Indo-European *su- adj. 'full' in Slavic and Greek (in German)

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Sonderdruck aus Historische Sprachforschung (Historical Linguisti"t) bisher Zeitschrift fur Vergleichende Sprachforschung Begrundet von Adalbert Kuhn In Verbindung mit Claus Haebler herausgegeben von Alfred Bammesberger und Gunter Neumann 108. Band (1995) 1. Heft Vandenhoeck & Ruprecht in Góttingen und Ziirich rssN 0935-3518

Transcript of Indo-European *su- adj. 'full' in Slavic and Greek (in German)

Sonderdruck aus

HistorischeSprachforschung

(Historical Linguisti"t)

bisherZeitschrift fur Vergleichende Sprachforschung

Begrundet von Adalbert Kuhn

In Verbindung mit Claus Haeblerherausgegeben von

Alfred Bammesberger und Gunter Neumann

108. Band (1995)

1. Heft

Vandenhoeck & Ruprecht in Góttingen und Ziirich

rssN 0935-3518

INHALT

E,rich Neu, Hethitisch tagu-,,dick, (an)geschwollen" 1

Erich Neu, Zu einem vermeintlichen Impersonale desHethitischen ........ 6

Hans Gustav Gtiterbock, The Hittite Vord for "Voman" Again IzMichael Ofitsch, Zu den anlautenden Laryngalen im

Hethitischen ........ 1,6

Massimo Poetto, Luvio mi(ya)sa- nell'imbito dell interpre-tazione di KUB 35.45 II 22-24 30

Norbert Oettinger, Anatolische Etymologien 39

Michael Meier-Bnigger, Griechische (aiyu)ntóE, vedisch (rji)pyó-und Verwandtes 50

Fredrik Otto Lindeman und Nils Berg, Much Cry and littleVool: Cyp.. )'dva (?) < IE. Hr,rulH,nćHr? 56

Blanca Prósper' Ube' die Etymologie von griechisch xóvóv 7 5

Helmut Rix, oskisch braals, oskisch wrwoń, lateinisch uraLrnlund ,europżisch' brarso 84

Alfred Bammesberger, Die gotischen Adjektiva auf -(zu)isk-....... 93

Robert \7oodhouse, Gothic łl- 1,O2

Norbert Vagner, Zu den Runenschriften von Pforzen undNordendorf .......... 1,04

Sylvain Patri, La formation de róći et de rekp en slave commun... I13Krzysztof Tomasz \Vitczak, Urslawisch * sadoręła und griechisch

DytńE 123

Thomas Oberlies, Beitrage zum Pali-Lexikon. MiscellaneaPalica III.......... 127

Xaver Delamarre, A propos du vocabulaire Bangani ........... 165

Beitrdgewerden an Prof Dr. Alfred Bammesberger, fuchard-Suau8-Str. 48,D-85072 Eichstźtt, oderProf. Dr. Giinter Neumann,Thiringer Sr. 20, D-9707}'Wtirzburg, erbeten. Prof. Neumann

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Urslawisch'?sodorvb und griechisch

Uberlegungen zur primdtren Semantik des Adjektivs ,gesund'im Slawischen und Griechischen

1. Die slaw. Komposita, die das Prafix *sb- enthalten, machen aussemantischer Sicht der Interpretation Schwierigkeiten, wenn man be-rUcksichtigt, dafś dieses Prńfix ausschliefślich aus idg. *a1su- 'g't'(r.B. aind. slr-) awest. hw-, gr. śóE, heth. a#u-, etc.) hervorgeht. Dasurslaw. \7ort *snncrrtr (r.B. aksl. srnlrbtb, skr. smłt, poln. finierć,etc.) enthelt aufśer diesem Prefix den Stamm *mtrrtr. Dieser hatte alsselbststńndiges \7ort die Bedeutung'Tod', vgl. das slaw. Verb *rnnrg,

rnrrti, das wie bei den anderen idg. Entsprechungen 'sterben' hiefś,z.B. aind. m.órati, mórate 'stirbt', lat. morior'ich sterbe', lett. rnirt'sterben', usw. fPokorny IE\/ 745 sub voce *mer- 'sterben'; MannIECD 806 s. v. mro 'die; kill'1.

Das Prrfix *sb- war ein solches Morphem, das die Grundbedeu-tung des idg. Appellativs *mrtis 'der Tod' (r.B.aind. m[ti-, awest.marati-,lat. mors, tnortis, lit. rnirtis'Tod' [IE\7 735; IECD 808]nicht veróndert hat. Man nimmt an, dafś die Urslawen im Tod eineBefreiung vom Alltagskummer und anderen Qualen sahen. Aus diesemGrund haben sie die Prigung 'guter, nattirlicher Tod' (*srm.rrtn)gewiihlt [Vasmer RE\f II 671,-672]. In der Tat sehen wir, wenn wirHerodot Y, 4 beiziehen, da{ś das Volk der Thraker den Tod ostenta-tiv mit Freude begrrifśte, aber im Fall der Geburt Trauer zeigte;

'\7hen a child is born, the kinsfolk sit round and lament for all the tale of illsthat it must endure from its birth onward, recounting all the sorrows of men; butthe dead they bury with jollity and gladness, for the reason that he is quit of somany ills and is in perfect blessedness" [Hdt. 5].

In eihnlicher tWeise versteht man das slaw. *sndorv:n 'gesund'(aruss. srdorov:r, ukr. zdoróvyj , abg. srdrarln, bulg. zdrarl, skr.zdrhv, slk. zdravj, poln. zdrozay, usw.) als 'wohl, gesund' [VasmerRE\f I450-451]. Der gleiche Stamm ist in den Adjektiven wie apers.durwoa- 'gesund, heil', awest. drurso'dss.', aind. dhrwoa- 'fest, blei-bend' IIEW 214-217f zu finden.

2. Die Uberzeugung der \Tissenschaftler basiert jedoch nicht immer

Hist. Sprachforsch. 108, 1Ż3-126, ISSN 09]5_3518@ Vandenhoeck & Ruprecht 1995

DTINS

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auf glaubu.tirdigen Beweisen. Aus dem obengenannten Fall ist nicht zuersehen' dafś das urslawische Prnfix zwei verschiedene Genesen habenkann. Denn in der idg. Grundsprache gab es zwei Adjektive mit ahn-licher Vortstruktur; der Unterschied zwischen ihnen liegt in der An-wesenheit oder dem Fehlen des stimmhaften laryngalen Allophons.Dieser prothetische Vokal verschwindet in den meisten idg. Sprachen.Daher ist die lJnterscheidung zwischen den zwei Ableitungen der Ad-jektive nicht immer moglich.

Manche der Sprachen haben aber die Distinktion zwischen denuridg. *a1su- 'gut' und uridg. *sn,- 'voll' bewahrt. Zu diesen zdhlenHethitisch und Griechisch, wobei die hethitische Sprache gleichzeitigdie zwei erwlhnten Adjektive in ihrer Grundbedeutung und im allge-meinen Gebrauch bewahrt hat. In der Keilschrift erscheinen sie alsa-a{-{w-u{ /assus/ 'gut' und {u-w-w{ /sws/ 'voll' [\Teitenberg 1984:91-100 s.v. dsu- und 136-1,40 s.v. su- 'voll'].

Im Griechischen treffen wir in lebendigem Sprachgebrauch vor al-lem das Adjektiv ćóE G *a1sl,l,-), das auch in vielen Zusammensetzun-gen existiert, z.B.: gr. eó-pśvqg, aind. sw-rnónas- (< *a1sw-menes-)

etc.; das ur-idg. Adjektiv *su- 'voll' erscheint in evidenter \7eise nurin dem zusammengesetzten Adjektiv óyfiE (< idg. *sw-g"iyćs fFriskGE\f II 954-955; Chantraine DELG 1150-11,51,; IE\f ft37-1,038;\rP II 512) 'gesund', wÓrtlich 'voll-lebend 1: in der Fulle des Le-bens)', nicht aber: 'wohllebend 1: gut lebend)'.

Eine Ableitung des gr. rj- aus ursprtinglichem *a1su- ist phonolo-gisch nicht mÓglich. Alle \7issenschaftler, die das gegen die deutli-chen Fakten zu behaupten versuchen, haben nicht Recht. (Vor allemPeters [1980: 13, 63,203), der óyfiE aus der Priiform *h1sw-g"ih3-

e's deriviert, kÓnnte hier zitiert werden; doch findet sich \[iderspruchdazu schon bei Beekes: ,,rn fact óyfiE could be more easily explainedby *su- than *h1su-" U,969 288]).

Eine weitere Spur des uridg. *su.- hat das Altind. bewahrt, woraufkurzlich Catsanicos (1986), aufgrund der Zusammenstellung vonheth. iu-!.mili- und ved. su-maya-, hingewiesen hat.

3. In allen anderen idg. Sprachen ist die Differenzierung zwischenden uridg. *arsz- 'gut' und *su- 'voll'verschwunden, zusammen mitdem Verlust des vokalischen Anlautlaryngals *at-.Mehr noch: einigeSprachen, so die slawischen, bewahren nur Reste der zwei genanntenAdjektive, und zvłar in Zusammensetzungen, aber nicht mehr alsselbstlndige \7orter. Deshalb empfiehlt es sich, gen arer zu uberpni-fen, ob das Prrifix eines zusammengesetzten \[ortes jeweils aus *a1su-

oder xsu- entstanden ist-

Urslawisch *srdora:n und griechisch uyn1g I25

Hier ziehen wir ein Beispiel zu Hilfe. 'Vir nehmen an' dafś die(Jrslawen genauso wie die Thraker den Tod als eine Befreiung vonden menschlichen Qualen ansahen. Daraus schliefien wir, dafl urslaw.*sn-rntrrtn aus uridg. *alsu-rnrtis'guter Tod' stammt. Die beste Par-allele ist das griechische \7ort eó-flavaoia (f.) 'easy, h"ppy, nobledeath; euthanasy' [GEL: 71.41, das das gleiche Prefix *a1su- hat.

Doch auch im Falle der Vorter *srdoro:b 'gesvnd' wie auch *sb-

dororje 'Gesundheit' verfiigen wir iiber die semantische Parallele mitden griechischen Entsprechungen óyrńq'gesund', óyrcta'Gesundheit'.Beide enthalten prafixales *sl,l,- 'voll'. \7enn óyrńE ursprringlich denSinn von 'vollgesund (in der Fulle der Gesundheit)' hatte, kÓnnen wirper analogiarn die gleiche Semantik fur das urslaw. Adj. *srdorv:n

annehmen. Auch dies sollte aus dem uridg. *su-dhorwsos-Archetyp

deriviert werden.4. Die zułei angeftihrten Beispiele zeigen, dafś das urslawische Pró-

fix *sr- keine einheitliche Genese besitzt. Ver sich mit der Etymolo-gie der slaw. \7Órter beschaftigt, muf3 daher in vielen Fallen auf an-dere idg. Sprachen, wie z.B. Griechisch und Hethitisch, zurtick-greifen. Dabei erlauben die semantischen Parallelen oft, denursprunglichen Sinn und die fruhere Gestalt des gegebenen \Tortesfestzustellen. So ist eine genauere lJntersuchung i.iber die Distributionder zwei Adjektive *sw- und *a1su-, bei den einzelnen idg. Sprachenanzustreben. Eine umfassendere Studie tiber die Zusammensetzungen,die das Przifix xsr- enthalten, ist zu empfehlen, um so mehr, als inder heutigen wissenschaftlichen Praxis die Existenz eines selbstzindi-gen Adjektivs (Priiverbiums) *sw- 'voll' nicht erkannt wird. Die vor-handenen idg. Vorterbticher (\trP, IE\7, IECD) legen die ursprting-liche Form *sw- 'voll' nicht ausftihrlich genug dar. Sie tragen vielmehrzu Mifśverstźndnissen bei, indem sie die idg. Ableitungen *a1su'- 'gut'unzutreffend darstellen (cf. IE\7 342 und 1037 f.).

Literatur

Beekes 1969 : R. S. P. Beekes, The Development of the Proto-Indo-EuropeanLaryngeals in Greek, The Hague - Paris 1969.

Catsanicos 1,986 : Jean Catsanicos, A propos des adjectivs hitt' {u-!nili- et vód.sil.-maya-: Quelques remarques sur le traitement du groupe "V-H*C. ) la join-ture des composós, Bulletin de la Sociótó de Linguistique de Paris 81, 1 (1986),121-180.

Chantraine DELG : Pierre Chantraine, Dictionnaire ótymologique de languegrecque. Histoire des mots. T. I-IV, Paris 1968-1977 .

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Frisk GE\7 : Hjalmar Frisk, Griechisches etymologisches \7Órterbuch, B.1-3.Heidelberg 1960-1969.

GEL : A. Greek-English Lexicon compiled by H.G. Liddell and R. Scott, revisedand augmented throughout by Sir H.S.Jones, Oxford 1989.

Hdt. : Herodot with an English translation by A.D. Godley, t. III, Cambridge19s7.

Mann IECD : Stuart E. Mann, An Indo-European Comparative Dictionary,Hamburg 198+-1987.

Peters 1980 : Martin Peters, Untersuchungen zur Vertretung der indogermani-schen LanTngale im Griechischen, \fien 1980.

Pokorny IE\7 : Julius Pokorny, Indogermanisches etymologisches \Torterbuch,Bern - Mtinchen 1959.

Vasmer RE\r : Max Vasmer, Russisches eĘmologisches Vorterbuch, Bd.1-3,Heidelberg 1953-1956.

\Teitenberg 1984 : JosephJ.S.Veitenberg, Die hethitischen u-Stemme, Amster-dam 1984.

\[P : Alois \Valde und Julius Pokorny, Vergleichendes \florterbuch der indoger-manischen Sprachen, 8d.1,-2, Berlin - Leipzig 1930-1932..

Kat. Fil. Klas. Krzysztof Tomasz \TitczakIJnivers. Ł6dz.ul. \7ólczańska 91/III p.

PL-90-522 Ł6dźPolen