaft

insgesamt. Polen konnte von 2000 bis 2004 die Bruttowertschöpfung sogar um 24,1%

steigern, also im Durchschnitt um 6,1% p.a. (siehe Tab. 4). Auffällig ist, dass die Stadt Stettin

in diesem Vierjahreszeitraum in Summe keine positive Entwicklung der Bruttowertschöpfung

ausweisen konnte. Ausschlaggebend ist der Rückgang der Bruttowertschöpfung in Stettin im

Jahr 2003.

Tabelle 4: Bruttowertschöpfung der polnischen Landkreise (2000 bis 2004)

Region2000

(in Mio. €)

2001(in Mio. €)

2002(in Mio. €)

2003(in Mio. €)

2004(in Mio. €)

Veränderung

2000 bis 2004

Subregion Stargardzki 4.610 4.760 4.817 4.927 5.468 18,6%

Szczecin 11.474 11.362 11.649 11.201 11.503 0,3%

Subregion Szczeciński 5.176 5.432 5.493 5.618 6.137 18,6%

Polnische Grenzregion 21.260 21.554 21.959 21.746 23.108 8,7%

Woiwodschaft Westpommern 29.891 30.690 31.159 31.320 33.842 13,2%

Polen 662.224 695.255 715.072 744.357 821.665 24,1%

Quelle: Daten Statistisches Amt Stettin, eigene Darstellung Wilke, Maack und Partner

In der Betrachtungsperiode 2004 bis 2007, also in der Zeit nach dem EU-Beitritt Polens, stellt

sich die Entwicklung anders dar (siehe Tab.5). In der grenznahen Region – d.h. in den

Subregionen Stargardzki, Szczeciński und Stadt Stettin – hat sich die Bruttowertschöpfung

deutlich verbessert, da Stettin mit einem Anstieg der Bruttowertschöpfung im Zeitraum von

2004 bis 2007 von 22,9%, also im Durchschnitt 7,6% p.a., stark aufgeholt hat. Mit 21,6% (im

Durchschnitt 7,2% p.a.) steigt die Bruttowertschöpfung in der polnischen Grenzregion

ähnlich wie in der Wojewodschaft Westpommern insgesamt. Ausschlaggebend ist das Jahr

2007, in dem die Grenzregion ein deutlich höheres Wachstum der Bruttowertschöpfung

realisiert hat als der Rest der westpommerschen Wojewodschaft. Im Jahr 2007 lag das

Wachstum der Bruttowertschöpfung mit 9,6% auch „nur“ noch um 0,9%-Punkte unter der

Wachstumsrate in Polen insgesamt.

Wilke, Maack und Partner

23

Tabelle 5: Bruttowertschöpfung der polnischen Landkreise (2004 bis 2008)

Region2004

(in Mio. €)

2005(in Mio. €)

2006(in Mio. €)

2007(in Mio. €)

Veränderung

2004 bis 2007

Subregion Stargardzki 5.468 5.685 5.851 6.497 18,8%

Szczecin 11.503 12.528 13.239 14.139 22,9%

Subregion Szczeciński 6.137 6.401 6.538 7.467 21,7%

Polnische Grenzregion 23.108 24.614 25.628 28.103 21,6%

Wojewodschaft Westpommern 33.842 35.712 37.674 41.033 21,2%

Polen 821.665 866.329 931.179 1.029.442 25,3% Quelle: Daten Statistisches Amt Stettin, eigene Darstellung Wilke, Maack und Partner

In den ausgewählten Bereichen Industrie, Baugewerbe, Handel, Gastgewerbe und Verkehr

sowie öffentliche und private Dienstleistungen gab es in der polnischen Grenzregion im

Zeitraum von 2000 bis 2004, wie auch in Polen insgesamt, einen extrem starken Rückgang im

Anteil der Wertschöpfung der Bereiche Handel, Gastgewerbe und Verkehr (siehe Tab. 6).

Auch die Anteile von Industrie und Baugewerbe an der Bruttowertschöpfung waren

rückläufig. Dagegen war der Anteil der Dienstleistungen deutlich gestiegen. Nach dem EU-

Beitritt stieg der Anteil des Bereichs Handel, Gastgewerbe und Verkehr erneut an.

Überdurchschnittlich wuchs darüber hinaus das Baugewerbe. Die Wachstumsraten der

Industrie in der Grenzregion waren nur in Stargardzki überdurchschnittlich. Anders als in

Polen insgesamt stiegen weder in der polnischen Grenzregion noch in Westpommern

insgesamt die Anteile der privaten und öffentlichen Dienstleitungen weiter an.

Tabelle 6: Anteile einzelner Wirtschaftszweige an der Bruttowertschöpfung in der

polnischen Grenzregion (2000/2004/2007)

2000 2004 2007 2000 2004 2007 2000 2004 2007 2000 2004 2007

Subregion Stargardzki 21,0 17,9 19,2 8,0 5,7 7,4 28,5 16,2 25,6 31,3 38,8 38,5

Szczecin 15,6 13,5 13,6 7,6 5,9 7,7 35,1 23,0 33,1 41,6 45,8 45,5

Subregion Szczeciński 28,5 28,8 27,5 6,6 5,4 6,5 29,3 13,4 28,3 28,4 32,8 32,8

Polnische Grenzregion 19,9 18,6 18,6 7,5 5,7 7,3 32,2 18,9 30,1 36,2 40,7 40,5

Wojewodschaft Westpommern 19,5 18,4 18,5 7,1 5,8 7,3 32,0 18,0 29,6 36,4 40,4 40,3

Polen 23,3 25,0 24,3 7,1 5,3 6,5 28,8 17,4 27,1 35,8 36,6 37,8

Industrie Baugewerbe

Handel,

Gastgewerbe

und Verkehr

Öffentl i che und priva te

Dienstleis tungsbereiche (inkl .

unternehmensorienter DL)

Ausgewählte Anteile einzelner Wirtschaftszweige an der Bruttowertschöpfung in Prozent

Quelle: Daten Statistisches Amt Stettin, eigene Darstellung Wilke, Maack und Partner

Wilke, Maack und Partner

24

4.1.3. Resümee zur wirtschaftlichen Entwicklung

Die Bruttowertschöpfung hat sich in der deutschen und der polnischen Grenzregion nach

dem EU-Beitritt Polens positiv entwickelt. Im Durchschnitt stieg die Bruttowertschöpfung in

der Planungsregion Vorpommern von 1,5% auf 3,2 % p.a. und in der polnischen Grenzregion

(Stettin, Stargardzki und Szczeciński) von 2,2% auf 7,2% p.a. im Zeitraum nach dem EU-

Beitritt Polens. Die Stadt Stettin auf der polnischen Seite und der Landkreis Uecker-Randow

auf der deutschen Seite verzeichneten die größte Dynamik nach 2004, jeweils nach

schwierigen Entwicklungsphasen in der Periode 2000 bis 2004. Allerdings blieb auf der

polnischen Seite die Entwicklung in der Grenzregion auch nach dem EU-Beitritt hinter den

gesamtpolnischen Wachstumsraten zurück, wenngleich der Abstand zu den

gesamtpolnischen Wachstumsraten insbesondere 2007 deutlich kleiner geworden ist.

In der Planungsregion Vorpommern ging ab 2004 die größte Dynamik in der Entwicklung der

Bruttowertschöpfung vom Verarbeitenden Gewerbe aus, allerdings von einem relativ

niedrigen Niveau ausgehend. In der polnischen Grenzregion konnten das Baugewerbe und

insbesondere die Bereiche Handel, Gastgewerbe und Verkehr überdurchschnittliche

Wachstumsraten in der Bruttowertschöpfung aufweisen. Der industrielle Bereich wuchs nur

in der Subregion Stargardzki überdurchschnittlich. Allerdings ist der Anteil der Industrie an

der Bruttowertschöpfung in der polnischen Grenzregion mit knapp 19% mehr als doppelt so

hoch wie in der Planungsregion Vorpommern, die nur einen Anteil an der

Bruttowertschöpfung von rund 8% (inklusive Produzierendes Gewerbe rund. 9,5%)

aufweisen kann. Entsprechend liegt zum Beispiel der Anteil der privaten und öffentlichen

Dienstleistungen auf der deutschen Seite der Grenze mit mehr als 60% deutlich über dem

polnischen Anteil von knapp 40%.

Wilke, Maack und Partner

25

4.2. Beschäftigungs- und Arbeitsmarktentwicklung

4.2.1. Beschäftigungsentwicklung

Die Beschäftigungsentwicklung wird in der deutschen Grenzregion anhand der

sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort23 analysiert. Für die polnische

Grenzregion werden die „employed persons in the main place of work“24 betrachtet. Eine

Vergleichbarkeit ist aufgrund der unterschiedlichen Erhebungsgrundlagen nur eingeschränkt

möglich – die Gegenüberstellung der Beschäftigtenzahlen geben allerdings Aufschlüsse über

die jeweilige Entwicklung des Arbeitsmarktes.

Wie zuvor bei der Darstellung und Auswertung der wirtschaftsstrukturellen Entwicklung,

wird auch hinsichtlich der Beschäftigungsentwicklung eine Betrachtung vor und nach dem

EU-Beitritt Polens vorgenommen. D.h. es werden die Zeiträume von 2000 bis 2004 und von

2004 bis 200825 separat betrachtet. Für die deutsche Grenzregion liegen darüber hinaus

aktuelle Zahlen für das Jahr 2009 vor.

Sowohl im deutschen als auch im polnischen Teil der Grenzregion war die Beschäftigung

zwischen den Jahren 2000 und 2004 rückläufig (siehe Abb. 7 und Tab. 7 und 8).

23 Zu diesem Personenkreis zählen alle ArbeitnehmerInnen einschließlich der Auszubildenden, die kranken-, renten-, pflegeversicherungspflichtig und/oder beitragspflichtig nach dem Recht der Arbeitsförderung sind oder für die von Arbeitgebern Beitragsanteile nach dem Recht der Arbeitsförderung zu entrichten sind. Wehr- und Zivildienstleistende gelten dann als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, wenn sie ihren Dienst aus einem weiterhin bestehenden Beschäftigungsverhältnis heraus angetreten haben und nur wegen Ableistung dieser Dienstzeiten kein Entgelt erhalten. Nicht zu den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zählen dagegen Beamte, Selbstständige und mithelfende Familienangehörige; Bundesagentur für Arbeit 24 Alle Personen, die angegeben haben, dass der jeweilige Ort der Arbeitsort ist; Vgl. http://www.stat.gov.pl/gus/definicje_ENG_HTML.htm?id=ANG-629.htm 25 Anders als bei der Bruttowertschöpfung liegen hier Zahlen für das Jahr 2008 vor.

Wilke, Maack und Partner

26

Abbildung 7: Beschäftigungsveränderung in der Grenzregion von 2000 bis 2004

Szczecin -15,5%

SubregionSzczeciński-16,6%

PlanungsregionVorpommern

-14,7%

Mecklenburg-

Vorpommern -13,4%

(Deutschland -4,7%)

Zachodnio-

pomorskie-12,8%

(Polen -6,1%)

Subregion Stargardzki-6,3%

Rügen-9,4%

Stralsund-13,0%Greifswald

-7,1%

Nord-vorpommern

-19,4%

Ost-vorpommern

-14,8%

Uecker-Randow-22,7%

Quelle: Daten Bundesagentur für Arbeit, Statistisches Amt Stettin, eigene Darstellung Wilke, Maack und

Partner

Tabelle 7: Beschäftigungsentwicklung in der Planungsregion Vorpommern (2000 bis 2004)

Region 2000 2001 2002 2003 2004Veränderung

2000 bis 2004

Greifswald 23.140 22.678 22.163 21.570 21.497 -7,1%

Stralsund 25.451 24.503 23.962 22.800 22.142 -13,0%

Nordvorpommern 31.159 28.785 28.010 26.192 25.127 -19,4%

Ostvorpommern 33.479 31.347 31.302 29.521 28.509 -14,8%

Rügen 24.536 23.655 23.547 22.824 22.241 -9,4%

Uecker-Randow 24.183 22.540 21.032 19.969 18.690 -22,7%

Planungsregion Vorpommern 161.948 153.508 150.016 142.876 138.206 -14,7%

Mecklenburg-Vorpommern 590.661 565.797 548.830 526.476 511.732 -13,4%

Deutschland 27.825.624 27.817.114 27.571.147 26.954.686 26.523.982 -4,7%Quelle: Daten Bundesagentur für Arbeit, eigene Darstellung Wilke, Maack und Partner

Auf deutscher Seite hat sich die Beschäftigung in den Kreisen und kreisfreien Städten von

2000 bis 2004 wie folgt entwickelt: In Greifswald und Rügen blieb der

Beschäftigungsrückgang mit -7,1% bzw. -9,4% im einstelligen Prozentbereich. Stralsund mit -

Wilke, Maack und Partner

27

13,0%, Nordvorpommern mit -19,4% und insbesondere Uecker-Randow mit -22,7% mussten

relativ betrachtet deutlich höhere Rückgänge verzeichnen. In Summe verzeichnet die

Planungsregion Vorpommern für diesen Zeitraum einen Beschäftigungsrückgang von 14,7%

sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und lag damit noch um 1,3%-Punkte über der

negativen Beschäftigungsentwicklung im Land Mecklenburg-Vorpommern. Insgesamt hat die

Planungsregion Vorpommern von 2000 bis 2004 fast 24.000 sozialversicherungspflichtig

Beschäftigte verloren (siehe Tab.7).

Tabelle 8: Beschäftigungsentwicklung in den polnischen Landkreisen (2000 bis 2004)

Region 2000 2001 2002 2003 2004Veränderung

2000 bis 2004

Subregion Stargardzki 55.884 53.868 52.183 50.890 52.357 -6,3%

Szczecin 125.266 118.927 107.337 105.277 105.885 -15,5%

Subregion Szczeciński 57.801 56.628 52.361 48.431 48.216 -16,6%

Polnische Grenzregion 238.951 229.423 211.881 204.598 206.458 -13,6%

Wojewodschaft Westpommern 347.044 329.952 307.750 299.439 302.765 -12,8%

Polen 8.170.747 7.974.606 7.685.524 7.572.263 7.670.167 -6,1% Quelle: Daten Statistisches Amt Stettin, eigene Darstellung Wilke, Maack und Partner

Auf polnischer Seite war relative betrachtet der Verlust an Beschäftigten zwischen 2000 und

2004 insbesondere in der Subregion Szczeciński (-16,6% entsprechend rund -10.000

Beschäftigte) und der Stadt Stettin (-15,5% entsprechend rund -20.000 Beschäftigte) höher

als in der Wojewodschaft Westpommern und vor allem als in Polen insgesamt (siehe Tab. 8).

Nur die Subregion Stargardzki verzeichnet innerhalb der vier Jahre mit -6,3% (Polen -6,1%)

einen geringeren Rückgang als die Wojewodschaft Westpommern im Durchschnitt.

Insgesamt hat die polnische Grenzregion zwischen den Jahren 2000 und 2004 mehr als

32.000 Beschäftigte verloren.

In der gesamten deutsch-polnischen Untersuchungsregion sank damit von 2000 bis 2004 die

Zahl der Beschäftigten um rund 56.000.

Im Zeitraum von 2004 bis 2008 entwickelten sich die Beschäftigtenzahlen in der polnischen

wie auch in der deutschen Untersuchungsregion, mit Ausnahme Nordvorpommerns, positiv

(siehe Abb. 8 und Tab. 9 und 10).

Wilke, Maack und Partner

28

Abbildung 8: Beschäftigungsveränderung in der Grenzregion von 2004 bis 2008

Szczecin +8,4%

SubregionSzczeciński+7,1%

PlanungsregionVorpommern

+1,8%

Mecklenburg-Vorpommern

+1,7%(Deutschland +3,5%)

Zachodnio-pomorskie

+10,3%(Polen +12,4)

Subregion Stargardzki+8,7%

Rügen+0,7%

Stralsund+4,7% Greifswald

+6,9%

Nord-vorpommern

-2,9%

Ost-vorpommern

+1,4%

Uecker-Randow

+0,5%

Quelle: Daten Bundesagentur für Arbeit, Statistisches Amt Stettin, eigene Darstellung Wilke, Maack und

Partner

Tabelle 9: Beschäftigungsentwicklung in der Planungsregion Vorpommern (2004 bis 2008)

Region 2004 2005 2006 2007 2008Veränderung

2004 bis 2008

Greifswald 21.497 20.909 21.314 22.112 22.978 6,9%

Stralsund 22.142 21.940 22.195 23.148 23.178 4,7%

Nordvorpommern 25.127 24.423 23.966 24.129 24.398 -2,9%

Ostvorpommern 28.509 27.876 27.822 28.463 28.917 1,4%

Rügen 22.241 21.753 21.001 21.491 22.394 0,7%

Uecker-Randow 18.690 17.963 18.085 18.188 18.777 0,5%

Planungsregion Vorpommern 138.206 134.864 134.383 137.531 140.642 1,8%

Mecklenburg-Vorpommern 511.732 498.993 503.624 511.606 520.618 1,7%

Deutschland 26.523.982 26.178.266 26.354.336 26.854.566 27.457.715 3,5%Quelle: Daten Bundesagentur für Arbeit, eigene Darstellung Wilke, Maack und Partner

Auf deutscher Seite konnten die kreisfreien Städte Greifswald (rund +1.500 Beschäftigte)

und Stralsund (rund +1.000) mit 6,9% bzw. 4,7% den größten Beschäftigungszuwachs

Wilke, Maack und Partner

29

verzeichnen (siehe Tab. 9). Beide konnten im Jahr 2006 den Negativtrend umkehren, d.h. ab

2006 stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wieder an. In

Ostvorpommern, Nordvorpommern und Rügen vollzog sich die Trendumkehr erst im Jahr

2007. In Nordvorpommern blieb dadurch auch die Zahl der Beschäftigten bis einschließlich

2008 unterhalb des Niveaus des Jahres 2004. Der Beschäftigungszuwachs in der

Planungsregion Vorpommern betrug von 2004 bis 2008 rund 2.500 Personen, davon ca.

1.200 im Verarbeitenden Gewerbe trotz eines leichten Rückgangs der Beschäftigung (-178

Beschäftigte) in der regionalen Schlüsselbranche des Verarbeitenden Gewerbes, der

Ernährungswirtschaft. Insgesamt hat sich damit die Region mit einem

Beschäftigungszuwachs von 1,8 % in diesem Zeitraum in etwa auf demselben Niveau wie

Mecklenburg-Vorpommern entwickelt. Allerdings geben die Zahlen keine Auskunft über die

Art und Qualität der Beschäftigung. Da es sich jedoch um sozialversicherungspflichtig

Beschäftigte handelt, beinhalten die Zahlen keine geringfügige Beschäftigung.

Tabelle 10: Beschäftigungsentwicklung in den polnischen Landkreisen (2004 bis 2008)

Region 2004 2005 2006 2007 2008Veränderung

2004 bis 2008

Subregion Stargardzki 52.357 52.954 53.408 55.194 56.931 8,7%

Szczecin 105.885 107.684 112.590 114.087 114.803 8,4%

Subregion Szczeciński 48.216 48.841 49.635 51.848 51.622 7,1%

Polnische Grenzregion 206.458 209.479 215.633 221.129 223.356 8,2%

Wojewodschaft Westpommern 302.765 308.422 317.304 326.915 334.061 10,3%

Polen 7.670.167 7.835.758 8.038.145 8.372.169 8.624.189 12,4% Quelle: Daten Statistisches Amt Stettin, eigene Darstellung Wilke, Maack und Partner

Auf polnischer Seite konnten insbesondere die Subregion Szczeciński (rund +3.500

Beschäftigte) und die Stadt Stettin (rund +10.000 Beschäftigte) aufholen, die zwischen 2000

und 2004 noch den stärksten Beschäftigungsrückgang verzeichnen mussten (siehe Tab. 10).

In der Subregion Stargardzki (rund +4.500) verbesserte sich die Beschäftigtensituation in

diesen vier Jahren um 8,7 %. In Stargardzki und Szczeciński trat die Trendwende bereits

2004 ein, in Stettin erst im Jahr 2005. Rund die Hälfte der in den Jahren 2000 bis 2004

verlorenen Beschäftigung konnte damit wieder aufgebaut werden. Das

Beschäftigungswachstum entwickelte sich jedoch in den drei grenznahen polnischen

Subregionen schwächer als in der Wojewodschaft Westpommern (+10,3%) insgesamt und

Wilke, Maack und Partner

30

als in Polen (+12,4%). Für das Jahr 200926 ist davon auszugehen, dass sich die Beschäftigung

in der polnischen Grenzregion voraussichtlich vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise

eher negativ entwickelt hat. 2010 kommt erschwerend der Zusammenbruch der Stettiner

Werft und der damit verbundene Verlust von bis zu 4.000 Arbeitsplätzen plus der

Arbeitsplätze bei Zulieferern und Dienstleistern hinzu.

Für die deutsche Region sind bereits die Beschäftigungszahlen 2009 verfügbar (siehe Tab.

11) In 2009 ist die Beschäftigung in allen Städten und Kreisen der Planungsregion

Vorpommern gegen den allgemeinen Trend um gut 1% angestiegen. Auch in Mecklenburg-

Vorpommern war die Beschäftigung nicht rückläufig, sondern hat 2009 stagniert. Der

Hintergrund dieser vergleichsweise positiven Beschäftigungsentwicklung 2009 dürfte

allerdings weniger in der besonderen Wettbewerbsfähigkeit der Region, als vielmehr in den

verhältnismäßig geringen nationalen und besonders internationalen Verflechtungen der

regionalen Wirtschaft liegen. Die negativen Auswirkungen der globalen Wirtschafts- und

Finanzkrise waren dadurch in der deutschen Grenzregion weniger spürbar.

Tabelle 11: Beschäftigungsentwicklung in der Planungsregion Vorpommern (2008 bis 2009)

Region 2008 2009Veränderung

2008 bis 2009

Greifswald 22.978 23.191 0,9%

Stralsund 23.178 23.221 0,2%

Nordvorpommern 24.398 24.571 0,7%

Ostvorpommern 28.917 29.371 1,6%

Rügen 22.394 22.673 1,2%

Uecker-Randow 18.777 19.100 1,7%

Planungsregion Vorpommern 140.642 142.127 1,1%

Mecklenburg-Vorpommern 520.618 520.773 0,0%

Deutschland 27.457.715 27.380.096 -0,3% Quelle: Daten Bundesagentur für Arbeit, eigene Darstellung Wilke, Maack und Partner

Zusammenfassend ist zur Beschäftigungsentwicklung in der deutsch-polnischen Grenzregion

festzuhalten, dass die hohen Beschäftigungsverluste der ersten Periode nach 2004 nicht

kompensiert werden konnten. Insbesondere in der Planungsregion Vorpommern konnten

nur gut 10 % des Verlustes zurückgewonnen werden, u.a. weil der negative

Beschäftigungstrend erst zwei bis drei Jahre später als auf der polnischen Seite gestoppt

26 Die Beschäftigungsstatistik für die polnische Grenzregion liegt noch nicht vor, April 2010.

Wilke, Maack und Partner

31

werden konnte. Positiv ist, dass auch im Jahr 2009 weiter Beschäftigung aufgebaut werden

konnte.

Auf polnischer Seite haben Stettin und die Subregionen zwischen 2004 und 2008

Beschäftigung im Umfang von knapp 17.000 Arbeitsplätzen aufgebaut. Gegenüber dem

Ausgangsjahr 2000 gibt es dennoch in Stettin, und den Subregionen Stargardzki und

Szczeciński – also im westlichen Teil der Wojewodschaft Westpommern - rund 16.000

Beschäftigte weniger, während Westpommerns östliche Subregion Koszaliński die

Beschäftigungsverluste aus dem Zeitraum von 2000 bis 2004 inzwischen, ähnlich wie in

Polen insgesamt, kompensieren konnte. Koszaliński kann über den Gesamtzeitraum von acht

Jahren einen Zuwachs von rund 3.000, Polen von insgesamt von rund 450.000 Beschäftigten

aufweisen.

4.2.2. Entwicklung der Arbeitslosigkeit

Die Arbeitslosenquote27 in Mecklenburg-Vorpommern ist von 2000 bis 2004 um 2,7 %-

Punkte angestiegen, danach bis 2008 um 6,4 %-Punkte auf 14,1 % zurückgegangen (siehe

Tab. 12 und 13). Der Negativtrend konnte im Jahr 2005 gestoppt werden. In allen

Landkreisen und kreisfreien Städten der Planungsregion Vorpommern lag die

Arbeitslosenquote konstant über der Quote in Mecklenburg-Vorpommern, zeitweilig um bis

zu 10 bis 12 %-Punkte. Erstmals 2008 lag die Arbeitslosenquote in einem Teil der

Planungsregion Vorpommern, nämlich im Landkreis Rügen, niedriger als im Durchschnitt

Mecklenburg-Vorpommerns. Insgesamt ist der Abstand zwischen den Arbeitslosenquoten

einerseits der Kreise und kreisfreien Städte der Planungsregion Vorpommern und

andererseits Mecklenburg-Vorpommern in den letzten Jahren deutlich kleiner geworden

(siehe auch Tab. 14). Der Negativtrend in der Arbeitsmarktentwicklung konnte in der

Planungsregion 2005 gestoppt werden und damit, wie auch auf der polnischen Seite, bereits

ein bis zwei Jahre bevor die Beschäftigtenzahlen gestiegen sind. Die Analyse der

Altersstruktur der arbeitslos gemeldeten Personen verdeutlicht, warum die Arbeitslosigkeit

27 Arbeitslosenquoten zeigen die relative Unterauslastung des Arbeitskräfteangebots an, indem sie die (registrierten) Arbeitslosen zu den Erwerbspersonen (EP = Erwerbstätige + Arbeitslose) in Beziehung setzen. Arbeitslos sind nach dem Sozialgesetzbuch Personen, die vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, das 15 Wochenstunden und mehr umfasst, eine versicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens 15 Wochenstunden suchen und dabei den Vermittlungsbemühungen der Agenturen für Arbeit bzw. der Träger der Grundsicherung zur Verfügung stehen und sich dort persönlich arbeitslos gemeldet haben. Vgl.: http://www.pub.arbeitsagentur.de/hst/services/statistik/interim/grundlagen/berechnung-aloquote/index.shtml

Wilke, Maack und Partner

32

bereits ein bis zwei Jahre vor dem Aufbau zusätzlicher Beschäftigung zurückgegangen ist. Ein

Rückgang der Zahl der Arbeitssuchenden ist vor allem bei den unter 25-Jährigen und über

54-Jährigen festzustellen. Der Grund liegt in der Abwanderung junger, mobiler

Arbeitssuchender und dem frühzeitigen, freiwilligen, aber auch unfreiwilligen Ausscheiden

älterer, geburtenstarker Jahrgänge aus dem Erwerbsleben (u.a. die sogenannte 58er-

Regelung). Hinzu kommen statistische Effekte durch das temporäre Ausscheiden

Arbeitsuchender aus der Arbeitslosenstatistik, die einen sogenannten „1-Euro-Job“ ausüben

(bundesweit zurzeit rund 300.000 Personen).

Tabelle 12: Entwicklung der Arbeitslosenquote in der Planungsregion Vorpommern (2000

bis 2004)

Region 2000 2001 2002 2003 2004Veränderung

2000 bis 2004

Greifswald 18,1 18,5 18,3 20,5 21,3 18,1%

Stralsund 20,1 20,4 20,6 22,9 23,9 18,8%

Nordvorpommern 20,3 21,5 21,1 23,7 24,3 19,5%

Ostvorpommern 19,1 20,1 20,4 22,0 22,7 18,7%

Rügen 17,5 18,7 18,9 20,5 20,6 17,9%

Uecker-Randow 22,9 24,8 25,7 27,1 29,3 27,6%

Mecklenburg-Vorpommern 17,8 18,3 18,6 20,1 20,5 14,7%

Deutschland 9,6 9,4 9,8 10,5 10,5 9,4% Quelle: Daten Bundesagentur für Arbeit, eigene Darstellung Wilke, Maack und Partner Tabelle 13: Entwicklung der Arbeitslosenquote in der Planungsregion Vorpommern (2004

bis 2008)

Region 2004 2005 2006 2007 2008Veränderung

2004 bis 2008

Greifswald 21,3 21,5 19,0 17,0 14,5 -32,1%

Stralsund 23,9 22,1 21,2 18,9 16,2 -32,2%

Nordvorpommern 24,3 23,5 21,8 18,3 15,7 -35,3%

Ostvorpommern 22,7 24,4 21,5 19,7 16,3 -28,1%

Rügen 20,6 19,4 18,7 15,8 13,7 -33,4%

Uecker-Randow 29,3 27,6 25,0 21,6 18,7 -36,1%

Mecklenburg-Vorpommern 20,5 20,3 19,0 16,5 14,1 -31,1%

Deutschland 10,5 11,7 10,8 9,0 7,8 -25,7% Quelle: Daten Bundesagentur für Arbeit, eigene Darstellung Wilke, Maack und Partner

Wilke, Maack und Partner

33

Tabelle 14: Entwicklung der Arbeitslosenquote in der Planungsregion Vorpommern (2008

bis 2009)

Region 2008 2009Veränderung

2008 bis 2009

Greifswald 14,5 13,7 -5,5%

Stralsund 16,2 15,1 -6,8%

Nordvorpommern 15,7 14,9 -5,1%

Ostvorpommern 16,3 15,9 -2,5%

Rügen 13,7 12,4 -9,5%

Uecker-Randow 18,7 17,2 -8,0%

Mecklenburg-Vorpommern 14,1 13,6 -3,5%

Deutschland 7,8 8,2 5,1% Quelle: Daten Bundesagentur für Arbeit, eigene Darstellung Wilke, Maack und Partner

Auf polnischer Seite ist die Arbeitslosigkeit28 in den Jahren 2000 bis 2003 in allen Teilen der

Grenzregion massiv gestiegen, vor allem in der Stadt Stettin. Seit 2003 fällt sie, besonders in

der Stadt Stettin (siehe Tab. 15). Bis 2008 ist die Arbeitslosigkeit wieder weit unter das

Niveau des Jahres 2000 gesunken (siehe Tab.16).

Tabelle 15: Entwicklung der Arbeitslosenzahl der polnischen Landkreise (2000 bis 2004)

Region 2000 2001 2002 2003 2004Veränderung

2000 bis 2004

Subregion Stargardzki 40.231 45.739 49.696 49.669 46.648 16,0%

Szczecin 16.365 21.420 28.162 29.423 27.605 68,7%

Subregion Szczeciński 24.343 30.035 32.846 33.833 32.781 34,7%

Polnische Grenzregion 80.939 97.194 110.704 112.925 107.034 32,2%

Wojewodschaft Westpommern 150.084 175.341 189.643 190.864 182.692 21,7%

Polen 2.702.576 3.115.056 3.216.958 3.175.674 2.999.601 11,0% Quelle: Daten Statistisches Amt Stettin, eigene Darstellung Wilke, Maack und Partner

Auch auf der polnischen Seite liegt der Zeitpunkt des Rückgangs der Arbeitslosigkeit vor dem

Zeitpunkt der Trendwende hin zu mehr Beschäftigung. Ausschlaggebend dürfte die

Abwanderung vieler polnischer Arbeitssuchender aus der Region ins EU-Ausland, speziell

Großbritannien, Irland, aber auch Skandinavien sein. Im Zuge der weltweiten Wirtschafts-

und Finanzkrise ist inzwischen ein erheblicher Teil dieser Personen zurückgekehrt. Auch vor

diesem Hintergrund ist die Arbeitslosigkeit in Polen und in der Untersuchungsregion aktuell

wieder gestiegen. Hinzu kommt die Schließung der Stettiner Werft. Insbesondere in der 28 Dazu zählen Personen die nicht beschäftigt sind und keine andere gewinnbringende Tätigkeit ausüben und in der Lage sind eine Vollzeitarbeitsstelle aufzunehmen und älter als 18 Jahre und jünger als 60 (Frauen) bzw. 65 (Männer) Jahre alt sind; Vgl. http://www.stat.gov.pl/gus/definicje_ENG_HTML.htm?id=ANG-1258.htm

Wilke, Maack und Partner

34

Stadt Stettin ist die Arbeitslosigkeit dadurch stärker gestiegen als in allen anderen

Großstädten ab 300.000 Einwohnern in Polen29.

Tabelle 16: Entwicklung der Arbeitslosenzahl der polnischen Landkreise (2004 bis 2008)

Region 2004 2005 2006 2007 2008Veränderung

2004 bis 2008

Subregion Stargardzki 46.648 44.222 35.303 28.161 21.805 -53,3%

Szczecin 27.605 25.484 21.550 11.474 7.394 -73,2%

Subregion Szczeciński 32.781 30.526 24.273 18.548 16.467 -49,8%

Polnische Grenzregion 107.034 100.232 81.126 58.183 45.666 -57,3%

Wojewodschaft Westpommern 182.692 168.814 138.866 103.241 82.520 -54,8%

Polen 2.999.601 2.773.000 2.309.410 1.746.573 1.473.752 -50,9% Quelle: Daten Statistisches Amt Stettin, eigene Darstellung Wilke, Maack und Partner

4.2.3. Resümee zur Beschäftigungs- und Arbeitsmarktentwicklung

Nachdem sich auf der deutschen und polnischen Seite der Untersuchungsregion die

Arbeitsmarkt- und Beschäftigungssituation vor dem EU-Beitritt Polens unter dem Einfluss

einer – auch insgesamt in Deutschland und Polen – schwachen konjunkturellen Entwicklung

in den Jahren vor der EU-Osterweiterung massiv verschlechtert hatte, gab es auf beiden

Seite der Grenze danach eine Trendwende mit sinkender Arbeitslosigkeit und einer

steigenden Zahl Beschäftigter. Die Trendwende setzte in der polnischen Grenzregion um

zwei bis drei Jahre früher ein als in der deutschen Grenzregion. Insbesondere auf der

deutschen Seite konnte der Beschäftigungsaufbau den Abbau der Vorjahre nicht annähernd

kompensieren. Auch auf der polnischen Seite der Grenze ist dieses nicht in dem Maße

gelungen wie z.B. in der Wojewodschaft Westpommern oder in Polen insgesamt. Aktuell hat

der positive Trend auf der deutschen Seite Bestand. Auf der polnischen Seite haben die

Einflüsse und Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise den positiven Arbeitsmarkt- und

Beschäftigungstrend gedämpft. Insbesondere in Stettin hat sich die Arbeitsmarktlage durch

die Schließung der Stettiner Werft spürbar verschlechtert.

4.3. Einflüsse der regionalen Entwicklung auf die Beschäftigtensituation und die Lohn- und Gehaltssituation

Wie bereits vorstehend angedeutet, waren die Auswirkungen der Wirtschafts- und

Finanzkrise in Mecklenburg-Vorpommern wie auch in der Planungsregion Vorpommern

weniger einschneidend, was sich auch in der Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter im

29 Vgl. IHK Neubrandenburg: http://www.neubrandenburg.ihk.de/ihk/index.php?id=4021

Wilke, Maack und Partner

35

Jahr 2009 wiederspiegelt (siehe Tab. 17). Im Gegensatz zur bundesweiten Entwicklung sind

die Bruttolöhne und -gehälter in Mecklenburg-Vorpommern 2009 nicht gesunken,

wenngleich Mecklenburg-Vorpommern bezüglich des Lohnniveaus nach wie vor bundesweit

an letzter Stelle liegt.

Tabelle 17: Bruttolöhne und -gehälter je ArbeitnehmerIn in ausgewählten

Wirtschaftsbereichen (Mecklenburg-Vorpommern)

Wirtschaftsbereich1999EUR

2009EUR

2009Deutschla nd = 100

Verarbeitendes Gewerbe 21.150 23.314 64,3

Baugewerbe 18.452 20.982 83,3

Handel, Gastgewerbe und Verkehre 15.914 17.173 75,4

Finanzierung, Vermietung und

Unternehmensdienstleister19.492 21.098 73,2

Öffentliche und private Dienstleister 21.700 25.297 98,7 Quelle: Daten Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, eigene Darstellung Wilke, Maack und Partner

Besonders im Verarbeitenden Gewerbe lagen die Bruttolöhne und -gehälter auch 2009 noch

um rund ein Drittel niedriger als im Durchschnitt des Bundesgebiets. Lediglich im Bereich

öffentlicher und privater Dienstleistungen hat sich der Lohnabstand in den letzten zehn

Jahren auf 1,3 % verringert. Zu berücksichtigen ist, dass die gesamtwirtschaftlichen

Bruttolöhne und -gehälter je ArbeitnehmerIn durch den Einfluss der marginal

Beschäftigten30 gedämpft werden. In 200831 lag der Anteil der marginal Beschäftigten in

Mecklenburg-Vorpommern bei 13,7 % und damit sogar um 1 %-Punkt unter dem

Bundesdurchschnitt. Insofern sind die vergleichsweise niedrigen Bruttolöhne und -gehälter

nicht auf einen überdurchschnittlich hohen Anteil an marginaler Beschäftigung

zurückzuführen, vielmehr werden in Mecklenburg-Vorpommern auch Qualifizierte in

Normalarbeitsverhältnissen im Durchschnitt um rund 20 % niedriger entlohnt. Dadurch sind

die Bindung und insbesondere die Rekrutierung qualifizierter Beschäftigter in Mecklenburg-

Vorpommern wie auch in der Planungsregion Vorpommern weiterhin schwierig.

Auf polnischer Seite weicht das Lohn- und Gehaltsniveau nicht in dem Maße vom

Landesdurchschnitt ab wie auf deutscher Seite. Stettin lag in 2008 sogar um 4,2 % über dem

30 Marginal Beschäftigte sind Beschäftigte die keine voll sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben, jedoch als Erwerbstätige nach dem Labour-Force-Konzept der Internationalen Arbeitsorganisation gelten, wenn sie in einem einwöchigen Berichtszeitraum wenigstens eine Stunde gegen Entgelt gearbeitet haben; Vgl. Herrmann, M. (2009): Gesamtwirtschaftliche Bruttolöhne und -gehälter – erreichter Stand in Mecklenburg-Vorpommern 20 Jahre nach der Wende. 31 Für 2009 liegen noch keine Daten vor.

Wilke, Maack und Partner

36

durchschnittlichen Lohn- und Gehaltsniveau Polens. Allerdings ist das Lohn- und

Gehaltsniveau der Subregion Szczeciński seit 2004 gegenüber dem polnischen Durchschnitt

gesunken und lag in 2008 5,9 %-Punkte unterhalb des Landesniveaus. Die Subregion

Stargardzki liegt sogar um 21,9 %-Punkte unterhalb des polnischen Lohn- und

Gehaltsniveaus.

Abbildung 9: Lohn- und Gehaltsindex polnische Grenzregion (2002-2008)

70.0

80.0

90.0

100.0

110.0

2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Po

len

= 1

00

Szczecin Subregion Szczeciński Subregion Stargardzki Zachodniopomorski

Quelle: Daten Statistisches Amt Stettin, eigene Darstellung Wilke, Maack und Partner

Für 2009 wird ein weiterer Rückgang des Lohn- und Gehaltsniveaus in der polnischen

Grenzregion und insbesondere in Stettin erwartet. Grund hierfür ist die Schließung der

Stettiner Werft, die als staatliche Institution überdurchschnittlich hohe Löhne und Gehälter

gezahlt hat. Ein Einstieg in die Privatwirtschaft der Region bedeutet daher für die meisten

ehemaligen Beschäftigten der Stettiner Werft einen Lohnverlust. Aus diesem Grund wird

befürchtet, dass vor allem hochqualifizierte Kräfte verstärkt in andere Regionen bzw. ins

europäische-Ausland abwandern. Auf der Werft waren zuletzt 4.000 Personen beschäftigt.

Davon sind derzeit ca. 1.500 beim Arbeitsamt gemeldet. Rund 500 ehemalige Mitarbeiter

nehmen an Umschulungs- und Wiedereingliederungsmaßnahmen teil. Die Folgen für den

Arbeitsmarkt und die Zulieferer sind zurzeit noch nicht absehbar.

Wilke, Maack und Partner

37

Deutlich wird jedoch, dass durch das möglicherweise sinkende Lohniveau im Stettiner Raum

und das ohnehin sehr niedrige Lohn- und Gehaltsniveau in der Subregion Stargardzki

nennenswerte grenzüberschreitende Verflechtungen der Arbeitsmärkte in der deutsch-

polnischen Grenzregion vorerst weiter unwahrscheinlich bleiben. Andererseits könnte

erstmals ab 2011 bei einem anhaltenden Wachstum, insbesondere des Verarbeitenden

Gewerbes in der Planungsregion Vorpommern, und einem großen Angebot qualifizierter

Kräfte auf dem Stettiner Arbeitsmarkt, u.a. durch die Schließung der Werft, eine stärkere

deutsch-polnische Verflechtung auf dem Arbeitsmarkt in der deutsch-polnischen

Grenzregion und darüber hinaus entstehen.

5. Verflechtungsbeziehungen und Potenzialbestimmung

Die Entwicklung Stettins hin zu einem langfristig erfolgreichen Wachstumspol mit

Zentrumsfunktion kann nur in Kooperation mit dem deutsch-polnischen Umland gelingen.

Dieses Kernergebnis, die sogenannte Integrationsthese, aus der Studie „Wachstumspol

Stettin“ von 2004 bildet die Grundlage für die vorliegende Untersuchung der

Verflechtungsbeziehungen in der Grenzregion. Die Entwicklung der Integration und die

Verflechtungsbeziehungen geben Hinweise auf den Entwicklungsstand bzw. die Nutzung von

Potenzialen und Synergien in der Grenzregion.

Um es vorwegzunehmen: Die großen, wegweisenden „Meilensteine“ in der Kooperation

zwischen den Teilregionen der Grenzregion seit 2004 sind bisher ausgeblieben. Umfassende

Strategien oder Zielsetzungen in Richtung einer gemeinsamen Entwicklung der Grenzregion

wurden seither nicht vereinbart. Stattdessen lassen sich aber Verflechtungen z.B. anhand

einer Reihe kleinteiliger Kooperationen und grenzüberschreitender Initiativen feststellen, die

in verschiedenen Bereichen von Wirtschaft, Kultur oder auf Verwaltungsebene stattfinden.

Einige dieser Verflechtungen lassen sich ganz konkret benennen, da sie in die Form von

Projekten oder Kooperationsinstrumenten gegossen worden sind oder quantitativ erfasst

werden (wie z.B. die ausländischen Direktinvestitionen). Andere Verflechtungen werden

mehr durch Tendenzen und Einschätzungen über das Zusammenwachsen in der Grenzregion

skizziert. Diese Verflechtungsbeziehungen sind zwar weniger greifbar, aber dennoch

unverzichtbar für die Potenzialbestimmung in der Region. Im Folgenden sollen einige dieser

Verflechtungen aus den verschiedenen Bereichen exemplarisch vorgestellt werden.

Wilke, Maack und Partner

38

5.1. Verflechtungen auf administrativer Ebene

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf Landes- bzw. Wojewodschaftsebene wurde

von deutscher und polnischer Seite im Jahr 2000 erneut (nach 1991) durch die sogenannte

„Gemeinsame Erklärung über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit“ bekräftigt. Auf

fachlicher Ebene steht vor allem die Kooperation im Rahmen der Euroregion Pomerania im

Fokus, deren Aufgaben vordergründig die Initiierung und Abstimmung von Projekten und

Aktivitäten im Grenzraum sind. Die Mitglieder der Euroregion sind Gemeindeverbände der

polnischen, deutschen und schwedischen Teilregionen.

Ebenfalls beim Land Mecklenburg-Vorpommern und der Wojewodschaft Westpommern

angesiedelt ist das Arbeitsgremium „Gemeinsame Umweltkommission“ (GUK), in dessen

Rahmen die deutsch-polnische Zusammenarbeit bereits seit 1991 besteht. Die GUK gilt bei

regionalen Akteuren als ein Beispiel für gelungene Kooperation auf administrativer Ebene.

Die GUK besteht aus mehreren Arbeitsgruppen und befasst sich mit konkreten Themen des

Umweltschutzes oder der Ver- und Entsorgung, für die es der gegenseitigen Abstimmung in

der Grenzregion bedarf.

Neben der GUK war die Gemeinsame Raumordnungs- und Arbeitsmarktkommission (GRAK)

von Mecklenburg-Vorpommern und Westpommern für Veranstaltungen, Projekte und

Partnerschaften vordergründig im Bereich Arbeitsmarkt und Beschäftigung (z.B. mit der

Umsetzung der EU-Gemeinschaftsinitiative EQUAL) und für den gegenseitigen Austausch im

Bereich Raumordnung und Regionalplanung zuständig. Die GRAK wurde im Jahr 2008

aufgelöst. Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern gibt in ihrem Jahresbericht 2008

an, dass die von der GRAK initiierten Kooperationen weitgehend selbstständig

weiterlaufen32.

Die Planungsregion Vorpommern hat im Rahmen des „Bündnis für Arbeit und

Wettbewerbsfähigkeit Mecklenburg-Vorpommern“ die Arbeitsgruppe „Regionale

Entwicklung Vorpommern“ gegründet. Die Arbeitsgruppe hat vor allem zum Ziel, Akteure

aus Politik, Verbänden, Wirtschaft und Gewerkschaften zusammenzubringen und sich über

Projekte in der deutschen Grenzregion auszutauschen.

Auf der übergeordneten Ebene solcher Arbeitsgemeinschaften bezeichnen das Land

Mecklenburg-Vorpommern und die Wojewodschaft Westpommern als Kernstück ihrer

Zusammenarbeit die sogenannten „gegenseitigen Präsentationen“. In deren Rahmen

32 Vgl. Landtag Mecklenburg-Vorpommern 2008, S.56

Wilke, Maack und Partner

39

werden zu den Themen Kultur, Wirtschaft und der Euroregion Pomerania mehrmals jährlich

Informationsveranstaltungen unter der Koordination des Marschallamtes und der

Staatskanzlei durchgeführt33.

Das Konzept dieser Zusammenarbeit wird gleichzeitig von regionalen Akteuren als

symptomatisch für die Defizite in der Kooperation in der Grenzregion angesehen, da der

Kern der Kooperation nur in der gegenseitigen Information, nicht aber in der Abstimmung

und Zusammenarbeit bereits im Entwicklungsprozess, liegt. Als Beispiele für unzureichende

Kooperation und Abstimmung gelten z.B. die Planungen für das Kohlekraftwerk von DONG

Energy in Lubmin (Pläne wurden im Dezember 2009 aufgegeben), oder der aus Mitteln der

Europäischen Union und der Weltbank finanzierte Containerterminal in Stettin-Swinemünde.

Die Stettiner Stadtpolitik hat in den letzten Jahren ihre eigenen Strategien neu formuliert

und das städtische Leitbild hinsichtlich einer internationaleren Ausrichtung gestrafft. Seit

2006 wirbt Stettin mit der Kampagne „Stettin ist offen“ vor allem gegenüber Investoren und

Arbeitskräften aus dem Ausland für die Attraktivität und Standortvorteile der Stadt. Darüber

hinaus hat Stettin mit der Marke „Szczecin Floating Garden 2050“ zwischen 2008 und 2009

eine Stadtvision entwickelt, die langfristig für Stettin mit den Schwerpunkten Wasser, Grün

und Freiraum werben will. Mit diesem neuen Konzept des Stadtmarketing möchte sich

Stettin vor allem im internationalen Standortwettbewerb der Städte besser positionieren.

„Floating Garden“ ist in erster Linie ein Konzept zur Vermarktung der Stadt Stettin. Die

Entwicklung der Grenzregion als Gesamtheit und die Stärkung der Stadt-Umland-

Beziehungen spielen dabei keine vordergründige Rolle.

Dennoch hat sich die Stettiner Stadtpolitik in den letzten Jahren verstärkt der

grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gewidmet. Auf Initiative der Stadt Stettin wird seit

zwei Jahren die Konferenz „Stettin- Unser Grenzraum“ mit regionalen Akteuren der

deutschen und polnischen Seite durchgeführt. Die Konferenz wird von der Stettiner

Stadtverwaltung und der Euroregion Pomerania organisiert. Ziel der Konferenz ist es,

Leitprojekte für die Region zu erörtern und Handlungsempfehlungen zur Lösung aktueller

Problembereiche auszuarbeiten.

Darüber hinaus wird ganz allgemein auf gute Erfahrungen in der grenzüberschreitenden

Zusammenarbeit im Bereich des Tourismus hingewiesen (z.B. grenzüberschreitendes

33 Vgl. Website Staatskanzlei Mecklenburg-Vorpommern: http://www.regierung-mv.de/cms2/Regierungsportal_prod/Regierungsportal/de/start/index.jsp

Wilke, Maack und Partner

40

Radwegekonzept, Partnerschaften der regionalen Tourismusverbände). Eine weitere Facette

ist seit Anfang 2010 die Partnerschaft der Städte Greifswald und Stettin für die Bewerbung

um den Titel Europäische Kulturhauptstad 2016.

Zu den Verflechtungen auf administrativer Ebene gehören auch die Kooperationen im

öffentlichen Bereich der Wirtschaftsförderung und der Standortpolitik. Das Regionale

Raumentwicklungsprogramm Vorpommern (Entwurf 2009) formuliert als Ziel eine verstärkte

Öffnung hin zur polnischen Nachbarregion, indem die Nähe zum Oberzentrum Stettin in

wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht „offensiv genutzt werden“ soll.34

Dem Wirtschaftsverbund PAPS der Städte Pasewalk, Anklam und Prenzlau ist Stettin seit

2006 beigetreten, ebenso Police im Jahr 2009. Auch hier stehen gemeinsame

Marketingstrategien zur verbesserten Außendarstellung des Wirtschaftsraumes der

Grenzregion im Vordergrund. Aufgrund der Größe seines Einzugsraumes und der beteiligten

Akteure ist PAPS wohl das derzeit wichtigste grenzüberschreitende Projekt zur

wirtschaftlichen Zusammenarbeit auf administrativer Ebene35.

Die Europäische Kommission hat zu Beginn des Jahres 2008 das „Enterprise Europe

Network“ als Beratungs- und Unterstützungsnetzwerk für kleine und mittlere Unternehmen

in Stettin ins Leben gerufen. Ein Schwerpunkt der Beratungseinrichtung ist die Unterstützung

von polnischen und deutschen Existenzgründern in der Grenzregion.

Dagegen spielen Kooperationen im Bereich der Verkehrsinfrastruktur in der Grenzregion

derzeit kaum eine Rolle. Ausschlaggebend dafür sind die unterschiedlichen

Ausgangssituationen in denen sich jeweils die deutsche und die polnische Teilregion

befinden. Seit der Grenzöffnung zwischen Deutschland und Polen 2007 hat der Grenzverkehr

in der Region zwar zugenommen. Vor dem Hintergrund der Fertigstellung der Autobahn A20

und der demographischen Entwicklung wird auf der deutschen Seite allerdings derzeit kein

besonderer Bedarf im Ausbau der Verkehrsinfrastruktur gesehen. Gleichzeitig steht Stettin

vor einer Reihe wichtiger Vorhaben zum Ausbau seiner Verkehrsinfrastruktur:

o Ausbau der Ortsumgehungsstraßen um Szczecin und Stargard

o Ausbau der Schnellstrasse S-3 Szczecin-Gorzow

o Ausbau des Flughafens Szczecin-Goleniow

34 Vgl. Regionaler Planungsverband Vorpommern (2009), S.41 35 PAPS ist Teil des Projektes des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung „Modellregion Stettiner Haff“. Weiterführende Informationen unter http://www.region-schafft-zukunft.de/nn_252590/DE/ProjekteStettinerHaff/projekte__stettiner__haff__node.html?__nnn=true

Wilke, Maack und Partner

41

Darüber hinaus ist der Bereich Verkehrsinfrastruktur in manchen Belangen von

Konkurrenzsituationen zwischen dem deutschen und dem polnischen Teil der Grenzregion

geprägt. Beispielsweise wird es in der Fortschreibung der vorrangigen europäischen

Verkehrsnetzte (TEN-T) eine Nord-Süd-Verbindung zwischen dem südlichen Mittelmeerraum

und Skandinavien geben. Die Ostseehäfen Rostock und Stettin/Swinemünde stehen

aufgrund ihrer ähnlichen Größe und Umschlagskapazitäten in der Region diesbezüglich in

Konkurrenz zueinander36.

36 Vgl. dazu weiter Initiativen zum Nord-Süd-Korridor, wie „South North Axis“ und „Central European Transport Corridor“

Wilke, Maack und Partner

42

5.2. Wirtschaftliche Verflechtungen

Gemessen an der Investorentätigkeit hat der polnische Teil der Grenzregion seine

wirtschaftlichen Beziehungen zu anderen europäischen Regionen seit 2004 ausgebaut.37

Neben deutschen Investoren haben vor allem skandinavische Investoren, darunter

dominierend die Dänen, in den letzten Jahren ihr Engagement in der polnischen Grenzregion

ausgeweitet.

Abbildung 10: Standorte Deutscher Firmen mit Direktinvestitionen in Stettin

und Umland

37 Die Polnische Agentur für Auslandsinformationen und Investitionen (PAIZ) listet jährlich die wichtigsten ausländischen Investoren nach Region auf („List of Major Foreign Investors in Poland 2008“).

Quelle: Daten Haus der Wirtschaft Stettin, PAIZ; Eigene Darstellung Wilke Maack und Partner

Wilke, Maack und Partner

43

Tabelle 18: Übersicht deutsche Firmen mit Direktinvestitionen in Stettin und Umland nach

Standorten und Branche Baden-Württemberg

Altrad-Baumann GmbH Laupheim – Szczecin Bautechnik, Gerüstbau

Elbe Holding Bietigheim – Szczecin Maschinenbau

Bayern

Ehrle Reinigungstechnik GmbH Illertissen - Szczecin Reinigungstechnik

Max Bögl GmbH & Co. KG Sengenthal - Szczecin Bauunternehmen

Berlin

Fliegel Textilservice Sp. z o. o. Berlin - Nowe Czarnowo Dienstleistung

SCHENKER DB Logistics Spolka z o.o. Berlin - Szczecin Logistik

Town & Country HS Solid Polska Sp. z o.o. Berlin - Szczecin Immobilien

WKI Isoliertechnik Sp. z o.o. Berlin - Gryfino Isoliertechnik, Baustoffe

Hamburg

Frachtkontor Junge & Co. GmbH Hamburg - Szczecin Reederei

Josef Möbius Bau AG Hamburg - Szczecin Hafen,- Wasserstraßenbau

Mühlhan Steel Services Sp. z o.o. Hamburg - Szczecin Schiffbau, Industrieservice

Nordische Futterfette CARROUX Hamburg – Stepnica Agrarwirtschaft

TCHIBO Kaffe Hamburg - Szczecin Einzelhandel

Mecklenburg-Vorpommern

GF Energia (Fromholz GmbH) Labömitz - Szczecin Treibstoff-Großhandel

HANSA DOMAPOR Vertriebs-GmbH Parchim - Szczecin Baustoffe

Heinrich Schütt KG GmbH Neubrandenburg - Szczecin Stahlhandel

ME-LE Energietechnik GmbH Torgelow - Szczecin Biogasanlagenbau

Wittenberg Metall Sp. z o.o. Torgelow - Debno Metallbau

Niedersachsen

Fuhrpark EURO-Leasing GmbH Sittensen - Kolbaskowo Fahrzeugvermietung

HERO-GLAS GmbH Delmenhorst - Szczecin Baustoffe

OEKO Tech GmbH Oil Water Separation Oldendorf – Szczecin Umwelttechnik

PHW Gruppe Lohmann AG Geflügel Visbek - Szczecin Ernährungswirtschaft

Nordrhein-Westfalen

Brenntag Intern. Chemical GmbH Mühlheim - Szczecin Industriechemikalien

Gerhard Weber Kunststoffverarbeitung Minden - Szczecin Kunststofftechnik

Kewes Floristik Elsdorf - Nowogard Floristikgroßhandel

Kränzle GmbH Hochdruckreiniger Bielefeld - Szczecin Reinigungstechnik

Schmittenberg Pol Sp. z o.o. Wuppertal - Szczecin Metallverarbeitung

RABEN Group Wuppertal - Szczecin Logistik

Schleswig-Holstein

MAX Schön AG Stahl+Rohr Sp. z o.o. Luebeck - Szczecin Maschinen, Werkzeuge

Thomas Beton Sp. z o.o. Kiel - Szczecin Baumstoffe

AHLMANN Zerssen Sp. z o.o. Rendsburg - Szczecin Schifffahrt, Logistik

Sport-Creativ Nusse - Maszewo Sportartikelhandel

Vosschemie GmbH Uetersen - Goleniow Lackhersteller

Quelle: Haus der Wirtschaft Stettin38

, PAIZ 2008

38Aufgelistet sind Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland, die in den letzten Jahren in der polnischen Grenzregion investiert haben. Die Auflistung bezieht sich auf Angaben des Haus der Wirtschaft in Stettin von Januar 2010 und Angaben der PAIZ in der Studie „Invest in Poland“ von 2008. Die Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Wilke, Maack und Partner

44

Betrachtet man die wirtschaftlichen Verflechtungen mit Deutschland, dann betrifft dies in

erster Linie die nord- bzw. westdeutschen Regionen Hamburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen,

Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Der überwiegende Teil

der deutschen Unternehmen die in den Jahren seit dem EU-Beitritt in der polnischen

Grenzregion, vor allem im direkten Stettiner Umland investiert haben, haben ihren Hauptsitz

in einem dieser Bundesländern (siehe Abb.10). Die Direktinvestitionen wurden zum großen

Teil in den Branchen Logistik, Bauwirtschaft und Metallverarbeitung getätigt. Unternehmen,

die direkt aus dem deutschen Teil der Grenzregion stammen, sind allerdings nur vereinzelt

zu finden.

Die PAIZ39 erfasst nur Direktinvestitionen ab einer Größenordnung von 1 Mio. US$. Es gibt

im deutsch-polnischen Grenzraum allerdings auch Verflechtungen im „kleineren Stil“, wie

z.B. eine Reihe von in Deutschland ansässigen Rechtskanzleien oder Steuerberatungen, die

Niederlassungen im polnischen Grenzraum eröffnet haben.

In der Region um Stettin haben sich die Städte Police, Stargard, Goleniow und Gryfino als

Investitionszentren etabliert, zum Teil weit erfolgreicher als die Stadt Stettin bei der

Gewerbeansiedlung sowie der Öffnung hin zu anderen Zentren Polens.

Ein wichtiger Grund dafür sind die polnischen Sonderwirtschaftszonen, denn laut PAIZ

werden in Polen die meisten ausländischen Direktinvestitionen in Sonderwirtschaftszonen

getätigt. Zwar ist keine der polnischen Sonderwirtschaftszonen direkt in Westpommern

angesiedelt, allerdings haben Police, Stargard, Goleniow und Gryfino sogenannte

Unterzonen ausgewiesen. Die Gewerbegebiete dieser Sub-Sonderwirtschaftszonen bieten

dieselben Bedingungen für Investoren wie die Haupt-Sonderwirtschaftszonen (siehe Abb.11)

und konnten in den letzten Jahren eine Reihe neuer Investitionen gewinnen. Stettin selbst

hat bisher keine Gewerbegebiete als Sonderwirtschaftszonen ausgewiesen. Derzeit wird

aber über die Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone auf Stettiner Stadtgebiet verhandelt.

Auch das Gelände der ehemaligen Stettiner Werft ist als mögliches Gebiet dafür im

Gespräch. Nicht zuletzt durch die Entwicklung in den Sonderwirtschaftszonen, hat sich das

Verarbeitende und Produzierende Gewerbe in den letzten Jahren besser in den

Umlandgebieten von Stettin platziert.

39 PAIZ = polnische Agentur für Auslandsinformationen und Investitionen

Wilke, Maack und Partner

45

Koszalin

Stargard

Police

Goleniow

Gryfino Barlinek

Stettin

Abbildung 11: Sonderwirtschaftszonen in Polen

Polnische Sonderwirtschaftszonen (SWZ) Es gibt in Polen insgesamt 14 Sonderwirtschaftszonen (siehe Karte)

Vorteile für Unternehmen in einer SWZ:

• Freistellung von der Körperschaftssteuer

• Freistellung von der Immobiliensteuer

• Erschlossene Gewerbegebiete

• Unterstützung durch die Verwaltungsagenturen während der

Investitionsphase

Unterzonen in der Wojewodschaft Westpommern

Nach der Konzentration von Investitionen im südpolnischen Industrieraum gibt es vermehrt Ansiedlungen in den Unterzonen (z. B.

im Umland von Szczecin).

Die Unterzonen Goleniow, Police, Barlinek, Karlino und Gryfino gehören zur Haupt-Sonderwirtschaftszone in Kostrzyn.

Die Unterzonen Stargard und Koszalin gehören zur Haupt-Sonderwirtschaftszone in Sopot.

In Stettin wird derzeit über die Einrichtung einer SWZ verhandelt. Es besteht die Möglichkeit eine Unterzone der

SWZ Euro-Park Mielec auszuweisen.

Umgekehrt sind die wirtschaftlichen Verflechtungen gemessen an den Direktinvestitionen

noch schwächer ausgeprägt. Polnische Unternehmen, die in der deutschen Grenzregion

investieren, sind die Ausnahme. Dazu gehörte z.B. das Metallverarbeitungsunternehmen

ROMAG aus Poznan, das sich 2007 in Pasewalk niedergelassen hat und dort, bis zur Insolvenz

im Jahr 2009, etwa 20 Mitarbeiter beschäftigte. Darüber hinaus finden sich einzelne

Investitionen in der Lebensmittelbranche, wie etwa der polnische Gewürzproduzent

Fleischmann AG der seit 2008 in Löcknitz eine Produktionsstätte mit sechs Beschäftigten

betreibt40. Einerseits ist die deutsche Grenzregion aufgrund der niedrigen Immobilienpreise,

der unmittelbaren Anbindung an den deutschen Markt und der Möglichkeit, in Deutschland

zu produzieren („made in Germany“) für polnische Unternehmer interessant. Andererseits

sind die Schwächen der deutschen Grenzregion – niedrige Kaufkraft und vor allem der

Mangel an Fachkräften – wichtige Gründe dafür, dass die Anzahl der polnischen

Direktinvestitionen in den letzten Jahren auf niedrigstem Niveau geblieben ist.

40 Vgl. MV-Schlagzeilen Februar 2008

Eigene Darstellung

Wilke Maack und Partner

Quelle: Ernst&Young 2007

Wilke, Maack und Partner

46

Darüber hinaus ist der Stand der wirtschaftlichen Verflechtungen auch dadurch geprägt, dass

sich einige deutsche Unternehmen mit dem Aufkommen der Wirtschafts- und Finanzkrise

wieder vom polnischen Markt zurückgezogen haben. Vor allem Unternehmen im Bereich des

Kfz- und Autohandels und des Baustoffgroßhandels haben nach den anfänglichen Boom-

Jahren kurz nach dem EU-Beitritt ihr Engagement im polnischen Grenzgebiet wieder

beendet. Ein weiterhin wachsender Wirtschaftszweig im Grenzgebiet, der vom gewachsenen

Grenzverkehr profitiert, bleibt der (Lebensmittel-) Einzelhandel.

5.3. Kulturelle Verflechtungen

Anders als bei der Betrachtung der wirtschaftlichen Verflechtungen kann man dem

Zusammenwachsen der Grenzregion im kulturellen Bereich seit 2004 eindeutige Fortschritte

attestieren. In den letzten Jahren hat sich in der Region so etwas wie eine

„Grenzgesellschaft“ herausgebildet. Während Stettin vor allem von deutschen

Unternehmern noch nicht als Zentrum mit Ausstrahlungskraft wahrgenommen wird,

etabliert sich die Stadt allmählich als wichtiger Anlaufpunkt für kulturelle Angebote in der

Region. Dazu beigetragen hat sicherlich auch der insgesamt angewachsene Tourismus

zwischen Polen und Deutschland. Stettin setzt große Hoffnungen darin, mit dem Bau der

neuen Philharmonie einen weiteren Anziehungspunkt für Reisegruppen und kulturell

Interessierte aus der Region zu erhalten.

Ein weiterer entscheidender Punkt, der sich zwar kaum messen lässt, der aber im Gespräch

mit den Akteuren in der Region deutlich wurde, ist, dass sich das Verhältnis zwischen

Deutschen und Polen in der Grenzregion in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt hat.

Insgesamt hat sich die Denkweise über den jeweiligen Nachbarn in der Grenzregion insofern

verändert, dass negative Vorurteile und Berührungsängste auf dem Rückzug sind.

5.4. Verflechtungen im Bereich Bildung und Ausbildung

Einer der wichtigsten Eckpfeiler für ein nachhaltiges Zusammenwachsen in der deutsch-

polnischen Grenzregion sind die Verflechtungen in den Bereichen Bildung und Ausbildung.

Auch hier haben sich seit dem EU-Beitritt einige Fortschritte ergeben, wenngleich sich viele

der Ansätze noch in der Anfangsphase befinden. Kooperationen finden in der Grenzregion

im interkulturellen Bereich verstärkt im Rahmen von Sprachkursen und der Entstehung einer

deutsch-polnischen Bildungslandschaft statt. Die Bedeutung des gegenseitigen

Wilke, Maack und Partner

47

Spracherwerbs wurde auch 2006 in der Koalitionsvereinbarung für die 5. Legislaturperiode

des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern explizit festgehalten, indem es heißt: „Das

Erlernen von Polnisch durch zweisprachige Angebote in Kindergärten und Schulen, aber auch

Einrichtungen der beruflichen Aus- und Fortbildung in der Grenzregion wird unterstützt“41.

Daraus hervorgegangen ist beispielsweise das Modellprojekt zur „Mehrsprachigen Erziehung

in Kindergärten und weiterführenden Einrichtungen“ der Deutsch-Polnischen Gesellschaft

e.V.. Darüber hinaus bieten einzelne Schulen in der Grenzregion einen polnischen

Schwerpunkt im Sprachunterricht an42.

Noch ganz am Anfang stehen die Initiativen und Projekte zu einer grenzüberschreitenden

beruflichen Ausbildung, die langfristig für einen gemeinsamen deutsch-polnischen

Arbeitsmarkt in der Region unerlässlich sind. Es wurden bereits Pilotprojekte für eine bi-

nationale Ausbildung in den Berufsfeldern Gastronomie, Mechatronik und Bauhandwerk

durchgeführt. Die Berufsberatung der Arbeitsämter ist verstärkt auf den deutsch-polnischen

Berufsraum ausgerichtet um Arbeits-Möglichkeiten jeweils jenseits der Grenze aufzuzeigen.

Wichtige Themenfelder mit denen sich vor allem die deutsch-polnische IHK in der Region

auseinandersetzt, sind z.B. die beidseitige Anerkennung der jeweiligen Abschlüsse, die

Zweisprachigkeit der Abschlusszeugnisse oder die Einrichtung deutsch-polnischer

Ausbildungsgänge. Neben den bereits punktuell erfolgreichen Zusammenarbeiten bei der

Berufsausbildung, gibt es vor allem ein wachsendes Interesse von Unternehmen, die in Polen

nach dem Vorbild des dualen Ausbildungssystems ausbilden möchten. Andererseits

interessieren sich viele Betriebe auf deutscher Seite für polnische Fachkräfte. Die

beschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit und das, verglichen mit Hamburg oder Berlin,

geringere Lohnniveau machen die deutsche Region allerdings weniger attraktiv für

Fachkräfte und Hochqualifizierte aus Polen. Der Regionale Planungsverband Vorpommern

konzentriert sich zurzeit im Rahmen des Projekts „Modellvorhaben der Raumordnung“

(MORO) auf Vernetzungen in der Region zum Thema Fachkräftesicherung43.

Für polnische und deutsche Studenten hat sich mit dem Beitritt zur EU der Zugang zu den

Hochschulen des jeweiligen Nachbarlandes erleichtert. Dieser Austausch findet allerdings 41 Siehe Koalitionsvertrag der 5. Legislaturperiode MV : http://service.mvnet.de/_php/download.php?datei_id=12147 42 Vgl. Website Deutsch-Polnische Gesellschaft e.V. MV 43 Vgl. dazu „READER über Netzwerke und Projekte der Fachkräftesicherung im Nordosten“ 2010, online verfügbar unter: http://www.rpv-vorpommern.de/fileadmin/dateien/dokumente/pdf/Projekte/MoRo_Metropolregionen/Reader_Fachkraeftesicherung_27_04_10.pdf

Wilke, Maack und Partner

48

stärker überregional als innerhalb der Grenzregion statt. Für die Kooperationen im

Hochschulbereich innerhalb der Grenzregion sind das Angebot deutsch-polnischer

Studiengänge sowie gemeinsame Forschungsvorhaben von größerer Bedeutung.

Partnerschaften und Hochschulkooperationen zwischen der Universität Stettin und den

Universitäten und Fachhochschulen der deutschen Grenzregion bestehen bereits seit den

1990er Jahren. Seit dem EU-Beitritt hat sich die Intensität der Forschungszusammenarbeit

zwischen den Hochschulen allerdings nicht signifikant erhöht. Zu den

Forschungskooperationen gehören z.B. die Zusammenarbeit der Fachhochschule Stralsund

und der Universität Stettin im Forschungsbereich der Nutzung alternativer Energien, oder

das Kooperationsprojekt „Study of Health in Pomerania“ zwischen den Universitäten

Greifswald und Stettin.

In der Studie „Wachstumspol Stettin“ von 2004 wurde der fehlende Wissenstransfer

zwischen Forschung und Wirtschaft in der deutsch-polnischen Grenzregion bemängelt.

Einige private Bildungs- und Forschungseinrichtungen betreiben heute Wissenstransfer in

Form von Netzwerken oder gemeinsamer Forschung in der Region im grenzübergreifenden

Kontext, dazu gehören z.B.:

o InBIT gGmbH aus Greifswald (Bildung)

o Wyższa Szkoła Integracji Europejskiej aus Szczecin (Bildung)

o BioCon Valley aus Greifswald (Life Science)

o West Pomeranian Center of Advanced Technologies (Life Science)

Eine wichtige Rolle spielen auch die von der Europäischen Union initiierten und (mit-)

finanzierten Forschungsprojekte in der Grenzregion, wie etwa das deutsch-polnische

Telemedizin Netzwerk für die Region Pomerania44.

44 Vgl. Telemedizin-Modellregion POMERANIA: http://idw-online.de/pages/de/news351549

Wilke, Maack und Partner

49

5.5. Stand und Entwicklung grenzüberschreitender Verflechtungen

Die Kooperationen innerhalb der Grenzregion sind je nach Bereichen unterschiedlich

ausgeprägt, wenngleich davon ausgegangen werden kann, dass sich seit dem EU-Beitritt im

Jahr 2004 in den meisten Bereichen eine Intensivierung der grenzüberschreitenden

Verflechtungen ergeben hat. Dennoch gibt es Defizite bzw. es werden nach wie vor viele

Potenziale die sich aus einer grenzüberschreitenden Kooperation ergeben nicht genutzt.

Die Kooperationen im administrativen Bereich sind geprägt von der Zusammenarbeit auf

Landes- bzw. Wojewodschaftsebene und von Städtepartnerschaften in der Grenzregion. Die

Defizite liegen hier allerdings in der Form der Zusammenarbeit, die weniger gemeinsame

Zielsetzungen entwickelt und umsetzt, als sich vielmehr auf einen gegenseitigen

Informationsaustausch beschränkt.

Entscheidend für die Intensität der Kooperationsbeziehungen ist das Thema der

Zusammenarbeit. Eindeutige Konsensthemen in der Grenzregion, bei denen die

Zusammenarbeit auf vergleichsweise hohem Niveau funktioniert, sind die Bereiche Ökologie

und Tourismus. Allerdings gibt es auch hier Vertiefungsbedarf, z.B. gibt es nach wie vor noch

keinen deutsch-polnischen Tourismusverband in der Grenzregion. Kooperationen

vereinfachen sich außerdem wenn die Finanzierung über einen Dritten, wie in diesem Fall

häufig die Europäische Kommission, angeschoben oder getragen wird. Eine Reihe erfolgreich

durchgeführter EU-finanzierter Projekte in der Region bestätigen dies. Vor dem Hintergrund,

dass Mecklenburg-Vorpommern nach 2013 mit großer Wahrscheinlichkeit aus der höchsten

Förderpriorität der Europäischen Kohäsionspolitik herausfallen wird und dadurch deutlich

weniger Fördermittel zur Verfügung stehen werden, bedarf es diesbezüglich mittelfristig

veränderter Strategien. Langfristig müssen sich die Kooperationen in fast allen Bereichen

von der Beschränkung auf EU-subventionierte Projekte loslösen, um ein nachhaltiges

Zusammenwachsen der Region zu garantieren.

Hervorzuheben ist das gesteigerte Interesse der Stettiner Stadtpolitik an einer

grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Initiativen wie die Konferenz „Stettin- Unser

Grenzraum“, die von der Stadt selbst ausgehen, sind grundlegend für die Stärkung der Rolle

Stettins als Zentrum der Region und müssen sich etablieren und langfristig beibehalten

werden.

Wilke, Maack und Partner

50

Seit dem EU-Beitritt gab es verstärkt Direktinvestitionen deutscher Firmen im Stettiner

Raum. Besonders die Sonderwirtschaftszonen im Stettiner Umland haben davon profitiert.

Dagegen gab es im gleichen Zeitraum kaum polnische Investitionen in der deutschen

Grenzregion. Insgesamt gibt es aus ökonomischer Perspektive nur kleine Fortschritte bei der

deutsch-polnischen Stadt-Umland Kooperation. Ein Integrationsprozess hat insofern bisher

nicht stattgefunden, als dass der überwiegende Teil der Investoren, die sich in Stettin und

Umland niedergelassen haben nicht aus der deutschen Grenzregion, sondern vor allem aus

den norddeutschen Bundesländern stammt. Sowohl das Interesse der Unternehmen aus

Mecklenburg-Vorpommern in Polen zu investieren, als auch umgekehrt, ist nach wie vor

gering. Zwar haben polnische Unternehmer die Wichtigkeit des deutschen Marktes längst

erkannt, allerdings überspringen sie bei ihren Entscheidungen die deutsche Grenzregion.

Die Entstehung eines gemeinsamen Arbeitsmarktes in der Region setzt die

Arbeitnehmerfreizügigkeit, den Abbau von Sprachbarrieren sowie die gegenseitige

Anerkennung von Abschlüssen voraus. Das gewachsene Interesse an deutsch-polnischen

Bildungsangeboten und Sprachkursen in der Grenzregion weisen diesbezüglich in die richtige

Richtung. Gleichzeitig können der Abbau von Sprachbarrieren und die grenzüberschreitende

Ausbildung die Identifikation mit der Region stärken; ein entscheidender Punkt, um der

Abwanderung, vor allem des jüngeren Teils der Bevölkerung entgegenzuwirken.

Die Abbildung 12 fasst die Ergebnisse der vorangegangenen Untersuchung nochmals grafisch

zusammen. Auf den Balken wird jeweils der Stand der Verflechtungen zwischen „sehr

niedrig“ und „sehr hoch“ für die Jahre 2004 und 2009 abgebildet. Dadurch lässt sich

erkennen, in welche Richtung sich die Intensität der Verflechtungen in den unterschiedlichen

Bereichen seit 2004 verändert hat. Es werden die Kooperationen sowohl aus der Perspektive

„Polen nach Deutschland“, als auch von „Deutschland nach Polen“ betrachtet.

Wilke, Maack und Partner

51

Abbildung 12: Kooperation und Integration in der deutsch-polnischen

Grenzregion45

Darstellung von Entwicklungstendenzen anhand von Expertengesprächen und eigenen Analysen

Polen Deutschland Deutschland Polen

Verflechtungsgrad

Migration innerhalb der Grenzregion

Pendlerverflechtungen innerhalb der Grenzregion

Kooperationen auf administrativer Ebene,

Städtepolitik, gemeinsame Raumordnung

Direktinvestitionen

Kulturelle Verflechtungen,

deutsch-polnische Nachbarschaft, Tourismus

Kooperationen im Schul-, Ausbildungs-,

Hochschul-und Forschungsbereich

sehr niedrig sehr hoch

45 Die Darstellung ist nicht das Ergebnis von Berechnungen, sondern der Versuch Einschätzungen und

Entwicklungstendenzen, die vor allem in Kapitel 5 identifiziert wurden auf einer Skala abzubilden.

Mathematische Berechnungen spielen dabei keine Rolle.

2004

2009

2004

2004

2004

2004

2004

2009

2009

2009*

2009

2009

2004

2004

2004

2004

2004

2004

2009

2009

2009

2009

2009

2009

*Der überwiegende Teil der Direktinvestitionen stammt nicht aus dem

deutschen Teil der Grenzregion, sondern aus den norddeutschen

Bundesländern (siehe Kapitel 3.2)

Wilke, Maack und Partner

52

6. Zusammenfassung

Ziel der vorliegenden Aktualisierung der Studie „Wachstumspol Stettin“ war es, zu

untersuchen, ob und welche Anzeichen es dafür gibt, dass seit dem EU-Beitritt 2004 ein

Entwicklungsprozess in der deutsch-polnischen Grenzregion im Sinne einer wachsenden

grenzüberschreitenden Verflechtung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt

(Integrationshypothese) in Gang gesetzt wurde. Die Ergebnisse sind ambivalent, spiegeln

aber nach Meinung der Autoren damit die momentane Situation der deutsch-polnischen

Grenzregion wieder. Einerseits haben sich Wirtschaft und Arbeitsmarkt in der deutsch-

polnischen Grenzregion zumindest von 2004 bis 2008 überwiegend positiv entwickelt;

andererseits zeigt die Untersuchung, dass die Ursachen und Impulse dafür oftmals nicht auf

Initiativen aus der Region heraus, sondern auf Einflüsse und Rahmenbedingungen, die von

außerhalb auf die Region gewirkt haben, zurückzuführen sind.

Nachdem sich sowohl auf der deutschen, als auch auf der polnischen Seite der Grenzregion

die wirtschaftliche Situation und die Beschäftigungslage vor dem EU-Beitritt Polens massiv

verschlechtert hatten, stellte sich zum Teil bereits 2003 – zum Teil erst 2007 – auf beiden

Seiten der Grenze eine Trendwende mit wirtschaftlichem Wachstum, sinkender

Arbeitslosigkeit und steigenden Beschäftigungszahlen ein. Die Gründe dafür lagen vor allem

in einer allgemein positiven konjunkturellen Entwicklung in der EU, einer erfolgreichen

Nutzung der EU-Förderkulisse auf der deutschen und ab 2005 auf der polnischen Seite, aber

auch in der Abwanderung von Arbeitskräften bzw. deren vorzeitigem Ausscheiden aus dem

Erwerbsleben und der Wirkung statistischer Effekte (siehe Kapitel 4).

Die Beschäftigungs-Trendwende setzte in der polnischen Grenzregion um zwei bis drei Jahre

früher ein als in der deutschen Grenzregion. Insbesondere auf der deutschen Seite konnte

der Beschäftigungsaufbau den massiven Abbau der Vorjahre nicht annähernd kompensieren.

Auch auf der polnischen Seite der Untersuchungsregion ist dieses nicht in dem Maße

gelungen wie z.B. in der Wojewodschaft Westpommern oder in Polen insgesamt. Aktuell hat

der positive Trend auf der deutschen Seite Bestand. Auf der polnischen Seite haben die

Einflüsse und Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise den positiven Arbeitsmarkt- und

Beschäftigungstrend stark gedämpft. Insbesondere in Stettin hat sich die Arbeitsmarktlage

durch die Schließung der Stettiner Werft erneut spürbar verschlechtert.

Wilke, Maack und Partner

53

Die positiven Entwicklungen im Untersuchungszeitraum haben zusammenfassend betrachtet

den Abstand der deutsch-polnischen Grenzregion zu den jeweiligen anderen Regionen

Deutschlands bzw. Polens nicht größer werden lassen, diesen aber auch nur partiell

verringert. Die Planungsregion Vorpommern etwa, hat aufgrund ihrer regional orientierten

Wirtschaftsstruktur die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise im Vergleich zu

anderen Regionen Deutschlands weniger zu spüren bekommen.

Die Analyse der Kooperationen hat gezeigt, dass in vielen Bereichen eine Intensivierung der

grenzüberschreitenden Verflechtungen im Kleinen stattgefunden hat. Basis für viele dieser

Initiativen und Projekte war die Förderung durch die Europäische Union.

Die Auswertung der Direktinvestitionen ab 1 Mio.€ verdeutlicht, dass nahezu alle Investoren

auf diesem Niveau, die sich in Stettin und Umland niedergelassen haben, nicht aus der

deutschen Grenzregion, sondern vor allem aus den nord- und westdeutschen Bundesländern

oder anderen Staaten der Europäischen Union stammen (siehe Kapitel 5.2). Umgekehrt sind

größere polnische Investitionen in der Planungsregion Vorpommern kaum zu verzeichnen.

Die Mehrzahl der grenzüberschreitenden substanziellen wirtschaftlichen Verflechtungen der

polnischen Grenzregion konzentriert sich nicht auf die Planungsregion Vorpommern, nicht

zuletzt aufgrund fehlender wirtschaftsstruktureller bzw. investiver Potenz auf der deutschen

Seite. Insofern ist aus Sicht der deutschen Grenzregion heute eher die Tendenz in Richtung

Transit- und Übersprung als in Richtung Integration zu verzeichnen. Hinzu kommt, dass sich

im Untersuchungszeitraum neben Stettin vor allem die kleineren Städte des Stettiner

Umlands als Investitionszentren im Zuge der Einrichtung von sogenannten

Sonderwirtschaftszonen etabliert haben.

Insgesamt ist Stettin seit 2004 in seiner Entwicklung hinter den Erwartungen und

Möglichkeiten, die Rolle als urbanes Zentrum der gesamten deutsch-polnischen Region

auszufüllen, zurückgeblieben. Die Stettiner Stadtpolitik ist nach wie vor von mangelnder

Kontinuität geprägt, langfristig angelegte Strategien sind dadurch nur schwer beizubehalten.

Stettin hat sich erst nach Abschluss des Prozesses zur eigenen Leitbildfindung 2008/20009

der Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zugewandt. Folglich ist

Stettin dem Ziel ein Zentrum oder gar eine Metropole für die gesamte deutsch-polnische

Region zu sein, bisher kaum näher gekommen. Trotz der zeitweise positiv verlaufenden

Entwicklungen in den Bereichen Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Beschäftigung seit 2004 und

den durch die Grenzöffnung vereinfachten Möglichkeiten zu einer grenzüberschreitenden

Wilke, Maack und Partner

54

Kooperation, sind die großen „Meilensteine“ im Zusammenwachsen der deutsch-polnischen

Grenzregion im Untersuchungszeitraum ausgeblieben.

Vision Zentrumsregion Stettin 2015?

In der Studie „Wachstumspol Stettin“ von 2004 wurden Eckpunkte für die Entwicklung einer

deutsch-polnischen Region mit einem starken Zentrum Stettin bis 2015 formuliert. Mit der

vorliegenden Untersuchung wurde versucht, nach der Hälfte der Zeit Bilanz zu ziehen. Die

vorhandenen Ansätze haben bisher keinen substanziellen Integrationsprozess eingeleitet. Es

gilt weiterhin, dass die erwartete grenzüberschreitende Zentrumsfunktion bisher weder von

der Stadt Stettin ausreichend verfolgt, noch von den Regionen des deutsch-polnischen

Umlands aktiv eingefordert wird. Vor diesem Hintergrund haben die Kernaussagen der

Studie von 2004 weiterhin Bestand. Für einen Integrationsprozess in der deutsch-polnischen

Grenzregion mit dem gemeinsamen Zentrum Stettin im Mittelpunkt bedarf es strategischer

Maßnahmen und Initiativen mit dieser Zielsetzung. Um die Qualität und das Funktionieren

der Zusammenarbeit in der deutsch-polnischen Grenzregion nicht vordergründig von

„äußeren“ Einflüssen abhängig zu machen, sind arbeitsfähige Kooperations- und

Prozessstrukturen und Instrumente innerhalb der Region nach wie vor die

Grundvoraussetzung für die Entwicklung hin zu einer Zentrumsregion Stettin.

Eine der zentralen Handlungsempfehlungen aus der Studie des Jahres 2004 ist die Bildung

einer „Arbeitsgruppe deutsch-polnische Zentrumsregion Stettin“. Im Unterschied zu

bestehenden Initiativen und Gruppen darf die Zielsetzung einer solchen Gruppe nicht nur in

der Bündelung und Auswertung von Informationen liegen, sondern sie muss

Entwicklungskompetenz aufweisen und prozessorientiert arbeiten. Knapp gesagt, es fehlt an

einem Entwicklungsauftrag auf der Basis gemeinsamer deutsch-polnischer Zielsetzungen für

die Region. Hierzu gehören langfristige Prozessziele wie Stadt-Umland-Integration,

Internationalisierung und Identitätsbildung ebenso wie eher mittelfristige

Kooperationsinitiativen zur Herausbildung regionaler Kompetenzen.

In der Studie „Wachstumspol Stettin“ von 2004 wurden Ansätze zur Entwicklung einer

Zentrumsregion Stettin in drei Phasen für einen Zeitraum von rund zehn Jahren skizziert. Die

Aktualisierung der Studie zeigt, dass die Integration der deutsch-polnischen Grenzregion im

eigentlichen Sinne nicht stattgefunden hat. Allerdings haben sich die Rahmenbedingungen

sowohl auf der sozialen, kulturellen und politischen, als auch auf der operativen Ebene eher

Wilke, Maack und Partner

55

verbessert. Bestärkt durch die diesbezüglich positive Resonanz regionaler Akteure der

deutsch-polnischen Grenzregion, halten die Autoren dieser Studie an den Empfehlungen aus

dem Jahr 2004 zur Etablierung eines langfristig angelegten Prozesses zur Schaffung einer

Zentrumsregion Stettin fest – ein Integrationsprozess, der sowohl für die deutsche als auch

für die polnische Teilregion ohne Alternative ist, wenn die Region nicht auch in diesem

Jahrzehnt zu den ärmsten und strukturschwächsten Regionen der Europäischen Union

zählen will.

Wilke, Maack und Partner

56

7. Literatur- und Quellenverzeichnis

Central Statistical Office Warsaw (2009): Demographic Yearbook of Poland

Europäischer Sozialfonds (2007): Operationelles Programm des Landes Mecklenburg-

Vorpommern im Ziel Konvergenz, Förderperiode 2007-2013

Landtag Mecklenburg-Vorpommern (2008): Jahresbericht der Landesregierung zur

Zusammenarbeit im Ostseeraum und zur maritimen Sicherheit für den Zeitraum 2007/2008.

Drucksache 5/1464

Maack, Klaus et al. (2005): Wachstumspol Stettin und Auswirkungen auf die Entwicklung der

deutsch-polnischen Grenzregion. Edition der Hans-Böckler-Stiftung Nr.132

MV-Schlagzeilen „ Zweite polnische Firma investiert in Mecklenburg-Vorpommern“ vom

22.Februar 2008, Online unter http://www.schlagzeilen.de/zweite-polnische-firma-

investiert-in-mv/1701/

Office of the Committee for European Integration (OCEI) (2009): 5 years of Poland in the

European Union. Department of Analyses and Strategies, Warsaw

Regionaler Planungsverband Vorpommern (2009): Regionales Raumentwicklungsprogramm

Vorpommern - Entwurf 2009

Sachverständigenrat (2009): Die Zukunft nicht aufs Spiel setzten- Jahresgutachten 2009/10

Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern (2009): Statistische Hefte 1/2009

Statistisches Amt Stettin (2008): Statistical Yearbook of Szczecin 2008

Website PAIZ (Polish Agency for foreign investment) [1] Foreign Direct Investements in Poland

http://www.paiz.gov.pl/poland_in_figures/foreign_direct_investment (Zugriff März 2010)

Statistische Datenbanken Bundesagentur für Arbeit http://www.pub.arbeitsagentur.de/hst/services/statistik/interim/statistik-

themen/index.shtml

Statistisches Amt Stettin- Online-Datenbank http://www.stat.gov.pl/szczec/index_ENG_HTML.htm Statistisches Bundesamt- Online-Datenbank http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/

Statistisches Ämter des Bundes und der Länder- Online-Datenbank https://www.regionalstatistik.de/genesis/online/logon