Ulysse Nardin Cal. 24''' CCR

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In den 1930er Jahren wurden in der Schweiz drei 24''' Kaliber mit Chronograph, Minuten- zähler und Rattrapante (C.C.R.) für die Präzisi- onszeitmessung entwickelt. 1931 - Ulysse Nardin, Le Locle Cal. 24''' CCR. Abb.1 1932 - Lémania, L’Orient (Übernahme durch die SSIH / OMEGA) Cal. 24''' 53.7 CHROR / Ω1131 Abb.2 1939 - Longines, Saint-Imier Cal. 24 Lines, ab 1957 Cal. 260, ab 1966 Cal. 262 Abb.3 Entwicklung und Herstellung Das Cal. 24''' CCR von Ulysse Nardin wurde unter der technischen Leitung von Henri Rosat entwickelt und in dem «Département de Chro- nometrie» produziert. Henri Rosat, geb. 1858, war von 1877 bis 1932 für das Haus Nardin tätig und zugleich über viele Jahre amtlich be- stellter Sachverständiger der «Ecoles d'horloge- rie suisses». Die Abteilung Chronometrie widmete sich der kompletten Herstellung von Marine-, Bord- und Taschenchronometern. Auf Wunsch des Kunden fand für diese präzi- sen ‘Gebrauchsuhren’ eine Gangprüfung beim Observatorium Neuchâtel statt, bestätigt durch ein «Bulletin de Marche». Dadurch erklärt sich auch, warum ein großer Teil der Produktion (knapp 8.500 Chronometer) aus dieser Manu- faktur in den jährlichen Listen der Wettbe- werbsteilnehmer in Neuchâtel wieder zu finden ist. Während andere Hersteller zu dieser Zeit in der Regel unverkäufliche Wettbewerbsuhren beim Observatorium einlieferten, stammten die teilnehmenden Uhren von Ulysse Nardin meist aus der normalen Produktion und wurden nach der Prüfung verkauft. In einer Preisliste von Ulysse Nardin aus Sep- tember 1958 sind die Zuschläge für ein Gang- zeugnis der Sternwarte Neuchâtel aufgeführt: 150,00 S.Fr. für einen Marine Chronometer und 250,00 S.Fr. für einen Chronographen mit Schleppzeiger 24'''. 1 Ulysse Nardin Cal. 24''' CCR • ein Kaliber für Schleppzeiger Chronographen mit Minutenzähler, das die Grundlage für zahlreiche Erfolge von Ulysse Nardin bei den Chro- nometrie Wettbewerben des Observatoriums in Neuchâtel war. Text und Bilder: William Attree Abb. 1: Ulysse Nardin, Cal. 24''' CCR Abb. 2: Ω Cal. 24''' 53.7 CHROR Abb. 3: Longines Cal. 24 Lines

Transcript of Ulysse Nardin Cal. 24''' CCR

In den 1930er Jahren wurden in der Schweiz drei 24''' Kaliber mit Chronograph, Minuten-zähler und Rattrapante (C.C.R.) für die Präzisi-onszeitmessung entwickelt.

• 1931 - Ulysse Nardin, Le Locle Cal. 24''' CCR. Abb.1

• 1932 - Lémania, L’Orient (Übernahme durch die SSIH / OMEGA)

Cal. 24''' 53.7 CHROR / Ω1131 Abb.2

• 1939 - Longines, Saint-Imier Cal. 24 Lines, ab 1957 Cal. 260, ab 1966 Cal. 262 Abb.3

Entwicklung und Herstellung

Das Cal. 24''' CCR von Ulysse Nardin wurde unter der technischen Leitung von Henri Rosat entwickelt und in dem «Département de Chro-nometrie» produziert. Henri Rosat, geb. 1858, war von 1877 bis 1932 für das Haus Nardin tätig und zugleich über viele Jahre amtlich be-stellter Sachverständiger der «Ecoles d'horloge-rie suisses».

Die Abteilung Chronometrie widmete sich der kompletten Herstellung von Marine-, Bord- und Taschenchronometern.Auf Wunsch des Kunden fand für diese präzi-sen ‘Gebrauchsuhren’ eine Gangprüfung beim Observatorium Neuchâtel statt, bestätigt durch ein «Bulletin de Marche». Dadurch erklärt sich auch, warum ein großer Teil der Produktion (knapp 8.500 Chronometer) aus dieser Manu-faktur in den jährlichen Listen der Wettbe-werbsteilnehmer in Neuchâtel wieder zu finden ist.

Während andere Hersteller zu dieser Zeit in der Regel unverkäufliche Wettbewerbsuhren beim Observatorium einlieferten, stammten die teilnehmenden Uhren von Ulysse Nardin meist aus der normalen Produktion und wurden nach der Prüfung verkauft.In einer Preisliste von Ulysse Nardin aus Sep-tember 1958 sind die Zuschläge für ein Gang-zeugnis der Sternwarte Neuchâtel aufgeführt: 150,00 S.Fr. für einen Marine Chronometer und 250,00 S.Fr. für einen Chronographen mit Schleppzeiger 24'''.

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Ulysse Nardin Cal. 24''' CCR • ein Kaliber für Schleppzeiger Chronographen mit Minutenzähler, das die Grundlage für zahlreiche Erfolge von Ulysse Nardin bei den Chro-nometrie Wettbewerben des Observatoriums in Neuchâtel war.

Text und Bilder: William Attree

Abb. 1: Ulysse Nardin, Cal. 24''' CCR Abb. 2: Ω Cal. 24''' 53.7 CHROR Abb. 3: Longines Cal. 24 Lines

Markteinführung

Bevor Ulysse Nardin 1931 seinen neuen Chronometer-Chronographen zum Kauf ange-boten hat, wurde der erste in dieser Serie her-gestellte Chronometer mit der Nummer 17.662 beim Observatorium in Neuchâtel geprüft. Das Ergebnis: In der Kategorie «Chronomètres de poche 1re Classe» ein 2. Preis mit einer Wertung von 9,1 Punkten.

Bei der Vorstellung durch Henri Rosat wies er besonders auf die Qualitäten dieser Chrono-graphen für die offizielle Zeitmessung bei sport-lichen Wettbewerben und für Wissenschaft und Forschung, insbesondere für geodätische Mis-sionen, hin.

Das neue 24''' Kaliber bot die Möglichkeit, einfache Chronographen, Chronographen mit Zähler, Chronographen mit Zähler und Schleppzeiger, hochpräzise Sportstoppuhren sowie Chronometer mit Zentralsekunde, alle mit 36.000 oder 18.000 Halbschwingungen/h, auf Wunsch des Kunden auch mit Kontaktvor-richtung zur elektrischen Registrierung der 1/5 oder 1/10 Sekunden, zu fertigen. 1

Dem Weltleichtathletikverband wurden 1932 ein Dutzend Chronographen mit Rattrapante, alle mit einem Bulletin der 1. Klasse vom Ob-servatorium Neuchâtel ausgestattet, zur Verfü-gung gestellt. In einem Dankschreiben lobte der Präsident des Weltverbandes, Herr Johan Sigfrid Edström, der auch Vizepräsident des IOC war, ausdrücklich die Genauigkeit der Chronometer. 2

Aber die Marketingabteilungen der anderen Hersteller von präzisen Chronographen sorgten für eine größerer Publizität ihrer Produkte (O-mega wird 1932 erstmalig offizieller Lieferant der Olympischen Spiele in Los Angeles), und der wirtschaftliche Erfolg für Ulysse Nardin bliebt aus.

Alfred-Auguste Nardin hat dazu bemerkt: „Nous sommes connus. Ceux qui désirent nos chronomètres savent où trouver!“ / „Wir sind bekannt. Wer unsere Chronometer haben will weiß, wo sie zu finden sind!“ 3

Prüfungen beim Observatorium 4

Anders sah es bei den Chronometer Wettbe-werben aus. In den Siegerlisten des Observato-

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1931-1939 1940-1949 1950-1959 1960-1969 1970-1973

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Wettbewerbserfolge in Neuchâtel mit 24''' Chronographen

Ulysse Nardin

Omega

Longines

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riums in Neuchâtel sind ab 1931 insgesamt 1.067 Chronographen mit Rattrapante und Mi-nutenzähler (C.C.R.) mit 24 Linien aufgeführt. Ulysse Nardin wurde 494 mal, Omega 329 mal, Longines 192 mal und Lémania 52 mal ausge-zeichnet.

Das beste Ergebnis für einen Chronographen bei einem Chronometrie Wettbewerb in Neu-châtel, das je erreicht wurde, war N («Nombre de Classement») = 2,44 Punkte, erzielt von der Ulysse Nardin mit der Nummer 127.628, fein-gestellt von Léopold Berthoud, im Jahr 1971. Das war gleichzeitig das beste Ergebnis in der Kategorie «Poche» in diesem Jahr.

Die Ergebnisse im Detail lauten:

Mittlere tägliche GangabweichungE = ± 0,01 Sek.Thermischer KoeffizientC = 0,008 Sek.Sekundärer Fehler der KompensationS = + 0,05 Sek.Wiederaufnahme des GangesR = + 0,05 Sek.Veränderung zwischen liegend und hängend = - 0,10 Sek.

Veränderung zwischen Zifferblatt oben und unten = + 0,01 Sek.Mittlere Gangabweichung bei LagenwechselP = ± 0,07 Sek.

Die Reglage der 24''' Observatoriums Chro-nographen von Ulysse Nardin haben die fol-genden Spezialisten vorgenommen:

1931-1938 Henri Gerber, Le Locle 44 Bulletins

1933-1934 Marc Sandoz, Le Locle 10 Bulletins1938-1953 Louis Augsburger, Le Locle 67 Bulletins; von 1917-1931 für Movado tätig

1939-1940 André Jeanmairet, Le Locle 3 Bulletins1940-1958 Edouard Seitz, Le Locle 186 Bulletins1941-1952 Werner Dubois Fils, La Chaux-de-Fonds 20 Bulletins

1951-1952 Claude Nardin, Le Locle 2 Bulletins1951-1965 Willy Jacot, Le Locle 39 Bulletins1953-1962 Werner Dubois, La Chaux-de-Fonds 64 Bulletins; von 1918-1934 Ditisheim/Solvil tätig und von 1936-1952 für Movado, Buhré, Ulysse Nardin und

andere gleichzeitig tätig1959 François Mercier, Le Locle 7 Bulletins1961-1973 Léopold Berthoud, Le Locle 16 Bulletins

1962-1963 Jean-Claude Grandjean, Le Locle 15 Bulletins; von 1961-1967 für Longines tätig1965-1966 Jean-Claude Bottero, Le Locle 3 Bulletins

1967-1970 Jean Faivre, Le Locle 17 Bulletins1970 Roger Ruffion, Le Locle 1 Bulletin

Qualität und Technik

Über die Qualität von Uhren, die in der Ab-teilung Chronometrie des Hauses Ulysse Nar-din gefertigt wurden, zu berichten, hieße, Eu-len nach Athen tragen.

Seit 1846 wird die Verbindung von Qualität + Tradition + Know-how + Perfektion + Präzision in Le Locle gepflegt und ständig weiter entwi-ckelt. Die Kenntnisse und Fähigkeiten, die seit Jahrzehnten bei der Fertigung feinster Marine-, Bord- und Taschenchronometern erworben wurden, führten beim Cal. 24''' CCR zu einer Qualität, die kaum noch zu überbieten ist.

Die technischen Zutaten, die unter anderem solche chronometrische Leistungen möglich machten, sind:

• massive 24''' Werkplatine

• 2/3 Platine für das gesamte Räderwerk

• grosses Federhaus mit Malteserkreuz Stellung

• Kupplungsaufzug, Zeigerstellung durch Eindrücken eines Stiftes

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• bombierte Lochsteine, olivierte Bohrung

• Decksteine für Unruh und Hemmungs-rad, in den späten Ausführungen Kom-bilagern, oft auch Decksteine für Anker, Sekundenrad und für das Doppelzeiger-rad

• abgesenkte Hemmungspartie

• leichtes, poliertes Hemmungsrad

• polierter Stahlanker mit bombierten Rubinpaletten

• Räder mit Zykloidenverzahnung, Rund-lauf genauestens überprüft

• polierte Triebe

• Guillaume Unruh, Spirale mit Endkur-ven aus Stahl, später auch aus Nivarox

• polierter gerader Rücker und Mikrome-ter Feinregulierung mit polierter Schwanenhals Gegendruckfeder Abb. 4, später polierte Feinregulierung durch eine Stahlscheibe mit Innenexzenter-kurve und Indexmarkierungen am Au-ßenumfang Abb. 5, in der letzten Versi-on kann die Scheibe mit einer Fixier-schraube gesichert werden Abb. 6, der Rücker wird durch eine Gegendruckfe-der an die Exzenterkurve gedrückt, ein-stellbarer Spiralschlüssel

• patentierter, augenblicklich springender Minutenzähler (Patent Nr. 54714)

• grosse Chronographen Zentrumsräder sichern präzise Starts und Stopps

• alle Stahlteile spiegelpoliert oder feinge-schliffen und angliert

• Platine, Brücken und Kloben rhodiniert mit Streifendekorschliff

Der Entwurf der C.C.R. Mechanismen stammt von einem Hersteller des Vallée de Joux.5

Es existieren Schachteln mit Fournituren der Firma Valjoux für diese Chronographen mit der Aufschrift: „Calibre 165, Mobiles de rattrapan-te, Rèf 217“.

Die Chronographen wurden mit folgenden Varianten angeboten:

• Mit oder ohne doppeltem Chronogra-phen-Zeiger;

• Ankerhemmung mit 1/5 oder 1/10 Se-kundenschlag;

• reguliert auf mittlere Zeit oder auf Sternzeit;

• auf Wunsch mit einer Kontaktvorrich-tung versehen zur elektrischen Regist-rierung der 1/5 oder 1/10 Sekunden.

Zuordnung der Werknummern

Ulysse Nardin hat mehrere Nummernkreise für die Produktion des Kalibers 24''' CCR ge-nutzt.

Ab 1931 von 17.610 bis 17.998,ab 1938 von 26.823 bis 26.839,ab 1939 von 28.412 bis 28.447,ab 1942 von 120.993 bis 121.043,ab 1948 von 125.071 bis 125.093,ab 1950 von 125.826 bis 125.866,ab 1951 von 127.181 bis 127.661.

Diese Informationen sind durch Auswertun-gen der Observatoriums-Chronometer Daten-bank ermittelt worden [www.uhren-hidding.de/ chronometerdatenbank.php], und zeigen die höchste und niedrigste Werknummer der Chronographen auf, die erfolgreich am Wettbe-werb teilgenommen haben.

Einige der 24''' Kaliber aus dem Nummern-kreis 17.### wurden ohne Chronographen-Tei-le für B-Uhren mit Zentralsekunde genutzt. Auch aus dem Nummernkreis 127.### existie-ren Werke ohne Chronographen-Mechanismus, die Mitte der 70er Jahre in B-Uhren mit kleiner Sekunde und in klein dimensionierte Marine Chronometer verbaut wurden.

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Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6

Innovationen im Bereich der Feinstellung

Chronograph mit Rattrapante als Beobach-tungsuhr für die Geodäsie

Dieser Chronograph, Nummer 17.780, wurde am 3. April 1935 zusammen mit der Nummer 17.781 an Ruiz Wilches, Bogotá verkauft.

Belisario Ruiz Wilches, ein universal Gelehr-ter - Geograph und Kartograph, Astronom so-wie Mathematiker, war Gründer des Militäri-schen Geographischen Instituts von Kolumbi-en, jetzt «Instituto Geográfico Agustín Codazzi» und Direktor des nationalen astronomischen Observatoriums von Kolumbien. Anlässlich des Konflikts mit Peru plante er 1934 die Kartie-rung der Grenzen mit den modernsten Metho-den, die zu diesem Zeitpunkt in Europa vor-handen waren. Diese Initiative wurde vom Prä-sidenten der Republik, Dr. Alfonso López Pumarejo begrüßt und finanziert.

Die benutzten Ulysse Nardin Chronometer Chronographen wurden von Henri Gerber nach Sternzeit reguliert und besitzen ein «Bulletin de Marche» 1. Klasse, ausgestellt vom Observato-rium Neuchâtel am 11. März 1935.

Das 24''' Werk befindet sich in einem sehr grossem Gehäuse mit einem Durchmesser von 92 mm ohne Bügelhals.

Das mattversilberte Zifferblatt hat einen Durchmesser von rund 85 mm, damit ist ein Ablesen der 1/10 Sekunden Einteilungen mit den violett angelassenen Zeigern problemlos möglich.

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Abb. 9: Auszug für Ulysse Nardin Nr. 17.780

Abb. 8: Werk Nr. 17.780

entsprechend dem Reglement sind die folgenden Ergebnisse erreicht worden:

Mittlere tägliche Gangabweichung E =Thermischer Koeffizient C =Mittlerer Kompensationsfehler D =Wiederaufnahme des Ganges R =Veränderung zwischen liegend und hängendVeränderung zwischen Zifferblatt oben und untenMittlere Gangabweichung bei Lagenwechsel P =

Das Chronometer No. 17780 erreichte eine Wertung von N = 16,5 Nombre de classement / N = 21E + 30C + 2/3S + 1,2R + 4,5P und belegte den 34. Platz von 36 Chronometer in der Kategorie „Chronomètres de poche 1er Classe“. Das erstplatzierte Chronometer erreichte N = 3,6 - das letztplatzierte A = 25,5.

Diese Informationen stammen aus der Observatoriums-Chronometer Datenbank (http://www.uhren-hidding.de/chronometerdatenbank.php)

alle Angaben aus den veröffentlichten Ergebnislisten des Observatoriums.

!± 0,34 Sek.!+ 0,023 Sek.!± 0,52 Sek. - !3,15 Sek. - !0,20 Sek.!- 0,22 Sek.±! 1,00 Sek.

und wurde geprüft in der Kategorie

Chronomètres de Poche 1er Classe

Das Chronometer No. 17780 war Teilnehmer am Chronometer Wettbewerb des

Observatoriums Neuchâtel im Jahr 1935Hersteller Ulysse Nardin, S.A., Le LocleFeinsteller Henri Gerber, Le LocleWerkgröße Ø 54 mm Hemmung ancre 1/10 s.! ! Chron., compt, rattr., réglé au temps sidéralSpirale acier, 1 courbe! ! ! Unruh Guillaume

Auszug aus der Chronometer Datenbank

Raesfeld, den 1. Mai 2013

A. Hidding

Abb. 7: Geodäsie Chronograph von 1935

Bei solchen Dimensionen und einem Gewicht von über 550 g kann man nicht mehr von einer Taschenuhr reden.

Zur Verdeutlichung der Größenverhältnisse habe ich drei Ulysse Nardin Chronographen mit Minutenzähler und Rattrapante nebenei-nander gelegt.

Als Erste die gigantische B-Uhr für Geodäsie in ihrem 92 mm großen vernickelten Gehäuse. Der zweite Chronograph in der Mitte hat ein poliertes Edelstahlgehäuse mit dem ‘Standard-Durchmesser’ für B-Uhren von rund 65 mm. Das rechts abgebildete Silbergehäuse misst im Durchmesser 54,5 mm und beherbergt ein 20''' Kaliber, also keine kleine Taschenuhr.

Beobachtungsuhr mit Zentralsekunde für den russischen Markt

Ulysse Nardin hat das Cal. 24''' CCR auch für Beobachtungsuhren mit Zentralsekunde eingesetzt. In den «Inventair» Büchern von Ulysse Nardin, Le Locle findet man dazu den Eintrag „V 24 CC“.

Das Chronometer mit der Nummer 17.951 wurde am 28. August 1936 zusammen mit 4 weiteren Uhren gleichen Typs an «Technoprom Import», Moskau verkauft.

Das polierte Edelstahl Gehäuse (STAYBRI-TE), Typ «Demi-Bassine»; 64,6 mm Durchmes-ser ohne Bügelhals, mit runder Krone und rundem Kronenbügel; hat einen Scharnier-Rückdeckel und ist 26 mm hoch.

Das weiß emaillierte Zifferblatt ist mit großen schwarzen römischen Zahlen versehen und hat eine 5tel Sekundengraduierung; blau angelas-sene Stahlzeiger in der Form «Poires Stuart».

Signiert ist das Zifferblatt mit «CHRO-NOMÈTRE / ULYSSE NARDIN - LOCLE & GENÈVE».Von 1906 bis 1936 residierte in der Niederlas-sung in Genf der Verkaufsleiter und Prokurist der Ulysse Nardin SA, Georges Rahm. Mit sei-nem Tod im Alter von 68 Jahren wurde diese Zweigstelle in Genf geschlossen, und die Positi-on des Verkaufsleiters bei der Ulysse Nardin SA hat Alfred Nardin abgeschafft.

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Abb. 10: proportionaler Grössenvergleich

Abb. 11: Antrieb Zentralsekunde

Abb. 12: B-Uhr mit Zentralsekunde

Beobachtungsuhr mit kleiner Sekunde, Cal. 24''' CCR ohne Chronographen Mechanismus

Eine der letzten B-Uhren mit einem Manu-faktur Kaliber von Ulysse Nardin, das Ébauche mit der Nummer 127.668 stammt aus April 1956. Wann diese Uhr letztlich fertiggestellt und verkauft worden ist, lässt sich leider nicht mehr recherchieren.

Das Chronometer hat ein klassisches versil-bertes Zifferblatt mit der Werknummer im Be-reich der kleinen Sekunde und gebläute Bir-nenform Zeiger. Das polierte Stahlgehäuse vom Typ «Demi-Bassine», runde Krone, runder Kro-nenbügel, verschraubter Rückdeckel mit Rand-verzahnung, 65 mm Durchmesser ohne Bügel-hals und 23,5 mm hoch, wurde ursprünglich

für einen Chrono-graphen mit Rattra-pante hergestellt. In der Bohrung für den Drücker des Rattra-pante-Zeigers befin-det sich ein linsen-förmiger Verschluss.

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Abb. 13: B-Uhr mit kleiner Sekunde Nr. 127.668

Abb. 14: B-Uhr Gehäuse

Abb. 15: B-Uhr Werk-Nr. 127.668

Abb. 16: Chronographen Werk-Nr. 127.660

Die Teile für die Chronographen-Funktionen fehlen, die Wellen vom Minuten- und Sekun-denrad sind gekürzt.

Chronograph mit Rattrapante und 30 Minuten Zähler

Das Werk mit der Nummer 127.660 kommt auch aus der im April 1956 produzierten Ébauche-Serie.

Eingeschalt wurde es in ein poliertes Gehäu-se aus Edelstahl vom Typ «Demi-Bassine», runde Krone mit Drücker, runder Kronenbügel, verschraubter Rückdeckel mit Randverzah-nung, 65 mm Durchmesser ohne Bügelhals und 23,5 mm hoch. Das mattversilberte Ziffer-

blatt mit schwarzen arabischen Zahlen und einer 1/10 sowie 1/5 Sekundeneinteilung hat einen Durchmesser von 58 mm. Die Breguet-Zeiger aus Stahl sind violett angelassen.

In der Preisliste von Ulysse Nardin aus Sep-tember 1958 wird eine solche Uhr mit der Ref.-Nr. 10001 und der Bezeichnung «Chrono-graph mit Schleppzeiger 24'''» für 885,00 S.Fr. angeboten.

Auch in diesem Fall ist das Datum der Fer-tigstellung und des Verkaufs nicht mehr feststellbar.

Chronograph mit Rattrapante als Beobach-tungsuhr in der Filmwirtschaft

An die von Artur Brauner 1946 gegründete CCC («Central Cinema Company») lieferte Ulys-se Nardin in den 1950er Jahren den Chrono-graphen mit der Werknummer 127.387. Auf Wunsch des Kunden wurde die Uhr nicht in dem üblichen dreiteiligen Mahagoni-Kästchen ausgeliefert, sondern in einer verschraubten zweiteiligen Aluminiumdose mit Ledertasche.

In den 60 Jahren ihres Bestehens produzier-te die CCC rund 260 Kinofilme. In den CCC-Studios entstanden weit über 500 Filme. Wäh-rend der ‘Goldenen fünfziger Jahre’ waren 500 Mitarbeiter in den CCC Filmstudios beschäf-tigt.

Von einem Insider der Filmbranche habe ich erfahren, dass Zeitmessung im Film unter an-derem eine Rolle bei der Planung eines Films spielt. So werden in Vorbereitung der Drehar-beiten so genannte ‘Stoppzeiten’ auf Basis des Drehbuchs genommen. Dabei werden die ein-zelnen Szenen entweder im Kopf durchgespielt, oder der Text laut gesprochen und die voraus-sichtliche Filmdauer in Minuten und Sekunden gestoppt. Aufgrund der Stoppzeiten werden einzelne Szenen dann eventuell gekürzt, oder ganz herausgenommen, um möglichst im Rahmen des geplanten Drehbudgets zu blei-ben.

Ob dafür ein hochpräziser 1/10 Sekunden Chronograph mit Schleppzeiger nötig war, wage ich zu bezweifeln, aber Stars wollen halt oft nur das Beste.

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Abb. 17: Chronographen mit Rattrapante

Herstellung des Ébauches für diese Uhr im September 1949.

Das ‘Standard-Gehäuse’ aus Edelstahl vom Typ «Demi-Bassine»; runde Krone mit Drücker, runder Kronenbügel, verschraubter Rückdeckel mit Randverzahnung, 65 mm Durchmesser ohne Bügelhals und 23,5 mm hoch; kam auch hier zum Einsatz.

Auf dem Emailzifferblatt ist im Bereich der kleinen Sekunde die Werknummer 127.387 zu lesen. Ein Indiz bei Ulysse Nardin, dass die Uhr für eine Einreichung beim Observatorium vor-bereitet wurde. Beschriftet mit schwarzen ara-bischen Zahlen Typ «Paris». Die Breguet-Zeiger sind violett angelassen.

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1 Chronographe de haute précision au 1/10 de se-conde von H. Rosat, in Bericht über die Tagung der Schweizerischen Physikalischen Gesellschaft, Band 5 (1932), Heft IV, Seite 314-316

2 Un succès notre horlogerie, JSH (Journal Suisse d'Horlogerie, 3/1933, Seite 43

3 Nardin, Raymond: Les Chronomètres de Marine - Ulysse Nardin, 1994, Seite 84

4 Internet: uhren-hidding.de/chronometerdatenbank.php, Stand 29.05.2013

5 Nardin, Raymond: Les Chronomètres de Marine - Ulysse Nardin, 1994, Seite 128

Abb. 18: Emailzifferblatt Nr. 127.387

Abb. 19: Chronograph für die Central Cinema Company, Berlin