The Silkroad in the History of the Ancient Period/Die Seidenstraße in der Geschichte der Antike,...

18
Die Krim Goldene lnsel im Schwarzen Meer Griechen - Skythen - Goten Qualitat tur Menschen

Transcript of The Silkroad in the History of the Ancient Period/Die Seidenstraße in der Geschichte der Antike,...

Die Krim Goldene lnsel im Schwarzen Meer

Griechen - Skythen - Goten

Qualitat tur Menschen

AUSSTELLUNG

LVR-LANDESMUSEUM BONN

Direktorin des LVR-LandesMuseums Bonn

Gabriele Uelsberg

Kuratoren

Valentina Mordvinceva, Stephanie MUller, Michael Schmauder

und Lothar Altringer

Abteilungsleiter Dauer-, Wechselausstellungen,

Sammlungen und Vermittlung

Lothar Altringer

Leiterin des LVR-Betriebs- und Prozessmanagements im

Museumsverbund

Elke Róser

Verwaltung

Rene Koch, Sylvia Marx, Dirk Orf, Simon Schmid t und Nils SchUtzendorf

Ausstellungsplanung und -realisierung

Holger Becker, Anne Breyer, Ka rl-Heinz Brucherseifer, Ch ristiane Dirscl1,

Eva Gebhard, Andreas Gned ler, De llef Gol le r, Ach im Gorda ll a, Hans-Georg

Hartke, Michae l Jumpertz, Ute Knipprath, Ka i Uwe Kriege l, Arno Lenz,

Sevgi Ózdemir, Jochem Radermacher, Sarah Reyer, Michael Sie pmann, Beate

Steiger-Nawarotzky, Gabrie le Thoma, Andreas Unkelbach, )Urgen Vogel,

Regine Vogel, Frank Wi ll er

Museumspadagogik

Heid i Gansohr-Meinel, Franz HU!sbusch, Anna Herber

Grafik

Christoph Duntze, Natascha Vogt

Presse, Vermarktung und Werbung

Brigitte Beyer-Rotthoff, Maria Nu Ber-Wagner, Juli a Ott

Veranstaltungen

Frau ke Bruckner; Melanie Bickmann, Severin Schauff

Audioguide

Heidi Gansohr-Meinel, Anna Herbe r

In Zusammenarbeit mit dem Archao logischen Institut der Nationalakademie

der Wissenschaften der Ukraine in Simferopol und der Vor- und FrUhge­

schichtlichen Archaologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universitat

Bonn

BEGLEITKATALOG

Herausgeber

LVR-LandesMuseum Bonn

Redaktion, Lektorat

Stephanie MUller, Michael Schmauder

Obersetzungen

Aus dem Russischen : Valentina Mordvinceva

Aus dem Japan ischen: Masako Shono-Sladek

Aus dem Engli schen: Michael Haupt

Gestaltung, Satz

Christoph Duntze

Katalogproduktion

VerlagsbUro Wais & Partner, Stuttgart fur den Primus Ve rl ag, Darmstadt

Das Werk ist in all en se inen Teilen urheberrechtli ch geschUtzt. jede Verwen­

dung ist ohne Zustimmung der Rechteinhaber unzulass ig. Das gilt insbe­

sondere fur Vervielfa ltigungen, Obersetzungen, Mikroverfi lmungen und d ie

Einspeicherung in und Vera rbeitung durch elektronische Systeme.

© 2013 LVR-LandesMuseu m Bonn, Autoren, Fotografen und

Primus Verlag, Darmstadt

Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitgli ede r der WBG

ermóglicht.

Gedruckt auf saurefre iem und alterungsbestandigem Papier

Printed in Germany

Die Deutsche Nationa lbi bliothek verzeichnet di ese Publi kation in der Deut­

schen Nationalbibliografie; deta illierte bibliografische Daten sind im Inter­

net unte r http://dnb.d nb.de abrufbar.

Museumsausgabe tur das LVR-LandesMuseum Bonn

Einbandgestaltung: Chri stoph Duntze

Umschlagmotiv: Fibel in Form eines Delph ins aus dem Gra bhUgel vo n

NogajCik. S. Kat. VI.i.

Buchhandelsausgabe Primus Verlag

Umschlaggesta ltung: Ch rist ian Hahn, Frankfurt a. M. nach einer Vorlage

von Natascha Vogt, LVR-Betriebs- und Prozessmanagement

Umschlagmotiv: Coll age der Goldfunde aus den Museen KGK, TZM, BGK,

JMGL, OSAM, MSUK, NCHT mit Skulptur ei nes weiblichen Mischwesens

aus Pantikapaion

www.primusverl ag.de

ISBN 978-3-86312-060-3

Lizenzausgabe fur die WBG, Darmstadt

Umschlagges taltung: Peter Lohse, Heppenheim nach einer Vorlage von

Christoph Duntze, LVR-LandesMuseum

Umschlagmotiv : Fibel in Form eines Delphins aus dem GrabhUgel

von Nogaj ćik. MSUK, Inv. A3C-2878. S. Kat. VI.i.

www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-26216-8

Neal Ascherson

Askold Ivantchik

Valentina Mordvinceva

Marek Jan Olbrycht

Ursula Bros seder

Jur ij Zajcev

Masako Shono-Sladek

Fumio Okada und Kumiko Yamamoto

Shosai Kitamura und Shigeru Kitamura

Margarete Pruch

14 I lnhalt

I n ha I ts ve rze ich n is

5 GruBworte

11 Vorwort

Essays

20 Die Krim - Eine Einleitung

36 Griechen und Barbaren

50 Barbarische Eliten im nordl ichen Schwarzmeerraum

66 Die Geschichte der SeidenstraBe in antiker Zeit

88 Austausch und Kommunikation durch die eurasischen

Steppen in den Jahrhunderten urn Christi Geburt

102 Chinesische Lackschatullen aus der

Nekropole von Ust'-Al'ma

109 Lackkunst aus dem Fernen Osten

121 Die Konservierung der chinesischen

Lackkasten aus Ust'-Al'ma

132 Restaurierung und Rekonstruktion

in traditioneller Lacktechnik

142 Die Lackkastchen aus der Grabung von Ust'-Al'ma

- Eine Spurensuche

Das Bosporanische Reich -

Kornkammer Athens und Vorposten Rams

Die griechischen Stadte des Bosporanischen Reiches

Mithridates VI. Eupator - Hannibal des Ostens

Die Heiligtumer des Krimgebirges in romischer Zeit

Die Goten und das Schwarze Meer

Katalog

Krim - Stadte

Pantikapaion -

Die Hauptstadt des Bosporanischen Reiches

Die Chersonesos Taurica und ihr Bebauungsplan

Neapol is Skythike

Krim - Heiligtumer

Das Heiligtum am Pass Gurzufskoe Sed Io

Das Heiligtum Eklizf-Burun in romischer Zeit

152 Michael Sch mauder

158 Viktor Zin'ko

166 Michael Schmauder

174 Alexander Lysenko

186 Michae l Schma uder

214 Vladimir Tolst ikov

234 Alla Buj skich

252 Jurij Zajcev

260 Natalia Novi ćenkova

276 Alexander Lysenko

67Die Geschichte der Seidenstraße in antiker Zeit

Die Handelskontakte zwischen China, Zen-tralasien, dem pontisch-kaspischen Raum, West-asien und Rom im Altertum bilden einen The-menkomplex, der von jeher auf ein starkes Interesse der Forschung stößt. Fast so alt wie die transkontinentalen Handelswege Asiens ist der Mythos Seidenstraße, um den sich so viele Legenden, Sagen und geschichtliche Ereignisse ranken. Gelehrte vieler Nationen haben sich der Problematik des antiken Fernhandels in Asien und Südosteuropa zugewandt: Archäologen, His-toriker und Philologen untersuchen systematisch alle Abschnitte der Seidenstraße, sei es in China, Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Iran, Syrien oder in der Ukraine. Dutzende Institute und Zeitschriften entstanden, die den Namen „Seidenstraße“ bzw. „Silk Road“ stolz benutzen. Zahlreiche Konferenzen und Ausstellungen zum Thema Seidenstraße werden weltweit veranstal-tet (Seipel 1996; Wieczorek/Lind 2007).

Den Begriff „Seidenstraße“ prägte der deut-sche Gelehrte Ferdinand Freiherr von Richt-hofen (1877). Dabei benutzte er den Terminus sowohl im Singular (besonders für den in der „Geographie“ des Claudius Ptolemaios geschil-derten Handelsweg zwischen Syrien und China) als auch im Plural. Richthofens Konzept und Begriffserschließung wurden von seinem Schü-ler Sven Hedin und anderen Wissenschaft-lern, vor allem von Albert Herrmann (Herr-mann 1910; Herrmann 1938) und Aurel Stein

weiterentwickelt (Waugh 2007, 4–5; Parzinger 2008). Heute fungiert die Seidenstraße als eine konventionelle Bezeichnung für die Handelsrou-ten des Altertums und des Mittelalters, die das alte China mit Westasien, dem Mittelmeerraum und dem Schwarzmeergebiet verbanden (Kulke 2001; Liu 2010). Mitunter spricht man von Sei-denstraßen im Plural (Hill 2009). In der Tat bestand die transkontinentale Seidenstraße aus vielen Wegen und es gab zahlreiche Verästelun-gen, Ausläufer und Zubringer im Iran, Kaukasus-raum, Pontosgebiet, am Persischen Golf, im öst-lichen Mittelmeerraum, in Nordindien, China, Westsibirien sowie in der Waldzone Osteuropas (Abb. 1. Haussig 1992a; Hill 2009; Hübner/Kam-lah/Reinfandt 2001; Rtveladze 2012).

Die antike Seidenstraße umfasste drei Hauptrouten:- die (südliche) Überlandroute von Xiang und Lanzhou in China über Baktrien bzw. Sogdien (Samarkand) und über das parthische Handels-zentrum Merv nach Ekbatana, Seleukeia am Tig-ris und Syrien (Abb. 2). - die nördliche Route von China über die Step-pen Zentralasiens, des Südurals bis zum nordpon-tischen Raum (diese Route war mit dem Oxos-Kol-chis-Handelsweg direkt verbunden).- die maritime Route, die die Länder Indi-ens und Südostasiens über den Indischen Ozean mit Arabien, dem Persischen Golf und Ägypten verband.

Kameledarstellun-gen aus Filippovka, Südural. 4. Jahr-hundert v. Chr. (Russische Födera-tion).

Die Geschichte der Seidenstraße in antiker ZeitEine Einführung

Marek Jan Olbrycht

ur
Wstawiony tekst
ur
Stempel

68 69Marek Jan Olbrycht Die Geschichte der Seidenstraße in antiker Zeit

Die transkontinentalen Wege waren über Afghanistan und das Indus-Tal im Osten sowie über Mesopotamien im Westen mit der Seeroute verbunden. Die Kaufleute reisten auf einem Netz von Wüstenpisten, Landstraßen, Gebirgspfaden und Flüssen. In Hinblick auf zahlreiche lauernde Gefahren und Hindernisse bereisten einzelne

Kaufleute jeweils nur Teilgebiete der Seiden-straße, ehe sie ihre Waren an weitere Händler übergaben.

Im Folgenden werden die Handelsbeziehun-gen der vom nordpontischen Raum im Westen bis nach Zentralasien im Osten lebenden Völker mit den umliegenden Ländern und Kulturzentren,

insbesondere Transkaukasiens, des Iran, Mittel-asiens, Chinas und des mediterranen Raumes betrachtet.

Die Geschichte der nördlichen Seidenstraße wurde nicht nur von ihrem blühenden Handels-system bestimmt. Die weiten Räume der pon-tisch-kaspischen Steppen und des Südurals mit

ihren weitverzweigten Routen hingen nämlich aufs Engste mit den Geschehnissen bei den Nach-barvölkern und der Geschichte ihrer Anrainer-staaten zusammen (Bosporus, Parthien, Graeco-Baktrien, Kuschan-Reich, Armenien, Pontisches Königreich in Anatolien, Rom). Auf den Handels-wegen wanderten neben den Waren auch Ideen,

1 Die Handelsrouten zwischen dem Fer-nen Osten und dem Westen bestanden über viele Jahrhun-derte und werden heute vereinfachend als Seidenstraße bezeichnet.

M o n g o l e i

C h i n a

I n d i e n

I r a n

U k r a i n e

Tü r k e i

S c h w a r z e sM e e r

Ka

sp

is

ch

es

M

ee

r

Aral-see

Baik

alse

e

I n d i s c h e r O z e a n

P a z i f i k

M i t t e l m e e r

Arabi e

n

J a

panTaklamakan

Tibet

Gobi

J eme n

A f g h a n i s t a n

K a s a c h s t a n

U s b e k i s t a n

Kor e

a

R u s s l a n d

Issyk Kul-See

K r i m

Wien

Budapest

Moskau

Venedig

Genua

Rom

Neapel

Cherson

Konstantinopel

Antiochia

Aleppo

Palmyra

DamaskusBeirut

Alexandria

Bagdad

Teheran

Buchara

Termiz

Kashgar

Ürümqi

Kiew

Kazan

Mekka

BasraShiraz

Isfahan

Kerman

KaratschiOmana

MaskatAhmedabad

Bombay

GilgitKabul

Kandahar

Kalkutta

Pegu

Hanoi

Macao

Nanchang

ChangsaChengdu

Xian

Peking Pjöngjang

Kyoto

Karakorum

Delhi

Merw

SamarkandDatong

Xayar

Tarsus

ElatKairo

Aden

Syagrus

Harbin

Turfan

DunhuangAnxi

Meschhed

Loulan

Hami

Yarkand

Medina

Tanaïs

Ust‘-Al’ma

Khotan NijaEndere

Miran

Khartom

Trabzon

Tabriz

Volgograd

Baikonur

Herat

FerganaTaschkent

Gyeongju

Tbilisi

Bonn

HauptroutenNebenroutenRouten arabischer und chinesischer Schiffeweiterführende Handelsroutennördliche Route

Herkunftsgebiet der Lackkästchen

70 71Marek Jan Olbrycht Die Geschichte der Seidenstraße in antiker Zeit

oft kaum nachweisbar sind. Der Handel war jedoch eng mit Politik und Krieg verbunden, ähn-lich wie auch heute noch.

Geschichte und Herkunft der Lackkästen von Ust’-Al’ma auf der Westkrim veranschauli-chen beispielhaft die weitreichenden kulturel-len Beziehungen der nordpontischen Völker mit China im Altertum. Analoge Funde chinesischer Lacke stammen aus Begram (Afghanistan), Noin Ula (Mongolei) und aus Korea (Werning 2009, 202). Aus der besonderen geographischen Lage erwuchs die relevante Rolle der Krim, des Bospo-ranischen Reiches und des ganzen pontisch-kas-pischen Raumes im überregionalen Fernhandel. Griechische Städte, Skythen, Sarmaten, Taurer, Bosporaner, Römer, Maioter, Parther, Baktrer und andere wurden in den Handel im pontisch-kaspi-schen Raum verwickelt.

Schon diese wenigen Vorüberlegungen demonstrieren anschaulich die enormen Dimen-sionen und die facettenreichen Aspekte der Han-dels- und Kulturkontakte zwischen dem pontisch-kaspischen Raum, Zentralasien, China sowie den westasiatischen Reichen. In der hier gebotenen Kürze kann vieles nur angedacht werden.

DER GESCHICHTLICHE HINTERGRUND

In Mittelasien und im Iran wurden Handels-wege zwischen Afghanistan, Pakistan und Meso-potamien schon im 3. Jahrtausend v. Chr. genutzt. Lapislazuli aus dem afghanischen Wachan-Tal, Steatit, Türkise, Kupfer und Getreide waren Han-delsgüter zwischen den Sumerern, elamischen Staatenbildungen des Westiran, Margiana (die Margusch-Kultur), der Jiroft-Kultur des Ostiran und dem Indus-Tal. Auch die Seeroute zwischen Indien und dem Persischen Golf wurde bereits befahren (Ratnagar 2004; Kaniuth 2010). Ein Fernhandel auf den Routen zwischen China, dem Südural, dem pontisch-kaspischen und dem medi-terranen Raum wurde schon im 2. Jahrtausend v. Chr. betrieben (Kuzmina 2008; Parzinger 2008).

Den Höhepunkt des Fernhandels auf der nördlichen Seidenstraße stellt die Zeitspanne vom 2. Jahrhundert v. Chr. bis zum 2. Jahrhundert n. Chr. dar. Diese zeitlichen Eckwerte hängen mit den politischen Rahmenbedingungen zusammen,

Seidenstraße begleitenden Kulturbrücke zwischen China und dem Westen“ (Haussig 1992a, XII), besonders herauszustellen.

Die Dimensionen, die der Fernhandel des Altertums auf der nördlichen Seidenstraße erreichte, werden zum einen durch Äußerun-gen der westlichen (vornehmlich Strabon und Polybios) und chinesischen (die Annalen Shiji,

künstlerische Moden und Erfindungen (Franz 1987; Lubo-Lesničenko 1988; Lubo-Lesničenko 1994; Haussig 1992b; Seipel 2009; Beckwith 2009). Eine Geschichte der Seidenstraße muss demzufolge nicht nur ökonomische und politi-sche, sondern auch künstlerische und kulturelle Aspekte aufzeigen. Dabei ist „die Rolle der Noma-den in ihrer Bedeutung als Träger der großen, die

2 Berge um das Surchandarya-Tal (Nordbaktrien, heu-tiges Südusbekistan).

Hanshu und Houhanshu) Schriftquellen, zum anderen aber auch durch den archäologischen Befund illustriert (Rolle 1985; Raev 1986; Miel-czarek 1997; Olbrycht 2001; Simonenko 2001a; Симоненко 2011). Eine besondere Schwierig-keit bei der Bearbeitung des Fernhandels besteht darin, dass Unterschiede zwischen echten Han-delswaren, Geschenken, Beute und Kulturtransfer

72 73Marek Jan Olbrycht Die Geschichte der Seidenstraße in antiker Zeit

dank der Aktivitäten von Händlern aus Baktrien und Sogdien, deren Handelsbegabung sprich-wörtlich wurde. Nicht umsonst spendet die chine-sische Chronik Shiji 123 (Posch 1998, 359 [2. Jahr-hundert v. Chr.]) ihnen besonderes Lob, indem sie betont, diese Völker „verstehen sich sehr gut auf Markt und Handel und streiten auch um den Teil eines Zhu Pfennig“. In Indien erlangten die Baktrer durch den Verkauf von großen Mengen an Edel-steinen schon im 5. Jahrhundert v. Chr. Berühmt-heit (de la Vaissière 2005, 20). Jahrhundertelang nahmen die Sogder im Austausch zwischen China und den westlichen Ländern eine zentrale Rolle ein (de la Vaissière 2005).

Als dritte Größe ist Choresmien zu nennen, ein Vorposten der Stadtkultur im Meer der zen-tralasiatischen Steppenvölker (Abb. 3). Die Chores-mier waren wichtige Vermittler im Handel entlang der nördlichen Seidenstraße und am Oxos-Kol-chis-Weg. In einer Inschrift verweist der persische König Dareios I. (521–486 v. Chr.) auf Materialien für den Bau seines Palastes in Susa. In diesem Zusammenhang werden auch die berühmtesten Handelswaren der Völker Mittelasiens erwähnt:

„… das Gold wurde (...) von Baktrien gebracht, das hier verarbeitet worden ist; der graublaue Halbedelstein (Lapislazuli?) und der Karneol (?) (...) wurde von Sogdien gebracht; der dun-kelblaue Halbedelstein (Türkis), wurde von Choresmien gebracht.“ (Übersetzung von Schmitt 2009, 132)

In hellenistischer und parthischer Zeit stehen Namen wie Ai Khanoum, Tillja Tepe, Begram und Kampyrtepe für eine außerordentlich glänzende Phase des Fernhandels und der Kulturbeziehun-gen Baktriens sowie ganz Mittelasiens (Cambon/Jarrige 2010).

Auch in Westasien und Südosteuropa fehlte es offensichtlich nicht an abenteuerlustigen und risikofreudigen Kaufleuten, die beinahe um jeden Preis die begehrten Waren aus China, aus dem Iran, aus Mittelasien und Indien beschafften und weiter verkauften. Verwiesen sei auf die Händler aus der parthischen Metropole Merv und aus dem parthischen Babylonien (Seleukeia am Tigris) sowie aus den sogenannten Karawanenstädten

mit denen die Entfaltung des Fernhandels zwi-schen den Völkern des pontisch-kaspischen Rau-mes und den benachbarten Gebieten aufs Engste verknüpft war. Es handelt sich dabei um die politi-schen Kräfteverhältnisse in Transkaukasien, Iran, Afghanistan, China, Zentralasien und Rom.

Die klassische Zeit der Seidenstraße begann Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr., als die chinesi-sche Expansion unter Wudi (141–87 v. Chr.) im Westen Ferghana erreichte und das Partherreich unter Mithridates II. dem Großen (122–87 v. Chr.) eine erhebliche Machtposition in West- sowie Mit-telasien erlangte. Damals wurden erste chinesi-sche Gesandtschaften nach Parthien (Anxi) und Kangju (am mittleren Fluss Syr-Darya) entsandt. Der chinesische Diplomat Zhang Qian leitete Ver-handlungen in Mittelasien ein, indem er eine bedeutende Menge an Seide und Gold als diplo-matische Geschenke für die Völker des Westens herbeiführte (Sima Qian 1993, 238–241). Damit zeichnete sich die Rolle der chinesischen Seide als die des wertvollsten chinesischen Diplomatiege-schenks und zugleich der bekanntesten Handels-ware des transkontinentalen Fernhandels Asiens ab. Seidenreste wurden in Ferghana (Karabu-lak), Baktrien (Tillja Tepe, Termes, Kampyrtepe) und in Choresmien (Toprakkale) entdeckt (Wer-ning 2009, 202–203). Zudem fand man Seiden-fragmente aus China in Palmyra, Dura Europos und Pantikapaion auf der Krim (von Falkenhau-sen 2000, 59). Die Seidenkleidung blieb in Part-hien und Rom Statussymbol der Eliten. Die Par-ther verwendeten Standarten mit goldenen und seidenen Elementen in der berühmten Schlacht bei Carrhae (53 v. Chr. Florus, epitoma de Tito Livio 1,46,8). Als Vermittler im antiken Seiden-handel galten die Serer, das sagenumwobene Volk westlich der chinesischen Kerngebiete (vgl. Hora-tius, carmina 1,12,65; Pomponius Mela 1,11; 3,60, Plinius, Naturalis historia 6,87. Siehe Herrmann 1938). Nach ihnen wurde die Bezeichnung „seri-cum“ für die Seide gebildet. Die Chinesen impor-tierten aus den westlichen Ländern Nephrit (Jade; aus Chotan), Glasartikel (aus den Ostprovinzen Roms), Silberwaren, Schmuck, Pferde, Pelzwerk und Bernstein (Kuzmina 2008, 3; Young 2001).

Einen beispiellosen ökonomischen Auf-schwung erlebte der Fernhandel in Innerasien

3 Festung Ayazkala in Choresmien (Usbekistan), 1. – 2. Jahrhundert n. Chr.

Petra, Palmyra und Dura Europos (Rostovtzeff 1932). Berühmt waren auch die Kaufleute aus Olbia, Pantikapaion und Tanais im nördlichen Pontosraum. In den Städten der Kolchis an der Ostküste des Schwarzen Meeres sammelten sich betriebsame transkaukasische, indische, baktri-sche, sarmatische, anatolische, griechische und römische Händler.

Zu einer lebhaften Entwicklung des Fernhan-dels in Asien seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. führte die politische Lage in Parthien. Unter Mithridates II. (122–87 v. Chr.) etablierte das Partherreich feste Beziehungen mit China. Dabei spielten handels-orientierte Maßnahmen eine besondere Rolle. So vermochten die Parther, den Seidenhandel zwi-schen China und dem Westen unter ihre Kont-rolle zu bringen. Ihre faktische Monopolstellung im 1. Jahrhundert n. Chr. bezeugt die chinesische Chronik Houhanshu:

„Die Könige dieses Landes [Da Qin/Rom] woll-ten mit Han in diplomatische Beziehungen tre-ten, aber Anxi [Parthien] wollte selbst mit ihnen den Seidenhandel betreiben und stellte ihnen Hindernisse in den Weg, so dass sie nicht selbst Kontakte [mit China] aufnehmen konnten.“ (Houhanshu 88; Posch 1998, 362)

Im 3. Jahrhundert v. Chr. begann die Vor-herrschaft der Sarmaten im nördlichen Schwarz-meergebiet. Teile der geschlagenen Skythen fanden auf der Krim ihre Zuflucht und grün-deten das sogenannte „kleinskythische“ König-tum. In der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. erschienen mächtige sarmatische Stämme der Oberen Aorser, der Aorser und der Siraker als dominierende Mächte im pontisch-kaspi-schen Raum (Ščukin 1994; Olbrycht 2001a). Es gilt darauf hinzuweisen, dass der Begriff der

74 75Marek Jan Olbrycht Die Geschichte der Seidenstraße in antiker Zeit

Steppenbewohnern wurden Rinder, Sklaven, zum Teil auch Honig und Wachs bezogen; die Ein-wohner der pontischen Städte und der Regionen mit entwickeltem Ackerbau lieferten hingegen Getreide und Fische. Als Kornkammern galten vornehmlich Sindike am kimmerischen Bosporus und Chersonesos auf der Krim (Strabon VII 4,6).

Der im 2. Jahrhundert v. Chr. einsetzende Handel mit den Städten des Imperium Romanum (vornehmlich aus Anatolien, der Ägäis und dem Balkan) erreichte in der Zeitspanne vom 1. Jahr-hundert bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. einen Höhepunkt. Die nordpontischen Zentren und die Völker des Hinterlandes von der Kolchis bis Olbia kauften gerne römische Terra Sigillata, Schmuckgegenstände, Spiegel, Waffen, Glasge-fäße und toreutische Artikel (Mehl 1987; Raev 1986; Guščina/Zaseckaja 1994; Simonenko u. a. 2008; Симоненко 2011). Im sarmatischen Raum wurden bisher mehr als 2000 römische Mün-zen gefunden (Mielczarek 1997, 135). Die meis-ten stammen aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. und sind mit Tributzahlungen der bosporanischen Herrscher an die Sarmatenstämme zu verbinden. Einige Handelsrouten führten von der nördlichen Schwarzmeerküste bis nach Mitteleuropa (Olb-rycht 2001, 111–115).

NORD- UND OSTPONTISCHE HANDELS-ZENTREN UND SARMATENSTÄMME

Zu den größten nordpontischen Städten zählte Tanais – eine an der Mündung des Tanais (Don) gelegene griechische Kolonie. Die Stadt konnte ihr Einflussgebiet zeitweise auf die Ost-küste der Maiotis (Asowsches Meer) ausdehnen. In der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. verlor sie diese Position und geriet in Abhängig-keit vom Bosporanischen Reich (Strabon XI 2,3; XI 2,11). Strabon beschreibt Tanais als „einen gemeinschaftlichen Handelsort (emporion)“ grie-chischer Händler sowie asiatischer und europäi-scher Nomaden, der – neben Pantikapaion – sogar für den „größten barbarischen Handelsplatz“ gehalten wird (Strabon VII 4,5). Es ist darauf hin-zuweisen, dass laut Strabon und vielen anderen Autoren bis in das 18. Jahrhundert die Grenze zwi-schen Asien und Europa am Fluss Tanais (Don)

DER HANDEL AUF DER KRIM UND IM NÖRDLICHEN PONTOSRAUM

Die griechischen Städte des nordpontischen Raumes unterhielten bereits in der klassischen Epoche (5. – 4. Jahrhundert v. Chr.) rege Han-delsbeziehungen sowohl mit der einheimischen Bevölkerung des Hinterlandes als auch mit den mutterländischen Zentren der Ägäis (Danoff 1962; Gajdukevič 1971; Rolle 1985; Timpe 1985). Im 5. Jahrhundert v. Chr. führte die Gründung des Bosporanischen Reiches zu einem Aufschwung des Handels in der ganzen nordpontischen Region (Blavatskaja 1959; Fornasier/Böttger 2002; Fless 2002). Die Skythen importierten Kleidung, Metallgeschirr, Gefäße und kostbare Werke einer „graeco-skythischen“ Kunst (Fless/Treister 2005). Auch damalige Kontakte zum achämenidischen Iran werden in archäologischen Funden sichtbar (Treister 2010).

In der hellenistischen Epoche (3. – 1. Jahr-hundert v. Chr.) unterhielten Olbia, Chersonesos, Pantikapaion und Tanais rege Handelskontakte und profitierten als Vermittler im Warenaus-tausch zwischen den nomadischen sowie sess-haften Völkern des Hinterlandes und den west-lichen Metropolen (vgl. Hannestad 2005). Einen intensiven Warenverkehr im nördlichen Pontos-raum belegt für die hellenistische Epoche eine vielsagende Passage bei Polybios (um 200 – um 120 v. Chr.). Er berichtet nämlich, an Bedarfsgü-tern würden die pontischen Länder Vieh und große Mengen von Sklaven, „beides in unerschöpf-licher Fülle und von bester Qualität“ liefern. Zur Befriedigung anspruchsvollerer Bedürfnisse seien Honig, Wachs und eingesalzener Fisch angebo-ten worden. Als Importwaren für die Pontosvöl-ker nennt Polybios Öl und Wein. Schließlich fügt er hinzu, die Pontosvölker hätten Getreide gelie-fert, manchmal aber hätten sie auch Getreide von den Hellenen kaufen müssen (Polybios 4,38,4–5). Aus den Aussagen des Polybios ergibt sich, dass die pontischen Länder die vorherige, so präg-nant in den Überlieferungen der klassischen Epo-che belegte, führende Position im Getreideexport verloren hatten. Unter den von Polybios erwähn-ten Exportgütern ist der Herkunft nach zwischen zwei Warengruppen zu unterscheiden: Von den

Im 7. Jahrhundert n. Chr. entstand eine sogdische Handelskolonie auf der Krim, die den Namen Sogdaia/Sogdak (heute Sudak) trug (de la Vais-sière 2005, 242–249). Als der Handelsverkehr im 15. – 16. Jahrhundert zunehmend auf den Seeweg verlegt wurde, verlor die kontinentale Seiden-straße allmählich an Bedeutung. All diese Vor-gänge sind als Hintergrund der hier behandelten Entwicklungen des Handels nicht aus den Augen zu verlieren.

NOMADEN AN DER SEIDENSTRASSE

Im Handelsaustausch der pontisch-kaspi-schen Gebiete kam den Nomaden besondere Bedeutung zu. Die instabile nomadische Wirt-schaft verlangte eine beträchtliche Ergänzung durch Güter aus dem Agrar- und Stadtbereich. Demzufolge ist es nicht verwunderlich, dass zwischen Nomaden und Sesshaften enge wirt-schaftliche und handelsökonomische Verbindun-gen zustande kamen (Yü 1967; Khazanov 1994; So/Bunker 1995; 2001; Barfield 2001). Beson-ders begünstigend für einen Handelswachstum erwiesen sich große nomadische Staatenbildun-gen, deren Eliten an der Entwicklung eines Fern-handels interessiert waren. So stellt Anatoli Kha-zanov fest „It was not by chance that all the great overland trade routes of antiquity and the Middle Ages were pioneered by nomads or with their par-ticipation“ (Khazanov 1994, 209). Die Luxusarti-kel in den nomadischen Gräbern Zentralasiens und des pontisch-kaspischen Raumes, etwa bei den Xiongnu, in Pazyryk, Filippovka und Kosika veranschaulichen die beharrliche Neigung der nomadischen Eliten, Prunkobjekte aus entfern-ten Ländern zu importieren. Es war oft der Han-del, der über Frieden und Krieg zwischen den nomadischen Xiongnu und Han-China entschied (Jagchid/Symons 1990, 2; Barfield 2001, 235–237). Die nomadischen Xiongnu forderten von China einen ungehinderten Handelsaustausch. Han-delsrestriktionen seitens der Sesshaften führten oft zu Unruhen in der Steppe und nomadischen Angriffen. Dies ist etwa in der Geschichte des hel-lenistischen Mittelasiens (Olbrycht 1998, 27–50) und der Sarmaten (Vinograd/Vinogradov 1996) zu beobachten.

Sarmaten als eher konventionelle Sammelbe-zeichnung für die in sich sehr heterogenen irani-schen Nomadenvölker der nachskythischen Epo-che in den nordkaspischen, nordkaukasischen und nordpontischen Steppen, darunter auch für die Königlichen Sarmaten (Sarmatai Basileioi), Iazyges, Aorserstämme und Siraker, anzusehen ist. Neben den Sarmaten- und Skythenstäm-men sowie den Griechen an der Küste bewohn-ten auch andere Völkerschaften Teile des pon-tisch-kaspischen Raumes, etwa die Taurer auf der Krim sowie die Maioter, Sinder und Danda-rier an der maiotischen und ostpontischen Küste (Rostovtzeff 1922; Danoff 1962; Gajdukevič 1971; Olbrycht 2001a; 2005).

Die Annexionen des Mithridates VI. Eupator (120–63 v. Chr.) im Schwarzmeerraum schafften günstige Bedingungen für die Entwicklung des Handels (Olbrycht 2005). In der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. begann die Vorherr-schaft der Alanen in den nordpontischen Step-pen, deren Migrationen mit neuen kulturellen Einflüssen aus Innerasien verbunden waren. Zu tiefgreifenden Veränderungen in den politischen Kräfteverhältnissen im Schwarzmeer- sowie Kaukasusraum trugen römische Aktivitäten in der Region bei. Die ersten römischen Importob-jekte (etwa die Montefortino-Helme und Situ-len vom Typ Eggers 23) kamen nach Sarmatien in der Zeit des Mithridates VI. (Simonenko u. a. 2008).

Der Untergang des Mithridates VI. Eupator (Olbrycht 2011) bedeutete die Einbeziehung der nordpontischen Gebiete und des Bosporus in die Einflusszone des Imperium Romanum. Seit den 60er Jahren des 1. Jahrhunderts n. Chr. wurden auf der Krim römische Garnisonen angelegt. Folg-lich wurde auch der römische wirtschaftliche Ein-fluss stärker (Simonenko u. a. 2008; Simonenko 2011).

Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr. ging die Dynastie der Arsakiden im Iran und die Han-Dynastie in China unter. Rom geriet zugleich in eine tiefe Krise und die Wanderungen der Goten im 3./4. Jahrhundert n. Chr. verursachten Erschüt-terungen im nordpontischen Raum. Besonders seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. wurde der Waren-verkehr auf der nördlichen Route wiederbelebt.

76 77Marek Jan Olbrycht Die Geschichte der Seidenstraße in antiker Zeit

„Herr über unendliche Völker“ galt; der Gebirsgs-zug „spaltete sich und öffnete die Pässe den Völ-kern“ (Plinius, Naturalis historia 5,97–99; vgl. Strabon XI 3,4–5. Abb. 4).

In der Tat erfolgten Handelskontakte zwi-schen Transkaukasien und Sarmatien über viele Kaukasuspässe – vor allem über den Darband und den Darial. Mit dem Darial-Weg kann man Fund-komplexe aus dem Nordkaukasus verbinden, die einige parthische Münzen vom Gotarzes-Typ (1. Jahrhundert n. Chr.) enthalten (Olbrycht 2001, 98). Über diesen Pass kamen wohl die meisten bosporanischen Statere nach Iberien, einem Land südlich des Kaukasusgebirges (ein anderer Weg ist über die Kolchis anzunehmen). Eine wichtige

römische Münzen und Produkte (Lordkipanidze 1996; Tsetskhladze 1998; Furtwängler u. a. 2008).

DER HANDEL MIT TRANSKAUKASIEN UND PARTHIEN

TranskaukasienWenn man die unterschiedlich gestalteten

handelsökonomischen Kontakte der Völker des pontisch-kaspischen Raumes im Vergleich zu den Nachbargebieten analysiert, müssen die transkau-kasischen Länder notwendigerweise mit in die Betrachtung einbezogen werden. Die pontisch-kaspischen Steppen waren im Süden vom riesi-gen Gebirgszug des Kaukasus begrenzt, der als

Eupator an. Durch den Hafen Gorgippias wurden die landwirtschaftlichen Güter des Kubanraumes ausgeführt (Alekseeva 2002). Einen besonderen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte Gorgippia in der römischen Kaiserzeit.

Die kolchische Stadt Dioskurias galt als „gemeinschaftlicher Handelsplatz (emporion koi-non)“ für „die darüber wohnenden und benachbar-ten Völkerschaften“ (Strabon XI 2,16). Es handele sich laut Strabon um siebzig Völker; gleichwohl bemerkt er aber, dass nach anderen Autoren sogar dreihundert Völker nach Dioskurias kommen sol-len, „alle verschiedene Sprachen redend, weil sie ihrer Selbstgenügsamkeit und Wildheit wegen einzeln und ungesellig leben. Sarmaten sind die meisten, alle aber Kaukasier“. Unter Berufung auf Timosthenes von Rhodos (ein Geograph des 3. Jahrhunderts v. Chr.) weiß Plinius der Ältere (Naturalis historia 6,15–16) zu berichten, dass drei-hundert Völkerschaften in Dioskurias zusammen-kämen. Plinius bemerkt ferner, die römischen Händler müssten 130 Dolmetscher in Diosku-rias nutzen. Diese Angaben illustrieren in bemer-kenswerter Weise die Dimensionen des Fernhan-dels in der Kolchis und im ostpontischen Raum. Die Bewohner der Gebirgsregionen des Kaukasus kamen zum Beispiel des Salzes wegen nach Dios-kurias (Strabon XI 5,6).

Ein berühmter „Handelsplatz (emporion) der Kolcher“ war die an dem gleichnamigen Fluss gelegene Stadt Phasis (Strabon XI 2,16–17; XI 3,4). In der Kolchis befanden sich überreiche Boden-schätze – Gold, Silber, Eisen und Erz (Strabon I 2,39) –, die als Hauptprodukte dieses Landes im Handel mit den griechischen Städten und zum Teil mit den orientalischen Völkern des Hinter-landes, darunter auch mit den Sarmaten, anzuse-hen sind. Die aus dem Landesinneren zugereisten Händler kauften Olivenöl, Wein und Schmuck-gegenstände. Der westliche Import reichte seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. bis weit in die Kol-chis und nach Ostgeorgien hinein. Aus dem Pha-sis-Tal stammen zahlreiche Münzfunde, wie etwa goldene Statere aus Syrakus, Münzen Philipps II., Alexanders III., Philipps III. und des Lysimachos sowie Prägungen aus Pantikapaion, Kappadokien, schließlich Amphoren aus Rhodos, Knidos, Chios und anderen Metropolen. Dazu kamen noch

verlief. Unter den nomadischen Barbaren Asiens spielten die östlich des Tanais siedelnden Aor-ser und Oberen Aorser im 1. Jahrhundert v. Chr. bis Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. eine domi-nierende Rolle; zudem sind noch die Siraker des Kubanraumes zu nennen. Wenn Strabon die euro-päischen Nomaden als Handelspartner für Tanais nennt, so meint er damit die westlich des Don lebenden Rhoxolanoi, Sarmatai Basileioi (König-liche Sarmaten) und Iazyges. Als Waren der Step-penbewohner listet der Geograph Sklaven, Häute und Felle (dermata) neben „allen anderen Gütern der Nomaden“ auf. Die zugereisten Händler boten dagegen Kleider, Wein und andere „dem gesitte-ten Leben erforderliche Erzeugnisse“ (Strabon XI 2,3) an.

Die Stadt Pantikapaion, eine alte Kolonie des kleinasiatischen Milets am Kimmerischen Bospo-rus war Stapelplatz für die Güter, die aus weit ent-fernten Ländern eingeführt wurden (Strabon VII 4,4–5; XI 2,10). Unter den größten nordpontischen Handelszentren und Umschlagplätzen nennen die Quellen die bosporanische Stadt Phanagoreia auf der Halbinsel Taman, die Metropole des asia-tischen Bosporus, in die Waren vom Maiotisraum und von den Barbaren im Landesinneren beför-dert wurden (Strabon XI 2,10). Hierbei sind die Maioten und die Sarmatenstämme des Kubanrau-mes (Siraker) als die wichtigsten Handelspartner zu nennen. Die Stadt Phanagoreia lag unweit der antiken Flussmündung des Hypanis/Antikeites (Kuban), der wichtigsten Verkehrsader der nord-westlich des Kaukasus gelegenen Gebiete, über die Phanagoreia seinen wirtschaftlichen Einfluss auf den ganzen Kubanraum ausdehnen konnte. Güter aus dem Bosporus und aus Tanais wurden weithin nach Osten befördert, wofür viele archäo-logische Belege vorliegen. Bei den Sarmaten des Süduralraumes, in Westkasachstan und im unte-ren Wolgagebiet sowie im Dongebiet waren Ton-waren aus Tanais und aus dem asiatischen Bospo-rus verbreitet (Skripkin 2003, 195).

Ein wichtiges Handelszentrum an der östli-chen Küste des Pontos Euxeinos bildete die Stadt Gorgippia (heute Anapa), eine milesische Grün-dung im Gebiet der Sinder (Strabon XI 2,10). Zeit-weise gehörte Gorgippia dem Bosporanischen Reich und auch dem Staat des Mithridates VI.

4 Kaukasus-Gebirge im antiken Albanien (Aserbaidschan).

78 79Marek Jan Olbrycht Die Geschichte der Seidenstraße in antiker Zeit

florierenden Fernhandel an der Seidenstraße. Im Prunkgrab von Kosika wurde ferner ein Silber-gefäß mit der griechischen Aufschrift, die einen König „Arteovadzos“ und den Handwerker „Amp-salakos“ erwähnt, gefunden. Der Name Ampsala-kos begegnet im nordpontischen Raum in einigen Texten (Supplementum Epigraphicum Graecum. Brill Online 44, 660). Der Name „Arteovadzos“, wohl als Artavasdes zu deuten, verweist auf einen atropatenischen (Medien) oder armenischen Herr-scher des 1. Jahrhunderts v. Chr. Das Gefäß wurde anscheinend von einem sarmatischen Handwer-ker hergestellt, wahrscheinlich im Auftrag eines Königs namens Artavasdes, dann gelangte es als Geschenk zu den Oberen Aorsern. Die Funde aus Kosika belegen insgesamt facettenreiche Wechsel-beziehungen zwischen den Oberen Aorsern und dem Partherreich sowie Transkaukasien.

Kamele als TransporttiereFür den Transport von Handelsgütern hat

man laut Strabon (XI 5,8) Kamele eingesetzt, diese Aussage ist vielfach im archäologischen Befund nachweisbar. Knochen von Kamelen sind

auch in bosporanischen und transkaukasischen Werkstätten.

Typisch für die sarmatische Kunst ist der sogenannte polychrome Tierstil (Rostovtzeff 1929; Jettmar 1964; Мордвинцева 2003). Die Objekte, vor allem jene mit Tierdarstellungen, sind oft aus Gold gearbeitet, das besonders Bemer-kenswerte ist jedoch ihre farbige Verzierung mit Einlagen aus Türkisen, Rosenkorallen oder Glas (Treister/Yatsenko 1998; Мордвинцева 2003; Schiltz 2002). Zu diesem Stil gehören Objekte aus dem sarmatischen Prunkgrab in Kosika an der unteren Wolga (Mordvinceva/Treister 2007, II, 28–29 Kat. Nr. A 114), die die weitreichenden Kon-takte der Oberen Aorser belegen. Zu nennen sind etwa die Phaleren. Ähnliche Schmuckplatten für das Pferdegeschirr wurden in der skytho-parthi-schen Handelsmetropole Taxila (Pakistan) gefun-den (Treister/Yatsenko 1998, 60, 74–75; zu Taxila siehe Brandtner 2001) und zwar in einem Vorrats-gefäß zusammen mit zahlreichen Kunstobjekten und skythischen sowie indo-parthischen Münzen („the stock-in-trade of some lapidary or jeweller“ [Marshall 1951, 188–189]) – ein Beispiel für den

Die zitierte Passage lässt keinen Zweifel daran, dass die Oberen Aorser selbst als Importeure zu betrachten sind. Sie hatten Bedarf an Luxusarti-keln, die uns in der Tat in aorsischen Gräbern an der Wolga begegnen. Strabon spricht von baby-lonischen und indischen Waren. Dass die baby-lonischen Güter nach Armenien und Albanien über Ekbatana und Media Atropatene gelangen konnten, ist nicht zu bezweifeln. Indische Waren strömten vornehmlich über das persische Golfge-biet aus Babylonien Richtung Norden. Zum ande-ren darf davon ausgegangen werden, dass sie zum Teil nach Albanien auch über Afghanistan und die Oxos-Kolchis-Route gelangten. Ferner führte ein Landweg von Baktrien über Margiana und Chora-san bis Ekbatana; von dort konnte man die Waren sowohl nach Babylonien als auch nach Transkau-kasien transportieren.

Münzfunde steuern wichtige Aussagen über die Handelsbeziehungen zwischen den Aorser-stämmen und dem parthischen Großreich bei. Dutzende parthische Münzen sind im unteren Wolgagebiet und im Süduralgebiet (Bezirke Sara-tov, Wolgograd und Uralsk) – also im Herrschafts-bereich der Oberen Aorser – entdeckt worden (Moškova 1989, 208; Olbrycht 2001, 108–110). Die Münzen reichen chronologisch von Mithridates II. (122–87 v. Chr.) bis Gotarzes II. (40–51 n. Chr.).

GoldschmuckGoldschmuck zählte zweifelsohne zu den bei

den Steppenvölkern des pontisch-kaspischen Rau-mes beliebtesten Luxusartikeln. Dies zeigt sich deutlich am Beispiel der Bestattungsplätze der Sarmatenstämme im pontisch-kaspischen Raum, die Gräber mit überreichen Luxusfunden her-vorbrachten (Mordvintseva/Khabarova 2006; Mordvintseva/Khachaturova/Yurchenko 2010; Mordvinceva/Treister 2007). Zum größten Teil stammen diese Gräber aus der Zeitspanne zwi-schen dem Anfang des 1. Jahrhunderts v. Chr. und dem Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. Als Han-delsartikel sind ferner Bestandteile des Pferdege-schirrs, insbesondere Phaleren und Waffen erwäh-nenswert (Mordvinceva 2001; Treister/Yatsenko 1998). Die Schmuckgegenstände wurden nicht nur in entfernten Zentren wie Baktrien, Parthien, Kleinasien und dem Balkan produziert, sondern

Route zwischen Transkaukasien und den Sarma-ten bildete der an der kaspischen Küste gelegene Darband, ein Transitgebiet zwischen der südli-chen Kaukasusregion und dem antiken Albanien sowie Media Atropatene (heute Aserbaidschan).

Das ganze transkaukasische Gebiet mit Arme-nien, Iberien und Albanien war politisch und wirt-schaftlich vielfach mit dem Arsakidenreich ver-bunden (Manandian 1965; Akopjan 1984, 70–90). Über diesen Raum erfolgten rege Handelsbezie-hungen zwischen Parthien (einschließlich Media Atropatene) und den sarmatischen Stämmen nördlich des Kaukasus. Der Zufluss der meisten in Sarmatien belegten parthischen Münzen und Importobjekte (wie etwa eine parthische Königs-darstellung aus Krasnogorovka am Don, vgl. Treis-ter 2001) nahm seinen Ausgang in Transkauka-sien und Media Atropatene. Der numismatische Befund zeigt insgesamt eine zahlenmäßig starke Verbreitung parthischer Fundmünzen in Trans-kaukasien, besonders seit Mithridates II. (122–87 v. Chr.) bis in das 2. Jahrhundert n. Chr. Auf die Handelsbeziehungen Transkaukasiens wei-sen auch Funde mit graeco-baktrischen, südpon-tischen, bosporanischen und römischen Münzen hin (Olbrycht 2001, 96–106).

Die Oberen Aorser und der Fernhandel – Strabon und numismatische Zeugnisse

In seiner durchaus aussagekräftigen Beschrei-bung der Völker zwischen der Maiotis und dem Kaspischen Meer betrachtet der aus dem nord-anatolischen Amaseia stammende römische Geo-graph Strabon die Oberen Aorser als die größte Macht am Kaspischen Meer; sie sollen als Ver-bündete des bosporanischen Herrschers Pharna-kes II. 200 000 Krieger aufgestellt haben (47 v. Chr.). Strabon (XI 5,8) liefert dabei kenntnisreiche Informationen zu den Handelsverbindungen der Aorserstämme (Olbrycht 2001a). Es heißt dort:

„Sie hatten die Macht über ein großes Gebiet und beherrschten beinahe den größten Teil der kaspischen Küste, so dass sie auch auf Kamelen die aus Indien und Babylonien stammenden Waren importierten, die sie von den Armeniern und den Medern übernommen hatten. Dank ihres Wohlstandes trugen sie Goldschmuck.“

5 Darstellung eines baktrischen Kamels. Relief aus Persepolis, Iran, 5. Jahrhundert v. Chr.

80 81Marek Jan Olbrycht Die Geschichte der Seidenstraße in antiker Zeit

über Sarmatien führten, liegen einige Belege vor. Es handelt sich dabei zunächst um zwei Medaillons parthischer Herkunft aus West- sibirien (Кинжалов 1959, 197–204; Seipel 1996, 224, Abb. 69; 396). Zu den parthischen Funden zählt noch eine aus dem Raum Moskau stam-mende Drachme des Arsakes II. (217–191 v. Chr.; Olbrycht 2001, 115). Diese parthischen Objekte gelangten nach Norden im Verbund mit dem Pelzhandel, der über den Herrschaftsraum der Sarmaten zustande kam.

Im sasanidischen Iran (226–651 n. Chr.) war der Handel mit den nördlichen Völkern sehr intensiv und Pelz- sowie Lederwaren gehör-ten zu den beliebtesten Importartikeln (Noo-nan 1982; Frye 1993). Eine Vorstufe dieses Han-dels bildete der Warenverkehr der parthischen Epoche (Schier 1951). Sowohl die Nomaden der pontisch-kaspischen Steppen als auch die Par-ther verwendeten gerne Pelz für Kleidungstü-cke. So informiert etwa Ammianus Marcellinus (XXXI 2,5), dass die Bekleidung der Hunnen aus zusammengenähten Fellen von „Waldmäusen“ (mures silvestres) bestehe; diese Aussage wird verständlich, wenn man unter mures silvestres

den Handelszentren Babyloniens und Nordmeso-potamiens, aus denen Karawanen nach Transkau-kasien zogen. In Seleukeia am Tigris und Nippur hat man einige Kamelstatuetten entdeckt (Potts 2004, 152). Hervorzuheben ist ein Graffito aus der am Euphrat gelegenen Karawanenstadt Dura-Europos aus dem „House of the Ravine“ mit der Darstellung einer Karawane mit vier baktrischen Kamelen (Abb. 6. Baur/Rostovtzeff/Bellinger 1933, 222 Taf. 23.2).

ZUM FERNHANDEL ZWISCHEN SARMATIEN, DER EURASISCHEN WALDZONE UND PARTHIEN

Jeder Handelsverkehr setzt eine Gegenleis-tung voraus. Es stellt sich also die Frage, was die Parther und ihre Vasallen in Transkaukasien als Gegenleistung für ihre Lieferungen von den Sar-matenstämmen erhielten. Im Lichte der verfüg-baren Zeugnisse kommen Pelzwerk, Tierhäute und Sklaven als Ausfuhrartikel der Nomaden in Betracht.

Für den Fernhandel zwischen Parthien mit den nordrussischen Gebieten, dessen Wege

rius L.) verbreitet. In den schriftlichen Quellen erscheint das baktrische Kamel im 4. Jahrhun-dert v. Chr. an beiden Endpunkten der transkonti-nentalen Handelsstraße – in Griechenland und in China (Potts 2004, 152). Auf den Reliefs des Apa-dana in der altpersischen Metropole Persepolis ist ein zweihöckriges Kamel in der Delegation der Baktrer (5. Jahrhundert v. Chr.) dargestellt (Abb. 5). Nicht umsonst begegnet das baktrische Kamel auf zahlreichen goldenen Platten und auf einer Applike vom Schild oder Köcher aus dem noma-dischen Kurgan 1 (4. Jahrhundert v. Chr.) in Filip-povka, Südural (s. Abb. S. 66. Aruz u. a. 2000, Abb. 68, 96, 98).

Das Kamel gehörte zu den beliebtesten Moti-ven bei den Nomaden (Korolkova 1999). Auf dem Handgriff des sarmatischen Kurzschwertes aus dem Prunkgrab in Dači (bei Asow; zweite Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr.) wurden bezeichnen-derweise Kamele im Kampf gegen ein Mischwe-sen dargestellt. Kampfszenen mit Kamelen wiederholen sich auf der Scheide und den Seiten-laschen (s. Beitrag Brosseder S. 96 Abb. 7. Mord-vinceva/Treister 2007, II, 28–29, Kat. Nr. A 67.3).

Aus dem parthischen Iran stammt eine bron-zene Pseudoschnalle in Form eines Kamels, die wohl als sarmatisches Objekt des 1. Jahrhunderts v. Chr. zu deuten ist (Jettmar 1964, Abb. S. 57).

Häufig dargestellt wurde das baktrische Tram-peltier auf Objekten parthischer Zeit und zwar in

in den Schichten des 1. Jahrhunderts v. Chr. und des 1. Jahrhunderts n. Chr. in Olbia, Pantikapa-ion, Phanagoreia und in Tanais freigelegt worden (Olbrycht 2001, 110). Für Nomaden und Kaufleute West- sowie Zentralasiens war das Kamel ein äußerst geeignetes, leistungsfähiges Last- und mit-unter Zugtier, das zudem Milch und Haar lieferte (Abb. 7). Auf den Rücken von Kamelen gelang-ten Waren zwischen China, Mittelasien und Par- thien sowie den pontischen, kaukasischen und kaspischen Regionen nach Westen. Als Lasten-träger diente vor allem das widerstandsfähige zweihöckrige baktrische Kamel (camelus bactria-nus L.), das bekannte Trampeltier, das heute noch in Afghanistan, Mittelasien und Aserbaidschan begegnet (Brentjes 1960). Der römische Historiker Ammianus Marcellinus (XXIII 6,56; 4. Jahrhun-dert n. Chr.) betont die Vorteile des baktrischen Kamels:

„Das Vieh [in Baktrien] ist ein kräftiger Schlag mit großen und starken Gliedern, wie man auch an den Kamelen sieht. Mithridates [Eupa-tor von Pontos] hat sich von dort welche kom-men lassen, und dies waren die ersten, die die Römer bei der Belagerung von Kyzikos zu Gesicht bekamen.“

Heute ist in Westasien und Afghanistan auch das einhöckrige Dromedar (camelus dromeda-

6 Karawane auf ei-nem Graffito in Dura Europos am Euphrat (Syrien).

7 Karawane in Mittelasien (1894). Fotografie von Leon Barszczewski (1849–1910), dem berühmten polnischen Erfor-scher Mittelasiens.

82 83Marek Jan Olbrycht Die Geschichte der Seidenstraße in antiker Zeit

HANDELSBEZIEHUNGEN SARMATIENS MIT ZENTRALASIEN UND CHINA

Kontakte über die Steppenroute zwischen der mediterranen Welt und Zentralasien sind schon für die achämenidische Epoche bezeugt (550–330 v. Chr. Lubo-Lesničenko 1988, 352–361; Haussig 1992a, 11–62). Die ältesten schriftlichen Nachrich-ten über den Handel entlang der nördlichen Route zwischen dem nordpontischen Raum und Zen- tralasien stammen aus Herodots „Historien“ (4,11–32), der das Ural-Gebirge (4,23) und die Wolga (Araxes - 4,11) kennt. Über diesen Weg gelang-ten vermutlich die Seidenstoffe des Grabes 73 der Kerameikos-Nekropole in Athen (5. Jahrhundert v. Chr.) und der keltischen Fürstengräber bei der Heuneburg (Deutschland) nach Europa (Haussig 1992a, 59; von Falkenhausen 2000, 58).

Herodots ziemlich lückenhaften Informa-tionen über die zentralasiatischen Völker wer-den durch neuere archäologische Forschungen erhellt. Die Funde aus den nomadischen Kur-ganen des Süduralgebietes, vor allem aus Filip-povka, Prochorovka und aus den Nekropolen in Westkasachstan (etwa Volodarka) mit goldin-krustierten Schwertern, Goldgefäßen und Impor-ten sowohl aus dem mediterranen Raum als auch aus dem Iran illustrieren weitreichende Kontakte der Nomaden des Süduralraumes im 5./4. bis 3. Jahrhundert v. Chr. (Aruz u. a. 2000; Jablonskij 2010; Трейстер/Яблонский 2012). Die dortigen Nomaden waren Nutznießer eines weitgespann-ten Handels und Güteraustausches mit dem Iran und Mittelasien, von wo sie Edelmetallgegen-stände und kostbare Gefäße bezogen (Balach-lancev 2010; Трейстер 2011). Unter den Prunkob-jekten finden sich auch diplomatische Geschenke der Achämeniden. In den Kurganen von Procho-rovka wurden darüber hinaus Objekte aus dem Westen entdeckt, darunter ein silbernes, vermut-lich auf dem Balkan hergestelltes Gefäß, Panzer-bestandteile und Phialen (Jablonskij 2010). Die Kontakte der Nomaden des Süduralraumes mit dem Iran fanden auch in nachachämenidischer Zeit, im 3. – 2. Jahrhundert v. Chr. eine Fortset-zung (Treister 2012); dafür sprechen die in Pro-chorovka und Isakovka gefundenen Phialen mit choresmischen und parthischen Inschriften. Die

Oxos-Transkaukasien-Weg (Вайнберг 1977, 176–177, Nr. 6–8).

Der Oxos-Kolchis-Weg begann in Baktrien und wurde zum großen Teil von den Parthern kontrolliert. Chinesischen Annalen berichten für das Ende des 2. und das 1. Jahrhundert v. Chr. fol-gendes über Parthien (Anxi):

„Es grenzt an den Gui-Fluß [= Oxos/Amudarja]. Es gibt Handelsplätze. Einige Einwohner betä-tigen sich als Kaufleute und sind mit Wagen und Schiffen unterwegs. Sie reisen einige tau-send li in benachbarte Länder.“ (Shiji 123: Übersetzung von Posch 1998, 358; ähnliche Beschreibung in Hanshu 96A: Posch 1998, 361)

Diese Zeugnisse veranschaulichen, dass in dieser Epoche des transasiatischen Wirtschafts-austausches parthische Kaufleute und ihre Part-ner aus Mittelasien auf der Seidenstraße entlang des Oxos und des transkaspischen Usboi bis weit nach Transkaukasien vorstießen. Ihre Wege führ-ten sie zudem nach Indien und Ostturkestan. Eine Vielzahl der in Ai Khanoum entdeckten Ampho-ren gelangten vom Schwarzen Meer aus über Transkaukasien und den Oxos-Weg nach Baktrien (Lerner 2012).

In den Kurganen an der Peripherie Cho-resmiens treten Schmuckgegenstände parthi-scher Zeit aus Indien und aus dem Schwarzmeer-raum auf. Im Kurgan Kazgan 2 wurde ferner ein typisch parthisches Gefäß – eine sogenannte Pil-gerflasche – mit Türkisglasur entdeckt (1. Jahr-hundert v. – 1. Jahrhundert n. Chr.; Yagodin 2010, 55–56, Abb. 3–5). Ähnliche Pilgerflaschen kamen im parthischen Dura Europos zutage (Toll 1943, 53–54: Gefäß 1935.525 Yale, Taf. 17, Abb. 25). Ein großes Produktionszentrum solcher Flaschen war die Metropole Seleukeia am Tigris (Debe-voise 1934, Abb. 298–306, 315). Dort wurden sogar Brennöfen mit Pilgerflaschen ausgegraben (Debe-voise 1934, 14). Helltürkisfarbige glasierte Pil-gerflaschen begegnen auch in Media Atropatene (Qal'eh Zohak und Basar von Tabriz; siehe Kleiss 1973, Abb. 23) und in Armenien (Fürstengrab in Sisian, Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr.: Sintes/Grigorian 2007, Kat.-Nr. 139).

HANDELSVERBINDUNGEN ZWISCHEN BAKTRIEN, TRANSKAUKASIEN UND DEM SCHWARZMEERGEBIET

In den schriftlichen Quellen sind Angaben über die Handelsverbindungen zwischen Bakt-rien, Transkaukasien und dem Pontosraum über das Kaspische Meer vorhanden. Über eine große Handelsroute zwischen Baktrien und Transkau-kasien, die über den Fluss Oxos (Amudarja), den Usboi-Lauf und das Kaspische Meer führte, informiert am genausten Strabon (XI 7,3). Auf diesem Wege sollen große Mengen von indi-schen Waren bis zum Hyrkanischen Meer (Kas-pischen Meer), dann nach Albanien und auf dem Fluss Kyros (Kura) in eine am Pontos Euxi-nos (Schwarzes Meer) gelegene Region beför-dert worden sein. Strabon (XI 2,17) beschreibt eine Route zwischen Kolchis und dem Kura-Tal und betont dabei, dass der Phasis-Fluss (Rioni) bis Sarapana schiffbar sei. Von Sarapana führe eine befahrbare Straße bis zum Kyros-Fluss, eine Strecke, die Kaufleute innerhalb von vier Tagen zurücklegen (Strabon XI 2,17). Varro bei Plinius (Naturalis historia 6,52) berichtet, dass man in sieben Tagen von Indien nach Baktrien (zum Fluss Iachrus) gelangen könne. Vom Oxos (Amu-darja) führe die Route über das Kaspische Meer bis zum transkaukasischen Kyros-Fluss. In fünf Tagen könnten von dort indische Waren auf dem Landweg bis Phasis geschafft werden. Für das 2. Jahrhundert v. Chr. wird von der Anwesen-heit aus Indien und Baktrien stammender Per-sonen in der Kolchis berichtet (Pseudo-Skymnos, Ad Nicomedem regem, 933–934). All diese Aus-sagen beweisen explizit die Existenz einer Han-delsstraße zwischen dem Schwarzmeerraum und Mittelasien über das Kaspische Meer. Mit dieser Route sind Funde von graeco-baktrischen Mün-zen in Transkaukasien und in Choresmien sowie Funde von bosporanischen Münzen in Mittel-asien zu verbinden (Olbrycht 2001, 105–106; Rtveladze 2010, 92–93; 2011; 2012). Ähnliches gilt auch für einige graeco-baktrische Münzen bzw. ihre Nachahmungen aus dem nordponti-schen Raum (Mielczarek 1997, 131–133). Bospo-ranische Fundmünzen in Choresmien verwei-sen ebenfalls auf die Handelskontakte über den

größere Pelztiere wie Zobel oder Hermelin ver-steht. Antike Autoren sprechen oft von „Ponti-schen Mäusen“ (siehe etwa Aristoteles, Historia animalium 8,17; 9, 49; Plinius, Naturalis historia 8,55; 10,93; Aelianus, De natura animalium 6,40–41), deren Fell sich zu Kleidungsstücken verarbei-ten ließ. Das Pelzwerk aus Sibirien und Osteu-ropa wurde über Sarmatien nach Tanais (Strabon XI 2,3), dem Bosporus, Olbia und den Kaukasus verhandelt. Von dort gelangte es nach Parthien, Indien und Anatolien (Schier 1951; Schwentner 1954, 94; Olbrycht 2001, 115–116). Sarmaten und kaukasische Stämme verkauften Tierhäute in Dioskurias und anderen Zentren Transkaukasi-ens. Strabon beschreibt, wie die Kaukasier vom Gebirge mit rohen Lederstücken abstiegen, auf denen sie zusammen mit ihrer Fracht lagen und hinabglitten. Dasselbe berichtet er von Bergbe-wohnern im parthischen Media Atropatene und in Armenia (Strabon XI 5,6).

Im Partherreich wurde das Gerben von Fel-len und Tierhäuten in großem Umfang betrie-ben. Ausgerechnet die Parther waren für das aus Tierhäuten hergestellte Pergament berühmt. Die chinesische Chronik Shiji 123 (Posch 1998, 259) informiert, dass die Einwohner des Landes Anxi (Parthien) „Leder mit quer laufenden Linien beschreiben und dies als schriftliche Dokumente verwenden“. Die Römer importierten große Men-gen an kostbaren Pelz- und Lederprodukten aus dem parthischen Babylonien und anderen parthi-schen Ländern, daher die Termini „pelles babyloni-cae“ und „pelles parthicae“ im römischen Handel (Codex Iustinianus XXXIX 4,16; vgl. die Bezeich-nung „parthische Börse“ – „sacculus parthicus“ bei Ammianus Marcellinus XXII 4,8). Mit dem Import von parthischen Lederwaren beschäftig-ten sich in Rom Kaufleute, die „negotiantes parthi-carii“ genannt wurden (Codex Iustinianus X 48.7; vgl. Herz 1985, 89–106). Der Ruhm von parthi-schen Lederwaren blieb in Rom und im mittel-alterlichen Europa lange bestehen: der englische Begriff „parchment“ scheint von „Parthica [pel-lis]“ zu stammen (s. „parchment“ in: Oxford Dic-tionary of Word Origins, by J. Cresswell, Oxford Reference Online, letzter Zugriff 5. März 2013: http://oxforddictionaries.com/definition/english/parchment).

84 85Marek Jan Olbrycht Die Geschichte der Seidenstraße in antiker Zeit

Tillja Tepe: Baktrien, Parthien und SarmatienIm baktrischen Tillja Tepe (Westafghanistan)

wurde eine fürstliche, nomadische Nekropole mit rund 20 000 Objekten, vorwiegend aus Gold, frei-gelegt und erforscht (Abb. 8a–b. Sarianidi 1985). Die enorme Bedeutung des Fundmaterials aus Tillja Tepe besteht nicht nur in dem Reichtum an Goldschmuck, Gefäßen und Waffen, sondern auch in der Entdeckung von Importobjekten, die weit-reichende Beziehungen der Clans aus dem Grenz-bereich des Arsakidenreiches belegen (Schiltz, in:

Seidenstücke entdeckt (der Grabbefund datiert in die erste Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr.; Mord-vinceva/Treister 2007, II, 79–81, Kat. Nr. A 250. Siehe auch: Lubo-Lesničenko 1994, 73–74; Simo-nenko 2001a, 59, Nr. 2).

In der geographischen Tradition der Antike nach Herodot blieben die Wolga und Nordzentral-asien unbekannt. Im Gegensatz zu früheren Auto-ren verfügt der römische Geograph Claudius Ptole-maios (ca. 100–170 n. Chr.) über erstaunlich genaue Informationen zur Geographie der nordkaspischen Steppen und des Süduralgebietes; er erwähnt explizit die Wolga (Rha), dann auch als erster west-licher Autor den Ural (Daix) und die Emba (Iastos. Ptolemaios, Geographia VI 14,1 ff.). Diese Angaben sind auf die florierenden Handelsverbindungen zwischen dem pontisch-kaspischen Raum und Mit-telasien sowie China zurückzuführen. Ptolemaios ist darüber hinaus auch über die transkontinentale Seidenstraße über den Iran und Mittelasien infor-miert. Sein Gewährsmann für diese Strecke, Mari-nos aus Tyros, der sich auf einen kaufmännischen Reisebericht stützt (ca. 100 n. Chr.), kennt die Stadt Sera als Endpunkt der Seidenstraße (Ptolemaios, Geographia I 11,3–6 und VI 13,1).

KUNST- UND TECHNOLOGIETRANSFER AN DER SEIDENSTRASSE

Die nördliche Seidenstraße wurde vielfach mit dem immer noch kaum erforschten Oxos-Kolchis-Handelsweg verbunden. Zahlreiche Beweise gibt es für die Kontakte zwischen Zentren entlang der südlichen Seidenstraße und dem pontisch-kaspi-schen Raum. Die Kunstgüter aus dem parthischen Iran wurden an die Völker an der nördlichen Route weitergereicht. Festzustellen sind zugleich starke Rückwirkungen und Impulse seitens der Noma-den, die in vielen Aspekten die Kulturen West- asiens bereicherten. Insgesamt wird deutlich fass-bar, dass die an den verschiedenen Zweigen der Seidenstraße gelegenen Kulturzentren miteinan-der verbunden waren und dass Handelskontakte einen intensiven Kunst- und Technologietrans-fer ermöglichten. Dies gilt für verschiedene Kate-gorien von Objekten (Olbrycht 2012). Im Folgen-den wird auf einige aussagekräftige Beispiele und ihren jeweiligen Kontext verwiesen.

zur Entwicklung weitreichender Handelsbezie-hungen des Han-Reiches zu den nomadischen Gebieten Westturkestans zu liefern, die die Exis-tenz der sogenannten Nordroute über die Steppe eindeutig belegen. So informiert das Hanshu 96A über zwei aus China nach Westen führende Handelsrouten (Hulsewé 1979, 72–73): Eine – die sogenannte südliche Route – verlief von Yar-kand zu den Da Yuezhi (in Baktrien) und Anxi (Parthien. Posch 1998, 360). Die zweite, nördliche Route führte von Turfan über das Gebirge Cong-ling bis Dayuan (Ferghana), Kangju (Gebiet am Syrdarja) und Yencai (Hulsewé 1979, 72–73. Siehe Lubo-Lesničenko 1988, 364 und 370–373; 1994, 232 ff.). Die Yencai sind mit den Oberen Aorsern im Bereich vom Aralsee bis zum nordkaukasi-schen Raum zu identifizieren (Olbrycht 1998, 135, 211–12).

Nach China wurden Felle aus dem Südural-gebiet, wollene Textilien und Glaswaren aus dem Mittelmeerraum importiert (Lubo-Lesničenko 1988, 356). Zudem wurde Bernstein aus Mitteleu-ropa nach Mittelasien verhandelt (de la Vaissière 2005, 39). Ein wichtiger Beweis für die Kontakte zwischen China und dem nordpontischen Raum ist der bekannte Fund von 16 bosporanischen Münzen aus der Dschungarei (zentralasiatische Beckenlandschaft im heutigen China; Diehl 1923, 441–449). Die Schlussmünze stammt aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. Von Bedeutung sind als Zeug-nisse eines Fernhandels chinesische Spiegel, die in Ferghana seit dem ausgehenden 2. Jahrhundert v. Chr. begegnen. Im pontisch-kaspischen Step-pengebiet wurden chinesische Spiegel (und ihre Nachahmungen) an vielen Orten gefunden; der zahlenmäßige Schwerpunkt liegt am Unterlauf der Wolga, am Don und im Kubangebiet (Guguev/Ravich/Treister 1991, 32–50; Гугуев/Трейстер 1995, 153; Skripkin 2003).

Bekanntlich wurden chinesische Seidentexti-lien nach Westen eingeführt. In einem bospora-nischen Grab des 1. Jahrhunderts n. Chr. bei Pan-tikapaion sind Fragmente eines Seidentextils gefunden worden. Chinesische Gewebe aus Seide sind ferner in Sowetskoe an der unteren Wolga in einem Inventar aus spätsarmatischer Zeit belegt (Lubo-Lesničenko 1988, 371). Schließlich wur-den im sarmatischen Grab in Sokolova Mogila

Kontakte zwischen dem Süduralgebiet und Mit-telasien wurden durch die saisonalen Wanderun-gen der Nomaden wesentlich erleichtert: Die Win-termonate verbrachten die Nomaden auf dem Ustjurt-Plateau und in der Nähe des Aral- sowie des Sarykamyschsees (Gorbunova 1993/1994). Die Rolle der regionalen Hauptvermittler des Han-dels und Kulturaustauschs übernahmen die Cho-resmier (Yagodin 2010).

In der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. beginnen die chinesischen Annalen Angaben

8a Dolchgriff. Grab IV von Tillja Tepe. Zweites Viertel des 1. Jahrhunderts n. Chr. (Afghanisches Nationalmuseum, Kabul).

8b Dolchscheide. Grab IV von Tillja Tepe. Zweites Viertel des 1. Jahrhunderts n. Chr. (Afghanisches Nationalmuseum, Kabul).

86 87Marek Jan Olbrycht Die Geschichte der Seidenstraße in antiker Zeit

(70–36 v. Chr.) einen Ringknaufdolch in einer ver-zierten Scheide mit fünf Rundappliken (Abb. 13). Ähnliche Waffentypen wurden in Palmyra, Ara-bien (Delrue 2006) und im Bosporanischen Reich verwendet (vgl. die Chrestion-Stele Kat. Nr. I.7). Ringknaufdolche stammen als Waffentyp aus Ostzentralasien und China. Dolche und Schwer-ter mit Ringknauf wurden in Sarmatien, dem Iran und Westasien zu einem weit verbreiteten Bewaff-nungstyp. Er begegnet auch im Römischen Reich.

Insgesamt tritt deutlich hervor, dass bei den beschriebenen Beispielen nicht nur Rezep-tionsphänomene, sondern auch bewusste Aus-wahl der aus anderen Kulturen übernommenen Objekte mit ihrem Dekor wirksam sind. Erst aus dieser Perspektive werden die Objekte und ihre Kunstgestaltung zu Medien interkultureller Kom-munikation. Die oben genannten Phänomene – die Kunstobjekte aus Tillja Tepe, die parthischen Reliefs aus Olbia, Mele Heiram, Dura-Europos und Taschkent und die Scheiden mit vier Seiten-laschen sowie Dolche mit Ringknauf – spiegeln durch ihre Verbreitung in mannigfaltiger Weise das Netzwerk der Seidenstraße und ihrer Durch-gangsgebiete wider.

mit Vierlaschenscheide als Attribute der Eliten in verschiedenen Ländern Asiens verwiesen. Auf parthischen Münzen tritt der Dolch mit Vierla-schenscheide oft als königliches Attribut auf. So trägt der parthische Prinz aus Shami zwei Dolche in Scheiden mit jeweils vier Seitenlaschen (1. Jahr-hundert v. Chr. Abb. 12).

Diese Typen von Scheiden stammen ursprüng-lich aus dem Gebiet der nomadischen Pazyryk-Kultur und der Mongolei. Dolche mit vier Seiten-laschen bzw. vier runden Appliken sind aus Tillja Tepe in Westbaktrien bekannt (Grab IV aus dem zweiten Viertel des 1. Jahrhunderts n. Chr.). Aus der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. stammt ein Dolch mit Vierlaschenscheide, der in einer sar-matischen Grube im Kurgan von Dači bei Asow gefunden wurde. Ähnliche Scheiden sind ferner aus Gorgippia (wohl aus einer bosporanischen Werkstatt) und aus Mzkheta-Armazi, Grab 1, in Georgien bekannt (zweites Viertel des 2. Jahrhun-derts n. Chr. Brentjes 1993, 26–38; Skripkin 2005). Reich ornamentierte Scheiden mit Seitenlaschen bzw. Seitenappliken wurden oft in Verbindung mit Dolchen mit Ringknauf benutzt. Auf den Reliefs von Kommagene trägt der König Antiochos I.

schildern Szenen aus dem Hofleben der Arsaki-den. Demzufolge ist das Rhyton als Produkt höfi-scher Kunst in Parthien anzusehen. Denkbar ist, dass es als Geschenk an Kaufleute nach Olbia gelangte (2. – Anfang 3. Jahrhundert n. Chr.).

Die parthischen Platten aus Olbia gehören einem Fundhorizont an, dem ähnliche Objekte von ganz entfernten Orten zuzuordnen sind. Hier-bei muss eine spätparthische Figur aus Schasch-tepe bei Taschkent erwähnt werden (Filanovič 1986, 46–48). Für die Funde aus Olbia bilden jedoch kürzlich in Mele Heiram bei Serachs (Turkmenistan) entdeckte Statuetten die engs-ten Parallelen (Abb. 10. Kaim 2010). Ähnlichkei-ten zu den erwähnten Platten weisen darüber hin-aus zwei Reliefs auf spätparthischen Gefäßen des Typs „Green glazed pottery“ aus Dura-Europos auf, die einen parthischen Herrscher darstellen (Abb. 11. Toll 1943, Abb. 3, H 1931.473; I 1938.4868, 1934.608.b). Ihre Komposition ist identisch mit jener auf der Platte aus Olbia.

WaffentransferBesonders markant zeichnet sich der Waffen-

transfer vor dem Hindergrund der Verkehrsadern der Seidenstraße ab. Es sei hierbei auf Dolche

Cambon/Jarrige 2010, 56–63). Es sei hierbei auf chinesische Spiegel, eine Münze des Tiberius aus Lugdunum (Lyon), eine indische Münze (1. Jahr-hundert n. Chr.), römische Gemmen und Münzen der Arsakiden verwiesen. Bei Kunstgegenstän-den sind indische, hellenistische, baktrische und nomadische Komponenten eindeutig festzustel-len. An erster Stelle ist der polychrome Tierstil zu nennen. Vergleichbare Kunstobjekte wie in Tillja Tepe wurden in sarmatischen Gräbern in Porogi (am Dnjestr), in Dači und Kobjakovo, Kurgan 10 (am Don), in Nikolskoe, Grab 12 (an der unteren Wolga), in Ust Labinskaia, Grab 35 (am oberen Kuban) und in Sisian (Armenien) ausgegraben (Mordvintseva 2010, 191–204; Khachatryan 2011). All diese Funde illustrieren weitreichende Kunst-einflüsse und kulturelle Verbindungen entlang der großen Verkehrsadern zwischen Mittelasien, dem Iran und dem pontisch-kaspischen Raum.

Parthische Elfenbein- und KnochenobjekteWährend der Ausgrabungen in Olbia hat man

1906 vierzehn Elfenbeinplatten aus der Verklei-dung eines Rhytons gefunden (Seipel 1996, 397, Nr. 73). Auf einer der Platten ist ein parthischer König dargestellt (Abb. 9). Die sonstigen Platten

9 Parthische Elfen-beinplatte aus Olbia mit Königsdarstel-lung. 2. – Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr.

10 Parthische Kno-chenplatte aus Mele Heiram (Turkmenis-tan) mit Königsdar-stellung. 2. – Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr. (Kunstmu-seum. Aschchabad, Turkmenistan).

11 Darstellungen eines Herrschers auf parthischen Gefäßen aus Dura Europos (Syrien). 2. – Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr.

12 Rechte Seite der Bronzefigur des parthischen Prinzen von Shami mit Dolchdarstellung. 1. Jahrhundert v. Chr. (Nationalmuse-um Tehran, Iran).

13 Dolch des Antio-chos auf dem soge-nannten Dexiosis-Relief. Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. (Arsameia, Komma-gene, Türkei).