Politische Steuerung und Zielperspektiven einer sozial-integrativen Stadtentwicklung im Bundesland...

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Manfred Rolfes und Jan LorenzWilhelm Politische Steuerung und Zielperspektiven einer sozial-integrativen Stadtentwicklung im Bundesland Brandenburg Political governance and goal perspectives of a socially integrative urban development in the state of Brandenburg Zusammenfassung Kommunale, regionale oder nationale Stadtpolitik ist in der Regel sehr stark auf die Ge- stal-tung zukiinftiger Entwicklungen und die Implementierung neuer, zusatzlicher MaB- nahmen ausgeriehtet. Ein strukturierter, reflektierter Blick zuruck auf die Ergebnisse po- litis chen Handelns erfolgt eher selten. Entweder besteht keine Moglichkeit, Evaluationen systematisch und methodisch sieher durchzufuhren, oder es bleibt keine Zeit, deren Ergeb- nisse bewusst zur Kenntnis zu nehmen und in die weiteren Programmumsetzungen oder -fortsetzungen zu integrieren. Dieser Beitrag mochte daher auf der Grundlage empirischer Analysen im Land Brandenburg der Frage nachgehen, welche Konsequenzen sich gerade im Hinblick auf die neuen Steuerungsformen aus der Analyse und Evaluation sozial-inte- grativer Stadtentwick-Iungsprogramme ableiten lassen. Summary Urban policies - no matter whether on a communal, regional or national level- are charac- terized by forward-looking, forward-planning procedures. Self-critical reflections on the ef- fects or the efficiency of already implemented policies are in general speaking not very com- mon. Two reasons are often mentioned. On the one hand profound methodical problems can make evaluations of urban policies very complicated. On the other hand if there do exist evaluation-reports they are often left out of consideration for the ongoing planning of new urban policies for lack of time. Based on empirical studies and evaluations in the state of Brandenburg this article wants to discuss consequences for the control and management of integrated urban developing policies. 1 Sozial-integrative Stadtentwicklung In der deutschen Stadtentwieklung dominieren derzeit zwei Problemaspekte, die europaische, nationale und landerbezogene Forderprogramme in den Fokus ge- nommen haben: Zum einen ist dies die Schrumpfung zahlreieher Stadte durch Suburbanisierungsprozesse und sinkende Ge- burtenraten sowie durch den gleichzeitigen Riickgang oder Abbau insbesondere von industriellen und ge- werblichen Arbeitsplatzen und der damit verbundenen RuR2/2007 Abwanderung der Bevolkerung, Damit einher geht oft- mals der Verlust von Infrastrukturangeboten, Kaufkraft und lokalem Entwieklungspotenzial. Davon betroffen sind zahlreiehe Stadte in den neuen Bundeslandern sowie den altindustrialisierten Regionen der alten Bun- deslander.' Mit den Programmen Stadtumbau Ost und Stadtumbau West finanziert der Bund vor allem die in Folge der demographischen Entleerung notwendigen Beseitigungen von Wohnungsleerstanden. 109

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Manfred Rolfes und Jan LorenzWilhelm

Politische Steuerung und Zielperspektiveneiner sozial-integrativen Stadtentwicklungim Bundesland Brandenburg

Political governance and goal perspectivesofa socially integrative urban developmentin the state ofBrandenburg

Zusammenfassung

Kommunale, regionale oder nationale Stadtpolitik ist in der Regel sehr stark auf die Ge­stal-tung zukiinftiger Entwicklungen und die Implementierung neuer, zusatzlicher MaB­nahmen ausgeriehtet. Ein strukturierter, reflektierter Blick zuruck auf die Ergebnisse po­litis chen Handelns erfolgt eher selten. Entweder besteht keine Moglichkeit, Evaluationensystematisch und methodisch sieher durchzufuhren, oder es bleibt keine Zeit, deren Ergeb­nisse bewusst zur Kenntnis zu nehmen und in die weiteren Programmumsetzungen oder-fortsetzungen zu integrieren. Dieser Beitrag mochte daher auf der Grundlage empirischerAnalysen im Land Brandenburg der Frage nachgehen, welche Konsequenzen sich geradeim Hinblick auf die neuen Steuerungsformen aus der Analyse und Evaluation sozial-inte­grativer Stadtentwick-Iungsprogramme ableiten lassen.

Summary

Urban policies - no matter whether on a communal, regional or national level- are charac­terized by forward-looking, forward-planning procedures. Self-critical reflections on the ef­fects or the efficiency ofalready implemented policies are in general speaking not very com­mon. Two reasons are often mentioned. On the one hand profound methodical problemscan make evaluations ofurban policies very complicated. On the other hand if there do existevaluation-reports they are often left out of consideration for the ongoing planning of newurban policies for lack of time. Based on empirical studies and evaluations in the state ofBrandenburg this article wants to discuss consequences for the control and management ofintegrated urban developing policies.

1 Sozial-integrative Stadtentwicklung

In der deutschen Stadtentwieklung dominieren derzeitzwei Problemaspekte, die europaische, nationale undlanderbezogene Forderprogramme in den Fokus ge­nommen haben:

Zum einen ist dies die Schrumpfung zahlreieher Stadtedurch Suburbanisierungsprozesse und sinkende Ge­burtenraten sowie durch den gleichzeitigen Riickgangoder Abbau insbesondere von industriellen und ge­werblichen Arbeitsplatzen und der damit verbundenen

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Abwanderung der Bevolkerung, Damit einher geht oft­mals der Verlust von Infrastrukturangeboten, Kaufkraftund lokalem Entwieklungspotenzial. Davon betroffensind zahlreiehe Stadte in den neuen Bundeslandernsowie den altindustrialisierten Regionen der alten Bun­deslander.' Mit den Programmen Stadtumbau Ost undStadtumbau West finanziert der Bund vor allem die inFolge der demographischen Entleerung notwendigenBeseitigungen von Wohnungsleerstanden.

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Der zweite problemaspekt - der vielerorts direkt mitdem ersten zusammenhangt - betrifft die Konzentra­tion sozialer und okonomischer Problemlagen in be­stimmten Stadtquartieren. Hierauf wird mit einer ak­tivierenden und integrativen Stadtentwicklungspolitikreagiert.' Das Bund-Lander-Programrn "Stadtteile mitbesonderem Erneuerungsbedarf - die soziale Stadt"und vergleichbare Landerprogramme unterstiitzenals quartiers- oder gebietsbezogene Ansatze Interven­tionen zur sozialen, okonornischen und infrastruktu­rellen Aufwertung sozial benachteiligter oder benach­teiligender Stadtteile.

Quartiersbezogene Ansatze der Stadtentwicklungsind keine Neuerscheinungen der 1990er Jahre. An­kniipfungspunkte lassen sich in der BundesrepublikDeutschland bereits in den 1960er Jahren finden. Aller­dings legten in der Friihphase die entsprechenden stad­tebaulichen Forderinstrumente einen Schwerpunktauf die Verbesserung der baulichen Infrastruktur. Erstallmahlich erfolgte dann als Lerneffekt aus konflikt­reichen Flachen- und Altbausanierungen eine starkerePartizipation der Quartiersbevolkerung und schliefs­lich eine immer umfassendere Integration wohnungs-,sozial-, beschaftigungs- und strukturpolitischer MaB­nahmen.' Europaweit beforderten die seit den 1980erJahren im Kontext von Arbeitslosigkeit, Zuwanderungund Armut auftretenden Marginalisierungen sowie so­ziale und ethnische Segregationen die Implementie­rung und Etablierung integrativer und ganzheitlicherStadtentwicklungsansatze. So wurden u. a. in den Nie­derlanden, Frankreich, Spanien und GroBbritannienintegrative Ansatze entwickelt und erprobt, urn aufder Quartiersebene den sozio-okonornischen und so­zialraumlichen Polarisierungen zu begegnen.' Auch inDeutschland sind - zunachst auf Landerebene - inte­grierte Stadt(teil)entwicklungsprogramme aufgelegtworden, insbesondere in Nordrhein-Westfalen, Ham­burg, Hessen, Bremen und Berlin. 1999 folgte danndie Einrichtung des Bund-Lander-Programrns "Stadt­teile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die sozialeStadt"." Die Europaische Union betreibt seit 1994 dieexplizite Porderung einer innovativen und integrativenStadtentwicklung mit den GemeinschaftsinitiativenURBAN I und URBAN II.

Die sozial-integrative Stadtentwicklung in Deutschlandist durch einen expliziten Zielgruppenbezug gekenn­zeichnet, der insbesondere marginalisierte Bevolke­rungsgruppen in benachteiligten Stadtteilen im Blickhat. Dies sind in der Regel von Armut oder Arbeits­losigkeit betroffene Gruppen und (vorwiegend in denalten Landern) Personen mit einem Migrationshinter­grund. Mit Hilfe aktivierender, partizipativer Planungs­verfahren wird versucht, die Biirger systematisch in die

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Entwicklungsprozesse einzubeziehen. Dariiber hinaussollen das Biirgerengagement gestarkt und zivilgesell­schaftliche Potenziale geweckt werden.?

Eine sozial-integrierte Stadtentwicklung erfordert undunterstiitzt den Einsatz spezifischer Steuerungsformenin der Stadtentwicklungspolitik. Dazu zahlt unter an­derem, dass in solchen Handlungsfeldern, die fur einepositive Quartiersentwicklung als besonders wichtigangesehen werden (z. B. Bildung, Qualifizierung, Be­schaftigungsforderung, Imagebildung, Infrastrukturfor­derung), strategische Allianzen gebildet werden sollen.Integrierte Stadtentwicklung verlangt somit von denkommunalen Dienststellen und Fachplanungen bei derAufgabenbewaltigung eine starkere Querschnittsorien­tierung. Dies ist verbunden mit einem zunehmendenKooperations- und Koordinierungsaufwand. Denn ne­ben offentlichen Institutionen und Verwaltungen sindan den integrierten quartierbezogenen Handlungsstra­tegien sowie an deren Abstimmungs- und Entschei­dungsprozessen in der Regel weitere Akteure aktivbeteiligt (Biirgerschaft, soziale Institutionen, Vereine,Wirtschaftsunternehmen, Sanierungstrager, Sozialpla­nung, Consulting-Biiros). Dariiber hinaus erwachsenaus der starkeren Projektorientierung der integriertenProgrammansatze neue Anforderungen an das Ma­nagement dieser Programme. Die Programmstrategienund -umsetzungen sollen flexibler an gewonnene Pro­jekterfahrungen und veranderte Rahmenbedingungenangepasst werden. Systematische und regelmafsigeBewertungen von Projektrealisierungen und Quar­tiersentwicklungen gewinnen an Bedeutung. Diesesgemeinschaftliche Handeln im Kontext integrierterStadtentwicklung tragt somit zahlreiche Elemente ei­ner Urban Governance.'

2 Herausforderungen und Forschungsfragen

Die mit integrierten Stadtentwicklungsprogrammenund sozialer Stadtentwicklung in Zusammenhang ste­henden Herausforderungen an politische Steuerungs­prozesse wurden bereits in der Startphase des Bund­Lander-Programme .Soziale Stadt" thernatisiert unddiskutiert." Die Diskussionen tiber die Formen undModelle politischer Steuerung oder den Grad der Be­einflussbarkeit von Stadtentwicklungsprozessen gin­gen in der Regel davon aus, dass eine systematischeVernetzung der (kommunal-)politischen Handlungs­felder erforderlich ist, urn diesen komplexen Problem­lagen und Anforderungen gerecht zu werden," Diesequerschnittsorientierten und stadtteilbezogenen Inter­ventionsformen erfordern insbesondere vertikale undhorizontale Kooperations- und Entscheidungslinien.Aber gerade diese Management- und Kooperationspro­zesse miissen sowohl in den Kommunen als auch auf

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den ubergeordneten und uberregionalen politischenEbenen zunachst noch erprobt und etabliert werden."

In den bisherigen zahlreichen Analysen und Evaluatio­nen zu integrierten Stadtentwicklungsprogrammenauf Landes- und Bundesebene standen vornehmlichdie inhaltliche Ausgestaltung sowie die raumliche Ab­grenzung der Programme im Analysefokus." Evalua­tionsergebnisse zur Organisation und Umsetzungder politischen Steuerung dieser integrierten Forder­programme auf kommunaler und Landesebene tre­ten demgegenuber eher in den Hintergrund. Fast aIleEvaluationen attestieren dennoch erhebliche Defizi­te bei der Programm- und Projektsteuerung. Fur dasProgramm ..Soziale Stadt" zeigt die Zwischenevalua­tion auf Bundesebene, dass nur wenige Bundeslandererfolgreiche Querschnittsstrukturen etabliert haben.Das Programm wird in erster Linie als stadtebaulichesForderprogramm aufgefasst und dementsprechendhiiufigvon Bau- und Planungsabteilungen koordiniert."Ein gebietsbezogener Aufbau von Verwaltungsstruk­turen oder ein systematischer Erfahrungsaustausch derAkteure aus den verschiedenen Verwaltungsressorts isteher die Ausnahme."

Dies zeigen auch die Evaluationen sozial-integrativerStadtentwicklungsprogramme einzelner Bundeslan­der. Zwar existieren in den Kommunen uberwiegendgut funktionierende Lenkungsgruppen. Eine breite,systematische und dauerhafte Kooperation der be­teiligten Verwaltungsressorts und eine strukturierteRessourcenbundelung ist jedoch eher die Ausnahme.Diese funktioniert personen- oder projektbezogen,aber nur so lange, wie Mittel zur Verfugung stehen undverausgabt werden konnen." Auch die traditioneIlen,sektoralen Verwaltungsstrukturen behindern oftmalseine Intensivierung und Verstetigung der kooperativenSteuerung integrierter Stadtentwicklung." Dieses sek­torale Denken spiegelt sich auch in den IntegriertenHandlungskonzepten wider. Sie konnten zwar als ko­operative Handlungsanleitung und als Steuerungsfahr­plan einer integrierten Stadtentwicklung verstandenwerden. Tatsachlich sind sie aber, so die Evaluations­ergebnisse, eher additiv und summarisch." Angesichtsdieser Ergebnisse verwundert es nicht, dass die Exper­ten-/Steuerungsgruppe zur Zwischenevaluierung desProgramms ..Soziale Stadt" in ihrer Stellungsnahmefur die Zukunft eine Verbesse rung der vertikalen undhorizontalen Kooperationsstrukturen fordert und denLerncharakter des Programms betont."

Neben diesen skizzierten Problemlagen im steue­rungs- und organisationsbezogenen Aktionsbereichintegrierter Stadtentwicklung konnen am Beispieldes Quartiersmanagements weiterbestehende offeneFragen verdeutlicht werden. Da die Bearbeitung und

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Bekampfung sozialraumlicher Problemlagen und dieImplementierung entsprechender Programme undMafsnahmen an der Quartiers- bzw. Stadtteilebeneansetzt, scheint eine stadtteilbezogene Bundelung derAktivitaten - ein stadtteilbezogenes Management - un­abdingbar. Aber wie und wodurch zeichnet sich eingutes Management aus?

In der Fachdiskussion existiert im Hinblick auf dasQuartiersmanagement kein einheitliches Begriffs- undAufgabenverstandnis." Der Interpretationsspielraumreicht von einem sehr begrenzten Verstandnis, wo­nach Quartiersmanagement lediglichdas Betreuen desStadtteilbiiros beinhaltet, bis zu der Auffassung, Quar­tiersmanagement sei das zentrale, kommunale Initiie­rungs-, Steuerungs- und Entscheidungsinstrumentzur Entwicklung benachteiligter Stadtteile. Dies hangtzum einen damit zusammen, dass sich das heutigeVerstandnis von Stadtteilentwicklung, Quartiers- undStadtteilmanagement aus den sehr heterogenen Erfah­rungen der stadtteilorientierten Entwicklungsarbeit dervergangenen Jahrzehnte speist. Zum Zweiten riihrt einuneinheitliches und teilweise widerspruchliches Be­griffsverstandnis von Quartiers- oder Stadtteilmanage­ment auch daher, dass die aktuellen integrierten Stadt­teilentwicklungsprogramme vielerorts immer noch alsneuartig aufgefasst werden, oft ein experimentellerCharakter bei der Umsetzung im Vordergrund stehtund das Stadtteilmanagement dementsprechend jenach Handlungskontext mit unterschiedlichen Bedeu­tungen aufgeladen wird. 19

Fragen nach konkreten Managementkonzepten oder-praktiken geraten in den Diskussionen tiber integrierteStadtentwicklungsprogramme in der Regel in den Hin­tergrund. Diesbezuglich besteht weiterer Forschungs­bedarf. Wie konnen die ProgrammverantwortlichenLernprozesse initiieren und den Programmalltag bes­ser organisieren? Aus den politis chen Steuerungserfah­rungen der Programme gilt es, weitere Ansatzpunktefur Orientierungshilfen, sinnvolle Veranderungen,notwendige Akzentveriagerungen oder umfassendereInterventionen zur Optimierung der Programm-/Pro­jektablaufe abzuleiten.

3 Steuerung integrierter Ptirderprogrammeim Land Brandenburg

Im Zeitraum von 2004 bis 2006 wurden von der Uni­versitat Potsdam in Kooperation mit dem Ministeriumfur Infrastruktur und Raumordnung des Landes Bran­denburg zwei Forschungsprojekte durchgefuhrt. ImFokus stand eine Management- und Organisationsana­lyse der drei implementierten Stadt(teiI)entwicklungs­programme im Land Brandenburg. Die Forschungs-

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projekte sollten Aufschluss iiber den oben skizziertenForschungsbedarf liefem. Es galt somit zu analysieren,inwieweit sich Steuerungsstrategien der Programmum­setzung auf Landes- und kommunaler Ebene bewahrthaben oder Modifikationsbedarf erkennen lassen.

Die Analysen umfassten alle Mafsstabs- und Hand­lungsebenen. Im Zentrum standen neb en den hori­zontalen, querschnittsbezogenen Kooperationen undKommunikationen insbesondere auch vertikale Infor­mations- und Kommunikationsfliisse zwischen denbeteiligten politisch-administrativen Ebenen (z.B.Landesministerien, Bewilligungsbehorden und Kom­munen). Neben einer Auswertung von Dokumenten,Projekt-, Evaluationsberichten und Halbzeitbewer­tungen 20 wurden ca. 50 Expertengesprache auf un­terschiedlichen Planungs-, Handlungs- und Entschei­dungsebenen durchgefuhrt." Diese lieferten einerseitswesentliche Informationen zu den praktizierten (ins­besondere auch informellen) Steuerungsmechanis­men und ermoglichten dariiber hinaus die Erfassungkritischer Reflexionen der Programmablaufe durch dieProgrammbeteiligten. 1m Folgenden werden die Ergeb­nisse dieser Forschungsprojekte dargestellt.

3.1 Die drei iotegrierteoStadteotwickluogsprogramme

1m Land Brandenburg gibt es in insgesamt 21 Stadten30 Programmgebiete zur integrierten Forderung oderAufwertung benachteiligter Stadtteile. Die Porderungenerfolgen auf der Grundlage des Bund-Lander-Pro­gramms .Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbe­darf - die soziale Stadt", der Handlungsinitiative .Zu­kunft im Stadtteil - ZiS 2000" des Landes Brandenburgsowie der EU-Gemeinschaftsinitiative URBAN II. Wei­tere Bund-Lander-Programme zur Stadtentwicklungim Land Brandenburg sind zum Beispiel der Stadt­umbau Ost oder stadtebauliche Sanierungs- und Ent­wicklungsmaBnahmen. Diese und weitere Porderpro­gramme orientieren sich allerdings ausschlieBlich aufstadtebauliche Problemlagen und Sanierungsaufgabenund wurden deshalb in diesem Untersuchungskontextnicht beriicksichtigt.

1m Land Brandenburg kommt das Bund-Ldnder-Pro­gramm .Soziale Stadt" vor allem in GroBwohnsied­lungen der 1960er und 1970er Jahre zum Einsatz. Diefinanzielle Ausstattung des Programms ist im Vergleichzu anderen Stadtentwicklungsprogrammen gering.Brandenburg erhielt fur das Iahr 2005 ca. 2,5 Mio. €Bundesmittel (zum Vergleich: Stadtumbau Ost Bran­denburg 2005: 23,4 Mio. €). Die Mittel werden zu jeeinem weiteren Drittel durch das Land sowie die Kom­mune erganzt. Das Landesamt fur Bauen uod Verkehr

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(LBV) iibemimmt als Antrags- und Bewilligungsbehor­de die Programmsteuerung.

Das Programm .Zukunft im Stadtteil - ZiS 2000" ist einauf Landesebene konzipiertes Stadtteilentwicklungs­programm, das inhaltlich und koozeptionell eng an dasBund-Lander-Programm "Soziale Stadt" angelehnt ist.1m Land Brandenburg werden mit dem Programm ZiSinsbesondere innerstadtische Quartiere in ihrer zen­tralortlichen Funktion gefordert, Es wird iiberwiegendmit Mitteln des Europaischen Fonds fur Regionale Ent­wicklung (EFRE) und des Europaischen Sozialfonds(ESF) finanziert. Die Fordersumme fiir alle 16 Branden­burger ZiS-Gebiete betragt [ahrlich ca. 18,3 Mio. € (filrdie gesamte Laufzeit 110 Mio. €). Die Porderung erfolgtmit maximal 75 % durch Mittel der Strukturfonds. DerLandesanteil betragt maximal 5 % und der kommunaleEigenanteil in der Regel 20 %.

Die EU-Gemeinschaftsinitiative URBAN II ist ein euro­paweites Programm zur Emeuerung problembelasteterStadte bzw. Stadtteile und wird in Brandenburg in derStadt Luckenwalde umgesetzt. Die Forderfahigkeit be­griindet sich aus der geringen Wlrtschafrstatlgkett. einerhohen und steigenden Arbeitslosigkeit, einem hohenUmstrukturierungsdruck nach dem Verlust industriel­ler Arbeitsplatze und einer problematischen Bevolke­rungsentwicklung." Die Gemeinschaftsinitiative wirdzu 75 % der gesamten forderfahigen MaBnahmen ausdem EFRE gefordert. Der kommunale Eigenanteilliegtbei 25 %. Die gesamte Pordersumme betragt fur denPorderzeitraum von 2000 bis 2006 19,8 Mio. €.

3.2 Programmorganisatioo uod -steueruoguoter der Lupe

Folgende Erkenntnisse konnten im Rahmen der bei­den Forschungsprojekte hinsichtlich der Strukturen,Prozesse und Rahmenbedingungen von Steuerung imLand Brandenburg gewonnen werden:

• Bedeutung der Lernfiihigkeit

Die Ergebnisse der Expertengesprache und Dokumen­tenanalysen sowie der durchgefuhrten Evaluationenmachen stets von neuem die Notwendigkeit zur strate­gischen Anpassung der Porderprogramme und einemdauerhaften, programmkonzeptionellen Lemen deut­lich." Die Analysen deuten an, dass oftmals das Lemennur zufallig z. B. in Form von punktuellen Zwischen­evaluationen stattfindet.

Die Lernfahigkeit der Programmbeteiligteo sowie dieVeranderungsnotwendigkeit der iotegrierteo Forder­programme miissen bei der Programmumsetzuog star­ker in den Vordergrund gestellt werden. Zentrale Frage

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ist, welche Verfahren bzw. Unterstlitzungen notwendigsind, damit wahrend der Programmumsetzung flexibelgehandelt und besser gelernt werden kann. In den In­terviews wurde hervorgehoben, dass programmbeglei­tende und durch Programmverantwortliche umgesetz­te Evaluationen einen hoheren Stellenwert erhaltensollten. Dariiber hinaus sollten das Umfeld und die Vo­raussetzungen, unter denen programmkonzeptionellesLemen optimiert werden kann, starker thematisiertwerden. Wichtige Voraussetzungen sind nach Auskunftder Gesprachspartner Vertrauen, eine Feedback-Kulturund die Pahigkeit zur Selbstkritik.

• Quartiersmanagement als Schliissel zum Er[olg

Dem Quartiersmanagement kommt bei der Umsetzungder integrierten Porderprogramme in den brandenbur­gischen Kommunen eine Schliisselrolle ZU.24 Von sei­ner Qualifikation und Kontinuitat hangt entscheidendab, wie erfolgreich der integrative Ansatz der Pro­gramme umgesetzt werden kann. Es kann dann funk­tionieren, wenn ein unterstutzendes administratives,politisches und organisatorisches Umfeld vorhandenist. Entscheidend ist demnach, ob das Quartiersma­nagement politisch unterstlitzt wird und Kommunika­tionsbarrieren tiberwunden werden konnen, Dariiberhinaus mussen wichtige Entscheidungstrager und Ak­teure fur den Entwicklungsprozess gewonnen werden.

Die Funktionsfahigkeit des Quartiersmanagementssollte im Rahmen der Fordermittelvergabe von denLandesbehorden noch systematischer beobachtet wer­den. Dies gewinnt auch mit Blick auf die Relevanz vonLernfahigkeit an Bedeutung.

• Hohe Bedeutung qualitatiuer Elemente bei derBegleitung des Forderuerfahrens

Die Knappheit personeller Ressourcen in den Kom­munen und in den Bewilligungsbehorden des LandesBrandenburg bei gleichzeitigerVielfaltigkeit der umzu­setzenden Porderprcgramme fuhrt zu der Notwendig­keit, die Antragsverfahren zu vereinfachen. Das schrift­liche Bewilligungsverfahren in Form von jahrlichenAntragen fur den Zuwendungsbescheid, IntegriertenHandlungs- und MaBnahmendurchfUhrungskonzep­ten, Antragen von EinzelmaBnahmen und Verfassungvon Sachstandsberichten ist unumganglich, Umfangund Ausgestaltung dieser schriftlichen Informationenwerden jedoch zurzeit oftmals von kommunalen Pro­grammbeteiligten kritisiert." Zum einen bindet dieBearbeitung wichtige Personalressourcen, und zumanderen sollten auch qualitative Elemente des Porder­verfahrens starker integriert werden, da sie nach Mei­nung der Befragten eine unverzichtbare Erganzung desBewilligungsverfahrens darstellen. Unter qualitativen

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Elementen ist in diesem Zusammenhang zum Beispieldie Berticksichtigung von Expertenaussagen, die Ana­lyse von Abschluss- und Projektberichten sowie dieEinschatzung von betroffenen Gruppen oder Akteurenzu verstehen.

• Ansiitze einer Gesamtmafsnahmenbetrachtung

Bei der Organisation und Steuerung der Porderpro­gramme in Brandenburg (Soziale Stadt, ZiS, URBAN IIund auch Stadtumbau-Ost) ist der Blick in der Regelauf das jeweilige Porderprogramm gerichtet. Auch dieprogrammbezogenen Evaluationen, soweit sie bereitsdurchgefuhrt wurden, haben jeweils das einzelne Pro­gramm im Fokus. Bei der GesamtmaBnahmenberatungdurch das Landesamt fur Bauen und Verkehr (LBV)erfolgt demgegentiber eine gleichzeitige Betrachtungaller Pordermalinahmen und integrierter Stadtent­wicklungsprogramme, die innerhalb einer Kommunedurchgefuhrt werden. Ziel der Beratung ist es, den Um­setzungstand der Pordermalsnahmen sowohl inhaltlichals auch fiskalisch zu uberprufen, aufeinander abzu­stimmen und weiteren Handlungsbedarf zu ergriin­den. Zur Vorbereitung der Beratung werden Auszugeaus den Integrierten Handlungskonzepten, Protokolle,Projektabschlussberichte und Erfahrungen systemati­siert und ausgewertet. Die GesamtmaBnahmenbera­tung stellt eine Form des Hinausschauens "tiber denTellerrand" eines Forderprogramms dar und verbessertdie Moglichkeit einer qualitativen und integrativen Be­wertung der Programmumsetzung.

• Grenzen der Kontrol!systeme

Insbesondere die Forderprogramme URBAN II und ZiSverfugen aufgrund der EU-Verfahrensvorgaben tiberdezidierte Kontrollsysteme und Kontrollanforderungen.Dementsprechend besitzen Evaluationen, Berichte undIndikatoren beim Programmmanagement ein grofsesGewicht. Zusatzlich wurden verschiedene Kontrollgre­mien (z.B. ZiS-Lenkungskreis und EFRE-Ausschuss)implementiert und Bewertungs- und Kontrollsystemeumgesetzt. Auch wenn die Effekte und die Funktions­fahigkeit der Kontrollmechanismen nicht umfassendbewertet werden konnen, offenbart die Programmpra­xis aus der Sicht der interviewten Experten deutlichenNachbesserungsbedarf. Als Hauptkritikpunkte wurdendie geringe Aussagekraft der ausschliefslich quantita­tiven Indikatoren, die zeitaufwandige Entwicklung desKontrollsystems, die unzureichenden Effekte von Eva­luationen und das geringe Feedback der Berichtsadres­saten an die Berichtsverfasser genannt.

Die geforderten Kontrollsysteme werden tiberwiegendaus pragmatischen Grunden umgesetzt. Gleichzeitigentwickeln sich parallele, informelle bzw. unburokra-

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tische Strukturen bei der Vor-Ort-Kontrolle der Pro­grammumsetzung. Die aus den EU-Vorgaben resultie­renden Kontrollmechanismen scheinen zurzeit eineunzureichende Kompatibilitat mit den in den Kom­munen und Landesbehtirden vorhandenen und mtig­lichen Kontrollprozessen und -strukturen aufzuweisen.In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die Umset­zung und Konkretisierung von EU-Vorgaben in denProgrammoperationalisierungen von Bund und Lan­dern kritisch zu hinterfragen. Hinsichtlich der neuenFtirderperiode sollten die EU-Vorgaben fruhzeitig er­kundet und - wenn mtiglich - beeinflusst werden.

• Nachuollziehbare Bewertungskonzepte

Auch wenn die integrierten Stadtentwicklungspro­gramme lange Laufzeiten von mindestens funf bis ma­ximal etwa 15 Iahren aufweisen, ist das primare Zieldieser Programme eine Umsetzung der Pordermafs­nahmen und -instrumente, bis die Missstande besei­tigt sind und eine Ftirderung nicht mehr erforderlichist. Erscheint den ubergeordneten Behorden der (Teil-)Ausstieg aus der Ftirderung angeraten, so muss die­ser gegenuber einer Kommune gut begrundet werdenktinnen. Es sind also Bewertungskonzepte notwendig,urn eine Reduzierung oder ein Auslaufen von Forder­malsnahmen auf der Grundlage nachvollziehbarer Kri­terien zu begrunden. Den Kommunen muss plausibelgemacht werden, wann der Zeitpunkt fur einen Aus­stieg aus der Ftirderung erreicht ist.

• Wunsch nach Planbarkeit us. Planungsschuiierigkeit

Die Ergebnisse der Evaluationen und die Auswertungder Expertengesprache machen deutlich, dass die For­derkonzepte sehr unterschiedliche Aspekte der kom­munalen Entscheidungsstrukturen konterkarieren.Dies kann anhand des Integrierten Handlungskonzepts(IHK) konkretisiert werden:

Programmkonzeptionellwird dem IHKeine grolse Steue­rungsrelevanz zugeschrieben. Dort sind langfristigeStrategien und Leitziele erarbeitet worden, aus denensich konkrete Handlungsziele und Einzelmafsnahmenableiten lassen. Aus Sicht der Bewilligungsbehtirdenist diese perspektivische Planung sehr wiinschenswert,weil damit die Finanzausgaben und Investitionspla­nungen mittel- bis langfristig festgelegt werden kon­nen. Dies kommt den haushalterischen Erfordernissenund Sachzwangen der Bewilligungsbehtirden sehr ent­gegen. Die bisherigen Ausfuhrungen haben aber ge­zeigt, dass sich Handlungsbedarf und -moglichkeitenin den Kommunen im Laufe des Stadtentwicklungspro­zesses stetig wandeln. Der Bedarf hangt von verschie­denen Parametern wie z.B. personellen Ressourcen,Wahlkampfstrategien, Verfugbarkeit finanzieller Mittel,

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sozio-tikonomischen Problemlagen, tiffentlichen Dis­kursen oder der EntwickIung der wirtschaftlichen Situa­tion von Unternehmen abo Verandern sich die Hand­lungsspielraume und -erfordernisse allerdings, dannreicht nur in seItensten Fallen eine alleinige mitteIfri­stige Strategie aus, urn den Verlauf eines geftirdertenStadtentwickIungsprogramms zu bestimmen. Dieszeigt, dass bei der inhaItlichen AusgestaItung der Inte­grierten HandIungskonzepte eine mtiglichst hohe Fle­xibilitat zugelassen werden sollte (gerade im Hinblickauf langfristige Planungen).

3.3 Programminhalte und -strategien auf demPriifstand

Die in den Forschungsprojekten umgesetzte Manage­ment- und OrganisationsanaIyse der Programmumset­zungen ermtiglichte die Zusammenstellung wertvollerErkenntnisse bezuglich der im Land Brandenburg ver­foIgten Programminhalte und -strategien:

• Bedeutung und Schuiierigkeit derPordergebietsabgrenzung

Die raumliche Abgrenzung von Fordergebieten stelltein Charakteristikum der integrierten Forderpro­gramme dar. Die AuswahI der Ftirdergebiete erfoIgtentweder starker nach Defizit- oder nach Potenzialkri­terien. Erklartes ZieI ist dabei, eine Verbesserung derstadtteilbezogenen Strukturen innerhalb der eindeutigvon anderen Stadtbezirken abgegrenzten Pcrdergebietezu erreichen. Diese raumliche Eingrenzung von Prob­lemgebieten entlang von Strafsenzugen, BaubItickenoder Bezirks- bzw. Quartiersgrenzen ist aus pragma­tischen Grunden durchaus nachvoIlziehbar und sinn­vail. GIeichwohl wurden in den Expertengesprachen inBrandenburg in dreifacher Hinsicht ProbIeme deutlich,die aus der raumlichen Ein- hzw. Abgrenzung resuItie­ren:"

Zum einen milssen zahIreiche ProbIemIagen in denPordergebieten auch aIs Ergebnis sozialraumlicherund sozio-tikonomischer Einflusse und Verflechtungenauf einer gesamtstadtischen Ebene verstanden wer­den. Soziale oder stadtebauliche Benachteiligungen inso genannten Problemquartieren sind oftmals das Re­suItat gesamtstadtisch wirkender Verdrangungs- undVerlagerungsprozesse. Diese Prozesszusammenhangekommen aber bei den explizit auf der Stadtteilebenedurchgefuhrten Starken-Schwachen-Analysen im Rah­men der Erstellung Sozialer Rahmenplane oder vonIntegrierten Handlungskonzepten in der Regel nicht inden Fokus und werden dementsprechend bei den Pro­jektumsetzungen auch nieht in Angriff genommen.

Zum Zweiten stolsen scharfe raumliche Eingrenzungen

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von Fordergebieten oftmals dann auf Unverstand­nis und Unmut, wenn die in unmittelbarer Nahe lie­genden Baublocke oder Quartiere bei vergleichbarenProblemlagen von einer Forderung ausgeschlossensind. Vielfach unterliegen auch die einem Fordergebietunmittelbar benachbarten Stadtteile dessen benach­teiligenden Wirkungen, sind aber von direkten Forde­rungen ausgeschlossen.

Drittens schlielslich konnen raumlich klar abgegrenzteInterventions- und Sanierungsbereiche die negativenStigmatisierungen von Stadtteilen und benachteiligtenQuartieren noch verstarken."

• Integrativer Ansatz als Aushandlungsprozess

Die Umsetzung integrierter Stadtentwicklungspro­gramme stellt eine gewohnungsbedurftige Vorgehens­weise in der Stadtentwicklung und Kommunalpolitikdar. Die Forderung von Kooperation, von ressorttiber­greifender Zusammenarbeit und Ressourcenbtindelungwird grundsatzlich von vielen befragten Programmbe­teiligten im Land Brandenburg auf unterschiedlichstenadministrativen Ebenen geteilt. Dennoch ist der Weghin zur integrierten Programmumsetzung lang undschwierig," da das Ressortdenken oftmals sehr domi­nant ist, die Ressourcenbtindelung schwierig und Ko­operationen und Abstimmungsprozesse zeitaufwan­dig und stark personenabhangig sind. Dartiber hinauswird - sowohl in den verschiedenen Ministerien und

Erkenntnisse integrierter Pbrderprogrammumsetzung im Land Brandenburg

Analyse der Programmorganisation und -steuerung

Bedeutung der Lernfahigkeit - Notwendigkeit stiindigen Lernens der Programmbeteiligten undfortlaufende Programmanpassungen

- Unterstlitzung der Lernfiihigkeit z. B. durch Selbstevaluationen, Vertrauen,Feedback, Zieldiskussionen

Quartiersmanagement als Schltissel zum Erfolg - Sicherstellen von Qualifikation und Kontinuitat des Quartiersmanagements

- Unterstlitzung durch administratives, politisches und organisatorischesUmfeld

Hohe Bedeutung qualitativer Elemente bei der - Plausibilitarsuberprufungen von Konzepten, Vor-Ort-Besuche undBegleitung des Fiirderverfahrens Beurteilung von Kommunikationsprozessen als Ergiinzungen des

schriftlichen Forderverfahrens

Ansatze einer Gesamtmafsnahmenbetrachtung - Notwendigkeit der gleichzeitigen Betrachtung verschiedenerFiirderprogramme innerhalb einer Kommune

Grenzen der Kontrollsysteme - Aufbau von Kontrollsystemen (EU-Verfahrensvorgaben) mit einem hohenArbeitsaufwand bei gleichzeitig sehr begrenzter Wirkung

Nachvollziehbare Bewertungskonzepte - Bewertungskonzepte zur Legitimation von Entscheidungen derBewilligungsbehiirden

- Notwendigkeit von Bewertungsschemata mit nachvollziehbaren Kriterien

Wunsch nach Planbarkeit vs. Planungsschwierigkeit - Widersprliche zwischen den kurzfristigen Handlungsoptionender Kommunen und den langfristigen Planungsbestrebungen derBewilligungsbehiirden

Analyse der Programminhalte und -strategien

Bedeutung und Schwierigkeit der - Vorwiegend pragmatische Abgrenzung der FiirdergebieteFiirdergebietsabgrenzung - Vernachliissigung gesarntstadtisch wirkender Verdriingungs- und

Verlagerungsprozesse

- Verstiirkung negativer Stigmatisierungen

Integrativer Ansatz als Aushandlungsprozess - Grundsiitzliche Zustimmung fur den integrativen Ansatz

- Wandlungs- und Aushandlungsprozesse als Norrnalitat integrierter Ansatze

- Ubergewicht stiidtebaulicher Mafsnahmen in Relation zu nicht-investivenMalsnahmen

Bedeutung des Lernens - Erfordernis fortlaufender Programmanpassungen aufgrund sichverandernder Problemlagen und Handlungsspielraume

Grenzen der Wirksamkeit - Berlicksichtigung der raumlich begrenzten Wirkungsmiiglichkeiten

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Manfred Rolfes und Jan Lorenz Wilhelm: Politische Steuerung und Zielperspektiven einer sozial-integrativenStadtentwicklung im Bundesland Brandenburg

Behorden in Brandenburg als auch von kommunalenProgrammbeteiligten - Kooperation und Ressourcen­btindelung teilweise als zu dogmatisch empfunden. In­tegriertes Vorgehen kann, so die Beurteilung, ein guterWeg sein. Manchmal jedoch fuhren altbewahrte Vorge­hensweisen zu schnelleren und gleichwertigen Ergeb­nissen. Der integrierte Ansatz befindet sich nach wievor in einem Wandlungs- und Aushandlungsprozess,bei dem auch zuktinftig Reibungsverluste einzukalku­lieren sind.

• Bedeutung des Lernens

Die sich stetig verandernden Rahmenbedingungenund Problemwahrnehmungen in den Stadtteilen unddie daraus folgenden Verschiebungen der kommunalenHandlungsmoglichkeiten unterstreichen die Notwen­digkeit, integrierte Stadtentwicklungsprogramme alsLernprogramme zu begreifen." Die Bedeutung desLernens in strategischer und inhaltlicher Hinsicht wirdauch durch die Ergebnisse der Expertengesprache un­terstrichen. Auch die Programmevaluationen im LandBrandenburg fiihrte zu dem Ergebnis, dass entwederim Laufe der Programmumsetzung die inhaltlichenSchwerpunktsetzungen den veranderten Rahmenbe­dingungen angepasst werden mussten oder in Zukunftneue Schwerpunktsetzungen zu empfehlen waren (z.B.eine starkere Fokussierung aufnicht-investive Malsnah­men). Dies erfordert lernfahige und flexible Akteure inder Stadtentwicklungspolitik, die jedoch schwierigeRahmenbedingungen vorfinden. 1m Land Brandenburggibt es zahlreiche Beispiele, die zeigen, dass Strategie­anpassungen wahrend des Programmverlaufs oftmalssehr schwer fallen. Die Schwierigkeiten resultierenzum einen aus den Porderrichtlinien, die Anpassungenerschweren. Zum anderen erfordern Strategieanpas­sungen oftmals zusatzliche personelle Ressourcen.

• Grenzen der Wirksamkeit

Die Einschatzungen der Experten sowie die Analysevon Evaluationen und Projektberichten zeigen, dassdie Wirkung der integrierten Stadtentwicklungspro­gramme nicht uberschatzt werden sollte. Die in denjeweiligen kommunalen Handlungskonzepten enthal­tenen Ziele erweisen sich vielfach als zu visionar, DieForderprogramme konnen aufgrund ihrer begrenztenFinanzvolumina und der eingeschrankten gebietsbe­zogenen Reichweite angesichts der tiberregional wirk­samen sozio-okonomischen Rahmenbedingungen inaller Regel keine dauerhafte okonomische Stabilisie­rung von benachteiligten Stadtteilen oder nennens­werte Beschaftigungseffekte bewirken. Werden zu hochgesteckte Erwartungen geweckt, haben die Programmeeher eine demotivierende oder desillusionierende Wir-

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kung, weil sich die erwarteten Effekte nicht dauerhafteinstellen. Programmwirkungen lassen sich dagegenbesser in Bezug auf die implementierten Einzelmals­nahmen oder bei explizit stadtteilbezogenen Hand­lungs- und Wirkungsfeldern nachweisen. Messbarepositive Wirkungen liegen im Bereich Wohnumfeld,Sauberkeit bzw. Zustand des offentlichen Raums, An­gebote fur Kinder und Jugendliche, Integrationsange­bote fur Migranten und Selbstbild.

4 Empfehlungen zur Steuerung undOrganisation der Porderprogramme

Die durchgeftihrten Untersuchungen lassen vielschich­tige Problemlagen und Handlungsbedarfe bei der Um­setzung integrierter Stadtteilentwicklungsprogrammein Brandenburg erkennen. Dabei bestatigen die Analy­sen zunachst allgemein bekannte Kritikpunkte. So wirddeutlich, dass der gebietsbezogene Porderansatz so­wohl in dem zustandigen Ministerium als auch in denBewilligungsbehorden als problembehaftet angesehenwird. Zudem kann die angestrebte Ressourcenbtinde­lung weder auf interministerieller Ebene noch in denKommunen bisher zufriedenstellend umgesetzt wer­den. Daruber hinaus konnen in den Stadtteilen beob­achtete Veranderungen und Entwicklungen nur in ei­nen ungentigenden kausalen Zusammenhang mit denlokalen Interventionsmafsnahmen gebracht werden.Hier scheinen die Grenzen der Steuer- und Kalkulier­barkeit politischen Handelns deutlich zu werden. Dieswird auch durch den Befund bestatigt, dass die festge­schriebenen Programmziele in den Pordergebieten oft­mals nur teilweise erreicht werden konnten.

Die Analysen in Brandenburg haben jedoch auch ge­zeigt, dass nicht aIle steuerungskritischen Schluss­folgerungen stichhaltig sind. Forderprogramme ent­wickeln im Rahmen ihrer Umsetzung eigene, vielfaltigeLogiken und Sinnzusammenhange. Bewertung vonProgrammverlaufen, empfundene Problemlagen unddaraus resultierende Empfehlungen sind vielfach sub­jektiv und stark kontextabhangig, Dadurch scheint dieobjektive Bewertung eines sozial-integrativen Stadt­entwicklungsprozesses quasi ausgeschlossen. Dieswird insbesondere bei der Betrachtung verschiedenerhorizontaler und vertikaler Strukturen deutlich:

- Aus der Sicht der Kommune bzw. des Quartiers­managements sind vorwiegend solche Steuerungs­instrumente und -strukturen zielftihrend, die an diekommunalen Rahmenbedingungen individuell an­gepasst sind. Fokus oder Malsstab der Steuerung istsomit eine auf den kommunalen Einzelfall bezoge­ne, individuale Bezugsnorm.

- Dem entgegen ist aus Sicht der Fordermittelgeber

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Manfred Rolfes und Jan Lorenz Wilhelm: Politische Steuerung und Zielperspektiven einer sozial-integrativenStadtentwicklung im Bundesland Brandenburg

interessant, welche lokalen Entwicklungskonzepteim interkommunalen Vergleich erfolgreicher warenund welche Kommunen einen effizienteren und ef­fektiveren Mitteleinsatz betrieben haben. Eine kom­parative Bezugsnorm der Steuerung hat somit furLand, Bund und EU sicherlich einen ebenso hohenStellenwert wie eine individuale Bezugsnorm. Ausdiesen Griinden orientiert sich eine "von oben" ver­ordnete Programm- oder Projektfortschrittskontrollein den meisten Fallen an komplexen und quantita­tiven MaBzahlen und Indikatoren, die vermeintlichobjektive und vergleichbare Erkenntnisse zu liefernscheinen. Diese verwischen aber oftmals die indivi­duellen Unterschiede oder bauen Artefakte auf, dieder Realitat in den Quartieren nur eingeschranktoder gar nicht gerecht werden.

Hier liegt eine strukturell angelegte Problematik vor,die durch eine Optimierung von Steuerungsstrukturenimmer nur partiell aufge16st werden kann.

Weitere strukturelle und systemische Rahmen- undZielvorgaben der Porderverfahren bedingen, dass Miss­erfolge bereits mit Beginn eines Programmstarts vor­programmiert zu sein scheinen. Hier kann beispiels­weise hingewiesen werden auf die im Zuge sozial-in­tegrativer Stadtentwicklung immer wieder geforderteAufstellung lokal angepasster Entwicklungsziele undam Quartierspotenzial orientierter Handlungskon­zepte. Aus den Problem- und Potenzialanalysen derStadtteile miissen Strategien und Handlungskonzepteabgeleitet werden, die dann eine Fordermittelvergaberechtfertigen. Diese fOrdergebietsspezifischen Konzep­terstellungen stellen in der Regel eine zentrale Forder­voraussetzung dar. Wenn allerdings, wie von einigenbefragten Experten kritisch angemerkt wurde, derzeitaus politischen Griinden samtliche Stadtentwick­lungsprogramme immer auch der Verringerung vonArbeitslosigkeit dienen, tun die Kommunen gut daran,in ihren Handlungskonzepten MaBnahmen und Zielezur Verringerung der Arbeitslosigkeit zu formulieren.Dies durfte aber auf der Stadtteilebene oftmals wenigerfolgversprechend sein. In der Konsequenz fuhrenderartige Vorgaben der Pordermlttelvergabe dazu, dassdie von den Kommunen eingereichten Handlungspla­ne und Entwicklungsziele diese Porderprogrammkon­zeptionen und -schwerpunkte widerspiegeln, ohnedass entsprechende Projekterfolge in Aussicht stehen.Auch hier konnen mit einer noch so optimalen Pro­gramm- und Projektsteuerung die anvisierten Zielenicht erreicht werden. Stattdessen werden wenig valideIndikatoren herangezogen, die pro forma die Zunahmeoder die Sicherung von Arbeitsplatzen dokumentie­ren, einer wissenschaftlichen Oberpriifung aber kaumstandhalten wiirden.

Veranderungen der Programmausgestaltung und der

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Programmsteuerung konnen folglich in sehr unter­schiedlichen Kontexten diskutiert werden. Die fol­genden Empfehlungen sind auf die inhaltlichen Pro­grammziele ausgerichtet: Wie konnen die Programmeso modifiziert werden, dass die Defizite von Stadt­teilen verringert und deren Potenziale erschlossen odergestarkt werden konnen? Folgt man den strategischenDiktionen der drei hier untersuchten integrierten Stadt­entwicklungsprogramme, so besteht kaum ein Zweifeldaran, dass kommunale Lernprozesse und indivi­duelle Projektfortschritte in diesem Zusammenhangeinen hohen Stellenwert haben. Die sozial-integrativenStadtentwicklungsprogramme sollten zukiinftig nochsehr viel starker als Lernprogramm verstanden undkonzipiert werden.

Ein deutlicherer Fokus auf die Prozesshaftigkeit derintegrierten Porderung mundet in folgenden Empfeh­lungen:

• Neue Bewertungskultur etablieren

Die Programmbegleitung auf Landesebene muss neueBewertungskulturen etablieren. Hierzu gehoren dasdeutliche Signalisieren von inhaltlichem Interesse, einkontinuierliches Feedback und ein offener Umgang mitFehlern und Zielverfehlungen. Auf kommunaler Ebenewiirde das den offenen Urngang mit Fehlentwicklungenund Problemen erleichtern und in Teilbereichen auchdas Erfolgsinteresse und die Motivation erhohen, 1mSinne einer GesamtmaBnahmenbetrachtung sollte derBlick auf die gesamte strategische Entwicklung in derKommune gerichtet werden. Qualitative Bewertungs­elemente sollten systematischer Beriicksichtigung fin­den.

• Flexibilitdt in der Forderung erhiihen

Grundsatzlich ist eine Kontinuitat in der Forderpolitikanzustreben. Nur eine langfristige Zusammenarbeitzwischen Landesbehorden und Kommunen ermog­licht ein gut funktionierendes und "eingespieltes" Pro­jektmanagement. Gleichwohl ist ein Forderautomatis­mus so gering wie moglich zu halten. Dies bedeutet,dass die (weitere) Zusicherung von Fordergeldern vonHaltungen und Handlungsstrategien in den Kommu­nen abhangig sein sollte, die ftir einen positiven Pro­grammverlauf von erheblicher Bedeutung sind. Dazuzahlen unter anderem Problembewusstsein, Engage­ment, Lernfahigkeit und Wirkungsorientierung derkommunalen Entscheidungstrager, In diesem Zusam­menhang konnte ein Pordermittelanrelzsystern, ein"Jackpot" fiir iiberschiissige Pordermittel und ein For­dermittelwettbewerb, diskutiert werden.

• Neue Ausgestaltungsschwerpunkte der

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Manfred Rolfes und Jan Lorenz Wilhelm: Politische Steuerung und Zielperspektiven einer sozial-integrativenStadtentwicklung im Bundesland Brandenburg

Integrierten Handlungskonzepte

Die Beobachtung, dass sich kommunale Handlungs­spielraume fortlaufend verandern, miindet in der For­derung, eine moglichst hohe Flexibilitat hinsichtlichder inhaltlichen Ausgestaltung der Integrierten Hand­lungskonzepte zuzulassen. Gleichwohl sollte bei derenErstellung eine detaillierte Analyse der Ausgangssitua­tion im Sinne einer Problem- und Potenzialermittlungdurchgeftihrt werden. Dabei sind u. a. gesamtstadtischeEntwicklungskonzepte und -strategien einzubeziehen.Aus dieser Analyse konnen in einem ersten Schritt ver­schiedene Handlungsnotwendigkeiten und -strategienabgeleitet werden.

Wichtig ist jedoch, dass es die eine richtige Strategienicht geben kann. Die Realisierbarkeit der Strategienund Projekte hangt wesentlich von den sich anderndenHandlungsspielraumen abo Das macht eine flexibleHandhabung des Integrierten Handlungskonzeptserforderlich. Es sollte auch Kernaussagen zum Pro­grammmanagement und zur Evaluation beinhalten

In regelmafsigen Abstanden - nach ca. zwei Jahren ­sollte eine verbindliche Fortschreibung der IntegriertenHandlungskonzepte bzw. eine (Selbst-)Evaluation derProgrammumsetzung erfolgen. In diesem Kontextware die Frage zu klaren, welche Veranderungen sichim Hinblick auf die Ausgangssituation ergeben haben.Dariiber hinaus bestiinde die Moglichkeit, neue The­men aufzugreifen und zu vertiefen. Auch die Bewer­tung der kommunalen Steuerung und Organisation derProgrammumsetzung miisste reflektiert werden.

• Neuer Fokus aufdas Quartiermanagement

Die Bewertungen der bisherigen Programmumset­zungen in Brandenburg und auch die Erfahrungen ausanderen Bundeslandern" zeigen den hohen Stellen­wert der Qualifikation und der Kontinuitat des Quar­tiersmanagements. Die Aufgabenfelder Lernen undEvaluation wurden bisher in ihrer Bedeutung fur die so­zial-integrative Stadtentwicklung oftmals unterschatzt.Das Quartiersmanagernent sollte fiir die Etablierungund Sicherung kommunaler Lern- und Bewertungs­systeme starker in die Pflicht genommen werden. Essind Rahmenbedingungen, Systematiken und Metho­den zu entwickeln, die es den Akteuren und Entschei­dungstragern erlauben, systematisch aus der Projekt­umsetzung zu lernen und diese bewerten zu konnen.

• Prozesscoach und Supervision

Es ist nicht leicht, Stadtentwicklungsprozesse immerwieder an veranderte Rahmenbedingungen und neueAnforderungen anzupassen. Dies hangt hauflg damitzusammen, dass die Akteure und Beteiligten zu sehr in

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den Alltagsroutinen und den Handlungserfordernissender Programmumsetzung und -organisation verhaftetsind. Hier kann es sehr hilfreich sein, einen systema­tischen, externen Blick zu etablieren. Ein Prozesscoachoder regelmafsige Supervisionen konnten diese Anpas­sungen und die Steuerungsprozesse unterstutzen, in­dem beraten, vermittelt, moderiert und angeregt wird.Wichtige Aufgabenbereiche waren in diesem Kontexteine umfassende GesamtmaBnahrnenberatung, eineUnterstiitzung bei der Entwicklung und Nutzung vonLern- und Evaluationssystemen (z.B. Forderung vonFeedbackstrukturen, Untersttitzung bei der Programm­umsetzung, Moderation bei der Entwicklung von Be­wertungsrastern, Organisation von Netzwerktreffen,Auswertung von Analysen und Evaluationen).

5 Fazit: Mit neuem Kurs in neues Fahrwasser?

Die Evaluationen und Analysen legen offen, dass inte­grierte Stadtentwicklung sehr wohl anerkannt ist. DieUmsetzung des Ansatzes erfordert einen stetigen Aus­handlungs- und Erprobungsprozess, bei dem Reibungs­verluste auftreten. Das Integrative der Stadtentwicklungoder der Porderprogramme muss als ein Prozess ver­standen werden, in dem es darum geht, verschiedeneInteressen und Sichtweisen, verschiedene Strategienund Losungen und letztendlich verschiedene finan­zielle Ressourcen zu bundeln bzw. zusammenzuftih­ren. Integrierte Forderung muss deshalb diese Prozess­haftigkeit viel starker als bisher als Programmdeter­minante begreifen. Inhaltliche Strategieanpassungensollten flexibel moglich sein. Lernfahigkeit und somitBewertbarkeit werden konstitutive Elemente der For­derprogramrne: zum einen, da sich Handlungsspiel­raume, Potenziale, wirtschaftliche und soziale Prob­lemlagen in den Pordergebieten schnell verandernkonnen und eine Strategie- und Porderprogramman­passung erforderlich machen, zurn anderen, weil dieProgramme als Lernprogramme verstanden werden,die Problembewaltigungsstrategien und -struktureninitiieren sollen.

Lernfahigkeit hangt davon ab, wie gut reflektiert, wiegut Selbstkritik getibt werden kann und welche Kon­sequenzen ein kritischer Umgang mit Programm- undProjektergebnissen nach sich zieht. Das Bewertungsum­feld auf kommunaler Ebene wird stark von den uberge­ordneten Behorden beeinflusst. Neben der politischenBrisanz von Bewertungsergebnissen und haushalte­rischen Sachzwangen sind es vor allem Verwaltungs­strukturen und -praktiken, die das Bewertungsumfeldbestimrnen. Diesbeztiglich ist ein Paradigmenwechselim Hinblick auf Evaluation und Bewertung dringendgeboten.

Zusammenfassend weist folglich der .Kurs" der inte-

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Manfred Rolfes und Jan Lorenz Wilhelm: Politische Steuerung und Zielperspektiven einer sozial-integrativenStadtentwicklung im Bundesland Brandenburg

grierten Stadtentwicklung grundsatzlich in die richtigeRichtung. Jedoch stellt sich das .Fahrwasser" stur­mischer und bewegter dar als in den bisherigen Kon­zeptionen berticksichtigt. Charakteristisch fur dieses.Pahrwasser" sind sich stetig verandernde Hand­lungsmoglichkeiten und -notwendigkeiten, sehr un­terschiedliche Steuerungspotenziale und -fahigkeitender Beteiligten und vielfaltige, subjektive Bewertungs­perspektiven. All dies erfordert eine sehr flexible undauf Anderungen der "Wind- und Stromungsrichtung"angelegte inhaltliche wie organisatorische Pro gramm­konzeption.

Anmerkungen

(1)

Vgl. BBR2005a, S. 85 f.

(2)

Vgl. BBR2005a, S. 306 f.; Haulsermann 2005 a, S. 3

(3)

Vgl. Eick2005, S.174

(4)

Vgl. Froessler 1998, S. 19 f.; Rolfes 1998, S. 9 f.

(5)

Vgl. Difu 2002, S. 12 f.; Walther 2001, S. 527

(6)

Vgl. Alisch 2002, S. 90 f.

(7)

Vgl. Einig u. a. 2005, S. II f.

(8)

Vgl. Schader-Stiftung 2001

(9)

Vgl. Mensch 2005, S. 31

(10)

Vgl. Schmals 2001, S. 54 f.

(1ll

Vgl. die Ergebnisse der Evaluationen von sozial-integrativenStadtentwicklungsprogramme auf Bundesebene: Aehnelt 2005und Haufsermann 2005 b, und auf Landesebene: Farwickl

Petrowsky 2005; Krumm 2005; Muller-Zick/Schreiber 2005;Polkowski 2005; Sandeck 2005; Scharenberg 2005 oder Schreiberu.a.2005

(12)

Vgl. Aehnelt 2005, S. 66; Scharenberg 2005, S. 119; Farwick/Pe­

trowsky 2005, S. 150

(13)

Vgl. Haufsermann 2005 b, S. 78 f.

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(14)

Vgl. Scharenberg 2005, S. 118; Farwick/Petrowsky 2005, S. 150;Gilntner u. a. 2005, S. 168 f.; Stein 2005, S. 180

(15)

Vgl. z. B. Polkowski 2005, S. 99; Walther/Gilntner 2005, S. 188

(16)

Vgl.Walther/Gilntner 2005, S. 188; Aehnelt 2005, S. 69

(17)

Stellungsnahme der Experten-/Steuerungsgruppe zur Zwischen­evaluierung des Bund-Lander-Programms Stadtteile mit beson­derem Entwicklungsbedarf - Die soziale Stadt" 2005, S. 194 f.

(18)

Vgl. Grimm 2004, S. 133 f.; Schubert u.a. 2004, S. 219

(19)

Vgl.Wilhelm 2005, S. 136 f.

(20)Auf Landesebene Brandenburg: isoplan 2003 und 2005; isoplanlFIRU 2005; Kienbaum 2003 a, b. 2005. Auf Bundesebene: IfS 2004;BBR2005b

rznVgl. HenkelRolfes/Wilhelm 2006, S. 52 f.

(22)Vgl. PGI Luckenwalde 2004 und EzP Luckenwalde 2004

(23)Vgl. hierzu auch die Stellungsnahme der Experten-/Steuerungs­

gruppe zur Zwischenevaluierung des Bund-Lander-ProgramrnsStadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - Die sozialeStadt" 2005, S. 197

(24)Vgl. auch Aehnelt 2005, S. 71; Schreiber u.a. 2005, S. 34 f.

(25)Vgl. auch Schreiber u. a. 2005: S. 34

(26)Vergleichbare Ergebnisse und Einschatzungen finden sich beiHaufsermann 2005b, S. 78 oder Mensch 2001, S. 30 f.

(27)Eine entsprechende Problemanalyse findet sich in Prabel 2005,S. 99 f.

(28)Dieses Ergebnis wurde auch bei der Zwischenevaluation desProgramms "Die Soziale Stadt" im Land Brandenburg erzielt; vgl.Schreiber u. a. 2005, S. 34.

(29)Vgl. Haufsermann 2005 b, S 84 f.

(30)Vgl. Wilhelm 2005

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Prof. Dr. Manfred RolfesDipl.-Geogr. Jan Lorenz WilhelmUniversitat PotsdamInstitut fur GeographieUniversitatskornplex IIKarl-Liebknecht-Strafse 24-25/Haus 914476 Potsdam-GolmE-Mail: [email protected]

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