Rogger, M. B. Kohl, H. Pirkl, M. Hofer, R. Kirnbauer, R. Merz, J. Komma, A. Viglione, G. Blöschl...

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originalarbeit HOWATI – HochWasser Tirol – Ein Beitrag zur Harmonisierung von Bemessungshochwässern in Österreich M. Rogger 1 , B. Kohl 2 , H. Pirkl 3 , M. Hofer 4 , R. Kirnbauer 1 , R. Merz 5 , J. Komma 1 , A. Viglione 1 , G. Blöschl 1 1. Kurzfassung/Summary Im Bereich des Flussbaus werden die Hoch- wasserdurchflüsse einer bestimmten Jähr- lichkeit in der Regel durch hochwassersta- tistische Methoden ermittelt, im Bereich der Wildbach- und Lawinenverbauung hin- gegen durch Niederschlags- Abflussmo- delle. Da die beiden Methoden oft stark un- terschiedliche Ergebnisse liefern, ist eine Harmonisierung wünschenswert. Aus die- sem Grund initiierten der Hydrographische Dienst Tirol und der Forsttechnische Dienst für Wildbach- und Lawinenverbau- ung Sektion Tirol das HOWATI Projekt mit dem Ziel, die Ursachen für die Unter- schiede der Methoden zu verstehen. Zehn Leiteinzugsgebiete wurden ausgewählt und in Feldbegehungen das oberflächliche Abflussverhalten und die hydrogeologi- schen Situation genau aufgenommen. Die Hochwasserdurchflüsse wurden sodann mit dem Niederschlags-Abflussmodell Ze- mokost und mit statistischer Langzeitsimu- lation (Monte Carlo) berechnet. Die Unter- schiede der Methoden lassen sich vorwiegend damit erklären, dass die Wahl eines plausiblen Niederschlagsinputs ent- scheidend ist, um die Hochwasserwerte mit dem Abflussmodell nicht zu überschät- zen und dass in Gebieten mit großer Spei- cherfähigkeit die statistische Verteilungs- funktion einen Knick haben kann, der zu wesentlich höheren Hochwasserwerten führt als die übliche Pegelstatistik. Die Er- kenntnisse aus den Leiteinzugsgebieten wurden in eine flächendeckende Auswer- tung für ganz Tirol übernommen. HOWATI – HochWasser Tirol: Floods in Tyrol – A contribution to the harmonisa- tion of design floods in Austria Summary: Flood flows of a certain re- turn period are normally determined by use of flood statistics when needed for the purposes of river engineering, but precipitation-runoff models are used for torrent and avalanche control. Since the two methods tend to yield significantly different results, harmonisation is desir- able so as to reconcile the difference. is is the reason why the Hydrographic Service of Tyrol and the Forestry Service for Torrent and Avalanche control of Ty- rol have launched the HOWATI project with the aim of understanding the rea- sons why the two methods differ. e project began with a detailed field re- connaissance in ten representative catchment areas to establish in detail the surface runoff patterns and hydro geo- logical situations. e flood flows were then calculated using the Zemokost pre- cipitation-runoff model and statistical long-term simulation (Monte Carlo). e differences between the two meth- ods can mainly be explained by the sig- nificance of what plausible precipitation input is selected so as not to overesti- mate flood values in the use of the runoff model as well as by the fact that the sta- tistical distribution function for regions of great storage capacity may show a knee, which results in much higher flood values than the usual gauge statistics do. e results obtained from the represent- ative catchments have been used as a ba- sis for a region-wide interpretation across the province of Tyrol. 2. Einleitung Integriertes Hochwassermanagement baut wesentlich auf eine zuverlässige Bestim- mung von Hochwasserdurchflüssen einer bestimmten Jährlichkeit auf. Sowohl im Flussbau als auch in der Wildbach- verbauung sind sie eine wichtige Grund- lage für die Bemessung von Schutzbauten und die Ausweisung von Gefahrenzonen. In der Praxis werden die Hochwasser- durchflüsse mit verschiedenen Methoden berechnet (Blöschl und Merz, 2008). Im Bereich des Flussbaus werden die Hoch- wasserdurchflüsse HQ T in der Regel durch statistische Auswertungen langer Hoch- wasserbeobachtungsreihen ermittelt. Im Bereich der Wildbach- und Lawinenver- bauung werden die HQ T in der Regel durch Faustformeln, Geländebegehungen und Niederschlags-Abflussmodelle ermittelt. Der statistische Ansatz hat den Vorteil, dass die Jährlichkeit des berechneten Durchflusses klar angegeben werden kann und die Prozesse im Gebiet integrativ be- rücksichtigt werden. Die Niederschlags- Abflussmodellierung hat den Vorteil, dass auf die lokale hydrologische Situation im Detail eingegangen werden kann und keine Abflussdaten erforderlich sind. Dies ist insbesondere für kleine Gebiete wichtig. Wendet man die verschiedenen Me- thoden auf ein und dasselbe Einzugs- gebiet an, dann ergeben sich in vielen Abb. 1: HOWATI – Informationstransfer zwischen den Leiteinzugsgebieten und den flächendeckenden Auswertungen für Tirol. Leiteinzugs- gebiete Hydrogeologische Detailbeurteilung Flächen- deckende Auswertungen Hydrogeologische Beurteilung Regionale HQ Statistik (Topkringing) Beurteilung von Beeinflussungen Regionale N-verteilung Experten- einschätzung Daten- kontrolle Monte Carlo Simulationen Stochastische N-modellierung Konti- nuierliches NA Modell Zemokost regionale Einordnung Extrapolation der HQ Statistik Interpretation Hydrogeologie Hydro- tope 7-8/2011 öwaw 153 © Springer-Verlag

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HOWATI – HochWasser Tirol – Ein Beitrag zur Harmonisierung von Bemessungshochwässern in Österreich

M. Rogger1, B. Kohl2, H. Pirkl3, M. Hofer4, R. Kirnbauer1, R. Merz5, J. Komma1, A. Viglione1, G. Blöschl1

1. Kurzfassung/Summary

Im Bereich des Flussbaus werden die Hoch-wasserdurchflüsse einer bestimmten Jähr-lichkeit in der Regel durch hochwassersta-tistische Methoden ermittelt, im Bereich der Wildbach- und Lawinenverbauung hin-gegen durch Niederschlags- Abflussmo-delle. Da die beiden Methoden oft stark un-terschiedliche Ergebnisse liefern, ist eine Harmonisierung wünschenswert. Aus die-sem Grund initiierten der Hydrographische Dienst Tirol und der Forsttechnische Dienst für Wildbach- und Lawinenverbau-ung Sektion Tirol das HOWATI Projekt mit dem Ziel, die Ursachen für die Unter-schiede der Methoden zu verstehen. Zehn Leiteinzugsgebiete wurden ausgewählt und in Feldbegehungen das oberflächliche Abflussverhalten und die hydrogeologi-schen Situation genau aufgenommen. Die Hochwasserdurchflüsse wurden sodann mit dem Niederschlags-Abflussmodell Ze-mokost und mit statistischer Langzeitsimu-lation (Monte Carlo) berechnet. Die Unter-schiede der Methoden lassen sich vorwiegend damit erklären, dass die Wahl eines plausiblen Niederschlagsinputs ent-scheidend ist, um die Hochwasserwerte mit dem Abflussmodell nicht zu überschät-zen und dass in Gebieten mit großer Spei-cherfähigkeit die statistische Verteilungs-

funktion einen Knick haben kann, der zu wesentlich höheren Hochwasserwerten führt als die übliche Pegelstatistik. Die Er-kenntnisse aus den Leiteinzugsgebieten wurden in eine flächendeckende Auswer-tung für ganz Tirol übernommen.

HOWATI  –  HochWasser Tirol: Floods in Tyrol – A contribution to the harmonisa-tion of design floods in Austria

Summary: Flood flows of a certain re-turn period are normally determined by use of flood statistics when needed for the purposes of river engineering, but precipitation-runoff models are used for torrent and avalanche control. Since the two methods tend to yield significantly different results, harmonisation is desir-able so as to reconcile the difference. This is the reason why the Hydrographic Service of Tyrol and the Forestry Service for Torrent and Avalanche control of Ty-rol have launched the HOWATI project with the aim of understanding the rea-sons why the two methods differ. The project began with a detailed field re-connaissance in ten representative catchment areas to establish in detail the surface runoff patterns and hydro geo-logical situations. The flood flows were then calculated using the Zemokost pre-

cipitation-runoff model and statistical long-term simulation (Monte Carlo). The differences between the two meth-ods can mainly be explained by the sig-nificance of what plausible precipitation input is selected so as not to overesti-mate flood values in the use of the runoff model as well as by the fact that the sta-tistical distribution function for regions of great storage capacity may show a knee, which results in much higher flood values than the usual gauge statistics do. The results obtained from the represent-ative catchments have been used as a ba-sis for a region-wide interpretation across the province of Tyrol.

2. Einleitung

Integriertes Hochwassermanagement baut wesentlich auf eine zuverlässige Bestim-mung von Hochwasserdurchflüssen einer bestimmten Jährlichkeit auf. Sowohl im Flussbau als auch in der Wildbach-verbauung sind sie eine wichtige Grund-lage für die Bemessung von Schutzbauten und die Ausweisung von Gefahrenzonen. In der Praxis werden die Hochwasser-durchflüsse mit verschiedenen Methoden berechnet (Blöschl und Merz, 2008). Im Bereich des Flussbaus werden die Hoch-wasserdurchflüsse HQ

T in der Regel durch

statistische Auswertungen langer Hoch-wasserbeobachtungsreihen ermittelt. Im Bereich der Wildbach- und Lawinenver-bauung werden die HQ

T in der Regel durch

Faustformeln, Geländebegehungen und Niederschlags-Abflussmodelle er mittelt. Der statistische Ansatz hat den Vorteil, dass die Jährlichkeit des berechneten Durchflusses klar angegeben werden kann und die Prozesse im Gebiet integrativ be-rücksichtigt werden. Die Niederschlags-Abflussmodellierung hat den Vorteil, dass auf die lokale hydrologische Situation im Detail eingegangen werden kann und keine Abflussdaten erforderlich sind. Dies ist insbesondere für kleine Gebiete wichtig.

Wendet man die verschiedenen Me-thoden auf ein und dasselbe Einzugs-gebiet an, dann ergeben sich in vielen

Abb. 1: HOWATI – Informationstransfer zwischen den Leiteinzugsgebieten und den flächendeckenden Auswertungen für Tirol.

Leiteinzugs-gebiete

Hydrogeologische Detailbeurteilung

Flächen- deckende

Auswertungen

Hydrogeologische Beurteilung

Regionale HQ Statistik (Topkringing)

Beurteilung von Beeinflussungen

Regionale N-verteilung

Experten-einschätzung

Daten- kontrolle

Monte Carlo Simulationen

Stochastische N-modellierung

Konti- nuierliches NA Modell

Zemokost regionale Einordnung

Extrapolation der HQ Statistik

Interpretation Hydrogeologie

Hydro-tope

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Fällen sehr unterschiedliche Resultate. Oft liefert die Niederschlags-Abflussmo-dellierung wesentlich größere Durch-flüsse als die Hochwasserstatistik. Aus diesem Grund ist eine Harmonisierung der Vorgangsweise als vorteilhaft anzuse-hen (Rudolf-Miklau und Sereinig, 2009). Im Zuge der Umsetzung der Hochwasser-richtlinie gewinnt diese Frage besonders an Dringlichkeit. Der Hydrographische Dienst Tirol und der Forsttechnische Dienst für Wildbach- und Lawinenver-bauung Sektion Tirol initiierten deshalb das Projekt HOWATI. Ziel des Projektes

war es, die Unterschiede in den Metho-den für Tirol zu erklären und damit einen Beitrag zur Harmonisierung der Bestim-mung der Hochwasserdurchflüsse für Be-messungszwecke in Österreich zu leisten.

Die grundlegende Vorgangsweise des Projektes bestand darin, die zwei unter-schiedlichen Ansätze (Pegelstatistik, Nie-derschlags-Abflussmodellierung) vom Prozessverständnis her zusammenzufüh-ren. Es wurde nicht als sinnvoll angesehen, für alle kleinen Gebiete in Tirol Nieder-schlags-Abflussuntersuchungen durchzu-führen, sondern sich vielmehr auf einige

Gebiete vertieft zu konzentrieren, um da-durch besser zu verstehen, worin die Un-terschiede in den beiden Ansätzen liegen. Deshalb wurde eine zweigeteilte Vor-gangsweise gewählt (Abb. 1). Zum einen wurden detaillierte Untersuchungen für eine kleine Anzahl von Leiteinzugsgebie-ten angestellt. Zum anderen wurden flä-chendeckende Auswertungen für das ge-samte Gebiet von Tirol durchgeführt. Die Leiteinzugsgebiete dienten dazu als typi-sche Fälle im Detail aufzuzeigen, wie die Abflussprozesse mit den beiden Methoden erfasst werden. Zehn alpine Einzugsge-biete wurden ausgewählt (Abb. 2, Abb. 3). In allen Gebieten wurden genaue hydrolo-gische und hydrogeologische Geländeauf-nahmen durchgeführt, um die Abflusspro-zesse im Hochwasserfall zu verstehen. Um die verschiedenen Methoden zur Bestim-mung der Hochwasserdurchflüsse (in die-sem Fall HQ

100 Werte) zu vergleichen,

wurde einerseits das Ereignisabflussmo-dell Zemokost eingesetzt und andererseits ein Monte Carlo Ansatz gewählt, bei dem die Pegelstatistik mit Hilfe einer langfristi-gen Abflussmodellierung bestimmt wird. Beide Methoden wurden getrennt ange-wandt und die Ursachen der Unterschiede analysiert. Entscheidend war dabei her-auszufinden, aus welchen Gründen die Niederschlags-Abflussmodellierung an-dere (meist größere) Hochwasserdurch-flüsse als die Hochwasserstatistik ergibt. Damit werden Argumente für eine Ent-scheidung gefunden, wie die Bemessungs-werte im Einzelfall anzunehmen sind.

Die Erkenntnisse über die Unter-schiede in der Wahl der HQ

100 Werte in den

Leiteeinzugsgebieten wurden in einem weiteren Schritt für die flächendeckenden Auswertungen für ganz Tirol verwendet. Als Grundlage für die flächendeckenden Auswertungen dienten die im HORA Pro-jekt (Merz et al. 2008) bestimmten Werte.

Abb. 2: Leiteinzugsgebiete im Projekt HOWATI

Name Größe (km2)

1 Wattenbach 73

2 Weerbach 72,8

3 Stampfangerbach 20,9

4 Teischnitzbach 14,2

5 Trisanna 97,6

6 Navisbach 61,5

7 Walchentaler Bach 3,9

8 Debantbach 56,8

9 Hornbach 64,0

10 Längentalbach 9,2

Abb. 3: Drei der Leiteinzugsgebiete des HOWATI Projektes.

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Besonderes Augenmerk lag im HOWATI Projekt auf den unbeobachteten Einzugsge-bieten und der regionalen hydrogeologi-schen und meteorologischen Interpretation.

3. Hydrogeologische Bewertung

3.1. Leiteinzugsgebiete

Ziel der hydrogeologischen Bewertung in den Leiteinzugsgebieten war eine Ein-schätzung der unterirdischen Abfluss-prozesse, die als Grundlage für die Ab-flussmodellierung diente. Wichtig dabei ist die Unterscheidung zwischen ober-flächlichem, seichtgründigem und tief-gründigem Abfluss, da dadurch die Speicherfähigkeit des Gebietes in den Modellen besser erfasst werden kann. Um diese Abflussprozesse beschreiben zu können, wurde eine Methodenkombina-tion aus Hydrogeologie und Geomorpho-logie entwickelt und in zahlreichen Klein-einzugsgebieten getestet und verbessert (Pirkl, 2000, Pirkl, 2003). Damit werden die Hauptabflussprozesstypen in Abhän-gigkeit von der Untergrundsituation be-schrieben. Differenziert werden dabei:■■ überwiegend Oberflächenabfluss (auf

Fels, auf Firn/Eis, auf dichten Flächen)■■ überwiegend seichtgründiger Zwi-

schenabfluss■■ überwiegend tiefergründiger Zwi-

schenabfluss■■ überwiegend tiefgründiger Abfluss

Diese Methode wurde bereits im Zuge der Nachbearbeitung des Hochwassereignis-ses 2005 im Paznaun (Kohl et al. 2008) für das gesamte Trisanna-Einzugsgebiet (>400 km²) angewandt.

Im HOWATI Projekt wurde zunächst eine gezielte Auswertung vorhandener

geologischer Karten, Orthofotos und des digitalen Höhenmodells durchgeführt. Die jeweiligen Informationen (Fest-/Lo-ckergesteine, geomorphologische Phäno-mene, aktuelles Abflusssystem/hydro-geologische Situation) wurden zu den Hauptabflussprozesstypen zusammenge-führt (Abb. 4). Eine wichtige Informations-schnittstelle bildete die Auswertung und Darstellung des aktuellen Gerinnennetzes (Bäche, Kleingerinne, Quellen). Die Kont-rolle der Auswertungen erfolgte mit Über-sichtsbegehungen. Zur Plausibilisierung wurden hierbei zusätzlich gezielte Abfluss-messungen in den jeweiligen Einzugsge-bieten herangezogen. Der Vergleich der Abflussspenden wurde dabei der Gebiets-charakteristik, die aus der Karte der unter-grundabhängigen Abflussprozesse abge-leitet wurde, gegenübergestellt.

Diese Auswertungen wurden für die zehn Leiteinzugsgebiete (Abb. 2) durchge-

führt. Als Beispiel für die Karten der unter-grundabhängigen Abflussprozesstypen ist in Abb. 5 ein Ausschnitt aus dem Weer-bachtal dargestellt. Die Flächendifferen-zierung nach den untergrundabhängigen Abflussprozesstypen stellt auf dieser Ar-beitsebene eine qualitative bis semiquan-titative Aussage dar. Diese Informationen wurden als Basisinformationen in die Nie-derschlags-Abflussmodellierungen über-nommen. Im ereignisbezogenen Modell Zemokost wurden Flächen-Prozent pro Einzugsgebiet von Flächen mit mögli-chem Rückhaltevermögen in die Berech-nung einbezogen. Für die kontinuierliche Niederschlags-Abflussmodellierung in den Leiteinzugsgebieten wurden die In-formationen der untergrundabhängigen Abflussprozesstypen sowohl für die natur-räumliche Gliederung als auch für die Plausibilisierung der jeweiligen Speicher-Charakteristik im Modell eingesetzt.

3.2. Flächendeckende Auswertungen für Tirol

Auf der regionalen Ebene wurden im HOWATI Projekt flächendeckende Aus-wertungen für ganz Tirol durchgeführt in die ebenfalls geologisch-hydrogeologi-sches Fachwissen auf mehreren Ebenen eingebracht wurde:■■ Umsetzung der Erfahrungen aus den

Leiteinzugsgebieten - Leiteinzugsge-biet als Typus für eine größere Region

■■ Interpretation geologisch-hydrogeolo-gischer Übersichtskarten und kompila-torischer Karten, wie z.B. der Darstel-lung der Lockersedimentverteilungen (nach Lithologie und Genese; Heinrich et al. 2008)

Abb. 4: Schema der Ableitung von Hauptabflussprozesstypen aus Geologie, Hydrogeologie und Geomorphologie

Abb. 5: Ausschnitt aus dem Weerbachtal. Links: Orthofoto mit der Auswertung geomorphologischer Phänomene (rote Linien - Ausstriche von Hangbewegungszonen). Rechts: Ausschnitt aus der Karte der untergrundabhängigen Abflussprozesstypen.

Geologische Kartierung

Lockersedimente tiefgründige Felsauflockerung

Feuchtflächen, Moore

Gerinnesysteme

Flächen mit tiefgründigem

Abfluß Typ 3

Flächen mit überwiegendem Zwischenabfluß

Typ 2

Flächen mit überwiegendem

Oberflächenabfluß Typ 1

Geomorphologische Kartierung

Hydrogeologische Kartierung

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■■ Diskussion des Erfahrungswissens aus der regionalen Geologie

Hauptschnittstelle waren dabei die aus der Pegelstatistik abgeleiteten Abfluss-spenden-Diagramme, die für alle Einzugs-gebiete bis in den Oberlauf berechnet wurden. Neben der Prüfung der rechneri-schen Plausibilität dieser Abflussspenden wurde der Vergleich der geologischen Si-tuation benachbarter Einzugsgebiete hin-sichtlich ähnlicher oder unterschiedlicher Speicherfähigkeit des Untergrundes zur Diskussion herangezogen.

4. Ereignismodellierung mit Zemokost

Die erste Einschätzung der HQ100

Werte erfolgte mit dem deterministischen Ereignis-basierten Niederschlags-Abfluss-modell Zemokost. Das Zemokost Modell ist ein vom Bundesforschungs- und Aus-bildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft (BFW) entwickeltes Mo-dell zur Abschätzung von Hochwasser-abflüssen in Wildbacheinzugsgebieten ohne Pegelmessung (Kohl, 2011). Eine der Annahmen des Modells besteht darin, dass die Jährlichkeit des Abflusses der Jährlichkeit des Niederschlags entspricht, und die Parameter werden entsprechend gewählt.

4.1. Niederschlags-Abflussmodellierung

Im Zemokost Modell wird die Abfluss-bildung und Abflusskonzentration neben topographischen Parametern durch Ab-flussbeiwerte und Oberflächenrauhigkei-ten beschrieben. Diese Parameter wurden mit Hilfe einer eigens entwickelten Gelän-deanleitung zur Abschätzung des Oberflä-chenabflusses (Markart et al. 2004) beru-hend auf Vegetations-und Bodeneigen- schaften für jedes Leiteinzugsgebiet in Feldbegehungen bestimmt. Abbildung 6 zeigt die Karten des Abflussbeiwerts und der Oberflächenrauhigkeit am Beispiel des Weerbachs.

Als Oberflächenabflussbeiwert ver-steht sich hierbei das Verhältnis Oberflä-chenabfluss zu einem Niederschlag der Intensität 100 mm/h, unter „realistisch ungünstigen Abflussbedingungen“ abge-leitet aus zahlreichen Beregnungsversu-chen (Markart et al. 2004). Weiters berück-sichtigt das Zemokost Modell den Anstieg des Oberflächenabflussbeiwertes mit zu-nehmender Niederschlagsintensität. Ne-ben dem Oberflächenabfluss können Hochwasser maßgeblich von untergrund-abhängigen Abflussprozessen gesteuert sein (Abb. 5). Die hydrogeologische Be-wertung lieferte die Grundlagen zur Para-metrisierung der Zwischenabflusspro-

zesse für alle Leiteinzugsgebiete. Als Input für die Modellierung eines HQ

100 wurde

ein Niederschlagswert mit einer Jährlich-keit von 100 verwendet. Im Rahmen dieser Untersuchungen wurden alle drei in Ös-terreich verfügbaren Niederschlagsdaten-sätze eingesetzt. Zu diesen Daten gehören die ÖKOSTRA Daten, die maximierten Modellniederschläge (MaxModN) und die neu interpolierten Bemessungsnieder-schläge. Auf Basis dieser Niederschläge wurden für alle Leiteinzugsgebiete HQ

100

Werte berechnet und verglichen.

4.2. Plausiblisierung der Abflusssimulationen

Zemokost ist für die Abschätzung der Hochwasserdurchflüsse in Einzugsgebie-ten ohne Abflussbeobachtungen konzi-piert. Im Projekt HOWATI erfolgte daher die Bearbeitung mit Zemokost so, als ob keine Abflussmessungen vorhanden wä-ren. In unbeobachteten Einzugsgebieten kann meist weder eine eindeutige Bestäti-gung der Modellergebnisse noch eine zweifelsfreie Falsifizierung erfolgen. Umso mehr muss einer Plausibilisierung der Er-gebnisse eine hohe Bedeutung beigemes-sen werden. Zur Überprüfung der Zemo-kost - Modellergebnisse wurden daher im HOWATI Projekt folgende Wege einge-schlagen:■■ Beurteilung der Bachcharakteristik,

Bewertung von „stummen Zeugen“, Analyse, Einbeziehung der Ereignisch-ronik und Aussagen der ortsansässigen Bevölkerung.

■■ Vergleich zwischen modelliertem Basi-sabfluss und beobachteten, geschätz-ten oder gemessenen Abflüssen zum Zeitpunkt der Geländeaufnahmen un-ter Beachtung unterschiedlicher Ab-flussregime.

■■ Vergleich von Fließgeschwindigkeiten des modellierten Basisabflusses mit beobachteten, geschätzten oder ge-messenen Geschwindigkeiten an Ab-flussprofilen (Abb. 7).

■■ Gegenüberstellung der modellierten Spitzenabflüsse für die Bemessung mit geschätzten Hochwasserspitzen an Ge-rinneprofilen.

■■ Vergleich der simulierten Fließge-schwindigkeiten des Spitzenabflusses mit anderen Fließformelansätzen an Abflussprofilen.

■■ Gegenüberstellung der modellierten Spitzenabflüsse für die Bemessung mit Ergebnissen empirischer Hochwasser-formeln.

■■ Vergleich der modellierten Konzentra-

Abb. 6: Abflussbeiwerte (AKL) und Oberflächenrauigkeiten (RKL) Leiteinzugsgebiet Weerbach.

RKL csehr glatt

ziemlich glattetwas glattetwas rauh

sehr rauhziemlich rauh

AKL Ψ100%0

0-1010-3030-5050-7575-100

100

Abb. 7: Vergleich beobachteter aktueller Abflüsse und möglicher, maximaler Abflüsse mit den Modellergebnissen.

Abflussprofil

Profilbreite (m) Profilbreite (m)

Flie

ßti

efe

(m)

Flie

ßti

efe

(m)

Abflussprofil

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tionszeit mit empirischen Fließzeitan-sätzen.

■■ Vergleich der Modellrechnung mit Ab-flussspitzen (höchstes beobachtetes Hochwasser HHQ) benachbarter ge-messener Einzugsgebiete (Hydrogra-phisches Jahrbuch) und Hochwasser-durchflüsse aus Regionalisierungen (z.B. HORA, Merz et al. 2008).

Nach der Ermittlung der HQ100

Werte wurde für alle Leiteinzugsgebiete versucht die jeweils zwei größten Abflussereignisse mittels Blockniederschlägen und räumli-cher Flächenabminderung nachzurech-nen. Es wurde nach Blockniederschlägen gesucht, die bei gleicher beobachteter Regensumme eine ähnliche Abflussspitze im Modell erzeugen. Obwohl Regendauer und Intensität dabei Differenzen aufwie-sen, konnten mit dem Zemokost Modell meist plausible Abflussganglinien simu-liert werden (Abb. 8).

Die Abschätzungen mit dem Zemokost Modell zeigten vor allem, dass die Wahl ei-nes plausiblen Niederschlagsinputs einen entscheidenden Einfluss auf das errech-nete HQ

100 hat. Für die meisten Gebiete

führen die neuen Bemessungsnieder-schläge mit Flächenabminderung zu plau-siblen HQ

100 Werten. Nur in den sehr

kleinen Gebieten können höhere Nieder-schläge plausibel sein, da konvektive Er-eignisse mehr zum Tragen kommen.

5. Stochastische Modellierungen (Monte Carlo)

5.1. Vorgangsweise

Als zweiter Ansatz wurden als Gegenstück zum Zemokost Modell die Hochwasser-wahrscheinlichkeiten mit Hilfe von Monte Carlo Simulationen berechnet. Dabei wur-den lange Niederschlagsreihen generiert und mittels eines kontinuierlichen Nie-derschlags-Abflussmodells in Abflussrei-hen umgewandelt, die dann extremwert-statistisch ausgewertet wurden. Der Vergleich der Pegelstatistik (Abb. 9 links), des Zemokost Modells auf Ereignisbasis (Abb. 9 rechts), und der Monte Carlo Simu-lationen (Abb. 9 Mitte) erlaubte es auf die Gründe der Unterschiede zwischen den Ergebnissen der Methoden zu schließen.

5.2. Kontinuierliches Niederschlags-Abflussmodell

Das verwendete Niederschlags-Abfluss-modell ist ein flächendetailliertes, kon-zeptionelles, kontinuierlich rechnendes

Wasserhaushaltsmodell auf Pixelbasis („soil moisture accounting scheme“, Resz-ler et al, 2006; Blöschl et al. 2008). Es besteht aus einer Schneeroutine, einer Bodenfeuchteroutine und einer Abfluss-routine. Die Schneeroutine beschreibt Schneeschmelze und –akkumulation mit Hilfe des Gradtagverfahrens. Abflussbil-dung und Änderungen in der Boden-feuchte werden in der Bodenfeuchterou-tine durch eine nicht lineare Funktion unter Berücksichtigung der maximalen Bodenfeuchte und Evapotranspiration

beschrieben. Die Abflussroutine stellt die Abflussbildung am Hang und im Gerinne durch eine lineare Speicherkaskade dar. Da es sich bei den modellierten Leitein-zugsgebieten um sehr kleine Gebiete han-delt, wurde eine sehr hohe räumliche und zeitliche Auflösung von 0,04 km2 pro Pixel und 15 min gewählt, damit die Hochwas-serspitzen möglichst gut vom Modell er-fasst werden können. Inputdaten für das Modell sind gemessene Niederschlags- und Temperaturdaten und berechnete po-tentielle Evapotranspirationsdaten.

Abb. 8: Zemokost Modellierung für den Weerbach.

Abb. 9: Übersicht über die Methoden zur Berechnung der Hochwasserdurchflüsse einer bestimmten Jährlichkeit HQT für die Leiteinzugsgebiete.

Pegelmess- reihe

kontinuierliches NA-Modell

Stochastisches Niederschlagsmodell

MC-Simulationen

Hochwasserstatistik

Vergleich Vergleich

Hochwasser-statistik

HQT HQT HQT

Bemessungs- niederschlag

Ereignis- basiertes

NA-Modell

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Die Parameter des Modells wurden auf Basis aller Gebietsinformationen wie beispielsweise Orthofotos, Landnutzungs-karten, Abflussbeiwertkarten und hydro-geologischen Abflussprozesskarten fest-gelegt. Bei der Wahl der Parameter der oberen Bodenspeicher kamen neben den Orthofotos und Landutzungskarten vor allem die Abflussbeiwertkarten zum Einsatz, die für die Zemokost Model-lierung in Feldbegehungen erhoben wurden (siehe Kap 3). die Wahl der Para-meter der Grundwasserspeicher beruhte auf den eigens für das HOWATI Projekt er-hobenen hydrogeologischen Abflusspro-zesskarten (siehe Kap 2). In Abbildung 10 ist als Beispiel die hydrogeologische Abfluss prozesskarte des Weerbachs dar-gestellt. Die Abflussprozesskarten geben Aufschluss über die zum Hochwasserab-fluss beitragenden Flächen, sowie die Rückhalte- und Speicherpotentiale der Gebiete. Der Geländeschnitt in Abbildung 10 stellt exemplarisch dar, in welcher Tiefe die Abflussprozesse prinzipiell stattfin-den. Diese qualitative Einschätzung, stellt eine wertvolle Information über die domi-nanten Abflussprozesse in den unter-schiedlichen Teilen des Einzugsgebiets dar. In der Modellierung führt diese Infor-mation zu einer besseren Einschätzung unter welchen Bedingungen das Spei-chervermögen des Gebietes erschöpft ist und es zu einer Beschleunigung des Ab-flusses kommt. Eine quantitative Festle-gung der Parameterwerte der Hydrogeolo-gie erfolgte in einer Zusammenarbeit zwischen Hydrologen und Geologen.

Da in allen Piloteinzugsgebieten Pegel-messungen zur Verfügung standen, konnte das Modell durch den Vergleich der modellierten und beobachteten Daten plausibilisiert werden. Abbildung 11 zeigt die Simulationsergebnisse und Pegelmes-sungen für den Zeitraum April bis Oktober 1991. Wie die Ergebnisse zeigen, kann das Modell die zeitliche Dynamik der Abfluss-prozesse im Gebiet sehr gut nachbilden. Die Abflussscheitel werden zu einem gro-ßen Teil gut erfasst, wobei Über- und Un-terschätzungen der Scheitel hauptsäch-lich auf die Unsicherheiten in den gemessenen Niederschlägen zurückge-führt werden konnten.

5.3. Monte Carlo Simulationen

Das kalibrierte Abflussmodell wurde schließlich für Monte Carlo Simulationen über 10 000 Jahre eingesetzt. Zu diesem Zweck wurden zunächst 10 000 Jahre Nie-derschlag für jedes Leiteinzugsgebiet mit

Hilfe eines stochastischen Niederschlag-modells erzeugt. Das verwendete Modell (Sivapalan et al., 2005) beschreibt das Nie-derschlagsgeschehen basierend auf Mess-werten aus jedem Einzugsgebietes durch Parameter wie die Niederschlagsdauer, -in-tensität und die Pausen zwischen den Nie-derschlägen. Weiters wurden als Inputda-ten für die Monte Carlo Simulationen die Temperaturdaten und die berechneten Werte für die potentielle Evapotranspiration über 10 000 Jahre fortlaufend wiederholt.

Abbildung 12 zeigt das Ergebnis der Monte Carlo Simulationen für den Weer-bach in der die Jahresmaxima der generier-ten Abflussreihe statistisch ausgewertet wurden. Diese Auswertung stellt eine empi-rische Verteilungsfunktion dar, die über den Beobachtungsbereich hinaus extrapoliert. Für das Einzugsgebiet des Weerbaches er-gibt sich ein besonders interessantes Ergeb-nis. In diesem Fall weist die empirische Ver-teilungsfunktion nämlich einen deutlichen Knick auf, da bei einer Jährlichkeit von ca. 30 Jahren die Steigung der Funktion stark zunimmt. Bei höheren Jährlichkeiten flacht die Funktion wieder leicht ab, es ergibt sich

also ein näherungsweise S-förmiger Verlauf der Verteilungsfunktion.

Dieses Phänomen kann auf die große Speicherfähigkeit des Einzugsgebietes zu-rückgeführt werden. Die Speicherfähig-keit eines Gebietes, nämlich der Anteil des Niederschlags den das Gebiet aufnehmen kann und der nicht direkt zum Abfluss beiträgt, hängt stark von der hydrogeologi-sche Situation und der Landnutzung ab. Beide Faktoren wurden in dem Ab-flussmodell berücksichtigt. Auf Grund der großen Speicherfähigkeit des Gebietes entsteht bei größeren Ereignissen ein Schwellenwertprozess, d.h. bei größeren Niederschlagsereignissen kommt es gleichzeitig zu einem Überlaufen der gro-ßen Speicherflächen im Gebiet. Dadurch trägt plötzlich ein wesentlich größerer Teil des Einzugsgebietes zum Abfluss bei als bei kleinen Abflussereignissen. So-bald der größte Teil des Gebietes zum Abfluss beiträgt flacht die Verteilungs-funktion wieder etwas ab und ist nur mehr von der Zunahme des Niederschlages bestimmt. Durch diesen Prozess kann das HQ

100 wesentlich größer sein als der mit

der Pegelstatistik bestimmte Wert.

Abb. 10: Hydrogeologische Abflussprozesskarte und Geländeschnitt für das Weerbach Einzugsgebiet.

Abb. 11: Simulationsergebnisse und Beobachtungen Weerbach (April bis Oktober 1991).

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Ein derartiges Schwellenwertverhalten konnte bei drei von zehn Leiteinzugs-gebieten festgestellt werden. Bei den anderen Leiteinzugsgebieten extrapoliert die generierte Verteilungsfunktion nahezu linear über die Beobachtungsdaten hinaus.

6. Regionalisierung der Ergebnisse

Ein weiterer Projektsteil des HOWATI Projektes befasste sich mit der Regionali-sierung der HQ

100 Werte unter Berücksich-

tigung der Ergebnisse der Leiteinzugs- gebiete. Als Basis dafür dienten die HQ

100

Werte die im HORA Projekt (Merz et al. 2008) bestimmt wurden.

Die HQ100

Werte der Pegel wurden mit dem Top-Kriging Verfahren (Skøien et al., 2007), einer geostatistischen Interpolati-onsmethode, regionalisiert. Dieses Ver-fahren hat den Vorteil, dass es die Lage der Pegelstellen im Gewässernetz berücksich-tigt. Zusätzlich wurden die Gebietsfläche, der Jahresniederschlag, und die Retention durch Seen u. Speicher in die Analyse mit einbezogen. Die Erkenntnis über Schwel-lenwertprozesse in Gebieten mit großer Speicherfähigkeit die zu einem S-förmi-gen Verlauf der Verteilungsfunktion füh-ren kann, wurde durch Experteneinschät-zung ebenfalls mit berücksichtigt. Dazu wurde eine S-förmige Verteilungsfunktion definiert mit den Parametern bei welcher Jährlichkeit der Schwellenwertprozess auftritt und der Erhöhung der HQ

100 Werte

durch diesen Prozess. Diese Parameter wurden in Arbeitsgesprächen unter Ein-bezug der Geologie festgelegt. Es wurde dabei angenommen, dass die S-förmige Verteilungsfunktion unter folgenden Um-ständen auftritt:

■■ in Gebieten mit großem Speicherver-mögen des Untergrunds;

■■ eher in trockenen als in feuchten Ge-bieten (in feuchten Gebieten sind die Speicher öfter gefüllt);

■■ in Gebieten mit kleiner Abflussspende:■■ in Gebieten kleiner 200 km² (in größe-

ren Gebieten können sich verschie-dene Prozesse ausgleichen)

Die mittels Regionalisierung errechneten Werte wurden durch Spendendiagramme verschiedener Regionen verglichen und mit dem Forsttechnischen Dienst für Wildbach- und Lawinenverbauung Sek-tion Tirol und dem Hydrographischen Dienst Tirol abgestimmt. Abbildung 13 zeigt die Veränderung der HQ

100 Werte des

HOWATI Projektes im Vergleich zum HORA Projekt. Diese Unterschiede erge-ben sich aus der Einschätzung der hydro-geologischen und meteorologischen Situ-ation mit umfassenderen Informationen als im HORA Projekt. Die regionale Ein-schätzung ersetzt allerdings nicht eine De-tailstudie, die für die Bestimmung von HQ

100 Werten notwendig sein kann.

7. Zusammenschau und Schlussfolgerungen

7.1. Leiteinzugsgebiete und Regionalisierung

Ziel der Untersuchungen in den Leitein-zugsgebieten war es, die Ursache für die Unterschiede in den unterschiedlichen

Abb. 13: Verhältnis der HQ100 Werte nach HOWATI und der HQ100 aus der HORA Studie.

Abb. 12: Ergebnisse der Monte Carlo Simulationen im Vergleich mit Beobachtungs daten.

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originalarbeit

Methoden für die Berechnung von HQ100

Werten zu verstehen. In Abbildung 14 sind die Ergebnisse der unterschiedlichen HQ

100 Abschätzungen für alle 10 Leitein-

zugsgebiete abgebildet. Als Vergleich zu den neu berechneten Werten sind die HQ

100 Werte aus der Statistik (HORA Pro-

jekt) dargestellt, sowie Abschätzungen des HQ

100 mit dem Zemokost Modell unter

Verwendung der Bemessungsnieder-schläge und maximierten Modellnieder-schläge ohne Flächenabminderung. Wie sich in der Abbildung erkennen lässt, sind die in HOWATI mit den beiden Methoden berechneten Werte (Monte Carlo HOW-ATI, Zemokost HOWATI) deutlich ähnli-cher als die Ergebnisse anderer Metho-den. Diese Annäherung ergibt sich einerseits durch die Wahl eines plausi-bleren Niederschlaginputs für die ereig-nisbasierte Modellierung und anderer-seits vor allem für die Gebiete Weerbach, Wattenbach und Navisbach durch den S-förmigen Verlauf der Verteilungsfunk-tion. Bei einigen Gebieten liegen die Ab-schätzungen der Monte Carlo Simulatio-nen auch über jenen des HORA Projektes, da die Verteilungsfunktion linearer über den Beobachtungszeitraum extrapoliert. Das liegt, ebenso wie die S-förmige Form der Verteilungsfunktion, an der verbesser-ten Einschätzung der Speicherfähigkeit der Gebiete, die durch die genauen Informa tionen über die Hydrogeologie gut abgeschätzt werden konnte. Die zusätzli-chen Informationen über die Hydrogeolo-gie haben sich somit als besonders wert-voller Quelle für die hydrologische Modellierung herausgestellt und führten zu einer wesentlich vergrößerten Zuver-lässigkeit der berechneten Hochwasser-durchflüsse.

Die wesentlichen Erkenntnisses für die Leiteinzugsgebiete können folgenderma-ßen zusammengefasst werden: ■■ In Gebieten mit hoher Speicherfähig-

keit ist eine S-förmige Verteilungsfunk-tion möglich, was im Vergleich zur Hochwasserstatistik zu einer Erhöhung des HQ

100 führt.

■■ Die Ergebnisse der Ereignismodellie-rung reagieren auf den gewählten Nie-derschlagsinput sehr sensibel. Ein plausibler Niederschlagsinput ist in den meisten Fällen (außer sehr kleine Gebiete) der Bemessungsniederschlag mit Flächenabminderung.

■■ Hydrogeologische Informationen aus Feldbegehungen sind bei der Einschät-zung de Speicherfähigkeit eines Gebie-tes besonders wichtig.

Im Grunde zeigen die Ergebnisse wie un-terschiedlich das Extrapolationsverhalten der Verteilungsfunktion sein kann, sobald auch die Speicherfähigkeit der Gebiete be-rücksichtigt wird. Abbildung 15 zeigt ver-schiedene Extrapolationsmöglichkeiten eines kurzen Datenkollektivs. Würde die Reihe mehrere große Ereignisse enthalten, dann wäre eine Extrapolation entspre-chend der blauen Funktion denkbar. Ent-hält die Reihe keine großen Ereignisse, dann würde die Extrapolation der grünen Funktion entsprechen. Berücksichtigt man allerdings auch die Speicherfähigkeit des Gebietes, dann ist es möglich, dass die Ver-teilungsfunktion einen S-förmigen Verlauf wie die rosa dargestellte Funktion hat. Dies ist in Gebieten mit einem derartigen Spei-cherverhalten der realistische Verlauf.

Die Erkenntnisse aus den Leiteinzugs-gebieten konnten in der Regionalisierung durch die Einschätzung einer S-Kurve in

Gebieten mit großer Speicherfähigkeit be-rücksichtigt werden. Dadurch konnte ein realistischeres Extrapolationsverhalten der Beobachtungsdaten erzielt werden. Weiters wurden die Ergebnisse der Regio-nalisierung durch den Vergleich von Spen-dendiagrammen benachbarter Gebiete plausibilisiert. Abbildung 16 zeigt die ver-besserte Abschätzung der HQ

100 Werte für

das gesamte Bundesland Tirol.Grundsätzlich konnte im HOWATI Pro-

jekt zwanglos eine bessere Einschätzung der HQ

100 Werte erzielt werden. Der Ver-

gleich von verschiedenen Ansätzen zur Bestimmung von HQ

100 Werten war dabei

hilfreich und sollte wenn möglich bei der Festlegung solcher Werte immer ange-wandt werden. Die vielfältigen Informati-onsquellen wie im Merkblatt DWA-M 251 empfohlen erwiesen sich als besonders nützlich (siehe auch Informationserweite-rung in Merz und Blöschl, 2008). Durch

Abb. 14: Ergebnisse des HOWATI Projektes für die zehn Leiteinzugsgebiete (Monte Carlo HOWATI, Zemokost HOWATI). Im Vergleich dazu Ergebnisse aus der üblichen Pegelstatistik und Zemokost mit unterschiedlichen Niederschlägen.

Abb. 15: Extrapolationsmöglichkeiten eines Hochwasserkollektivs

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originalarbeit

die Erkenntnisse aus den Leiteinzugsge-bieten konnte ein wesentlicher Schritt in Richtung Harmonisierung der Methoden zur Bestimmung von HQ

100 Werten erzielt

werden.

7.2. Empfehlungen

Folgende Empfehlungen ergeben sich für die Wahl von HQ

100 Werten in der Zukunft:

■■ Bei Gebieten mit großer Speicherfähig-keit sollte berücksichtigt werden, dass ein S-förmige Verteilungsfunktion auf-treten kann.

■■ Die Festlegung von HQ100

Werten in un-beobachteten Gebieten sollte auf mög-lichst umfangreicher Information durch eine ereignisbasierte Niederschlags- Abflussmodellierung stattfinden.

■■ Bei der Wahl des Niederschlagsinputs sollte darauf geachtet werden, dass plausible (und nicht maximierte) Werte verwendet werden.

■■ Der Einbezug von hydrogeologischer In-formation aus Feldbegehungen kann zu einer wesentlichen Verbesserung der Ab-schätzung von HQ

100 Werten beitragen.

■■ Der Vergleich von statistischen und de-terministischen Methoden bei der Wahl eines HQ

100 für ein bestimmtes Einzugs-

gebiet reduziert die Unsicherheiten.■■ Die im HOWATI bestimmten HQ

T Werte

sind statistisch gesehen Erwartungs-werte, Bemessungswerte können darü-ber liegen.

■■ Das DWA-M 251 Merkblatt „Ermittlung von Hochwasserwahrscheinlichkei-ten“ gibt den momentanen Stand der Technik bei der Wahl von HQ

T Werten

vor und sollte als Empfehlung für die Ermittlung von Hochwasserdurchflüs-

sen einer bestimmten Jährlichkeit herangezogen werden.

8. Danksagung

Diese Studie wurde im Auftrag des Hydrographische Dienstes Tirol und des Forsttechnischen Dienstes für Wild-bach- und Lawinenverbauung Sektion Tirol mit freundlicher Unterstützung durch das Adaptalp Projekt durchgeführt. Wir danken den Auftraggebern sowie allen am Projekt beteiligten Personen für die ausgezeichnete Zusammenarbeit. n

Korrespondenz: M. Rogger1), Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie, Technische Universität Wien, Email: [email protected], Tel.:+43-1-58801-22327, Fax:+43-1-58801-22399B. Kohl2), Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft (BFW), Innsbruck,H. Pirkl3), Technisches Büro für Geologie Dr. Pirkl, Wien, M. Hofer4), Ingenieurbüro Dipl.-Ing. Günter Humer GmbH, Geboltskirchen, Email: [email protected],Tel.: 07732 4146, Fax: 07732 414622 R. Kirnbauer1), Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie, Technische Universität Wien, Email: [email protected], Tel.:+43-1-58801-22320, Fax:+43-1-58801-22399R. Merz5), Department for Catchment Hydrology, UFZ Halle J. Komma1), Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie, Technische Universität Wien, Email: [email protected], Tel.:+43-1-58801-22316, Fax:+43-1-58801-22399A. Viglione1), Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie, Technische Universität Wien, Email: [email protected], Tel.:+43-1-58801-22317, Fax: +43-1-58801-22399G. Blöschl1), Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie, Technische Universität Wien, Email: [email protected], Tel.:+43-1-58801-22315, Fax:+43-1-58801-22399

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Abb. 16: HOWATI HQ100 Abflussspenden (m³/s/km²).

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