The “Technik der Psychoanalyse” (technique of psychoanalysis) of Otto Rank: A resource for...

21
1 3 ORIGINALARBEIT Zusammenfassung In den 20er Jahren vollzog Otto Rank eine Erweiterung des psychoanalytischen Behandlungsraumes um die vorsprachliche Beziehungs- und Selbsterfahrung aus der Zeit vor, während und nach der Geburt. Damit war gemeint, dass die vorsprachliche frühe Erfahrung auf der Gefühls- und Empfindungsebene in der analytischen Situation hintergründig mit präsent ist. Die besondere Betonung der frühesten Ebene der Mutterbeziehung wurde in der damals noch patriarchalisch geprägten Gesellschaft als unangemessen und ungerechtfertigt empfunden. In den letzten Jahrzehnten sind jedoch aus den verschiedensten therapeutischen Settings Beobachtungen gemacht worden, die die Beobachtungen Ranks zu bestätigen schei- nen. Ebenso bedeutsam ist, dass die empirische Forschung zur frühen Hirnentwick- lung und zu den Folgeerscheinungen von frühem traumatischen Stress die formative Bedeutung der Frühentwicklung in ganz neuem Licht erscheinen lässt. Hinzu kom- men neue Einsichten in die evolutionsbedingten Besonderheiten der menschlichen Frühentwicklung, wobei es insbesondere um die psychologischen Konsequenzen der „physiologischen Frühgeburtlichkeit“ geht. Hierdurch ergibt sich ein neuer Rahmen für das Verständnis der frühen Entwicklung und für die Einschätzung der Beobachtungen und Schlussfolgerungen Ranks. Sie stellen sich aus heutiger Sicht als eine wertvolle Ergänzung zu der in den letzten Jahrzehnten erfolgten psychoana- lytischen Erforschung der nachgeburtlichen Mutter-Kind-Beziehung dar. Sie bergen das Potenzial zu einem vertieften Verständnis der vorsprachlichen Ebene der psy- choanalytischen Behandlungssituation. Forum Psychoanal (2010) 26:129–149 DOI 10.1007/s00451-010-0036-6 Die „Technik der Psychoanalyse“ von Otto Rank Eine Ressource für die heutige Psychoanalyse Ludwig Janus Dr. med. L. Janus () Schröderstr.85, 69120 Heidelberg, Deutschland E-Mail: [email protected] Online publiziert: 4. Mai 2010 © Springer-Verlag 2010

Transcript of The “Technik der Psychoanalyse” (technique of psychoanalysis) of Otto Rank: A resource for...

1 3

Originalarbeit

Zusammenfassung  in  den  20er  Jahren  vollzog  Otto  rank  eine  erweiterung  des psychoanalytischen  behandlungsraumes  um  die  vorsprachliche  beziehungs-  und Selbsterfahrung aus der Zeit vor, während und nach der geburt. Damit war gemeint, dass die vorsprachliche frühe Erfahrung auf der Gefühls- und Empfindungsebene in der analytischen Situation hintergründig mit präsent ist. Die besondere betonung der frühesten ebene der Mutterbeziehung wurde in der damals noch patriarchalisch geprägten gesellschaft  als  unangemessen und ungerechtfertigt  empfunden.  in den letzten  Jahrzehnten  sind  jedoch  aus  den  verschiedensten  therapeutischen  Settings beobachtungen gemacht worden, die die beobachtungen ranks zu bestätigen schei-nen. ebenso bedeutsam ist, dass die empirische Forschung zur frühen Hirnentwick-lung und zu den Folgeerscheinungen von frühem traumatischen Stress die formative bedeutung der Frühentwicklung in ganz neuem licht erscheinen lässt. Hinzu kom-men neue einsichten  in die evolutionsbedingten besonderheiten der menschlichen Frühentwicklung,  wobei  es  insbesondere  um  die  psychologischen  Konsequenzen der  „physiologischen  Frühgeburtlichkeit“  geht.  Hierdurch  ergibt  sich  ein  neuer rahmen für das Verständnis der frühen entwicklung und für die einschätzung der beobachtungen und Schlussfolgerungen ranks. Sie  stellen sich aus heutiger Sicht als eine wertvolle ergänzung zu der in den letzten Jahrzehnten erfolgten psychoana-lytischen erforschung der nachgeburtlichen Mutter-Kind-beziehung dar. Sie bergen das Potenzial  zu einem vertieften Verständnis der vorsprachlichen ebene der psy-choanalytischen behandlungssituation.

Forum Psychoanal (2010) 26:129–149DOi 10.1007/s00451-010-0036-6

Die „Technik der Psychoanalyse“ von Otto RankEine Ressource für die heutige Psychoanalyse

Ludwig Janus

Dr. med. l. Janus ()Schröderstr. 85, 69120 Heidelberg, Deutschlande-Mail: [email protected]

Online publiziert: 4. Mai 2010© Springer-Verlag 2010

130

1 3

l. Janus

The “Technik der Psychoanalyse” (technique of psychoanalysis) of Otto Rank a resource for contemporary psychoanalysis

Abstract  in  the  1920s,  Otto  rank  broadened  the  psychoanalytic  treatment  space by the prelingual relational and self-experience in the time before, during and after birth. this meant that early prelingual experiences at the level of emotions and sen-sations is always covertly present in the analytic situation. the special emphasis on the earliest relationship to the mother was perceived in the patriarchal society of the time as inadequate and unjustifiable. But the last decades provided perceptions in different therapeutic settings which seem to confirm the observations of Rank. Just as important are the findings of the empirical research in early brain development and  in after effects of early  traumatic stress which show the shaping role of early development in a completely new light.

there are also new insights into particularities of early human development due to evolution, especially about the psychological consequences of the “physiological premature birth”. From this knowledge a new framework arises for the understand-ing  of  early  development  and  for  the  assessment  of  the  observations  and  conclu-sions of rank. From a contemporary viewpoint this provides valuable contributions to the psychoanalytic research of the last decades into early after birth mother-child relationships. they bear  the potential  for a deeper understanding of  the prelingual level of the psychoanalytic treatment situation.

Die Entwicklung der perinatalen Thematik in der Psychoanalyse

nach den großen Zerwürfnissen und Dissidenzen in den anfangsjahren der Psycho-analyse, wie sie sich mit den namen von adler und Jung verbinden, kam es in den 20er  Jahren  zu  Versuchen,  die  psychoanalytische  behandlungstechnik  systemati-scher zu erfassen (s. z. b. Ferenczi u. rank 1924). Der Problembereich, an dem es zu den so genannten Dissidenzen gekommen war, war die theoretische und prakti-sche  bedeutung  der  frühen  vorsprachlichen  Mutterbeziehung  gewesen,  wobei  ich mit „vorsprachlich“ den vorgeburtlichen und geburtlichen bereich mit meine. Dabei hatte adler die Ohnmachtsseite und deren Kompensation im „männlichen Protest“ betont, während Jung die regenerativen Potenziale der frühen Muttererfahrung her-vorgehoben hatte. Mit seiner arbeit „einführung des narzissmus“ (1914) antwortete Freud auf diese ansätze und formulierte sein Konzept der Differenzierung eines vor-geburtlich geprägten primären narzissmus und eines nachgeburtlichen sekundären narzissmus.

Waren diese Konzepte noch im Wesentlichen theoretisch, ging es Ferenczi u. rank mit  ihren Überlegungen  in  „entwicklungsziele der Psychoanalyse“  (1924) darum, konkrete  behandlungstechnische  Konsequenzen  aus  den  neuen  einsichten  zu  ent-wickeln. Die analytische Situation wurde nicht nur als Feld ödipaler Konflikte auf-gefasst, sondern ebenso als Feld der Wiederkehr frühester vorsprachlicher ereignis-hafter erinnerungen gesehen. Diese Wiederkehr vollzog sich in dem, was rank, von dem das entscheidende zweite Kapitel stammte, das „analytische erlebnis“ nannte. 

131

1 3

Die „technik der Psychoanalyse“ von Otto rank

therapeutisch ging es um das Verstehen dieses vorsprachlichen erlebens, soweit es von der Persönlichkeitsentwicklung aufgrund von ungünstigen bedingungen ausge-schlossen war.

Für  rank  war  die Wiederkehr  von  geburtsfantasien  am  ende  der  behandlung, wie sie schon Freud im „Wolfsmann“ beschrieben hatte, ein ausgangspunkt, wie er es dann in Das Trauma der Geburt entwickelte (rank 1924). Der historische Schritt, den  rank  hier  über  Freud  hinaus  tat,  bestand  darin,  dass  er  in  den  Fantasien  die Wiederkehr von Empfindungen und Gefühlen aus der realen Geburtserfahrung in der analytischen Situation erkannte, wie sie durch das behandlungsende aktiviert waren (rank 1924, S. 8).

im erscheinungsjahr von ranks Das Trauma der Geburt, 1924, erschien auch das erstlingswerk eines damals noch ganz unbekannten Psychoanalytikers mit namen gustav Hans graber unter dem titel „Die ambivalenz des Kindes“ (1924), in dem er die ambivalenz in der lebenseinstellung bei einigen Patienten auf unverarbeitete Schwierigkeiten beim Übertritt von der vorgeburtlichen in die nachgeburtliche Welt zurückführte.  graber  wurde  später  eine  der  zentralen  Figuren  in  der  erforschung der Folgewirkungen vorgeburtlicher und geburtlicher erfahrung. Sein gesamtwerk wurde auf einer tagung 2004 in Salzburg mit dem titel Pränatale Wurzeln der Indi-viduation gewürdigt (reiter 2005).

Die Folgewirkungen von vorgeburtlichen traumen beschrieb als erster der unga-risch-amerikanische analytiker nandor Fodor  in  seinem buch The Search for the Beloved – Clinical Investigation of Birth and Prenatal Conditioning (1949), das seine arbeiten, die in verschiedenen psychoanalytischen Zeitschriften erschienen waren, zusammenfasste. er war der erste, der die einsichten von rank, graber und wenigen anderen  systematisch zum ausgangspunkt  seiner behandlungspraxis machte. Dies demonstrierte er in seinem buch mit vielen kasuistischen beispielen und in seinem um die pränatale Dimension erweiterten ansatz  in der trauminterpretation  (Fodor 1951). Fodor ist so etwas wie der Kliniker der pränatalen Psychologie.

trotz dieser ingeniösen anfänge blieb das thema der psychodynamischen Valenz vorgeburtlicher  und  geburtlicher  erfahrungen  in  der  Psychoanalyse  randständig, wenn es auch eine größere anzahl von einzelarbeiten gibt, die ich an anderer Stelle zusammengefasst habe  (Janus 2000a, 2000b, 2004).  im Zentrum des  analytischen interesses  standen hingegen die nachgeburtlichen erfahrungen und  ihre Folgewir-kungen, wie sie von Melanie Klein und Winnicott beispielhaft erfasst wurden. beob-achtungen  zur Wirksamkeit  noch  früherer  erfahrungen  fanden  nur  punktuell auf-merksamkeit, wie etwa die anregungen von Meiello (1999) zu den vorgeburtlichen aspekten  des  Hörens  oder  von  Piontelli  (1992)  zu  den  Ultraschallbeobachtungen während  der  Schwangerschaft  und  den  anregenden  nachuntersuchungen  der  vor-geburtlich beobachteten Kinder, die eine große Kontinuität des Verhaltens und der reaktionen zeigten. eine größere systematische bedeutung gewannen solche einzel-beobachtungen aber nicht, obwohl damit die prägende bedeutung der vorgeburtli-chen erfahrung und deren Präsenz im nachgeburtlichen beziehungsverhalten in einer anschaulichen Weise dokumentiert waren.

Das  thema  der  bedeutung  vorgeburtlicher  und  geburtlicher  erfahrungen  wan-derte  in  den  70er  Jahren  gewissermaßen  aus  dem  bereich  der  Psychoanalyse  aus 

132

1 3

l. Janus

und wurde von einigen Vertretern der humanistischen Psychologie wie arthur Janov, Stanislav grof u. a. weitergeführt. Wichtige zeitgenössische Vertreter für den Selbst-erfahrungsbereich sind terence Dowling (1987) und William emerson (1997, 2000) und für die bezüge zur empirischen Forschung und praktischen Umsetzung thomas Verny (2003; Verny u. Kelly 1981).

Doch gab es auch in der Psychoanalyse einige Persönlichkeiten, die die thema-tik weiter verfolgten, wie die ungarischen analytiker györgi Hidas u.  Jenö raffai (2006), der amerikanische Psychoanalytiker John Sonne (1996) und die in los ange-les arbeitenden Psychoanalytiker lynda Share (1994, 1996) und bernard bail (2007). Vor  einigen  Jahren  thematisierte leikert  (2001) die perinatale Verlustthematik  am beispiel des Orpheus-Mythos. einen Überblick über die neuere literatur habe ich an anderer Stelle gegeben (Janus 2004). neuerdings ist die Valenz der vorgeburtlichen tiefendimension im psychoanalytischen Verständnis der Musik bedeutsam geworden (Parncutt u. Kessler 2007; Oberhoff 2010). Die Musik erscheint hier als „virtuelle Person“,  die  letztlich die  pränatale Mutter  repräsentiert.  in Frankreich  erschien  in den  letzten Jahren eine ganze reihe von büchern von Psychoanalytikern zur Prä-senz vorgeburtlicher erfahrung im Unbewussten. ich nenne hier nur beispielhaft Le Foetus dans notre Inconscient  (2004)  von  Jean  bergeret  und  Marcel  Houser  und den Sammelband Anthropologie du foetus, der einen guten Überblick gibt (bergeret  et al. 2006).

trotz  aller  dieser  einzelarbeiten  blieb  die  reaktion  der  Mehrzahl  der  Psycho-analytiker zurückhaltend und zwiespältig. Doch hat  sich durch die ergebnisse der Hirnforschung,  der  entwicklungsneurobiologie,  der  Psychotraumatologie  und  der gedächtnisforschung  sowie  das  erweiterte  Wissen  um  die  evolutionsbedingten besonderheiten der menschlichen Schwangerschaft und geburt ein neuer Verständ-nisrahmen  zur  einschätzung  der Valenz  der  beobachtungen  und  Schlussfolgerun-gen ranks ergeben. Zunächst werden darum im Folgenden die hier relevanten neuen gesichtspunkte kurz charakterisiert.

Quantitativ-empirische Daten zur Psychobiologie der frühen Entwicklung

in den letzten Jahren hat die erforschung der entwicklung des menschlichen gehirns von den embryonalen anfängen an große Fortschritte gemacht. Der entscheidende gesichtspunkt ist der, dass sich diese entwicklung in abhängigkeit vom umgeben-den Milieu vollzieht, sodass die synaptische Feinarchitektur des gehirns die Milieu-bedingungen gewissermaßen widerspiegelt. Das gilt insbesondere für die durch das Stammhirn  gesteuerten  elementarreaktionen  und  die  durch  das  Mittelhirn  gesteu-erten  affektiven  reaktionen.  Da  die  Myelinscheiden  der  nerven  noch  nicht  voll ausgebildet sind, ist die nervenleitgeschwindigkeit zwar noch langsamer als später, aber keineswegs nicht vorhanden, wie man früher zum teil gemeint hatte. Die rele-vante literatur hat vor Kurzem Verny (2003) zusammengefasst. Konkret heißt das, dass  sich das Kind vor der geburt  im emotionalen und verhaltensmäßigen Milieu der Mutter entwickelt und hierdurch zutiefst in seiner sensorischen, motorischen und emotionalen  entwicklung  geprägt  wird.  Was  man  von  der  Welt  zu  erwarten  oder nicht zu erwarten hat, wird vor der geburt gewissermaßen vorformatiert. Oder anders 

133

1 3

Die „technik der Psychoanalyse“ von Otto rank

ausgedrückt: Das basale Selbst- und lebensgefühl entwickelt sich vor der geburt. Die Kinder kommen mit diesen Vorprägungen in die geburt und zur Welt. Die vor-geburtliche Zeit  ist  auch  eine Zeit  komplexen und  insbesondere  sensorischen und affektiven lernens, ohne das eine bewältigung der geburt und der nachgeburtlichen anpassung auch gar nicht möglich wäre. Die  relevante literatur hat Chamberlain (1998) zusammengefasst.

Die genannten befunde bedeuten natürlich auch, dass traumatische erfahrungen vor und während der geburt Folgewirkungen haben können, wozu es seit den 50er Jahren eine ausgedehnte Forschung bei tieren gibt, die zeigt, dass vorgeburtlicher Stress  lebenslange auswirkungen  in  Form  von  sozialen auffälligkeiten  und  ein-schränkungen  in  den  Verhaltensmöglichkeiten  hat.  beim  Menschen  verbietet  sich eine solche experimentelle Forschung, aber der Vergleich von Kindern von Müttern unter starkem Stress mit Müttern mit nur geringer Stressbelastung ergab vergleich-bare Ergebnisse über lang anhaltende Folgewirkung in Form von Stressempfindlich-keit, reizbarkeit, Unruhe und geringer belastbarkeit (Van den bergh 2005; Huizink 2005).

Für die Psychoanalyse speziell bedeutsam sind Untersuchungen, die die quanti-tative mit der ebene qualitativer beobachtungen kreativ verbinden. Dies gilt etwa für  die  Untersuchung  der  Folgewirkung  von  „Ungewolltheit“  des  Kindes  in  einer Untersuchung  in tschechien,  wobei  „Ungewolltheit“  durch  dreimalig  abgelehnten Schwangerschaftsunterbrechungswunsch  operationalisiert  war,  was  eine  negative Prägung in richtung lebensunzufriedenheit, sozialer Schwierigkeiten und erhöhter Disposition zu Kriminalität zur Folge hatte (Matejczek 1994). immer noch beacht-lich ist die Studie des Psychoanalytikers Hau, einem der Pioniere der pränatalen Psy-chologie, zu den seelischen Folgewirkungen der belastungen der Schwangerschaften unter den bedingungen des Zweiten Weltkrieges, deren Folgen sich in einem anstei-gen depressiver und schizoider Störungen bei Jugendlichen und jungen erwachsenen bei den im Krieg geborenen auswirkten (Hau 1968).

Neue Aspekte aus der Gedächtnisforschung

Über  diese  Hinweise  zur  lebensgeschichtlichen  bedeutung  von  Schwangerschaft  und geburt hinaus  ist die Frage bedeutsam, wie und  in welcher Weise vorgeburt-liche und geburtliche erfahrungen  im späteren erleben und Verhalten präsent sein könnten.  Hierzu  ist  der  beitrag  der  modernen  gedächtnisforschung  wichtig.  Die gedächtnisforschung hatte sich früher wesentlich auf das semantische und symboli-sche gedächtnis bezogen. in den letzten Jahrzehnten trat jedoch die erforschung des episodischen gedächtnisses, das ereignisse speichert, in den Vordergrund (Schacter 1999). Dieses hat die eigenschaft,  dass  es nicht  aktiv  erinnerbar  ist,  sondern  sich in  einer  entsprechenden  Situation  „vergegenwärtigt“.  Was  auf  der  semantischen ebene die erinnerung ist, ist auf der erlebensebene die Vergegenwärtigung, die aber nicht  als Vergangenheit  erkannt wird,  sondern als element der  aktuellen Situation erscheint: ein Hund kann mir unmittelbar gefährlich erscheinen, weil mich  früher ein Hund gebissen hat. Die „erinnerung“ daran ist aber für das aktuelle erleben nicht notwendig, weil sich die frühere gefährdung im eindruck der gefährlichkeit „ver-

134

1 3

l. Janus

gegenwärtigt“ hat. So kann ein Kind angst vor Spritzen oder weißen Kitteln haben, weil sich ein angsterleben als Säugling im anblick der Spritze oder der weißen Kittel „vergegenwärtigt“, ohne dass sich das Kind an dieses erlebnis aus der Säuglingszeit erinnern kann. Die Vergegenwärtigung ist die erinnerung auf der außersprachlichen ebene. Diese Zusammenhänge haben prinzipielle bedeutung. Frühe vorsprachliche erfahrungen aus der Zeit vor, während oder nach der geburt lassen sich in der regel nicht direkt erinnern, aber sie können sich in Empfindungen, Gefühlen und Bild-eindrücken ereignishaft vergegenwärtigen. Da wir üblicherweise vom semantischen gedächtnis ausgehen, wird die bedeutung dieser Vergegenwärtigungen systematisch unterschätzt, und es hat lange Zeit gedauert, bis sie in der gedächtnisforschung und in der Psychologie erkannt wurden. ich habe den begriff der „Vergegenwärtigung“ in anführungszeichen gesetzt, um ihn als terminus für die besondere Form der vor-sprachlichen erinnerung einzuführen.

Dies hat auch bedeutung für die Symboltheorie. in der Psychoanalyse hatte klas-sischerweise  das  Verdrängte  symbolbildendes  Potenzial.  bei  den  vorsprachlichen erfahrungen geht es aber nicht um Verdrängtes, sondern um vorsprachliche erfah-rung, die auf der sprachlichen oder der symbolischen ebene nie  repräsentiert war, oder, wie rank und Ferenczi sich ausdrückten, die „nie bewusst“ war. Diese erfah-rungen können, wie gesagt, nicht direkt erinnert werden, aber sie können sich verge-genwärtigen, ohne dass dies eine Symbolisierung wäre: Die Faszination von Höhlen hängt  in diesem Verständnis damit zusammen, das sich  im Höhlenerlebnis uterine Empfindungen und Gefühle vergegenwärtigen können. Im Erleben kann dann die Höhle uterine Qualität gewinnen, und zwar aus der Unmittelbarkeit der Vergegen-wärtigung von vorgeburtlichen Empfindungen. Diese Vergegenwärtigungserfahrung kann  dann  wieder  auf  einer  späteren  ebene  symbolisiert  werden,  Höhle  etwa  als Symbol der jenseitigen Heimat oder als symbolischer Ort der Präsenz eines höheren Wesens. Der Zusammenhang mit der uterinen Urerfahrung ist aber von dieser sym-bolischen ebene her undurchschaubar.

eine weitere wichtige Wissenserweiterung zum Kenntnisstand in den 20er Jahren betrifft die evolutionsbedingten besonderheiten der menschlichen Frühentwicklung, die darum im folgenden abschnitt kurz dargestellt werden müssen.

Anthropologische Besonderheiten der menschlichen Frühentwicklung

Die menschliche Frühentwicklung hat besonderheiten, die psychologisch bedeutsam sind.  Hierzu  hatte  schon  Freud  festgestellt:  „Der  biologische  [Faktor]  ist  die  lang hingezogene Hilflosigkeit und Abhängigkeit des kleinen Menschenkindes. Die Intra-uterinexistenz des Menschen erscheint gegen die meisten tiere relativ verkürzt; es wird unfertiger als diese in die Welt geschickt. Dadurch wird der Einfluss der realen außenwelt verstärkt, die Differenzierung des ichs vom es frühzeitig gefördert, und die gefahren der außenwelt  in  ihrer bedeutung erhöht und der Wert des Objekts, das allein gegen diese gefahren schützen und das verlorene intrauterinleben ersetzen kann, enorm gesteigert. Dies biologische Moment stellt also die ersten gefahrensi-tuationen her und schafft das bedürfnis, geliebt zu werden, das den Menschen nicht mehr  verlassen  wird“  (Freud  1926,  S.  168 f.). aus  dieser  einsicht  hat  Freud  aber 

135

1 3

Die „technik der Psychoanalyse“ von Otto rank

keine behandlungstechnischen Konsequenzen gezogen, wie dies Ferenczi u. rank (1924) bereits versucht hatten.

aus  der  späteren  biologischen  Forschung  können  wir  hier  weitere  Differenzie-rungen vornehmen. Aus biologischer Sicht sind Menschen eigentlich Nestflüchter, müssten also im Krabbelalter geboren werden, werden aber als nesthocker geboren (Portmann 1969). Menschen kommen also in einem noch fetalen Körper als „physio-logische  Frühgeburten“  zur Welt  und  durchlaufen  deshalb  eine  verlängerte  baby-zeit. Der vorzeitig verlorene uterine Schutz wird durch die besondere Familiarität  und die intensität der eltern-Kind-beziehungen und insbesondere der Mutter-Kind-beziehung ausgeglichen. Menschenbabys können sich an ihrer Mutter real nicht fest-halten und sich dadurch sichern, sondern sie finden Halt in einer Intensivierung der beziehung zur Mutter, und zwar durch Mimik, gestik, augenkontakt und intensive lautäußerungen, worüber affenbabys so nicht verfügen (Morgan 1995). Die eltern kreieren also für ihr Kind im günstigen Fall einen beziehungsintensiven Schutz- und ergänzungsraum, der den Mutterleibsschutz ersetzt, aus dem heraus das Kind dann in  einem  zweiten  Schritt,  in  einer  „psychischen  geburt“,  wie  Mahler  (1999)  dies beschrieben  hat,  geboren  wird.  Sie  hatte  den  evolutionsbiologischen  Hintergrund ihrer  beobachtungen  noch  nicht  realisieren  können.  Man  könnte  hier  in analogie zu Freuds Konzept des „zweizeitigen ansatzes der geschlechtsentwicklung“ in der ödipalen Zeit  und der Pubertät  von  einem „zweizeitigen ansatz der Primärindivi-duation“ mit der biologischen geburt nach neun Monaten und der seelischen geburt in der ersten Hälfte des zweiten lebensjahres sprechen. Dazwischen liegt der psy-chobiologische Übergangsraum des „physiologischen Frühjahrs“, wo wir mit einem eigentlich noch fetalen Körper als baby schon auf der Welt sind und nur in dem von den eltern gebildeten Schutz- und ergänzungsraum überlebensfähig sind.

Konsequenzen für die Kulturpsychologie

Die kulturpsychologische Konsequenz aus dieser evolutionsbiologischen besonder-heit ist die, dass wir diese Urerfahrung als erwartung ins spätere leben hineintragen. Menschliche Kultur besteht in diesem Verständnis wesentlich in der erschaffung sol-cher Schutz- und ergänzungsräume, sei es nun in der Familie, der sozialen gruppe, der nation und den religiösen sowie anderen gemeinschaften. Wir beheimaten uns in einer eigentlich fremden und widrigen Welt durch eine projektive Vergegenwärtigung der vorgeburtlichen Urheimat  in der außenwelt, die aus dieser projektiven erwar-tung heraus gewissermaßen für uns gemacht und eingerichtet erscheint. Menschen geben der realen Welt immer auch eine zusätzliche auf die jenseitige Welt, das heißt eigentlich auf die pränatale Welt, bezogene bedeutung, wie es sich auch im magi-schen,  mythischen,  religiösen  und  mystischen Weltbezug  widerspiegelt.  nicht  die pränatale Psychologie ist „mystisch“, sondern der Weltbezug des Menschen hat einen mystischen aspekt. Diese Zusammenhänge sind das thema der Sphären-bücher von Sloterdijk,  der  die  grundlegende  bedeutung  von  rank  und  graber  nachdrücklich gewürdigt hat. in bezug auf die religion hat er seinen gedanken zugespitzt, wenn er im achten Kapitel von Sphären I unter dem terminus das „gemeinsame innen“ die 

136

1 3

l. Janus

Vorbildfunktion der religiösen beziehung zu gott in der vorgeburtlichen beziehung sieht  und  damit  die  pränatale  Mutter  an  einer  zentralen  Stelle  zur  Sprache  bringt (Sloterdijk 1998, S. 549 ff., s. auch Sloterdijk 2009).

Doch greift dies schon den kulturpsychologischen gedanken ranks vor, zu denen ich später kommen werde. Hier  sollen zur Orientierung noch einige behandlungs-praktische erfahrungen zu den Folgewirkungen von vorgeburtlichen und geburtli-chen traumatischen belastungen mitgeteilt werden, die zum teil nicht aus dem ana-lytischen bereich stammen, aber letztlich auf die anregungen von rank und Fodor zurückgehen. Weil diese beiden aber außerhalb der engeren Psychoanalyse gesehen werden, scheint ihre thematik auch in der Psychoanalyse nicht so präsent, obwohl sie praktisch sehr relevant ist.

Behandlungspraktische Erfahrungen zu den Folgewirkungen früher traumatischer Belastungen

in den letzten Jahren wurde eine reiche Kasuistik dazu gesammelt, wie sich trauma-tische belastungen vor und während der geburt in der späteren entwicklung auswir-ken und zu welchen typischen neurotischen oder psychosomatischen Symptomen sie führen können (s. die Übersicht bei Janus 2004). besonders unmittelbar sind dabei immer die beispiele aus der Kindertherapie (s. z. b. leyh 1997). traumatische belas-tungen bei der geburt können unmittelbare Folgewirkungen in Form von Unruhe-zuständen, Berührungsempfindlichkeit, Erschreckbarkeit, Essstörungen usw. haben. Eine weitere Folge ist eine stärkere Krankheitsanfälligkeit. Das Kind findet im güns-tigen  Fall  mit  seinen  eltern  leidliche  Kompensationsmöglichkeiten.  typisch  sind dann aber  frühkindliche Symptome  in Form von Dunkelangst, albträumen, angst vor Wasser, verschiedene phobische Ängste, neigung zu Kopfschmerzen, atemstö-rungen usw. Diese Störungsdispositionen können sich später mit lebensgeschichtli-chen Konflikten der verschiedensten Art verknüpfen und können dann ein Ingredienz von Selbstwert- und Beziehungskonflikten sein. Therapeutische Hilfestellungen bietet insbesondere die körperorientierte regressionstherapie von William emerson (1997,  2000),  wobei  der ausdruck  regressionstherapie  missverständlich  ist,  denn im Bereich des Symptoms oder körperlicher geburtsbedingter Berührungsempfind-lichkeiten befindet sich der Patient in spontaner hierauf bezogener Regression oder, anders ausgedrückt, unter dem Einfluss von geburtsbedingten Schockzuständen (emerson 1997, 2005).  in psychoanalytischen oder  tiefenpsychologischen Settings werden solche geburtsbedingten Folgewirkungen oft indirekt mitbehandelt, könnten aber bei eindeutigerer Klärung der Zusammenhänge direkter thematisiert und thera-peutisch begleitet werden (s. Janus 2000b). Einen besonders spezifischen psychoana-lytisch-psychotraumatologischen Zugang haben Hochauf (1999, 2007) und Unfried (1999) entwickelt.

Vorgeburtliche beeinträchtigungen wie Verluste und Stress der Mutter, Depres-sion  der  Mutter,  erkrankungen, abtreibungsversuche  usw.  beeinträchtigen  oft  das Selbst- und lebensgefühl eines Menschen  insgesamt. Dies  lässt sich  insbesondere an  beispielen  aus  psychotherapeutischen  behandlungen  bei  ungewollten  Kindern 

137

1 3

Die „technik der Psychoanalyse“ von Otto rank

zeigen (Häsing u. Janus 1994; levend u. Janus 2000). eindrucksvoll ist hier auch die reiche Kasuistik des amerikanischen Psychoanalytikers John Sonne (1996).

abtreibungsversuche  können  sich  später  in  Suizidtendenzen  auswirken.  Dieser Zusammenhang wird nach meinem eindruck oft unterschätzt, denn er war vor der einführung der Pille nicht selten. So hat etwa Hollweg (1998), der systematisch dar-auf achtete, bei etwa 50 seiner Patienten im laufe seiner langen behandlungspraxis einen Hintergrund von abtreibungsversuchen feststellen können. es soll hier nicht auf  einzelheiten  eingegangen werden,  sondern  die Zusammenhänge  sollen nur  so weit benannt werden, dass deutlich wird, dass die Kasuistik zu traumatischen vor-geburtlichen und geburtlichen belastungen so ausgedehnt ist, dass deren beachtung in der Praxis bedeutsam ist. Für das psychoanalytisch orientierte Setting habe ich zur behandlungspraxis eine Übersicht gegeben, auch um zu belegen, dass es durchaus möglich ist, diese frühe ebene in der analytischen Situation zugänglich zu machen (Janus 2000b). Denn wegen der großen Zahl der körper- und regressionstherapeuti-schen beobachtungen und berichte kann es teilweise so erscheinen, dass die analyse wegen  ihrer Orientierung  am Verbalen hier  keine wissenschaftlichen und behand-lungspraktischen Möglichkeiten bietet.

auf  dem  Hintergrund  des  in  der  beschriebenen Weise  erweiterten Wissens  um die  frühe  entwicklung  soll  nun  die  rank-behandlungsperspektive  neu  betrachtet werden.

Das seinerzeit „zu“ Revolutionäre an Ranks Behandlungstechnik

Der herausfordernde Schritt ranks bestand, wie schon gesagt, darin, dass er in den geburtsfantasien  am  behandlungsende  die  Wiederkehr  von  elementen  der  realen geburtserfahrung in der analytischen Situation sah. Das implizierte die behauptung, dass wir alle unsere geburt auf einer affektiven ebene erlebt haben. Weil man sich aber hieran nicht bewusst erinnern kann, erschien diese annahme damals zugleich schockierend sowie auch unglaubwürdig und „weit hergeholt“. Mit dem Konzept der Vergegenwärtigung und auch im Hinblick auf die oben berichteten behandlungsprak-tischen erfahrungen aus verschiedenen psychotherapeutischen Settings scheint dies heute jedoch nachvollziehbar. Dass das Kind bei der geburt etwas erlebt, ist heute, wenn wir nur an die lebendige Mimik des Kindes vor der geburt im 3D-Ultraschall, die Mimik der Frühgeborenen und an die ausdrucksvolle Mimik des Kindes nach der geburt denken, augenscheinlich. Die Mimik und das Verhalten von neugebo-renen spiegeln ganz unmittelbar die art ihrer geburtserfahrung wider, und zwar in einer sehr ausdrucksvollen Weise. Das reicht vom neugierig-erstaunten Schauen und freundlichem lächeln bis zu entsetzten und verzweifelten Schreien bis zu schockarti-ger erstarrung. im Spiegel unserer einfühlsameren Mentalität erscheint die frühere Annahme eines fühllosen Reflexwesens abwegig. Insofern sind diese Beobachtung und Schlussfolgerung ranks heute nachvollziehbar und nicht mehr revolutionär.

Der zweite historische Schritt ranks bestand in der logischen Schlussfolgerung, dass,  wenn  das  ende  der  analyse  als  geburt  erlebt  werden  konnte,  die  analyse selbst also vom Unbewussten als eine Mutterleibssituation erlebt worden war. Das 

138

1 3

l. Janus

implizierte, dass unsere vorgeburtliche Situation in einer urtümlichen Weise von uns allen erlebt worden ist und dieses erleben sich in dem besonderen arrangement der „analytischen Situation“ wiederbeleben kann oder eben vergegenwärtigen kann. es ist  ja eine Situation, die man in einer existenziellen not aufgesucht hatte, wo man in dieser Welt nicht  zurechtkam und  in  früherer Zeit vielleicht  zu einem Heiligen gebetet hätte, sich also auf eine projektive pränatale magische Hoffnungen bezogen hätte.

Mit diesen annahmen hatte rank eine brisanz in der tiefendynamik menschlicher beziehungen bloß gelegt, die  ihn sein weiteres leben beschäftigen sollte.  in einer art kreativem rausch gab er neben der dreibändigen behandlungstechnik, die jetzt wieder vorliegt (rank 2006), in Genetische Psychologie die Darstellung einer ent-wicklungspsychologie, in Wahrheit und Wirklichkeit eine theorie der Psychotherapie unter den neuen gesichtspunkten, in Seelenglaube und Psychologie eine Darstellung unseres Verständnisses von der geschichtlichen entwicklung des seelischen erlebens und schließlich in Kunst und Künstler eine Darstellung des besonderen Weltbezuges von uns als Menschen, wie er in der Kreativität von Künstlern zum ausdruck kommt. Kunst und Künstler, 1932 in Deutsch geschrieben, erschien noch im gleichen Jahr in englischer Übersetzung unter dem titel Art und Artist und wurde  jetzt erstmals wieder in der Originalfassung herausgegeben (rank 1932).

Mit dieser Fülle an Publikationen hatte rank die Verarbeitungsmöglichkeiten sei-ner Kollegen überfordert, aber auch die Verständnismöglichkeiten seiner Zeit. Der damaligen Mentalität schien es, wie schon gesagt, wenig wahrscheinlich, dass das Reflexwesen Säugling etwas erlebte, noch unwahrscheinlicher musste erscheinen, dass es schon vor der geburt ein erleben gab und die geburt von uns allen erlebt worden  ist.  Den  Hintergrund  für  diese  Verleugnung  sehe  ich  in  den  historischen traumatischen Sozialisationen. Um dies zu verdeutlichen, ist ein kurzer historischer exkurs notwendig.

Historischer Exkurs zu den elterlichen Beziehungen

Wenn sich auch die eltern-Kind-beziehungen vom Mittelalter bis zur neuzeit kon-tinuierlich  verbessert  haben,  das  heißt,  weniger  traumatisch  belastet  waren  und bezogener wurden (DeMause 2000; Frenken 2003), so war doch die erziehung am anfang des letzten Jahrhunderts aus heutiger Sicht noch äußerst autoritär und gewalt-tätig. Das Schlagen der Kinder war selbstverständlich und ebenso das alleinlassen und Durchschreienlassen der Säuglinge. archaische Ohnmachtserlebnisse und ent-sprechende Wut, wie adler sie beschrieben hatte, gehörten zur üblichen Situation, ebenso wie die mythische Überhöhung des Vaters, wie Freud sie beschrieben hatte, und ebenso die mythische Überhöhung der Mutter, wie Jung sie erfasst hatte. Der Säugling galt der Wissenschaft als Reflexwesen und entsprechend, von heute aus gesehen, unglaublich unbezogen und  faktisch grausam war der Umgang mit neu-geborenen und babys noch bis in die 70er Jahre. ein persönliches erleben dieser Zeit und noch davor schien undenkbar.

139

1 3

Die „technik der Psychoanalyse“ von Otto rank

Schwierigkeiten der Auseinandersetzung mit den Gesichtspunkten Ranks

in diesen bedingungen sehe ich einen wichtigen grund, dass der rank-ansatz, der gerade emotionales erleben von anfang an implizierte, auch in den psychoanalytischen gruppen nur ganz wenigen vermittelbar war. einige Vertreter der damaligen künst-lerischen avantgarde hingegen, wie Salvador Dali und Henry Miller, griffen jedoch die neuen einsichten enthusiastisch auf.

in der berliner gruppe soll es nach mündlicher tradition eine gruppe von analy-tikern gegeben haben, die sich mit der bedeutung des geburtstraumas beschäftigten, die „geburtsbrigade“, deren Spur sich jedoch in den Wirren der geschichte verlo-ren hat. in der geschützten und besonderen Situation der londoner gruppe konnten einige anregungen ranks im rahmen der kleinianischen Psychoanalyse weiterleben (grosskurth 1993), wenn auch der bezug zu rank nicht explizit gemacht wurde und Melanie Klein die traumatischen aspekte der geburt nur abstrakt als „aktivatoren des todestriebes“ konzipierte. in der Schweiz konnte sich die von rank ausgehende traditionslinie  im Werk gustav Hans grabers weiterentwickeln (reiter 2005) und in der von ihm mit angel garma, argentinien, und igor Caruso, Österreich, gegrün-deten  internationalen Studiengemeinschaft  für Pränatale Psychologie und Medizin (iSPPM, http://www.isppm.de) eine Fortsetzung finden.

Nun, die Zeiten haben sich geändert, und wir uns mit ihnen. Das Reflexwesen Säugling  ist  zum  „kompetenten  Säugling“  mutiert,  und  das  vorgeburtliche  Kind schmückt  als  Ultraschallfoto  das  Familienalbum.  Mit  der  dreidimensionalen  Ult-raschalltechnik können wir heute die  sehr menschliche Mimik der Kinder vor der geburt beobachten. Das „Seelenleben des Ungeborenen“  ist kein new-age-haftes Fantasma mehr, sondern etwas Plausibles, was auch in einen bezogenen Umgang mit der Schwangerschaft praktisch eingang gefunden hat (Janus u. linder 2008). Diese veränderte Mentalität erlaubt ein Verlassen der alten abwehr und eine Offenheit für einen Diskurs zu der lebensgeschichtlichen bedeutung frühester erfahrung. Hierbei könnte das Werk ranks eine wesentliche ressource sein, weil rank mit der Unbe-fangenheit des erstentdeckers die topographie dieser tiefenebene des erlebens ins auge fasste.

Ranks neues Paradigma

Paradigmatisch hatte rank in abgrenzung gegen Jung und Freud formuliert: „Wir können auf die annahme einer Vererbung psychischer inhalte einstweilen verzichten, denn das perinatale Seelische, das eigentliche Unbewusste, erweist sich also als das im wachsenden ich unverändert fortlebende embryonale, welches die Psychoanalyse als  die  letzte  metapsychologische  einheit  im  begriff  des  geschlechtlich  neutralen ‚es‘ zusammengefasst hat“ (rank 1924, S. 186). Die hierin enthaltene Kritik an Jung und Freud besteht darin, dass Jung mit dem Konzept der archetypen und Freud mit dem Konzept der Urfantasien das lebendige vorgeburtliche erleben gewissermaßen in den angeborenen bildern still gestellt hätten. Wir leben nicht im nachklang der angeborenen archetypen,  sondern  im  nachklang  unserer  vorgeburtlichen,  geburt-lichen und nachgeburtlichen erfahrungen, aus denen wir „zu  früh“ herausgerissen 

140

1 3

l. Janus

wurden und die deshalb einerseits ein Sehnsuchtsziel bleiben, nach dem wir immer wieder suchen, und die andererseits immer wieder neu verarbeitet werden müssen, wenn  sie  in  lebensgeschichtlichen  belastungen  oder  Schwellensituationen  wieder aktiviert werden. Die romantiker sprachen von der ewigen Sehnsucht aller reisen, die  „immer nach Hause“ gehen  sollten, und Heidegger hatte vom „Heimweh“ als einem grundmotive aller Philosophie gesprochen. Und die religionen verweisen als tröstung für alles leid in dieser Welt auf die jenseitigen Welten und schützende hilf-reiche Wesen. Diese Sehnsucht nach einem heilenden Zuhause und einer tröstenden jenseitigen Welt lässt sich nun im Sinne ranks als Widerspiegelung oder Vergegen-wärtigung der heilsamen aspekte der vorgeburtlichen Welt verstehen. Diese Motive und bilder in Märchen und Mythen haben die Menschen die ganze Weltgeschichte hindurch begleitet. Durch die aufklärung waren sie als aberglaube entlarvt worden und kehrten in der innerlichkeit des modernen Seelenlebens wieder, aber eben nicht als  zeitlose archetypen,  wie  Jung  formulierte,  sondern,  wie  man  mit  rank  sagen könnte, als immer wieder neue Vergegenwärtigungen aus der eigenen Urerfahrung vor, während und nach der geburt.

Konsequenzen für das Verständnis der „analytischen Situation“

Und  diese  Motive  sind  eben  auch  im  Hintergrund  der  „analytischen  Situation“ wirksam, einem von rank geprägten terminus und titel des ersten bandes seiner behandlungstechnik. Die primärnarzisstische Verbundenheit und die damit verbun-dene kraftvolle Hoffnung ist Ursprung der Übertragung, wie grunberger (1976) es unabhängig und ohne bezug zu rank gefasst hatte. Sie ist gleichzeitig Medium für die Auseinandersetzung mit den lebensgeschichtlichen Konflikten und Ausgangspunkt für einen kreativen neuen lösungsentwurf. Modern wird von der analyse als einer „kreativen beziehung“ gesprochen. Das würde genau der Sicht ranks entsprechen, allerdings mit einer betonung der tiefendimension. Die Präsenz der Ursprungsebene in der analytischen Situation vor aller Sprachlichkeit ist ein Kernelement dessen, was rank das „analytische erlebnis“ nannte.

eine besondere Dramatik gewinnt diese Situation dadurch, dass in der „analyti-schen Situation“ und der durch sie bewirkten inneren Wahrnehmungssteigerung und -intensivierung  auch  die  Dramatik  des  geburtserlebens  und Vorgeburtserlebens  in einer latenten Weise und mehr oder weniger ausgeprägt präsent ist. Das gilt unaus-weichlich  für die abschlussphase, die darum in der behandlungstechnik bei rank eine so zentrale rolle einnimmt.

rank (1924) hatte in Das Trauma der Geburt an der trennungs- und Veränderungs-ängstlichkeit  am  ende  einer  behandlung  die  erlebnispräsenz  von  realen  geburts-gefühlen in der analytischen Situation entdeckt und auf die aktualisierung trauma-tischer aspekte  der  geburt  zurückgeführt.  Dabei  stieß  er  auf  eine  grunddynamik menschlichen erlebens in Situationen der Veränderung, deren kollektivpsychologi-sche Vergegenwärtigungstendenz und bedeutung er an beispielen aus der Verarbei-tung in Märchen, Mythen, in der Kunst und religion an vielfältigen beispielen zu zeigen versuchte. geburt kann den Verlust eines vorgeburtlichen Paradieses bedeu-ten, ein abenteuer zu neuen Ufern, einen Kampf ums Überleben oder einen Helden-

141

1 3

Die „technik der Psychoanalyse“ von Otto rank

kampf  gegen  einen  übermächtigen  gegner;  geburt  kann  auch  der  Fall  ins  nichts sein, der Verlust des sicheren bodens, der unüberbrückbare abgrund oder der Verlust des Selbst. all diese erlebniszusammenhänge sind vorsprachlich und körpernah, sie werden zwar erlebt, können aber nicht direkt reflektiert werden. Sie können aber in Form von Empfindungen, Gefühlen, Bildern, Erlebnisbereitschaften und in Träumen im späteren erleben wieder auftauchen. Mythen, Märchen und das kindliche Spiel mit entsprechenden themen können im Sinne ranks in wichtiger Hinsicht eine erste bildhafte Reflexion der Ursprungserfahrung vor und während der Geburt aufgefasst werden. es geht um das eingeschlossensein in einer Höhle oder in einem jenseitigen Schloss, es geht um einen Kampf mit vergiftenden und lebensbedrohenden Mächten und eine Befreiung. Es geht um Wegfindung in einem Dschungel und das Heraus-finden aus einem Labyrinth.

es sind dies themen, die nicht nur in der projektiven vergegenwärtigenden gestal-tung von Mythen und Märchen auftauchen, sondern ebenso zentrale elemente psy-chologischen Konflikterlebens sind. Durch die aktuellen Konflikte werden vorsprach-liche erlebniselemente in der oben beschriebenen Weise aktiviert, wie auch aus den berichteten Behandlungserfahrungen belegt ist: Eine Konfliktsituation kann im Spie-gel  eines als Schock erlebten geburtsstillstands aussichtslos  erscheinen oder  auch als vernichtend im Spiegel einer vorgeburtlichen existenzbedrohung. eine aktuelle Konfliktdynamik mit der Dramatik der Urerfahrung der Geburt zusammenzubringen, war seinerzeit revolutionär, und zwar zu revolutionär deshalb, weil in einer damals noch  weithin  patriarchalisch  orientierten  gesellschaft  die  bedeutung  elementarer erfahrung mit der Mutter ein tabu war, weil die gesellschaft in ihrer Wahrnehmung und ihrem erleben auf die zentrale bedeutung des Männlichen oder Väterlichen hin ausgerichtet  war.  Dies  war  so  bestimmend,  dass  die  übermächtige  bedeutung  des Vaters  auch noch den Horizont des Freud-Denkens ausmachte, obwohl  er mit der entdeckung  des  Unbewussten  gleichzeitig  überschritten  wurde,  wobei  jedoch  die weibliche und mütterliche Dimension des Unbewussten verschleiert und abstrahiert wurde. ich habe latente Präsenz der Mutterimago in den Konzepten Freuds an ande-rer Stelle dargestellt (Janus 1989).

Was 1924 „zu“ revolutionär war und als Dissidenz eingeordnet wurde, müsste nach jahrzehntelanger erforschung der bedeutung der frühen Mutter in der Psychoanalyse nun nicht mehr als revolutionär erscheinen und darum auch nicht mehr als Dissidenz neutralisiert werden. es könnte eine Diskussion der bisher marginalisierten gesichts-punkte beginnen, wie dies ja auch in ansätzen schon geschehen ist (s. z. b. Menaker 1982; Janus 1987; lieberman 1994; leitner 1998) und geschieht (z. b. Janus u. Wirth 2005; Janus 2006).

aus der logik des neuen Verständnisses der geburtsdynamik erfolgte ein neues Verständnis  der  vorgeburtlichen  erlebnisdynamik.  Die  vorgeburtliche  Situation ist  durch  intensives  aufeinander-bezogen-Sein,  Zusammensein  und  abhängigkeit gekennzeichnet. Die basis späterer beziehung ist  in der Sicht ranks, grabers und Fodors  die  vorgeburtliche  beziehung,  die  insbesondere  in  der  analytischen  Situa-tion zugänglich wird, ja die analytische Situation ist gerade dadurch charakterisiert, dass sie vorgeburtliche bezogenheit und ihre abkömmlinge zugänglich macht. Was sonst in menschlichen beziehungen als Hintergrund in einer unbewussten Weise prä-sent ist, darf in der innigkeit der analytischen Situation spürbar werden. im Medium 

142

1 3

l. Janus

der  in der analytischen Situation aktualisierten vorgeburtlichen beziehung können sich die Überwindung von neurotischen Verzerrungen und eine heilsame Wandlung hin zu einer neuorientierung vollziehen. rank hat dies an einem ausführlichen Fall-beispiel im ersten band seiner behandlungstechnik demonstriert (rank 1926/2006, S. 63–127):

Es geht dabei um die Analyse einer Trennungsempfindlichkeit bei einer Patien-tin, die eine  traumatische geburt  in der Vorgeschichte hatte und  ihre Mutter im 12. lebensjahr verlor. in den Übertragungsgefühlen manifestieren sich prä-natale Befindlichkeiten und Verbundenheiten, aus deren Potenzial heraus die seelische Charakteristik der geburtserfahrung und ihrer Verarbeitung und die bedeutung  des  Mutterverlustes  im  12. lebensjahr  entwickelt  und  verarbeitet werden  kann.  im  imaginär-bedeutungsvollen  beziehungsraum  der  analyti-schen Situation gelingt ein Sprechen und in-die-Sprache-bringen von eigent-lich vorsprachlichen, vorgeburtlichen und geburtlichen erfahrungen. es gelingt der Patientin zum beispiel zu rekonstruieren, dass sie die geburtstraumatisch bedingte  Verunsicherung  durch  ein  sehr  intensives  tanzen  in  der  Kindheit kompensieren konnte, wobei man in dem tanzen eine Wiederverknüpfung mit guten  vorgeburtlichen  bewegungserfahrungen  sehen  kann.  Der  Verlust  der Mutter  im 12. lebensjahr führt zu einem rückfall  in die geburtstraumatische Trennungsempfindlichkeit, die sie in ihrem Leben immobilisiert. Die Analyse dieser Zusammenhänge ermöglicht ihr die Überwindung einer blockierung in ihrem leben und einen wichtigen individuationsschritt, der sich vorbildhaft am durchlebten abschluss der analyse vollzieht, indem die trennung ohne Selbst-verlust vollzogen werden kann.

Doch stehen wir alle im bann einer tradition, die keinen wirklichen bezug zu dieser frühen lebensebene hatte. Darum kann es hilfreich sein, sich zur Wahrnehmungs-erweiterung mit der pränatalen Dimension in Märchen und Mythen und in der Kunst zu beschäftigen, wie rank das erschlossen hat.

Meist handeln Märchen und insbesondere die Zaubermärchen von jenseitigen Wel-ten, in denen es leben spendende gewässer und bäume gibt, wie ebenso grenzen-lose Verlassenheit, Mangel und todesgefahr etwa durch ein Verschlungenwerden, bis dann nach einem Durchwandern dunkler gänge die befreiung erkämpft werden kann (rank 1924, S. 104; Janus 1997c, S. 177, 2000a, S. 266, u. a.).

Präsenz vorgeburtlicher und geburtlicher Erfahrung in Märchen und Mythen

Die Präsenz vorgeburtlicher, geburtlicher und nachgeburtlicher thematik in Mythen kann vielleicht am Zentralmythos der Psychoanalyse, dem Ödipus-Mythos, anschau-lich  gemacht  werden:  Ödipus  war  ein  vom  Vater  massiv  ungewolltes  Kind.  Die Schwangerschaft vollzog sich im bann dieser ablehnung. Der Vater zwang in diesem Sinne auch die Mutter, das Kind nach der geburt wegzugeben, wozu noch eine Ver-stümmelung an den Füßen kam. aus der Sicht heutiger einfühlungsfähigkeit kann man sich nur wundern, dass der erste teil des Mythos  in seiner  lebensgeschichtli-

143

1 3

Die „technik der Psychoanalyse“ von Otto rank

chen Bedeutung nicht wahrgenommen und reflektiert wurde, weil die spätere Geschi-chte  in  wesentlicher  Hinsicht  eine  rekapitulation  und  ein  Verarbeitungsversuch dieser  traumatischen  Primärsituationen  ist.  Klinisch  sind  für  solche  traumatischen Frühbedingungen  mörderische,  inzestuöse  und  autoaggressive  tendenzen  typisch (brekhman 2006). Merkwürdig ist das Fortleben dieser Verleugnungstradition, wenn der ödipale Konflikt als Entwicklungskonflikt des drei- bis fünfjährigen Kindes  gesehen wird, ohne die Vorgeschichte zu beachten und zu gewichten (s. auch Janus u. Wirth 2005, S. 410 ff.). Dies kann in behandlungen die Folge einer sehr unvollstän-digen erfassung der Problematik haben und eine einschränkung der therapeutischen Kompetenz bedeuten.

Hier kann, wie gesagt, die beschäftigung mit der pränatalen Dimension von Mär-chen und Mythen hilfreich sein. Die Zaubermärchen schildern typischerweise trans-formative regressionen im Zusammenhang mit dem Pubertätsprozess (Janus 1996). Der Märchenheld fällt, wie die Jugendlichen, aus der geborgenheit des elternhauses heraus und sucht sich zunächst in Ursprungserfahrungen neu zu finden. Das sind in den Märchen pränatalsymbolische  Jenseitsreisen zum Wasser des lebens  (Frucht-wasser) und zum baum des lebens (Plazenta), um nach dieser Ursprungserfahrung, nach dem bestehen von heldischen Kämpfen als neu geboren zu werden. Diesem Muster folgen auch die initiationsriten in den Stammeskulturen, wie sie eliade (1961) in seinem buch Das Mysterium der Wiedergeburt beschrieben hat. Der biologische Pubertätsprozess aktiviert also vorgeburtliche und geburtliche erfahrungen, wie sich dies an den Märchen ablesen lässt, aber sich natürlich auch in der behandlung von Jugendlichen darstellen kann (Scheffler 1990).

geht  es  also  in  den  Märchen  um  die  Darstellung  der  Pubertätsindividuation  in prä-  und  perinatalsymbolischen  bildern  und  Handlungsfolgen,  so  geht  es  in  den Mythen um die kollektivpsychologische begründung der Wesenheit der jeweiligen gesellschaft, die sich in der pränatalen Urerfahrung als einer Jenseitserfahrung, die allen gemein ist, mythisch begründet. es geht wieder um die pränatal determinierten Motive des heiligen Wassers, des heiligen raumes, des lebens- oder Weltenbaumes und der anschauung, dass die Welt von höheren Wesen für uns eingerichtet ist und wir unter deren Schutz und Obhut stehen. es geht dabei nicht nur, wie in der analyti-schen tradition manchmal dargestellt, „nur“ um unbewusste Fantasien, sondern auch um dahinterstehende reale, gemeinsame, vorsprachliche, vorgeburtliche und geburt-liche erfahrung.

Dabei kann es ganz konkret um den jeweiligen Umgang mit Schwangerschaft und geburt gehen, wie die beispiele der Sioux und Yeruda zeigen, die erikson (1965) beschrieben hat. bei den Sioux stehen sadistische abstillrituale in Wechselwirkung mit einer aggresssiv-jägerischen einstellung und bei den Yeruda Hungerrituale vor und nach der geburt mit einer depressiv-abwartenden lebenseinstellung. aber auch auf hochkultureller ebene lassen sich die Widerspiegelungen der Umgangsqualität mit geburt und Säuglingszeit in den Mythen aufzeichnen, wie renggli (2001) dies in seinem buch Der Ursprung der Angst – Antike Mythen und das Trauma der Geburt am beispiel sumerischer Mythen dargestellt hat. Dies leitet über zur bedeutung der pränatalen Dimension in der Kulturpsychologie.

144

1 3

l. Janus

Pränatalpsychologische Aspekte der Kulturpsychologie

Die großen kulturpsychologischen entwürfe, insbesondere von Freud und Jung, fan-den  meines  erachtens  wesentlich  auch  deshalb  keine  wirkliche  Fortsetzung,  weil das  thema  der  vorgeburtlichen  und  geburtlichen  erfahrungen  nicht  ausreichend integriert werden konnte und weil rank als außerhalb der Psychoanalyse Freuds ste-hend gesehen wurde, obwohl er aus meiner Sicht ein genuiner Fortsetzer der ansätze Freuds war, eben durch eine erweiterung der Perspektive um die lebensdimension der vorgeburtlichen lebenszeit und der geburt. ranks vielfältige kulturpsychologi-sche anregungen zur Kulturpsychologie von Der Künstler, Die Lohengrinsage, Die Geburt des Helden, Das Inzestmotiv in Dichtung und Sage bis zum kulturpsycho-logischen teil in Das Trauma der Geburt und in Seelenglaube und Psychologie u. a. wurden nicht mehr rezipiert. So kam es, dass eine psychoanalytische Kulturpsycho-logie mit einbeziehung der vorgeburtlichen Zeit und der geburt von lloyd DeMause (2000)  in  den  USa  quasi  neu  entwickelt  wurde,  wobei  es  ihm  vor  allem  um  ein Verstehen  des  historischen  Prozesses  ging,  weshalb  er  von  Psychohistorie  sprach. ein wesentliches thema ist bei  ihm das gesellschaftliche ausagieren der geburts-dynamik in sozialen Krisen und insbesondere in Kriegen. typischerweise stehen am anfang von Kriegen überwältigende geburtsfantasien im Sinne von eingeschlossen-sein, Umzingeltsein, Vergiftetwerden, bedrohtwerden, Keine-luft-Haben usw. (ein-zelheiten s. bei DeMause 1996, 2006).

an  diesen  kollektiven  inszenierungen  vorgeburtlicher  und  geburtlicher  erfah-rungen lässt sich deren eigenart erfassen und tiefer verstehen. Man kann seine Wahr-nehmung für die seelische Wirklichkeit früher vorsprachlicher erfahrung sensibili-sieren und schulen, um entsprechendes auch in der analytischen Situation oder der psychotherapeutischen Situation wahrnehmen zu können.

eine  leitlinie  des  historischen  Prozesses  ist  die  entwicklung  einer  größeren ich-autonomie  und  einer  rücknahme  magisch-mythischer  Projektionen  früher vorsprachlicher erfahrungen. Dies  steht  in Wechselwirkung mit der  zunehmenden Fähigkeit des Menschen, die Umwelt für seine bedürfnisse zu nutzen und konstruk-tive Ordnungen des Zusammenlebens zu entwickeln. Diese entwicklung kulminiert in  der aufklärung  mit  der  rücknahme  der  genannten  Projektionen  und  der  Über-nahme eigener Verantwortung. Man begründet sich nicht mehr in gott, sondern in der eigenen Person, womit der Startpunkt für die entwicklung von psychologischem Verstehen  in den romanen des 19. Jahrhunderts und  in der tiefenpsychologie des 20. Jahrhunderts gegeben ist. Die erkundung der frühen vorsprachlichen Zeit ist in dieser Sicht so etwas wie der Schlusspunkt einer langen psychohistorischen entwick-lung. Wir  brauchen  uns  nicht  mehr  in  der  großartigkeit  und  der  Kraft  jenseitiger Welten begründen, sondern können unsere Wurzeln in der großartigkeit und der Kraft unseres vorgeburtlichen Ursprungs finden. Die Tür zu den kindlichen Anfängen, die von Freud mit der entdeckung des Unbewussten geöffnet worden war, wurde von rank mit der integration von geburt und vorgeburtlicher Zeit in unsere lebensge-schichte durchschritten. Das ödipale Unbewusste wurde um das vorgeburtliche und geburtliche Unbewusste vertieft, womit der Ödipus-Mythos erst wirklich psychoana-lytisch erschlossen erscheint. Der menschheitsgeschichtliche Fortschritt des Ödipus-Mythos besteht darin, dass prä- und perinatale traumatisierungen nicht einfach nur 

145

1 3

Die „technik der Psychoanalyse“ von Otto rank

zu einem beschädigten leben führten oder in rituellen Opferungen ausagiert werden, sondern durch die gestaltung im Mythos und dessen Weiterentwicklung im Drama durch Sophokles  in  einem epochalen  seelischen Wachstumsprozess  auf die ebene emotionaler auseinandersetzung um liebe und Hass und Schuld und gewalt trans-formiert werden. Damit sind wir bei der bedeutung der künstlerischen gestaltung angelangt, mit deren Psychodynamik rank lebenslang befasst war und die er schließ-lich auf der basis der neuen Perspektiven in Das Trauma der Geburt zusammenfas-send konzipierte. Dies wird darum der Vollständigkeit wegen kurz referiert.

Die pränatale Dimension in der Kunst

Da nun die Kunst in wesentlicher Hinsicht die magischen und mythischen aspekte einer gesellschaft sinnbildlich und anschaulich erfasst und darstellt, ist es nach dem vorher gesagten nur folgerichtig, in ihr eine pränatale Dimension zu vermuten. rank formuliert hierzu zusammenfassend: „Das Kunstwerk  stellt  also … auch  in  seiner Wirkung und nicht nur in seiner Schöpfung eine einheit her, die in diesem Falle eine seelische einheit zwischen dem Künstler und dem empfänger bedeutet. Diese ein-heit ist nur eine temporäre und symbolische, aber die daraus entspringende befriedi-gung deutet darauf hin, dass es sich nicht nur um die vorübergehende Identifizierung zweier individuen handelt, sondern um die potentielle Wiederherstellung einer einmal bestandenen und verlorenen einheit mit dem all. Die  individuell-psychologischen Wurzeln dieses einheitsgefühls habe ich seinerzeit im ‚trauma der geburt‘ in dem vorgeburtlichen  Zustand  gefunden,  dessen  Wiederherstellung  das  individuum  im Sinne der Unsterblichkeitssehnsucht anstrebt. … Den individuellen Drang nach Wie-derherstellung dieser verlorenen einheit habe ich seinerzeit als einen wesentlichen Faktor zur Schaffung menschlicher Kulturwerte angezeigt“ (rank 1932, S. 125).

aus Platzgründen wird diese thematik mit diesem Zitat von rank nur paradig-matisch benannt. in einer eigenen Darstellung haben der Kölner Maler Klaus evertz und  ich  Folgerungen  für  das  Verständnis  der  modernen  bildnerischen  Kunst  das 20. Jahrhunderts dargestellt, die man in wichtiger Hinsicht als direkte erkundung der nachwirkungen der vorsprachlichen und vorgeburtlichen lebenswelt verstehen kann (evertz u.  Janus 2002,  s. auch  Janus u. evertz 2008). bei Dali  zum beispiel, des-sen Kunst nach seinen angaben ihren kreativen impuls aus der Unglückserfahrung seiner vorgeburtlichen erfahrung mit einer depressiven Mutter bezog, ist das direkt ausgesprochen, und bei Munch als einem anderen beispiel ist es in den bildern des Madonna-Zyklus  deutlich,  in  dem  ein  fetales  Kind  mit  seiner  depressiven  Mutter gezeigt ist (Janus 1997, S. 205 ff.).

Abschließende Bemerkungen

Die beiden letzten Sätze zur vollständigeren bedeutung des Ödipus-Mythos geben die Quintessenz dieses beitrages. Dabei geht es nicht nur um die Verdienste bestimm-ter  Forscherpersönlichkeiten,  sondern  in  gleicher  Weise  um  die  entwicklung  der Mentalität  in unserer gesellschaft.  in der Psychoanalyse Freuds, die sich noch  im 

146

1 3

l. Janus

Horizont der mitteleuropäischen Monarchien entwickelte, ging es wesentlich um die nöte  und  die anpassungsmöglichkeiten  in  einer  hierarchisch  gegliederten  gesell-schaft. notwendigerweise bildete hier die Dynamik der Vaterbeziehung den angel-punkt. Die Psychoanalyse ranks steht hingegen in Wechselwirkung zu den sich nach dem ersten Weltkrieg entwickelnden westlichen Demokratien. es geht um kreative Selbstverwirklichung und verantwortliche Verankerung in wechselseitiger bezogen-heit. Hierfür bilden die frühe elternbeziehung und insbesondere die Mutterbeziehung einen angelpunkt. auch hier geht es um eine rücknahme von Projektion und eine begründung  in  sich  selbst  auf  einer  neuen  ebene.  ging  es  in  der aufklärung  vor allem um das selbst verantwortliche Denken, geht es  in der  tiefenpsychologischen aufklärung  um  die  Übernahme  der  Verantwortlichkeit  für  die  eigenen  gefühle und für seine beziehungen. Die besondere Schwierigkeit bestand darin, dass diese aspekte in der vorsprachlichen emotionalen beziehung zu den eltern und insbeson-dere zur Mutter wurzeln. Prägend sind dabei die anthropologische besonderheit der physiologischen Frühgeburtlichkeit und die hieraus folgende Schaffung von ergän-zungsräumen, in deren Mittelpunkt intensive bezogenheit steht, und die damit ver-bundene wechselseitige bestätigung. Unter guten bedingungen kann sich das an sich ganz hilflose Baby kräftig und machtvoll fühlen und dieses Selbstbewusstsein in sein späteres leben kreativ hineintragen. rank sah in unserem ich-gefühl den nachfolger des  vorgeburtlichen  Selbstgefühls  und  zentrierte  in  seiner therapie  darauf,  dieses und damit den eigenen Willen zu entwickeln. ging es bei Freud um die annahme der eigenen triebe und Wünsche und deren  integration  in ein durch die tradition bestimmtes Selbst- und Über-ich-Konzept, so geht es bei rank darüber hinaus um die kreative entwicklung eigener ich-ideale und deren willensmäßige realisierung. eine solche kreative entwicklung kann sich im Medium der aktualisierung früher vorsprachlicher beziehung und ihrer mutativen Potenziale in der analytischen Situa-tion vollziehen. in diesem Sinne kann die Technik der Psychoanalyse von Otto rank eine anregende ressource  für die heutige Psychoanalyse  sein. Hierzu sollen diese ausführungen ein beitrag sein.

Literatur

alberti b (2005) Die Seele erlebt von anfang an. Kösel, Münchenbail b (2007) the signature of the mother. Masters, beverly Hills, Californiabergeret J, Houser M (2004) le foetus dans notre inconscient. Dunod, Parisbergeret J, Soulé M, golse b (2006) anthropologie du foetus. Dunod, Parisbrekhman  g  (2006)  the  phenomen  of  violence.  (bezug  über  Sekretariat  der  iSPPM,  Friedhofweg 8, 

69118 Heidelberg)Chamberlain D (1998) the mind of the newborn baby. north atlantic books, berkeley, CaliforniaDeMause l (1996) restaging fetal trauma in war and social violence. int J Prenat Perinat Psychol Med 

8:171–212DeMause l (2000) Was ist Psychohistorie? Psychosozial-Verlag, gießenDeMause l (2006) Das seelische leben der nationen. Drava, grazDowling t (1987) Die bedeutung prä- und perinataler erfahrungen in der Kindertherapie. Kind Umwelt 

56:20–36eliade M (1961) Das Mysterium der Wiedergeburt. rascher, ZürichEmerson W (1997) Seelische Folgen von geburtshilflichen Eingriffen. In: Janus L, Haibach S (Hrsg) See-

lisches erleben vor und während der geburt. linguaMed, neu-isenburg

147

1 3

Die „technik der Psychoanalyse“ von Otto rank

emerson W (2000) Die behandlung von geburtstraumata bei Kindern und Jugendlichen. Sekretariat der iSPPM, Friedhofweg 8, 69118 Heidelberg

emerson W (2005) Shock – a universal malady. (bezug über Dr. med. gerhard Schroth, im Hintermor-gen 27, 67246 gleisweiler)

erikson eH (1965) Kindheit und gesellschaft. Klett, Stuttgartevertz K, Janus l (Hrsg) (2002) Kunstanalyse. Mattes, HeidelbergFerenczi S, rank O (1924/1996) entwicklungsziele der Psychoanalyse. turia & Kant, WienFodor n (1949) the search for the beloved. a clinical investigation of the trauma of birth and prenatal 

conditioning. University books, new YorkFodor n (1951) new approaches to dream interpretation. Citadel, new YorkFrenken R (2003) „Da fing ich an zu erinnern …“. Psychosozial-Verlag, GießenFreud  S  (1914)  Die  einführung  des  narzissmus.  gesammelte  Werke,  bd 10.  Fischer,  Frankfurt  a.M., 

S 137–170Freud S (1926) Hemmung, Symptom und angst. gesammelte Werke bd. 14. Fischer, Frankfurt a.M.graber gH (1924/1978) Die ambivalenz des Kindes. gesammelte Werke, bd 1. Pinel, berlin (bezug über 

Sekretariat der iSPPM, Friedhofweg 8, 69118 Heidelberg)großkurth P (1993) Melanie Klein. Verlag für internationale Psychoanalyse, Stuttgartgrunberger b (1976) Vom narzissmus zum Objekt. Suhrkamp, Frankfurt a.M.Häsing H, Janus l (Hrsg) (1994) Ungewollte Kinder. rowohlt, reinbek bei HamburgHau tF (1968) Frühkindliches Schicksal und neurose. Vandenhoeck & rupprecht, göttingenHidas g, raffai J (2006) Die nabelschnur der Seele. Psychosozial, gießenHochauf  r  (1999)  imaginative  Psychotherapie  bei  frühtraumatisierten  Patienten.  int  J  Prenat  Perinat 

Psychol Med 11:503–517Hochauf R (2007) Frühes Trauma und Strukturdefizit. Asanger, MünchenHollweg WH (1998) Der überlebte abtreibungsversuch. int J Prenat Perinat Psychol Med 10:253–262Huizink a (2005) Pränataler mütterlicher Stress und die entwicklung des Säuglings. in: Krens i, Krens H 

(Hrsg) grundlagen einer vorgeburtlichen Psychologie. Vandenhoeck und rupprecht, göttingenJanus  l  (1987)  Die  bedeutung  des  Konzepts  der  geburtsangst  in  der  geschichte  der  Psychoanalyse. 

Psyche – Z Psychoanal 41:832–844Janus  l  (1989)  erscheinungsformen  der  frühen  Mutter  im Werk  Sigmund  Freuds.  in: Werthman  H-V 

(Hrsg) Unbewusste Phantasien. Pfeiffer, MünchenJanus l (1990) Fantasies of regression to the womb and rebirth as the central elements of the psychotherapy 

process. int J Prenat Perinat Psychol Med 2:89–100Janus l (Hrsg) (1991a) erscheinungsweisen pränatalen und perinatalen erlebens in den psychotherapeuti-

schen Settings. (bezug über textstudio gross, brahmsstraße 1, 69118 Heidelberg)Janus  l  (Hrsg)  (1991b)  Die  kulturelle Verarbeitung  pränatalen  und  perinatalen  erlebens.  (bezug  über 

textstudio gross, brahmsstraße 1, 69118 Heidelberg)Janus l (1996) Psychoanalytische Überlegungen zur „zweiten geburt“.  in: aschoff W (Hrsg) Pubertät 

– erregungen um ein lebensalter. Vandenhoeck & rupprecht, göttingenJanus  l  (1997a)  Die  Stellung  Otto  ranks  im  Prozeß  der  psychoanalytischen  Forschung.  Werkblatt 

38:83–101Janus  l  (1997b)  Die  Objetkbeziehungspsychologie  Otto  ranks.  int  J  Prenat  Perinat  Psychol  Med 

3:323–340Janus l (1997c) Wie die Seele entsteht. Mattes, HeidelbergJanus l  (Hrsg)  (1998) Die Wiederentdeckung Otto ranks  für die Psychoanalyse. Psychosozial-Verlag, 

gießenJanus l (2000a) Die Psychoanalyse der vorgeburtlichen lebenszeit und der geburt. Psychosozial-Verlag, 

gießenJanus l (2000b) Der Seelenraum des Ungeborenen. Walter, DüsseldorfJanus L (2002) The significance of early development for later life and for society. (Bezug über Sekretariat

der iSPPM, Friedhofweg 8, 69118 Heidelberg oder Download von http://www.isppm.de)Janus l (Hrsg) (2004) Pränatale Psychologie und Psychotherapie. Mattes, Heidelberg.Janus l (2005) Das vorgeburtliche und geburtliche Unbewusste. in: buchholz M, gödde g (Hrsg) Das 

Unbewusste in aktuellen Diskursen. Psychosozial-Verlag, gießenJanus l, evertz K (2008) Kunst und Pränatale Psychologie. Mattes, HeidelbergJanus  l,  linder  r  (2008)  Psychologische  und  psychosomatische  aspekte  von  Schwangerschaft  und 

geburt. in: Wollmann-Wohlleben V, nagel-brotzler a, Kentenich H, Siedentopf F (Hrsg) Psycho-somatisches Kompendium der Frauenheilkunde und geburtshilfe. Hans Marseille, München

148

1 3

l. Janus

Janus l, Wirth HJ (2005) Otto rank und das Unbewusste. in: buchholz M, gödde g (Hrsg) Macht und Dynamik des Unbewussten. Psychosozial-Verlag, gießen

Kafkalides a (1995) the knowledge of the womb. Mattes, Heidelbergleikert S (2001) Der Orpheusmythos und die Symbolisierung des primären Verlustes – genetische und 

linguistische aspekte der Musikerfahrung. Psyche – Z Psychoanal 55:1287–1306leyh C (1997) Die Wiederbelebung prä- und perinataler traumatisierungen in der analytischen arbeit mit 

Kindern und Jugendlichen. in: Janus l, Haibach S (Hrsg) Seelisches erleben vor und während der geburt. linguaMed, neu-isenburg

levend H, Janus l (2000) Drum hab ich kein gesicht. echter, WürzburgMahler M (1999) Die psychische geburt des Menschen. Fischer, Frankfurt a.M.Maiello S (1999) Das Klangobjekt. Über den pränatalen Ursprung auditiver gedächtnisspuren. Psyche – Z 

Psychoanal 53:137–157Matejczek Z (1994) angelehnte Schwangerschaften und ihre Folgen. in: Häsing H, Janus l (Hrsg) Unge-

wollte Kinder. rowohlt, reinbek bei HamburgMorgan e (1995) the descent of the child. Oxford University Press, new Yorkleitner M (1998) Freud, rank und die Folgen. turia & Kant, Wienlieberman eJ (1985) Otto rank: leben und Werk. Psychosozial-Verlag, gießenlieberman eJ  (1994) trennung und Selbsterschaffung – leben und Werk von Otto rank. Psychoanal 

Widerspruch 12:57–64Menaker e (1982) Otto rank: a rediscovered legacy. Columbia University Press, new YorkOberhoff  b  (2010)  Das  Fötale  in  der  Musik.  Musik  als  „Das  große  bewegende“  und  „Die  göttliche 

Stimme“.  in: Janus l, evertz K (Hrsg) Kunst und Pränatale Psychologie. Mattes, Heidelberg  (im Druck)

Parncutt r, Kessler a (2007) Musik als virtuelle Person. in: Oberhoff b, leikert S (Hrsg) Die Psyche im Spiegel der Musik. Psychosozial-Verlag, gießen

Piontelli a (1992) Vom Fötus zum Kind. Klett-Cotta, StuttgartPortmann a (1969) biologische Fragmente zu einer lehre vom Menschen. Schwabe, baselrank O (1909/1922) Der Mythos von der geburt des Helden. Deuticke, leipzigrank O (1911) Die lohengrinsage. Deuticke, leipzigrank O (1924/1998) Das trauma der geburt. Psychosozial-Verlag, gießenrank O (1932) Kunst und Künstler. Psychosozial. gießen 2000rank O (2006) technik der Psychoanalyse, bd i–iii. Psychosozial-Verlag, gießenreiter a  (Hrsg)  (2005) Die vorgeburtlichen Wurzeln der  individuation. Die Wiederentdeckung gustav 

Hans grabers. Mattes, Heidelbergrenggli  F  (2001)  Der  Ursprung  der  angst  –  antike  Mythen  und  das  trauma  der  geburt.  Walter, 

DüsseldorfSchacter Dl (1999) Wir sind erinnerung. rowohlt, reinbek bei HamburgSchwartz P (1964) geburtsschäden bei neugeborenen. gustav Fischer, JenaShare l (1994) if someone speaks, it gets lighter. analytic Press, HillsdaleShare l  (1996) Dreams and  the  reconstruction of  the  infant  trauma.  int  J Prenat Perinat Psychol Med 

8:295–316Scheffler G (1990) Adoleszenz: Krisis – Inititation – Integration. In: Büttner C, Eschenbroich D, Ende A

(Hrsg) aller anfang ist schwer. Die bedeutung der geburt für psychische und historische Prozesse. beltz, Weinheim

Sloterdijk P (1998) Sphären i. Suhrkamp, Frankfurt a.M.Sloterdijk P (2009) negative gynäkologie und transindividuelle immunität. in: Janus l, evertz K (Hrsg) 

Kunst als kulturelles bewusstsein vorgeburtlicher und geburtlicher erfahrungen. Mattes, HeidelbergSonne J (1996) interpreting the dread of being aborted to models of therapy and models of mind. int J 

Prenat Perinat Psychol Med 8:317–340Unfried n (1999) erfahrungsbilanz der behandlung von Kindern mit prä- und perinatalen traumen. int J 

Prenat Perinat Psychol Med 11:518–529Van den bergh b (2005) Über die Folgen negativer mütterlicher emotionalität während der Schwanger-

schaft. in: Krens i, Krens H (Hrsg) grundlagen einer vorgeburtlichen Psychologie. Vandenhoeck und rupprecht, göttingen.

Verny t (2003) Das baby von Morgen. Zweitausendeins, Frankfurt a.M.Verny t, Kelly J (1981) Das Seelenleben des Ungeborenen. rogner & bernhard, München

149

1 3

Die „technik der Psychoanalyse“ von Otto rank

Ludwig Janus,  Dr.  med.,  Jg.  1939,  Psychoanalytiker,  (DPg/DgPt),  niedergelassen  in  eigener  Praxis in  Heidelberg  seit  1975,  langjähriger  Präsident  der  internationalen  Studiengemeinschaft  für  Pränatale und Perinatale Psychologie (iSPPM) und der gesellschaft für Psychohistorie und Politische Psychologie (gPPP). arbeitsschwerpunkte: geschichte der Psychoanalyse, lebensgeschichtliche bedeutung von vor-geburtlichen und geburtlichen erfahrungen und Kulturpsychologie.