Epoc Zeus reloaded

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Göttermorgendämmerung Der Allmächtige ein Playgod; seine Gattin jene Göttin, die einen Zickenkrieg zum Trojanischen ausweitet. Gottes Sohn beschert der Menschheit den Intellekt und tut auch sonst nichts Gutes. Schöpfungsgeschichten, wie sie nur die alten Griechen zu schreiben vermochten, dachte man bislang, und schrieb ihnen die Erschaffung von Zeus, Hera, Apoll usw. zu. Dass die Götter weit älter sind als die alten Griechen, zeigen neue Ausgrabungen. Die Schotterpiste führt direkt in den Himmel. Frühnebelwolken verhängen ihn, doch es dauert nicht mehr lang, bis die Sonne alles klar macht und die Zikaden weckt. Noch hat das Sommercrescendo nicht eingesetzt; zu hören ist an diesem Julimorgen nur das gedämpfte Keuchen des Kleinbusses, der sich in Blindfahrt höher und höher schraubt. Endlich stößt er durch die Schwaden, lässt den Dunst weit unter sich und rollt schließlich im Sattel zwischen den Zwillingsgipfeln aus. Mit dem Motor erstirbt im Auto jedes Gespräch, als habe es dieser Himmel nach wie vor in sich, die Menschen in Furcht, in Ehrfurcht zu versetzen. Selbst wenn es sich um Wissenschaftler handelt, die nur an die Ratio glauben. Stumm stemmen sie die Türen des Fahrzeugs auf, beugen sich dem scharfen Wind, der ihnen das Wort abschneidet. Sie sind auf dem Wolfsberg, dem Lykaion, einst Reich der Götter auf dem Peloponnes, wo sich Zeus als deren Höchster den Spitzenplatz einverleibt haben soll. Dazu Opfer über Opfer, darunter schier unvorstellbare, wie die alten Geschichtsschreiber behaupten. Als sei es die immer noch gebotene Annäherungsweise, reihen sich die Ausgräber wie zur Prozession, steigen bedächtig, fast andächtig das letzte steile Stück zum Gipfel auf. Obwohl sie ihre Arbeitsstätte seit drei Sommern kennen, hat jeder Morgen auf 1420 Metern etwas

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Göttermorgendämmerung

Der Allmächtige ein Playgod; seine Gattin jene Göttin,die einen Zickenkrieg zum Trojanischen ausweitet.Gottes Sohn beschert der Menschheit den Intellekt undtut auch sonst nichts Gutes. Schöpfungsgeschichten, wiesie nur die alten Griechen zu schreiben vermochten,dachte man bislang, und schrieb ihnen die Erschaffungvon Zeus, Hera, Apoll usw. zu. Dass die Götter weitälter sind als die alten Griechen, zeigen neueAusgrabungen.

Die Schotterpiste führt direkt in den Himmel.Frühnebelwolken verhängen ihn, doch es dauert nichtmehr lang, bis die Sonne alles klar macht und dieZikaden weckt. Noch hat das Sommercrescendo nichteingesetzt; zu hören ist an diesem Julimorgen nur dasgedämpfte Keuchen des Kleinbusses, der sich inBlindfahrt höher und höher schraubt. Endlich stößt erdurch die Schwaden, lässt den Dunst weit unter sich undrollt schließlich im Sattel zwischen denZwillingsgipfeln aus. Mit dem Motor erstirbt im Auto jedes Gespräch, als habees dieser Himmel nach wie vor in sich, die Menschen inFurcht, in Ehrfurcht zu versetzen. Selbst wenn es sichum Wissenschaftler handelt, die nur an die Ratioglauben. Stumm stemmen sie die Türen des Fahrzeugs auf,beugen sich dem scharfen Wind, der ihnen das Wortabschneidet. Sie sind auf dem Wolfsberg, dem Lykaion,einst Reich der Götter auf dem Peloponnes, wo sich Zeusals deren Höchster den Spitzenplatz einverleibt habensoll. Dazu Opfer über Opfer, darunter schierunvorstellbare, wie die alten Geschichtsschreiberbehaupten.Als sei es die immer noch gebotene Annäherungsweise,reihen sich die Ausgräber wie zur Prozession, steigenbedächtig, fast andächtig das letzte steile Stück zumGipfel auf. Obwohl sie ihre Arbeitsstätte seit dreiSommern kennen, hat jeder Morgen auf 1420 Metern etwas

Erhabenes. Zeus’ Zweitolymp ist nicht von dieser Welt.Wer nicht an den Genius Loci glauben will, den werfenauf jeden Fall Wind und Aussicht um. Der Blick reichtüber ganz Arkadien, dessen Gebirgszüge die geradeaufgehende Sonne weichzeichnet. Auf den Höhen im Westenheben die Strahlen ein Riesenzelt hervor; dort drübenin Bassai wird unter Planen Apollons schönster Tempelrestauriert. Dahinter das Ionische Meer, wo die InselZakynthos die lange Linie des Horizonts aufbricht. ImSüden ein weiterer Doppelgipfel, auf dem einstmals Zeusresidierte: Der Ithome, dem Messenien zu Fuße liegt.Nach dieser Provinz ist der Golf benannt, der von soweit oben besehen das unwirkliche Blau einesSwimmingpools hat.So nah dem Himmel und doch ein Ort der Finsternis. DerLykaion hat auch seine dunkle Seite. Was nichts mit denWaldbränden zu tun hat, die im letzten Jahr denPeloponnes verheerten. Zumindest am Wolfsberg scheintZeus die schützende Hand über seinen Baum gehalten zuhaben, denn die dichten Eichenhaine an den Hängenblieben unversehrt. Jenseits des Tales aber wirktselbst der Fels verbrannt; zwischen dem schwarzen Steinschauen die verkohlten Bäume aus, als wären sieSchattenrisse. Das zögerliche Grün, das im Frühjahr daund dort durchkam, wurde von der Sommersonne längstversengt. Es war ein anderes Feuer, das hier vor langer ZeitAngst und Schrecken verbreitet hat. Die Höllenflammenauf Zeus’ Altar verzehrten nicht nur Opfertiere –Brand-opfer sollen auch Menschen gewesen sein.Berichtet jedenfalls Pausanias, der um die Mitte des 2.Jahrhunderts n. Chr. Griechenland mit dem Zielbereiste, Pracht und Herrlichkeit der Antike wenigstensauf dem Papyrus festzuhalten, da sich ihr Niedergangbereits abzeichnete. Wirtschaftsflüchtlinge drängtenvon Mitteleuropa nach Süden; und Religionskämpferschickten sich an, im Namen eines neuen Gottes dieTempel der alten niederzureißen. Der Vorläufer desHerrn Baedeker erfasste nicht nur akribisch dieHeiligtümer samt Inventar, sondern auch das, was er anAltem in den Köpfen der Priester vorfand: Mythen und

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Gründungssagen, Riten und Bräuche. Die Archäologenziehen Pausanias gern zu Rate; er führt sie zuverlässigzu verschüttgegangenen Stätten und in die vergangeneGedankenwelt ein.Wie die Forscher auf den Lykaion. Der wissenschaftlicheGipfelsturm soll klären, ob tatsächlich Zeus hier obenverehrt wurde, was man ihm hoch- und darbrachte und inwelchem Zeitraum der Kultplatz in Betrieb war. DieTruppe hat jetzt die „Erdaufschüttung“ auf demGipfelplateau erreicht, die Pausanias als Opferaltarsah. Rauch wabert wie damals über dem Tal, doch derrührt heutzutage von den zwei Braunkohlekraftwerkendrunten bei Megalopolis her. Die „große Stadt“ desAltertums ist nur mehr ein Nest in der hinterstenProvinz. Von Zeus’ Altar ist ein mächtiger Haufengeblieben, schwarz und metertief, wie zwei Grubenoffenbaren. Durch und durch Asche, in die sich dieArchäologen knien, wie Alexis Gilas, die Spezialistinfür derartige Opferstätten ist und darüber promoviert.„Spooky“, sagt sie, was neben ihrem Empfinden verrät,wo sie herkommt, nichts jedoch über ihre Herkunftaussagt. Wie alle Mitglieder der Spitzen-Grabung istsie aus den U.S.A.; ihr griechischer Name weist, wieauch die kaum amerikanischen der anderen, auf dieneuzeitliche Völkerwanderung hin. So heißt der Leiterdes Lykaion-Projekts David Gilman Romano, der Professorfür Classical Studies an der Universität vonPennsylvania ist. Zum Team gehören weiter Maya Gupta,Michael Tseng, Arvey Basa und Dan Diffendale. WeilPausanias dem Wolfsberg auch Menschenopfer zuschreibt,nehmen zwei Anthropologen an der Grabung teil: EtheBates und ihr Ehemann Arthur Rohn. Wie sein Nameerkennen lässt, stammen die Vorfahren des emeritiertenProfessors aus Deutschland.Der Name bleibt. Einem Ort haftet er an, auch wenn das,was ihm einen Namen gab, längst vergangen ist. Deshalbsind Flurnamen verlässliche Landmarken, so sich dieAltertumsforscher auf die Suche nach antiken Stättenbegeben. Als sie vor über 100 Jahren begannen, esHeinrich Schliemann nachzumachen und die antikenAutoren beim Wort zu nehmen, bot sich Pausanias

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geradezu als Führer an. Natürlich wollte man auch denLykaion finden, nicht allein wegen des Opferaltars aufdem Gipfel. Pausanias verhieß da auf halber Höhe eineveritable Sportanlage samt Stadion, Hippodrom undHeiligtum. Die Suche ließ sich schwierig an, da allehohen Berge im neuen Griechenland - so sie überhaupteinen Namen haben - „Prophitis Elias“ heißen. Pausaniasgab wenigstens die Richtung vor: „Die Hälfte des Wegesgeht man am Fluss Alpheios entlang.“ Ein Dorfname inder südlichen Bergregion Arkadiens half schließlich denArchäologen weiter. Durch dieses Lykaio konnte dann derLykaion lokalisiert werden. In den Jahren 1897 und 1902sondierten griechische Gelehrte den Wolfsberg,entdeckten zwar den Brandaltar auf dem Gipfel,interessierten sich aber vorrangig für die Aschebahnen,sprich die antiken Sportplätze.Danach hat über 100 Jahre lang nur der Bergwind in derAsche auf dem Lykaion gewühlt. Seit 2006 wird derÜberrest der Brandopfer systematischer aufgewirbelt,nun von den amerikanischen Forschern, die sich beidieser Grabung vornehmlich eines Siebs bedienen.Anthropologen wie Archäologen wollen sicherstellen,dass ihnen keine der antiken Devotionalien entgeht.Jedes Knöchelchen wird geborgen, jede auch noch sokleine Opfergabe entdeckt. Wie jene Münze aus Silber,die plastisch zeigt, wer auf dem Wolfsberg hoch im Kursstand. Zeus präsentiert sich darauf mit seinenErkennungszeichen: Bart, Adler und Eiche. Fürs Glück hatte man zu zahlen, und das oft in bar. Alsdiese Silbermünze geprägt wurde, war es für dieGriechen schon lang gang und gäbe, sich die Gunst ihrerGötter zu kaufen. Im 5. Jahrhundert v. Chr. war derBittgang wie seit jeher eine Klettertour, um denWünschen Nachdruck zu verleihen. Scharen vonWallfahrern schleppten sich und ihre Gaben den Lykaionhinauf; und weil das Opfertier schon schwer genug war,fielen die weiteren Angebinde kleiner aus. Beliebt warDuftöl in getöpferten Flakons, dazu Figürchen aus Ton,die Zeus wohl unter die Nase reiben sollten, was man sodringend wollte: Ein Reitpferd, eine Kuh, eine Ehefrau.Die Tiere aus Fleisch und Blut scheinen bereits

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unterhalb des Gipfels geschlachtet worden zu sein, weilnur bestimmte Stücke der Ziegen und Schafe auf demAltar landeten. „Zeus war wohl wählerisch“, meint derAnthropologe Arthur Rohn. Seine Frau und er haben inder Asche ausschließlich die Knochen und Wirbel derRumpffortsätze gefunden. Keine Köpfe, keine Koteletts,nur die Keulen und Schwänze wurden verbrannt. Manchenicht ganz sondern gar, auf dass auch die Spender ihreHaxe bekamen. Gottesdienst war im alten Griechenlandnie Fron, sondern immer eine Feier mit Festmahl undSpielen – deshalb die Sportstätten unterhalb desGipfels.In diesem 5. Jahrhundert v. Chr. war viel los auf demLykaion, weil die Griechen viel zu bitten hatten. DerBruderkrieg zwischen Athen und Sparta wurde in langen30 Jahren zum Großteil auf dem Peloponnes ausgetragen,und so fanden sich denn altgediente und zukünftigeKämpfer auf dem Wolfsberg ein, um sich von Zeus dasmentale Rüstzeug zu holen. Zwar fungierte er nicht alsKriegsgott, weil aber - wie Hesiod sagt - „sein Herzvon Kampfgier schwoll“, war er die höchste Instanz inSachen Angriffslust. Damit auch ihre Herzen schwollen,überluden die Krieger den Altar mit Spießen undKlingen. Diese Waffen sind aus Eisen, was die Epochebestimmt, in der Hochbetrieb auf dem Lykaion war. Ausdieser Eisenzeit, die im 11. Jahrhundert v. Chr. begannund mit der Antike endete, stammen die Funde des erstenGrabungsabschnitts. Exakt auch die Ära der griechischenGötter, wie die Altertumswissenschaftler langlehrmeinten. Herodot hat sie darauf gebracht, die Geburt von Zeus &Co. um etwa 1000 v. Chr. anzusetzen. Der ersteGeschichtsschreiber verfasste Mitte des 5. Jahrhundertsv. Chr. seine „Historien“ und konstatierte darinlapidar: „Hesiod und Homer sind es, die den HellenenEntstehung und Stammbaum der Götter geschaffen haben.“Weil die beiden „etwa 400 Jahre vor mir gelebt habenund nicht mehr“ – wie es sich Herodot ausrechnete –kommt man auf das 10. Jahrhundert v. Chr.. Aussage wieZeitangabe passten den Altertumswissenschaftlernwunderbar ins Konzept, die festgestellt hatten, dass um

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besagte Jahrtausendwende mit den Dorern, Ioniern undÄoliern die ersten Griechen auf den südlichen Balkaneingewandert seien, die dann mit den Olympiern das ausder Taufe hoben, was die Gelehrten bewundernd das„Hellenentum“ nannten. Die Götter des Olymp, diese heilig Unheiligen mit ihrenübernatürlichen Stärken und menschlichen Schwächenwaren doch wie geschaffen für die alten Griechen, diesekulturellen Überflieger, die Prototypen allerFreigeister. Wer außer ihnen konnte auf solcheSchöpfungsgeschichten kommen? Wo sonst in der Antikegibt es eine Genesis, die quasi alle Romanstoffe, jaalle die Soaps vorwegnimmt? Abenteuer in Fortsetzunghaben die Protagonisten zu bestehen, meist geht es umLiebe und Sex, und das in sämtlichen Ausprägungen.Verbotene Liebe, tödliche Eifersucht, Ehe- undWeltkriege, Kämpfe mit dem Gewissen, gegen innereSchweinehunde und sonstige Untiere; grausames Ende undHappyend – all das findet sich bereits in den Mythen.Auch schon ein Gott in Weiß, der alle und alles heilenkann. Dank der Besetzung menschelt es brachial imgriechischen Himmel. Da ist zum Ersten Obergott Zeus,der schwangeschwind jedem Chiton hinterher ist und sichmehrt auf Gott komm raus. Seine Hauptfrau Hera, diewegen der Seitensprünge ihres Mannes vorrangig alsRachegöttin in eigener Sache agiert. Hie die wilde, dieausgelassene Artemis, die am liebsten mit ihren Hundenum Häuser und durch die Wälder zieht; da die brave,angepasste, die Vatertochter Athene. Der böse OnkelPoseidon, durch den und vor dem die Erde zittert.Aphrodite, der Ur-Vamp, die mann lieben muss, ob erwill oder nicht. Ihr Angetrauter, der ewighintergangene Hephaistos, der sich die Sublimierungausdenkt und so seine Wut in Kunst verwandelt.Dionysos, der den Spaß auf die Erde bringt und denMenschen viel Freude am Leben schenkt. Die ihnen Apollschnell vergällt. Dieser Sohn des Zeus ist eineLichtgestalt, die verblendet: Viel zu schön, um gut zusein. Götterbote Hermes, flink auch im Erfinden vonFalschmeldungen, machen seine (Un)Taten zum Gott aller

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Diebe und Betrüger. Ares, der finstere Kriegsgott, dernur vor Aphrodite kapituliert. Demeter, die alleFruchtbarkeit kontrolliert und schon einmal streikt,wenn Zeus eine falsche Politik betreibt. Hestia, dieHüterin des Herdfeuers, die ihren Platz an derGöttertafel Dionysos überlässt, als es ihr auf demOlymp zu bunt wird.Mögen auch Menschen darüber streiten, dieser ReligionTiefe und Ernsthaftigkeit absprechen - die heiligeZwölfuneinigkeit der Griechen war ein wundervollerGegenentwurf zum ewig zürnenden Jahwe der Juden, zu denentmenschten Göttern Mesopotamiens, den gesichtslosenÄgyptens, die fast nur für die Toten da waren. Bei allihrer Unberechenbarkeit, ihren Tücken – bis auf Aresliebten die Griechen ihre Götter und fürchteten sienur, wenn sich der Himmel bezog oder die Pestvorrückte. Naturkatastrophen und Seuchen waren für siedeutliche Zeichen, dass die Götter grollten. Dannmussten sie schnell besänftigt werden, wobei dieBrandopfer Wunder wirkten. Dass die Götter empfänglichfür Spenden waren, hatte Homer ja nachdrücklich inseiner Ilias belegt. Deshalb rissen die Pilger-strömezu ihren Heiligtümern nie ab. Auch auf dem Wolfsbergwuchs der Berg an Opfergaben.Auf dem Lykaion geht die Arbeit weiter, da derAschehaufen noch längst nicht abgetragen ist. Gut 30Meter misst Zeus’ Brandaltar im Durchmesser und seineTiefe ist nicht abzusehen. Zwei Meter sind sievorgedrungen, als David Romano und seine Mitarbeiterunvermutet auf Weihegaben stoßen, die weit älter sindals die bisher gefundenen. Sie stammen aus dersagenumwobenen Epoche vor der Eisenzeit: Aus derBronzezeit, in der die Mykener weite TeileGriechenlands beherrschten.Vom Volk der Übermenschen erzählt Homer, von ihremKrieg gegen Troja, vom Pakt mit den Göttern, vomglücklichen Spätheimkehrer. Ilias und Odyssee wurden um800 v. Chr. verfasst, also 400 Jahre nach jenenEreignissen, die zu legendär erschienen, umgeschichtliche Realität zu sein. Agamemnon, Nestor undKollegen sah man wie die Götter als Phantasiegeschöpfe

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an, bis Heinrich Schliemann ihre Burgen und Palästefand. Die da auf dem Peloponnes und nördlicher soköniglich wohnten, heißen Achäer bei Homer. Einwandererwaren sie, die sich um 2000 v. Chr. in Griechenlandniederließen; sie arbeiteten auch tapfer und schufenbei aller Aufrüstung die erste Hochkultur auf demFestland. Nach Keramik und Knochen zu urteilen, warbereits ihnen der Lykaion heilig. Schon dieMykener/Achäer brachten auf dem Gipfel Opfertiere undWeihegeschenke dar. Aber wem? Wer war ihr Gott? Wenn auf dem Wolfsberg ohneUnterlass, mit den gleichen Gaben ein Gott verehrtwurde, muss es sich doch um denselben gehandelt haben,folgert nun David Romano. Aber waltete zu Bronzezeitenschon Zeus? Wann wurden die griechischen Götter nunwirklich geboren? Und wer, welche Kultur, brachte siein die Welt? Das sind die Fragen, die Archäologen undReligionswissenschaftlern gleichermaßen Kopfzerbrechenbereiten.Andere Grabung, gleiches Finderglück. Wolf-DietrichNiemeier hätte nur gern einen Hauch von Lykaions Windab, denn in der Ebene von Kalapodi steht die Luft. DieTemperatur beträgt an diesem Julimittag 40 Grad imSchatten - so es einen gibt. Von dem Tempel, den derDirektor des Deutschen Archäologischen Instituts vonAthen nordwestlich der Hauptstadt ausgräbt, existiertnichts mehr, was Schatten spenden könnte. Wegen derkärgliche Baureste war lang nicht klar, um welchenTempel es sich handelte und wem er geweiht war. FrühereAusgräber hatten immer angenommen, es müsse derArtemis-Tempel von Hyampolis sein. Wolf-DietrichNiemeier zweifelte daran. Und tatsächlich fand er jetztheraus, dass die versunkenen Mauern zu einem Apollon-Tempel gehörten, und zwar zu einem ganz besonderen: Dieberühmte Orakelstätte von Abai, von den Persern 480 v.Chr. dem Erdboden gleichgemacht. Die asiatischenInvasoren waren außer sich, dass Leonidas ihr Vorrückenauf Athen an den Thermophylen gestoppt hatte, undließen diese Wut am ersten Tempel aus, der ihnen beimweiteren Vormarsch in den Weg kam. Später, nach demgewonnenen Krieg, beschlossen die Griechen „die

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verbrannten Heiligtümer nicht wieder aufzubauen,sondern für alle Zukunft als Denkmäler des Hasses zubelassen“, wie Pausanias berichtet.Dies Denkmal des Hasses hatte nicht lang Zeichengesetzt, nichts war von ihm geblieben. Dass Wolf-Dietrich Niemeier den doppelt untergegangenen Tempelgefunden hat, ist eine Sensation in Griechenland, dasman bis dahin archäologisch für voll erschlossen hielt.Ein noch größeres Aufsehen aber erregt in Fachkreisen,was unter dem archaischen Tempel zum Vorschein kommt:Die Überreste eines mykenischen Heiligtums. Ein Hausfür die Götter zu errichten, ist für diese Kultur eineBesonderheit, schienen doch die Mykener nur für sich,ihre Toten und den Feind mächtige Mauern hochgezogen zuhaben; von ihrer Bautätigkeit zeugen vor allem Burgen,kolossale Gräber und zyklopische Wehranlagen. Wolf-Dietrich Niemeier sieht das anders: „Ich bin sicher,dass sich in Griechenland unter fast jedem Tempel einälteres Heiligtum befindet. Vermutlich einmykenisches.“ Um diese frühen Kultstätten zuerforschen, müssten die Tempel abgetragen werden (eineUnmöglichkeit, da sie nicht nur den neuen Griechen mehrals heilig sind). Diese Arbeit haben die Perser fürWolf-Dietrich Niemeier erledigt; sie eröffnen ihm damiteinen neuen Zugang zu der Glaubenswelt der Mykener.Dass sie Erbsen zählten, haben sie dokumentiert. Womitsie handelten, zeichneten sie auf, nicht aber das, wassie in ihrem Kopf bewegten. Die Mykener hatten eineSchrift, die man lesen kann – wenn es denn was zu lesengäbe. Nicht, dass es am Lesestoff mangelt, mittlerweileliegen hunderte von Tontäfelchen mit ihrer Linear BSchrift vor. Es ist der Text, der nichtssagend ist, daer nur dröge Krämerlisten zum Inhalt hat: Aufstellungenvon Waren, Verzeichnisse von Import und Export,Lagerbestände, Opferquittungen, Einkaufszettel,Randnotizen, flüchtig auf flach-gedrückte Tonklumpengeritzt. Als dann die mykenische Kultur unterging,Groß-feuer die Paläste zerstörten, waren esironischerweise die tönernen Schmierzettel, die – inder Glut gebrannt – die Katastrophe überstanden und nunvon der Kultur der Mykener zeugen. Vielleicht hatten ja

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auch sie bedeutsamere Dokumente wie Urkunden, Verträgeund eine diplomatische Korrespondenz, die aber ein Raubder Flammen wurden, da sie auf feinem Papyrus oderTierhaut geschrieben waren. Der Architekt MichaelVentris hat vor 50 Jahren ihre Linear B Schriftentziffert, weil er von der viel belachten Annahmeausging, die Mykener seien frühe Griechen gewesen. Erbehielt recht und dank ihm weiß man nun, dass dieMykener die nachweisbar ältesten Griechen waren. Siesprachen ein noch einfaches Griechisch und hielten ihreSprache mit den Silbenzeichen der Minoer fest, derenLinear A Schrift ist bis heute nicht entziffert ist.Wieder sind es Namen, die bleiben. Am Rand der tönernenSpendenlisten werden in mykenischer Linear B mitunterNamen aufgeführt, die denen der griechischen Götterauffallend gleichen, nur leicht verfremdet sind durchdie Silbenzeichen. In a-ta-na klingt Athene an; a-rekönnte Ares sein; aus a-te-mi-to hört man Artemis heraus,di-wo-nu-sos deutet auf Dionysos hin, po-se-da auf Poseidonusw. Auch Worte, die später der klassische Grieche mitKult und Tempel verbindet, sind den Mykenern bereitsein Begriff. Naos, die altgriechische Bezeichnung fürTempel, lautet im mykenischen na-i-wi-jo; temenos, derheilige Bezirk, schreiben die Mykener te-me-no; ieron, dasHeiligtum, heißt bei ihnen i-je-ro. Ob di-wo-nu-sos und po-se-da es schon so toll trieben wie später Dionysos undPoseidon, ob auch die ältesten Griechen schon einenLotterhimmel hatten, ist den begrenzten Texten nicht zuentnehmen. Vielleicht war ja die Bibel der Mykenertatsächlich ihr Rechnungsbuch.Im Handel wie in Händeln waren sie groß, die LandsleuteAgamemnons. Bevor sie mit ihren Kriegsschiffen genTroja dümpelten, hatte ihre Handelsflotte schon dieKüsten Kleinasiens erobert. Wolf-Dietrich Niemeier istauf die Global Player der Bronzezeit auch bei seinenAusgrabungen in Milet gestoßen. Sie hatten da schoneine ihre Niederlassungen, als die Stadt an derWestküste Anatoliens noch Millawanda hieß. Von denHethitern so benannt, die im 2. Jahrtausend v. Chr.Kleinasien und weite Teile des Zweistromlandesbeherrschten. Ihr Land Hatti war eine Supermacht der

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Frühgeschichte, der es auch gelang, Ramses II., dengrößten aller Pharaonen, zu schlagen. Die Hethiterschrieben viel, und nicht nur trockene Geschäftsbücher.So diktierten sie Ägypten die Friedensbedingungen ineinem Vertrag; und korrespondierten auch mit denHerrschern der Nachbarstaaten. Wie mit dem König derAchijawa, den Achäern Homers. Hattis Herrschertituliert den Mykener mit „mein Bruder“, was für eineGleichrangigkeit spricht. Auch die Völker tauschten sich aus. Die Mykenerlieferten Amphoren mit Duftöl, Bronzeartikel und feineKeramik nach Übersee. Und holten von dort Anregungen –oder gleich die Architekten – für den Bau bestimmterBastions-Finessen. Wie zum Beispiel für die Galerie inden Burgmauern von Tiryns, deren „falsches“ Gewölbepassgenau dem der sogenannten Poterne gleicht, die alsFluchtweg oder Prozessionsgang die Wehrmauern derhethitischen Hauptstadt Hattusa unterführt.Importierten die Mykener neben Gütern auch Gedankengut?Es hört sich ganz danach an, als hätten die Hethiterden ein oder anderen Teil zur griechischen Mythologiebeigesteuert, den sie zuvor von den Hurriternübernommen hatten, als sie dies Nachbarvolk samt seinerGötter usurpierten. Wie die Geschichte von einem SohnGottes, der Erster im Himmel werden will, deshalbseinem Vater das Geschlechtsteil abbeißt, um ihn mitder Entmannung zu entmachten. Die gleiche Episodefindet sich bei den Griechen, allerdings ein kleinbisschen manierlicher: Kronos kastriert seinen Vatermit einer Sichel.Sind die Mykener die Schöpfer der griechischen Götter?Haben sie Abschnitte ihrer Genesis von Hethitern undHurritern übernommen? Auf dem Wolfberg geht die Suchenach den Ursprüngen des Lykaion-Kults weiter, und dieAusgräber dringen immer tiefer in die Ascheschicht ein.Eines Morgens hat Alexis Gilas ein Steinchen im Sieb,wie sie erst meint. Zeus sei Dank steht die Sonne schonhöher und kann für Aufklärung sorgen. Ihre Strahlenlassen das Steinchen glitzern, die Archäologin poliertnoch ein bisschen nach und hat einen Bergkristall inder Hand. Mehr als ein edler Stein, wie der

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eingravierte Stier beweist. Eindeutig ein Siegel ausMinoa, dieses sagenhafte Reich auf Kreta, wo StiereKöniginnen liebten und Königinnen Stiere gebaren. ImZeichen des Stiers und seines Doppel-horns schufen dieMinoer eine Hochkultur, die mit ihrer Kunst, ihrerLebenskunst einzigartig in Europa ist. Und vollerRätsel und Geheimnisse bleibt, da ihre Linear A Schriftbislang noch nicht entziffert werden konnte. Man nimmtan, dass die Siegel für die Minoer eine Art Ausweiswaren, mit dem sie die Zugehörigkeit zu einer Sippedokumentierten. Der Reisepass aus Bergkristall stammtaus der späten Bronzezeit, als die Mykener dasInselreich bereits erobert hatten. Den rauhen Kämpenvom Peloponnes muss Minoa außerordentlich gut gefallenhaben, denn sie haben viel den Minoern nachgemacht: dieBauweise der Paläste, die Fresken-malerei, dieTöpferkunst und die Schrift. Haben die Mykener diegriechischen Götter nicht erschaffen, sondern sie sichbeschafft? Mit ihrer Begeisterung für alles kretischeauch minoische Götter übernommen? Zurück auf den „eisigen Lykaeus“, wie Ovid denWolfsberg sieht. Der römische Dichter, der um die großeZeitenwende lebte, war sicher nie auf dem Lykaion. Undwenn doch, dann garantiert nicht im Sommer. Jetzt imJuli um die Mittags-zeit verkriechen sich die Ausgräberin ihre Tücher und Umhänge, um der starken Sonne, denstarken Böen zu entgehen. „Das ist neu“, murmelt ArthurRohn durch seine Vermummung, womit er nicht denaufkommenden Staubsturm meint. Seine Frau beugt sichüber seine Hand, reißt sich den Schal vom Mund. „Dasist alt!“ schreit sie. „Das ist ein Ding!“ Nein, keineMenschenknochen, die haben die beiden Anthropologenbisher noch nicht entdeckt. Auch in den unterenSchichten klauben Arthur Rohn und seine Frau nurTiergebeine aus der Asche. Was aber nicht heißt, dassPausanias Unrecht hat. Rituelle Menschenopfer sind z.B. für das minoische Kreta archäologisch belegt. Um1650 v. Chr. ist auf der Insel ein junger Mann getötetworden, wohl um einem furchtbaren Erdbeben Einhalt zugebieten.

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Eine simple Scherbe hat den Ausruf verursacht. Es istgerade ihre Schlichtheit, die sie besonders macht. Siestammt deutlich von einem Gefäß, das nicht auf derTöpferscheibe gedreht wurde, die Firnis auf demgebrannten Ton changiert von rot zu schwarz. Dieversierten Ausgräber sehen es sofort: Dies irdeneBruchstück stammt das der frühen Bronzezeit, dem 3.Jahrtausend v. Chr.. Zu dieser Zeit aber waren dieMykener noch nicht auf dem Peloponnes, sie wandertenerst um 2000 v. Chr. in Griechenland ein. Wer war dasVolk, das vor den Mykenern einen Kultplatz auf demLykaion unterhielt? Und welcher Gott wurde da verehrt? Wie das nun herausbekommen? Vielleicht muss man jenebefragen, die – wenn auch nicht nah - doch näher amGeschehen waren: Die antiken Dichter undGeschichtsschreiber. Auch wenn John Chadwick, der großeKenner mykenischer Kultur, sich darüber mokiert, ausder Mythologie eine Vorgeschichte herauslesen zuwollen: „Die Vorstellung, dass die Mythen eine früheForm von Geschichte seien, ist schwer auszurotten.“Hören wir uns wenigstens an, was die Alten zu erzählenhaben. In den Mythen heißt es, dass Zeus auf demLykaion zur Welt kam, dann nach Kreta ausgeflogenwurde, wo sich in einer Höhle auf dem Berg Ida nebeneiner Amme viele Erzieher um ihn kümmerten. Als seineAusbildung beendet war, kehrte er als großer Gott nachGriechenland zurück. Pausanias wiederum berichtet vonLykosoura, der alten Siedlung an der Flanke desLykaion: „Von den Städten, die die Erde auf demFestland oder den Inseln aufwies, ist Lykosoura dieälteste, und diese sah die Sonne als erste. Von dieserhaben die übrigen Menschen es gelernt, Städte zubauen.“Wer, welches Volk hat die erste Siedlung am Lykaiongegründet? Waren es auch ihre Erbauer, die auf dem Berghoch über der Stadt einen Kultplatz einrichteten? Werbetete da zu welcher Gottheit? Zu dieser Frühzeit warenGläubige wie Gott wahrscheinlich keine Indoeuropäer,zieht man die Erkenntnisse des Religions-wissenschaftlers Martin Nilsson heran. Als ebenfallsanerkannter Sprachforscher fand er heraus, dass Athene

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keine Griechin ist, da der Name der ureigenstengriechischen Göttin nicht indoeuropäischen Ursprungsist. Nun waren aber die Mykener Indoeuropäer, dieHethiter auch. Die Minoer nicht, denn hätten sie eineindoeuropäische Sprache gesprochen, wäre ihre Linear Alängst entschlüsselt. Das Idiom der Hurriter war wederindoeuropäisch noch semitisch. Wenn nun das Wort„Athene“ nicht aus dem indogermanischen Sprachraumstammt, können die Mykener zumindest Athene nichterschaffen haben. Auch nicht in ihrer Urheimat irgendwoim Norden, da sie bereits dort Griechisch gesprochenhaben.Kommt Athene aus Kreta? Haben die Mykener mit derSchrift auch die Götter der Minoer übernommen? IhreRiten? Auf der Insel zogen die Gläubigen bereits im 3.Jahrtausend v. Chr. auf die Berge, um ganz nah demHimmel ihre Götter zu ehren. Gipfelheiligtümer gehörenzu den gebräuchlichsten Kultstätten auf Kreta. BergesSpitze war immer der Sitz eines Wettergottes. Ist esein Zufall, dass Hesiod immer auch vom Wetter spricht,wenn er Zeus erwähnt? Er nennt ihn „hochdonnernd“,bezeichnet ihn als „Wolkensammler“. Und ist es einZufall, dass die heiligen Berge auf dem Peloponnes diemit Doppelgipfel sind, wie der Lykaion und der Ithome?Wo doch schon den Minoern das Doppelte heilig war.Neben Doppelhorn und Doppelaxt auch Doppelgipfel?Einer, der sich nicht wundert, dass auf dem Lykaionschon im 3. Jahrtausend v. Chr. Kultbetrieb herrschte,der einen frühbronzezeitliche Fund fast schon erwartethat, ist Wolf-Dietrich Niemeier, der sich geradeaufmacht, seine amerikanischen Kollegen auf demWolfsberg zu besuchen: „Wir können nur wieder einmalkonstatieren, dass es eine Kontinuität gab, was Götter,Kult und Riten betrifft.“Auf dem Lykaion herrscht an diesem 20. Juli etwasabseits der Grabung ein reger Betrieb. DieGeschäftigkeit konzentriert sich auf die kleineKapelle, die sich in die Senke zwischen denDoppelgipfeln duckt. Ziegen werden auf den Berggetrieben; Schlangen von Pickups befördern Stühle undTische, in einer zweiten Fuhre jede Menge Menschen.

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Frauen schmücken das Kirchlein, decken die Tische;Männer machen sich an das Schlachten der Tiere. Eingroßes Feuer wird entfacht. Als die Glut die richtigeBrattemperatur erreicht hat, kommen die Fleischspießezum Einsatz. Die Archäologen werden zum Festmahlgebeten, weil die Fremden – so will es die griechischeSprache – gleich Gäste sind. Gern nehmen David Romanound seine Mitarbeiter die Einladung an, bedeutet dochdas Feiern hoch auf dem Berg für sie praktischeReligionswissenschaft. Denn es gibt sie immer noch, dieHeiligtümer auf den Gipfeln. Und auch die Feste sinddie gleichen geblieben. Wie der Gott, der seinen Namenbehalten hat. Theos heißt Gott auf neugriechisch, mitDhios/ Dhias wurde einst Zeus angerufen. Es ist nicht nurder Name, der bleibt.

Kästen:

Herodot über die Herkunft der griechischen Götter

„Woher ein jeder der Götter aber seinen Ursprung hat,ob sie alle schon immer waren und wie ihre Gestaltensind, das wussten sie nicht, bis eben und gestern erstsozusagen. Denn Hesiod und Homer haben, wie ich meine,etwa vierhundert Jahre vor mir gelebt und nicht mehr.Und sie sind es, die den Hellenen Entstehung undStammbaum der Götter geschaffen und den Göttern dieBeinamen gegeben und ihre Ämter und Fertigkeitengesondert und ihre Gestalten deutlich gemacht haben.Die Dichter aber, von denen man sagt, sie hätten vordiesen gelebt, haben, so meine ich jedenfalls, spätergelebt. Und hiervon sagen das erste die Priesterinnenvon Dodona, das zweite aber, von Hesiod und Homer, dassage ich.“ ( Historien, Buch II, 53)

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Hesiod

Einer der vermeintlichen Schöpfer der griechischenGötter, lebte von etwa 740 bis 670 v. Chr. undarbeitete als Bauer in Mittelgriechenland, bis dieMusen über ihn kamen. „Hirtenpack ihr, Draußenliegerund Schandkerle, nichts als Bäuche!“ herrschten sie ihnan, und befahlen ihm, sein Bett im Freien zu verlassen,um „das Geschlecht der ewigen, seligen Götter zupreisen“. Schön gesungen, Muse, aber dazu musste ereinmal eruieren, wer da alles zu preisen war. Mitseiner „Theogonie“ brachte er akribisch Ordnung in denHimmel. (Für Ordnung in Garten und Feld sorgte er dannmit seiner Bauernfibel „Werke und Tage“.) Seine Genesisist denn eher eine Genealogie. Er listet auf, wer mitwem verbandelt war und/oder ist, erfasst die Kinder alldieser Verhältnisse, entwirrt die verworrenenFamilienverhältnisse. Hesiod erweist sich als Meisterdes Adjektivs; so spricht er von der „breitbrüstigenGaia“, dem „gliederlösenden Eros“ und der „fessel-schönen Amphitrite“.

Pausanias über den Lykaion

„Der Berg Lykaion hat auch sonst noch wunderbare Dingeund besonders folgendes. Es ist darauf ein heiligerBezirk des Zeus Lykaios, in den die Menschen nichteintreten dürfen. Wenn jemand das Gesetz übertritt unddoch hineingeht, lebt er mit Bestimmtheit nicht mehrlänger als ein Jahr. Auch das wurde noch erzählt, dassalles, was innerhalb des Heiligtums gerate, Tiereebenso wie Menschen, keinen Schatten werfe. Und wennsich deshalb ein Tier in den heiligen Bezirk flüchtet,folgt der Jäger ihm nicht nach, sondern bleibt draußenund erblickt, obwohl er das Tier sieht, keinen Schattenvon ihm.(…)Auf dem obersten Gipfel des Berges befindetsich eine Erdaufschüttung, der Altar des Zeus Lykaios,und der größte Teil des Peloponnes ist von dort aus

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sichtbar. Vor dem Altar stehen zwei Säulen gegen denSonnenaufgang, und auf ihnen waren früher einmalvergoldete Adler angebracht gewesen. Auf diesem Altaropfern sie dem Zeus Lykaios im geheimen; es behagte mirnicht, eingehender nach dem Opfer zu fragen, mag essein, wie es ist und von Anfang an war…“ (Buch VIII 38,6/7)

Romanos Tempeltour

Sanctuary heißt im Englischen Heiligtum undNaturschutzgebiet gleichermaßen. Und genau dieseVerbindung will David Romano im Süden Arkadiensschaffen. Gottverlassen ist diese Bergregion, dochnicht götterverlassen, und Zeus und die Seinen sollennun die abgelegene Region für den Tourismus interessantmachen. Weil sich in diesem Gebiet viele Tempel undHeiligtümer befinden, plant David Romano einenarchäologischen Park plus Naturreservat. Wander- undRadwege sollen die Tempel der Region verbinden,ansprechende Hotels und Pensionen nicht nur denBildungsreisenden zum Verweilen einladen. Das altePilgerwege-netz der Antike wird wieder erschlossen undführt zum Zeus-Altar auf dem Gipfel des Lykaion, zumPan-Heiligtum an der Nordostseite, zum Tempel inLykosoura an der Südostseite des Wolfsbergs, in demeine Göttin Despoina verehrt wurde, die laut Pausaniaseine Tochter Demeters und Poseidons und die höchsteGöttin Arkadiens war. Über die alten Pilgerpfade kannman den Tempel des Apollon in Bassai erreichen, einerder schönsten in Griechenland, den im 5. Jahrhundert v.Chr. Iktinos erbaut haben soll, dem zuvor schon dasParthenon in Athen gelungen war. Wieder hinab in dieEbene nach Megalopolis zu einem Tempel des Zeus; dannweiter zu der antiken Stadt Gortys nördlich vomLykaion. Hier im zentralen Bergland Arkadiens befindetsich ein Asklepios-Tempel; und nördlich von Bassai imAlpheios-Tal beim heutigen Dorf Alifira das antikeAlepheira mit einem Athene-Tempel aus archaischer Zeit.

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Wichtiger Partner Romanos ist bei diesem Projekt istMichali Petropoulos, der Antikenverwalter Arkadiens,der auch der Co-Direktor der Ausgrabungen auf demLykaion ist.

Die himmlischen Zwölf

Zeus

„Vater der Götter und Menschen“, wie Hesiod sagt, wasZeus wohl wörtlich nahm, da er als Triebstärkster fürmächtig Nachwuchs im Himmel wie auf Erden sorgte.Götter, Halbgötter und Menschen hat er erschaffen, aberauf eine ganz menschliche/ tierische Weise.Geschlechtsverkehr war sein Begehr, und dazu war ihmjede Verkleidung, jedes Mittel - oft unlautere – recht.Der Allgewaltige war ein Allvergewaltiger, wenn Frau/Mann nicht so wollte wie er. Attraktiv scheint er nicht gerade gewesen zu sein, weiler sich immer verkleiden musste, um bei den Frauen zulanden. Als Adler balzte er mit Asteria, als Schwanumgurrte er Leda. Bei seiner Gattin Hera piepte errichtig und schoss den Vogel mit einem Kuckuck ab. Alsgoldener Regen kam er über Danae und schwängerte sie,als Stier beeindruckte er Europa, als Schlangeumschlang er Persephone. Er schlüpfte auch in dieGestalt des Ehemanns, wollte die Frau partout nichtuntreu werden. Dann wurde der Bock zum Gärtner, sprichzu dem Gott gemacht, der über Moral und Anstand seinerErdenkinder zu wachen hatte. Und in Olympia wird derLiebesspieler zum Schutzgott der Spiele ausgerufen.

Hera

Schwester und Ehefrau des Zeus. Von der „goldbeschuhtenHera“, spricht Hesiod, spielt auf ihren Hang zumÄußerlichen an. Sie reist von einer Wellness-Oase zuanderen, zwanghaft damit beschäftigt, ihreJungfräulichkeit wieder herzustellen. Sie ist die

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Erfinderin des Verhaltensmusters, dass die betrogeneGattin alles der Nebenbuhlerin, nichts aber dem Ehemannanlastet.Bei einer olympische Miss-Wahl soll sich dertrojanische Prinz Paris entscheiden, wer die dieSchönste im Himmel ist: Hera, Athene oder Aphrodite. ImVaterland der Bestechung sucht frau nun auch diese Wahlzu beeinflussen. Hera verspricht, sollte er sie wählen,ihn zum Herrn über Asien und zum reichsten Mann aufErden zu machen. Athene verheißt ihm, Sieger in allenzukünftigen Schlachten zu sein, außerdem noch derschönste und weiseste Mann der Welt. Und Aphrodite? Dieverspricht Paris die große Liebe. Aphrodite gewinnt undHera zettelt – weil sie sich auf Rache versteht - denKrieg gegen Troja an, um Paris und sein Volk zubestrafen.

Apollon

Gottes Sohn, wohl auf die Erde geschickt, um denMenschen die Lebensfreude zu vermasseln. StattSinnlichkeit war nun Sinnvolles angesagt; Apollon hieltzum Denken und Maßhalten an. Offensichtlich brauchenwir Menschenkinder auch einen Vater im Himmel, der unsGrenzen setzt. Dabei war er nicht gerade ein Vorbild.Wenn man die Mythen genauer liest, fragt man sich, wasihn eigentlich so anbetenswert macht. So tötet er inDelphi die Erdgöttin, was spätere Mythen-schreiber zuvertuschen suchen, indem sie die Frau zum Drachenmachen. Dem gutmütigen Ziegengott Pan schwatzt er dieKunst der Prophezeiung ab, macht dann aber allen weis,dass die Wahrsagerei auf seinem Mist gewachsen sei,worauf er zum Gott der Weisheit avanciert. Aber schönenGöttern wie schönen Menschen scheint man alles zuverzeihen. Hesiod hat nicht viel und nicht viel Worte für ihnübrig. Er bezeichnet ihn als „Ferntreffer“, wohl weil

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seine Pfeile jeden trafen. Nicht die von Eros, sondernvergiftete, die den Menschen Krankheit brachten. Dasser auch der Todesgott war, geht in den Hymnen auf ihnvöllig unter.

Artemis

Die „pfeilfrohe“ Artemis, wie Hesiod sie nennt, istApollons Zwillingsschwester, doch von ganz anderemNaturell als er. Sie ist die Göttin der Jagd und Herrindes Wildes. Am liebsten sind ihr Out-door-Aktivitätenund so streift sie mit ihren Hunden durch die Wälder,campt im Hochgebirge. Für schwangere Frauen hat sienoch andere Qualitäten. Sie rufen sie, die Jungfrau an,ihnen doch eine leichte Geburt zu bescheren. Kommt dannmit ihrer Hilfe ein gesundes Mädchen zur Welt,empfehlen sie es der Artemis an, die auch dieSchutzgöttin für werdende Frauen ist. Was versprachensich die Eltern davon? Sollte ihre Tochter so wild, soungestüm werden wie Artemis?

Athene

Entsprang Zeus’ Kopf und ist eine Kopfgeburt des Mannesschlechthin: Keusch, kämpferisch, blauäugig. „Diehelläugige Athene“ ist sie bei Hesiod. Er beschreibtsie auch als „die schreckliche, Kämpfe erregendeHeerführerin und unbesiegbare Herrin, der Kampflärmgefällt und Kriege und Schlachten.“ Auch sie schürteden Trojanischen Krieg, weil sie wie Hera in derMisswahl unterlag.Sie tat aber viel Gutes, hat den Menschen denOlivenbaum geschenkt und die Stadt Athen gegründet. Sieerfand die Flöte, die Trompete, den Kochtopf, denPflug, den Rechen, das Joch der Ochsen, das Zaumzeugder Pferde, den Wagen und das Schiff. Hat den Frauendas Kochen, Weben und Spinnen eingebrockt, den Männerndagegen die Kopfarbeit. Von Athene stammt dieWissenschaft der Zahlen.

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Aphrodite

„Aphrodite mit ihren lebhaften Augen“, beschreibt sieHesiod. Die Art ihrer Geburt weist schon auf ihreBestimmung hin. Die Liebesgöttin entspringt demabgeschlagenen Geschlechtsteil des Kronos, das im Meertreibt und ordentlich Schaum macht. Ihren Sex-Appealverdankt sie einem magischen Hüftgürtel, den GatteHephaistos für sie geschmiedet hat. Wer ihn trägt, istunwiderstehlich. Zeus hat sie mit dem göttlichenSchmied verheiratet, doch sie liebt nur Ares, denKriegsgott, den ansonsten keiner leiden kann. Liebe undKrieg, was für eine Paarung..

Hephaistos

Als „ruhmreichen Hinkefuß“ bezeichnet ihn Hesiod.Hephaistos ist ein begnadeter Schmied, fertigt Achillden Schild, der ihn unbesiegbar macht und lötet seinerkünftigen Gattin einen Hüftgürtel, der sie zurbegehrtesten Frau im Himmel und auf Erden macht. Zeusordnet an – was mag ihn da nur geritten haben? Mitleid?Oder reine Bosheit? - dass Aphrodite den hässlichstenMann des Olymps zu heiraten hat. Aphrodite betrügt ihnnatürlich und er verwendet nun seine ganzeSchaffenskraft darauf, Fallen zu schmieden, um dieungetreue Ehefrau in flagranti zu erwischen. Noch heutedarf er Feuer spucken, denn im Griechischen heißt derVulkan iphaisteio.

Poseidon

Als der, „der die Erde hält und erschüttert“,bezeichnet ihn Hesiod. Dabei geht unter, dass derErderschütterer auch das Meer erschüttert. Mit seinemDreizack drischt er auf die Ägäis ein, wenn er übler

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Stimmung ist. Und das ist er oft, weil ihm immer wiederGöttinnen und irdische Frauen einen Korb geben. WieBruder Zeus sucht er sein Heil in Verkleidungen, auchdas mit mäßigem Erfolg. Noch schrecklicher als er sindseine Nachkommen. Seine Kinder als missraten zubezeichnen, wäre der reinste Euphemismus. Poseidon istVater von Kerberos, dem Höllenhund, der lernäischenHydra, der thebanischen Sphinx, die nur Männer alsNahrung akzeptiert und dem Löwen von Nemea.

Hermes

Pfeilschneller Götterbote, genauso wendig in seinenAusreden, die er zur Entschuldigung der Götter parathaben. Er schwatzt Pan seine Flöte ab, verkauft sieteuer an Apollon, der daraufhin zum Gott der Musikausgerufen wird. Hermes ist der Schutzgott derfingerflinken Taschendiebe und wacht über alle großenund kleinen Betrüger.

Ares

Kriegsgott, nach Hesiod der „Städtevernichter“ undewiger Geliebter Aphrodites. Er ist der einzige Gottder Griechen, dem kein Tempel gebaut wurde.

Demeter

„Die herrliche Göttin“, nennt sie Hesiod, was er alsLandwirt wohl sagen muss, denn sie ist für dieFruchtbarkeit zuständig; bekannt für ihre blumigenWünsche und Verwünschungen. Einem erklärt sie, dass ernie wieder im Leben Bauchweh haben wird. Einem anderenschickt sie immerwährenden Hunger, so schlimm, dass erdie Abfälle auf der Straße in sich hineinschlingt. Eineeher umgängliche Göttin, bis zu dem Tag, als der Gott

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der Unterwelt mit Hilfe Zeus’ ihre Tochter Persephoneentführt. Demeter stellt daraufhin ihre Arbeit ein:Nichts wächst mehr, kein Tier und kein Mensch wird mehrgeboren. Zeus muss einlenken, will er die Erdeerhalten, die Paarungskatastrophe abwenden. Demeterbekommt ihre Tochter zurück. Dimitriaka heißt heute nochdas Getreide auf griechisch.

Hestia

Göttin der Herdfeuers und damit der Gemütlichkeit,immer bescheiden und nett. Als der Olymp immer mehr zumTollhaus wird, gibt sie ihren Platz an der göttlicherTafel an Dionysos weiter. Noch heute ist ihr Name inGriechenland gegenwärtig: Estia bedeutet Herd, Kamin unddas Heim. Und Restaurant heißt übersetzt estiatorio –Hestias Tafel.

Dionysos

Dionysos hatte eine harte Kindheit. Dafür sorgte Hera,die ihn unbedingt vernichten wollte, weil er eines dervielen unehelichen Kinder des Zeus’ war. Sie ließ ihnzerreißen, wahnsinnig werden. Was dem Kind sichtlichnicht geschadet hat, er wurde der „Freudenreiche“, wieHesiod ihn nennt. Dionysos schenkte den Menschen Spaßam Leben, und damit sie ihn sicher hatten, erfand erden Wein und die Wollust dazu. Dieser Gott, der immerin Verbindung mit Orgien und orgiastischen Feierngenannt wird, scheint der einzig anständige und treueMann des Olymps gewesen zu sein. Als Theseus die ihmfrisch angetraute Ariadne auf Naxos vergisst – jeneAriadne, die ihn mit ihrem Faden zu der Heldentatbefähigte, den Minotauros zu töten – als dieser Theseuseinfach weitersegelt, als hätte er nie eine Ehefraugehabt, nimmt sich Dionysos der völlig verzweifeltenAriadne an. Tröstet sie so gut, dass die beiden einPaar werden und für immer bleiben.

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Väter unser

In einem Bergdorf am Lykaion, wo sich Fuchs und Schakalgute Nacht sagen. Das Mobiliar des einzigen Kafeneionam Platze scheint noch aus dem Befreiungskrieg zustammen. Und doch ist man im hintersten Arkadien näheran die weite Welt herangerückt. Satellitenschüsselnstehen auf den Schieferdächern, das Pfarrhaus verfügtüber einen Computer und jeder der Hirten hat mindestensein Handy. Hier in der Gegend, so sagt man, soll esnoch die alten griechischen Götter geben, da in derAbgeschiedenheit Totgesagte länger leben. Wir gehen der Sache nach und fragen einen Hirten, derseine Ziegen und Schafe auf der Straße vor sich hertreibt. Unwillig nimmt er den Knopf seines iPod aus demOhr..„Götter?“ Er schüttelt den Kopf. „Nein, für mich gibtes nur einen!“Na also, will man denken, von wegen Götter, da knallter ein Wort hin: „Pan.“„Wer?“ wird nachgefragt, weil man nicht richtigverstanden hat.„Pan“, sagt er jetzt laut und deutlich.Pan, der kleine Gott mit dem Bocksfuß, der nichts mitden Olympiern zu tun haben wollte, der dieGroßgotterten nicht riechen konnte. Pausanias lässtüber ihn nichts kommen, scheint ihn ebenfalls zuverehren: „Auch dieser Pan ist wie die mächtigstenGötter imstande, Gebete der Menschen zu erfüllen undMissetätern die angemessene Strafe zukommen zu lassen.“Seit alters her war und ist Pan der SchutzgottArkadiens, weil nur er sich auf Ziegen versteht undrichtig mit ihnen umzugehen weiß, wie der Hirte betont.„Von diesen Neuen kennt sich doch keiner mit Ziegenaus!“ sagt er.Was heißt hier „Neue“? Er tut ja gerade so, als ob esnoch viele Götter gäbe, als ob zu den alten neuehinzugekommen seien.So sehen es auch die Städter. In Athen formierte sich2005 eine „Kulturelle Vereinigung aus religiösen

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Gründen“, die „Heilige Gemeinschaft der Gläubigen derAntike“, abgekürzt „Ellinais“. Sie glauben an die altenGötter und wollen den Kult, die Riten von damals wiederaufleben lassen. In ihren Reihen haben sie eineOberpriesterin bestimmt, die in altem Griechisch diealte Hymne an den Sonnen-gott singt. Sie ruft ingetragenen Versen auch Zeus und die anderen an. DieGläubigen würden ihre Götterdienste am liebsten in denantiken Stätten abhalten, in den Apollon-Tempeln oderden Heiligtümern der Hera, Aphrodite, Athene usw.Diesem göttervollen Treiben ist aber die griechischeAntikenverwaltung vor, die alle Tempel flugs zustaatlichen Denkmälern erklärt hat. Aber auch dasTheater von Epidaurus ist ein Baudenkmal, das sehr wohlin alter Weise genutzt werden darf.Es ist eher die orthodoxe Kirche Griechenlands, diealle Strippen zieht, dass keiner der antiken Götterwiederaufersteht. Sie lässt es nicht zu, dass auch nureines ihrer Schafe den Glauben wechselt. Und dann auchnoch zum schändlichen Polytheismus, wo man innerhalbder Religion die Götter wechseln kann, wie es einembeliebt. Da sei ihr alleiniger Gott vor, oder zumindestder griechische Staat, dem neuheidnischen TreibenEinhalt zu gebieten. Aber dieser Staat hat gerade„Ellinais“ erlaubt, Ehen vor Aphrodite zu schließen,Kinder im Angesicht Artemis’ zu taufen, und Tote demHades zu überantworten. Allerdings nicht in der altenWeise. Bestattungen im Pithos und Schachtgräbernbleiben untersagt. Allerdings dürfen von nun an wiedersportliche Spiele zu Ehren des Toten abgehalten werden.Die neuen Zeusanbeter aber kämpfen weiter darum, ihrenGott in seinen ureigensten Tempeln feiern zu können.Da sind die Hirten am Lykaion fein raus. Sie brauchenkeinen Tempel, sie rufen ihren Pan da an, wo er immerangerufen wurde. Das angestammte Heiligtum des kleinenGottes ist die Bergwelt Arkadiens. Die schöne, diefreie Natur.

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