Heinrich der Löwe in deutscher Literatur 1933 - 1945

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Eberhardt Karls Universität Tübingen Philosophische Fakultät Seminar für Mittelalterliche Geschichte Proseminar: Heinrich der Löwe SoSe 2013 Dozent: Dr. Marco Veronesi „Das Bild Heinrichs des Löwen in der einschlägigen deutschen Literatur zwischen 1933 und 1945“ Eine Untersuchung ausgewählter exemplarischer Werke der einschlägigen Literatur über Heinrich den Löwen aus den Jahren 1933 bis 1945 mit dem Ziel, herauszufinden, wodurch das Bild dieser historischen Figur in jener Zeit bestimmt war und ob es, besonders in jenen Werken deutscher Autorenschaft, eine Positionierung derselben im Sinne einer Überhöhung des Deutschtums gab. * . 1

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Eberhardt Karls Universität TübingenPhilosophische FakultätSeminar für Mittelalterliche GeschichteProseminar: Heinrich der LöweSoSe 2013Dozent: Dr. Marco Veronesi

„Das Bild Heinrichs des Löwen in dereinschlägigen deutschen Literatur

zwischen 1933 und 1945“

Eine Untersuchung ausgewählter exemplarischer Werke dereinschlägigen Literatur über Heinrich den Löwen aus den Jahren1933 bis 1945 mit dem Ziel, herauszufinden, wodurch das Bild

dieser historischen Figur in jener Zeit bestimmt war und ob es,besonders in jenen Werken deutscher Autorenschaft, einePositionierung derselben im Sinne einer Überhöhung des

Deutschtums gab.

*

.

1

Fabian DaldrupRaichbergstraße 13

72072 Tü[email protected]

Hauptfach: Geschichte, Nebenfach: Spanisch4. Fachsemester (Geschichte)

2. Fachsemester (Spanisch)Inhaltsverzeichnis

- Deckblatt -

- Inhaltsverzeichnis -

I. Einleitung:

1) S. 1 – 2 Das NS-Regime und seine

Einflussnahme im

wissenschaftlichen Sektor

2) S. 2 – 3 Hinführung: Warum und auf welche

Weise könnte

Heinrich in die

Darstellungen zeitgenössischer Literatur

Eingang gefunden haben

II. Hauptteil:

1) S. 3 – 5 Kaiser Friedrich Barbarossa und

die Wende der

staufischen Zeit

2) S. 5 – 7 Kaiser Friedrich Barbarossa

2

3) S. 7 – 9 Friedrich Rotbart und Heinrich

der Löwe

4) S. 9 – 10 Der sächsische ‚Staat‘ Heinrichs

des Löwen

5) S. 10 – 12 Heinrich der Löwe – Seine Stellung

in der inneren und in

der äußeren Politik

Deutschlands

6) S. 12 – 14 Heinrich der Löwe – eine

politische Tragödie in

Deutschland

7) S. 14 – 15 Heinrich der Löwe – im Urteil der

deutschen

Geschichtsschreibung von

seinen Zeitgenossen bis zur

Aufklärung

III. Schluss:

1) S. 15 – 16 Lässt sich im Wandel der Zeit

eine Veränderung des

Bildes Heinrichs des Löwen

feststellen?

2) S. 16 – 17 Gab es eine Positionierung der

historischen Figur

Heinrichs des Löwen im

Sinne der NS-Ideologie?

3) S. 18 Literaturverzeichnis

4) S. 19 – 22 Anhang

Einleitung:3

Das NS-Regime und seine Einflussnahme im wissenschaftlichen Sektor

Am Marienaltar von 11881 sollte man nicht zum Gebet

niederknien, das Gebäude nicht in Demut vor dem Herrn betreten,

sondern in Ehrfurcht vor dem in ihm bestatteten Bauherrn des

St. Blasius – Domes zu Braunschweig (Anhang 1). Nach seinem

Tode im Jahr 1195 hatte sich Heinrich der Löwe hier neben

seiner zweiten, bereits verstorbenen Gattin Mathilde zu Grabe

(Anhang 2) legen lassen.2 Die aufwendigen Grabfiguren aus

Schaumkalk wurden im XIII. Jahrhundert von der Familie

hinzugefügt3, dem Grab selbst hingegen wurde zumindest in der

Sicht der damaligen Auftraggeber und politischen Machthaber

eine größere Ehre zuteil. Denn aus dem sakralen Ort wurde mit

der Verlegung in eine eigens dafür neu geschaffene Krypta im

zeitgenössischen Stil des Jahres 1936 unter der Herrschaft der

Nationalsozialisten eine „Nationale Weihestätte“.4 Die

sterblichen Überreste des früheren Herzogs von Sachsen und

Bayern wurden so von den Verantwortlichen in ihrem Sinne zu

einem Monument deutscher Geschichte des Hochmittelalters und in

überaus deutlicher Weise zu einem Symbol der Wertschätzung, die

in ihren Augen offenbar Heinrich dem Löwen gebührte und die so

in Stein verewigt wurde. Der Braunschweiger Dom war 1939 vom

Besitz der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in1 Friedrich Berndt, Dom und Burgplatz zu Braunschweig. (Grosse Baudenkmäler, Heft 130) 1. Aufl. München/Berlin 1950.2 Joachim Ehlers, Heinrich der Löwe. Europäisches Fürstentum im Hochmittelalter. 1. Aufl. Göttingen 1997. 3 Friedrich Berndt, Dom und Burgplatz zu Braunschweig. (Grosse Baudenkmäler, Heft 130) 1. Aufl. München/Berlin 1950.4 Jochen Luckhardt, Franz Niehoff, Gerd Biegel (Hrsg.), Heinrich der Löwe und seine Zeit. Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125 – 1135. (Katalog der Ausstellung Braunschweig 1995, Band 3 Abteilung Nachleben) München 1995.Karl Arndt, Missbrauchte Geschichte: Der Braunschweiger Dom als Politisches Denkmal 1935/45. München 1995.

4

Staatseigentum verwandelt worden, in umfassenden baulichen

Veränderungen wurden im Folgenden sogar die Wandmalereien

zeitgenössisch erneuert. (Anhang 3)5

Derartige Objekte und Aktionen dienten den Nationalsozialisten

dazu, die Erinnerung, vornehmlich an in Deutschland allgemein

als glorreich anerkannte Zeiten wach zu halten, auch wenn sie

nicht zur generell stärker glorifizierten jüngeren Geschichte

gehörten. Im Sinne der Volkserziehung waren für die Machthaber

all jene Punkte der deutschen Geschichte von besonderem

Interesse, die sich zur Bestätigung der von ihnen propagierten

Ideologie auslegen ließen. Dazu gehörten logischerweise

individuelle Akteure, die Heldenstilisierung erlaubten, aber

auch Epochen und Geschehnisse, die sehr viel weiter zurück

lagen, und so vielleicht Basen deutscher Macht in sehr alten

Traditionen markierten. Nicht nur in architektonisch-musealen

Mahnmalen, die von den politischen Führern des dritten Reiches

allein geplant wurden, sollten diese Bestätigungen zu finden

sein, sondern grade in jenen Sektoren, über die der Staat bis

dato ein nicht so großes Verfügungsrecht besaß und deren

Distributionsfunktionen weitreichend und deshalb wertvoll

waren: Schulen, Universitäten und die freie Schriftstellerei,

die auf allen Bildungsebenen Anwendung zu finden hoffte. Gemäß

der neueren deutschen Gesetze konnten freie Schriftsteller

rasch und wirksam mit Publikationsverbot belegt werden, wie es

auch besonders im Falle von Juden und linksorientierten Autoren

geschah. Schon in den Volksschulen des so genannten Dritten

Reiches wurden die Grundsteine für eine in der Nachbetrachtung

verzogene Geschichtsdarstellung gelegt. Diese Arbeit soll sich5 ebd.

5

allerdings vornehmlich mit universitären Publikationen zu

Heinrich dem Löwen beschäftigen. Nach und nach wurden die

Lehren in den deutschen Hörsälen an die Vorstellungen der

Nationalsozialisten angepasst und leicht konnten Dozenten ihren

Posten verlieren, wenn sie nicht der Linie der Machthaber

folgten. Abgesehen von den Lehrplänen und den

Vorlesungsinhalten wurde natürlich auch der universitäre

Publikationssektor unter die indirekte Zensur der politischen

Führer gestellt und auch Professoren, die sich weigerten, ihre

Arbeit nach deren Zielen auszurichten, konnten mit

Publikationsverbot belegt werden. In erster Linie sollten so

die Lehrinhalte von Fächern wie Ethnologie nach und nach im

Sinne der Nationalsozialisten modifiziert werden, aber auch

Fachbereiche wie die Geschichtswissenschaft waren stark

betroffen. Über die Vergangenheit sollten die als richtig

angesehenen Inhalte aus einer gewissen Perspektive heraus

vermittelt werden. Dadurch, dass dies an allen Universitäten

und auch in der begleitenden Lektüre geschehen sollte, war der

Wirkungsradius enorm. In dieser Arbeit sollen Werke zu Heinrich

dem Löwen und seiner Zeit aus den Jahren 1933 bis 1945

untersucht werden, um herauszufinden, wie das Bild dieser

historischen Figur in jener Zeit war, ob und wie es der

Einflussnahme der Nationalsozialisten unterlag und ob mit

fortschreitenden Jahren und weiter reichender Einflussnahme der

Nationalsozialisten auf Publikationen zu Heinrich dem Löwen der

Duktus derselben entsprechend und signifikant verändert wurde.

Hinführung: Warum und auf welche Weise könnte Heinrich in die Darstellungen

zeitgenössischer Literatur Eingang gefunden haben?6

Vor allem wegen der unzureichenden Dokumentation bildungsferner

Bevölkerungsschichten ist es schwierig, über das Mittelalter

Forschungen im Sinne der Sozialgeschichte und ähnlicher

Disziplinen vorzugehen. Das soll nicht bedeuten, dass die

Arbeit des Historikers sich allein im Sinne von Rankes

Historismus erledigen ließe, dennoch sind wir, um Informationen

über das Leben und die politischen Bewegungen jener Epoche zu

erhalten, auf die Dokumentationen von Geistlichen und Adligen

angewiesen. Es trifft sich, dass ebenjene auch die bestimmenden

Schichten der Bevölkerung im Mittelalter waren, sodass wir

große Ereignisse und Vorkommnisse fast immer in Verbindung mit

großen Namen sehen. Heinrich der Löwe, aus einem der

bedeutendsten Adelsgeschlechter der deutschen Lande, gehört zu

diesen Namen. Als Herzog von Sachsen und Bayern, Heerführer,

Stadtgründer, Investiturreformer und Verbreiter des

Christentums in den ostelbischen Gebieten prägte er neben

seinem Vetter, dem Kaiser Friedrich Barbarossa, wie kaum ein

anderer zu dieser Zeit lebende Mann, die Bewegungen der

Menschen auf deutschen Böden.

In dieser Arbeit geht es um das Bild Heinrichs des Löwen zur

Zeit des Nationalsozialismus und um die Frage, inwiefern

besagtes Bild im Sinne der Ideologie nach hierhin oder dorthin

verrückt wurde. Ich gehe mit bestimmten Vermutungen über die

Betrachtung Heinrichs des Löwen an die Materie heran, denn ich

meine, dass es im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie

nur zu einer Glorifizierung, oder aber zu einer strikten

Ablehnung Heinrichs gekommen sein kann. Die Gründe dafür wären

einfacher und logischer Natur. Man könnte dem Herzog im Sinne

einer Ausbreitung des Deutschtums die Expansionen im Osten, den7

Landesausbau in Sachsen und auch die vielmals erfolgreichen

Feldzüge auch an der Seite seines Vetters hoch anrechnen, wobei

besonders der erste Punkt von großer Bedeutung wäre. Auf der

anderen Seite wäre da die Möglichkeit, Heinrichs mehrfach

überlieferte Weigerung gegenüber dem Kaiser, ihm abermals

militärische Hilfe in Italien zu leisten, als einen Treuebruch

und eine Pflichtverweigerung gegenüber seinem Kaiser und seinem

Volk ansehen, was sich unter nationalsozialistischer Ideologie

mit ziemlicher Sicherheit in einer scharfen Verurteilung oder

sogar Herabwürdigung manifestieren würde. So meine ich, dass

sich die von mir untersuchten Werke, unter der Vorraussetzung,

dass sie im Sinne der Machthaber verfasst worden sind, einer

der beiden Bewertungskategorien zuordnen lassen müssten.

Hauptteil:

„Kaiser Friedrich Barbarossa und die Wende der staufischen Zeit“ (Strassburger

Universitätsreden Heft 5) – von Hermann Heimpel, Straßburg, 1942

Auch bei diesem Werk handelt es sich um die Abdruck einer

Universitätsrede, in diesem Fall um eine von Hermann Heimpel

aus Straßburg. Seinem Titel folgend behandelt der Autor in der

Tat in weiten Zügen die Person und die Politik des

Stauferkaisers Friedrich Barbarossas und erwähnt Heinrich den

Löwen tatsächlich so wenig, dass er weniger als eine Randfigur

zu sein scheint. Daraus resultiert, dass sich Hermann Heimpel

nicht in einer Polemik zugunsten eines der beiden Figuren in

einem direkten Vergleich verliert, wobei kein Zweifel bestehen

kann, dass er seine Arbeit unter dem Gesichtspunkt

nationalsozialistischer Überzeugung verfasste: „Wir feiern

[...] das Reich aller Deutschen, das Adolf Hitler schuf und für8

das auch in dieser Stunde unsere Freunde fechten.“ (S. 3).

Besonders deutlich wird diese wichtige Grundeinstellung im

Schlussteil des ersten Absatzes der Rede: „Im Bewusstsein der

Einheit unserer Geschichte aber erinnern wir uns des ersten

Reiches, in dem das deutsche Volk entstand, [...], in dem

adeliges Leben und erste Anspannung des Geistes das Bild des

Deutschen formte, das als Verpflichtung in uns lebt.“ (S. 3).

Jene Äußerungen bekräftigen zunächst die Annahme, dass von

Wissenschaftlern jener Ideologie auch wissenschaftliche Arbeit

im Sinne derselben zu erwarten ist.

Mit seinem Kollegen Dr. Wohltmann hat H. Heimpel gemein, dass

er zu einer Glorifizierung des Stauferkaisers neigt, auch wenn

diese, anders als im zuvor behandelten Werk, nicht durch eine

komparative Abwertung Heinrichs des Löwen geschieht: „Der

königliche, von den Zeitgenossen schon nach den eleganten

Forderungen des Rittertums empfundene Leib behauptet sich bis

ins hohe Alter zu Pferde und im Gedränge des Gefechts. [...]

Doch bemerkt der Fremde in unbewegter Miene nur das

unerschütterte Herz.“ (S. 4/5), „Friedrich griff die Probleme

an, die sein Vorgänger nicht bewältigt hatte. [...] Und doch

ist er am Ende seines Lebens der Herr der Welt, auf dem Wege

vom alten Recht zur neuen Politik.“ (S. 7/8).

Der Autor braucht letztendlich achtzehn Seiten, um auf Heinrich

den Löwen zu sprechen zu kommen. Er behandelt dort allerdings

nicht dessen Person, sondern die urkundlichen Umstände seiner

Aburteilung, bei der dennoch eine Art Wertung anfällt: „Liest

man die Urkunde genau, so ergibt sich doch nicht jener

Kompromiß zwischen der Demütigung Heinrichs des Löwen durch den

Kaiser [...]“ (S. 21). In der Folge bezeichnet Heimpel die9

Fürsten, die auf Heinrichs Aburteilung drängten als „die alten

Feinde des Löwen“ (S. 22). Schließlich kommt es doch noch zu

einer Analyse der Politik des Welfenherzogs, insbesondere im

Bezug auf den Rest des Reiches: „[...] dass die neue

Fürstenschaft dem Reich zu Barbarossas Zeit stärker verbunden

war als vorher, bis auf den einen Heinrich den Löwen [...]“ (S.

23), dessen Herrschaftsstil mit „kolonialer Einzigartigkeit“

und „von [...] seinen englischen Verbindungen her [...] eine

selbstständige internationale Politik [...]" (S. 23)

charakterisiert wird. Letztmalig findet Heinrich der Löwe im

Zusammenhang mit der Religionspolitik des Reiches Erwähnung, wo

positiv aufgeführt wird, dass die „innere Christianisierung des

Mittelalters“ durch (S. 27) „das Gesicht Heinrichs des Löwen am

deutlichsten“ (Vgl. S. 27) vertreten wird.

Trotz des generell deutlich spürbaren Nationalismus des Autors,

der besonders in die Beschreibung Barbarossas einfließt, sind

die spärlichen Ausführungen über Heinrich den Löwen eher

sachlich gehalten. Am Ende erhält man ein wenig deutliches und

durchwachsenes Bild des Herzogs, bei dem seine Religionspolitik

eher positiv bewertet wird, seine generelle Landespolitik aber

als dem Reich schadend.6

„Kaiser Friedrich Barbarossa – Eine Historie von Rudolf Wahl, Verlag F. Bruckmann,

München 1941“

Allein durch das Quantitative im Bezug auf Geschichtswerke zum

Mittelalter fällt deutlich auf, dass es weit mehr groß

angelegte Werke zum Stauferkaiser gibt, als zu Heinrich dem6 Hermann Heimpel, Kaiser Friedrich Barbarossa und die Wende in der staufischen Zeit. (Strassburger Universitätsreden, Heft 3), 1. Aufl. Straßburg 1942.

10

Löwen. Auch die vorliegende Arbeit ist extrem umfangreich,

präzise, mit großer Sorgfalt und über weite Strecken mit

relativer Sachlichkeit verfasst worden.

Um eine Historie handelt es sich in der Tat insofern, als dass

Rudolf Wahl in einem eine Einzelperson betreffenden Werk, bei

der Behandlung der Grundlagen bis in die Spätkarolingische Zeit

und die Gründung des alten Herzogtums Sachsen zurückkehrt.

Anders als andere bereits behandelte Historiker, die Friedrich

von Hohenstaufen in den Mittelpunkt ihrer Forschung stellten,

ist Heinrich dem Löwen in diesem Buch ein beachtlicher Teil

gewidmet.

Beim Nacherzählen der Vorgeschichte mit besonderem Hinblick auf

die Ereignisse um die Familien derer von Hohenstaufen, der

Welfen, der Billunger, der Süpplingenburger und insbesondere um

die Wahlen zum König, behandelt der Autor insbesondere die

Familiengeschichten der Welfen und der Staufer, zunächst noch

ohne den Anschein, direkte Partei für eine der beiden zu

ergreifen, zumal sie nicht immer in Kontraposition stehen. In

den Worten Wahls klingt eine Art Bedauern durch, als es um das

Aussterben der Welfen in der Manneslinie geht (Vgl. S. 18). Was

sich in der Tat ausmachen lässt, ist eine generelle Sympathie,

die der Text dem Leser gegenüber den Staufern vermittelt, deren

Aufstieg von ihrem frühesten Anbeginn erzählt und deren

Rückschläge, besonders als Gegner Lothars von Süpplingenburg,

der als Marionette des Papstes dargestellt wird, emotional

kommentiert werden: „...der Kaiser kämpfte nicht mehr für das

Reich, sondern für den Papst.“ (S. 28), „Schritt für Schritt

musste der Staufer zurückweichen, bis [...] das bittere Ende

kam.“ Eine generelle positive Sicht auf die Familie Friedrichs11

I. kennen wir im Zuge dieser Arbeit bereits aus ähnlichen

Werken. Allerdings geht selbige in diesem Zusammenhang noch

nicht auf Kosten eines negativen Vergleichs mit Heinrich dem

Löwen.

Dieser Umstand ändert sich, wenn auch nicht in aller

Deutlichkeit, aber doch spürbar, als Wahl über die Abmachungen

Friedrichs I. mit seinem Vetter über die Heerfahrt nach Italien

schreibt: „Der Sachse forderte nämlich die Lehensoberhoheit

über die Kirchen seines Herzogtums [...], so ungeheuerlich

diese Forderung auch war.“ (S. 95). Mit diesem Satz

kennzeichnet der Autor den Welfenherzog bereits früh als

maßlos. Das von Heinrich dem Löwen in diesem Buch tatsächlich

vermittelte Bild tritt aber erst zum Ende hin hervor, nämlich

in jenem Kapitel, das emblematisch mit „Die Zertrümmerung der

welfischen Macht“ (S. 411) betitelt wurde. Ohne dass sich Wahl

in polemischen Beschreibungen eines Verrats des Herzogs am

Kaiser erginge, liegt die negative Wertung eher in der

penetrant abschätzigen Kommentaren zu den Ereignissen um den

Prozess Heinrichs, sein Widerstand und sein Ende. Sein

Charakter behält den Anschein der Maßlosigkeit: „Trug auch der

Vetter die Krone: er, Heinrich der Löwe, war ihm an Macht und

Ansehen mindestens ebenbürtig, wenn nicht überlegen“ (S. 420)

und der Arroganz: „...vollendeter Missachtung vor der

kaiserlichen Autorität.“ (S. 424).

Je mehr sich in Wahls Darstellungen die Situation zwischen

Friedrich und Heinrich zuspitzt, desto stärker geraten beide

doch in direkten Vergleich, wobei das Ergebnis doch ein sehr

ebenmäßiges Bild mit klar verteilten Rollen des Bösen und des

Guten ergibt: „...unter Heinrichs persönlicher Führung [...]12

die [...] gelähmte Bevölkerung auszuplündern.“, „ging [...] mit

äußerster Schärfe vor.“ (S. 426), „stürzte sich auf Goslar

[...], überrannte [...], um in Thüringen einzubrechen.“ (S.

433). Sein Verhalten und seine Verteidigungsmaßnahmen gegen die

schlussendliche Vollstreckung des kaiserlichen Urteils gegen

ihn war laut Wahl „vollendeter Landesverrat“ (S. 434), und

seine Vorgehensweise in keinem Moment durchdacht noch

angemessen: „Es gab ja kaum einen Fehler, den Heinrich nicht

begangen hätte.“, „...bleib Heinrich oberflächlich und

übermütig.“, „Vielleicht wäre es [...] geglückt, diese

Aussprache [...] herbeizuführen, hätte er selbst nicht alles

verdorben.“ (S. 450). In der Interpretation des Umgangs mit dem

gefallenen Herzog auch nach dessen vollendeter Unterwerfung

fällt der Autor ins Spekulative: „Er hatte ja zur Genüge

bewiesen, dass er in Langmut und Milde nur Schwäche sah und

kein Organ für Dankbarkeit besaß.“ (S. 454).

Neben dieser extremen Abwertung jeglichen Handelns Heinrich des

Löwen wird deutlich, dass Rudolf Wahl offenbar Kaiser Friedrich

zentral thematisierte, weil er ihm als historische Figur lieber

war: „Es war eine seiner bezaubernden Liebenswürdigkeiten.“ (S.

448), „...die Überlegenheit des Geistes über die Gewalt hatten

diesen Krieg gewonnen. Solchen Waffen hatte der Welf nichts

entgegenzusetzen.“ (S. 449), „Eine bessere Regelung, die

Großmut und Staatsklugheit verband, konnte nicht gefunden

werden, [...].“ (S. 454).

Am Ende bleibt von Heinrich dem Löwen ein Bild, auf das von

Beginn an vorsätzlich hingearbeitet worden ist, dass unter der

Glorifizierung Barbarossas und der persönlichen Vorliebe des

Historikers leidet, und schließlich ohne gerecht abgewogen13

worden zu sein als schwarze Gestalt in der mittelalterlichen

Geschichte zurückbleibt. Auf der anderen Seite ist der Text

zwar eindeutig und unwissenschaftlich motiviert, allerdings

nicht auf jener Basis, die im Anfang dieser Arbeit vermutet

wurde, denn weder die Abwertung Heinrichs noch die Aufwertung

Friedrichs geschehen unter Bezug auf nationalsozialistische

Ideologie.7

„Friedrich Rotbart und Heinrich der Löwe – Ein Vortrag von Oberstudiendirektor Dr.

Hans Wohltmann, Stade“ 1939

Dieses im Allgemeinen nicht sehr umfassende Werk ist die

Abschrift eines Vortrages, den der Autor nach eigenen Angaben

„seit Herbst 1937 wiederholt gehalten“ (S. 45) hat. Die dieser

Arbeit zugrunde liegende Fassung wurde im Jahr 1939 in Stade

gedruckt und veröffentlicht. Bei dem Vortragenden handelte es

sich zweifellos um einen mehr als linientreuen Historiker, in

dessen Einleitung sich bereits stark nationalistische Tendenzen

zeigen. „Die beiden Männer [...] sind deutschen Herzen teuer“

(S. 25), „Wo in der Geschichte unseres Volkes das Streben nach

einem einigen deutschen Reich durchbricht, da klammert es sich

an Friedrichs I. ritterliche Persönlichkeit.“ (S. 25). Versucht

Dr. Wohltmann im ersten Satz seines Vortrages noch, eine

gleiche Ausgangsposition der beiden von ihm untersuchten Männer

darzustellen, so zeigt sich schon im zuletzt zitierten Satz und

in vielen noch folgenden, dass zumindest er von vornherein ein

Verehrer Friedrichs I. war. Noch bevor er seine

Vergleichsarbeit aufnimmt, kritisiert er „kleindeutsche

Geschichtsschreiber“ (S. 26), die behaupten, „die7 Rudolf Wahl, Kaiser Friedrich Barbarossa. 1. Aufl. München 1941.

14

Italienpolitik Barbarossas, sein Imperialismus sei

fehlgerichtet gewesen, habe nutzlose Verschwendung von teurem

deutschem Blut, mindestens eine Vernachlässigung des Reiches

[...] zur Folge gehabt. Sie machen wohl gar den Rotbart für die

deutsche Tragödie [...] verantwortlich.“ (S. 27). Diesen von im

abschätzig betrachteten Meinungen stellt er die „Größe“ und den

„opferbereiten Schwung“ (S. 27) des Kaisers gegenüber, „während

des Löwen Charakter doch etwas Düsteres behielt.“ (S. 27). So

beginnt der Autor seine Betrachtungen keineswegs von einem

neutralen Standpunkt aus, sondern von bereits fest

vorformulierten Meinungen, die im weitern Verlauf noch anders

untermauert werden sollten.

Die negative Darstellung Heinrichs des Löwen, die in diesem

Werk deutlich überwiegt, beginnt mit einer Betrachtung von

dessen Familie. Während besonders die gute Tradition nach Karl

dem Großen und die Heiratspolitik mit Königshäusern gelobt

werden, unterstellt Wohltmann den Welfen die Mischung mit

Ausländischem Blut, was ihnen einen „fremdartigen Charakter“

(S. 28) gegeben habe. Heinrichs Verwandtem, Welf VI.

bescheinigt er, nicht weiter fundiert, „ganz von Selbstsucht

geleitet zu sein“ (S. 28).

Bei der Betrachtung der Charaktere Friedrichs und Heinrichs

hebt der Historiker den Kaiser als „Blüte des Mannestums“

hervor und unterstreicht, „von seiner Persönlichkeit ging ein

gewisser Zauber aus“. Demgegenüber macht sich Heinrich in den

Worten Wohltmanns beinahe schäbig aus. Als „stolz, ohne Humor,

starr, verschlossen und nachtragend“ (S. 29) wird er hier

beschrieben.

Die Entwicklung des Reiches unter dem symbiotischen Pakt der15

Vettern betrachtet der Autor im Folgenden als durchaus positiv,

wenn er auch auf Heinrichs Seite Rücksichtslosigkeit

durchschimmern lässt.

Bei dem Ereignis, das schließlich den Wendepunkt markieren

sollte, der Hilfeverweigerung des Löwen und die Niederlage des

Kaisers „weil sein Vetter ihn im Stiche ließ“ (S. 30), fällt

der Autor ins Spekulative und leicht Melodramatische. Den

Kniefall von Chiavenna, den wir als alles andere als gut

dokumentiert werten, sieht er „durch gute Quellen“ (S. 31)

belegt. Schließlich meint Wohltmann in der Betrachtung der

Folgeereignisse, dass der Löwe allein die Schuld trage: „Diese

Treulosigkeit führte zum Sturz von stolzer Höhe, führte zur

Zerreißung seiner Länder, vor allem zu der unseres

Niedersachsen, führte also zu einer deutschen Tragödie...“ (S.

31)

Geradezu überraschend anerkennt Wohltmann, dass Heinrich der

Löwe seinem Kaiser zur Heerfolge „rechtlich nicht verpflichtet

war“ (S.34), dennoch hebt er kurz darauf in kaum

wissenschaftlicher Weise und reichlich emotional hervor, dass

Heinrich in Chiavenna „den Mann, der ihn groß gemacht hatte“

(S.34) verriet. Die Ursachen für dieses so erscheinende

Fehlverhalten Heinrichs sieht der Autor nicht zuletzt in der

Einflussnahme nichtdeutscher Mächte, präzise gesprochen, der

englischen Landsleute seiner Ehefrau Mathilde. Sie werden als

„skrupellos, zuchtlos, machtgierig, kaiserfeindlich“ (Vgl. S.

33) dargestellt.

Am Ende bleiben für Wohltmann zwei Aspekte für die endgültige

Bewertung der Figur Heinrichs des Löwen. Zunächst die expansive

Politik im Osten, die mit folgenden Worten gerühmt wird: „...in16

dem Wiedergewinn des einst verlorenen deutschen Ostens. So

führt des Löwen Werk in die Zukunft.“ (S. 43). Demgegenüber

steht aber die positive Bewertung der Politik Friedrichs I.:

„Das Kaisertum in deutscher Hand war ein Schutz gegen

romanische Überfremdung.“ (S. 43), sowie die Ablehnung eines

aus nicht ersichtlichen Quellen geschlossenen Charakter

Heinrichs: „...dass Heinrich sich nicht mehr einfügte in den

Bau des Reiches.“ (S. 45). Schlussendlich fällt die Bewertung

des einstigen Herzogs vor allem zu Gunsten einer starken

Glorifizierung Friedrichs I. äußerst negativ aus, auf der Seite

der positiven Gesichtspunkte steht beinahe ausschließlich die

Landgewinnung im Osten.8

„Der sächsische ‚Staat‘ Heinrichs des Löwen“, in ‚Historische Studien’, Heft 302, von

Dr. Ruth Hildebrand, Verlag Dr. Emil Ebering, Berlin 1937

Bei der Arbeit über die Politik und die Landesherrschaft

Heinrichs des Löwen in Sachsen handelt es sich um ein äußerst

umfangreiches Werk mit einem breiten Spektrum an

Sekundärliteratur. Die Sprache ist äußerst sachlich, frei von

Polemik und mit wenigen nationalistisch-ideologischen

Einschlägen. Dennoch ist es weit davon entfernt, ein neutral-

wissenschaftlicher Text zu sein, denn es gibt keinen

kritischen, nicht einmal einen abwägenden Forschungsansatz, und

ein großer Teil der bereits vorab zum Ausdruck gebrachten

Wertung des Herzogs von Sachsen ist bereits im Vorwort

dargelegt. Mit Rückgriffen und Analysen auf eine enorme Anzahl

von Primärquellen versucht Dr. Hildebrand in neuer

8 Hans Wohltmann, Friedrich Rotbart und Heinrich der Löwe. 1. Aufl. Stade 1939.

17

Interpretation, besonders in direkter Antwort auf den

Historiker Ludwig Weiland (1841 – 1895), der die Politik

Heinrichs in Sachsen als ungesund für das Reich und als

„verzweifeltes Ringen um die Oberherrschaft“ (S. 7) in der

Interpretation der Historikerin darstellte.

Das Bild, das Frau Dr. Hildebrand von Anfang an nicht nur im

Bezug auf das von ihr näher behandelte Thema vertritt, ist ein

aus sich selbst heraus gerechtfertigtes positives. Zum Ende

ihres Vorwortes erklärt die Autorin klar, dass keine Bewertung

Heinrichs nach Abwägung der Resultate ihrer wissenschaftlichen

Arbeit ihr Ziel sei, sondern „ein festumrissenes positives Bild

von den politischen Zielen des Herzogs zu geben, [...], das

heute wieder im deutschen Volk lebendig zu werden beginnt, das

Bild eines großen deutschen Staatsmanns des Mittelalters.“ (S.

8). Im Vorwort finden sich die deutlichsten Anwendungen

nationalistisch orientierter Sprache mit wiederholten

Rückbezügen auf das deutsche Volk.

Ingesamt geht es Frau Dr. Hildebrand darum, das im 19.

Jahrhundert vertretene Bild Heinrichs des Löwen zu

modifizieren. Im Anschluss an praktisch jede Analyse einer

Quelle folg eine Schlussfolgerung zugunsten Heinrichs und

dessen positiver Interpretation: „Damit sind die Argumente, die

Weiland für seine stammesherzogliche Gewalt Heinrichs des Löwen

innerhalb des westfälisch-sächsischen Gebiets bis zur Weser

anzuführen versucht, erschöpft.“ (S. 27). Grade der

allgegenwärtige und absolute Widerspruch in jeder untersuchten

Quelleninterpretation lässt eine ungewöhnlich willkürliche

Arbeitsweise und dubiose Resultate vermuten. Wie gesagt finden

sich die klarsten Worte über Heinrich den Löwen zu Beginn des18

Textes, wo auch Städtepolitik und Eroberungsbestreben gelobt

werden:

„Die Gestalt Heinrichs des Löwen, [...], beginnt heute endlich

wieder im deutschen Volke lebendiger Anteilnahme und

Bewunderung zu begegnen. Jetzt sieht man den Herzog nicht mehr

mit den Augen des Staufers als den ungetreuen Vasallen, der

seinen Lehnsherrn um seiner eigensüchtigen Ziele willen in der

Stunde der Gefahr im Stich ließ, sondern man verehrt ihn als

den ersten großen Vorkämpfer einer spezifisch deutschen

Staatsidee, [...]“ (S. 7). Im Hinblick auf Dr. Hildebrands

Arbeitsweise scheint sie selbst ganz persönlich auch eine

Anhängerin besagter Staatsidee zu sein, ohne dass dies explizit

genannt wird. Im letzten Zitat wird allerdings deutlich, dass

der Verrat am Kaiser, der in dieser Arbeit vorab als

Scheidepunkt der Interpretation zur Person Heinrichs vermutet

wird, in diesem Werk gar nicht erst zur Diskussion kommt,

sondern nicht einmal als möglich in Betracht gezogen wird. Wir

finden in Frau Dr. Hildebrands Text also ein extrem positives

Bild Heinrichs des Löwen, ohne dass es unter dem Einfluss

jeglicher Erörterung entstanden wäre. Allerdings wird es, im

Vergleich mit anderen Arbeiten, auch nur bedingt in direkte

Verbindung zum nationalsozialistischen Gedanken gesetzt.9

„Heinrich der Löwe – Seine Stellung in der inneren und in der äußeren Politik

Deutschlands, Richard Schmidt, Verlag R. Oldenbourg, München/Berlin 1936“

Richard Schmidt beginnt seine Ausführungen über den

Welfenherzog mit der Öffnung seines Grabes und der

9 Ruth Hildebrandt, Der sächsische „Staat“ Heinrichs des Löwen. (Historische Studien, Heft 302) 2. Aufl. Vaduz 1965.

19

Umbaumaßnahmen im Dom zu Braunschweig. Er gibt vor, eine seiner

Meinung nach wichtige Persönlichkeit der deutschen Geschichte

endlich zweifelsfrei definieren zu wollen, denn ein „...Urteil

steht noch nicht fest.“ (S. 2). Im Gegensatz zu dieser Aussage

hat die behandelte Figur bei Schmidt gleich von Beginn an den

Status einer unbestreitbaren Heroenfigur: „...die heldenhafte,

aber problematische Persönlichkeit des starken Welfen...“ (S.

2). Nicht einmal in Zweifel gezogen werden in Herrn Schmidts

Werk weder die Person Kaiser Friedrichs, noch seine Politik und

ein Urteil über Heinrich den Löwen soll letztendlich nur anhand

eines Abgleichs mit seinem Verhalten in Relation zu seinem

Vetter gewonnen werden. Dabei ist die Streitfrage für den Autor

keineswegs, wie man vermuten könnte, die, ob Heinrich nun als

Landesverräter auf die Teilnahme einer Heerfahrt in Italien

verzichtete, oder ob er dies aus Gründen der Konzentration auf

seine Aufgaben im eigenen Herzogtum geschah. Als Ausgangspunkt

seiner Erörterung stellt Schmidt die Position einiger

Historiker, die in Heinrich einen generellen Gegner der

expansiven Italienpolitik sahen, und in seiner Verweigerung der

Teilnahme einen Beweis für seinen Status als „Märtyrer seiner

Idee“ zu erkennen glaubten. Jene schätzen also eine

deutschnationale Interessenverfolgung für Heinrich nicht nur

für ihn selbst, sondern für das gesamte Reich ein. Dieser

Position widerspricht Schmidt von Anfang an, ohne dabei aber

Heinrich als Verräter am Kaiser zu deklarieren, was vielleicht

die zu erwartende Reaktion war. Im Gegenteil erklärt er, sein

Ziel sei lediglich, zu beweisen, dass Heinrich kein Gegner der

Italienpolitik war. Dass ein solches Ergebnis die Frage

aufwürfe, weshalb der Herzog dann nicht mit dem Kaiser zog,20

lässt er außer Acht, den „...ein nationaler Held bleibt er...“

(S. 3). So ist in keinem Moment dieses Werk eines, das die

Entscheidung über Heinrich im Schlechten oder im Guten sucht.

Die generelle Rühmung Heinrichs liegt in den wiederholt

angeführten Argumenten: „...offenkundige Großtaten wie die

Rückgewinnung großer Teile unserer ursprünglichen germanischen

Nationalsitze, [...], Germanisierung, [...]

Christianisierung...“ (S. 2). Die Kritik an Heinrich ist

allerdings ebenso bekannt wie präsent, ohne dass sie zu einer

negativen Beurteilung führte: „...Tatenlosigkeit da, wo es

nottat, zu handeln – vor allem [...] auf dem lombardischen

Kriegsschauplatz, als seine Verweigerung der Heeresfolge den

großen Stauferkaiser den Feinden preisgibt.“ (S. 2). Im Bezug

auf Friedrich I. werden beide als „Nebenbuhler“ (S. 3)

beschrieben, wobei es keine Kritik an Friedrich gibt:

„...Herrscher, der willensstark, weitblickend und von

persönlichem Reiz [...] ist...“ (S. 8) und das Verhältnis der

beiden bis zum Jahr 1167 als bestimmt durch „...gegenseitiges

Vertrauen im politischen Zusammenarbeiten.“ (S. 8)

interpretiert wird.

Einen positiven Aspekt der gesamten welfischen Familie gewinnt

Schmidt der Vermischung der Linie mit einer norditalienischen

Adelsfamilie ab, die von seinem Kollegen Wahl so abgewertet

wurde: „...ein schillernder, fremdartiger Zug haftet seitdem

auch der deutschen Linie an.“ (S. 6).

Die Entscheidung in der Streitfrage fällt letztendlich darauf,

dass eine mögliche Gegnerschaft Heinrichs zur Italienpolitik

Friedrichs rigoros von der Hand gewiesen wird. Der finale große

Kritikpunkt, der Heinrich dennoch nicht den Anspruch auf21

Verehrung kostet, liegt laut Schmidt im Einfluss besonders der

männlichen Mitglieder der Familie seiner zweiten Ehefrau

Mathilde von England, insbesondere im Charakter seines

Schwiegervaters. König Heinrich II. empfängt eine

Charakterisierung eines Mannes mit „Metzgergesicht“ (S. 24),

den „...zynische Machtpolitik, [...] ungehemmte Geldgier, [...]

Tatenhaftigkeit, [...] zügellose Sinnlichkeit“ (S. 24/25)

ausmachten. Als Verhängnis für Heinrichs, das ein

„instinktmäßiges Abrücken“ von „ernster Herrscherpflicht und

bedachter Regierungsweise des Staufers“ (S. 26) bedeutete,

stellt Schmidt diese Einflussnahme dar: „Dies also ist der

Geist des Hauses, das künftig in der Umwelt Heinrichs des Löwen

ganz naturgemäß eine Rolle spielt.“ (S. 26).

Trotz aller Kritik an Heinrich, sei sie ihm selbst angelastet

oder auf äußere Einflüsse zurückgeführt, bleibt der

Welfenherzog in den Augen Schmidts verehrungswürdig, auch im

Sinne deutschnationaler Ideologie, die in seiner Wertung zu

Tage tritt. Besagter Anspruch auf Verehrung wird vom Autor zu

keinem Zeitpunkt in Frage gestellt, allerdings ist es trotz

einer tatsächlichen Fixierung des Blickwinkels auf Heinrich den

Löwen erneut Kaiser Friedrich, der als makel- und fehlerlos

bewertet wird. 10

„Heinrich der Löwe – eine politische Tragödie in Deutschland, Hanns Martin Elster,

Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1940“

Dieses Werk Elsters, das zu den umfangreichsten und am

häufigsten zitierten zählt, darf als auch wegen dieses Status’

10 Richard Schmidt, Heinrich der Löwe. Seine Stellung in der inneren und der auswärtigen Politik Deutschlands. 1. Aufl. München/Berlin 1936.

22

als Standardwerk nicht aus dieser Analyse ausgeklammert werden.

Trotz der offensichtlich minuziösen Arbeit Elsters, besitzt

sein Buch schlussendlich wenig wissenschaftlichen Wert. Es

enthält die stärkste und am Meisten durch mehr als zweifelhafte

Ideologie verzerrte Glorifizierung Heinrichs des Löwen unter

Einbezug nahezu polemischer Aussagen und Thesen über den

Welfenherzog, die jede wissenschaftliche Grundlage vermissen

lassen. Dabei äußert auch Elster zu Beginn seines Werkes den

Wunsch, eine Richtigstellung des Bildes Heinrichs des Löwen

versuchen zu wollen, wobei allerdings von Anbeginn an noch

deutlicher als bei manchen seiner Kollegen hervortritt, dass

dies nicht unter dem Blickwinkel wissenschaftlicher

Objektivität geschehen soll. Schon im Vorwort wird Heinrich ein

„großer deutscher Staatsmann“ (Vgl. S. 9) genannt, und auf den

nächsten Seiten folgen schon die direkten Vergleiche des Löwen

mit dem Kaiser, wonach Heinrich „für das Deutschtum zuletzt

mehr geleistet hat, als die Staufer mit ihrer Italienpolitik“

(S. 12). Obgleich im weiteren Verlauf auch der Kaiser durchaus

positive Wertung erfährt: „der Kaiser wie der Herzog, die sich

als politische Genies und menschliche Persönlichkeiten

gleichwertig sind [...]“ (S. 26), „die Gerechtigkeit des

Kaisers und die maßvolle Zurückhaltung des Löwen“ (S. 86/87),

so erscheint er auch in der Bewertung seiner Politik neben

Heinrich dem Löwen als die deutlich negative Figur.

Elster nimmt für sich und seine Generation in Anspruch, die

ersten zu sein, die eine tatsächliche Berechtigung zur

Bewertung Heinrichs hätten, da man erst jetzt „den endgültigen

Maßstab dafür habe“ (S. 19): „Deutsche Geschichte kann nur noch

um des deutschen Volkes Willen geschrieben werden“, „der23

Maßstab ist [...] das rassisch gesehene, also nordisch

bestimmte Volk!“ (S. 19). Auf welch simple Art also die noch

anstehende Untersuchung der Figur Heinrichs des Löwen

ideologische Verzerrung erwarten sollte, steht auf derselben

Seite kurz und endgültig: „Was dem deutschen Volke nützte hat

positive Bedeutung, was im schadete, negative Bedeutung“. Der

Autor kommt mehrfach in seinem Werk auf einen direkten

Vergleich mit Adolf Hitler und Heinrich dem Löwen, da „allein

die Führeridee unserm Blute entspricht“ (S. 20) und weil erst

„mit der Revolution von 1933“ (S. 373) eine korrekte

Betrachtung möglich sei: „Der Führer unserer Gegenwart stellte

den Führer aus dem Mittelalter neu vor uns hin“ (S. 373).

Elster kritisierte nahezu paradoxerweise die Subjektivität vor

ihm arbeitender Autoren, besonders diejenigen, die die Figur

des Kaisers der des Löwen vorzogen. In seinen Augen wies die

Italienpolitik des Staufers in die Vergangenheit, eine direkte

Gegenüberstellung beider Weltansichten kommt zu folgendem

Ergebnis: „der Blick des Löwen nach dem Norden war von

germanischer Art geführt, der Blick des Staufers [...],

jüdisch-christliche Weltanschauung“ (Vgl. S. 220), dazu kommt

die Einschätzung, dass „der Kaiser nicht den Weg der Einheit

ging“ (Vgl. S. 25) und „mit seiner Weltreichpolitik ins Maßlose

vorstieß“ (S. 167), während „der welfische Staat der deutsche

Staat hätte werden können“ (Vgl. S. 13) weshalb „Heinrich der

Löwe damit in die Riege der Schöpfer unseres großdeutschen

Reichs gehört“ (Vgl. S. 21).

Während also der Kaiser in der Analyse der Politikstile

deutlich negativ dasteht, gibt es erheblich positivere Worte in

der Beschreibung des Verhältnisses zwischen beiden Vettern:24

„Heinrich fügte sich stets willig dem Urteil des Kaisers“ (S.

99), „Heinrich der Löwe [...] hat niemals seine Kaiserspflicht

verletzt“ (S. 113), außerdem sei er „des neuen Königs [...]

erster Freund“ (S. 155) gewesen. Auch diese positiven

Gesichtspunkte werden eher Heinrich als Friedrich

gutgeschrieben. Dennoch wurde Elsters Ansicht nach „im Prozess

gegen Heinrich den Löwen nicht Recht gesprochen, sondern

Politik gemacht“ (S. 253), da Friedrich „den Löwen vernichten

wollte“ (Vgl. S. 263) und daher „einzig und allein [...]

schuldig zu sprechen ist“ (Vgl. S. 21), da er es war, „der

Deutschland verriet, indem er den Welfen niederschlug.“ (S.

21).

Gemäß der bereits zitierten von Anfang an in diesem Werk

geltenden Prämisse der Bejahung all dessen, was dem Deutschtum

förderlich gewesen sei, wird von Elster ein erheblich positives

Bild des Welfenherzogs gezeichnet. Jener, der so sehr zu starke

Subjektivität andere Autoren kritisiert hat, ist in der Tat

derjenige, dessen Arbeit am stärksten durch selbige

beeinträchtigt wurde und deshalb in weiten Teilen eher auf

ideologischer Polemik denn auf Tatsachen und Fakten beruht.

Elster ging sogar so weit, den mittelalterlichen Quellen

zugunsten der volkstümlichen Überlieferung und Mythenbildung

einen geringeren Informationswert zuzubilligen, da erstere

„urewige Wahrheiten, durch die ein Volk und ein Volkstum

bestehen“ (S. 21) beinhalteten. Für die Analyseziele dieser

Arbeit ist dieser Text sicher einer der ergiebigsten und

aufschlussreichsten, nicht nur für das primäre Ziel der

Extrahierung eines Personenbildes des Mittelalters, sondern

auch für die Aufdeckung der damaligen Herangehens- und25

Arbeitsweisen.11

„Heinrich der Löwe – im Urteil der deutschen Geschichtsschreibung von seinen

Zeitgenossen bis zur Aufklärung, Dr. Phil. Ursula Jentzsch, Verlag von Gustav Fischer

in Jena, 1942.“

Frau Dr. Jentzsch ging interessanterweise mit einem ganz

ähnlichen Vorsatz an die Bearbeitung ihrer Materialien, wie er

auch dieser Arbeit zugrunde liegt. Epochenspezifisch extrahiert

sie jeweils ein anderes Bild des Welfenherzogs aus den

jeweiligen Quellen, wobei Entsprechungen zwischen den einzelnen

Resultaten nicht überraschend sind. Das Vorwort für diese

Arbeit lieferte Prof. Dr. Friedrich Schneider, dessen eigenes

Werk „Neuere Anschauungen der deutschen Historiker zur

Beurteilung der deutschen Kaiserpolitik des Mittelalters“ von

1934 nur deshalb keinen Eingang in diese Arbeit fand, da es

lediglich eine Zusammenstellung verschiedener Arbeiten anderer

Historiker darstellt, und überdies Heinrich der Löwe trotz des

vielfachen Bezugs auf Friedrich Barbarossa nur sehr sporadisch

erwähnt wird.

Auf der Höhe ihrer Macht und zum Zeitpunkt, zu dem wir eine

maximale Kontrolle des Publikationssektors durch die

Nationalsozialisten voraussetzen können, präsentiert Frau Dr.

Jentzsch ein Werk von großer Objektivität und hohem

analytischem Wert. Die Synthetisierung mehrer in Kontrast

stehender Bilder Heinrichs des Löwen geschieht mit sehr

direktem Quellenbezug und beinahe ohne Stellungnahme der

Autorin. Die Motive der Historikerin sind bereits zu Anfang

11 Hanns Martin Elster, Heinrich der Löwe. Eine politische Tragödie in Deutschland. 1. Aufl. Hamburg 1940.

26

klar umrissen. In der Arbeit ging es darum, von Heinrich dem

Löwen „seine Größe festzuhalten, die Schattenseiten seines

Charakters und Handels nicht zu verbergen“ (S. 5) und man

positionierte sich klar und weitsichtig zu jener bewussten oder

unbewussten Herangehensweise anderer Autoren, entweder den

Staufer oder den Welfen positiver darzustellen. Laut Vorwort

ist es falsch „die Formel Barbarossa o d e r Heinrich

aufzustellen“ (S. 5). Bei der Beurteilung anderer Werke werden

die Autoren noch in der Einleitung präziser und geben mit der

Kritik Arthur Diederichs am hier bereits behandelten Buch Hanns

Martin Elsters ein Beispiel für eine von ihnen kategorisch

abgelehnte Arbeitsweise: „blinde Glorifizierung des

Welfengeschlechts auf Kosten des staufischen [...] drücken

jeder Seite des Elsterschen Buches seinen parteiisch gefärbten

Stempel auf“ (S. 6). Wir dürfen diese Formulierung in einem so

zeitnah verfassten Text als scharfe Aburteilung werten.

Die von Dr. Jentzsch entwickelten Bilder Heinrichs des Löwen

überzeugen durch nüchterne Klarheit. Seine Zeitgenossen

erkannten demnach seine große Macht an (Vgl. S. 15), im

Spätmittelalter diagnostiziert die Autorin Mythenbildungen und

ein dominantes Welfenbild aus nordischen Texten (Vgl. S.

16/17). Im Urteil der Gegenreformation sieht Jentzsch eine

positive Beurteilung des Löwen durch die Katholiken, eine eher

dem Kaiser zugeneigte auf Seiten der Protestanten (Vgl. S. 37).

In der landesherrlichen Geschichtsschreibung sieht die Autorin

Leibnitz’ positives Welfenbild als vorherrschend, in der

Aufklärung unter starkem Unverständnis über die Kaiserpolitik

in Italien steht er ihrer Meinung nach noch besser da (Vgl. S.

54). 27

Schlussendlich erfolg dann doch eine Bewertung des Löwen, oder

wenigstens eines Aspekts seiner Politik, ohne dass ihr eine

andere Quelle zugrunde gelegen zu haben scheint: „Er trug somit

dazu bei [...] andere Teile Deutschlands an sich zu ziehen und

aus seiner Kraft heraus, ein neues Deutsches Reich zu schaffen“

(S. 56).

Trotz dieses Ansatzes einer Positionierung formuliert die

Autorin zum Schluss eine Stellungnahme zur Bewertung Heinrichs

des Löwen, die dem hohen wissenschaftlichen Wert ihres Buches

entspricht: „Wir würden uns um einen guten Teil ärmer machen,

wollten wir einen von ihnen preisgeben, weil wir ihm mit

unseren heutigen Maßstäben messen.“ (S. 60). Dieses Wort geht

gegen die Parteiergreifung zugunsten des Staufers und des

Welfen und zeigt die Unmöglichkeit, Heinrich den Löwen (oder

Barbarossa) nach zeitgenössischer Prämisse zu beurteilen, sowie

es alle anderen Autoren schließlich tun.12

Schluss:

Lässt sich im Wandel der Zeit eine Veränderung des Bildes Heinrichs des Löwen

feststellen?

In den zuvor untersuchten Werken lässt sich kein besonderes, an

ihre Entstehungszeit gebundenes Darstellungsmuster erkennen.

Alle Werke entstanden in dem relativ knappen Zeitraum zwischen

1937 und 1942 und man kann keinerlei Bruch in den Intentionen

oder Arbeitszielen, noch in den Ergebnissen der Autoren

feststellen. Dieselben negativen wie positiven Aspekte fanden

12 Friedrich Schneider (Hrsg.), Beiträge zur mittelalterlichen, neueren und allgemeinen Geschichte. (Band 11) Jena 1942. Ursula Jentzsch, Heinrich der Löwe. Im Urteil der deutschen Geschichtsschreibungvon seinen Zeitgenossen bis zur Aufklärung. Jena 1942.

28

in den frühesten Werken wie auch noch im neuesten Einzug, sowie

das Abwerten seiner Familienverbindungen ins Ausland oder die

fast immer als positiv interpretierte Eroberungspolitik im

Osten. Das jeweilige Resultat scheint lediglich durch

persönliche Motivationen zugunsten des einen oder des anderen,

nüchterner oder radikaler, mit dem Schwerpunkt auf diesem oder

jenem Aspekt ausgefallen sein.

Sowie es keinen Bruch gab, bemerkt man auch keine schleichende

Veränderung. Keines der Werke ist eine direkte Antwort auf ein

anderes, obwohl Rückbezüge und Vergleiche durchaus vorkommen.

Wenn im Sinne oder gegen den Sinn eines anderen Werkes

gearbeitet wurde, so handelte es sich eher um eines aus einer

vergangenen Epoche der Geschichtsschreibung. Somit sind die

verschieden motivierten Bilder Heinrichs des Löwen nicht an die

politischen Bewegungen ihrer Entstehungszeit geknüpft. Gibt es

bemerkenswerte Differenzen, so könnten nur die Autoren selbst

erklären, was sie zu der einen oder anderen Interpretation

bewogen haben mag, allerdings geschieht das an keiner Stelle

und nie wird es in Zeitbezug gesetzt.

Gab es eine Positionierung der historischen Figur Heinrichs des Löwen im Sinne der

NS-Ideologie?

Auch bei der Antwortfindung auf diese Frage muss immer im

Hinterkopf behalten werden, dass es kein homogenes Bild aus den

behandelten Texten gibt. Die verschiedenen Bilder sind von den

individuellen Schwerpunkten der Autoren und ihrer Selektion von

Fakten und Deutungen abhängig. Natürlich kann man zu jeden Werk

nach eingehender Betrachtung sagen, ob seine Ergebnissuche im

Sinne nationalsozialistischer Ideologie verläuft oder nicht,29

und so ist das erste Ergebnis, dass es von beiden Typen

Exemplare gab, wobei die NS-Ideologie doch in der Mehrzahl der

Werke entscheidend hervortritt. Die sachlichsten und am

wenigsten polemischen Arbeiten sind die von Frau Dr. Jentzsch

und von Frau Dr. Hildebrandt, bei beiden gibt es

quellenorientierte Arbeit, allerdings tritt bei beiden auch der

positive Charakter der Konsolidierung Sachsens als eine Art

Kernland des Deutschen Reiches hervor und steht in diesem Sinne

doch in Verbindung mit der NS-Ideologie.

Ebenfalls von jener beeinflusst sind die scharfen Aburteilungen

der familiären Bande Heinrichs des Löwen nach England, die

besonders bei Schmidt und Wohltmann zum Tragen kommen.

Letzterer hebt besonders den von ihm als solchen

interpretierten Treuebruch des Herzogs gegen den Kaiser als

nicht mit der Ideologie vereinbar hervor. Bei allen Autoren

scheint das Bild Heinrichs des Löwen durch seine Eroberungen im

Osten deutlich an Positivem zu gewinnen.

Die besonders von Frau Dr. Jentzsch verurteilte Parteinahme für

den Staufer oder den Welfen geschieht in der Tat sehr häufig.

Beide Werke zum Stauferkaiser stellen ihn besser dar, und

obgleich Heinrich bei Richard Schmidt ein gutes Bild attestiert

bekommt, übertrifft ihn auch dort das seines Vetters. Friedrich

wird besonders wegen seiner Eigenschaften als Weltreichidealist

und Eroberer in Italien im Sinne nationalsozialistischen

Denkens glorifiziert. Im Bezug auf Heinrich den Löwen sind

insbesondere Hanns Martin Elster, der all das, was er zu seiner

eigenen Zeit als verehrungswürdig empfand, d.h. den gesamten

nationalsozialistischen Staat, bei Heinrich dem Löwen

wiederzufinden glaubt, und Dr. Wohltmann, der Heinrich dem30

Löwen einen auch im Sinne der Ideologie schlechten und

zerstörerischen Charakter als Gegner der Reichsidee zuschreibt,

hervorzuheben.

Es entsteht bei der Betrachtung aller Werke kein ebenmäßiges

Bild. Widersprüche, haltlose Behauptungen, emotionale und

ideologische Interpretationen, sachliche Analyse auf deutlicher

Quellengrundlage wechseln sich ab. Dennoch überwiegt der

Einfluss der nationalsozialistischen Ideologie in den

untersuchten Werken, sei es zu einer Überhöhung Heinrichs, wie

sie mehrmals vorkommt, zu einer Kaiser Friedrichs, wie sie

nicht minder oft geschieht, oder gar zu einer scharfen

Aburteilung des Welfenherzogs, die ebenfalls nicht wegzudenken

ist.

31

Literaturverzeichnis

Sekundärliteratur:

1. Arndt, Karl, Missbrauchte Geschichte: Der

Braunschweiger Dom als Politisches Denkmal 1935/45,

in: Jochen Luckhardt, Franz Niehoff, Gerd Biegel

(Hrsg.), Heinrich der Löwe und seine Zeit. Herrschaft

und Repräsentation der Welfen 1125 – 1135. (Katalog

der Ausstellung Braunschweig 1995, Band 3 Abteilung

Nachleben) München 1995.

2. Berndt, Friedrich, Dom und Burgplatz zu Braunschweig.

(Grosse Baudenkmäler, Heft 130) 1. Aufl.

München/Berlin 1950.

3. Ehlers, Joachim, Heinrich der Löwe. Europäisches

Fürstentum im Hochmittelalter. 1. Aufl. Göttingen

1997.

Quellen:

4. Elster, Hanns Martin, Heinrich der Löwe. Eine

politische Tragödie in Deutschland. 1. Aufl. Hamburg

1940.

5. Heimpel, Hermann, Kaiser Friedrich Barbarossa und die

Wende in der staufischen Zeit. (Strassburger

Universitätsreden, Heft 3), 1. Aufl. Straßburg 1942.

6. Hildebrandt, Ruth, Der sächsische „Staat“ Heinrichs 32

des Löwen. (Historische Studien, Heft 302) 2. Aufl.

Vaduz 1965.

7. Jentzsch, Ursula, Heinrich der Löwe. Im Urteil der

deutschen Geschichtsschreibung von seinen

Zeitgenossen bis zur Aufklärung, in: Friedrich

Schneider (Hrsg.), Beiträge zur mittelalterlichen,

neueren und allgemeinen Geschichte. (Band 11) Jena

1942.

8. Schmidt, Richard, Heinrich der Löwe. Seine Stellung

in der inneren und der auswärtigen Politik

Deutschlands. 1. Aufl. München/Berlin 1936.

9. Wahl, Rudolf, Kaiser Friedrich Barbarossa. 1. Aufl.

München 1941.

10. Wohltmann, Hans, Friedrich Rotbart und Heinrich

der Löwe. 1. Aufl. Stade 1939.

Anhang

1)

33

2)

34

(3)

4)

5)

35

Anhang 1) und 2):

Friedrich Berndt, Dom und Burgplatz zu Braunschweig. (Grosse

Baudenkmäler, Heft 130) 1. Aufl. München/Berlin 1950.

Anhang 3) – 5):

Jochen Luckhardt, Franz Niehoff, Gerd Biegel (Hrsg.), Heinrich der Löwe

und seine Zeit. Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125 –

1135. (Katalog der Ausstellung Braunschweig 1995, Band 3

Abteilung Nachleben) München 1995.

36