Die Schöne und das Biest ^ ~ - Penguin Random House ...

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Die Schöne und das Biest und andere französische Märchen Erzählt von Jeanne-Marie Leprince de Beaumont und Ernst Tegethoff ^~ Anaconda

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Die Schöneund das Biest

und andere französische Märchen

Erzählt von Jeanne-Marie Leprince de Beaumont

und Ernst Tegethoff

^ ~

Anaconda

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Die Schöne und das Biest (frz. »La Belle et la Bête«) erschien auf Deutschzuerst 1756 unter dem Titel »Die Schöne, und das Thier« in einer vonJohann Joachim Schwabe übertragenen Fassung von Jeanne-Marie Le-prince de Beaumont in dem Band Lehrreiches Magazin für Kinder zu rich-tiger Bildung ihres Verstandes und Herzens für die deutsche Jugend (frz. Maga-sin des enfants, ou dialogues entre une sage gouvernante et plusieurs de sesélèves). Nach dieser Fassung neu erzählt hat es Ernst Tegethoff unterdem Titel »Die Schönheit und das Tier« in seiner zweibändigen Samm-lung Französische Volksmärchen (Jena: Eugen Diederichs 1923), der auchalle anderen Märchen der vorliegenden Auswahl entnommen sind. AlleTexte wurden sprachlich behutsam überarbeitet, Orthografie und In-terpunktion auf neue Rechtschreibung umgestellt.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2018 Anaconda Verlag GmbH, KölnAlle Rechte vorbehalten.Umschlagmotiv: Anne Anderson (1874–1930), »The Beauty and the Beast« aus: The Briar Rose book of old old fairy tales(London 1919), INTERFOTO / Mary EvansUmschlaggestaltung: www.katjaholst.deSatz und Layout: www.paque.dePrinted in Czech Republic 2018ISBN [email protected]

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Inhalt

Die Schöne und das Biest . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Das Märchen von der schönen Zelandine . . . . . . . 19

Der blaue Vogel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Der Orangenbaum und die Biene . . . . . . . . . . . . 46

Ricdin-Ricdon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

Die Rosenstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

Der König der Fische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

Goldfuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

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Die Schöne und das Biest

Es war einmal ein Kaufmann, welcher außerordentlichreich war. Er hatte drei Töchter, und da er ein verstän-diger Mann war, so sparte er nichts an ihrer Erziehungund gab ihnen gute Lehrer. Seine Töchter waren sehrschön; besonders wurde die jüngste bewundert undman nannte sie, solange sie klein war, nur »La Belle«,»die Schöne«, und der Name blieb ihr und erweckte dieEifersucht ihrer Schwestern.

Die beiden ältesten waren sehr stolz, weil sie reichwaren; sie spielten die Damen und wollten sich nichtmit den anderen Kaufmannstöchtern abgeben, es fehlteihnen an Leuten, die sie ihrer Gesellschaft für würdigerachtet hätten. Alle Tage gingen sie auf Bälle, in die Ko-mödie, auf Spaziergänge und spotteten über ihre Jüngs-te, die den größten Teil ihrer Zeit darauf verwandte, guteBücher zu lesen. Da man wusste, dass diese Mädchensehr reich waren, baten mehrere wohlhabende Kaufleu-te um ihre Hand, aber die beiden ältesten antworteten,dass sie nur einen Herzog oder doch mindestens einenGrafen heiraten wollten. Die Schöne dankte denen, dieum sie anhielten, freundlich, aber sie sagte ihnen, dass sienoch zu jung sei und dass sie lieber ihrem Vater noch ei-nige Jahre Gesellschaft leisten wolle.

Mit einem Schlag verlor der Kaufmann seine ganzeHabe und nichts blieb ihm als ein kleines Landhaus weitvon der Stadt. Unter Tränen eröffnete er seinen Kin-

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dern, dass sie dieses Haus künftig bewohnen und mitBauernarbeit ihren Lebensunterhalt verdienen müssten.Seine beiden ältesten Töchter erwiderten, sie wolltendie Stadt nicht verlassen und hätten mehrere Verehrer,welche glücklich wären, sie heiraten zu können, auchwenn sie kein Vermögen mehr hätten. Die guten Fräu-lein täuschten sich indes, ihre Liebhaber schauten sienicht mehr an, als sie arm waren. Da sie ihres Hochmutswegen niemand leiden mochte, sagte man: »Sie verdie-nen nicht, dass man sie beklagt, es geschieht ihnen recht,dass ihr Stolz gedemütigt worden ist, mögen sie die gro-ßen Damen spielen, wenn sie ihre Schafe hüten! Wasaber die Schöne betrifft, so tut uns ihr Missgeschick sehrleid, sie ist ein gutes, sanftes Mädchen.«

Die arme Schöne war zuerst sehr niedergeschlagengewesen, als sie ihr Vermögen verlor, aber dann hatte siesich gesagt: »Das Weinen bringt mir mein Geld nichtwieder, man muss versuchen, auch ohne Vermögenglücklich zu sein.« Als sie auf ihrem Landhaus angekom-men waren, begann der Kaufmann mit seinen dreiTöchtern das Feld zu bestellen. Die Schöne stand umvier Uhr morgens auf, säuberte zuerst das Haus und be-reitete dann das Frühstück für ihre Familie. Zuerst kames sie sehr hart an, denn sie war die Mägdearbeit nichtgewöhnt, aber nach zwei Monaten war sie kräftiger ge-worden und die ermüdende Arbeit gab ihr sogar einevollkommene Gesundheit. Nach der Arbeit pflegte siezu lesen, Klavier zu spielen oder beim Spinnen zu sin-gen. Ihre Schwestern dagegen langweilten sich zu Tode,sie trauerten um ihre schönen Kleider und ihre Gesell-schaft und sagten: »Seht, unsere Jüngste hat eine niedrigeSeele und ist so stumpfsinnig, dass sie mit unserer unse-ligen Lage zufrieden ist.« Der gute Kaufmann freilich

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bewunderte die Tüchtigkeit dieses jungen Mädchensund besonders ihre Geduld, denn die Schwestern, nichtdamit zufrieden, ihr die ganze Hausarbeit zu überlassen,schmähten sie noch obendrein bei jeder Gelegenheit.

Schon ein Jahr lang lebte die Familie in ihrer Einsam-keit, als der Kaufmann eines Tages einen Brief erhielt, inwelchem man ihm mitteilte, dass ein Schiff, auf dem erWaren hatte, glücklich angekommen sei. Diese Nach-richt verdrehte den beiden Ältesten, welche schonglaubten, nun das langweilige Landleben aufgeben zukönnen, den Kopf, und als sie ihren Vater reisefertig sa-hen, baten sie ihn, ihnen schöne Kleider, Kopfputz undalle möglichen Kleinigkeiten mitzubringen. Die Schönebat ihn um nichts, denn sie dachte bei sich, dass all dasfür die Waren gelöste Geld nicht ausreichen würde, umdie Wünsche ihrer Schwestern zu befriedigen. »Du bit-test mich nicht, dir etwas zu kaufen?«, sagte der Vater zuihr. »Da Ihr so gut seid, an mich zu denken«, entgegnetesie, »so bitte ich Euch, mir eine Rose mitzubringen,denn es gibt hier keine.« Der gute Mann reiste ab, aberals er angekommen war, musste er um seine Waren ei-nen Prozess führen und nach vieler Mühe kehrte erebenso arm zurück, wie er abgereist war.

Schon freute er sich darauf, seine Kinder wiederzuse-hen, aber als er kurz vor seinem Haus einen großenWald durchqueren musste, geriet er in die Irre. Esschneite unaufhörlich, der Wind wehte so heftig, dass erihn zweimal vom Pferde riss, und als es Nacht wurde,glaubte er vor Hunger und Kälte sterben zu müssenoder von den Wölfen gefressen zu werden, die er rings-herum heulen hörte. Plötzlich, als er sich am Ende einerlangen Allee umsah, bemerkte er ein helles Licht, dasaber noch weit entfernt zu sein schien. Er ging in dieser

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