Download - „Eine überaus kezerische und Gotteslesterliche Meinung in ezlichen Religions-Articeln vertaidigen und spargiren“? In: Morgen-Glantz 25 (2015), S. 51-85.

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MORGEN-GLANTZ

Zeitschriftder

Christian Knorr von Rosenroth-Gesellschaft

Im Auftrag der Christian Knorr von Rosenroth-Gesellschaft herausgegeben von

Rosmarie Zeller

25 (2015)

Peter LangBern • Berlin • Bruxelles •

Frankfurt am Main • New York • Wien

Satz und Layout: Johannes Hartmann, Stadtarchiv Sulzbach-Rosenberg

„MORGEN-GLANTZ“. Zeitschrift der Christian Knorr von Rosenroth- Gesellschaft erscheint einmal im Jahr.Mitglieder der Gesellschaft erhalten die Zeitschrift kostenlos.

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Publikationen zur Besprechung sind an die Geschäftsstelle oder an die

Rücksendung besteht nicht.

Titelbild: Apparatus eruditionis, tam rerum quam verborum, per omnes artes et scientias : cum indicibus ... qui postremus index locupletissimus copiosi et novis vocabulis tàm Latinis quàm Germanicis...Pexenfelder, Michael. - Sultzbaci : Endter, 1704

Copyright: Christian Knorr von Rosenroth-Gesellschaft

Inhalt

Akten der 24. Tagung

ERNST ROHMER Bildung in der Frühen Neuzeit. Was meint ‚eruditio‘? ................... 9

WERNER W. SCHNABELPoetische Neujahrswünsche. Nürnberger Spruchsprecherblätter als Medien nichtakademischer Belehrung im 17. Jahrhundert ........ 23

KLAUS BIRNSTIEL „Eine überaus kezerische und Gotteslesterliche Meinung in ezli- chen Religions-Articeln vertaidigen und spargiren“? Die diskursive Archivierung und Dissimulierung heterodoxer Positionen an der Nürnberger Hohen Schule zu Altdorf (ca. 1615-1795) als Exempel der Selbstreflexion frühneuzeitlicher Bildungsinstitutionen .…...... 51

CAMILLA WEBERSchulleben im Simultaneum. Finanzen, Personal, Gebäude …….. 87

VICTORIA GUTSCHE „was anitzo noch würklich unter den Jüden gelehret […] wird“. Jüdische Gelehrsamkeit in christlichen Judaica ………………………. 113

ROSMARIE ZELLERDie Sprachbücher des Comenius und das Sulzbacher Projekt …............ 143

KRISTINA HARTFIELVom Ort der Geschichte. Die Autorenprofile des Neu-eröffneten Historischen Bilder-Saals im Vergleich ………………………… 169

JULIANE JACOBI Betbuch und Spindel – Mädchenbildung im 17. Jahrhundert …... 193

HANS SCHÖNEMANNZur Konzeption des Unterrichts am Gymnasium Hof im 17. Jahrhundert ……………………………………...……………. 213

HEIKO ULLRICHVon der Sprachgesellschaft zur Universität. Die Rolle der Poetik in der Gründlichen Anleitung des Magnus Daniel Omeis (1704) ….. 239

LAURA BALBIANIDie „Instruction“ zur Kavaliersreise von Christian August und Johann Ludwig von Sulzbach (April 1642–Juni 1644) …..……….. 279

DIRK NIEFANGERDer späte Benjamin Neukirch als Pädagoge ………………………. 311

ERNST ROHMERKinderzucht und Bildung im Oeconomus prudens et legalis, oder Allgemeiner Klug- und Rechtsverständiger Haus-Vatter des Franz Philipp Florin …………………………………………. 325

HANS-JOACHIM JAKOB„Also ist auch nichts geschehen/ daß nicht aus heiliger Schrifft beurtheilt werden könte“. Der erste Teil von G. Ph. Harsdörffers Heracljtus und Democrjtus (1652-1653) – Quellen, Paratexte und die Spezifik des biblischen Epimythions ………………….….. 349

Miscelle und Rezensionen

ROSMARIE ZELLERDie Rolle von Franciscus Mercurius van Helmont bei der Ansiedlung der Juden in Sulzbach …............................................ 383

Victoria Luise GUTSCHE: Zwischen Abgrenzung und Annäherung. Konstruktionen des Jüdischen (Rohmer) .................. 401

Christian MEIERHOFER: Georg Philipp Harsdörffer (Rohmer) 404

Tina ASMUSSEN, Lucas BURKART, Hole RÖSSLER: Theatrum Kircherianum (Zeller) …………………..…………… 406

Adressen der Autoren .................................................................... 410

eruditio – Institutionen, Medien und Wege frühneuzeitlicher Bildung

Akten der 24. Tagung derChristian Knorr von Rosenroth-Gesellschaft

herausgegeben von

Ernst Rohmer

51„Eine überaus kezerische und Gotteslesterliche Meinung ...“

KLAUS BIRNSTIEL

„Eine überaus kezerische und Gotteslesterliche Meinung in ezlichen Religions-Articeln vertaidi-gen und spargiren“? Die diskursive Archivierung und Dissimulierung heterodoxer Positionen an der Nürnberger Hohen Schule zu Altdorf (ca.

frühneuzeitlicher Bildungsinstitutionen*

Die 1575 eröffnete Hohe Schule zu Altdorf bei Nürnberg, die von Kaiser Rudolf II. bereits 1578 in den Rang einer semiuniversitas erhoben wurde, stellt einen exemplarischen Fall für die Erforschung frühneuzeitlicher Bildungsinstitutionen dar.1 Von den Nürnberger Stadtvätern als akademi-sches Prestigeprojekt begründet, erlebte sie bis zu ihrer Aufhebung im Jahre 1809 eine wechselvolle Geschichte. Im folgenden möchte ich mich mit einem Ereignis und seinen Folgen in dieser Geschichte beschäftigen, das mehr ist als eine bloße Episode. An der jungen Hochschule bildete sich an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert um den Mediziner Ernst Soner eine religiös heterodoxe Gruppierung, welche antitrinitarische

* Der vorliegende Beitrag geht in ganz wesentlichen Teilen auf Recherchen und Er-kenntnisse des Teilprojekts B 7 „Gelehrtenkultur und religiöse Pluralisierung: Prak-tizierte Toleranz im Umgang mit heterodoxen Positionen um 1600“ zurück, welches in den Jahren 2008 bis 2011 im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 573 „Plura-lisierung und Autorität in der Frühen Neuzeit“ der Deutschen Forschungsgemein-schaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München durchgeführt wurde. Dem Projektleiter, Friedrich Vollhardt, sowie meinen ehemaligen Münchner Kollegen Cornelia Rémi und Martin Schmeisser gilt mein Dank für zahllose sachdienliche Hinweise und Auskünfte.

1 Zur Privilegierung der Hochschule siehe Heinrich Kunstmann: Die Nürnberger Universität Altdorf und Böhmen. Beiträge zur Erforschung der Ostbeziehungen deutscher Universitäten. Köln, Graz 1963, S. 2ff., sowie Wolfgang Mährle: Acade-mia Norica. Wissenschaft und Bildung an der Nürnberger Hohen Schule in Altdorf (1575-1623). Stuttgart 2000 (Contubernium 54), S. 71ff.

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Lehren annahm und verbreitete.2 Nach der Entdeckung und Verfolgung der Gruppe zu Anfang des 17. Jahrhunderts, die mit der Exilierung eini-ger der Beteiligten sowie öffentlichen Schuldbekenntnissen Anderer und der Verbrennung der als häretisch eingestuften Schriften auf dem Altdor-fer Marktplatz endete, bildeten die genannten Geschehnisse fortan einen Teil des kollektiven Gedächtnisses der Altdorfer Gelehrtenkultur. Durch das ganze 17. Jahrhundert hindurch und bis weit in das folgende Jahr-hundert hinein mussten die Chronisten und Historiographen der Univer-

verschleiern beziehungsweise klein zu halten, ohne den Deutungsan-spruch über die wissenschaftlichen Leistungen der beteiligten Personen und die Geschichte der Universität insgesamt aufzugeben. Zugleich kam es auch von außerhalb der eigenen Institution immer wieder zu Bezug-nahmen auf die Ereignisse, und noch über einhundert Jahre später waren diese keineswegs vollständig aus dem Gedächtnis getilgt. Der Hoch-schule beziehungsweise ihren Angehörigen musste daran gelegen sein, selbst über die eigene Erinnerung zu verfügen. So legte etwa der Altdor-fer Theologieprofessor Gustav Georg Zeltner 1729 eine zweibändige

-na vor, welche die mehrere Generationen zurückliegenden Ereignisse historisch aufzuarbeiten suchte, und noch Ende des 18. Jahrhunderts, in Georg Wills 1795 erschienener Geschichte und Beschreibung der Nürn-bergischen Universität zu Altdorf 3 Am Beispiel des Falls der Altdorfer Antitrinitarier und seiner Erinnerung in

2 Erstmals umfassend dargestellt sind die Ereignisse bei Gustav Georg Zeltner: Histo-. 2 Bände, Band

1, Leipzig 1729 (dort S. 86 auch das titelgebende Zitat). In der neueren Literatur werden die Geschehnisse u.a. beleuchtet bei Karl Braun: Der Socinianismus in Alt-dorf 1616. In: Zeitschrift für bayrische Kirchengeschichte 8 (1933), S. 65-81 u. S. 129-150; Domenico Caccamo: Sozinianer in Altdorf und Danzig im Zeitalter der Orthodoxie. In: Zeitschrift für Ostforschung 19 (1970), S. 42-78; Wolfgang Mährle: Academia Norica (wie Anm. 1), S. 501-514 u. passim; Martin Schmeisser, Klaus Birnstiel: Gelehrtenkultur und antitrinitarische Häresie an der Nürnberger Akade-mie zu Altdorf. In: Daphnis. Zeitschrift für Mittlere Deutsche Literatur 39 (2010), S. 221-285; Hanns Christof Brennecke: Orthodoxie und sozinianische Häresie in Altdorf. In: Akademie und Universität Altdorf. Studien zur Hochschulgeschichte Nürnbergs. Hg. von Hanns Christof Brennecke, Dirk Niefanger und Werner Wil-helm Schnabel. Köln, Weimar, Wien 2011, S. 155-166. Zum Antitrinitarismus selbst siehe Anm. 16.

3 Zeltner: Historia Crypto-Socinismi (wie Anm. 2); Georg Andreas Will: Geschichte und Beschreibung der Nürnbergischen Universität Altdorf. Altdorf 1795.

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der frühneuzeitlichen Gelehrtenkultur in Altdorf und darüber hinaus möchte ich zeigen, welche diskursiven Praktiken der respublica literaria des 17. und 18. Jahrhunderts zur Verfügung standen, um heterodoxes Wissen zu archivieren und zu dissimulieren, zu erinnern und zu entschär-fen, zu vergegenwärtigen und zu verschleiern.4 Die Untersuchung der problematischen Erinnerung an die Geschehnisse in Altdorf kann erhel-len, wie die Hochschule mit ihrer eigenen Geschichte umging, in wel-chem politischen und intellektuellen Spannungsfeld sie sich dabei be-wegte, und welcher Strategien man sich in der bildungspolitischen Landschaft bediente, um Ansehen und Ehre der Institution zu verteidi-gen.5

Die Altdorfer Akademie

Die Gründungsgeschichte der Hohen Schule in Altdorf reicht zurück bis in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts, wo es mehrere Versuche gab, in Nürnberg eine höhere Bildungseinrichtung zu etablieren. So entstand etwa schon 1526 in den Räumen des Klosters St. Egidien ein humanisti-sches Gymnasium, dessen Lehrinhalte und Organisationsstruktur von Philipp Melanchthon und anderen konzipiert worden waren.6 Diese An-

4 Zu den Praktiken der Organisation gelehrter Kultur als historia literaria vgl. die Beiträge in: Historia literaria. Neuordnungen des Wissens im 17. und 18. Jahrhun-dert. Hg. von Frank Grunert und Friedrich Vollhardt. Berlin 2007; Strategien der Dissimulation beleuchtet umfassend Perez Zagorin: Ways of Lying. Dissimulation, Persecution, and Conformity in Early Modern Europe. Cambridge/MA 1990.

5 Die auch politischen Verhältnisse frühneuzeitlicher Universitäten sind umfassend dargestellt bei Rudolf Stichweh: Der frühmoderne Staat und die europäische Uni-versität. Zur Interaktion von Politik und Erziehungssystem im Prozess ihrer Aus-differenzierung (16.-18. Jahrhundert). Frankfurt a.M. 1991. Vgl. daneben Anton Schindling: Bildung und Wissenschaft in der Frühen Neuzeit 1650-1800. München 1994 (Enzyklopädie deutscher Geschichte 30) sowie Geschichte der Universität in Europa. Bd. 2: Von der Reformation zur Französischen Revolution 1500-1800. Hg. von Walter Rüegg. München 1996 und Erziehung und Schulwesen zwischen Kon-fessionalisierung und Säkularisierung. Forschungsperspektiven, europäische Fall-beispiele und Hilfsmittel. Hg. Heinz Schilling, Stefan Ehrenpreis. Münster 2003;

Academia Norica (wie Anm. 1).

6 Wolfgang Mährle: Philippismus, Ramismus, Aristotelismus – didaktische Kon-zepte an der Nürnberger Hochschule in Altdorf (1575-1623). In: Morgen-Glantz 12 (2002), S. 63-80, S. 65. Vgl. außerdem ders.: Academia Norica (wie Anm. 1)

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stalt litt jedoch bald unter Schülermangel, da sie offenbar in der Konkur-renz mit den anderen Nürnberger Schulen nicht bestehen konnte.7 Um das Fortbestehen der Schule zu sichern, wandte sich ihr Rektor Joachim Camerarius 1565 an den Nürnberger Stadtrat. In einem Gutachten analy-sierte er die Situation der erfolgreichen sächsischen Fürsten- und Klos-terschulen zu Pforta, Görlitz, Meißen und Grimma und verglich sie mit der Situation der Nürnberger Bildungsstätten; daraus resultierte der Vor-schlag, das Gymnasium auf das Land zu verlegen und akademisch aus-zubauen.8 Die Schule wurde am Peter-und-Pauls-Tag 1575 in Altdorf bei Nürnberg eröffnet; ihre Gebäude sind dort noch heute zu besichtigen. Der Unterrichtsbetrieb war zunächst entsprechend dem Vorbild der Straßburger Hochschule in Form eines akademischen Gymnasiums orga-nisiert.9 Bereits 1580 wurden der neugegründeten Institution durch Kai-ser Rudolf II. die eingeschränkten Rechte einer Akademie verliehen, wo-nach die in den Rang einer semiuniversitas erhobene Hochschule das Promotionsrecht für die philosophische Fakultät besaß.10 Wie auch der Straßburger Akademie blieb Altdorf das Promotionsrecht für die übrigen Fakultäten aber zunächst versagt. 1622 zur Volluniversität erhoben, wur-de der Akademie erst 1696 das Promotionsrecht in der Theologie zuge-sprochen.11

II. Antitrinitarismus in Altdorf

Um den Fall des Altdorfer Antitrinitarismus, der nach 1600 für einiges Aufsehen sorgte, genauer erläutern zu können, muss man etwas weiter ausholen. Um den Altdorfer Medizinprofessor Ernst Soner (1572-1612) hatte sich nach der Wende zum 17. Jahrhundert ein Kreis von Studenten gebildet, welcher sich heterodoxen religiösen Positionen zuwandte.12 So-

sowie ders.: Wissenschaft nach Straßburger, Wittenberger oder Paduaner Art. Die Entwicklung des Lehrangebots an der Nürnberger Hohen Schule in Altdorf (1575-1623). In: Historisches Jahrbuch 120 (2000), S. 80-96.

7 Kunstmann: Altdorf und Böhmen (wie Anm. 1), S. 5.8 Ebd., S. 6.9 Mährle: Academia Norica (wie Anm. 1), S. 68ff.10 Ebd., S. 73.11 Ebd., S. 89ff., S. 100.12 Zur Person Ernst Soners siehe u.a. Johann Jakob Baier: Biographiae Professorum

. Nürnberg, Altdorf 1738, S.

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ner und seine Schüler stellten insbesondere die dogmatischen Vorstellun-gen von der Trinität in Abrede; im Rahmen ihrer aristotelisch und natur-philosophisch bestimmten Überlegungen unterzogen sie orthodoxe

13 Etliche der Altdorfer Antitrinitarier wandten sich schließlich dem Sozinianismus zu, jener von Lelio und Fausto Sozzini begründeten heterodoxen Glau-bensrichtung, die von der Mitte des 16. Jahrhunderts an vor allem in Polen eine feste Basis etablieren konnte.14 Aufgrund der Beziehungen zum Sozinianismus und zu anderen antitrinitarischen Strömungen hat insbesondere die ältere Forschung das Altdorfer Antitrinitarismus-Phä-nomen in die geistesgeschichtliche Kontinuität antitrinitarischer Ideen seit der Spätantike gestellt.15 Tatsächlich reichen die Wurzeln des nicht nur von den Altdorfern bezweifelten Trinitätsdogmas zurück in die For-mierungsphase des christlichen Glaubens.16 Die nicäische Theologie ver-

26-35 und Georg Andreas Will: -bung aller Nuernbergischen Gelehrten beyderley Geschlechtes nach Ihrem Leben/ Verdiensten und Schrifften zur Erweiterung der gelehrten Geschichtskunde und Ver-besserung vieler darinnen vorgefallenen Fehler aus den besten Quellen in alphabe-tischer Ordnung verfasset. Bd. 3. Nürnberg und Altdorf 1757, S. 713-718.

13 -Akademie und Universität Altdorf. Studien zur Hoch-

schulgeschichte Nürnbergs. Hg. von Hanns Christof Brennecke, Dirk Niefanger und Werner Wilhelm Schnabel. Köln, Weimar, Wien 2011 (Beihefte zum Archiv für Kul-turgeschichte 69), S. 121-150; zu den Lehrinhalten vgl. auch Mährle: Wissenschaft (wie Anm. 6).

14 Socinianism in Poland. The Social and Politi-.

Boston/MA 1957 sowie Schmeisser, Birnstiel: Gelehrtenkultur (wie Anm. 2) und Brennecke: Orthodoxie (wie Anm. 2).

15 Otto Fock: Der Socinianismus nach seiner Stellung in der Gesammtentwicklung des christlichen Geistes, nach seinem historischen Verlauf und nach seinem Lehrbegriff. Kiel 1847.

16 Zur Dogmen-, Geistes- und Personalgeschichte des Antitrinitarismus vgl. Fried-rich Samuel Bock: Historia Antitrinitariorum. Königsberg und Leipzig I/1 1774, I/2 1776, II 1784; Fock: Socinianismus (wie Anm. 15); Friedrich Trechsel: Die protes-tantischen Antitrinitarier vor Faustus Socin. Nach Quellen und Urkunden geschicht-lich dargestellt. 2 Bde., Heidelberg 1839 u. 1844; Robert Wallace: Antitrinitarian Biography, or Sketches of the Lives and Writings of distinguished Antitrinitarians. 3 Bde., London 1850; Morse Wilbur: A History of Unitarianism. Socinianism and its Antecedents. Cambridge/MA 1945; Kot: Socinianism in Poland (wie Anm. 14); George Huntston Williams: The Radical Reformation. Philadelphia 1962; Gustav Adolf Benrath: Die Lehre des Humanismus und des Antitrinitarismus. In: Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte. Band 3: Die Lehrentwicklung im Rahmen

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warf insbesondere die christologischen Vorstellungen der Arianer und formulierte die Lehre von der Trinität als Einheit von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist. Arianische und andere antitrinitarische Vorstellun-gen aber tauchen in der Häresiegeschichte immer wieder auf. Mal ist der Angriff auf das Trinitätsdogma auf dessen christologische, mal auf des-sen pneumatologische Flanke hin orientiert: so lehnen verschiedene anti-trinitarische Theologeme die Vorstellung der Göttlichkeit Christi ab und erklären Gottes Sohn zum bloßen Propheten oder Werkzeug Gottes. An-dere Strömungen des Antitrinitarismus verwerfen zusätzlich die Vorstel-lung eines Heiligen Geists als Teil der Göttlichkeit. Die scholastische Theologie des Mittelalters – zu nennen sind Thomas von Aquin, Duns

Lehrgebäude. Doch kennt die Geistesgeschichte des Mittelalters und der Renaissance ebenfalls eine fortgesetzt kritische Auseinandersetzung mit der sich zunehmend dogmatisch verfestigenden Trinitätslehre. Autoren wie Petrus Lombardus, Hieronymus von Prag, Pico della Mirandola oder Johannes Reuchlin setzen sich skeptisch mit ihr auseinander.17 Begriffe wie ‚Arianismus‘ oder ‚Photinismus‘ (und später auch ‚Sozinianismus‘) allerdings sind nicht erst im Prozess der Konfessionalisierung vor allem als Kampfbegriffe zu sehen, die nicht nur verwendet werden, um tatsäch-

in Glaubensstreitigkeiten maximal zu stigmatisieren:18 als altkirchlichem Glaubensbestand kommt der Trinität in den Lehrgebäuden sämtlicher sich bildender Konfessionen eine zentrale Stellung zu. Wer in den Ver-dacht gerät, antitrinitarischen Ideen anzuhängen, verlässt damit den Bo-

-pressalien. Gerade im Reformationszeitalter spielen Erörterungen der Trinität eine wichtige Rolle; die Verfolgung antitrinitarischer Positionen als Häresien durch kirchliche und weltliche Obrigkeiten ist jedoch unein-heitlich und zeigt, dass der unterliegende Konfessionalisierungsprozess

der Ökumenizität. Hg. von Carl Andresen. Göttingen 1984, S. 1-70, hier S. 49-70; Zbignew Ogonowski: s.v. Sozinianismus. In: Historisches Wörterbuch der Philoso-phie. Bd. 9. Hg. von Joachim Ritter, Karlfried Gründer und Gottfried Gabriel. Basel 1995, Sp. 1257-1263.

17 Wilbur: A History of Unitarianism (wie Anm. 16), S. 12ff.18 Der linke Flügel der

Reformation. Glaubenszeugnisse der Täufer, Spiritualisten, Schwärmer und Antitri-nitarier. Hg. von Heinold Fast. Bremen 1962 (Klassiker des Protestantismus 4), S. IX-XXXV, hier S. XXXIf.

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kaum als einsinnig zu betrachten ist, sondern vielfach Spielräume für Aushandlungslösungen und mehr oder weniger stabile Duldungen bezie-

19 Ebenso kommt es aber immer wieder auch zu exzessiven Verfolgungen. Den be-kanntesten Fall stellt derjenige des spanischen Arztes und Gelehrten Mi-guel Servet dar, der 1531 in Straßburg eine Schrift De trinitatibus errori-bus veröffentlichte.20 Servets Versuche, seine antitrinitarischen Überlegungen in ganz Westeuropa zu verbreiten, fanden in Johannes Calvin einen energischen Gegner, der Servets Verhaftung in Genf be-trieb, wo ihm anschließend der Prozess gemacht wurde. Im Oktober 1553 starb Servet auf dem Scheiterhaufen. Sein Fall sorgte europaweit für Aufmerksamkeit und führt auf drastische Weise vor Augen, welche Folgen eine allzu vehemente Ablehnung der Lehrmeinungen von der Tri-nität haben konnte. Das Reformationsjahrhundert bot antitrinitarischen Häresien indes immer wieder Raum und Gelegenheit, und die Reaktio-nen sind nicht immer ganz so harsch wie im Falle Servets. In den aller-meisten Fällen aber beendeten antitrinitarische Häresien die Karrieren ihrer Vertreter, mündeten in Flucht und Exilierung. Dass der Antitrinita-rismus im 16. und 17. Jahrhundert als gesamteuropäisches Phänomen zu begreifen ist, zeigen die Lebenswege seiner bedeutendsten Vertreter. So musste der 1525 in Siena geborene Humanist und Theologe Lelio Sozzi-ni Italien 1547 verlassen.21 Im Kontakt mit Reformatoren wie Bullinger in Zürich und Melanchthon in Wittenberg entwickelte er sein theologi-

19 Das Konfessionalisierungsparadigma als Deutungsmuster der entstehenden Neu-zeit entfalten Ernst Walter Zeeden: Grundlagen und Wege der Konfessionsbildung in Deutschland im Zeitalter der Glaubenskämpfe. In: Historische Zeitschrift 185 (1958), S. 249-299, Wolfgang Reinhard: Zwang zur Konfessionalisierung? Prolego-mena zu einer Theorie des konfessionellen Zeitalters. In: Zeitschrift für historische Forschung 10 (1983), S. 257-277 sowie Heinz Schilling: Die Konfessionalisierung im Reich. Religiöser und gesellschaftlicher Wandel in Deutschland zwischen 1555 und 1620. In: Historische Zeitschrift 246 (1988), S. 1-45. Der gegenwärtige For-schungsstand ist wiedergegeben in: Interkonfessionalität – Transkonfessionalität – binnenkonfessionelle Pluralität. Neue Forschungen zur Konfessionalisierungsthese. Hg. von Kaspar von Greyerz u. a. Gütersloh 2003 (Schriften des Vereins für Refor-mationsgeschichte 201).

20 Michel Servet: De Trinitatis erroribus libri septem. O.D., O.O. [Hagenau] 1531. Zur causa Servet siehe Roland H. Bainton: Hunted Heretic. The Life and Death of Michael Servetus (1511-1553). Boston 1953 sowie Francisco Sánchez-Blanco: Michael Servets Kritik an der Trinitätslehre. Philosophische Implikationen und his-torische Auswirkungen. Frankfurt a.M., Bern, Las Vegas, 1977.

21 Wilbur: A History of Unitarianism (wie Anm. 16), S. 97ff.

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sches Denken weiter, ließ dabei aber genügend Vorsicht walten, um ei-nem Schicksal wie demjenigen Miguel Servets zu entgehen.22 Sozzinis Neffe Fausto setzte das Wirken des Onkels fort. Er unterhielt intensive Verbindungen ins polnische Raków, wo sich, von der Obrigkeit gedul-det, eine heterodoxe religiöse Gruppe über lange Zeit halten konnte; als Sozinianismus bezeichnet, bildeten die Lehren Fausto und Lelio Sozzi-nis einen wichtigen Bestandteil der religiösen Vorstellung der Polni-schen Brüder, die sich, in Abgrenzung von der calvinistischen ecclesia maior auch ecclesia minor nannten. Sie wurden erst 1658 aus Polen verbannt. 23

In der geistesgeschichtlichen Literatur sind Antritrinitarismus und Sozinianismus bis auf den heutigen Tag vielfältig perspektiviert wor-den.24 Das Interesse der Forschung am älteren Antitrinitarismus und Uni-tarismus erklärt sich aus dem Versuch, diese in die Vorgeschichte der Religionsdebatten der Aufklärung einzuordnen und letzteren damit eine historische Fundierung zu verleihen, die bis in die Reformationsge-schichte zurückreicht. Für die Interpretation der Entwicklungen insbe-sondere im Reichsgebiet hat dieses linear-teleologische Narrativ teilwei-se zu erheblichen Entstellungen und Überzeichnungen der historischen Wirklichkeit geführt. Auf verschlungenen Linien suggerierte eine sich selbst als politisch progressiv verstehende Geistes- und Ideengeschichte, welche sich für den angeblich „linke[n] Flügel der Reformation“25 inter-essierte, Vorstellungen von der proto-rationalistischen und damit für die Geschichte der Aufklärung zentralen Bedeutung des Antitrinitarismus.26 Die in jüngerer Zeit aufgekommene Faszination für Protoformen intel-

22 Der Lebensweg Lelio Sozzinis und seine Kontakte sind dargestellt bei Wallace: An-titrinitarian Biography (wie Anm. 16), Bd. 2, S. 63-95.

23 Wallace: Antitrinitarian Biography (wie Anm. 16), S. 306-339; Schmeisser, Birn-stiel: Gelehrtenkultur (wie Anm. 2), S. 224ff.

24 Vgl. Anm. 16.25 So der Titel der bekannten Textsammlung von Fast: Der linke Flügel (wie Anm. 18).26 „Der Antitrinitarismus i s t Aufklärung.“ Hermann Ley: Zur Entwicklungsge-

schichte der europäischen Aufklärung. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Tech-nischen Hochschule Dresden 4 (1954/55), S. 385-444, S. 443. Ähnlich Günther Mühlpfordt: -schichte des Frührationalismus polnischer und deutscher Arianer vom 16. bis ins 18. Jahrhundert. In: Renaissance und Humanismus in Mittel- und Osteuropa. Hg. von Johannes Irmscher. Bd. 2. Berlin (Ost) 1962, S. 220-246, S. 242 sowie Siegfried Wollgast: Philosophie in Deutschland zwischen Reformation und Aufklärung. 1550-1650. Berlin (Ost) 1988, S. 422.

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lektueller Libertinage auch im deutschsprachigen Raum, die sich aus dem enorm gestiegenen Interesse an der kulturellen Alterität der Frühen Neuzeit einerseits und an ihrer Interpretation als heterodoxer Ursuppe einer als rigide rationalistisch verstandenen Hochmoderne andererseits speist, schließt in unerwarteter Weise an diese Forschungstraditionen an.27 Vielfach werden dabei jedoch Modelle des radical enlightenment28 oder der libertinage érudit29 von ihren angelsächsischen beziehungswei-se französischen Bedingungen und Inhalten entkernt und auf vermeintli-che Parallelphänomene im Reichsgebiet übertragen.30 Hinzu kommt eine zeitliche Verschiebung, welche die Modalitäten hochaufklärerischer Ge-lehrsamkeitspraktiken und Diskurse ein gutes Jahrhundert nach hinten verlegt – und diesen ideengeschichtlichen Perspektivierungs- und Dar-

Gegenstände zu ‚Proto‘-, ‚Para‘-, ‚Prä‘- oder ‚Krypto‘-Formen ihrer selbst abzusichern versucht, um sich gegen den naheliegenden Teleolo-gieverdacht zu immunisieren. Wie Eric Achermann für die philosophi-sche Seite des Altdorfer Antitrinitarismus und Wolfgang Mährle für seine praktischen Organisationsformen gezeigt haben, sind solche geistesge-schichtlichen métarécits in unserem Fall jedoch mit besonderer Vorsicht zu genießen.31 Zwar lässt sich die Prägung des diskursiven Klimas an der Altdorfer Akademie durch bestimmte Strömungen aristotelischer Natur-

27 Vgl. exemplarisch Martin Mulsow: Moderne aus dem Untergrund. Radikale Frühaufklärung in Deutschland 1680-1720. Hamburg 2002 sowie ders.: Die unan-ständige Gelehrtenrepublik. Wissen, Libertinage und Kommunikation in der Frühen Neuzeit. Stuttgart 2007.

28 Die Wendung ist u.a. titelgebend bei Jonathan Israel: Radical Enlightenment. Philo-sophy and the Making of Modernity, 1650–1750. Oxford 2001.

29 Begriffsprägend hier René Pintard: Le Libertinage érudit dans la première moitié du XVIIe siècle. Paris 1943.

30 Zu den narrativen Valenzen der Frühneuzeitforschung vgl. Klaus Birnstiel: Wie er-zählt man die Frühe Neuzeit? Über Detektivgeschichten, Differenzierungsgewinne, Außenseiter, Pluralisierungsschübe und andere Narrative. In: Schleifspuren: Les-arten des 18. Jahrhunderts. FS Eckhart Hellmuth. Hg. von Anke Fischer-Kattner, Matthias Georgi u.a.. München 2011, S. 3-16.

31 Eric Achermann: Ratio und oratio mentalis. Zum Verhältnis von Aristotelismus und Sozinianismus am Beispiel der Philosophie Ernst Soners. In: Nürnbergs Hochschule in Altdorf. Beiträge zur frühneuzeitlichen Wissenschafts- und Bildungsgeschichte. Hg. von Hanspeter Marti, Karin Marti-Weissenbach. Köln u.a. 2014, S. 98-157; Wolfgang Mährle: Eine Hochburg des ‚Kryptocalvinismus‘ und des ‚Kryptosozi-nianismus‘? Heterodoxie an der Nürnberger Hochschule in Altdorf um 1600. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 97 (2010), S. 195-234.

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Räsonnement kaum bestreiten, und auch die ideengeschichtlichen und persönlichen Verbindungen des Altdorfer Antitrinitarismus zum polni-schen Sozinianismus sind bemerkenswert. Gerade die eklektische, über-wiegend von der aristotelischen Naturphilosophie bestimmte Theoriebil-dung Ernst Soners, des angeblichen Hauptes der Altdorfer ‚Krypto-Socinianer‘, auf das noch zurückzukommen sein wird, steht an vielen Stellen aber in direktem Widerspruch zur sozinianischen Theolo-gie, und erst nach Soners Tod kann überhaupt davon die Rede sein, dass die jungen Altdorfer Antitrinitarier durch Martin Ruarus und andere im sozinianischen Sinne auf Linie gebracht worden sind.32 Soner als ‚Kryp-tosozinianer‘ zu bezeichnen, verlängert damit eine von den Altdorfer Universitätshistorikern, namentlich Georg Gustav Zeltner, vorgezeich-nete Linie, Soners idiosynkratisches Philosophieren, das in Altdorf of-

-

den lokalen Bedingungen abzulenken, unter welchen das theolo-gisch-philosophische Abweichlertum Soners und seiner Mitstreiter über-haupt ja nur gedeihen konnte.33 Aus den intellektuellen und persönlichen Konstellationen aber Narrative zu konstruieren, welche die Logik des post hoc ergo propter hoc zur Kausalität umdeuten, fällt schwer.34 Auch die immer wieder insinuierte Nähe von Aristotelismus beziehungsweise Naturphilosophie, zeitgenössischer Medizin und Heterodoxie erscheint als schwer auf den Begriff zu bringen: betont die skeptische Forschungs-position deren bloße Nachbarschaft, versuchen robustere Entwürfe aus

32 Vgl. Braun: Socinianismus in Altdorf (wie Anm. 2), S. 71. 33 Diesen Punkt unterstreicht insbesondere Mährle: Hochburg (wie Anm. 31), S. 212ff.

Andererseits lässt sich aber weder die Tatsache leugnen, dass schon zu Soners Zei-ten durchaus Kontakte mit den Rakówer Sozinianern bestanden, noch kann in Ab-rede gestellt werden, dass etliche von Soners ehemaligen Schülern sich der ecclesia minor anschlossen, innerhalb ihrer Strukturen Priester- und andere Ämter übernah-men beziehungsweise publizistisch für sie tätig wurden: Vgl. Schmeisser, Birnstiel: Gelehrtenkultur (wie Anm. 2), S. 236ff.

34 Der Begriff der Konstellation, den Martin Mulsow im Anschluss an Dieter Henrich

Konstellationsforschung. Hg. Von Martin Mulsow und Marcelo Stamm. Frankfurt a.M. 2005, S. 74-97.

61„Eine überaus kezerische und Gotteslesterliche Meinung ...“

rekonstruieren.35 Im Falle Altdorfs aber ist die Quellenlage einesteils, was den akademischen und heterodoxen Ideenhaushalt betrifft, recht spärlich, anderenteils aber, was dessen Interpretation durch die For-

Wenden wir uns also nach Altdorf und der Person Soners selbst zu. Der spätere Medizinprofessor Ernst Soner, ein Sohn der Stadt Nürnberg, hatte 1595 in Altdorf die Magisterwürde erlangt.36 Eine ausgedehnte pe-regrinatio academica führte ihn anschließend unter anderem nach Lei-den, wo er von den polnischen Antitrinitariern Christoph Ostorod und Andrzej Woidowski deren Lehre vermittelt bekam.37 In Padua kam er überdies mit der proto-rationalistischen Philosophie des Aristotelikers Cesare Cremonini in Kontakt.38 In Basel erwarb er den Doktor der Medi-zin und ließ sich 1602 in Nürnberg als Arzt nieder.39 Als Medizinprofes-sor und Professor der Naturheilkunde trat er 1605 die Nachfolge Philipp Scherbes an und wurde 1607/1608 Rektor der Altdorfer Akademie.40 Er verstarb bereits 1612. Unter seinen Studenten verbreitete Soner offenbar

35 Tatsächlich stellt die Medizin als akademisches Feld in der Frühen Neuzeit einen Re-

besondere Rolle zukam. Auch an der Altdorfer Akademie haben philosophierende Ärzte beziehungsweise als Mediziner praktizierende Naturphilosophen eine ent-scheidende Rolle gespielt. Die Nähe von antitrinitarischen, von der aristotelischen Religions- und Naturphilosophie geprägten Philosophemen und der Entfaltung einer physiologischen, weiterhin heterodox theologischen Medizin ist bemerkenswert. Am Beispiel des Blutkreislaufs, seiner physiologischen Beschreibung und philo-sophisch-theologischen Interpretation im 16. und frühen 17. Jahrhundert hat Ralf Bröer die Zusammenhänge insbesondere des italienischen Aristotelismus mit einer physiologisch orientierten Medizin und nicht-trinitarischen theologischen Erwägun-gen detailliert herausgearbeitet und dabei auch die Rolle der Altdorfer beziehungs-weise Ernst Soners entsprechend perspektiviert, vgl. Ralf Bröer: Blutkreislauf und Dreieinigkeit. Medizinischer Antitrinitarismus von Michael Servet (1511–1553) bis Giorgio Biandrata (1515-1588). In: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 29 (2006), S. 21–37 sowie ders.: Antiparacelsismus und Dreieinigkeit. Medizinischer Antitrini-tarisus von Thomas Erastus (1524–1583) bis Ernst Soner (1572–1605). In: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 29 (2006), S. 137-154. Bröers robuste Ideengeschich-te überschätzt allerdings teilweise die Wirkmächtigkeiten einzelner Entdeckungen beziehungsweise Ideen und konstruiert Kausalitäten, wo es sich eher um Nachbar-schaften oder Interferenzen handelt.

36 Will: (wie Anm. 12), S. 713.37 Zeltner: Historia Crypto-Socinismi (wie Anm. 2), S. 30ff. Will: Nürnbergisches Ge-

(wie Anm. 12), S. 714.38 Will: (wie Anm. 12), S. 714.39 Ebd., S. 714.40 Ebd.

62 Birnstiel

mit einigem Erfolg das antitrinitarische Gedankengut. Mehrere seiner Schüler, darunter Michael Güttich, Johann Crell und Martin Ruarus, schlossen sich später der polnischen ecclesia minor an.41

Wie aber konnte es überhaupt zu einer derartigen Verbreitung der abweichenden religiösen Vorstellungen kommen? Hierfür sind mehrere Bedingungen in Rechnung zu stellen, ohne dass diesen je einzeln kausa-ler Charakter zukommt; zum einen ist zu berücksichtigen, dass der histo-rische Makroprozess der Konfessionalisierung, welcher im 16. Jahrhun-dert begonnen hatte, um 1600 keineswegs abgeschlossen war, sondern im Gegenteil zu einer enormen intellektuellen Betriebsamkeit führte: Flugschriften, akademische Disputationsübungen, Predigten und Trakta-te wurden in den teilweise unübersichtlichen konfessionellen bezie-hungsweise protokonfessionellen Auseinandersetzungen beständig aus-getauscht und zum Kampfmittel gemacht. Zum anderen ist die Mikropolitik der Reichsstadt Nürnberg zu bedenken. Zwar hatte sich Nürnberg der Reformation gegenüber offen gezeigt. Der 1577 geschlos-senen Konkordienformel aber hatte man sich nicht angeschlossen.42 Als

anderen Territorien und Bekenntnissen, v.a. den Reformierten, nicht zu erschweren. Für die Hochschule bedeutete dies, theologischen Ausbildung über lange Zeit hinweg einigermaßen un-scharf konturiert war.43 Zugleich waren theologische Disputationsübun-gen ein zentraler Bestandteil der Ausbildung, und die Forschung hat zei-gen können, dass es genau dieser Raum akademischer Streitkultur gewesen ist, in welchem kontroverstheologische Ideen erprobt und ver-breitet werden konnten.44 In den rhetorischen Argumentationsübungen wurden immer wieder kirchliche Dogmen aufgenommen und angezwei-41 Schmeisser, Birnstiel: Gelehrtenkultur (wie Anm. 2).42 Zur konfessionellen und konfessionspolitischen Gemengelage in Nürnberg vgl.

in der Reichsstadt Nürnberg. In: Interaktion und Herrschaft. Die Politik der früh-neuzeitlichen Stadt. Hg. von Rudolf Schlögl. Konstanz 2004, S. 237-267.

43 Vgl. Mährle: Academia Norica (wie Anm. 1).44 Zur Disputation als maßgeblicher Gattung innerhalb konfessioneller Auseinander-

setzungen vgl. Ursula Paintner: Aus der Universität auf den Markt. Die disputatio als formprägende Gattung konfessioneller Polemik im 16. Jahrhundert am Beispiel antijesuitischer Publizistik. In: Disputatio 1200-1800. Form, Funktion und Wirkung eines Leitmediums universitärer Wissenskultur. Hg. von Marion Gindhart und Ursu-la Kundert. Berlin, New York 2010 (Trends in medieval philology 20), S. 129-154.

63„Eine überaus kezerische und Gotteslesterliche Meinung ...“

felt. Die Altdorfer Theologie, welche mit Jakob Schopper mit einem lutherisch geprägten Vertreter besetzt war, der innerhalb der lokalen kon-fessionellen Gemengelage immer wieder in Schwierigkeiten geriet, konnte den wortgewandten Studenten aus dem Soner-Kreis wohl nur wenig entgegensetzen.45 Die besondere Beschaffenheit der Sozialstruk-tur frühneuzeitlicher Universitäten begünstigte überdies die mehr oder weniger klandestine Ausbreitung heterodoxer Theologeme und Philoso-phien. Universitäten und Akademien wie die sind als mehr-fach determinierte, polykontexturale soziale Gebilde zu verstehen, in welchen Lehrende und Lernende, Professoren, Studenten und weitere Universitätsangehörige wie Pfarrer, Aufseher und Pedell auf engstem Raum zusammenleben und einen gemeinsamen Alltag teilen. Der soziale Verband der frühneuzeitlichen Akademie ist keineswegs eine bloße Lerngemeinschaft. Oftmals wohnten die Studierenden bei ihren Profes-soren oder genossen Freitische in deren Häusern. Neben der Lern- und der Tischgemeinschaft aber ist vor allem auch die Rolle der universitas als Kultgemeinschaft zu betonen: theologische Unterweisung war ein selbstverständlicher Teil des Unterrichts, und religiöse Fest- und Feiertage bestimmten den akademischen Jahreskreis.46 In einer von face-to-face-Be-

45 Zur Disputationspraxis unter Schopper vgl. Hanspeter Marti: Der Altdorfer Sozini-anismusstreit im Spiegel akademischer Kleinschriften. In: Nürnbergs Hochschule in Altdorf. Beiträge zur frühneuzeitlichen Wissenschafts- und Bildungsgeschichte. Hg. von Hanspeter Marti und Karin Marti-Weissenbach. Köln u.a. 2014, S. 158-190. In der Auseinandersetzung mit dem Sozinianer Michael Güttich sowie seinem ebenfalls dem Sozinianismus zuneigenden Fakultätskollegen Kilian Spremberger ließ Schopper zwischen 1598 und 1613 immer wieder zu Fragen der Trinität dispu-tieren; die im Oktober 1613 von dem späteren Altdorfer Theologieprofessor Johann Saubert verteidigten Theses de sacrosancta unitate divinae essentiae, et in eadem sacrosancta personarum trinitate dienen Zeltner (Zeltner: Historia Crypto-Socinis-mi, wie Anm. 2, S. 332f.) als Musterbeispiel der prekären Disputationskultur in Alt-dorf, welche antitrinitarischen Häresien einen Raum öffentlicher Entfaltung darbot und den von Soner inspirierten antitrinitarisch Gesinnten eine Bühne zur Verfügung stellte: vgl. Marti: Altdorfer Sozinianismusstreit, S. 173-175.

46 Zur Rolle von Religion und Liturgie im akademischen Leben siehe Laetitia Boehm: -

verständnis und zur gesellschaftlichen Kommunikation der Universitäten. In: Lae-titia Boehm: Geschichtsdenken, Bildungsgeschichte, Wissenschaftsorganisation. Ausgewählte Aufsätze von Laetita Boehm anlässlich ihres 65. Geburtstages. Hg. von Gert Melville, Rainer A. Müller und Winfried Müller. Berlin 1996 (Historische Forschungen 56), S. 675-693. Die Bedeutung liturgischer Praktiken unterstreicht auch Frank Rexroth: Ritual and the Creation of Social Knowledge: The Opening Celebrations of Medieval German Universities. In: Universities and Schooling in

64 Birnstiel

ziehungen und mündlicher Kommunikation geprägten akademischen Kultur konnten sich dabei jederzeit auch Gegenströmungen bilden und eigene Kommunikations- und Diskursformen entwickeln und tradieren. Ernst Soner selbst jedenfalls hatte seine überwiegend privat abgehalte-nen philosophischen Kollegien anscheinend nicht nur dafür genutzt, aris-totelische Naturphilosophie, wie er sie auch in Padua kennengelernt hat-te, und antitrinitarisches Gedankengut unter seinen Studenten zu verbreiten, sondern diese auch auf theologisch-philosophische Auseinan-dersetzungen der geschilderten Art im Rahmen akademischer Disputati-onsübungen vorzubereiten.47 Eine genaue Bestimmung der wesentlichen Gehalte von Soners Philosophie und ihren theologischen Weiterungen ist indes nicht ohne weiteres möglich. So ist es alles andere als klar, welche der – insgesamt nur schwer zugänglichen – Texte Soners überhaupt in Betracht zu ziehen sind, um Soners philosophisch-theologisches Denken genauer bestimmen zu können. Soners philosophische Privatvorlesun-gen bewegten sich dem Anschein nach im Rahmen der üblichen philoso-phischen Unterrichtspraxis, widmeten sich also vor allem der Kommen-tierung des aristotelischen Korpus.48 Sands Bibliotheca Anti-Trinitariorum schreibt Soner darüber hinaus etliche im engeren Sinne theologische Traktate zu, ohne dass deren Existenz und Verbleib von der Forschung hätten geklärt werden können.49 Möglicherweise handelt es sich bei dem größeren Teil dieser Schriften also eher um Überlieferungslegenden. Die bekannteste theologische Schrift Soners ist eine Demonstratio philoso-

Medieval Society. Hg. Von Wiliam J. Courtenay und Jürgen Miethke. Leiden u.a. 2000 (Education and Society in the Middle Ages and Renaissance 10), S. 65-80.

47 Schmeisser, Birnstiel: Gelehrtenkultur (wie Anm. 2), S. 228 u. passim.48 Vgl. Mährle: Academia Norica (wie Anm. 1), S. 281ff.49 Christoph Sand: Bibliotheca Anti-Trinitariorum, sive Catalogus Scriptorum, & suc-

-

vel docuerunt solum Patrem D.N.J. Christi esse illum verum seu altissimum Deum. Freistadt 1684, S. 96f. Der frühe Soner-Biograph Henning Witte hingegen nennt keine heterodoxen Schriften Soners: Henning Witte: Memoriae Medicorum nostri seculi clarissimorum renovate decas prima, Frankfurt a.M. 1676, S. 37f. Zeltner: Historia Crypto-Socinismi (wie Anm. 2) und später Bock: Historia Antitrinitari-orum, I/2Will: (wie Anm. 12), S. 716ff. teilt Soners Werk in „gefährliche“ und „nicht gefährliche“ Schriften, und nennt unter ersteren beinahe ein ganzes Dutzend. Zur Text- und Forschungslage vgl. Achermann: Oratio und ra-tio mentalis (wie Anm. 31), S. 117ff.

65„Eine überaus kezerische und Gotteslesterliche Meinung ...“

Justitiam, sed injustitiam, die knapp zwanzig Jahre nach seinem Tod erstmals gedruckt worden ist, und in welcher vor allem das Problem der Ewigkeit göttlicher Strafen erörtert wird.50 Im Rahmen einer syllogisti-schen Beweisführung kommt Soner darin zu dem Schluss, dass die gött-liche Strafe, welche zur menschlichen Sünde in einem Verhältnis propor-tionaler Angemessenheit zu stehen hat, nicht ewig sein kann.51 Damit verlässt Soner den Boden der augustinischen Theologie und erprobt spe-kulativ einen Annihilationismus, der die Möglichkeit der Vernichtung sündiger Seelen erwägt.52 Ob Soner solch heterodoxe Spekulation in al-len Einzelheiten auch zum Gegenstand seiner klandestinen Lehrtätigkeit gemacht hat, ist kaum nachzuweisen, liegt aber nahe. Denn Soner scheint sich der Gefährlichkeit seines Antitrinitarismus und seines heterodoxen Philosophierens sowohl für ihn selbst als auch seine Schüler wohl be-wusst gewesen zu sein. Seine Bemühungen fanden durchwegs im Gehei-men statt. Keineswegs war es Soner daran gelegen, eine möglichst große

„[D]aß Soner an eine mögliche Verbreitung seiner Doktrinen auch außer-halb des akademischen Bereiches dachte, und zwar in dem Augenblick,

50 Der früheste greifbare Druck der Schrift scheint eine Übersetzung ins Niederländi-sche zu sein, die 1631 in Raków zweimal zusammen mit anderen Schriften aus dem Umfeld gedruckt worden ist: [Ernst Soner]: Natuerlijck en Schriftuerlijck bewijs, dat de eeuwighe straffen der Godtloosen, niet de Rechtveerdicheydt Godts, maer een groote Onrechtveerdicheydt soude mede brenghen. In: Valentinus Smalcius: ‘t Woord is vleysch geweest: dat is: thien predicatien over’t begin van’t eerste capittel des evangeliums Joannis. Raków 1631, S. 186-209, sowie dasselbe in Valentinus Smalcius: Thien predicatien over’t begin van’t eerste capittel des evangeliums Joa-nnis. Raków 1631, S. 186-209; die lateinische Fassung erscheint unter dem Namen des Verfassers offenbar erstmals zur Jahrhundertmitte, Ernst Soner: Demonstratio philosophica et theologica, quod aeterna impiorum supplicia, non arguant Dei iust-itiam, sed iniustitiam. In: Fausti & Laelii Socini, Item Ernesti Sonneri Tractatus al-

. Eleutheropoli [d.i. Freystadt bei Liegnitz] 1654, S. 36-69, vgl. Bibliographia sociniana. A Bibliographical Reference Tool for the Study of Dutch Socinianism and Antitrinitarism. Hg. von Piet Visser. Hilversum und Amsterdam 2004, S. 97 und 99. Ebenfalls bekannt ist ein – teilweise abweichender – Druck in Johannes Hoornbeek: Socinianismus confutatus. Band 3. Leyden oder Amsterdam 1664, S. 588-608.

51 Vgl. Friedrich Vollhardt: Endzeiten. Jenseitsvorstellungen im 17. Jahrhundert. In: Gebundene Zeit. Zeitlichkeit in Literatur, Philologie und Wissenschaftsgeschichte. FS Wolfgang Adam. Hg. von Jan Standke. Heidelberg 2014, S. 467-479, insbes. S. 475-479.

52 Soner: Demonstratio philosophica (wie Anm. 50), S. 60f. Vgl. Vollhardt: Endzeiten (wie Anm. 51), S. 478f.

66 Birnstiel

als er einen Katechismus in deutscher Sprache schrieb“, wie Domenico Caccamo spekuliert, ist eine kühne, aber kaum zu sichernde Behaup-tung, die wiederum in den Bereich des Legendarischen fällt.53 Zwar attribuiert schon Zeltner, der einen Abschnitt aus dem sogenannten So-ner-Katechismus wiedergibt, ein solches Werk dem Altdorfer Medizi-ner, und die Forschung hat diese Zuschreibung immer wieder bekräf-tigt.54 Da es sich bei der einzigen bekannten Handschrift des Katechismus55 aber offensichtlich um eine Abschrift von zwei verschie-denen Schreiberhänden handelt (die überdies an einigen Stellen von Zeltners Version abweicht), ist eine paläographische Beweisführung nicht möglich. Es spricht denn auch einiges dafür, dass der vernakulare Katechismus nicht von Soner selbst, sondern einem seiner Schüler stammt und zum Zwecke der Stabilisierung der Glaubenspraxis der kleinen Altdorfer antitrinitarischen Gruppierung nach dem Ableben des akademischen Lehrers angefertigt wurde.56 Soners eigener Antitrinita-rismus hingegen bewegte sich vielmehr innerhalb einer Gelehrtenkul-tur, in welcher der Umgang mit heterodoxem Gedankengut einen ge-

philosophische und theologische Anstrengung verbindet sich darin mit einem eher spielerisch oder neugierig zu nennenden Interesse am Her-ausfordernden, Anstößigen und Skandalösen. Soners Geheimhaltungs-strategie entspringt dabei nicht nur der berechtigten Angst vor Repres-sion, sondern insgesamt einer Gelehrsamkeitspraxis der , das heißt der öffentlichen Anerkennung insbesondere religiöser Nor-

53 Domenico Caccamo: Sozinianer in Altdorf (wie Anm. 2), S. 42-78, S. 52. Caccamos Mutmaßungen entsprechen insgesamt einer Tendenz der älteren Forschung, die ‚öf-fentliche‘ Wirksamkeit dissidenter Geister bei weitem zu hoch anzusetzen.

54 Die Sechs letztern Capitel aus dem Catechismo Ernesti Soneri, samt einer kurzen Refutation. In: Zeltner: Historia Crypto-Socinismi (wie Anm. 2), S. 820-856.

55 Die genannte Handschrift wird in der Niedersächsischen Staats- und Universitäts-bibliothek Göttingen (8° cod ms theol 256/b) verwahrt. Sie ist ediert und mit Erläu-terungen versehen worden von Martin Schmeisser: Sozinianische Bekenntnisschrif-ten. Der Rakówer Katechismus des Valentin Schmalz (1608) und der sogenannte Soner-Katechismus. Hg. von Martin Schmeisser. Berlin 2012 (Quellen und Dar-stellungen zur Geschichte des Antitrinitarismus und Sozinianismus in der Frühen Neuzeit 1).

56 Dies vermutet der Herausgeber der modernen Edition des Katechismus, Martin Schmeisser: Martin Ruarus – Religiöser Nonkonformismus und frühneuzeitliche Gelehrtenkultur. Hg. von Fried-rich Vollhardt. Berlin 2014 (Quellen und Darstellungen zur Geschichte des Antitri-nitarismus und Sozinianismus in der Frühen Neuzeit 2), S. 83-100, S. 89.

67„Eine überaus kezerische und Gotteslesterliche Meinung ...“

men und der klandestinen Auseinandersetzung mit abweichendem Ge-dankengut zugleich.57

Es bleiben also Zweifel, welche theologisch-philosophischen Posi-tionen Ernst Soner wirklich vertrat. Erst 2014 hat Günter Frank jedoch einen kurzen Text An Doctrina sit Mysterium, der 1654 mit Schriften der beiden Sozzinis erschienen ist, erneut Soner zugeschrieben.58 Es handelt sich dabei, glaubt man der Titelseite, um ein Exzerpt aus einer umfängli-cheren Schrift aus dem Jahr 1605.59 In einigen wenigen bibliographi-schen Darstellungen zu Soner wird der kurze Traktat verschiedentlich verzeichnet; auch die Forschung hat Kenntnis von ihm, tatsächlich aus-gewertet wurde er aber kaum, und erst Frank hat die kleine und sehr seltene Schrift einer gründlichen Analyse unterzogen.60 „Doctrinam de Uno & Trino Deo nullum esse mysterium“, konstatiert bereits die Über-schrift.61 Sodann legt der Verfasser den Modus seiner Beweisführung dar, welche schulphilosophischen Verfahrensweisen folgt, und diskutiert dann die systematischen Probleme der Trinität. In einem zweiten Teil behandelt der Verfasser vier Komplexe aus dem Neuen Testament, wel-che trinitarische Vorstellungen nahezulegen scheinen – und schwächt deren Bedeutung systematisch herab: danach beweise die Erwähnung der Taube, die vom Himmel herniederfährt, und das Ertönen der Stimme Gottes in den Darstellungen von der Taufe Jesu (Mk 1, 9-11, Mt 3, 13-17, Lk 3, 21f.) nicht, dass Jesus und Heiliger Geist personal göttlicher Natur seien; vielmehr werde die gemeinsame Göttlichkeit Jesu und des Vaters dargestellt, indem Gott Vater Zeugnis ablege von seinem Sohn.62 Der

57 Vgl. hierzu Schmeisser: Martin Ruarus (wie Anm. 56), S. 87ff., sowie kritisch Achermann: Oratio und ratio mentalis (wie Anm. 31), S. 122.

58 Günter Frank: Ernst Soners Kritik am Trinitätsdogma. Strategien zur Legitimierung trinitätstheologischer Heterodoxie in Soners Traktat An Doctrina Trinitatis sit Mys-terium? In: Religiöser Nonkonformismus und frühneuzeitliche Gelehrtenkultur. Hg. von Friedrich Vollhardt. Berlin: Akademie 2014 (Quellen und Darstellungen zur Geschichte des Antitrinitarismus und Sozinianismus in der Frühen Neuzeit 2), S. 161-178.

59 Ernst Soner [?]: An Doctrina Trinitatis sit Mysterium. In: Fausti & Laelii Socini, -

ti. Eleutheropoli [d.i. Freystadt bei Liegnitz] 1654, S. 73-99, hier S. 73 [unpag.].60 Entgegen der Behauptung bei Frank: Soners Kritik am Trinitätsdogma (wie Anm.

58), S. 163, verweist Sand: Bibliotheca Anti-Trinitariorum (wie Anm. 49), S. 96 nicht auf diese Schrift, und auch der Hinweis auf Wollgast: Philosophie in Deutsch-land zwischen Reformation und Aufklärung (wie Anm. 26), ist unzutreffend.

61 Soner [?]: An Doctrina sit Mysterium (wie Anm. 59), S. 77.62 Ebd., S. 85ff.; vgl. Frank: Soners Kritik am Trinitätsdogma (wie Anm. 58), S. 170.

68 Birnstiel

Taufbefehl wiederum, mit dem Jesus am Ende des Matthäus-Evangeli-ums die Jünger in die Welt sendet, um alle Völker zu taufen (Mt 28,19), enthält zwar einen ausdrücklichen Hinweis auf die Trinität; der Verfasser der kleinen Schrift aber sieht die trinitarischen Formeln des Taufbefehls lediglich als Namens-Attribuierungen an den einen Gott, und den Tauf-befehl insgesamt nicht als Offenbarung der Trinität, sondern eben als Ausdruck des Willens Gottes.63 Mit dem ‚Comma Johanneum‘ (1 Joh 5,7) greift der Verfasser sodann eine im 16. Jahrhundert heftig umstritte-ne Bibelstelle auf. Erasmus hatte diese Passage, in der die Rede davon ist, wie Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist im Himmel Zeugnis ablegen, mit philologischen Argumenten für nicht-biblisch erklärt; der Verfasser des Traktats hält sich mit dieser Frage nicht lange auf, sondern betont lediglich, nichts könne an der erwähnten Stelle herangezogen werden, um von einem Mysterium der Trinität zu sprechen.64 Schließlich disku-tiert Soner eine Stelle aus dem ersten Timotheus-Brief (1 Tim 3,16), in der das Geheimnis des Glaubens bekannt wird. Auch hierin sieht der Verfasser keinen schlagenden Beleg für die Trinität, sondern liest das Bibelwort als Bekenntnis des Mysteriums der Frömmigkeit.65 Systemati-sierend zusammengefasst, betont der Verfasser die Einheitlichkeit der göttlichen Natur (deitas), die Vater Sohn und Heiligem Geist gemeinsam ist. In dieser einen Gottheit sind Vater, Sohn und Heiliger Geist drei, aber nicht drei Personen. „Gott ist ein einziger, genau genommen werde aber nur der Vater der einzige und wahre Gott genannt, der irdische Christus wird, ausgezeichnet durch die besonderen Gaben des Geistes, ein ausge-zeichneter Mensch, der Heilige Geist ist die Gabe Gottes, das heißt seine Tugend“.66 Es fällt schwer, diese idiosynkratrische Rekonstruktion der

-ter, Sohn und Heiligem Geist direkt an die unitarische Theologie, in wel-cher Ausprägung auch immer, anzuschließen.67 Erhellender als die Ein-

63 Soner [?]: An Doctrina sit Mysterium (wie Anm. 59), S. 88ff.; vgl. Frank: Soners Kritik am Trinitätsdogma (wie Anm. 58), S. 171.

64 Ebd., S. 172.65 Ebd., S. 173.66 Frank: Soners Kritik am Trinitätsdogma (wie Anm. 59), S. 173.67 Frank bezeichnet die Position des Verfassers als „tritheistischen Unitarismus“, in

welchem die dreifache Gestalt letztlich aber als bloße Äußerlichkeit verstanden wer-de, der Weg zum reinen Unitarismus also nicht weit ist (Frank: Soners Kritik am Trinitätsdogma, wie Anm. 58, S. 174).

69„Eine überaus kezerische und Gotteslesterliche Meinung ...“

Zustandekommens: die Logik der demonstratio sowie der metaphysische Gottesbegriff entsprechen Ernst Soners Prägung durch den Paduaner und auch den Altdorfer Aristotelismus; sie dienen dem Verfasser als Vekto-ren, welche die Methodiken vernunftgemäßen Denkens in die orthodoxe Überlieferung hineintragen und diese somit gleichsam von innen heraus zur kritischen Diskussion stellen.

Stammte dieser kurze Traktat tatsächlich von Soner, so läge der For-schung erstmals eine aussagekräftige Darlegung der in Altdorf zirkulie-renden antiritrinitarischen Ideen vom vermeintlichen oder tatsächlichen spiritus rector der Gruppierung selbst vor – eine smoking gun also, die, wäre sie den Altdorfer beziehungsweise Nürnberger Autoritäten zu Soners Lebzeiten in die Hände gefallen, für den Medizinprofessor wohl schwers-te Konsequenzen bedeutet hätte. Es scheint sich bei der Zuschreibung der Schrift an Ernst Soner aber um eine Kette von Missverständnissen zu han-deln. Tatsächlich folgt die Abhandlung in der genannten Ausgabe auf So-ners Demonstratio Theologica, & Philosophica. Das Inhaltsverzeichnis des Sammelwerks nennt lediglich den Titel der darauf folgenden Schrift, ohne ihr einen Autor zuzuweisen, sodass der Eindruck entstehen kann, sie sei vom selben Verfasser wie die vorherige. Warum der tatsächliche Urhe-

-tat und der kleinen trinitätskritischen Schrift ein Brief an Martin Pisecius, der mit „Frater tuus“ gezeichnet ist.68 Frank liest diese Signatur als Gruß unter Glaubensbrüdern. Weitaus naheliegender ist es jedoch, sie als einen Gruß des tatsächlichen Bruders, des schlesischen Antitrinitariers Thomas Pisecius an seinen Bruder Martin, zu lesen – und dem Unterzeichner des Schreibens auch die nachfolgend zum Abdruck gebrachte Schrift zuzuord-nen. Im Gegensatz zu den vorangehenden Traktaten der beiden Sozzinis und Soners taucht der Name des Verfassers im Kolumnentitel nicht auf; dort wird lediglich die Überschrift wiederholt. Es bleibt also ein letzter Restzweifel, ob Pisecius wirklich der Verfasser der Schrift ist. Allerdings wird diese in der großen Mehrzahl der einschlägigen bibliographischen Darstellungen nicht Soner, sondern eben Pisecius zugeschrieben.69 Nach 68 Thomas Pisecius: Epistola. In: Fausti & Laelii Socini, Item Ernesti Sonneri Tracta-

. Eleutheropoli [d.i. Freys-tadt bei Liegnitz] 1654, S. 73-75, hier S. 75 [unpag.].

69 Franks falsche Zuschreibung geht offenbar auf eine Fehlinterpretation der biblio-graphischen Angaben bei Wallace: Antitrinitarian Biography Bd. 2 (wie Anm. 16), S. 500 zurück, vgl. Frank: Soners Kritik am Trinitätsdogma (wie Anm. 56). Die Darstellung bei Bock: Historia Antitrinitariorum I/2 (wie Anm. 16), S. 895, mit

70 Birnstiel

den hier erhobenen Befunden scheint diese Zuschreibung korrekt zu sein.

Damit bleiben die konkret heterodoxen Gehalte von Soners Theolo-gie und Philosophie zu einem großen Teil weiterhin im Verborgenen. Auszugreifen ist deshalb auf den philosophischen Hintergrund. Soners aristotelische Philosophie lässt sich an dieser Stelle allerdings nicht um-fassend rekonstruieren. Hinzuweisen ist jedoch auf die Praxis der Aristo-teles-Kommentierung, die Soners philosophischen Unterricht prägt.70 In seinen Aristoteles-Kommentierungen entfaltet Soner einen metaphysi-schen Gottesbegriff in aristotelischer Tradition, welcher Gott als reine theoretische Anschauung begreift. Wie Eric Achermann betont, sind sol-che metaphysischen Gottesbegriffe in den Diskussionen der Zeit aller-dings keine Seltenheit. Zwar stehen sie in eklatantem Widerspruch zu den heilsgeschichtlichen Vorstellungen der geoffenbarten Religion, wo-nach Gott auf dem Wege des Schöpfungsgeschehens und weit über die-ses hinaus aktiv in den Lauf der Welt eingreift. Philosophiegeschichtlich betrachtet, erscheinen sie aber als kaum innovativ.71 Die spätere Stilisie-rung Soners zum ebenso radikalen wie innovativen philosophischen und theologischen Denker mag der Aufmerksamkeit geschuldet sein, die der Altdorfer Sozinianerprozess und die Sozinianerverfolgungen des sieb-zehnten Jahrhunderts insgesamt auf diesen frühen Exponenten gelenkt

Rückbezug auf S. 637 ist etwas verwirrend, letztlich aber eindeutig. Der Ursprung der aller Wahrscheinlichkeit nach falschen Zuschreibung ist also nicht ohne weiteres auszumachen.

70 Im Druck überliefert ist: Ernst Soner: periphrasis, Altdorf 1641. Einschlägige bibliographische Referenzwerke verzeich-nen sämtlich 1641 als das Erscheinungsjahr. Mährle: Academia Norica, wie Anm. 1, S. 282 nennt jedoch das Jahr 1651; möglicherweise handelt es sich dabei um einen weiteren Druck. Für vorliegenden Beitrag ließ sich der seltene Erstdruck nicht in Augenschein nehmen. Weitaus mehr Verbreitung gefunden hat Soners Metaphy-sik-Kommentar: Ernst Soner: In Libros XII. Metaphysicos Aristotelis Commenta-rius. Hg. von Johann Paul Felwinger. Jena 1657. Eine auf das Jahr 1609 datierte Handschrift des Kommentars wird in der Universitätsbibliothek Erlangen verwahrt (Sig.: H62/MS 714); ein Vergleich dieser Handschrift mit dem Druck steht bisher aus, vgl. Achermann: Ratio und oratio mentalis (wie Anm. 31), Anm. 109, S. 129f. Zur Rezeption des Kommentars vgl. ebenfalls Achermann: Ratio und oratio men-talis (wie Anm. 31), S. 130. Ebenfalls in Erlangen verwahrt werden zwei Kolleg-nachschriften von Studenten Soners, die Aufschluss über die Einzelheiten seines Aristotelismus geben, vgl. Mährle: Academia Norica (wie Anm. 1), S. 282f. Wir kommen weiter unten auf den Komplex zurück.

71 Vgl. Achermann: Oratio und ratio mentalis (wie Anm. 31).

71„Eine überaus kezerische und Gotteslesterliche Meinung ...“

haben. Aus den theologischen Gehalten des Werks selbst sind sie kaum zu erklären. Die genauen Konturen seiner eigenen philosophisch-theolo-gischen Vorstellungen bleiben also im Dunkeln. Nur schwer lassen sie sich auf exakt bestimmbare Häresien und heterodoxe Philosopheme zu-rückrechnen.

Verlassen wir das philosophisch-theologische Diskursfeld und keh-ren zurück zu den Altdorfer Geschehnissen. Offenbar bot das Altdorfer Umfeld heterodoxen Impulsen einen Nährboden, auf dem sie zumindest bis zu einem gewissen Grad gedeihen konnten. Bereits vor der Entste-hung des Soner-Zirkels war es in Altdorf zu Auseinandersetzungen auf religiösem beziehungsweise konfessionellem Terrain gekommen. An der Wende zum 17. Jahrhundert waren polnische Studenten in Altdorf unter Häresieverdacht geraten;72 ähnliche Vorfälle um den Studenten Michael Güttich oder Gittichius, der in einer Disputation unter dem Vorsitz Jakob Schoppers antitrinitarische Positionen äußerte, lösten bereits 1609 eine Untersuchung aus.73 Ernst Soner selbst verstarb, wie bereits erwähnt, 1612. Nach seinem Tod ließ ihm die Altdorfer Akademie die üblichen Ehrbezeigungen zuteil werden. Im Rahmen einer akademischen Gedenk-feier trug Georg Richter eine wohlgestaltete Erinnerungsrede auf den verstorbenen Kollegen vor.74 Die Rede Richters, der selbst ein Schüler Soners gewesen ist und in Altdorf Karriere machen wird, betont in aller-lei topischen Wendungen nicht nur Soners wissenschaftliche, medizini-sche und philosophische Leistungen, sondern unterstreicht auch dessen

72 Siegfried von Scheurl: Die theologische Fakultät Altdorf im Rahmen der werdenden Universität 1575-1623. Nürnberg 1949 (Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns 23), S. 25

73 Vgl. Braun: Socinianismus in Altdorf (wie Anm. 2), S. 71, sowie Scheurl: Die theo-logische Fakultät (wie Anm. 72), S. 25f. In dem Bericht des Altdorfer Juraprofes-sors Andreas Dinner über Güttich heißt es: „Sein Lehr betreffend, bestehet dieselbe vornemblich in 2. Irrthumen, Ist aigentlich nicht Arrianisch, sondern noch erger und

weilln derselbe Erstlich den Sohn Gottes (quod horresco referens) seine Gottheit tam in tempore, quam ab æterno ganz und gar abschneidet, und verleugnet, und in diesem Fall eben dasjenig, was Machomet, von unserm Seeligmacher Christo, hälth und lehrt. Zum Andern so streitet er auch contra Satisfactionem Christi pro peccatis nostris, will nit zugeben, quod Christus PRO NOBIS passus sit!“ Zitiert nach Zelt-ner: Historia Crypto-Socinismi (wie Anm. 2), S. 87. Zu Güttich siehe auch Wollgast (wie Anm. 26), S. 376.

74 Georg Richter: Oratio funebris, in obitum Ernesti Soneri. Altdorf 1614 [unpag.].

72 Birnstiel

persönliche Integrität und Rechtgläubigkeit. Dass den Erinnerungs-schriften auch eine Darlegung des Altdorfer Theologen Schopper zur Rechtgläubigkeit Soners beigegeben ist, die insbesondere Soners Glau-bensauffassungen beleuchtet, mutet vor dem Hintergrund der zu diesem

-lich an. Das Konvolut der Memorialschriften enthält daneben auch eini-ge Zeilen aus der Feder des Martin Ruarus, der, gewissermaßen als Meis-terschüler Soners, das Loblied des Lehrers singt. Zwar enthalten auch Ruarus’ Zeilen selbstverständlich kein antitrinitarisches oder gar sozini-anisches Bekenntnis, doch ist ihr Verfasser eben jener Martin Ruarus, der nach der Zerstreuung des ersten Sozinianer-Kreises nach Ernst Soners Tod und der Abwanderung Johannes Crells nach Polen zusammen mit seinen Kommilitonen Johannes Vogel und Joachim Peuschel zur zentra-len Figur des Altdorfer Antitrinitarismus avanciert ist. Die Verfolgung

Albert Grauer ausgelöst, der sich aufgrund verdächtiger Äußerungen der Studenten Vogel und Peuschel 1615 entweder an die Nürnberger Geist-lichkeit oder aber die Akademie selbst wandte und damit die Ereignisse ins Rollen brachte.75 Die Nachforschungen beschränkten sich nicht nur auf die in Altdorf verbliebenen sozinianischen Studenten, sondern grif-fen weit über die Akademie hinaus. So wurde veranlasst, Martin Ruarus in Straßburg zu vernehmen; Peuschel und Vogel, die sich in Wittenberg

-men gebeten. Der Nürnberger Rat ließ sie 1615 durch die Schulherren auffordern, sich zu zwölf einzelnen Punkten zu bekennen. Das entspre-chende Schreiben der Schulherren an Vogel ist bei Gustav Georg Zeltner überliefert und enthält neben der Sorge um den Ruf der Altdorfer Akade-mie unter anderem die Fragen, „Ob in den einzigen, ewigen und unzer-trennlichen Wesen Gottes drey unterschiedliche Personen seyen?” und „Ob nicht das Photinisch Argument: Wo drey Personen sind, da sind auch drey Wesen, (sintemahl Persona anders nichts ist, als Essentia singularis intellectu praedicta) lauter Sophisterey, und wie darauf zu antworten

75 Zur Person Grauers siehe Zeltner: Historia Crypto-Socinismi (wie Anm. 2), S. 231f., -

tisch-rechtgläubiger Gelehrter und die Fülle kontroversliterarischer Schriften, die zwischen den Parteien im Zeitalter der Konfessionalisierung ausgetauscht wurden, gehören zum umfassenden Kontext des Altdorfer ‚Kryptosozinianismus‘.

73„Eine überaus kezerische und Gotteslesterliche Meinung ...“

sey?”76 Vogel und Peuschel antworteten in umfassenden schriftlichen Ausführungen, welche die Zweifel an ihrer Rechtgläubigkeit eher noch verstärken mussten.77 Das Vorgehen der Nürnberger Obrigkeiten stützte sich zunächst auf den Vorwurf des Stipendienmissbrauchs und wurde demgemäß maßgeblich vom Nürnberger Rat betrieben; erst das Hinzu-ziehen der städtischen Theologen rückte die Einzelheiten der religiösen Streitfragen in den Vordergrund. Von einem ‚Prozess‘ im modernen Rechtssinne ist dabei nur mit Einschränkungen zu sprechen, kam es doch weder zu einer förmlichen Anklage noch zu einem Schuldspruch durch ein ordentliches Gericht. Das Geschehen lässt sich demgemäß also eher als Verhandlungsprozedur zwischen einzelnen Verdächtigen und ver-schiedenen Autoritäten – dem Nürnberger Magistrat, der Altdorfer Aka-demie und den städtischen Theologen – beschreiben. In seinen Exkulpie-rungsbemühungen berief sich Vogel auf verschiedene Altdorfer Disputationen unter dem Vorsitz des bereits erwähnten Theologen Jakob Schopper, die seine Zweifel am Trinitätsdogma genährt hätten; Schopper wiederum verteidigte sich umgehend schriftlich gegenüber dem Rat und wies jede persönliche Nähe zum Antitrinitarismus von sich.78 Daraufhin wurde beschlossen, die Verhaftung Vogels und Peuschels sowie des Jura-

Frauenburger, Kobius, Fabricius und Hainlein wurden teilweise langwie-rige Verhandlungen geführt. Der abwesende Georg Richter wurde aufge-fordert, aus Leiden zurückzukehren. In den Vernehmungen der Antitrini-tarier-Gruppe belasteten die Beschuldigten vor allem den polnischstämmigen ehemaligen Studenten Michael Güttich; dies geschah möglicherweise auch, um das Interesse der Obrigkeit von Ernst Soner, dem verstorbenen philosophischen Lehrer des Kreises, abzulenken.79 Neben Güttich belasteten die inhaftierten Studenten auch Martin Ruarus; bei dessen Vernehmung in Straßburg leugnete dieser zunächst seine sozi-nianischen Überzeugungen.80 Weiteren Nachstellungen entzog er sich

76 Zeltner: Historia Crypto-Socinismi (wie Anm. 2), S. 442.77 -

sehen, bei Zeltner: Historia Crypto-Socinismi (wie Anm. 2), S. 998-1112.78 Braun: Socinianismus in Altdorf (wie Anm. 2), S. 78f; Schoppers Verteidigungs-

schreiben bei Zeltner: Historia Crypto-Socinismi (wie Anm. 2), S. 468-475.79 Braun: Socinianismus in Altdorf (wie Anm. 2), S. 69; vgl. auch Zeltner: Historia

Crypto-Socinismi (wie Anm. 2), S. 89.80 Braun: Socinianismus in Altdorf (wie Anm. 2), S. 129f.

74 Birnstiel

durch Flucht nach Raków.81 In den beschlagnahmten Papieren Peuschels fanden sich indes weitere belastendende Indizien. So wurde der Heilige Geist als der dritte Komödiant bezeichnet und über die akademischen Würdenträger Altdorfs gespottet.82 Zudem kam ans Licht, dass offenbar noch 1614 auf der Stube des Ruarus, die sich im Hause des kurz zuvor verstorbenen berühmten Altdorfer Juristen Konrad Rittershausen befun-den hatte, eine Abendmahlsfeier nach sozinianischem Ritus abgehalten wurde, bei der Ruarus und Peuschel als Prediger auftraten und Anspra-chen hielten.83 Von dem zutage getretenen Ausmaß der sozinianischen Häresien in Altdorf aufgeschreckt, ergriff der Rat eine Reihe weiterer Maßnahmen. So wurde der Altdorfer Rektor Georg Queccius beauftragt, sämtliche städtischen Stipendiaten solange in Arrest zu nehmen, bis die-se die ihnen vorgelegten Glaubens-Aphorismen unterzeichneten.84 Ge-gen Peuschel und Vogel erwog der Nürnberger Ratskonsulent Johann Christoph Oelhafen (1574-1636), der maßgeblich an den Ermittlungen beteiligt war, zunächst körperliche Strafen. In seinen Überlegungen nahm er explizit Bezug auf den Fall des am 27. Oktober 1553 in Genf verbrannten Servet, plädierte dann aber für eine vergleichsweise nach-sichtige Behandlung der Beteiligten.85 Tatsächlich zielte das öffentlich-keitswirksame Vorgehen gegen den Sozinianismus, die Verbrennung ein-schlägiger Schriften am Peter-und-Pauls-Tag 1616, vor allem auf die Wahrung des guten Rufs der noch immer nicht zur Volluniversität erho-benen semiuniversitas und des konfessionellen Friedens in der Stadt. Es musste den Nürnberger Stadtoberen vor allem darum gehen, den bereits aufmerksam gewordenen kirchlichen und politischen Autoritäten ande-rer Territorien deutlich zu signalisieren, dass religiöser Friede und öffent-liche Ordnung im Umfeld der eigenen Akademie gewahrt seien. Oelha-

81 Ebd., S. 130f.82 Ebd., S. 131f.; vgl. Zeltner: Historia Crypto-Socinismi (wie Anm. 2), S. 503f.83 Braun: Socinianismus in Altdorf (wie Anm. 2), S. 70f.; vgl. Zeltner: Historia Cryp-

to-Socinismi (wie Anm. 2), S. 491f.84 Braun: Socinianismus in Altdorf (wie Anm. 2), S. 80.85 Oelhafens Überlegungen entzünden sich an der Frage, ob Peuschels Äußerungen als

Häresie, also als von der kirchlichen Lehrmeinung abweichende Glaubensauffas-sung, oder aber als Blasphemie, also als Gotteslästerung, zu betrachten seien. Nur für den Fall, dass es sich tatsächlich um Blasphemie handle, wofür Oelhafen einige Anzeichen zu sehen scheint, zieht er das Beispiel Servets heran: Zeltner: Historia Crypto-Socinismi (wie Anm. 2), S. 511f. Vgl. Braun: Socinianismus in Altdorf (wie Anm. 2), S. 133.

75„Eine überaus kezerische und Gotteslesterliche Meinung ...“

häretisch beziehungsweise blasphemisch einzustufenden Gedankenguts innerhalb der komplexen konfessionellen Verhältnisse des frühen 17. Jahrhunderts angesichts der Vielzahl unterschiedlicher lokaler bezie-hungsweise territorialer Glaubensauffassungen schwierig war. Bei der Zumessung der Strafe und der öffentlichen Inszenierung antihäretischer Abwehrmaßnahmen galt es denn auch insbesondere, ungünstige Effekte für die politische Stellung der Freien Reichsstadt und für die Attraktivität ihrer Akademie zu vermeiden. Nach längeren Verhandlungen wurden Peuschel und Vogel zu Revokation und rechtgläubigem öffentlichen Vor-

„De vera et aeterna Jesu Christi Divinitate“ und Peuschel „De sanctissi-mia D.N.J. Christi satisfactione“.86 Die Altdorfer Akademie legte ein Programm gegen die Häresie auf, das in Lehre und Universitätsleben zu berücksichtigen war. Den symbolischen Höhepunkt der Repressions-maßnahmen aber bildete die bereits erwähnte Verbrennung der Bücher am Peter-und-Pauls-Tag 1616.87 Die Proklamation des Nürnberger Rats, die während der Verbrennung verlesen wurde, zeigt die Verbindung kon-fessions-, wissenschafts- und stadtpolitischer Motivationen in der Inter-vention an der Akademie.88 Sie beginnt mit dem Ausdruck des Bedauerns über das Vorgefallene, betont insbesondere die Gefahr des Ansehensver-lustes von Stadt und Akademie, erläutert die ergriffenen Sanktionsmaß-nahmen und kündigt Wachsamkeit gegenüber etwaigen künftigen Vor-kommnissen an. Offenbar aufmerksam geworden auf die Vernetzungen der Altdorfer mit den polnischen Sozinianern, veranlasste der Nürnber-ger Rat außerdem die Ausweisung etlicher polnischer Studenten aus Alt-dorf beziehungsweise Nürnberg.89 Die Stadt-Nürnberger Studenten aber, die in die Antitrinitarismus-Episode verwickelt waren, konnten ihr Studi-um nach der Bestrafung fortsetzen – und machten teilweise beachtliche Karrieren.90

86 Zeltner: Historia Crypto-Socinismi (wie Anm. 2), S. 890-933.87 Ebd., S. 513ff. verzeichnet die verbrannten Schriften, zu denen auch der Soner zu-

geschriebene Katechismus zählt (S. 513).88 Vollständig wiedergegeben bei Zeltner: Historia Crypto-Socinismi (wie Anm. 2), S.

519-521.89 Braun: Socinianismus in Altdorf (wie Anm. 2), S. 139f.90 Schmeisser, Birnstiel: Gelehrtenkultur (wie Anm. 2), S. 247-252.

76 Birnstiel

III. Erinnerung und Verschleierung

Mit der Reintegration der studentischen Antitrinitarier in das akademi-sche Leben der jungen Akademie können die geschilderten Ereignisse zunächst als abgeschlossen betrachtet werden. In der Erinnerungspraxis der Altdorfer Akademie und darüber hinaus aber spielte die antitrinitari-sche Episode in den folgenden zweihundert Jahren immer wieder eine Rolle. Insbesondere das Wirken und Schaffen Ernst Soners erlebte eine lange Nachgeschichte, die sich nicht nur aus der lokalen Bedeutung So-ners für die Entwicklung der Altdorfer Akademie erklärt, sondern aus seiner überragenden wissenschaftlichen Leistung auf medizinisch-natur-philosophischem Gebiet. Schon die Leichenrede Georg Richters gab hiervon sprechenden Ausdruck. Kurz nach Soners Tod bemühte sich Richter um eine Drucklegung von Soners nur im Manuskript vorliegen-den Metaphysik-Kommentar.91 Nach dem Abschluss des ‚Prozesses‘ ge-gen die Altdorfer Gruppe bedurfte es jedoch offenbar einer Karenzzeit von der Dauer der Wirkungsspanne einer akademischen Generation, be-vor Schriften und Andenken Ernst Soners wieder präsentabel erschienen. 1641 beförderte der Altdorfer Professor der Politik, Metaphysik und Lo-gik Johann Paul Felwinger Soners kurzen -Kommentar zum Druck.92 Wenige Jahre später reihte Felwinger seiner Auswahl der Philosophia Altdorphina einige Schriften Soners ein;93 1657 schließlich

91 Ebd., Anm. 135, S. 251.92 Vgl. Anm. 70. Johann Paul Felwinger, der selbst in Altdorf studiert hatte und da-

selbst ab 1638 die bezeichnete Professur versah, prägte über Jahrzehnte den po-litisch-philosophischen Lehrbetrieb der Hohen Schule. Gleichwohl weiß die For-schung wenig über ihn zu berichten. So lässt sich denn auch nicht rekonstruieren, auf welchen Wegen Felwinger Bekanntschaft mit den Arbeiten Soners schließen konnte, beziehungsweise worin der eigentliche Beweggrund für die Publikation des Metaphysik-Kommentars gelegen haben mag. Mit hoher Sicherheit kann von einem grundlegenden Interesse Felwingers an der Lehrgeschichte seiner Fakultät ausge-gangen werden, wohingegen ein Interesse an kontroverstheologischen Fragestellun-gen eher weniger zu vermuten ist.

93 Felwingers Auswahl der Philosophia Altdorphina versammelt Disputationen und akademische Reden Philipp Scherbes, Michael Piccarts und Ernst Soners, darunter auch eine akademische Festrede Ernst Soners De vita contemplativa: Philosophia

-phina Proefessorum, nominatim, PHILIPPI SCHERBII, ERNESTI SONERI, MI-CHAELIS PICCARTI, DISPUTATIONES PHILOSOPHICAE, in unum fasciculum collectae, &ab interitu vindicatae à M. JOHANNE PAULO Felwinger Noribergensi, h. t. Altdorphi Metaph. -

77„Eine überaus kezerische und Gotteslesterliche Meinung ...“

gab er den bereits erwähnten umfänglichen -Kom-mentar Soners heraus.94 In seiner Praefatio Ad Lectorem macht Felwin-ger nur einige recht kryptische Bemerkungen zur Person Soners und zu dessen religiöser beziehungsweise konfessioneller Unzuverlässigkeit.95 Tatsächlich hat Felwinger, wie Soners später Bibliograph Georg Andreas Will betont, an mehreren Stellen purgierend in den Text eingegriffen; dennoch blieben aufmerksamen Lesern des Kommentars die Spuren der Sonerschen Heterodoxie nicht verborgen.96 Ob Soners Metaphysik-Kom-mentar, dessen Bedeutung die deutsche Philosophiegeschichte verschie-

-nitäten seines Verfassers erst 1657 veröffentlicht werden konnte, ist schwer nachzuweisen.97 Tatsache aber ist, dass Soners Arbeiten im Laufe des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts immer wieder rezipiert wurden, und dies keineswegs nur in untergründigen Zusammenhängen.

Metaphysica im Zu-sammenhang der Diskussion des aristotelischen Substanz-Begriffs ein Hinweis auf Soners „ziemlich seltenen“ Aristoteles-Kommentar.98 Baumgartens Bezugnahme ist kein Zufall. Zur Mitte des 18. Jahrhun-derts war Soners philosophisches Werk in Fachkreisen wohlbekannt. Bruckers Philosophiegeschichte verzeichnet Soner unter den bedeuten-

. Nürnberg 1644, S. 552-564.

94 Soner: In Libros XII. Metaphysicos Aristotelis Commentarius (wie Anm. 70, dort auch Hinweise zur Überlieferungsgeschichte).

95 Johann Paul Felwinger: Praefatio Ad Lectorem. In: Soner: In Libros XII. Metaphy-sicos Aristotelis Commentarius (wie Anm. 70), unpag.

96 Will: (wie Anm. 3), S. 716.97 Vgl. Max Wundt: Die deutsche Schulmetaphysik des 17. Jahrhunderts. Heidelberg

1939 (Heidelberger Abhandlungen zur Philosophie und ihrer Geschichte 29), S. 55; über heterodoxe Elemente des Sonerschen Kommentars berichtet auch Peter Peter-sen, verbunden mit einer teilweise spekulativen Betrachtung der Rolle des Werks in der deutschen aristotelischen Tradition, vgl. Peter Petersen: Geschichte der aristote-lischen Philosophie im protestantischen Deutschland. Leipzig 1921, S. 285f.

98 Alexander Gottlieb Baumgarten: Metaphysica / Metaphysik. Historisch-kritische Ausgabe. Übersetzt, eingeleitet und herausgegeben von Günter Gawlick und Lothar Kreimendahl. Stuttgart-Bad Cannstatt 2011 (Forschungen und Materia-lien zur deutschen Aufklärung I,2), S. 11, sowie die erläuternden Anm. 44-47, S. 551f.; vgl. Soner: In Libros Metaphysicos Aristotelis Commentarius (wie Anm. 70), S. 302.

78 Birnstiel

den Aristoteles-Kommentatoren.99

und sein Denken überdies den Weg auf die Gipfelhöhen aufgeklärter Re-ligionsphilosophie im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts, wenn auch gewissermaßen nur als Fußnote. So widmet Lessing 1773 eine längere Notiz Leibniz von den ewigen Strafen, jener von Leibniz geplanten Vor-rede zu und Neuedition von Soners Demonstratio, die Lessing in der Wolfenbütteler Bibliothek wiederaufgefunden hatte. Dass es Lessing da-bei allerdings nicht mehr um die Einzelheiten von Soners Position ging, sondern viel eher um die zeitgenössische Auseinandersetzung um die Leibnizsche Theodizee mit Johann August Eberhard, beweist seine sozu-sagen antiquarische Einschätzung der Sonerschen Theologeme.100 Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts also taugt der Name Soners nur noch innerhalb der Auseinandersetzungen auf einem religionsphilosophischen Diskursfeld, welches historische Heterodoxien und zeitgenössische Glaubensfragen zunehmend im Modus diskursgeschichtlicher Vergleich-gültigung verhandelt. Doch haben wir mit diesem Befund der anbrechen-den Sattelzeit der Moderne weit vorgegriffen. Kehren wir also zurück in den näheren historischen Zusammenhang. Offenkundig setzt, im Ab-stand von drei gelehrten Generationen, im letzten Drittel des 17. Jahr-hunderts eine Welle der akademischen Traditionssicherung und der

-wingers Philosophia Altdorphina 1644 zusammen mit dessen übriger

-

99 Johann Jakob Brucker: Historia Critica Philosophiae a Tempore Resuscicatarum in Occidente Literarum ad Nostra Tempora. Tomus 4.1. Leipzig 1766, S. 312-316.

100 „Man wird hoffentlich von mir nicht erwarten, daß ich nun auch die Schrift des Sonerus selbst beyfügen werde. Zwar ist sie, als gedrucktes Buch, noch immer eben so selten, als sie zu den Zeiten des Leibnitz war; weil ich nicht wüßte, daß sie irgend nachher wieder wäre aufgelegt worden. Allein der Innhalt hat nicht mehr das Ver-dienst, welches er damals bey denen haben konnte, die eine freye Untersuchung in Glaubenssachen liebten. Er ist in hundert Bücher seitdem übergetragen worden, die in aller Händen sind. Denn da man besonders den Freunden der Wiederbringung es neuerer Zeit nicht schwer gemacht hat, ihre Meynung so laut zu sagen, als sie nur gewollt: so ist theils von ihnen, theils auf ihre Veranlassung, die unter der Wieder-bringung vornehmlich begriffene Lehre von der Endlichkeit der Höllenstrafen, eben so oft mit allen Arten von Gründen, als mit allen Arten von Eifer und Schwärmerey, vertheidiget und bestritten worden. Kurz; Soners Demonstration ist, bis auf eini-

Leibniz von den ewigen Strafen [1773]. In: Gotthold Ephraim Lessings sämtliche Schriften. Hg. von Karl Lachmann. Dritte, auf’s neue durchgesehene und vermehrte

Bd. 11, Stuttgart 1895, S. 461-487, S. 466.

79„Eine überaus kezerische und Gotteslesterliche Meinung ...“

gen einzelne Gelehrte und Fachbereiche der Hochschule nun eine qua-si-amtliche Erinnerungskultur, welche Tradition und Leistungen der Akademie beständig präsent hält. 1683 legte der Dichter Magnus Daniel Omeis, ein wichtiges Mitglied des Pegnesischen Blumenordens und seit 1674 Professor der Rhetorik zu Altdorf, eine -nae vor, welche die rund hundert ersten Jahre der Akademie in einigen

101

selbstverständlich Erwähnung. Omeis rekapituliert ausführlich Soners akademischen Werdegang und unterstreicht auch dessen philosophische Tätigkeit, ohne allerdings auf die trinitätskritischen Ideen Soners einzu-gehen.102

offenbar möglich, die Episode weitgehend zu ignorieren. In den folgen-den Jahren und Jahrzehnten entstehen zu jeder der vier Altdorfer Fakul-täten Sammlungen der Professoren-Viten, welche ebenfalls die Funktion

-nehmen. Ihre Verfasser sind, wie Georg Gustav Zeltner für die theologi-sche Fakultät, Johann Sigismund Apin für die Philosophie und Johann Jakob Baier für die Medizin, selbst Professoren in Altdorf oder stehen, wie Karl Sebastian Zeidler für die Jurisprudenz, der Universität zumin-dest sehr nahe.103 In der Vita Jakob Schoppers verhandelt Zeltner dessen Rolle in den antritrinitarischen Geschehnissen an der Altdorfer Akade-mie ausführlich; dabei lässt er weniger den Eindruck theologischer Unsi-cherheit Schoppers entstehen, sondern entfaltet die komplexen konfessi-onellen Verhandlungen im Umfeld der Nürnberger Akademie und in der Stadtpolitik, welche Schoppers ohnehin komplizierte theologische Bio-graphie mitbestimmten. Damit gelingt es ihm, Schopper in ein weitaus

101 Magnus Daniel Omeis:

-. Altdorf 1683.

102 Ebd., S. 67-70. 103 Gustav Georg Zeltner: Vitae Theologorum Altorphinorum a condita Academia om-

nium una cum Scriptorum Recensu plenius et accuratius ad Historiae Ecclesiasti-cae et Literariae usum. Nürnberg und Altdorf 1722; Johann Siegmund Apin: Vitae

claruerunt. Nürnberg 1728; Johann Jakob Baier: Biographiae Professorum Medic-. Nürnberg und Altdorf 1728; zwei

Generationen später Karl Sebastian Zeidler: -. Drei Bände, Nürnberg

1770, 1786, 1787.

80 Birnstiel

günstigeres Licht zu rücken und die Verantwortung für die Verwirrungen der Altdorfer Zöglinge klar ihrem philosophischen Lehrer Ernst Soner zuzuweisen.104 Davon, dass Zeltner die Geschehnisse insgesamt ver-schleiern oder gar beschweigen würde, kann also nicht die Rede sein,

auch Erwähnung in seiner Vita des Cornelius Marx.105 Erkennbar aber ist der Versuch, die Altdorfer Theologie als Ganze von dem impliziten Vor-wurf der Anfälligkeit für Heterodoxien freizusprechen und stattdessen die historische Komplexität der konfessionellen Entwicklung zu beto-nen. Im Kontext der Erinnerungskultur der medizinischen Fakultät wie-derum diskutiert Baier den Sozinianismusverdacht gegen Soner ausführ-lich und trägt die bekannten Fakten zusammen.106 Dabei hantiert er mit der Formel vom „abusus humani ingenii et rationis“107, der Soner und die Seinen auf den falschen Weg gebracht haben könnte – und zitiert zum Beweis von Soners Rechtgläubigkeit schließlich ausführlich aus dem der Leichenrede Georg Richters beigegeben Schreiben Jakob Schoppers über Soners religiöse Persönlichkeit.108

zumindest weitgehend pro domo sprechenden Darstellungen ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Dass die antitrinitarische Episode für die Hoch-schule beziehungsweise ihre Historiographen über Jahrzehnte und schließlich ein ganzes Jahrhundert hinweg problematisch bleiben muss-te, erhellt aus der Tatsache, dass der Name der Altdorfer Akademie fort-gesetzt mit der Geschichte des Sozinianismus im Reichsgebiet verbun-

Arnolds 1699 erschienener Unparteyischen Kirchen- und Ketzer-Histo-rie, dem häresiographischen Standardwerk der Zeit. Arnold bemüht sich darin intensiv um die Ausleuchtung der Hintergründe des Sozinianismus, erläutert seine Entstehungs- und Dogmengeschichte ebenso wie seine vielfältigen Ausprägungen in Polen, den Niederlanden und Großbritanni-en. Was er zu den Altdorfer Vorkommnissen berichten kann, scheint sich jedoch eher auf legendarisch Tradiertes beziehungsweise Kolportage zu stützen als auf quellenkritische Studien:

104 Zeltner: Vitae Theologorum (wie Anm. 103), S. 58-86, insbes. S. 73-75. 105 Ebd., S. 200-219.106 Baier: Biographiae Professorum Medicinae (wie Anm. 103), S. 26-35.107 Ebd., S. 31.108 Ebd., S. 32f.

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In Teutschland haben sie [die Sozinianer, KB] wenig auffenthalt gefunden/außge-nommen die örter/dahin sie sich aus Polen auff eine zeitlang retiriren dürffen. Im anfang deß seculi anno 1616 wurden 30 Studiosi zu Nürnberg und Altorf angeklagt/daß sie auß Socinianischen büchern ihre irrthumer angenommen hätten/ deßwegen sie auch nebenst einigen bürgern gefangen gesetzt wurden / darunter waren Marti-nus Ruarus, dessen lob wir unden hören werden/ und Ernestus Sonnerus. Ihre bücher ließ der Rath öffentlich verbrennen / und sie selbst endlich deß Landes verweisen. Es sollen ihrer darauff unterschiedliche nach Jena/Wittenberg und Helmstädt gegan-gen seyn/ ihre dinge weiter ausszubreiten.109

Arnold übertreibt nicht nur erheblich, was die Zahl der inkriminierten Personen und die Beteiligung Nürnberger Bürger angeht, sondern ver-wirrt auch die Rolle Soners (der zum Zeitpunkt der Entdeckung der Gruppierung ja bereits nicht mehr am Leben war) sowie die Aufarbei-tung und Sanktionierung des Geschehenen. Vor diesem Hintergrund er-scheint es weniger überraschend, dass sich auch noch im 18. Jahrhundert Stimmen aus Altdorf beziehungsweise seiner intellektuellen Umgebung zu Wort melden, welche sich um eine möglichst getreuliche Schilderung der Ereignisse bemühen – und dabei stets das Ansehen der Hochschule mit bedenken. Hinzu kommt, dass zumindest Soners Demonstratio Theologica & Philosophica, sein einziger explizit mit theologischen Fra-gen befasster Text, wie erwähnt seit Mitte des siebzehnten Jahrhunderts in mehreren Ausgaben vorliegt.110 Eine vollständige Verdrängung Soners aus der Erinnerung erscheint schon deshalb kaum möglich, und hätte überdies nicht den Absichten der Universitätshistoriker entsprochen.

IV. Historisierung und Archivierung

Wenden wir uns abschließend Beispielen aus dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts zu, zum einen einem Erinnerungsstück aus der Feder des umtriebigen Polyhistors Nikolaus Hieronymus Gundling, zum anderen erneut der 1729 erschienenen des Altdorfer Theologen und Orientalisten Gustav Georg Zeltner. Gundling, der sich als Polyhistor, Zeitschriftenherausgeber, -autor und Kritiker in den ersten Jahrzehnten des achtzehnten Jahrhunderts eine wichtige Posi-

109 Gottfrid Arnolds Unparteyische Kirchen- und Ketzer-Historie von Anfang des Neu-en Testaments biß auff das Jahr Christi 1688. Frankfurt a.M. 1699, Anderer Theil, S. 560.

110 Vgl. Anm. 50.

82 Birnstiel

tion im literarischen Feld erarbeitete, veröffentlichte ab 1715 seine Gundlingiana, „Darinnen allerhand zur Jurisprudenz, Philosophie / His-torie /Critic / Litteratur / Und übrigen Gelehrsamkeit gehörige Sachen abgehandelt werden“. Dass sich Gundling im ersten Stück seiner Zeit-schrift, 100 Jahre nach den Geschehnissen, mit dem Altdorfer Antitrini-tarismus beschäftigt, scheint zunächst verwunderlich. Doch wird die Sa-che schnell klar. Denn einer der zentralen Köpfe der Altdorfer Gruppierung, Johannes Vogel, ist, wie Gundling mitteilt, sein Großvater gewesen.111 Nach der antitrinitarischen Episode hatte Johannes Vogel in Nürnberg einen achtbaren Lebensweg eingeschlagen. Der Häresiever-dacht aus studentischen Tagen scheint dabei kein Hindernis gewesen zu sein. Doch fühlte sich Gundling offenbar dennoch bemüßigt, etwas für das Ansehen des Großvaters in der Erinnerung zu tun. Wenn Gundling also aus den ihm zugänglichen Erinnerungen des Großvaters zitiert und den Entstehungskontext des Altdorfer Antitrinitarismus rekonstruiert, so nimmt es nicht wunder, dass er darin die Berührung Vogels mit dem So-zinianismus so gut es geht kleinredet. Während es Zeltner vor allem um die Aufarbeitung der Geschehnisse in universitätshistorischer Perspekti-ve und das Ansehen der Altdorfer Akademie gehen wird, sind für Gund-lings Bemühungen die persönlichen Beweggründe sicherlich ausschlag-gebend gewesen. Hinzu tritt jedoch ein Interesse für die Richtigstellung von Überlieferungsirrtümern und für die Kritik an unhaltbaren Verdre-hungen der tatsächlichen Geschichte. So decouvriert Gundling insbeson-dere die 1699 geäußerte Einschätzung Thomas Theodor Crusius’, Soner sei als rechtgläubiger Christ gestorben, als Mischung aus Wunschdenken und Uninformiertheit: schreitet er doch den Parcours der von Crusius zugunsten Soners herangezogenen Quellen erneut ab, perspektiviert die-se im Zusammenhang der Positionen und Interessen ihrer Verfasser und ergänzt sie um weitere Dokumente, die Crusius, sei es aus Absicht oder Unkenntnis, unerwähnt ließ.112 Insbesondere der Briefwechsel des Mar-tin Ruarus dient Gundling als Beweis für Soners Heterodoxie.113 Dane-

111 Nicolaus Hieronymus Gundling: Einige besondere Nachrichten von Jacobo Marti-nio, Joanne Vogelio, Ernesto Sonero, Martino Ruaro, Martino Seidelio, Sebastiano Hainlino, und andern. In: Gundlingiana. Erstes Stück. Halle 1715, S. 26-51, S. 31.

112 Ebd., S. 32. Allerdings unterläuft Gundling hierbei selbst ein philologischer Irrtum, verweist er doch auf den dritten Teil von Thomas Crenius’ Sammlung, gemeint ist jedoch: Thomas Crenius [d.i. Thomas Theodor Crusius]: Animadversionum Philo-logicarum et Historicarum Pars V. Leiden 1699, S. 242ff.

113 Gundling: Einige besondere Nachrichten (wie Anm. 111), passim.

83„Eine überaus kezerische und Gotteslesterliche Meinung ...“

kündigt an, dessen Altdorfer Bekenntnisrede des Jahres 1616 zum Druck befördern zu wollen – ein Vorhaben, das freilich nicht verwirklicht wur-de. Gundlings Darstellung des Altdorfer Antitrinitarismus verbindet zwei Forschungs- beziehungsweise Darstellungskonventionen der Zeit zu ei-nem hybriden Text neuen Typs. Zum einen sind es die teils annalisti-schen, teils quellenkritischen Verfahren der Litterärgeschichte, mit denen Gundling versucht, aus der verstreuten Überlieferung ein konsistentes Bild des Falls zu gewinnen.114 Zum anderen folgen die Gundlingiana ihrem Charakter eines Periodikums gemäß protojournalistischen Interes-santheits- und auch Unterhaltungsansprüchen, welche mit dem scoop der Ausbeutung der bisher unzugänglichen Quelle, eben den Erinnerungen des Großvaters, auch durchaus bedient werden. Ein weitergehendes Inte-resse an den Ereignissen scheint der Polyhistor und spätere Hallenser Rechtsprofessor jedoch nicht gehabt zu haben.

Anders verhält es sich mit Zeltner. Gustav Georg Zeltner wurde 1672 in Hilpoltstein geboren.115 Ab 1689 studierte er in Jena Philosophie und Theologie. Seit 1695 übernahm er verschiedene Funktionen in Altdorf und in Nürnberg, und seit 1706 lehrte er in Altdorf dauerhaft Theologie und Orientalistik. Zeltner kümmerte sich intensiv um die Ge-schichte seiner Hochschule. Unter anderem veröffentlichte er 1722 die erwähnte Sammlung der Vitae theologorum Altorphinorum. Dem über 100 Jahre zurückliegenden Fall der Altdorfer Antitrinitarier widmete Zeltner ein zweibändiges, über 1000 Seiten starkes Werk. Für die Histo-

ver-arbeitete er eine Fülle von Material, das er sich offenbar aus Nürnberger und Altdorfer Archivbeständen verschaffen konnte. Hinzu kommt aber auch bei Zeltner ein persönlicher Ausgangspunkt: ist doch auch er der Enkel eines der Protagonisten, nämlich ebenfalls Johannes Vogels.116 Zeltners hier bereits mehrfach herangezogene Darstellung beeindruckt schon allein durch ihre enorme Detail- und Materialfülle. Sie zitiert nicht nur aus den Ermittlungsakten und Gesprächsprotokollen, sondern auch aus Briefen und Schriften des Kreises, leuchtet die internationalen Ver-bindungen präzise aus, und arbeitet insbesondere das Eingreifen der

114 Vgl. Anm. 4.115 Zeltner stellt seinen eigenen Lebenslauf dar in Zeltner: Vitae Theologorum Altor-

phinorum (wie Anm. 103), S. 489-499.116 Zeltner: Vitae Theologorum Altorphinorum (wie Anm. 103), S. 489.

84 Birnstiel

Nürnberger Obrigkeit auf. Verschiedene kompositorische Entscheidun-gen Zeltners scheinen geeignet, die Altdorfer Akademie selbst in mög-lichst positivem Licht erscheinen zu lassen. So beginnt die Darstellung mit der Geschichte Peuschels und Vogels – und etabliert darüber ein kri-minalistisch-biographisches Narrativ, welches sodann Zug um Zug um strukturelle Ursachenforschung erweitert wird. Das eher tastende Agie-ren der akademischen und reichsstädtischen Autoritäten erscheint bei Zeltner als ebenso konsequente wie sachadäquate Repression. Zwar stellt Zeltner die Rolle Ernst Soners in der gebotenen Ausführlichkeit dar; auch präsentiert er einige Abschnitte aus dem sozinianischen Katechis-mus, den er ohne Angabe von näheren Gründen für diese Einschätzung Soner selbst zuschreibt.117 Mit der Beigabe zahlreicher Dokumente aus dem Umfeld des späteren Sozinianismus, so vor allem der von Valentin Schmaltz verfassten und in Raków gedruckten Refutationsschrift zu Peu-schels Rechtgläubigkeitsbekundung sowie von zweihundert Briefen aus der Korrespondenz des Martin Ruarus lenkt Zeltner die Aufmerksamkeit jedoch eher weg von den Altdorfer Verhältnissen.

Zum Ende des 18. Jahrhunderts scheinen die Ereignisse dann end-gültig ins bloß Historische, Chronikalische oder auch Kuriose herabge-sunken. So verbucht der Altdorfer Universitätshistoriker Georg Andreas Will die antitrinitarische Episode in seiner 1795 erschienenen Darstel-lung der Universitätsgeschichte unter den „Merkwürdigkeiten“ des Uni-versitätslebens, zu denen eben der „Pennalismus“, der „Photinismus“ und „ander[e] separatistische[...] und pietistische Händel“118 zählten:

Der Prof. D. Ernst Soner hat in Holland die socinianischen Lehren eingesogen und

den berüchtigten Martin Ruarus, nebst dessen Bruder Joachim, die hier studierten, den Joh. Crellius, der auf dem Alumneum wohnte, wo man noch sein Kabinet zum Angedenken zeiget, und die hier studierenden Nürnberger, Nikol. Dümmler, Corn.

eine eigne Sekte gestiftet und mit der Brüderschaft das Abendmahl auf gut socinia-nisch gehalten. Er starb zu seinem Glücke, ehe die Sache im J. 1615 kund wurde.119

117 Zeltner: Historia Crypto-Socinismi (wie Anm. 2). 118 Will: Geschichte und Beschreibung der Nürnbergischen Universität Altdorf (wie

Anm. 3), S. 248. 119 Ebd., S. 250.

85„Eine überaus kezerische und Gotteslesterliche Meinung ...“

Will rekapituliert das Geschehen relativ knapp und betont dabei vor al-lem die erfolgreiche Reintegration der Missetäter in die Nürnberger Stadtgesellschaft und die Maßnahmen der Akademie:

Marci ist nachgehends ein verdienter Theolog, zuerst Professor allhier, dann Predi-ger in Nürnberg, und Peuschel Pfarrer zu Kalchreut, Vogel aber ein angesehener Schulmann und Rektor an der Sebalder Schule zu Nürnberg geworden. In einer eig-nen Schrift D. Dinners, Fama Altorphina betitelt, ist des Magistrats zu Nürnberg Proclama contra Photinianos und das Programm der Universität gegen dieselben abgedrucket, am Petri= und Paulifeste aber 1616 sind auf oberherrlichem Befehl die Bücher und Schriften dieser Socinianer, die [sic!] man hat habhaft werden können,

worden.120

Mit dieser sehr lapidaren Schilderung ist der Fall für den Universitätshis-toriker erledigt. Erledigt hatte sich aber auch bald die Altdorfer Akade-mie selbst. Mit dem Übergang Nürnbergs 1806 auch die reichsstädtische Universität Altdorf an das Königreich Bayern. Infolge der Neugründung der bayerischen Landesuniversitäten

fehlten, wurde (wie schon 1803 die Universität Dillingen) auch die Alt-

Joseph aufgelöst.121

120 Ebd., S. 252.121 Königlich-Bayerisches Regierungsblatt. 68. Stück, München, Samstag den 30. Sep-

tember 1809, Sp. 1591f.