Eberhard Gerstel: Mit Analysetechnik von der Talstraße Gipfelstürmer auf dem Weltmarkt

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Daniel Mühlenfeld Eberhard Gerstel: Mit Analysetechnik von der Talstraße Gipfelstürmer auf dem Weltmarkt Wenn heute im Zusammenhang mit einer Unternehmerischen Erfolgsgeschichte von einer "Garagengründung" die Rede ist, dann werden in Zeiten von iMac, iPod, iPad und iPhone wohl viele zuerst an Steve Jobs und die 1976 im kaliforniseben Palo Alto gegründete Apple Computer Company denken. Doch bereits beinahe eine Dekade früher nahm in einer Garage in Mülheim an der Ruhr ein Untern ehmen seinen Anfang, das in den vergangenen Jahren gleich zweimal in eine Rang- liste der einhundert innovativsten mittelständischen Unternehmen Deutschlands aufgenom- men wurde - die Gerstel GmbH & Co. KG, Spezialistirr für "global analytical solutions" ana- lytisch-chemische Laborlösungen. Der Gründer Eberhard Gerstel senior Mit schon vierzig Lebensjahren war Eberhard Gerstel bei Gründung seiner Firma "Labor- mechanik Gerstel", so der ursprüngliche Name des Unternehmens, eher ein Spätstarter. Kein Manko , denn der Senior erwies sich bald schon als unternehmerischer Senkrechtstarter, kann man heute im Rückblick auf die nunmehr selbst mehr als vierzig Jahre währende Erfolgs- geschichte seines Untern ehmens ohne Übertreibung feststellen. Abb. 1: Eberhard Gerstel im Labor Der Anstoß, den Schritt in die berufliche Selbstän- digkeit zu wagen, rührte her von Eberhard Gerstels langjähriger Tätigkeit in der Abteilung "Strahlenche- mie" des Mülheimer Max-Planck-Instituts für Koh- lenforschung. Schon dort hatte der gelernte Fein- mechanikermeister als Werkstattleiter labortechnische Messgeräte und Apparaturen nach den Anforderun- gen von Ingenieuren und Forschern entworfen und gebaut. Dabei stellte er immer wieder fest, dass es für zahlreiche Arbeitsfelder schlichtweg an praxistaugli- chen Mess- und Analysegeräten mangelte. Dem abzu- helfen, reifte in Eberhard Gerstel der Entschluss, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen. 1967 schließ- lich setzte er diesen Plan in die Tat um . Für die nächsten fünf Jahre waren Unternehmen und Produktion in einer um- und ausgebauten Gara- ge in der Talstraße 25 zuhause. In dieser Zeit entwi- ckelte und produzierte die Firma vornehmlich Labor- gerätschaften für die chemische und pharmazeutische Industrie. Neben Photoreaktoren und Diffusions- Gerstel 1 173

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Daniel Mühlenfeld Eberhard Gerstel: Mit Analysetechnik von der Talstraße Gipfelstürmer auf dem Weltmarkt

Wenn heute im Zusammenhang mit einer Unternehmerischen Erfolgsgeschichte von einer "Garagengründung" die Rede ist, dann werden in Zeiten von iMac, iPod, iPad und iPhone wohl viele zuerst an Steve Jobs und die 1976 im kaliforniseben Palo Alto gegründete Apple Computer Company denken.

Doch bereits beinahe eine Dekade früher nahm in einer Garage in Mülheim an der Ruhr ein Unternehmen seinen Anfang, das in den vergangenen Jahren gleich zweimal in eine Rang­liste der einhundert innovativsten mittelständischen Unternehmen Deutschlands aufgenom­men wurde - die Gerstel GmbH & Co. KG, Spezialistirr für "global analytical solutions" ana­lytisch-chemische Laborlösungen.

Der Gründer Eberhard Gerstel senior

Mit schon vierzig Lebensjahren war Eberhard Gerstel bei Gründung seiner Firma "Labor­mechanik Gerstel", so der ursprüngliche Name des Unternehmens, eher ein Spätstarter. Kein Manko, denn der Senior erwies sich bald schon als unternehmerischer Senkrechtstarter, kann man heute im Rückblick auf die nunmehr selbst mehr als vierzig Jahre währende Erfolgs­geschichte seines Unternehmens ohne Übertreibung feststellen.

Abb. 1: Eberhard Gerstel im Labor

Der Anstoß, den Schritt in die berufliche Selbstän­digkeit zu wagen, rührte her von Eberhard Gerstels langjähriger Tätigkeit in der Abteilung "Strahlenche­mie" des Mülheimer Max-Planck-Instituts für Koh­lenforschung. Schon dort hatte der gelernte Fein­mechanikermeister als Werkstattleiter labortechnische Messgeräte und Apparaturen nach den Anforderun­gen von Ingenieuren und Forschern entworfen und gebaut. Dabei stellte er immer wieder fest, dass es für zahlreiche Arbeitsfelder schlichtweg an praxistaugli­chen Mess- und Analysegeräten mangelte. Dem abzu­helfen, reifte in Eberhard Gerstel der Entschluss, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen. 1967 schließ­lich setzte er diesen Plan in die Tat um .

Für die nächsten fünf Jahre waren Unternehmen und Produktion in einer um- und ausgebauten Gara­ge in der Talstraße 25 zuhause. In dieser Zeit entwi­ckelte und produzierte die Firma vornehmlich Labor­gerätschaften für die chemische und pharmazeutische Industrie. Neben Photoreaktoren und Diffusions-

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Millfield
Schreibmaschinentext
Horst A. Wessel (Hg.): Mülheimer Unternehmer und Pioniere im 20. Jahrhundert. Flexibel - kreativ - innovativ, Essen 2012.

schweißanlagen war es vor allem Regeltechnik, die den Großteil des Umsatzes der jungen Fir­ma ausmachte. So entwickelte Eberhard Gerstel etwa ein draht- und glasbruchsicheres Kon­taktthermometer, einen Wassermangelschalter, der Schäden irrfolge Unterbrechung des Kühl­mittelflusses vorbeugen half, sowie einen Kontaktregler, der Beschädigungen durch defekte Heizungsregler in Laboren verhinderte. Alle drei Entwicklungen ließ sich der findige Kons­trukteur patentieren - der Anfang war gemacht.

Sichtbares Zeichen der zunächst noch langsamen, jedoch stetigen AufWärtsentwicklung der Firma war 1972 der Umzug in eine neue Unterkunft. Weil die Garage an der Talstraße mit der Zeit zu !dein geworden war, siedelte die Firma in ein leer stehendes Ladenlokal an der Möll­hofstraße über. Doch auch dieses Domizil blieb nur eine Zwischenstation - wenn auch erneut für eine halbe Dekade.

Wachstumsmotor Chromatographie

Ab Mitte der 1970er Jahre waren es gewissermaßen das gesellschaftliche Klima und der politi­sche Zeitgeist, welche der Firma Eberhard Gerstels neue Geschäftsfelder bescherten. Hier be­wies der Firmengründer erneut unternehmerisches Gespür, diese Potenziale zu erkennen, mit adäquaten Produkten zu bedienen und damit wirtschaftlich zu nutzen.

Nachdem zu Beginn der 1970er Jahre der "Club of Rome" mit großem öffentlichen Echo für die nähere Zukunft das Erreichen der "Grenzen des Wachstums" prophezeit hatte und der Ölpreisschock tatsächlich ein erster Vorbote wirtschaftlicher Stagnation oder gar Rezession nach bald drei Jahrzehnren weitgehend ungebremsten Wirtschafts- und Wohlstandswachsrums zu sein schien, kamen der Öffentlichkeit die ökologischen Folgen von Wirtschaftswunder und unkontrolliertem Ressourcenverbrauch immer stärker zu Bewusstsein. Dies galt ganz besonders für das Ruhrgebiet, dem montanindustriellen Herz und Motor des westdeutschen Wirtschafts­aufschwungs. Treffend und prägnant hatte Sänger Herben Grönemeyer in der bekannten Hymne auf seine Heimatstadt Bochum festgestellt: "Dein Grubengold hat uns wieder hoch­geholt" - doch um welchen ökologischen Preis?

Aufgrund multipler Verunreinigungen erstarb Mitte der 1970er Jahre organisches Leben in Rhein und Ruhr. Der "blaue Himmel über der Ruhr", den Willy Brandt 1961 visionär einge­fordert hatte, hatte sich trotz Verabschiedung eines nordrhein-westfälischen Emissionsschutz­gesetzes 1962 noch nicht (wieder) eingestellt - nach wie vor gingen Jahr für Jahr rausende Ton­nen Industriestäube über der von Emscher und Ruhr durchflossenen Region nieder. Z ur glei­chen Zeit protestierten M enschen im baden-württembergischen Wyhl am Kaiserstuhl gegen den Bau eines Kernkraftwerkes, und 1976 versetzte die Nachricht von einem Chemieunglück nahe der norditalienischen Gemeinde Seveso, bei dem große Mengen eines hochtoxischen Dio­xins in die Umwelt gelangt waren, die Industriestaaten in Alarmstimmung.

Es war wohl nicht zuletzt diese Ereignisdichte, welche schließlich binnen weniger Jahre ei­nen nachhaltigen Bewusstseinswandel innerhalb der Bevölkerung nach sich zog: Die Umwelt und ihre natürlichen Ressourcen wurden fortan nicht mehr leichthin als gegeben betrachtet. Institutioneller Ausdruck dieser Entwicklung war die Gründung des Umweltbundesamtes 1974. In der Folge gewann die ökologische Technikfolgenabschätzung immer mehr an Bedeu-

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Angesichts dieser gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen wuchs der Analysetechnik eine stetig zunehmende Bedeutung zu, von der die Firma Labormechanik Gerstel ganz erheb­lich zu profitieren vermochte. Denn mit der ökologischen Bewusstseinswende ergaben sich im­mer mehr Bedarfsfelder, die Umwelt chemisch zu analysieren, um gerrauere Kenntnisse über den Grad ihrer Bedrohung oder gar Zerstörung zu gewinnen oder um neue Materialien und Konsumgüter auf ihre Umweltverträglichkeit zu untersuchen. Dazu bediente sich die For­schung vornehmlich chromaragraphischer Trennverfahren, insbesondere der Gaschromatogra­phie. Technisch geht es bei diesem erstmalig zu Beginn des 20. Jahrhunderts in seiner ganzen analytischen Tiefe theoretisch beschriebenen Verfahren um die Auftrennung von Stoffgemi­schen und chemischen Verbindungen in ihre Einzelbestandteile. Mit Hilfe chromaragraphi­scher Verfahren ließ sich Aufschluss gewinnen, welche gegebenenfalls schädlichen Stoffbestand­teile mit einem Konsumgut emittiert wurden oder aber sich bereits in der Umwelt befanden und in welcher Konzentration.

Hier nun gelang Eberhard Gerstel eine bahnbrechende technische Neuerung für die Gaschro­matograpie, mit der sich sowohl flüchtige als auch weniger flüchtige organisch-chemische Ver­bindungen in Art und Menge in festen, flüssigen und gasförmigen Proben vermessen lassen. Der "Graphpack" der Firma Gerstel garantierte eine bislang nicht erreichte Dichtigkeit der handels­üblichen Gaschromatographen, wodurch sich nicht nur die Genauigkeit der Analyse erheblich steigern ließ, sondern diese auch noch in einer bis dahin unerreicht kurzen Zeit möglich wurde. Zudem arbeitete das System auch bei schwankenden Temperaturen konstant. Mit dieserneuen Technik erlangte die Firma Labortechnik Gerstel weitere Aufmerksamkeit in der Branche- auch außerhalb der Bundesrepublik Dies hatte zur Folge, dass Eberhard Gerstel und die Firma - wie schon angedeutet - ein weiteres Mal umziehen mussten: 1977 bezog die Firma ihren Sitz an der Heerstraße in Mülheim-Speldorf in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Schreinerei.

Die 1980er Jahre- der wirtschaftliche Durchbruch

Mit dem Umzug in das deutlich größere Gebäude an der Heerstraße entstanden der Firma ganz neue Möglichkeiten. Die räumliche Expansion erlaubte es, das Angebot von Labortechnik und analytischem Knowhow auszubauen. Dazu setzte der Feinmechaniker Eberhard Gerstel ganz gezielt auf die Beteiligung von Fachleuten aus unterschiedlichen Gebieten (Interdiszipli­narität). Die ersten Chemiker wurden eingestellt und mit der Aufgabe betraut, mithilfe der Gerstel-optimierten Gaschromatographen neue, verbesserte Analysemethoden zu entwickeln, um den Kunden dieses wertvolle Praxiswissen zusammen mit dem technischen Gerät zur Ver­fügung zu stellen. So entstanden intensive, von wechselseitigem Vertrauen geprägte Kundenbe­ziehungen, eben weil die Kundschaft zu schätzen wusste, dass Gerstel stets bemüht war, die eigenen Produkte gewissermaßen durch die Kundenbrille kritisch zu prüfen und fortwährend Optimierungschancen auszuloten. Zugleich wurden die Kundenerfahrungen aus dem Praxis­einsatz fortwährend rückgemeldet, sodass auch Gerstel bei seiner Entwicklungsarbeit von der engen Kundenbindung zu profitieren vermochte.

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Abb. 2: Eberhard Gerstel im Gespräch

In diesem hochinnovativen, weil um stete Optimierung bemühten Arbeitsklima gelang dem Team um Eberhard Gerstell984 die im Rückblick wohl bedeutendste technische Entwicklung der Fir­mengeschichte, welche den end­gültigen Durchbruch des Unter­nehmens auf dem internationalen Markt für Labor- und Analyse­technik bedeutete. Damals brachte die heute eigenständige, seiner Zeit jedoch noch zum Konzernver­bund von Hewlett-Packard (HP) gehörende US-Firma Agilem

Technologies mit den Modellen 5880 GC und 5890 GC zwei neue Gaschromarographen auf den Markt, die erstmalig mikroprozessorgesteuert arbeiteten. Die Automatisierung und Com pu­terisierung, die mit der Entdeckung der Transistortechnik in den 1950er Jahren ihren Anfang genommen hatte, erreichte- letztlich wenig überraschend- nun auch die Analyse- und Labor­technik. Damit stieg Agilem Technologies zwar unangefochten in die Weltspitze der Hersteller von Gaschromatographen auf, doch waren es wiederum die findigen Mülheimer Konstrukteure um Eberhard Gerstel, welche die Geräte mit einer neuen Verfahrenstechnik gewissermaßen ver­edelten. Das sogenannte Kaltaufgabesystem (KAS) ermöglichte es erstmalig, schon länger be­kannte Fehlerquellen messtechnischer Unwägbarkeiten zu neutralisieren. Um zu verstehen, welch bahnbrechende Neuerung die serienreife Implementierung des Kaltaufgabesystems für die Gaschromatographie bedeutete, soll das gaschromatographische Analyseverfahren im Folgenden kurz und vereinfacht umrissen werden.

Der technische Hintergrund - die Gaschromatographie

Das funktionale Grundprinzip der Chromatographie lässt sich recht anschaulich mit einem Fluss vergleichen, der Treibgut mit sich führt. Ob und gegebenenfalls wie rasch sich Treibgut im Wasser fortbewegt oder ablagert, hängt im Wesentlichen von drei Faktoren ab: von der stofflichen Beschaffenheit des Treibgutes, von der Beschaffenheit des Flussbettes sowie der Fließgeschwindigkeit des Gewässers.

In der Chromatographie verhält es sich nun so, dass eine Probe (das Treibgut aus dem Ver­gleichsbeispiel) mit einer sogenannten mobilen Phase (im Beispiel: dem Wasser) auf eine sta­tionäre Phase (das Flussbett) gegeben wird. Sofern man nun die spezifischen Eigenschaften der stationären Phase kennt, kann man vermittels der Erkenntnis, wo sich einzelne Bestandteile einer Probe niedergeschlagen haben, auf deren chemische Eigenschaften schließen und damit Rückschlüsse auf die stoffliche Beschaffenheit der Probe ziehen. Bei der Gaschromatographie wird nun die Probe verdampft und mittels eines reaktionsträgen (inerten) Gases wie Stickstoff oder Helium als mobiler Phase auf die stationäre Phase - polymer-beschichtete Quarzglas-

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Wie gut die Gerstelsehe Entwicklung technisch gesehen tatsächlich war, verdeutlichen drei Umstände: Erstens setzte sich das KAS von Gerstel eindrucksvoll am Markt durch und wurde zum weltweit erfolgreichsten und meistverkauften Kaltaufgabesystem. Zweitens wurden Eber­hard Gerstel und sein Team für die Entwicklung des KAS 1989 mit dem Umweltschutzpreis des nordrhein-westfälischen Handwerks ausgezeichnet. Mit der Gerstel GmbH, wie die Firma seit dem 1. Dezember 1983 offiziell hieß, konkurrierten immerhin 57 weitere Bewerber um die renommierte, mit seinerzeit 2000 DM Preisgeld aus heutiger Sicht allerdings eher gering dotierte Auszeichnung, die Eberhard Gerstel im März 1989 auf der Düsseldorfer Umwelt­schutzmesse "Envitec" vom damaligen nordrhein-westfälischen Umweltminister Klaus Mat­tbiesen überreicht bekam. Einige Jahre zuvor hatte die Firma Gerstel auch erstmalig das Inte­resse der Lokalpresse geweckt, als das Unternehmen, eine Premiere für Mülheim, mit einem eigenen Stand auf der Münchner Fachmesse "Analytica" vertreten war. Die Westdeutsche All­gemeine Zeitung (WAZ) titelte 1986 mit einer gehörigen Portion Lokalpatriotismus: "Aus Speidorf zur »Analytica«".

Drittens - und dies ist hinsichdich der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung des Unter­nehmens gewiss der nachhaltigste Beleg - erwuchs aus der Entwicklung des Kaltaufgabesys­tems 1986 schließlich ein formeller Kooperationsvertrag zwischen Gerstel und der Analytik­Sparte von Hewlett-Packard, der jetzigen Agilem Technologies. Gemäß dieser Vereinbarung war es Eberhard Gerstel und seinem Team fortan gestattet, die gaschromatographischen Kom­plettsysteme von Agilem gemäß den Wünschen der Kunden bedarfsgerecht um-, nach- und aufzurüsten. Hier wiederum zahlte sich aus, dass Eberhard Gerstel sich schon frühzeitig be­müht hatte, die Kundenperspektive bei der Entwicklungsarbeit stets mitzubedenken. Auf diese Weise war Gerstel wie kaum ein zweiter Anbietet in der Lage, die Geräte individuell und pass­genau auf die geforderten Analyse- und Untersuchungsbedarfe hin auszustatten beziehungswei­se Analyseverfahren auf die jeweiligen Kundenwünsche zuzuschneiden. Grob vereinfacht könn­te man die Bedeutung von Gerstel für Agilent Technologies mit der Rolle vergleichen, die der Autotuner AMG für Mercedes spielt: Ein bereits eingangs hochwertiges technologisches Spit­zenprodukt wird entsprechend individuellen Kundenwünschen veredelt.

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Abb. 3: Eberhard Gerstel inmitten seiner Mitarbeiter

Am Ende dieser wichtigen Entwicklungsphase der Firma stand als Ausdruck ihres stetigen un­ternehmerischen Wachstums- man kann es schon erahnen - erneut ein Umzug in ein größeres Domizil. D iesmal wurde auf einem Gelände an der Aktienstraße sogar eigens ein neuer Fir­mensitz errichtet; auch dies Zeichen und Ausdruck der wirtschaftlichen Prosperität des Unter­nehmens. Weil die Gerstel GmbH inzwischen eine respektable Größe mit entsprechendem Per­sonalstamm erreicht hatte, gestaltete sich die vorausgehende Standortsuche diesmal weitaus schwieriger als in früheren Jahren. Erst nach dreijähriger Suche war mit Unterstützung des Wirtschaftsförderungsamtes der Stadt Mülheim der neue Standort gefunden.

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Beständigkeit im Wandel 1: die 1990er Jahre

Wenn die 1980er Jahre das Jahrzehnt des endgültigen Unternehmerischen Durchbruchs und der Etablierung der Marke "GERSTEL" auf dem Weltmarkt waren, dann markieren die 1990er Jahre in gewisser Weise ein Jahrzehnt des Umbruchs; eines Umbruchs allerdings, der mehr eine Fortführung des Bewährten im Wandel, denn eine Abkehr vom bisher so überaus erfolgreichen Konzept war.

Abb. 5: Eberhard Gerstel während einer Vortragsreise in Skandinavien

Dabei entwickelte sich das Unternehmen wirtschaftlich kontinuierlich fort und vermochte in schöner Regelmäßigkeit neue technische Innovationen zu präsentieren. So stellte die GERS­TEL GmbH etwa 1994 das T hermaldesorptionssystem (TOS) vor, dessen Einsatz es zusam­men mit dem bekannten Kaltaufgabesystem ermöglicht, auch solche Stoffe verfälschungsfrei gas-chromatographisch zu analysieren, deren Verdampfungseigenschaften einer solchen Unter­suchung bisher entgegengestanden hatten. Wie selbsrverständlich technische Innovationen für das Unternehmen Gerstel tatsächlich waren und si nd, das belegt eine Zahl, die dem Firmen­porträt einer Lokalzeitung von 1997 entnommen ist. Demnach hielt die Firma GERSTEL zu diesem Zeitpunkt nicht weniger als 21 Patente an einschlägigen analytischen Gerätschaften oder Verfahren; heute liegt die Zahl, am Rande bemerkt, bei rund 150! Zu einer solchen tech­nischen Höchstleistung in Permanenz passte es auch, dass die fortwährenden Bemühungen um Qualitätssicherung und optimale Betriebsführung zu einer Zertifizierung des Betriebes nach DIN EN ISO 9000 führten; die erste entsprechende Auszeichnung wurde dem Unternehmen im Januar 1997 von der IHK überreicht.

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Bereits einige Jahre zuvor, 1994, hatte sich Gerstel entschlossen, auf dem nordamerikani­schen Markt fortan mit einer eigens gegründeten Tochtergesellschaft vertreten zu sein. Die GERSTEL, Inc. hat bis heute ihren Sitz nahe dem "Baltimore/Washington International Air­port" der Stadt Baltimore im OS-Bundesstaat Maryland. Von hier aus werden Vertrieb und Service für das gesamte Nordamerikageschäft der Mülheimer Muttergesellschaft zwischen Aca­pulco und Neufundland organisiert. Wie positiv sich das Geschäft in diesem Marktbereich ent­wickelt hat, belegt der Umstand, dass auch GERSTEL, Inc. 2008 neue, größere Geschäftsräu­me beziehen musste. Neben der GERSTEL, Inc. in den USA unterhält die GERSTEL GmbH und Co. KG - die Umfirmierung erfolgte im Dezember 1997, als Eberhard Günter Gerstel und Holger Gerstel, zwei Söhne des Gründers, die Firma als geschäftsführende Gesellschafter übernahmen - noch zwei weitere internationale Tochterfirmen: die schweizerische GERSTEL AG in Sursee und die GERSTEL K.K. in Tokio. Die schweizerische Tochter, ungefähr auf hal­ber Strecke zwischen Zürich und Bern gelegen, war 2001 gegründet worden; die japanische folgte 2004. Darüber hinaus ist das Mülheimer Mutterhaus in 80 weiteren Ländern weltweit vertreten in Gestalt kompetenter Kooperationspartner.

Die wohl wichtigste, weil zukunftsweisendste Neuerung war indessen die Übergabe der un­ternehmerischen Verantwortung durch Eberhard Gerstel sen. an seine beiden Söhne Eberhard Günter und Holger Gerstel, die seit 1998 als geschäftsführende Gesellschafter die Geschicke des Unternehmens lenken. Beide waren bereits seit der Umwandlung des Unternehmens in eine GmbH Ende 1983 Mitgesellschafter. Als technischer Geschäftsführer stand und steht Hol­ger und Eberhard G. Gerstel mit Ralf Bremer zudem ein langjähriger leitender Mitarbeiter zur Seite, der für die Bereiche "Produktion", "Technik", "Lager" und "Entwicklung" verantwortlich zeichnet.

Die von stetem Wachstum im zweistelligen Prozentbereich gekennzeichnete Unternehmens­entwicklung setzte sich auch über diesen Stabswechsel in der Unternehmensleitung hinweg fort. Dabei machte sich gewiss bezahlt, dass die Söhne schon seit ihrer Schulzeit im väterlichen Betrieb mitgearbeitet hatten und über Jahre hinweg an die Leitungsverantwortung heran­geführt worden waren. Sichtbarer Ausdruck dieses betrieblichen Wohlergehens war die zum Ende des Jahrzehnts erneut notwendig gewordene Suche nach einem größeren Domizil, weil das Umernehmen wieder einmal aus seinem bisherigen Sitz herausgewachsen war. Da die in­zwischen erreichte Größe des Unternehmens verständlicherweise auch gewisse Anforderungen an die Größe des zukünftigen Firmensitzes stellte, war die Auswahl an geeigneten Gewerbeflä­chen in Mülheim nicht eben groß. Zur Entlastung zogen daher schon 1999 Teile der Produkti­on nach Duisburg-Asterlagen um. Sitz des Unternehmens blieb indessen nach wie vor Mül­heim an der Ruhr, und bei der Suche nach einem geeigneten neuen Standort in der Stadt war von Beginn an ein erklärtes Ziel, alle Teile des Unternehmens wieder im wahrsten Sinne des Wortes unter einem Dach zu vereinen.

Beständigkeit im Wandel II: Die GERSTEL GmbH & Co. KG heute

Gleich zu Beginn des neuen Jahrtausends präsentierte die Firma GERSTEL eine weitere bahn­brechende technische Innovation- den Twister. Bei ihm handelt es sich um ein modifiziertes Rührstäbchen für Magnetrührer. Seine Besonderheit besteht darin, dass es mit einem speziellen

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Kunststoff beschichtet ist, der absorbierende Eigenschaften besitzt. Auf diese Weise kann der Twister chemische Stoffe aus flüssigen Proben extrahieren, ohne dass spezielle organische Lö­sungsmittel zum Einsatz kommen müssten. Denn die mittels Twister gewonnenen Proben können direkt für eine gaschromatographische Analyse weiterverwendet werden. Dies ist eine echte umweltschonende Innovation, die zudem sowohl die Empfindlichkeit als auch die Präzi­sion der Messergehnisse weiter zu erhöhen geholfen hat.

Die neue Technik erweist sich gerade auch in der laboranalytischen Praxis als so erfolgreich, dass GERSTEL 2002, also nur zwei Jahre später, einen eigens für die automatisierte Reihen­analyse von bis zu 200 Twistern ausgelegten Laborroboter vorstellte. Dass das Unternehmen im gleichen Jahr erstmalig in die Rangliste der 100 innovativsten Mitreiständler Deutschlands gewählt wurde, vermochte eigentlich niemanden mehr zu überraschen. Erneut nur drei Jahre später stellte das Unternehmen mit der MAESTRO-Software eine selbst entwickelte Lösung zur konzertierten Steuerung aller GERSTEL-Geräte und -Systeme vor. Von der Probenvor­bereitung über die Probenaufgabe bis hin zur Analyse bot die Softwarelösung fortan ein inte­griertes Angebot zur Optimierung der Arbeitsprozesse im Arbeitsalltag der Labore- nicht nur im Bereich des Umweltschutzes. GERSTEL-Technologie wird ebenso eingesetzt, um die Qua­lität und Sicherheit von Lebensmitteln und Trinkwasser zu überprüfen, um schädliche Materi­alemissionen festzustellen, um Urkundenfälschern auf die Schliche zu kommen oder um die rechte Zusammensetzung von Aromen und Duftstoffen zu kreieren .

Unabhängig von dieser ungebrochenen Innovationsfreude und des damit verbundenen un­ternehmerischen Erfolges ereilte die Firma GERSTEL und die Gerstel-Familie 2004 eine äu­ßerst schlechte Nachricht: Am 30. August 2004 starb Unternehmensgründer Eberhard Gerstel sen. nach längerer, schwerer Krankheit. Bis zuletzt hatte er regen Anteil an der Entwicklung "seiner" Firma genommen. Wie eng die Verbundenheit nicht nur des Gründers mit dem Un­ternehmen, sondern ebenso auch die Verbundenheit der Belegschaft mit ihrem langjährigen Chef gewesen war, belegte schon die Sonderausgabe des firmeneigenen Kundenmagazins, die 1998 aus Anlass des Rückzugs von Eberhard Gerstels sen. aus dem Tagesgeschäft erschien: Ne­ben einer knappen Chronik des Unternehmens reihten sich darin Grußworte und Würdigun­gen von Geschäftspartnern, Kunden, Kolleginnen und Kollegen aneinander, in denen die ge­genseitige Wertschätzung Ausdruck fand. Diese Verbundenheit, die gewiss auch daher rührte, dass die GERSTEL GmbH & Co. KG ein eigentümergeführtes Unternehmen war und im Kern auch geblieben ist, fand mit dem letztmaligen Umzug der Firma sinnfälligen Ausdruck.

Nach längerer Suche nahm das Unternehmen 2007 seinen Sitz nunmehr auf dem Gelände des Siemens-Techno-Parks. Dort wurden nun auch die zwischenzeitlich nach Duisburg aus­gelagerten Teile der Produktion wieder mit an den Standort geholt. Das Areal , auf dem das neue Firmengebäude errichtet wurde, trägt seitdem die Adressbezeichnung "Eberhard-Gerstel­Platz 1 ". Zudem erinnert eine Stele an den Gründer und langjährigen Chef des prosperieren­den Unternehmens: Eine Säule, wie sie auch beim Bau des neuen Firmensitzes verwandt wur­de, ist versehen mit der Silhouette Eberhard Gerstels und wird von einem gemauerten Stoß Klinkersteine gekrönt.

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Abb. 6: Untern ehmenssitz seit 2007

Den Sinn und die symbolische Bedeutung der Statue hat der Künstler eigens in einem kurzen Filmbeitrag erläutert, der aus Anlass der Einweihung des neuen Firmensitzes produziert wurde. Doch eigentlich scheint es einer solchen Erklärung nicht zu bedürfen - zu offenkundig liegt die Aussage des Kunsrwerkes auf der H and: Eberhard Gerstel bildet die tragende Säule, jenes Fundament, auf dem das Unternehmen ruht. Mit seiner fachl ichen Begabung und seinem Weitblick hat er aus dem Ein-Mann-Betrieb, der 1967 in einer Garage an der Talstraße seinen Anfang nahm, einen florierenden, welrweit operierenden Mittelständler gemacht. GERSTEL ist heure einer jener "hidden champions", welche qua Defini tion zwar einer breiteren Öffent­lichkeit kaum bekannt sind, jedoch einen erheblichen, wenn nicht gar dominierenden Anteil am Weltmarktgeschäft ihrer Branche auf sich vereinen.

Die GERSTEL GmbH & Co. KG - eine Pionierleistung?

Zum Abschluss dieser nicht zuletzt in technischer Hinsicht faszinierenden Erfolgsgeschichte eines jüngeren hiesigen Mittelständlers bleibt noch die Frage zu klären, ob es sich bei Grün­dung und Aufbau der Firma GERSTEL denn auch tatsächlich um eine Pionierleistung im Sin­ne des Generalthemas dieses Buches gehandelt hat, kurz: ob insbesondere Eberhard Gerstel sen. ein "Pionier der M ülheimer Wirtschaft" war.

Drei G ründe sprechen klar für diese Auffassung. Erstens: Ausgehend von Joseph Schumpe­ters berühmter Typologie von Unternehmern, wonach insbesondere der Eigentümer-Unter­nehmer aus beständiger Sorge um den Fortbestand "seiner" Firma latent risikoscheu sei und mi thin kein echter Unternehmer im strengen Sinne des Wortes, muss man konstatieren, dass es sich bei Eberhard Gerstel sen. deutlich anders verhielt. Er war nicht nur technischer Innova-

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Von dieser Befähigung zeugt insbesondere die deutliche Ausrichtung von Firma und Pro­duktpalette auf den Bereich der Umweltanalytik und auf die Schadstoffprüfung neuer Güter im Sinne ihrer Emissionsrichtlinienverträglichkeit. Hier sah Eberhard Gerstel sen. die sich auf diesem Markt bietenden Chancen offenbar weit klarer als andere, wie die Unternehmensent­wicklung seit spätestens Mitte der 1970er Jahre eindrücklich zeigt. Allein diese Einsicht in die wachsende Bedeutung des Themas "Natur- und Umweltschutz" macht die Firma GERSTEL respektive ihren Gründer unzweifelhaft zu einem Wirtschaftspionier, gerade wenn man be­denkt, wie umstritten die tatsächliche gesellschaftliche Relevanz dieses Themas noch lange war, ehe erst Fisch- und dann Waldsterben ein schrittweises Umdenken einleiteten. Technisch und damit auch unternehmerisch ist indessen ein Ende der Entwicklung in der Umwelttechnik und -analytik nicht absehbar: Je größer das Problembewusstsein, desto strenger die politischen Steuerungsvorgaben in Form von Richtlinien und Grenzwerten - und umso innovations­bedürftiger die Analysetechnik!

Auch in einer dritten, stärker lokalhistorischen Hinsicht kommt der Unternehmerischen Le­bensleistung Eberhard Gerstels sen. Pionierstatus zu: 1966, im Jahr bevor Eberhard Gerstel sei­ne Firma gründete, hatte in Mülheim die letzte Zeche geschlossen. 1964 waren bereits die Hochöfen der Friedrich Wilhelms-Hütte, einst Standort des ersten Kokshochofens im rhei­nisch-westfälischen Industriegebiet überhaupt, stillgelegt worden. Mülheim an der Ruhr war damit die erste bergbau- und hochofenfreie Stadt des Ruhrgebietes. Der wirtschaftliche Struk­turwandel der Region hatte zwar schon seit der Ruhrbergbaukrise der späten 1950er Jahre schleichend eingesetzt, doch nun wurde er auch im öffentlichen Leben überdeutlich. Zugleich signalisierte das Stabilitätsgesetz von 1967 eine Zäsur hinsichtlich der Erwartung ungebrems-

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Abb. 7: Entwicklung der Mirarbeiterzahl der Gerstel GmbH & Co. KG

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ten Wirtschaftswachstums und markierte damit definitiv das Ende der Wirtschaftswunderära. Auch diese makroökonomischen Rahmenbedingungen sind zu berücksichtigen, um die unter­nehmerische Leistung Eberhard Gerstels objektiv einschätzen und würdigen zu können.

Mit seiner Gründung stand Gerstel während einer Phase struktureller wirtschaftlicher Um­brüche sinnfällig für jene Art von Unternehmen, von denen es wohl auch heute noch immer nicht genug im Ruhrgebiet gibt: Firmen und Arbeitgeber, die jenseits der als so schädlich er­fahrenen monostrukturellen Ausrichtung auf die Montanindustrie mit innovativen Produkten der Region und ihren Menschen eine ökonomische und damit auch soziale, persönliche und familiäre Perspektive zu eröffnen vermochten. Kurz: Die Firma Gerstel ist ein beinahe ideal­typisches Beispiel gelebten und gewachsenen Strukturwandels in einem spätindustriellen Bal­lungsraum, der in einigen Bereichen auch vier Jahrzehnte nach Beginn dieses Prozesses noch immer nicht alle Folgen des Wandels und die daraus resultierenden sozialen Verwerfungen überwunden hat.

Ein solcher Beitrag aber darf mit Fug und Recht eine Pionierleistung genannt werden: Eber­hard Gerstel sen. ist unstreitig ein "Pionier der Mülheimer Wirtschaft". Und eingedenk der Beteiligung der GERSTEL GmbH & Co. KG am Mülheimer Wettbewerbsbeitrag im Rahmen des vom Initiativkreis Ruhr ausgelobten Pilotprojektes "Innovation City" schicken sich ganz offenbar auch seine Nachfolger an, diesen Weg fortzusetzen.

Quellen

- Stadtarchiv Mülheim (StaMH) 1440/80.30/8, Buchstabe G

- Firmenarchiv Fa. Gerstel

- Zeitungsausschnittsammlung Fa. Gerstel

Abbildungen

- Firmenarchiv Fa. Gerstel

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