Governance in EU Projekten LEADER

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0 Governance in EU Projekten Die Implementierung von Regional Governance durch LEADER Cornelia Cordes Matrikelnummer: 871687 Master Studiengang: Geograpien ländlicher Räume. Wandel durch Globalisierung Universität Vechta LRM 5.1: Governance in ländlichen Räumen Dozent: P.D. Dr. Karl Martin Born Hausarbeit 15.10.2013

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Governance in EU Projekten

Die Implementierung von Regional Governance durch LEADER

Cornelia Cordes

Matrikelnummer: 871687 Master Studiengang: Geograpien ländlicher Räume. Wandel durch Globalisierung

Universität Vechta

LRM 5.1: Governance in ländlichen Räumen Dozent: P.D. Dr. Karl Martin Born

Hausarbeit

15.10.2013

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Inhalt Abbildungsverzeichnis .......................................................................................................................... I

1. Einleitung ....................................................................................................................................... 1

2. Von Governance zu Regional Governance .............................................................................. 2

2.1. Was ist Regional Governance? .............................................................................................. 3

2.2. Charakteristika von Regional Governance ........................................................................... 4

3. Das LEADER Konzept ................................................................................................................. 7

3.1. Geschichtliche Entwicklung von LEADER ............................................................................ 8

3.2. Europäische Politik für Ländliche Räume: ELER und LEADER bis 2013........................ 9

4. Regional Governance im LEADER+ Kontext ......................................................................... 12

4.1. Prinzipien von Regional Governance in der normativen Gestaltung von LEADER + .. 12

4.2. Die Governancestruktur in der Umsetzung von LEADER+ .............................................. 14

4.3. Analyse der Implementierung von Regional Governance in LEADER+/Deutschland: Herausforderungen und Chancen .................................................................................................... 16

5. Zwischenfazit ............................................................................................................................... 18

6. Fallbeispiel: LEADER+ Förderung in der LEADER Region Aller-Leine-Tal ...................... 19

6.1. Governance in der LEADER+ Region Aller-Leine-Tal ...................................................... 20

6.2. Bisherige Ergebnisse der LEADER+ Förderung ............................................................... 22

7. Zusammenfassung und Fazit.................................................................................................... 23

8. Zusammenfassung der Diskussion .......................................................................................... 24

Literatur ................................................................................................................................................ 25

I

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Normative Grundsätze von Regional Governance. Eigene Bearbeitung nach: (Fürst 2006;

Böcher 2008) ........................................................................................................................................... 6

Abbildung 2: Das Konzept der LEADER Methode. Eigene Bearbeitung nach: (ENRD 2013; DVS 2013a,

Europäische Kommission 2006b). ........................................................................................................... 7

Abbildung 3: LEADER Regionen in Deutschland 2007 bis 2013. Quelle: (DVS 2013c). ........................... 9

Abbildung 4: Säulen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU. Quelle: (DVS 2013b). ............................. 10

Abbildung 5: LEADER im ELER 2007 bis 2013. Quelle: (EU-Kommission 2006a, S.7). ........................... 11

Abbildung 6: Prinzipien von Regional Governance in LEADER+. Eigene Bearbeitung nach: (Böcher

2008: S. 377; Böcher o.J.: S. 13). ........................................................................................................... 13

Abbildung 7: Die Governancestruktur in der Umsetzung von LEADER+. Eigene Bearbeitung nach:

(Böcher 2008; Europäische Kommission 2000). .................................................................................... 15

Abbildung 8: Fallbeispiel LEADER Region Aller-Leine-Tal. Eigene Bearbeitung nach: (DVS LEADER+

2003). ..................................................................................................................................................... 20

Abbildung 9: Organisationsstruktur der LEADER+ Region Aller-Leine-Tal. Quelle: (KoRIS 2007b, S. 4).

............................................................................................................................................................... 21

Abbildung 10: Regional Governance im Aller-Leine-Tal. Eine analytische Betrachtung. Eigene

Bearbeitung nach: (Böcher 2008, S. 377; KoRiS 2007b). ....................................................................... 22

1

1. Einleitung

Die ländliche Entwicklungspolitik befindet sich seit längerem im Wandel (Giessen 2010).

Nachdem etwa Mitte der 1990er nicht nur in der internationalen

Entwicklungszusammenarbeit, sondern auch im europäischen Kontext erkannt wurde, dass

die traditionelle unspezifische sektorale Förderung nach dem Gießkannenprinzip nicht die

erwünschten Ergebnisse liefert, gilt diese seither als gescheitert (Böcher 2008). Einige

deutsche Wissenschaftler behaupten gar, dass die früher übliche Top-Down Regionalpolitik

komplett versagt hat und es längst überfällig war eine neue Form der regionalen

Entwicklungssteuerung einzuführen (Benz 2000). Zusätzlich sehen sich nicht nur städtische,

sondern vor allem auch ländliche Räume zunehmend veränderten globalen

Rahmenbedingungen gegenüber, die z.B. der Globalisierung oder auch dem Klimawandel

geschuldet sind (Böcher 2008). In vielen ländlichen Regionen Deutschlands kommen

insbesondere die Folgen des Demographischen Wandels als Herausforderungen zum

Tragen: Bevölkerungsrückgang, Leerstand, Landflucht, Ausdünnung der Infrastruktur und

der Verlust von wertvoller Kulturlandschaft, sind einige Auswirkungen davon (Giessen 2010).

Gleichzeitig wird die Rolle der ländlichen Räume von reinen landwirtschaftlichen

Produktionszonen zu multifunktionalen Räumen immer sichtbarer (Waldhardt 2010).

In der Konsequenz hat seit den 1990ern auch auf europäischer Ebene ein Umdenken hin

von der „Top Down“ Entwicklungsstrategie zu einer „regionalisierteren“ –Bottom Up-

Regionalentwicklungspolitik jenseits von Staat und kommunaler Selbstverwaltung

stattgefunden. In diesem Zeitgeist wurde auch der LEADER Ansatz ins Leben gerufen.

Dieser Ansatz soll regionale Entwicklungsprozesse mit unter Umständen weniger Mitteln und

gezielteren Maßnahmen unterstützen und Innovationen aus der Region anregen. Dabei

sollen die unterschiedlichen regionalen Ausgangsbedingungen berücksichtigt und regionale

zivile, politische sowie auch wirtschaftliche Akteure oder auch Netzwerke in den Prozess

eingebunden werden (Europäische Kommission 2006d).

Gleichzeitig wurden in der wissenschaftlichen Diskussion die Governanceansätze ins Leben

gerufen. Mittlerweile kursieren dutzende verschiedene Ansätze, von Multilevel Governance

bis hin zu Local Governance in den wissenschaftlichen Diskursen (Benz 2007). Ein Ansatz,

der insbesondere in der Dezentralisierungsdebatte in Bezug auf regionale

Entwicklungsprozesse immer wieder eine Rolle spielt ist Regional Governance (Derichs

2007). Laut Derichs (2007) können „Regional Governance Prozesse als eine ‚Strategie der

Selbstorganisation und Partizipation‘ verstanden werden, weil neue Formen der

Verantwortungsteilung durch Einbeziehung von privaten Akteuren ermöglicht werden“

2

(Derichs 2007, S. 80). Diese Definition lässt im Hinblick auf die oben anführten Ziele von

LEADER vermuten, dass es viele normative Überschneidungspunkte gibt.

In dieser Studienarbeit sollen dahingehend die zwei folgenden Fragestellungen bearbeitet

werden:

Inwieweit lassen sich die normativen Grundsätze von Regional Governance durch den

LEADER Ansatz zum einen normativ programmatisch und zum anderen bei der

Implementation von LEADER verwirklichen?

Wo sind die Herausforderungen und Chancen in dem Umsetzungsprozess?

Das Ziel in dieser Arbeit ist zum einen aufzuzeigen inwieweit die normativen Grundlagen von

Regional Governance in den Prinzipien von LEADER, vor allem in der Implementierung mit

LEADER+, verwirklicht wurden und zum anderen zu analysieren inwieweit sie auf der

analytischen Ebene umgesetzt worden sind. Dabei ist es auch wichtig aufzuzeigen, welche

Herausforderungen dabei für die Akteure entstehen. Die Arbeit gliedert sich grob in vier

Teile. Nach der Einführung wird zunächst erläutert, was unter Governance und Regional

Governance zu verstehen ist. Anschließend wird das LEADER Konzept dargestellt, der

historische Kontext und seine Entstehungsgeschichte erläutert und kurz auf die Entwicklung

der europäischen Politik für die ländlichen Räume eingegangen. Daran schließt sich der

analytische Teil, indem auf zunächst auf die normative Implementierung von Regional

Governance in LEADER, die Governance Struktur im LEADER+ Kontext und dann auf die

tatsächliche analytische Auswertung der Implementierung von Regional Governance mit

seinen Herausforderungen und Chancen in LEADER+ eingegangen wird. Nach einem

kurzen Zwischenfazit wird anhand eines Fallbeispiels gezeigt, wie die Grundsätze von

Regional Governance in einer LEADER+ Region angewandt werden. Die Arbeit schließt mit

einer Zusammenfassung, einem Fazit und der Zusammenfassung der Diskussion aus der

Sitzung des Vortrages aus dem diese Hausarbeit entstanden ist.

2. Von Governance zu Regional Governance

Zunächst sei der Begriff „Governance“ zu definieren, was allerdings aufgrund der Fülle von

Governance-Ansätzen auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Kontexten

keineswegs trivial ist (Börzel 2006). Börzel (2006) versteht den Begriff Governance in

Anlehnung an Renate Mayntz und Fritz Scharpf wie folgt:

(N)Governance [stellt] institutionalisierte Modi der sozialen Handlungskoordination [dar], durch die kollektiv verbindliche Regelungen (policies) verabschiedet und implementiert werden. Governance Formen haben somit eine Struktur- und eine Prozesskomponente (Börzel 2006, S. 2).

3

Laut Börzel (2006) ist die Unterscheidung in prozess-orientierte und strukturorientierte

Governance-Konzepte, welche sich auf verschiedene Forschungsstränge zurückführen

lassen, grundlegend. Bei der Strukturkomponente handelt es sich um Regelungsstrukturen

oder auch „governance structures“, die sich auf die vorherrschenden Akteurs- und

Institutionskonstellationen beziehen. Die Prozesskomponente hingegen beschreibt die

Koordinations- und Interaktionsprozesse innerhalb der Regelungsstrukturen (Börzel 2006).

Des Weiteren können im Bereich der internationalen Beziehungen eher präskriptiv

ausgelegte Arbeiten im Bereich Global Governance, sowie analytisch orientierte Arbeiten im

Bereich des Regierens jenseits der Staatlichkeit unterschieden werden. Abschließend zeigt

Börzel (2006) auf, dass der Begriff Governance in den letzten Jahren vor allem in einem

engeren Sinne gebraucht wird und somit grundlegend für eine neue und kooperative Form

des Regierens mit der Beteiligung von Nichtregierungsakteuren steht. Wichtig sind also vor

allem die Unterscheidung in der normativen oder empirisch-analytischen Verwendung, in der

Betrachtung von konkreten Fällen oder abstrakten Mechanismen und in der Verwendung als

analytisches Tool für die Beschreibung der Veränderung von „Systemen gesellschaftlicher

Steuerung“ (Fürst 2007, S. 355; Böcher 2008).

2.1. Was ist Regional Governance?

Der Begriff Regional Governance kommt aus der Institutionenökonomie Williamsons (1979)

und die eigentliche Diskussion um ihn wurde in Großbritannien, oder genauer gesagt in

England, durch das Problem der fehlenden förmlichen Organisation der

Selbststeuerungsfähigkeit von ländlichen Regionen und deren Voraussetzung für die

Legitimität der Befähigung zum Erhalt von EU-Geldern angeregt. Innovativ war, dass sowohl

die EU als auch der britische Staat von den Regionen forderten, dass sich eine

Gemeinschaft aus verschiedenen regionalen Akteuren zusammenfand, die zu kollektiver

Handlungsfähigkeit, also Planung und Entwicklung ihrer Region, in der Lage war (Fürst

2006). Diese Akteure kamen dabei aus dem politischen, wirtschaftlichen und

zivilgesellschaftlichen Bereich und verfolgten damit recht unterschiedliche Ziele. Politiker

werden in der Regel in ihrem Handeln eher vom „Wahlmodi“, Wirtschaftsakteure von Streben

nach Gewinnmaximierung und Zivilakteure von dem Bestreben nach sozialer Anerkennung,

Solidarität und Verbesserung der Lebensumstände geleitet (Fürst 2006; Derichs 2007). Zu

welchen Herausforderungen dies führen kann, wird im Laufe der Arbeit diskutiert.

Fürst (2007) wirft weiterhin die Frage auf, wie nun in der heutigen Welt, die zunehmend

fragmentiert und sektoralisiert ist, erfolgreich Entwicklungsprozesse auf regionaler Ebene

angestoßen und umgesetzt werden können. Der Begriff der Regional Governance beschreibt

hierbei die komplexen Handlungs- und Interaktionsmuster, welche im regionalen Kontext

4

eben genau diese Zusammenarbeit staatlicher und nichtstaatlicher Akteure kennzeichnen,

und die versuchen in einer bestimmten Region Entwicklungsprozesse anzuregen und zu

realisieren (Derichs 2007; Fürst 2007; Böcher 2008).

In regionalen Governanceprozessen werden, wie oben beschrieben, die Strukturen der

regionalen Entwicklungsträger neu aufgestellt und die Prozesse verändert. In Bezug auf

Regional Goveranance konstatiert Fürst (2007), dass hierbei die Grenzen zwischen

Steuerungssubjekt und Steuerungsobjekt verschwimmen, da die Maßnahmen und deren

Regeln eben durch die nichtstaatlichen Regelungsstrukturen/die Adressaten entworfen und

somit auch beeinflusst werden:

Die neuartigen Steuerungsmuster verschaffen Akteuren Zugang zu gesellschaftlichen Entscheidungszentren, die ihnen durch die formalen Strukturen verwehrt sind, und Entscheidungszentren können sich verschieben, weil immer mehr Funktionen vom Staat auf Private und auf Formen der Selbststeuerung verlagert werden, weil Private an staatlichen Entscheidungen beteiligt oder Funktionen dezentralisiert werden (Fürst 2007, S. 355).

Die oben genannten Prozess- und Strukturkomponenten bezeichnet Fürst (2007) in Bezug

auf Regional Governance als „Mechanismen“ und „Regime“ der Governance, wobei der

Begriff Regime noch etwas weiter gefasst ist als die bloße Strukturkompenente. Governance

Regime, welche sich aus der Akteurskonstellation und deren Zusammenarbeit bilden,

können sich gegenseitig unterstützen, behindern oder auch neutralisieren und stellen die

jeweilige Ausformung der Governance im regionalen Kontext dar (Fürst 2007).

Zudem unterliegt die Ausformung von Governance auch immer dem Kontext. Auf regionaler

Ebene wird eine andere Form von Governance ausgebildet als in einem Stadtteil, da die

Akteure und Schwerpunkte andere sind (Fürst 2007). Die internen (Zusammensetzung der

Akteure) sowie externen (politisch-wirtschaftlicher-regionaler Kontext) Bedingungen und

Herausforderungen sind grundlegend für die verschiedenartige Ausprägung von Governance

in verschiedenen Kontexten (Fürst 2007).

2.2. Charakteristika von Regional Governance

Nachdem im vorherigen Abschnitt Grundlegendes zu Governance und Regional Governance

aufgezeigt wurde, wird im Folgenden beschrieben welche normativen Charakteristika

Regional Governance aufweist. Da es kein einheitliches Konzept der Regional Governance

gibt, bezieht sich die Beschreibung im Folgenden auf die Arbeit von Böcher (2008).

Böcher (2008) unterscheidet generell vier verschiedene normative Grundsätze von Regional

Governance (siehe Abb. 1). Erstens ist dies die „Erhöhte Selbstregierbarkeit von Regionen“,

5

welche darauf abzielt die Verantwortung der Region auf der Ebene der politischen

Koordination und Entscheidungsfindung zu stärken und die Selbststeuerung der Region auf

Basis der natürlichen und Human- sowie Netzwerkressourcen zu erhöhen. Wichtige

regionalpolitische Entscheidungen werden in diesem Dezentralisierungsprozess auf

regionale Akteursnetzwerke ausgelagert, welche von nun an für diese zuständig sind.

Wichtige Prinzipien für dieses neue Konzept der Selbststeuerung sind das Prinzip des freien

Willens, die nichtformale Institutionalisierung und die Integration von intersektoralen

Kooperationen der verschiedenen Partnern aus der Politik, Wirtschaft, Verwaltung, dem

sozialen Bereich und der Bürger. Dem Staat wird in diesem Prozess die Rolle des

Unterstützers zugesprochen der Anreize für die Aktivitäten der Akteure setzen soll (Böcher

2008).

Als zweiten Grundsatz stellt Böcher (2008) das „Ersetzen des reinen territorialen Prinzips

durch das funktionale Prinzip“ auf. Dies meint, dass die Grenzen für regionalpolitische

Aktivitäten nicht allein durch administrative Grenzen, sondern eher durch funktionale

Grenzen festgelegt werden. Mehr oder weniger lockere soziale und wirtschaftliche

Kooperationen bestimmen den Raum für Aktivitäten und somit auch seine Grenzen. Die

Ausrichtung der Aktivitäten kann somit auch über die administrativen Grenzen hinausgehen

und so können z.B. Naturreservate oder touristische Gebiete von den regionalen Akteuren

selbst ausgewiesen werden. Die Aktivitäten werden fortan in Konformität mit der regionalen

Entwicklungsstrategie, welche bei Beginn von den Akteuren ausgearbeitet wurde,

implementiert und durch ein zentrales Regionalmanagement koordiniert (Böcher 2008).

Drittens ist vor allem die intersektorale Kooperation von großer Bedeutung, da die

verschiedenen Akteure mit eventuell abweichenden Zielrichtungen in diesem Netzwerk

Kompromisse aushandeln müssen, um gemeinsam verabschiedete Projekte erfolgreich

abschließen zu können. Die Partnerschaften können sowohl in horizontaler- also regionaler -

als auch in vertikaler- also höherer politischer- Ebene erfolgen. Ein Ziel ist, dass die

Zusammenarbeit in Netzwerken zu win-win Situationen führt. Die Art und Weise wie dies

geschieht, soll übliche Hierarchien aufbrechen und auch per se nicht sehr machtvollen

Partnern die gleichen Einflussmöglichkeiten geben (Böcher 2008).

6

Abbildung 1: Normative Grundsätze von Regional Governance. Eigene Bearbeitung nach: (Fürst 2006; Böcher

2008)

Der vierte von Böcher (2008) angesprochene Grundsatz von Regional Governance ist die

„hierarchische Steuerung von Anreizen durch verschiedenartige Instrumente und Methoden“.

Netzwerke und Kooperationen formen sich nicht von alleine. Ein Beispiel können finanzielle

Anreize sein, die durch staatliche oder suprastaatliche Stellen in Wettbewerben

ausgeschrieben werden. Um solche Gelder zu bekommen müssen die lokalen und

regionalen Partner zusammenarbeiten und Konzepte sowie Strategien entwerfen, mit denen

sie dann an den Ausschreibungen teilnehmen. Das Instrument des Wettbewerbs ist in

diesem Zusammenhang elementar, da so die erfolgversprechendsten Konzepte und Projekte

(best pratices) mit Fördermitteln ausgestattet werden. Evaluationen am Ende einer jeden

Förderphase spielen eine weitere zentrale Rolle. Sie testen die Wirksamkeit der eingesetzten

Mittel und helfen in Zukunft noch bessere Entscheidungen bei der Projektauswahl- im

planerischen und finanziellen Sinne- treffen zu können (Böcher 2008).

Die hier angesprochenen normativen Grundsätze werden im Verlauf der Arbeit analytisch

angewandt und helfen die Implementierung von Regional Governance im LEADER+ Kontext

zu untersuchen. Es sei jedoch erneut darauf hingewiesen, dass es „das“ Konzept von

Regional Governance nicht gibt und in jedem Falle der lokale-interne und externe Kontext, in

dem sich eine Region befindet, miteinbezogen werden muss (Böcher 2008).

7

Im Folgenden Kapitel wird nun zuerst kurz das LEADER Konzept vorgestellt. Anschließend

wird LEADER als Querschnittsachse im Europäischen Landwirtschaftsfond für die

Entwicklung ländlicher Räume (ELER) 2007 bis 2013 umrissen, um dann generell auf die

geschichtliche Entwicklung der EU Politik für ländliche Räume und von LEADER

einzugehen.

3. Das LEADER Konzept

Das Akronym LEADER steht für die französische Bezeichnung „Liason entre actions de

développment de l’économie rurale“ auf Deutsch: „Verbindungen zwischen Aktionen zur

ländlichen Entwicklung“. Es handelt sich hierbei um einen methodischen Ansatz für die

Regionalentwicklung, der es verschiedenen regionalen und lokalen Akteuren vor Ort

ermöglichen soll, regionale Prozesse mitzugestalten (Europäische Kommission 2006b).

LEADER unterstützt Dezentralisierungsmaßnahmen, welche sowohl die

Strategieentwicklung und Durchführung, als auch die Anteile der Finanzierung von

Regionalentwicklungsaufgaben auf die lokale Ebene verlagern. Die Hauptverwaltungseinheit

ist die nichtgewinnorientierte „Lokale Aktionsgruppe“ (LAG), die jedem Akteur der Region

offen steht (ENRD 2013).

Abbildung 2: Das Konzept der LEADER Methode. Eigene Bearbeitung nach: (ENRD 2013; DVS 2013a,

Europäische Kommission 2006b).

Die Idee ist, dass regionale und lokale Netzwerke und Partnerschaften zwischen

öffentlichem, privatem und staatlichem Sektor entstehen und so Energien und Ressourcen

gebündelt werden. Die LAGs werden nach einem mehr oder weniger festen

Verteilungsschema aus den eben genannten Akteuren zusammengestellt. So wird auf

subregionaler Ebene dazu beitragen, dass die Entwicklung des ländlichen Raumes

8

wirtschaftlich und sozial voran schreitet (Europäische Kommission 2006b; ENRD 2013).

LEADER weist sieben wesentliche Merkmale auf (siehe Abb. 2). Zu den sieben Merkmalen

zählen territoriale lokale Entwicklungsstrategien, Bottom-Up Ausarbeitung und Umsetzung

der Strategien, lokale öffentlich-private Partnerschaften (LAG), integrierte und multisektorale

Aktionen, Innovationen, Kooperationen und Netzwerkbildung (ENRD 2013).

Neu an LEADER war, dass es sich um einen rein methodischen Ansatz handelt, der vorgibt

wie man vorgehen soll und keine Vorschriften macht, was getan werden muss (Europäische

Kommission 2006b). Es ist insbesondere wichtig alle sieben Merkmale von LEADER als ein

„Set von Instrumenten“ (Europäische Kommission 2006b, S. 8) zu sehen, die sich

gegenseitig positiv beeinflussen und ergänzen.

3.1. Geschichtliche Entwicklung von LEADER LEADER wurde im Jahre 1991 als europäische Gemeinschaftsinitiative ins Leben gerufen.

Die erste Implementierungsphase lief bis 1993. Der zweite Förderzeitraum – LEADER II-

wurde zwischen 1994 und 1999 ausgeschrieben. Daran schloss sich ab 2000 bis 2006 die

das Folgeprogramm LEADER+ an. Während der ersten drei Förderperioden hatten alle

Mitgliedstaaten und Regionen selbstständige LEADER-Programme mit eigenständigen

Finanzierungen (Europäische Kommission 2006b). Seit 2007 ist LEADER als methodische

Querschnittachse im ELER aufgenommen. Damit ist Governance seither für alle Projekte,

die unter diesem Dach gefördert werden, zwingend erforderlich (Europäische Kommission

2006c). Die Finanzierung läuft nun über die im ELER den einzelnen Ländern zustehenden

Pauschzahlungen (Europäische Kommission 2006b). In der Förderperiode 2007-2013 sind

allein in Deutschland 244 LEADER-Regionen ausgeschrieben (siehe Abb. 4).

Im nächsten Abschnitt wird auf generell auf die Entwicklung der Politik für ländliche Räume

eingegangen und die in diesem Abschnitt erwähnten Veränderungen in Bezug auf LEADER

in den europäischen Kontext eingebracht.

9

Abbildung 3: LEADER Regionen in Deutschland 2007 bis 2013. Quelle: (DVS 2013c).

3.2. Europäische Politik für Ländliche Räume: ELER und

LEADER bis 2013

In der EU leben mehr als die Hälfte der Bevölkerung im ländlichen Raum, welcher ca. 90%

des Gebietes der EU ausmacht (Europäische Kommission 2006a, S. 3). Die Entwicklung des

10

ländlichen Raumes ist demnach ein Politikbereich, der keineswegs zu vernachlässigen und

vor allem nicht nur in der Förderung der Landwirtschaft und deren Marktmechanismen zu

sehen ist. Die Multifunktionalität des ländlichen Raumes rückt immer mehr in den

Vordergrund (Klohn & Voth 2010). Dies zeigt sich auch in der Entwicklung der europäischen

Politik zur ländlichen Entwicklung der letzten Jahre. In der Schlussfolgerung des

Europäischen Rates von Göteborg vom Juni 2001 heißt es:

In den letzten Jahren hat die europäische Agrarpolitik weniger Gewicht auf die Marktmechanismen gelegt und hat sich- im Zuge von gezielten Unterstützungsmaßnahmen- stärker darauf ausgerichtet, die wachsenden Anforderungen in der Öffentlichkeit in Bezug auf Lebensmittelsicherheit, Nahrungsmittelqualität, Produktdifferenzierung, artgerechte Tierhaltung, Umweltqualität, Naturschutz und Landschaftspflege zu befriedigen ( Europäischer Rat (2001) zit. in: Europäische Kommission 2006a, S. 3).

Da auch die ländliche Politik, wie alle anderen europäischen Politikbereiche, den

strategischen Grundsätzen der EU folgt, sind in diesem Zusammenhang insbesondere zwei

Grundsätze zu nennen. Dies ist zum einen die Lissabon Strategie aus dem Jahr 2000 für

Wachstum und Beschäftigung und die 2001 in Göteborg beschlossene Ergänzung um die

Dimension Umwelt und nachhaltige Entwicklung. In Göteborg wurden zudem die zwei

Säulen- Marktpolitik und Politik für die Entwicklung des ländlichen Raumes- der

gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) festgelegt und mit Nachhaltigkeitszielen zum Erhalt der

Landschaft, Ökosysteme und Biodiversität bei einer gleichzeitig starken Wirtschaftsleistung

versehen (siehe Abb. 4) (BMWFJ 2013; EU 2006).

Abbildung 4: Säulen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU. Quelle: (DVS 2013b).

Im Förderzeitraum von LEADER+, also 2003 und 2004, wurde der erste Pfeiler der GAP

grundlegend reformiert und im September 2005 verabschiedete der Agrarrat die Reform zur

Veränderung der Politik zur Entwicklung des ländlichen Raumes, wobei sowohl die Lissabon-

11

als auch die Nachhaltigkeitsstrategie aus Göteborg wiederaufgenommen wurden

(Europäische Kommission 2006a). Diese Verordnung besagt, dass dem ELER im

Förderzeitraum 2006 bis 2013 folgende Ziele zugrunde liegen:

1. Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft und der Forstwirtschaft durch Förderung der Umstrukturierung, der Entwicklung und der Innovation;

2. Verbesserung der Umwelt und der Landschaft durch Förderung der Landbewirtschaftung;

3. Steigerung der Lebensqualität im ländlichen Raum und Förderung der Diversifizierung der Wirtschaft. (EU 2005: S. 9).

Wie schon in Kapitel 3.1 beschrieben, wurde diesen drei Achsen des ELER wird mit dem

LEADER Ansatz eine vierte methodische Achse hinzugefügt. LEADER ist damit ab 2007

keine Gemeinschaftsinitiative mehr, sondern wird der Mainstreamförderung zugeordnet und

ist damit Teil des Entwicklungsprogramms der jeweiligen Länder (siehe Abb. 5) (Giessen

2010). Wichtig ist hierbei, dass LEADER keinen inhaltlichen Bezug zu den drei

Schwerpunktsachsen hat, sondern vor allem unterstützend auf die Umsetzung- vor allem von

Achse 3- wirken soll(DVS 2013a; DVS 2013b).

Abbildung 5: LEADER im ELER 2007 bis 2013. Quelle: (EU-Kommission 2006a, S.7).

Die drei Schwerpunktsachsen beinhalten Unterziele mit vielschichtigen Maßnahmen, welche

zum einen in dem ersten und dritten Schwerpunkte sektorale und im zweiten Schwerpunkt

raumbezogene Ziele verfolgen (DVS 2013b). Hierzu zählen in der ersten Achse die Stärkung

der Humanressourcen und Investitionsförderung für die Land- und Forstwirtschaft. In der

12

zweiten Achse sind die Ausgleichszahlungen für benachteiligte Gebiete und die Beihilfen für

Bewirtschaftungsbeschränkungen in der Land- und Forstwirtschaft (Tier- oder Umweltschutz)

als Maßnahmenpaket enthalten. In der dritten Achse werden für die Diversifizierung der

ländlichen Wirtschaft, unter anderem die Förderung von Neugründungen von

Kleinstunternehmen und des Tourismus gezählt. Weiterhin sind auch Aktionen zur

Lebensqualitätsverbesserung im ländlichen Raum, wie die Erhaltung oder Neueinrichtung

von Dienstleistungseinrichtungen zur Grundversorgung für die ländliche Wirtschaft und

Bevölkerung oder aber auch Dorferneuerungs- und/oder Entwicklungsaktionen sowie die

Bewahrung des ländlichen Erbes im Maßnahmenpaket enthalten (DVS 2013b).

4. Regional Governance im LEADER+ Kontext

Da die Förderperiode von LEADER im ELER zur Zeit der Erstellung dieser Arbeit noch nicht

abgeschlossen war, wurde aufgrund einer besseren Datenlage die Gemeinschaftsinitiative

LEADER+ zur Auswertung der Grundsätze von Regional Governance ausgewählt.

Um die Umsetzung von Regional Governance im LEADER+ Kontext beurteilen zu können

muss vorab unterschieden werden, ob dies normativ oder analytisch geschehen soll. In

diesem Kapitel werden zunächst die normativen Prinzipien von LEADER+ untersucht und mit

den normativen Prinzipien von Regional Governance verglichen. Anschließend wird auf die

Governance Struktur im deutsch-europäischen LEADER+ Kontext eingegangen, um dann in

einem weiteren Abschnitt die tatsächliche Implementierung von LEADER+ Programmen auf

lokaler und regionaler Ebene anhand einiger Beispiele zu analysieren. Hierbei werden vor

allem die Herausforderungen aber auch die Chancen für den Governanceprozess

herausgearbeitet.

4.1. Prinzipien von Regional Governance in der normativen

Gestaltung von LEADER +

LEADER+ wurde im Zeitraum 2000 bis 2006 als Gemeinschaftsinitiative der EU

durchgeführt. LEADER+ wurde als Pilotprojekt mit integriertem und gebietsbezogenem

Ansatz in 148 LEADER+ Regionen (Böcher 2008, S. 381) implementiert. Vor allem lokale

Akteure sollten mobilisiert werden, um in intersektoralen Kooperationen – den LAGs- die

endogenen Potentiale der Region herauszuarbeiten und Projekte zu entwickeln, die diese

Potentiale nutzen und die ländliche Entwicklung fördern (Böcher o.J.). Während des

Förderzeitraums von LEADER+ waren alle ländlichen Räume Europas förderfähig und

mussten, um Gelder aus dem Fond zu erhalten, Projekte formulieren, die dann in einem

Wettbewerb ausgewählt oder abgelehnt wurden (Böcher o.J.). Insgesamt wurden in diesem

13

Zeitraum dafür 5.046, 5 Millionen Euro aufgebracht, wobei ca. die Hälfte also 2.105,1

Millionen Euro von der EU als Ko-finanzierung zur Verfügung gestellt wurden (Europäische

Kommission 2006e, S.XXXVII). Die strategische Ausrichtung von LEADER+ bezieht sich auf

drei Bereiche. Dies sind:

1. Unterstützung von Strategien zu einer integrierten territorialen Entwicklung mit Pilotcharakter

2. Unterstützung von Kooperationen zwischen ländlichen Gebieten

3. Networking (Europäische Kommission 2006e, S.XXXVII)

Hahne (2004) fasst die Hauptprinzipien von LEADER+ wie folgt zusammen. Es handelt sich

um einen gebietsbezogener Ansatz welcher sich auf endogene regionale

Entwicklungspotentiale und einen spezifischen regionalen Entwicklungspfad bezieht. Die

Entwicklung eines strategischen Konzeptes, also eines „Regionalen Entwicklungskonzeptes“

(REK), welches in einem Bottom Up Prozess ausgearbeitet wird, ist vorgeschrieben.

Abbildung 6: Prinzipien von Regional Governance in LEADER+. Eigene Bearbeitung nach: (Böcher 2008: S.

377; Böcher o.J.: S. 13).

14

Es entstehen lokale Partnerschaften zwischen privaten und öffentlichen Akteuren, welche in

einem LAG zusammenarbeiten. Durch Innovationen werden neue Antworten auf alte Fragen

gefunden. Es wird in Netzwerken mit unabhängigen Partnern auf ein gemeinsames Ziel

hingearbeitet und auf sektorenübergreifende Integration wert gelegt. Als letzten Punkt nennt

er die interterritorialen Kooperationen zwischen zwei oder mehreren LEADER+ Regionen

(siehe Abb. 6).

Im Zusammenhang mit der Implementierung der normativen Grundsätze in die normative

Ausgestaltung von LEADER+ fasst Böcher (2008; Böcher o.J) in seinen Arbeiten die

Prinzipen von LEADER+ zusammen und vergleicht sie mit den Charakteristika von Regional

Governance (siehe Abb. 6). Auf allen vier Analyseebenen konnte er Übereinstimmungen bei

der normativen Umsetzung von Regional Governance in der programmatischen

Ausarbeitung von LEADER+ feststellen. Es wird auf die erhöhte Selbstregierbarkeit der

Regionen eingegangen, das territoriale Prinzip wird durch ein Funktionales ersetzt, es bilden

sich LAGs welche die intersektorale Kooperation sicherstellen sollen und durch die EU

werden finanzielle Anreize als hierarchische Steuerung geben (Böcher 2008; Böcher o.J.).

Somit ist klargestellt, dass auf normativer Ebene der Ansatz von LEADER+ die Grundsätze

von Regional Governance voll erfüllt. Es lässt sich hiermit jedoch nicht feststellen, inwieweit

diese Grundsätze in der Realität umgesetzt wurden (Böcher 2008, Böcher o.J.). Nach einem

kurzen Überblick über die Governancestruktur von LEADER+ in Deutschland wird darauf im

übernächsten Kapitel eingegangen.

4.2. Die Governancestruktur in der Umsetzung von LEADER+

Regional Governance weist, wie oben beschrieben, zwei Komponenten auf. Zum einen sind

dies die Mechanismen oder auch Prozesse und zum anderen ist es das Regime oder auch

etwas enger gefasst die Strukturkomponente von Regional Governance (Fürst 2007). In

diesem Kapitel wird in einer Mehrebenenmatrix (siehe Abb. 7) auf die Strukturkomponente

von LEADER+ im deutsch/europäischen Kontext eingegangen und aufgezeigt, welche

Akteure idealtypisch an der Konzeption, Planung und Umsetzung von LEADER+ und seinen

Projekten beteiligt waren.

15

Abbildung 7: Die Governancestruktur in der Umsetzung von LEADER+. Eigene Bearbeitung nach: (Böcher

2008; Europäische Kommission 2000).

Die EU Gemeinschaftsinitiative LEADER+ wurde auf EU Ebene konzipiert und die

programmatischen Grundsätze sind dort in den Leitlinien für die Gemeinschaftsinitiative

LEADER+ festgelegt (Europäische Kommission 2000). Auf nationaler Ebene war die

Deutsche Vernetzungsstelle (DVS) LEADER+ angesiedelt und koordinierte und betreute

bundesweit die Umsetzung von LEADER+ (Europäische Kommission 2006e). Da die

deutschen Bundesländer in der EU aufgrund des föderalen Systems als europäische

Regionen gelten und für die jeweilige ländliche Politik zuständig sind, waren sie dafür

verantwortlich die Anzahl der förderungsfähigen Regionen an die EU weiterzuleiten und das

operationelle Programm für LEADER+ zu formulieren (Axt 2000). Dies hatte zur Folge, dass

es bei der Umsetzungsstrategie der Länder erhebliche Unterschiede gab, die sich in der

Umsetzung von Regional Governance widerspiegeln können (siehe Kap. 4.3). Die LEADER+

Regionen bekamen ein zentrales Regionalmanagement, das entweder direkt über die LAGs-

hier meist bei der Verwaltungsebene der Region- lief oder bei einem externen Planungsbüro

angesiedelt war. Die LAGs entwickelten eine Entwicklungsstrategie für ihre Region und

daraus die entsprechenden Projekte, welche im Wettbewerb von der EU ausgewählt. Wichtig

bei der Aufstellung der LAG war, dass mindestens 50% der Akteure aus dem privaten

Bereich kommen mussten und somit der Einfluss von öffentlichen Akteuren begrenzt wurde

(Böcher 2008).

16

4.3. Analyse der Implementierung von Regional Governance

in LEADER+/Deutschland: Herausforderungen und Chancen

Böcher (2008; o.J.) hat die Implementierung von Regional Governance in sechs

verschiedenen deutschen LEADER+ Regionen untersucht. Die Ergebnisse können zwar

nicht repräsentativ für ganz Deutschland gesehen werden, sind jedoch ein gutes Beispiel für

die Implementierung von LEADER+ in verschiedenen regionalen Kontexten. Die

verschiedenen Regionen liegen in unterschiedlichen Bundesländern und da, wie oben

erwähnt, die Bundesländer abweichende Implementierungsstrategien in ihren operationellen

Programmen aufweisen, können hier erhebliche Unterschiede festgestellt werden (Böcher

2008; o.J.).

Zum einen ist dies in der Bereitstellung der Ko-finanzierung zu sehen. Manche Bundesländer

finanzierten direkt aus dem eigenen Budget. In anderen kamen dafür die Gemeinden und

Kommunen auf (Böcher 2008). Ein weiterer Punkt ist, dass LEADER+ in vielen der neuen

Bundesländer manchmal nur als ein zusätzlicher Fördertopf der EU gesehen wurde, den es

zu erhalten galt und wenig auf den eigentlichen Sinn von LEADER+, die Ausweitung und

Verbesserung von Governanceprozessen, wertgelegt wurde (Böcher 2008; o.J.). Des

Weiteren war die Konkurrenz der Regionen um den Zugang zu Geldern abhängig vom Anteil

des ländlichen Raumes und der Anzahl der Anträge zu LEADER+ Regionen im jeweiligen

Bundesland. In Thüringen z.B. entsprach die Anzahl der durch LEADER+ Regionen genau

der EU zur Auswahl vorgeschlagenen. Hier war der Wettbewerb nur symbolhaft (Böcher

2008).

Zusätzlich kommt ein anderer Aspekt in Bezug auf die Finanzierung zum Tragen. Zwar

waren alle Regionen an einer Ko-finanzierung durch die EU interessiert, es gab aber

dennoch in den meisten Regionen große Furcht vor einem Entscheidungsverlust regionaler

und lokaler demokratisch gewählter Institutionen bei der Mittelverteilung an die LAGs

(Böcher o.J.). Böcher (o.J.) nennt ein Beispiel, in dem das lokale Government alle weiteren

Aktivitäten der LAG von einer mehrheitlichen Zustimmung der demokratisch gewählten

staatlichen Institution zu der Implementierung von LEADER+ abhängig machte. Dies ist ein

sehr gutes Beispiel für den Machtkonflikt zwischen demokratisch gewählten Institutionen und

den schwach institutionalisierten lokalen Akteursnetzwerken. Die Furcht bestand aber nicht

nur auf lokaler/regionaler Ebene, sondern im Hinblick auf den Einfluss der EU, welche durch

LEADER neue Budgets band und Institutionen gründete (Böcher o.J.).

Auch wenn in der programmatischen Ausgestaltung von LEADER+ festgelegt ist, dass allen

Akteuren der Zugang zur LAG gewährleistet werden sollte, so ist dies der Studie von Böcher

(2008; o.J.) zufolge auf operationeller Ebene nicht immer der Fall. Es können bereits

17

existierende lokale oder regionale Netzwerke sich die LAG zu eigen machen, um eigene

Interessen durchzusetzen und systematisch Akteure mit gegenläufigen Interessen

ausschließen. Böcher (o.J.) nennt das Beispiel einer LAG in der eine umweltpolitische NGO

ausgeschlossen wurde, da befürchtet wurde, dass sie die Interessen der existierenden

Mitglieder unterwandern würde.

Ein weiterer Punkt, der sich auf die Implementierung von Regional Governance ausgewirkt

hat, sind die unterschiedlichen Ansätze der Bundesländer zur ländlichen Entwicklungspolitik.

Manche Länder legten mehr Wert auf traditionelle sektorale Förderung- wie Niedersachsen-

als andere- wie Schleswig Holstein-, was sich wiederum in der Ausgestaltung der LEADER+

Programme und der Ausformung von Regional Governance wiederspiegelte. Somit waren in

einigen Bundesländen Agrarinteressen bei der Ausformung der operationellen Programme

überproportional vertreten und ein Großteil der Innovationsfähigkeit damit herausgefiltert

(Giessen 2010).

Böcher (2008) stellt heraus, dass die geringe formale politische Legitimität der LAG die

Governance Strukturen schwächen kann. Gleichzeitig wird durch die Finanzierungsanreize

der EU Regional Governance gefördert, da die lokalen Verwaltungseinheiten und Politik

darin Anreize sehen mit nicht-staatlichen Akteuren zusammenzuarbeiten. In Bezug auf die

Konkurrenz zwischen Government und Governance gibt es zwei Möglichkeiten, wie das

Government mit dem Governanceansatz umgehen kann. Entweder wird, wie in vielen Fällen

bei LEADER+ beobachtet, der Governanceansatz durch das Government vereinnahmt, um

eigene Interessen besser durchsetzen zu können. Dies ist bei der operationellen Umsetzung

von LEADER+ der Fall, da in vielen Fällen die Governance in das Government integriert

wurde. Hier wurden bezüglich der Umsetzung verschiedener LEADER+ Prinzipien, wie

einem regionalen Budget oder der Projektbewilligungen durch die Regionen, diese Prinzipien

in einigen operationellen Programmen der Regionen umgeschrieben oder abgemildert. Ein

zweiter möglicher Weg ist, dass der Governanceansatz vom Government im Keim erstickt

und abgewehrt wird (Giessen 2010). Giessen (2010) bezieht sich auf die oben genannte

Studie von Böcher und weist ebenfalls darauf hin, dass mit dem LEADER+ Ansatz zwar ein

innovativer Dezentralisierungsansatz geschaffen wurde, die Programmumsetzung innerhalb

der operationellen Programmplanung der Länder aufgrund deren großer Einflussnahme

einiger politische Innovationen entgegenwirkte. Ein Beispiel hierfür war die Verhinderung der

effektiven Verlagerung von inhaltlicher Verantwortung in die Regionen durch die

administrativen Vorgaben. Dadurch wurden die Projektbewilligungskompetenzen nicht wie in

LEADER+ eigentlich vorgesehen in die Regionen verlagert, sondern blieben in vielen Fällen

auf Landesebene (Giessen 2010). Die Europäische Kommission (2006e) weist ebenfalls

darauf hin, dass bei der praktischen Implementierung die „Patriarchische Umsetzung von

18

Programmen“ (Europäische Kommission 2006e, S. XLI) im Governance Stil eine

Abweichung von den LEADER+ Prinzipien darstellen kann.

Böcher (2008; o.J.) stellt mit seiner Studie heraus, dass die Umsetzung in einigen

Bundesländern sehr nah an den Prinzipien von LEADER+ und Regional Governance

ausgelegt ist. In anderen Bundesländern jedoch wurde durch die Umdefinierung und lockere

Interpretation der LEADER+ Prinzipien weniger Kohärenz mit diesen Prinzipien erlangt.

In den folgenden Abschnitten werden nun kurz die Herausforderungen und Chancen anhand

von Beispielen dargestellt.

Bezüglich der positiven Einflussnahme der Gemeinschaftsinitiative LEADER+ auf die

ländlichen Regionen weist Böcher (o.J.) darauf hin, dass LEADER+ trotz einiger Probleme

bei der praktischen Realisierung, vor allem im Bereich der Ausformung neuer Kooperationen

und der Verbesserung der Partizipation sowie bei der Verbesserung der intersektoralen

Kooperation und Innovation positiv gewirkt hat.

Den ersten Punkt betreffend schien es, dass traditionell schwächere Akteure wie Frauen,

Kinder, Ältere oder auch Umweltschutzorganisationen mit LEADER+ eine bessere Chance

zur Partizipation im regionalen Entwicklungskontext bekamen. Sie konnten aufgrund der

Richtlinien von LEADER+ nicht mehr aus der Entscheidungsfindung ausgeschlossen

werden. Als Beispiel nennt Böcher (2008; o.J.) die Ernennung eines Vertreters einer

Umweltschutzorganisation zum Vorsitzenden einer LAG einer bestimmten Region. Dies

weist darauf hin, dass vor allem schwächere Akteure mit eher traditionell unpopulären

politischen Zielen wie Nachhaltigkeit oder Umweltschutz im Zuge der LEADER+

Gemeinschaftsinitiative mehr Mitspracherecht bekommen konnten.

In Bezugnahme auf den oben angesprochenen zweiten positiven Effekt ist zu nennen, dass

im Zuge der LEADER+ Förderung nur integrative Projekte gefördert werden konnten. Dies

kann zu sehr innovativen, intersektoralen Projekten führen. Als ein gutes Beispiel dafür führt

Böcher (o.J.) ein Umweltbildungsprojekt zur Integration von russischen Migranten auf,

welches sehr erfolgreich implementiert wurde. Ein anderes Beispiel ist ein Projekt im Bereich

Tourismus und Kunst, indem eine Kunstallee im Wald geschaffen wurde, die nun als

Tourismusanziehungspunkt für den betreffenden Ort funktioniert (Böcher o.J.).

5. Zwischenfazit

Die oben genannte Studie (Böcher 2008; Böcher o.J.; Giessen 2010) zeigt auf, dass die

Prinzipien von Regional Governance auf programmatischer Ebene sehr wohl in den

Prinzipien von LEADER+ enthalten sind. Auf der operationellen Ebene und in der

19

praktischen Durchführung allerdings wurden viele Innovationen durch die Eingliederung von

Governanceaufgaben in das Government abgemildert und somit der in LEADER+ inhärente

Dezentralisierungsansatz konterkariert. Es wird im Verlauf der Studie klar, dass die zentrale

Idee von Regional Governance, also die Idealform einer autonomen Selbstregierung einer

Region durch ländliche intersektorale Partnerschaften in der Realität kaum stattfindet

(Böcher 2008). Nichtsdestotrotz können einige positive Veränderungen und Ergebnisse

aufgeführt werden, wie z.B. die oben angesprochene bessere Partizipationsmöglichkeit oder

eine verbesserte Innovation durch intersektorale Projekte (Böcher o.J.). Somit kann in Bezug

auf die erste Fragestellung dieser Arbeit gesagt werden, dass LEADER zwar in normativer

Hinsicht alle Kriterien von Regional Governance erfüllt, es in der praktischen Umsetzung,

also auf analytischer Ebene, noch etliche Defizite gibt. In Bezug auf die zweite Fragestellung

dieser Arbeit wurde herausgestellt, dass vor allem der Machtkonflikt zwischen dem

demokratisch legitimierten Government und den neuen Governancestrukturen und

-institutionen auf lokaler, regionaler aber auch bis auf EU-Ebene Probleme bei der

Implementierung der normativen Grundlagen verursacht.

Im folgenden Kapitel wird anhand eines Fallbeispiels aus der Praxis die Governancestruktur

und das interne Evaluationsergebnis der LEADER+ Region Aller-Leine-Tal und das

Umfrageergebnis der Evaluation aller LAGs in Niedersachsen vorgestellt. Da es jedoch an

einer weiteren unabhängigen externen Evaluation mangelt sind die unten aufgeführten

Ergebnisse in Bezug auf die Güte der Regional Governance nur bedingt aussagekräftig. Sie

stellen jedoch die interne Wahrnehmung der beteiligten Akteure dar, welche für die

Weiterführung von LEADER im ELER ein wichtiges Kriterium ist.

6. Fallbeispiel: LEADER+ Förderung in der LEADER Region Aller-

Leine-Tal

Der Kooperationsraum Aller/Leine Tal umfasst acht (Samt)-Gemeinden aus den Landkreisen

Celle, Soltau-Fallingbostel und Verden (siehe Abb. 8.) und ist aus einem 1998 von den

Samtgemeinden Ahlden, Rethem/Aller und Schwarmstedt gegründeten Zweckverband

hervorgegangen. Für LEADER+ hat sich dieser Zweckverband um fünf Gemeinden erweitert,

welche schon vor dem Zusammenschluss in einem eher lockeren Verbund mit den oben

genannten Samtgemeinden kooperierten (DVS LEADER+ 2003).

Es leben ca. 72.000 Menschen in diesem Gebiet (DVS LEADER+ 2003, S.23). Der

Kooperationsraum ist durch eine dünne Besiedlungsstruktur mit einer Bevölkerungsdichte

von 83 Einwohnern pro km2 gekennzeichnet (DVS LEADER+, S. 23). Es gibt wenige

Mittelzentren und das Gebiet ist vom demographischen Wandel betroffen, denn 24% der

20

Bevölkerung ist älter als 60 Jahre (KoRIS 2007a, S. 15). Die Flächennutzung besteht zu 50%

aus Landwirtschaft, 36% Waldfläche sowie 10% Siedlungs-und Verkehrsfläche (KoRIS

2007a, S.17).

Abbildung 8: Fallbeispiel LEADER Region Aller-Leine-Tal. Eigene Bearbeitung nach: (DVS LEADER+ 2003).

Die Versorgung mit den Gütern des täglichen Bedarfs und die medizinische Versorgung sind

vor allem in kleinen Ortschaften vergleichsweise problematisch, da man hier größtenteils auf

den PKW angewiesen ist. Der ÖPNV ist zumeist nur auf den Schulverkehr ausgerichtet.

Ausnahmen sind die Gemeinden Schwarmstedt und Winsen/Aller, wo es mit Bürger- und

Gästebussen Ansätze zur Verbesserung der Mobilität gibt (KoRIS 2007a).

6.1. Governance in der LEADER+ Region Aller-Leine-Tal

Als Basis für die Zusammenarbeit der regionalen Akteure dient das im Jahr 2001

verabschiedete REK für LEADER+. Die Leitthese des REK lautet „ Wir im Aller-Leine-Tal –

Regionale Identität und aktive Bevölkerung“ (DVS LEADER+ 2003, S. 23) und weist auf den

besonderen Fokus der LEADER+ Region in Bezug auf das Zusammenwachsen seiner

Bevölkerung und die Bildung einer regionalen Identität hin. Das Regionalmanagement wird

von einem außenstehenden Planungsbüro koordiniert, während die Geschäftsstelle der LAG

von dem Zweckverband Aller-Leine-Tal geleitet wird (DVS LEADER+ 2003).

Innerhalb der LAG wurden 26 Gremien mit verschiedenen Schwerpunkten gegründet. Diese

sind zum Teil in der Verwaltung aktiv (z.B. der Geschäftsführende Beirat) oder arbeiten zu

21

inhaltlichen Schwerpunkten (z.B. fünf Arbeitskreise zu verschiedenen Themen). In der

Organisationsstruktur der Zusammenarbeit im Kooperationsraum Aller-Leine-Tal fungiert die

LAG als zentrales Gremium (siehe Abb. 9). Aus den regionalen Mitgliedern der LAG wurden

zum einen der Geschäftsführende Beirat, die AG Tourismus und Marketing, die

Projektgruppen, das Finanzmanagement und die Samtgemeinderunde gebildet. Für die

Koordinierung des Regionalmanagements wurde eine externe Beratungsfirma unter Vertrag

genommen. Auf regionaler Ebene hatte das Amt für Landentwicklung Verden beratende

Funktionen für bestimmte Gremien inne (KoRIS 2007b).

Abbildung 9: Organisationsstruktur der LEADER+ Region Aller-Leine-Tal. Quelle: (KoRIS 2007b, S. 4).

In Bezug zu den vier grundlegenden Kriterien von Regional Governance lässt sich sagen,

dass in der Umsetzung von LEADER+ viele der normative Kriterien angesprochen wurden

(siehe Abb. 10). Kongruent zu den LEADER+ Richtlinien wurde eine LAG eingesetzt, es gab

Projekt- und Arbeitsgruppen mit verschiedenen Akteuren und laut der Evaluation wurden die

endogenen Potentiale der Region genutzt und somit die weichen Standortfaktoren gestärkt.

Die LAG bestand gemäß der Richtlinien zur 50% aus privaten Akteuren (KoRIS 2007b, S.4).

Es erfolgte eine funktionale Abgrenzung durch die Flusslandschaft Aller-Leine, die ländliche

Strukturierung und die teilweise schon vorher bestehende regionale Kooperation nicht nur

auf wirtschaftliche Ebene (KoRIS 2007b). Die LAG war auf allen Ebenen vernetzt und durch

eine interregionale Kooperation mit der Region Hohe Heide im Bereich Tourismusmarketing

ist auch dieses Zielfeld von LEADER+ abgedeckt. Während des Förderzeitraums fand eine

breite Beteiligung von Wirtschafts- und Sozialpartnern sowie von Bürgern statt. So wurden

75% der 82 Projekte mit der Beteiligung der eben genannten Partner durchgeführt (KoRIS

22

2007b, S. 7). Dabei handelte es sich auch um Partner, die nicht in der LAG vertreten sind.

Bezugnehmend zum letzten Punkt können im LEADER+ Kontext die EU Fördermittel als Top

Down Anreiz gesehen werden, womit auch dieser Punkt abgedeckt ist (KoRIS 2007b).

Abbildung 10: Regional Governance im Aller-Leine-Tal. Eine analytische Betrachtung. Eigene Bearbeitung

nach: (Böcher 2008, S. 377; KoRiS 2007b).

6.2. Bisherige Ergebnisse der LEADER+ Förderung

Im Förderzeitraum LEADER+ wurden insgesamt 82 Projekte durchgeführt (KoRIS 2007b, S.

6). Das LAG Management benötigte hierbei nur 8% der benötigten Gelder, womit 92% für

Projekte ausgegeben werden konnten (KoRIS 2007a: S. 45). Die Evaluation zeigt, dass eine

Stärkung der weichen Standortfaktoren, sowie eine Steigerung der Lebensqualität und

Identifikation mit der Region stattfanden. Dies entspricht dem Leitsatz des REK der Region.

Es besteht allerdings weiterhin aufgrund des demographischen Wandels ein erhöhter

23

Handlungsbedarf, was die Erhaltung und Förderung der Attraktivität der Region und der

altersspezifischen Versorgung der älteren Bevölkerung angeht (KoRIS 2007a).

Für die kommende Förderperiode wird vor allem der Ausbau des Fahrradtourismus ins Auge

gefasst und einige Kulturlandschaftsprojekte werden für neue Förderperiode in Angriff

genommen (KoRIS 2007a). Aus einer Umfrage zur Evaluierung der LAGs in Niedersachsen

folgte, dass die LAG Aller-Leine Tal ihre eigene Arbeit als gut bis sehr gut bewertet (KoRIS

2007b). Im Niedersächsischen Durchschnitt liegt die LAG Aller-Leine-Tal bei fast allen

Fragen über dem Durchschnitt. Vor allem die LEADER+ Kommunikationsstrukturen und die

Qualität interner Programm- und Projektsteuerung wurden mit sehr gut bewertet (KoRIS

2007b, S. 10). Insbesondere wurde aber auch auf die zunehmende regionale Steuerung der

Entwicklung im Aller-Leine-Tal positiv hingewiesen. Es wurde aber erwähnt, dass der

Wunsch besteht die Bevölkerung noch besser an den Entwicklungsprozessen zu beteiligen

(KoRIS 2007b, S. 11).

Zusammenfassend kann in Bezug auf die Implementierung von Regional Governance durch

LEADER+ im in der LEADER+ Region Aller-Leine Tal gesagt werden, dass auf Grundlage

der Auswertung der Daten aus der internen und externen Umfrage die Implementierung des

LEADER Prinzips zum einem großen Teil nach den Grundsätzen für Regional Governance

erfolgte. Laut KoRIS (2007b) ergaben sich außerdem viele positive Effekte für die Region,

unter anderem die Stärkung der Identität und der Lebensqualität in der Region. Leider kann

aufgrund einer fehlenden weiteren unabhängigen externen Evaluation kein Rückschluss auf

eventuelle Konflikte oder Exklusionen im LEADER Prozess des Aller-Leine Tals gemacht

werden.

7. Zusammenfassung und Fazit

In der Arbeit wurden zunächst die Prinzipien und Charakteristika von Regional Governance

und LEADER bzw. LEADER+ vorgestellt und die europäische Politik für die ländlichen

Räume der letzten Jahre erläutert. Es wurde klar, dass Regional Governance auf normativer

Ebene für die Formulierung der LEADER Prinzipien maßgebend ist.

Dezentralisierungsprozesse, Partizipation der Bevölkerung und privater Akteure sollen die

Staatskassen entlasten und zu einer nachhaltigeren regionalen Entwicklung auf Grundlage

des endogenen Potentials der Region führen (Böcher 2008, Fürst 2007, Giessen 2010). In

der Umsetzung, das hat die Studie von Böcher (2008, o.J.) gezeigt, stellen sich diesen

normativen Grundsätzen jedoch Konfliktpotentiale wie die Furcht des Government vor

Machtverlust, die Dominanz stärkerer über schwächere Akteure oder gegenläufige

Interessen von regionalen und lokalen Akteuren in den Weg (Böcher 2008, Fürst 2007,

Giessen 2010). Die LEADER+ Region Aller-Leine Tal stellt ein positives Beispiel für die

24

Implementierung der Gemeinschaftsinitiative LEADER+ dar. Die Umfrageergebnisse der

internen und externen Evaluation zeigen, dass die Zusammenarbeit und vor allem die

Kommunikation zwischen den Akteuren sehr gut funktionierte und die Beteiligten mit den

Resultaten der Zusammenarbeit durchweg relativ zufrieden sind. Allerdings wird auch hier

angemerkt, dass in der neuen Förderperiode eine stärkere Partizipation der Bürger forciert

wird (KoRIS 2007a; 2007b).

Die LEADER Methode ist seit 2007 als Querschnittsachse im ELER aufgenommen worden

und ist somit in die Mainstreamförderung der europäischen Politik für ländliche Räume

übergegangen. In der Zukunft werden ländliche Räume in der Europäischen Union lernen

müssen in regionaler, dezentraler, politisch-öffentlicher und privater Kooperation für die

Entwicklung der ländlichen Räume zusammenzuarbeiten. Konflikte werden dabei nicht zu

vermeiden sein, können aber durch ein gutes, mediationsfähiges Regionalmanagement

vermindert und im besten Falle auch gelöst werden. Dementsprechend kommt dem

Regionalmanagement für die erfolgreiche Zusammenarbeit von privaten und öffentlichen

Akteuren eine besondere Rolle zu und wird in vielen Prozessen entscheidend für den Erfolg

der ländlichen Entwicklungspolitik sein.

8. Zusammenfassung der Diskussion

In der Diskussion wurden die folgenden Fragen besprochen.

• Welche Effekte kann ein Machtgewinn zugunsten der wirtschaftlichen und sozialen Partner der LAGs auf die lokalen Entscheidungsprozesse für Projekte haben?

• Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit sind doch eher konträre Ziele. Können durch LEADER Synergien erzielt werden?

• Wie können Konflikte zwischen Government und Governance konstruktiv beseitigt werden?

In der Diskussion wurde vor allem herausgestellt, dass die Partner, welche finanzieren, einen

großen gestalterischen Einfluss auf die Durchführung von Projekten haben und dies die

Grundsätze von Regional Governance unterwandern kann. Vor allem aber wurde der

Bereich „Konflikte zwischen Governance und Government“ angesprochen. Es stellte sich

heraus, dass die Bewältigung der hier auftretenden Konflikte eines sehr guten

Regionalmanagements bedürfen. Durch die Auslagerung an regionale

Entwicklungsagenturen kann in diesem Feld ein neutrales und unabhängiges Management

erwartet werden.

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